Veranstaltung: | 42. Bundesdelegiertenkonferenz Berlin |
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Tagesordnungspunkt: | A Aussprache Bundestagswahl |
Antragsteller*in: | KV Nürnberg (dort beschlossen am: 16.11.2017) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 21.11.2017, 17:40 |
A-03 (ehm D-04): Content is Kanzler*in
Antragstext
Sollten die Sondierungsgespräche oder die Koalitionsverhandlungen scheitern, versuchen die
Grünen auf der Basis des 10-Punkte-Programms im Bundestag eine demokratische,
fraktionsübergreifende Plattform von Abgeordneten zu schaffen und unterstützen bei der Wahl
zur Kanzler*in im Bundestag die/den Kanzlerkandidat*in, die/der das Grüne 10-Punkte-Programm
in das Regierungsprogramm aufnimmt.
Begründung
Im Gegensatz zu den Parlamenten anderer Länder kann sich der Deutsche Bundestag nicht selbst auflösen und Neuwahlen ansetzen. Es gibt also keinen Neuwahlautomatismus nach gescheiterten Koalitionsverhandlungen. Neuwahlen kann nur der Bundespräsident ansetzen, wenn entweder die sogenannte Vertrauensfrage im Bundestag gescheitert ist oder bei neu konstituiertem Bundestag nach mindestens 3 Kanzlerinnenwahlgängen in der 3. Wahlphase niemand die absolute Mehrheit erreicht hat.
Doch auch in diesen Fällen ist der Bundespräsident nicht dazu gezwungen Neuwahlen auszurufen. So kann der Bundespräsident nach der 3. Wahlphase die Person zur Kanzlerin ernennen, die im Bundestag die meisten Stimmen auf sich vereinen konnte. Die Bildung einer Minderheitenregierung ist somit auch ohne Zustimmung des Bundestags möglich. Nach den aktuellen ablehnenden Äußerungen des Bundespräsidenten zu Neuwahlen ist davon auszugehen, dass er das als eine Möglichkeit von mehreren ernsthaft in Erwägung zieht.
Ebenso sind Neuwahlen aktuell in der Bevölkerung zurecht unbeliebt. Es ist nicht erkennbar, dass Neuwahlen ein „besseres“ Ergebnis brächten, im Sinne derer die Neuwahlen anstreben. Ganz abgesehen davon ist es Anmaßung gegenüber den Wähler*innen und der Demokratie so lange wählen zu lassen, bis einem das Ergebnis passt. In solchen Fällen ist bei Neuwahlen die Gefahr von unterschiedslosen „Denkzetteln“ gegenüber allen demokratischen Parteien groß, egal ob sie an den Neuwahlen schuld waren oder nicht. Wem alles egal ist, wählt oft radikal autoritär. Das kann niemals in unserem Sinn von uns Grünen sein!
Es muss deshalb unsere Aufgabe von uns Grünen sein kreativ und mutig Ideen zur Umsetzung des Auftrags unserer Wähler*innen – die Bildung einer möglichst Grünen Regierung zur Umsetzung unsere Grünen Ziele – dem 10-Punkte-Plan Denn: Wir können uns nicht zurück lehnen. Es gibt keinen Planet B.
Alle nun denkbaren Wege zur Regierungsbildung sind in der Bundesrepublik „Neuland“ und nur weil sie unkonventionell oder unwahrscheinlich erscheinen, sind sie deswegen noch lange nicht schlecht. Die Option der Minderheitsregierung mit Verweis auf Skandinavien ist derzeit in aller Munde. Es gäbe jedoch auch die Möglichkeit im Bundestag fraktionsübergreifend Abgeordnete für eine gemeinsame Werteplattform zu einer Mehrheit von Abgeordneten zu vereinen. In angelsächsischen Ländern mit geringerer Parteienbindung der Abgeordneten ist dies eine häufiger gelebte Praxis.
Dem Bundestag als Herzkammer der parlamentarischen Demokratie in Deutschland täte es auch einmal gut, wenn nun statt der abseits des Bundestags gescheiterten Sondierungsgespräche nun mitten im Bundestag sich eine Mehrheit von Abgeordneten auf Basis von gemeinsamen Zielen und Werten bildet, die Regierungsbildung also in offener Debatte mitten im Bundestag geschieht. Der Grüne Vorstoß den Kohleausstieg unabhängig von einer Regierungsbildung jetzt im Bundestag zu beschließen passt nahtlos in diesen Ansatz und böte einen guten Auftakt dafür.
Selbst wenn der wahrscheinliche Fall eintritt, dass der Fraktionszwang der Parteien, die derzeit leichtfertig auf Neuwahlen zusteuern, so groß ist dass auch auf diesem Wege keine absolute Mehrheit zustande käme: Es bräuchte sie wie gesagt noch nicht einmal unbedingt zur Regierungsbildung. Und selbst wenn die Option der Minderheitenregierung aufgrund einer angedrohten absoluten Blockade der anderen handlungsunfähig wäre, sollten sich diese Parteien so eine egozentrische Haltung erst einmal trauen.
Denn: Wer in dieser Phase als destruktiver nur auf seinen eigenen Vorteil bedachter Blockierer da steht, wird von den Wähler*innen bei Neuwahlen abgestraft werden. Wenn wir Grünen in dieser Phase der zwingend vorgeschriebenen Kanzlerinnenwahlversuche lösungsorientiert nach Mehrheiten für unsere Grünen Inhalte suchen, können wir nur gewinnen, egal wie es ausgeht.
Darum: Content is Kanzler*in!
Begründung der Dringlichkeit:
Der Antragschluss für reguläre Anträge zur BDK war der 14. September, also noch vor der Bundestagswahl. Ein Antrag zum weiteren Verfahren der Koalitionsverhandlungen bevor das Ergebnis der Bundestagswahl bekannt ist, ist nahezu undurchführbar und wäre mit großer Wahrscheinlichkeit von der Geschichte ohnehin überholt. Die Antragsfrist für reguläre Anträge zu diesem Thema konnte somit aus sachlichen Gründen nicht eingehalten werden. Die BDK zu Koalitionsverhandlungen musste zudem aufgrund der komplexen Verhandlungen nach der Wahl vom Bundesvorstand kurzfristig verschoben werden.
Nach den gescheiterten Sondierungen zu Jamaika müssen wir Grünen jetzt überlegen wie wir weiter vorgehen. Der Antrag behandelt ein aktuelles dringendes Thema, das nicht erst auf der nächsten regulären BDK behandelt werden kann. Somit ist die Dringlichkeit des Antrags für die BDK am 25. November 2017 gegeben.
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