Veranstaltung: | 42. Bundesdelegiertenkonferenz Berlin |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Philipp Schmagold (Kiel KV) und 20 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 0%) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 23.08.2017, 21:21 |
V-01: Grünes Maßnahmenpaket für Vogel-, Fledermaus- und Insektenschutz
Antragstext
Wir Grüne sind die parlamentarische Vertretung der Menschen und der Natur mit all ihren
Tieren und Pflanzen. Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt und beobachten mit
Sorge schon jetzt ein spürbares menschengemachtes Artensterben und weitere drohende
Artenverluste, insbesondere bei Insekten, Fledermäusen und Vögeln.
Daher müssen wir umgehend wirksame politische Maßnahmen ergreifen mit weitreichenden
Wirkungen auf die Art, wie unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft, unsere Landwirtschaft mit
unserer Erde umgeht. In Verantwortung vor unserer Umwelt und vor den noch lebenden Vogel-
und Fledermausarten beschließen wir das folgende Maßnahmenpaket Vogelschutz.
1. Insekten- und vogelfreundliche Landwirtschaft: 10% der Flächen für Blühstreifen, Hecken,
Streuobstwiesen usw. reservieren
Konventionelle Landwirtschaft führt durch den Einsatz von Pestiziden zu einem erheblichen
Rückgang von Insekten und einer Absenkung der Ökosystemdienstleistungen. Insekten sind
Nahrungsgrundlage für viele Vogel- und Fledermausarten, weniger Insekten können nur wenige
Vögel und Fledermäuse ernähren. Was auf der einen Seite den Menschen nützt, weil es
kurzfristig die landwirtschaftliche Ernte steigert, ist auf der anderen Seite schädlich für
die Natur, führt zu Artenarmut und einer geringen Dichte an Individuen und damit einer
Reduktion der Widerstandsfähigkeit unserer Umwelt gegenüber zukünftigen Einflüssen.
Durch intensive Anbaumethoden mit Monokulturen, großen Feldern, wenigen Insekten sowie hohem
und dichtem Nutzpflanzenwuchs ist es Vögeln und Fledermäusen heute oft nicht mehr möglich,
ihre Brut erfolgreich aufzuziehen.
Daher sind solche Anbaumethoden zu fördern, die durch Verzicht auf Pestizide und durch eine
reduzierte Düngung ausreichend Lebensraum für Wildkräuter und Insekten als Lebensgrundlage
vieler Vogel- und Fledermausarten lassen. Zentral ist die Schaffung von zusätzlichen
ökologischen Vorrangflächen wie z.B. Blühstreifen, Hecken, Feldlerchenfenster, Extensiv-
Grünland oder Streuobstwiesen auf jedem landwirtschaftlichen Betrieb im Umfang von 10% der
Betriebsfläche.
2. Schaffung und Schutz von Nistplätzen auf Äckern und Wiesen
Vielen Vogelarten finden in der dichten Vegetation auf Äckern keine geeigneten Brutplätze.
Daher sollten auf Ackerschlägen bestimmte Flächen nicht eingesät werden. Auf diesen
entstehenden vegetationslosen Flächen können dann typische Vögel der Agrarlandschaft wie
Feldlerche oder Kiebitz brüten.
Im Grünland müssen bestimmte Flächen während der Brutzeit von Bewirtschaftungsmaßnahmen
ausgenommen werden, damit die Vögel Brut und Jungenaufzucht erfolgreich abschließen können.
Ihr Einsatz zur Erhaltung der Artenvielfalt ist der Landwirtschaft erfolgsorientiert und
angemessen zu vergüten.
3. Keine Pestizide in Naturschutzgebieten
Naturschutzgebiete wurden eingerichtet, um die Natur mit ihren Tier- und Pflanzenarten zu
schützen. Auch in Naturschutzgebieten wird Landwirtschaft betrieben, der Einsatz von
Pestiziden und Düngemitteln tötet direkt und indirekt nicht nur Insekten und Vögel. Das
widerspricht dem Ziel des Naturschutzes, daher ist der Einsatz von Pestiziden in sämtlichen
Naturschutzgebieten ab sofort nicht mehr zu gestatten.
4. Elektrizitäts-Freileitungen und Vogelschutz
Bis zu 2,8 Millionen Vögel sterben bundesweit pro Jahr an Stromleitungen. Es ist nicht
ausreichend, den Vogelschutz nur bei dem für die Energiewende erforderlichen
Übertragungsnetzausbau zu berücksichtigen, sondern wir fordern, dass Vogelschutzmarkierungen
an allen bestehenden Freileitungen des Übertragungsnetzes innerhalb der nächsten Jahre
nachgerüstet werden.
