| Veranstaltung: | 1. Ordentlicher Länderrat 2020 | 
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes | 
| Status: | Beschluss | 
| Beschluss durch: | 1. Digitaler Länderrat | 
| Beschlossen am: | 01.05.2020 | 
| Angelegt: | 03.06.2020, 10:21 | 
| Antragshistorie: | Version 1  | 
1990 – Die ersten Schritte auf dem andauernden Weg der deutsch-deutschen Einigung
Beschlusstext
1990 – Die ersten Schritte auf dem andauernden Weg der deutsch-deutschen 
Einigung
Mit der ersten und einzigen freien Wahl zur Volkskammer der DDR am 18. März, dem 
Inkrafttreten der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion der beiden deutschen 
Staaten am 1. Juli und der Unterzeichnung des Einigungsvertrags am 31. August in 
Berlin wurden, neben vielen anderen Ereignissen, entscheidende Grundsteine, die 
bis heute unser Leben beeinflussen, gelegt. Mit dem Beitritt der Gebiete der DDR 
samt Ost-Berlins zum Geltungsbereich des Grundgesetzes für die Bundesrepublik 
Deutschland am 3. Oktober 1990 wurde die formale Wiedervereinigung der beiden 
deutschen Staaten vollzogen. Mit dem Wahlsieg der "Allianz für Deutschland" 
wurde ein schneller Beitritt der ostdeutschen Gebiete an Westdeutschland 
forciert, gestützt durch eine breite Mehrheit in der ostdeutschen Bevölkerung, 
die Stabilität suchte. Viele Bürgerrechtler*innen hätten sich ein anderes, 
langsameres und mitgestaltendes Vorgehen gewünscht. Die Chance auf eine echte 
gemeinsame Verfassung, mit einem breiten diskursiven Prozess, wurde damit 
praktisch vertan.
Auf vielen Ebenen hingegen konnte 1990 die Basis für eine tolerante, ökologische 
und demokratische Wende in den neuen Bundesländern gelegt werden:
Die ehemalige deutsch-deutsche Grenze muss Nationales Natur- und Gedenkmonument 
werden!
Die Entstehung von Nationalparks war ein wichtiger Schritt im Umwelt- und 
Naturschutz. Prof. Dr. Succow, stellvertretender Minister für Natur-, 
Umweltschutz und Wasserwirtschaft in der Volkskammer der DDR und für 
Ressourcenschutz und Landnutzungsplanung verantwortlich, gelang es, am 12. 
September 1990 in der letzten Sitzung der Volkskammer vor ihrer Auflösung, den 
Beschluss für ein Nationalpark-Programm, durchzusetzen. Mit dem Beschluss wurden 
sieben Prozent der Fläche der DDR als Nationalparks oder Biosphärenreservate 
unter strengen Naturschutz gestellt. Damit war die Grundlage für die Einrichtung 
vieler Naturschutz-Großreservate in Ostdeutschland gelegt. Als größter 
Biotopverbund Deutschlands ist das Grüne Band ein bedeutsamer Rückzugsort für 
bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Heute leistet das Grüne Band nicht nur einen 
wichtigen Beitrag für den Erhalt von Biodiversität. Es ist gleichzeitig ein 
wichtiger Ort für das Gedenken an die vielen Menschen, denen im Todesstreifen 
das Leben genommen wurde. Wir setzen uns dafür ein, dass das gesamte Grüne Band 
Deutschland den Status eines Nationalen Naturmonuments erhält und die massiven 
Waldschäden der letzten Jahre gemeinsam angegangen werden.
Die Aufarbeitung der DDR ist eine gesamtdeutsche Aufgabe!
Mit der Gründung der Stasi-Unterlagenbehörde, zwei Jahre nach dem Erstürmen der 
ersten Stasi-Zentralen, konnte ein bedeutsamer Teil der demokratischen 
Aufarbeitung beginnen. Für Opfer und Täter*innen gibt es damit die Chance, sich 
mit ihrer Geschichte auseinander zu setzen und sich ihr zu stellen. Wir werten 
die Stasi-Unterlagen, in Form von Papier-, Ton-, Mikrofilm- oder Filmdokumenten 
sowie die Gedenkstätten des Stasi-Überwachungsstaates und auch die private und 
öffentliche Auseinandersetzung damit als unverzichtbares Erbe für unser 
demokratisches Selbstverständnis in ganz Deutschland. Mit der Gesetzesnovelle 
von September 2019 wurde leider die Möglichkeit verpasst, die notwendige 
Weiterentwicklung und Neustrukturierung der BStU-Behörde anzugehen.
