Antrag: | Das Recht auf Asyl gilt uneingeschränkt – auch in der Krise |
---|---|
Antragsteller*in: | Silke Gebel (KV Berlin-Mitte) und 7 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 50%) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Übernahme |
Eingereicht: | 30.04.2020, 08:03 |
C-04-005: Das Recht auf Asyl gilt uneingeschränkt – auch in der Krise
Antragstext
Von Zeile 4 bis 9:
vor der Pandemie haben die Mitgliedsstaaten der EU es nicht vermocht, dieses Recht zu achten und gemeinsam zu schützen. Sie ließen zu und lassen bis heute zu, dass Menschen auf der Flucht ertrainken und in überfüllten Lagern auf europäischem Boden monate- und jahrelang feststecken. Eine solidarische Verteilung der Menschen, die nach Europa kamen, warkommen, wurde bislang ebenso nichtwenig erreicht wie ein gemeinsames europäisches Asylsystem.
Die zivilisatorische Errungenschaft des individuellen Rechts auf Asyl ist einer
der menschenrechtlichen Grundpfeiler des internationalen und deutschen Rechts
und der Europäischen Union. Es muss geschützt werden, zu jeder Zeit. Doch schon
vor der Pandemie haben die Mitgliedsstaaten der EU es nicht vermocht, dieses
Recht zu achten und gemeinsam zu schützen. Sie ließen zu und lassen bis heute zu, dass Menschen auf der
Flucht ertrainken und in überfüllten Lagern auf europäischem Boden monate- und
jahrelang feststecken. Eine solidarische Verteilung der Menschen, die nach
Europa kamen, warkommen, wurde bislang ebenso nichtwenig erreicht wie ein gemeinsames europäisches
Asylsystem.
Jetzt, in Zeiten der Krise, drohen diese Versäumnisse zu einer noch größeren
Katastrophe zu werden: Die von einigen Ländern der EU zugesagte Verteilung
besonders schutzbedürftiger Menschen aus den überfüllten Lagern auf den
griechischen Inseln verzögert sich lebensgefährlich. Und auch auf dem Mittelmeer
haben sich die EU-Mitgliedsstaaten aus der Verantwortung gezogen. Wenn
Schutzsuchende im zentralen Mittelmeer gerettet werden, verdanken wir das einzig
und allein dem Engagement der ehrenamtlichen Seenotrettungsorganisationen. Die
Pandemie stellt jeden EU-Mitgliedsstaat vor schwierige Herausforderungen.
Momentan wird sie jedoch als Vorwand genutzt, um Hilfsorganisationen beim Retten
von Menschenleben zu behindern und die staatliche Seenotrettung weiter
auszusetzen. All das nun mit dem Hinweis auf die Gefährlichkeit des Virus, auf
fehlende gesundheitliche Ressourcen in Südeuropa und aus Angst vor weiteren
Infizierten. Doch Europa darf Menschen nicht ertrinken lassen, die man retten
könnte.
Das Corona-Virus unterscheidet nicht nach Herkunft, Religion oder Aussehen. Es
fragt nicht danach, ob wir aus Deutschland, Afghanistan oder Syrien sind. Es
gefährdet uns alle. Und es ist, nach den Worten des Bundespräsidenten, eine
Prüfung für unsere Menschlichkeit. Für uns Grüne ist klar, dass wir diese Krise
nur gemeinsam meistern. Wir riskieren keine Toten, wo wir Leben retten können –
nicht hier, aber auch nicht in Italien, Griechenland oder auf dem Mittelmeer.
Wir setzen europäische Werte und Solidarität nicht aufs Spiel, wo sie dringender
denn je gebraucht werden. In der Corona-Krise haben wir ein Ziel: Wir lassen
niemanden zurück, auch nicht die Geflüchteten in Deutschland und an den
europäischen Außengrenzen.
Schutzbedürftige aufnehmen, menschenwürdige Bedingungen schaffen, vor Corona
schützen
Durch die Corona-Krise hat sich die Verteilung der Menschen aus den überfüllten
Lagern auf den griechischen Inseln nochmal lebensgefährlich verzögert.