5. Besserer Vogelschutz in Windparks auf See und an Land durch Vogelschutz-Radar
Erfreulich, dass immer mehr Windparks zur nächtlichen Entlastung der Anwohnerschaft nur dann
blinken, wenn sich tatsächlich ein Flugzeug oder Hubschrauber nähert. Wir fordern zum Schutz
der Zugvögel, diese Technik flächendeckend anzuwenden und zukünftig auch dazu einzusetzen,
bei schlechten Sichtverhältnissen wie Nebel und starkem Vogelzug Windenergieanlagen auf See
und an Land bedarfsgesteuert abzuschalten.
6. Vogelschutz und Fischerei
Durch Stellnetzfischerei sind alle Seevögel bedroht, die tauchend ihre Nahrung suchen. Sie
können die Netze unter Wasser nicht oder nur ungenügend als Gefahr wahrnehmen, verfangen
sich darin und ertrinken qualvoll. In vielen Nahrungsgebieten von Tauchvögeln wird
Stellnetzfischerei betrieben. Einige Flachwasserbereiche der Küstenmeere in Deutschland
haben besonders im Winterhalbjahr eine hohe internationale Bedeutung für den Vogelzug. In
allen Gebieten mit einer besonderen Ansammlung von Tauch- und Seevögeln und im Bereich der
Flussmündungen darf während der gesamten Rastperiode die Stellnetzfischerei nicht mehr
gestattet werden. Kurzfristig müssen Naturschutzgebiete frei von Grundschleppnetzen und
Stellnetzen sein, die den Meeresboden umpflügen und Schweinswale bzw. Seevögel ersticken und
ertrinken lassen. Mittelfristig dürfen in der gesamten Ost- und Nordsee nur noch alternative
Fischfangmethoden zum Einsatz kommen, um die Fischerei in Einklang mit der Meeresumwelt zu
bringen. Die lokale Fischerei wird im Gegenzug finanziell unterstützt.
7. Vogelschlag an Glasflächen
An modernen Bürogebäuden aber auch Bushaltestellen und Lärmschutzwänden gibt es immer mehr
durchsichtige Glasfronten und Glasbrücken. Da diese nur selten Sichtmarkierungen für Vögel
aufweisen, sind es Todesfallen für anfliegende Vögel. Wir fordern die Berücksichtigung des
Vogelschutzes bei Glasfronten und Fassaden und wünschen uns, dass dieser Aspekt auch im
Studium der Architektur Beachtung findet.
8. Schutz im Wald und in Mooren
Nicht bewirtschaftete Schutzgebiete im Wald sollen auf 10% der Waldfläche anwachsen, damit
in diesen „Urwäldern von morgen“ auch Vögel und Fledermäuse geeignete Rückzugsräume zum
Überleben finden.
Wir streben die Renaturierung von Mooren durch fachgerechte Wiedervernässung an und
unterstützen den umgehenden Stopp des Torfabbaus.
Begründung
Es ist dringend notwendig, wirksame politische Maßnahmen insbesondere zum Schutz von Vögeln, Fledermäusen und Insekten zu ergreifen.
Auszug aus den NABU-Positionen und Forderungen
„Schaffung von ökologischen Vorrangflächen (z.B. Blühstreifen, Hecken, Feldlerchenfenster, Extensivgrünland oder Streuobstwiesen) auf jedem landwirtschaftlichen Betrieb im Umfang von 10 Prozent der Betriebsfläche.“
(…)
weitere Antragsteller*innen
- Mathias Raudies (Oder-Spree KV)
- Dieter Flohr (Fürth-Land KV)
- Barbara Poneleit (Forchheim KV)
- Sigrid Pomaska-Brand (Hagen KV)
- Kerstin Dehne (München KV)
- Mogens Lesch (Nordfriesland KV)
- Manuel Kochinski (Berlin-Mitte KV)
- Sabine Killmann (Rhein-Sieg KV)
- Michael Hoffmeier (Eichsfeld KV)
- Andrea Münnekehoff (Oberberg KV)
- Andreas Diebold (Heidelberg KV)
- Jörn Jensen (Berlin-Mitte KV)
- Holger Lange (München-Land KV)
- Ulf Dunkel (Cloppenburg KV)
- Stephan Wiese (Stormarn KV)
- Catherine Kern (Hohenlohe KV)
- Anne Ipsen (Rendsburg-Eckernförde KV)
- Martin Becker (Mainz KV)
- Niclas Ehrenberg (Düsseldorf KV)
- Benjamin Rauer (Minden-Lübbecke KV)
Änderungsanträge
- V-01-026 (Philipp Schmagold (Kiel KV), Eingereicht)
- V-01-026-2 (Bundesvorstand (beschlossen am: 03.11.2017), Eingereicht)
Kommentare
Catherine Kern:
Michael Hoffmeier:
Ich fänd' es gut, wenn die Förderung der kleinteiligen Landwirtschaft, die durch ihre Wirtschaftsweise aktiven Vogelschutz betreibt, auch mit als Forderung wiederfände.