Die Aufarbeitung der SED-Diktatur insbesondere, aber auch anderer Diktaturen, 
muss kontinuierlich fortgesetzt werden. Um Demokratie und Aufarbeitung zu 
erleben, zu sichern und zu verteidigen braucht es die Aufklärung über 
diktatorische Strukturen. Deshalb ist politische Bildungsarbeit in den 
Außenstellen der BStU, den authentischen Orten und Gedenkstätten von immenser 
Bedeutung und braucht Bestandsschutz. Wir sind den Generationen, die nach 1990 
geboren sind, verpflichtet, Zeitzeugnisse wissenschaftlich aufgearbeitet 
zugänglich zu machen. Damit können wir die Chance erhalten, Lehren aus dieser 
Zeit zu ziehen. Unsere Aufgabe ist es nicht nur Orte des Erinnerns zu erhalten, 
sondern auch, die demokratischen Errungenschaften zu verteidigen. Nicht nur in 
den ostdeutschen Bundesländern, sondern bundesweit.
Die Leistung von Ost-Frauen anerkennen und ihren Kampf um Gleichberechtigung 
fortführen!
Es waren vor allem die jungen, gut ausgebildeten Frauen, die es nach dem Fall 
der Mauer in die alten Bundesländer zog. Sie brachten ihre Vorstellungen von 
gesellschaftlichem Zusammenleben mit. Ein Leben in Vollzeiterwerbstätigkeit, mit 
guter Kinderbetreuung und angemessenen Löhnen. Gleichzeitig sahen sie sich einem 
gesellschaftlichen und rechtlichen Backlash ausgesetzt. Man erwartete scheinbar, 
dass Frauen auch in den neuen Ländern den Schritt zurück in die Häuslichkeit 
machen wollen würden und sich die ostdeutsche Gesellschaft zu 100% den 
westdeutschen Gepflogenheiten anpassen würde. Mit der Wiedervereinigung wurde 
auch die Debatte um den §218 Strafgesetzbuch erneut geführt. Als Bündnisgrüne 
setzen wir uns weiterhin für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und Mädchen 
über ihren Körper ein. Bei ungewollter Schwangerschaft verdienen Frauen keine 
Strafe, sondern das uneingeschränkte Recht, sich zu informieren. Die jetzigen 
gesetzlichen Regelungen bleiben in diesem Bereich immer noch weit hinter denen 
der ehemaligen DDR zurück. Es ist kaum erträglich, dass ein repressiver Staat 
hier formal progressiver war als unsere Gesetze heute. Wirtschaftliche und 
politische Führungsgremien in ganz Deutschland sind weitgehend Männerrunden, 
auch wenn es hier Unterschiede zwischen Ost und West gibt. Noch immer ist der 
Anteil von Frauen in Führungspositionen, wie auch in technischen Berufen in den 
neuen Bundesländern höher, aber auch weiterhin deutlich von einer paritätischen 
Besetzung entfernt. Die Frauenrechtler*innen waren mit Träger*innen der 
friedlichen Revolution. Ihren Kampf für mehr Gleichberechtigung weiterzuführen, 
sehen wir mit als unsere Aufgabe an. Um mehr Gleichberechtigung in 
Führungsgremien zu schaffen, wollen wir eine Frauenquote einführen. Damit 
Gleichberechtigung in den Parlamenten und in der Politik Realität wird, brauchen 
wir Parität - deutschlandweit und im Europaparlament.
Wirtschaft in Ostdeutschland durch Innovationen zukunftsfähig aufstellen!
Mit Inkrafttreten der Währungsunion und der damit einhergehenden Einführung der 
D-Mark gab es massive wirtschaftliche Umbrüche. Der Schnelligkeit zuliebe wurden 
wirtschaftliche Risiken in Kauf genommen, die drastische soziale Einschnitte für 
große Teile der Bevölkerung nach sich zogen. Die einsetzende Abwanderung vor 
allem aus ländlichen Regionen Ostdeutschlands schlägt sich heute noch in einer 
Überalterung der Gesellschaft nieder. Die Fachkräftesicherung ist dadurch sehr 
herausfordernd. Die Leistungsfähigkeit der ostdeutschen Wirtschaft bleibt auch 
30 Jahre nach der Wiedervereinigung um ca. ¼ schwächer als die Wirtschaft der 
alten Bundesländer. Deshalb braucht es einen besonderen wirtschaftspolitischen 
Fokus auf die ostdeutsche Wirtschaft, die überdurchschnittlich von dezentralen 
kleinen und Kleinstunternehmen geprägt ist. Ostdeutschland ist Indikator für 
kommende gesellschaftliche Prozesse, weil sie hier schneller und oft härter 
abliefen und ablaufen, als anderswo. Dadurch ist Ostdeutschland Modell für viele 
strukturschwache, sehr ländlich geprägte, Regionen in ganz Europa, in denen die 
wirtschaftlichen, wie sozialen Prozesse zeitverzögert erfolgen.