Eigentlich hatten Anfang März sieben Mitgliedstaaten angekündigt, insgesamt
1.600 besonders Schutzbedürftige von dort aufzunehmen. Doch bis heute haben
lediglich Luxemburg und Deutschland Menschen zu sich geholt – zusammen insgesamt
59 Kinder. Das ist nicht mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.
Mehr als 35.000 Geflüchtete stecken auf den griechischen Inseln fest, 18.000
alleine im Camp Moria auf Lesbos, das ursprünglich für 3.000 Menschen konzipiert
war. Es fehlt an Medikamenten, Toiletten, Platz zum Abstandhalten. Nicht einmal
fließend Wasser gibt es jeden Tag. Niemand kann sich dort ausreichend vor einer
Ansteckung mit dem Covid-19 Virus schützen. Auf ganz Lesbos gibt es nur sechs
Intensivbetten. Angesichts dieser Bedingungen ist es nur nachvollziehbar, dass
die Geflüchteten große Angst um sich und ihre Liebsten in den Camps haben, wenn
das Virus dort ankommt. Dass die Bundesregierung es nach langem Ringen geschafft
hat, gerade einmal rund 50 Kinder aufzunehmen, ist unter diesen Umständen
beschämend.
Viele Städte und Gemeinden in Deutschland und auch in anderen europäischen
Staaten, selbst ganze Bundesländer haben ihre Bereitschaft signalisiert, viel
mehr Menschen aufzunehmen. Darum müssen nun sofort zumindest die besonders
schutzbedürftigen Menschen, also Kinder, Schwangere, chronisch Kranke, Menschen
mit Behinderung und Ältere von den Inseln geholt werden. Die Bundesländer, die
deutlich erklärt haben, dass sie Kapazitäten für mehr Menschen haben und
aufnehmen wollen, müssen nun aktiv werden, Landesaufnahmeanordnungen erlassen
und mit dem Bundesinnenminister ein Einvernehmen über die Aufnahme herstellen.
Doch einzelne Bundesländer können die Probleme der Europäischen Asylpolitik
nicht im Alleingang lösen. Sie können nur ihren Beitrag leisten und vom
Bundesinnenministerium einfordern, dass Deutschland die eigenen Möglichkeiten
nutzt und endlich Verantwortung übernimmt.
Wir Grüne fordern, in den nächsten Wochen zuerst die besonders schutzbedürftigen
Menschen, wie unbegleitete Minderjährige, Familien mit kleinen Kindern oder
Corona-Risikofälle zu evakuieren. Familien dürfen nicht auseinandergerissen
werden, auch wenn sie durchs enge Raster der Kernfamilien-Definition in der
Dublin-Verordnung fallen. Es ist absurd, wenn ein minderjähriger Junge nach
Deutschland kommt und von seiner Schwester getrennt wird, die mit einem kleinen
Kind in Moria zurückbleibt.
Aufgrund der Ausbreitung von Covid-19 können derzeit viele Visa mangels
Flugverbindungen nicht genutzt werden und verfallen. Daher braucht es einen
großzügigen Umgang mit Fristen und Verlängerungen von bereits ausgestellten
Visa. Da dies auch den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten in
Deutschland betrifft, der ohnehin auf maximal 1.000 Menschen pro Monat begrenzt
ist, fordern wir die Übertragung nicht ausgeschöpfter Kontingente auf die Zeit,
in der konsularischer Betrieb wieder vollumfänglich aufgenommen werden kann und
Flugverbindungen existieren. Sobald es wieder möglich ist, sollten die
Visaabteilungen personell aufgestockt werden, um zügig die aufgestauten Anträge
abarbeiten zu können.
Um Menschen nicht noch länger im Ungewissen zu lassen, setzen wir uns dafür ein,
die 6-monatige Dublin-Rücküberstellungfrist nicht zu verlängern oder
auszusetzen, sondern die Zuständigkeit für das Asylverfahren nach Ablauf der
Frist anzuerkennen.
