"Gefährder" sind Menschen, die noch nichts gemacht haben, denen man aber seitens des Verfassungsschutzes und/ oder Polizei aufgrund von Indizien zutraut, Anschläage zu verüben. Hier beginnt die Repression gegen eine einzelne Person also bereits in einem Stadium, wo noch nicht einmal ein konkreter Anschlagsplan gewachsen ist.
Sollen sich Bündnis90/ Die Grünen als Bürgerrechtspartei allen Ernstes auf dieses dünne Brett begeben?
Auf der anderen Seite wenden wir uns zu recht gegen anlasslose Überwachungen durch den Verfassungsschutz!
Wo bleibt das Recht des Betroffenen auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit aus Art. 2 (1) GG, welches Jedem zusteht, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. "Verletzen" und "verstoßen" sind aktive Handlungen, die justiziabel belegbar sein müssen, um das Grundrecht einzuschränken. Wie will man eine aktive Handlung belegen, die noch gar nicht begangen ist?
Die Überwachung von sogenannten Gefährdern ist zudem ein extrem ressourcenraubender Irrweg, der die ohnehin personell gebeutelten Polizeibehörden zusätzlich extrem belastet.
Wenn man die Zahl der bekannten sogenannten "Gefährder" mit der Zahl von mindestens 12 Beamten multipliziert, die man für eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung nebst Fahrzeugen und Logistik im Dreischicht-Betrieb einkalkulieren müsste, erkennt man unschwer die Grenzen des Machbaren.
Deswegen sollte diese Verbeugung unserer Partei vor der von der Union betriebenen Repressionsspirale aus dem Wahlprogramm gestrichen werden.
Kommentare
Bernadette Eisenbart:
Bernadette Eisenbart:
Thomas Dyhr:
Soll es etwa heißen, "die Polizei hat immer recht?"
Kann die Polizei in den Kopf hineinschauen, um anschließend das Urteil zu fällen, dass es sich um xyz um einen "Gefährder" handelt?
Allenfalls kann man aufgrund von Verlautbarungen rückschließen, dass xyz eine bestimmte Meinung/ Glauben vertritt. Wir haben aber Meinungsfreiheit und Glaubensfreiheit. Solange der Mensch nicht die Rechte anderer Menschen verletzt genießt auch ein Mensch diese Rechte, der als "Gefährder" eingestuft ist.
Würde der Mensch dagegen Mordtaten des IS öffentlich gutheißen oder hätte er sich dem IS sogar angeschlossen, wäre die Grenze zur Strafbarkeit bereits überschritten und man könnte gegen sie strafprozessual vorgehen. Dann reden wir aber nicht mehr über das Überwachen, sondern über das Einsperren.
Wir sollten gerade als eine der wenigen verbliebenen Bürgerrechtsparteien vermeiden, uns in der allgemein Terrorhysterie von den verfassungsmäßigen Essentials zu verabschieden. Der Rechtsstaat muss sich in jeder Situation bewähren, nicht nur wenn es Polizei und Verfassungsschutz passt. Denn sonst würden wir den Rechtsstaat aufgeben und die Terroristen haben erreicht, was sie wollen!
Über den rechtlichen Aspekt hinaus muss auch auf die Macht des Faktischen hingewiesen werden.
Eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung aller Menschen, denen man Böses zutraut, ist faktisch gar nicht möglich und erfordert Ressourcen, die schlicht nicht da sind - die auch kein Finanzminister bezahlen wollte.
Soll allen Ernstes die normale Kriminalitätsbekämpfung eingestellt werden, weil fast alle Beamten mit Observationsaufgaben gebunden sind?
Die von mir genannte Zahl von 12 ist die kalkulatorische Unterzahl für einen Dreischicht-Rund-um-die-Uhr-Betrieb. Das wären 4 Beamte pro Schicht, deren einsatztaktische Möglichkeiten enge Grenzen haben. (Es ist bekanntermaßen sehr einfach, Leute "abzuschütteln", die man nicht hinter sich haben will...)
Im Januar 2017 veröffentlichte das BMI. Demnach registrierte der Bund Anfang Januar im Bereich "Politisch motivierte Kriminalität links" insgesamt 130 Gefährder und "relevante Personen". Im Bereich "Politisch motivierte Kriminalität rechts" lag die Zahl bei 126. Was den "Islamistischen Terrorismus" anbelangt, wurden dagegen 547 "Gefährder" und 366 "relevante Personen" erfasst.
Was ist zudem mit verurteilten und nicht therapierten Pädophilen oder verurteilten und gemeingefährlichen Schlägern, die im Suff völlig hemmungslos Leute totschlagen, weil sie gerade mal austicken...
Das sind auch Gefährder, die nicht einen Tick weniger gefährlich sind und nach dieser Logik ebenfalls überwacht gehören.
