Die Verfolgung und Aburteilung von Bagatellkriminalität verbraucht unverhältnismäßig viele Ressourcen der Justiz, stellt einen unnötig schweren Grundrechtseingriff in die Rechte der Betroffenen dar und richtet vielfach mehr Schaden an, als sie nützt.
So gibt es allein über 100 000 Verfahren jährlich, bei denen es um die Verfolgung von dem Besitz von Cannabis geht. Aber auch wegen Schwarzfahren, Diebstählen von geringwertigen Sachen und Beleidigungen werden jedes Jahr tausende von Verfahren geführt. Im schlimmsten Falle werden für solche Delikte nicht nur die Polizei und Staatsanwaltschaft belastet, sondern auch die Gerichte. Dies hat zur Folge, dass die Strafjustiz massenhaft Verfahren zu führen hat, wodurch vielfach Ressourcen in Bereichen fehlen, in denen eine Strafverfolgung dringend erforderlich ist. So werden für die Verfolgung von Wirtschaftskriminalität, der organisierten Kriminalität und von Umweltstraftaten viel mehr Ressourcen benötigt. Gerade auf den Gebiet der Wirtschafts- und Umweltkriminalität kommt es vor, dass die Justiz den Straftäter*innen sogar strukturell unterlegen ist und daher Straftaten in diesem Bereich vielfach entweder gar nicht erst erkannt oder nicht sinnvoll verfolgt werden können.
Auch dauern Verfahren durch die unnötige Belastung der Justiz extrem lange und ziehen sich teilweise über Jahre, sodass eine schnelle Reaktion, die zur effektiven Bekämpfung von vielen Straftaten dringend notwendig ist, gar nicht erfolgen kann. Kriminologische Forschungen zeigen etwa, dass es gerade im Bereich der Kriminalität von jungen Menschen essentiell ist, schnell auf strafbares Verhalten zu reagieren, um zukünftige Straftaten zu verhindern. Dies ist aber nicht möglich, wenn die Staatsanwaltschaft und Gerichte sich tagtäglich mit Delikten wie Schwarzfahren, Drogenbesitz und anderer Kleinstkriminalität herumschlagen müssen.
Eine Strafverfolgung von Kleinstkriminalität kann in vielen Fällen dazu auch noch sehr schädlich sein. Die Betroffenen werden unnötig kriminalisiert, was für sie nicht nur enorme Kosten bedeutet, sie unnötig stigmatisiert, sondern darüber hinaus mit schweren Grundrechtseingriffen einhergeht. Das Strafrecht soll als schärfstes Schwert des Rechtsstaates aber nur in Fällen eingesetzt werden, wenn es zwingend erforderlich ist (ultima ratio Prinzip). Dies ist Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Diesem Gedanken wird durch die strafrechtliche Verfolgung von Kleinstkriminalität nicht entsprochen. So haben wir etwa die irrsinnige Situation, dass es Menschen gibt, die für solche Kriminalität sogar inhaftiert werden. Dies kann selbst durch die Möglichkeiten der StPO, Verfahren einzustellen, nicht verhindert werden. So gibt es etwa immer wieder Menschen, die wegen Schwarzfahren im Rahmen der Ersatzfreiheitsstrafe inhaftiert werden.
Auch der Schutz der Bevölkerung gebietet nicht, dass diese Straftaten mit dem Mittel des Strafrechts verfolgt werden. Sofern eine Reaktion notwendig ist, kann diese bei Kleinstkriminalität auch im Rahmen von der Ahndung als Ordnungswidrigkeit erfolgen. Dies ist nicht nur weniger eingriffsintensiv, sondern ermöglicht auch eine schnellere Reaktion, entlastet die Justiz und gleichzeitig kann die Ordnungswidrigkeit auch differenzierter ausgestaltet werden.
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