Auch die EU-Kommission muss ihren Teil dazu beitragen, die menschenunwürdige
Situation in den Lagern auf den griechischen Inseln zu beenden und dabei
unterstützen, dass die sichere Aufnahme der Geflüchteten in anderen EU-
Mitgliedsstaaten finanziert wird. Statt 280 Millionen Euro dafür auszugeben,
überfüllte Lager einige Kilometer weiter durch geschlossene Freiluftgefängnisse
für die Geflüchteten zu ersetzen, sollte die medizinische und humanitäre
Versorgung der Menschen verbessert werden.
Häfen öffnen, Menschenleben retten
Über Ostern wurde von überfüllten Booten im Mittelmeer berichtet, die Notrufe
abgesetzt hatten, jedoch von den maltesischen und italienischen Behörden
ignoriert wurden. Die Bundesregierung forderte von den Seenotrettungs-NGOs sogar
einen Stopp ihrer Rettungseinsätze im Mittelmeer. Damit unterstützt Deutschland
die Blockadepolitik Italiens, Maltas und anderer Mitgliedstaaten und nimmt in
Kauf, dass Menschen im Mittelmeer sterben oder aber in libysche Folterlager
zurückgebracht werden, wo auf sie die Hölle auf Erden wartet. Das ist zutiefst
unmenschlich.
Im zentralen Mittelmeer trotzen zivilgesellschaftliche Seenotretter*innen der
tödlichen Blockadepolitik und retten auch in Zeiten von Corona so viele Leben
wie nur möglich. Wir Grüne stehen an der Seite dieser starken und solidarischen
Zivilgesellschaft und stellen uns ihrer zunehmenden Kriminalisierung entgegen.
Die Pandemie erfordert zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen, aber sie entbindet einen
nicht von der Pflicht, Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Die Häfen Italiens
und Maltas sind offen, es fahren täglich Schiffe ein und aus. Es gibt keinen
Grund, sie ausgerechnet für Rettungsschiffe zu schließen.
Wir Grüne fordern, dass sich die Bundesregierung gemeinsam mit anderen
Mitgliedstaaten und der EU-Kommission dafür einsetzt, dass Italien und Malta
ihre Häfen für Rettungsschiffe wieder öffnen. Und wir brauchen dringend und
weiterhin ein europäisches Seenotrettungsprogramm für das Mittelmeer, zu dem
auch Deutschland mit Booten seinen Beitrag leisten muss.
Um eine mögliche Ausbreitung des Virus zu verhindern, können Schutzsuchende auf
derzeit still liegenden Fähren und Kreuzfahrtschiffen in 14-tägige Quarantäne
gebracht werden. Danach muss eine Verteilung der Menschen auf EU- Staaten
erfolgen. Hierfür braucht es eine Neuauflage und Erweiterung des Abkommens von
Malta aus dem vergangenen September.
Ein gerechtes und effizientes Europäisches Asylsystem voranbringen
Wir Grüne setzen uns für eine Reform des Europäischen Asylsystems ein. Dabei
müssen faire, schnelle und geordnete Verfahren an den europäischen Außengrenzen
genauso wie ein funktionierender Verteilmechanismus im Zentrum stehen.
Langwierige Verfahren, Zulässigkeitsprüfungen und Vorprüfungen von Asylanträgen
führen zu Situationen wie derzeit auf den griechischen Inseln. Und genau das
wollen wir vermeiden. Schutzsuchende müssen deshalb an den Außengrenzen schnell
registriert werden, einen Gesundheitscheck und Sicherheitskontrollen durchlaufen
und dann rasch auf die Mitgliedstaaten verteilt werden. Kapazitäten der
Aufnahmezentren dürfen nicht überschritten werden.