Philipp Schmagold:
danke für deinen Hinweis. Dieser Absatz geht schon in die von dir angesprochene Richtung:
"Durch intensive Anbaumethoden mit Monokulturen, großen Feldern, wenigen Insekten sowie hohem und dichtem Nutzpflanzenwuchs ist es Vögeln und Fledermäusen heute oft nicht mehr möglich, ihre Brut erfolgreich aufzuziehen. Daher sind solche Anbaumethoden zu fördern, die durch Verzicht auf Pestizide und durch eine reduzierte Düngung ausreichend Lebensraum für Wildkräuter und Insekten als Lebensgrundlage
vieler Vogel- und Fledermausarten lassen. Zentral ist die Schaffung von zusätzlichen ökologischen Vorrangflächen wie z.B. Blühstreifen, Hecken, Feldlerchenfenster, Extensiv-Grünland oder Streuobstwiesen auf jedem landwirtschaftlichen Betrieb im Umfang von 10% der Betriebsfläche."
Allerdings müssen wir auch die großen landwirtschaftlichen Betriebe mitnehmen, daher möchte ich es nicht zu sehr einschränken.
Sonnige Grüße!
Philipp
Julian Breitschwerdt:
Hans-Jürgen Bethe:
Bärbel Grade:
Dennis Mihlan:
Philipp Schmagold:
Er hat sich ergeben als klar war, dass wir in den letzten 27 Jahren erschreckenderweise ca. 76% der Insektenmasse verloren haben und noch ernsthaftere Maßnahmen nötig sein werden, um das noch zu drehen oder wenigstens abzumildern. Gerne hier unterstützen:
https://antraege.gruene.de/bdk42/GRUeNES-Massnahmenpaket_fuer_Vogel-_Fledermaus-_und_Insektenschutz-38102/3375
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Änderungsantrag
Nach Zeile 26 einfügen:
Wir werden auf eine Reform der EU-Agrarpolitik im Einklang mit der Natur drängen und einen eigenen Naturschutzfonds fordern. Derzeit wird Ökolandbau erst auf etwa 8% der landwirtschaftlichen Flächen betrieben. Wir wollen diese Art der mensch-, tier- und umweltverträglichen Landwirtschaft erheblich ausbauen und die Förderung der konventionellen Landwirtschaft zurückfahren, um spätestens 2030 Ökolandbau auf 50% der landwirtschaftlichen Flächen erreicht zu haben.
(...)
Danke!
Astrid Hansen:
Hans Nenne:
Streuobstwiesen usw. reservieren" Ist reservieren an dieser Stelle nicht zu wenig? Müsste da nicht aktivieren stehen?
Dirk Paul Finkeldey:
Anne-Monika Spallek:
Für mehr Artenvielfalt brauchen wir auch viel mehr beweidetes Grünland – welches ebenfalls als Vorrangfläche gelten sollte und nicht nur extensives Grünland. Das hätte dann auch den Vorteil, dass mehr Nutztiere wieder auf die Weiden kommen würden.
Auch die öffentlichen Stellen sollten mehr in die Pflicht genommen werden. Wir müssen fordern, dass zukünftig die Kommunen / Kreise / etc. ihre öffentlichen Flächen nur noch nach ökologischen Pflegekriterien im Sinne der Artenvielfalt pflegen dürfen. D.h. z.B: abschnittsweise Randstreifenpflege mit Mahdgutabtragung, einseitige Mahd der Gräben im jährlichen Wechsel, Abschnitte über Winter stehen lassen, uvm.
Auch fände ich es wirklich wichtig, wenn wir die kleinen Landwirte wegen der enormen Vorteile der kleinteiligen Landwirtschaft und ihrer Wirtschaftsweise mehr fördern würden z.B. durch Ausnahmeregelungen (wenige Hektare ähnlich EU).
Manfred Cuntz:
Annelie Scharfenstein:
Christian Hohn:
Rita Petra Keller:
Dazu passt auch das Thema Lärm.
Anlagenbetriebenen Lärm (Beispiel Kartoffeltechnik) ist auch für die Natur eine Belastung.
Vögel in ihrem Balzverhalten zwitschern. Und wenn solch Lärm in der Nähe ist, müssen sie lauter zwitschern. Das verbraucht ihnen unnötig viel Energie. Als Folge ist der Bruterfolg auch bei bereits eh in der Zahl schrumpfenden Arten geringer.