Mit einer zielgenauen Wirtschaftsförderung können hier Masterpläne für 
zukunftsfähige Wirtschaftsstrukturen für strukturschwache Regionen in ganz 
Europa entwickelt werden.
TTT- Talente, Technologie, Toleranz sind die erfolgversprechenden Faktoren:
Wir wollen vorhandene Unternehmen in den Regionen stärken und bei ihrer 
Weiterentwicklung, insbesondere der technologischen, durch zielgerichtete 
Innovationsförderung unterstützen. Es geht darum, mit neuen und erweiterten 
Produkten an den Markt zu gehen und traditionelle Unternehmensbereiche mit 
Innovations- und Zukunftstechnologiebereichen in Clustern zu kombinieren. 
Dadurch entstehen starke Wirtschaftsnetzwerke, die in der Region auch der Anker 
für sozialen Wohlstand, die Unterstützung ehrenamtlicher und kultureller 
Strukturen darstellen.
Ausgründungen aus Hoch- und Fachschulen sind Innovationskerne, brauchen aber für 
einen Unternehmensaufbau gerade in strukturschwachen Regionen finanzielle 
Unterstützung. Und Fachkräfte kommen nur, wenn neben guten eigenen 
Karrieremöglichkeiten, auch die Familien, insbesondere ihre Kinder, 
Entwicklungschancen haben. Deshalb muss in den ländlichen Regionen die digitale 
und Gesundheitsinfrastruktur gut ausgebaut sein, eine lebendige und qualitativ 
hochwertige Bildungs- und Kulturarbeit existieren und ein attraktives 
Mobilitätsangebot vorhanden sein. Insbesondere Kleinstädten und Grundzentren, in 
denen bereits eine Wirtschafts- oder auch Bildungsstruktur vorhanden ist, haben 
hierbei hohes Potential und können so auch die angrenzenden ländlichen Räume 
stärken.
Für eine gute wirtschaftliche Entwicklung brauchen wir unbedingt eine tolerante, 
demokratisch agierende Gesellschaft, die offen und selbstbestimmte Entwicklung 
aller Menschen unterstützt. Rassistische und rechtsextreme Vorfälle schrecken 
Unternehmen und Fachkräfte ab. Deshalb fordern wir eine aktive und gut 
ausfinanzierte politische Bildungs- und Demokratiearbeit und die nachhaltige 
Sicherung der vielen Akteure, die sich mit großem Engagement für eine tolerante 
und offenen Gesellschaft engagieren und gegen Rechtsextremismus kämpfen.
Mit dem Fall der Mauer vor rund 30 Jahren ist nicht nur die DDR verschwunden, 
sondern auch die aus Bonn heraus geprägte BRD. Die Wiedervereinigung hat unser 
Land in West und Ost, Nord und Süd bunter und vielfältiger gemacht. Solange aber 
Lebensleistungen, z.B. aus Care-Arbeit, nicht anerkannt werden und strukturelle 
Unterschiede für ungleiche Lebensverhältnisse im ländlich geprägten Osten und 
dem industriellen Westen fortbestehen, wird die deutsche Teilung nicht vollends 
überwunden sein.
Den Einigungsprozess vorantreiben und europäisch vervollständigen
Ein entscheidender Baustein in den Verhandlungen um die Wiedervereinigung war 
die endgültige Anerkennung der bestehenden Staatsgrenzen, insbesondere der 
deutsch-polnischen Grenze. Diese Anerkennung der staatlichen Integrität Polens 
und damit verbunden das Bekenntnis eines demnächst wiedervereinigten 
Deutschlands zur deutsch-polnischen Freundschaft war ein entscheidender 
Grundstein für die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft. Die Europäische 
Gemeinschaft war nie eine Selbstverständlichkeit. Umso entscheidender ist es, 
dass wir gemeinsam mit unseren europäischen Partner*innen um diese Gemeinschaft 
ringen und sie auf Augenhöhe weiterentwickeln. Wir haben unterschiedliche 
Erfahrungen und Erinnerungen, sie prägen unser Erleben der derzeitigen 
Entwicklungen. Auch deshalb ist es so wichtig gemeinsam mit den Partner*innen 
der Zivilgesellschaft in den Ländern des ehemaligen Ostblocks die hart 
erkämpften Errungenschaften wie Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und 
Frauenrechte zu verteidigen.
Der Weg zur Einheit ist und war nicht immer einfach, doch er ist 
erfolgsversprechend. Sowenig wir die deutsche Einheit auf Grund von bisher nicht 
erreichten Zielen in Frage stellen, so wenig zweifeln wir die europäische 
Integration an.
Vereinigt sind wir stärker als vorher getrennt – das gilt auch für Europa.