Alleine die Überwachung der 547 "islamistischen Gefährder" würde folglich einen kalkulatorischen Bedarf von 6564 Beamtinnen und Beamten nebst 1.094 Fahrzeugen zzgl. sonstiger Logistik nach sich ziehen. Das sind mehr Beamte, als die ganze Polizei Mecklenburg Vorpommerns im Jahr 2013 an Bediensteten hatte oder mehr als 3/4 der Bediensteten der gesamten Brandenburger Polizei!
Und diese vielen Leute machen im Prinzip nichts anderes als die ganze Schicht über in der Gegend herumzustehen und zu gucken oder ihrer Zielperson hinterherzufahren und sie möglicherweise auch aus der Kontrolle zu verlieren.
Der taktische Ansatz der Überwachung ist schlicht unsinnig und eine gigantische Ressourcenverschwendung, weil ohne Not Tausende von Mannstunden verheizt werden, ohne auch nur annähernd die Gewähr zu bieten, dass am Ende etwas herauskommt!
Es ist eine Placebo-Beruhigungspille ohne Therapieeffekt und deswegen schlicht abzulehnen!
Thomas Dyhr:
Bernadette Eisenbart:
Thomas Dyhr:
Diese Inkonsequenz in deiner Argumentation ist mir absolut unklar!
"... eindeutig islamistische Terroranschläge befürworten bzw. selbst vorbereiten..." - kann man das beweiskräftig nachweisen, bewegt man sich bereits in der Strafbarkeit. Dann reden wir in den Konsequenz aber nicht mehr über das Überwachen, sondern über das Einsperren!
"...polizeibekannte dem IS nahe stehende Menschen..." - ich empfehle mal die Lektüre von https://dejure.org/gesetze/StGB/129a.html. Da wirst Du sehen, dass alles, was noch weniger an Tatbestand hergibt, sich tatsächlich bereits im Rahmen einer unzulässigen Kaffeesatzleserei als Rechtsgrund bewegt.
Durch die zahlreichen Vorverlagerungen der Strafbarkeit in einen Bereich, der kaum noch von "Handlungen" geprägt ist, bewegen wir uns heute bereits am Rande des verfassungsmäßig Zulässigen.
Wo bleiben die Grundrechte der Meinungsfreiheit und der freien Persönlichkeitsentfaltung, wenn schon das reine "für-sich-Denken"/ das "Böses zutrauen" ausreichen soll, staatliche Repression auszulösen?
Nach der jüngsten Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts können solche Typen, die Dir vor Augen stehen, sogar schon abgeschoben werden.
Wer auch das noch weiter einschränken will, will eine andere Bundesrepublik. Will einen autoritären Staat, der jegliches vermeintlich abweichendes Denken bereits mit Repressalien belegt. Wir brauchen uns dann nicht mehr über ERDOGAN aufzuregen. Solche Verhältnisse führen wir dann auch hierzulande ein und die Terroristen haben gewonnen.
Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit. Weder in autoritären Staaten, noch in freien Gesellschaften.
Auch im autoritär regierten Russland haben es schwer bewaffnete Tschetschenische Kämpfer vollbracht ein voll besetzes Kino in ihre Gewalt zu bringen...
Andersrum wird ein Schuh draus. Die Terrorangst in der Bevölkerung wird von der GroKo geschürt. DeMaiziere haute eine sinnfreie Terrorwarnung nach der anderen raus und verbreitete eine völlig unangebrachte Hysterie in der Bevölkerung, die ein Ziel hatte: seine freiheitsfeindlichen Vorstellungen von Sicherheit und Ordnung durchzusetzen, die auf die Abschaffung unseres freiheitlichen Rechtsstaates hinauslaufen. Wir tun gut daran, diesem Treiben (endlich...) entgegenzuwirken, anstatt liebedienerisch jede Attacke auf den freiheitlichen Rechtsstaat abzunicken.
Wir tun gut daran zu verdeutlichen, dass wir uns die Freiheit weder von durchgeknallten Terroristen, noch durchgeknallten Innenpolitikern kaputt machen lassen.
Simon Lissner:
eigentlich hat Thomas dazu alles Wesentliche gesagt. Hinzu zufügen ist eigentlich, dass was du ja selbst sagst. Die Typen sind bekannt und so weiter. Es ist also eher zu klären, weshalb etwa Amri, wenn ich recht entsinne, von verdeckten Ermittlern oder so ähnlich, durch die Gegend (Richtung Berlin kutschiert) und dann "aus den Augen verloren" geht. Gesetzesverschärfungen die sich erst einmal "blindwütig gegen Alle" richten, also Gnerealverdacht gegen Bürger*innen, bringen doch nichts, wenn etwas Verfassungsschützer Morden "beiwohnen" (Kassel) und statt der Nazimörder die Opfer verdächtigt werden (NSU). Die Gesetze sind da, sollten wir da nicht erst mal das nötige draus machen? Sich auf die Rechte bis Rechtsradikale Rhetorik herab zulassen (da gehört der Begriff der "Gefährder" dazu), bewirkt nichts Gutes und bringt auch in der Sache selbst nichts an praktischem Resultat. Im Gegenteil. Mit dieser Rhetorik bestätigen wir die Seehofer und das Rechtsaußen-Lager.