Um Schutzsuchende gerecht zu verteilen, setzen wir auf einen Ansatz, der das
Potenzial der Solidarität in Europa voll ausschöpft. Hunderte von Städten und
Gemeinden in Europa haben sich bereit erklärt, Asylsuchende aufzunehmen. Für uns
ist das der Ausgangspunkt. Wer helfen will, muss helfen können. Dabei müssen EU-
Gelder zur Unterstützung bereitgestellt werden. Wir setzen auf positive Anreize
zur Stärkung der Solidarität. Wenn die freiwilligen Kapazitäten erschöpft sind
und weitere Plätze für Asylsuchende benötigt werden sollten sich in einem
weiteren Schritt alle Mitgliedsstaaten solidarisch beteiligen. Mitgliedstaaten,
die sich grundsätzlich gegen die Aufnahme von Schutzsuchenden sperren, sollen
stattdessen einen angemessenen Beitrag leisten und sich so an einem
funktionierenden Europäischen Asylsystem beteiligen.
Geflüchtete auch hierzulande schützen
Im Kampf gegen die Ausbreitung des Corona-Virus darf es keine doppelten
Standards geben. Auch Geflüchtete müssen vor Corona geschützt werden – weltweit
und hier in Deutschland. Neben zwingenden Hygieneplänen für eine Entzerrung
innerhalb der Erstaufnahmeeinrichtungen und in Gemeinschaftsunterkünften muss
eine sofortige Umverteilung von mindestens den Risikogruppen und den
schutzbedürftigen Personen in die Kommunen erfolgen.
Abschiebungen sind derzeit faktisch ausgesetzt, da der Flugverkehr nahezu
eingestellt wurde. Es ist auch aus menschrechtlicher Sicht absolut inakzeptabel,
in Zeiten einer Pandemie an Abschiebungen festzuhalten, wie es die
Bundesregierung jedoch tut. Sie gefährdet damit nicht nur die Geflüchteten,
sondern auch die beteiligten Beamt*innen und das Bordpersonal.
Neben den 16 Landesintegrationsbeauftragten und zahlreichen Flüchtlings- und
Menschenrechtsorganisationen fordern auch wir Grüne, Abschiebungen ausnahmslos
auszusetzen. Dafür soll ein Abschiebestopp aus humanitären Gründen erlassen und
die Abschiebhaft entsprechend ausgesetzt werden. Das BAMF und die
Ausländerbehörden sollten keine negativen Bescheide mehr ausstellen, da
Beratungsstellen und Anwält*innen nur eingeschränkt arbeitsfähig sind. Alle in
Deutschland lebenden Menschen sollten unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus
uneingeschränkt Zugang zu unserem Gesundheitssystem haben. Auch bei den
Sozialleistungen muss darauf geachtet werden, dass Empfänger*innen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz bei den Hilfspaketen nicht vergessen werden.
weitere Antragsteller*innen
- Werner Graf (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Andreas Audretsch (KV Berlin-Neukölln)
- Jian Omar (KV Berlin-Mitte)
- Ghalia EL Boustami (KV Wolfenbüttel)
- Markus Schopp (KV Berlin-Mitte)
- Fiona Macdonald (KV Berlin-Mitte)
- Hanna Steinmüller (KV Berlin-Mitte)
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Von Zeile 4 bis 9:
vor der Pandemie haben die Mitgliedsstaaten der EU es nicht vermocht, dieses Recht zu achten und gemeinsam zu schützen. Sie ließen zu und lassen bis heute zu, dass Menschen auf der Flucht ertrainken und in überfüllten Lagern auf europäischem Boden monate- und jahrelang feststecken. Eine solidarische Verteilung der Menschen, die nach Europa kamen, warkommen, wurde bislang ebenso nichtwenig erreicht wie ein gemeinsames europäisches Asylsystem.
Die zivilisatorische Errungenschaft des individuellen Rechts auf Asyl ist einer
der menschenrechtlichen Grundpfeiler des internationalen und deutschen Rechts
und der Europäischen Union. Es muss geschützt werden, zu jeder Zeit. Doch schon
vor der Pandemie haben die Mitgliedsstaaten der EU es nicht vermocht, dieses
Recht zu achten und gemeinsam zu schützen. Sie ließen zu und lassen bis heute zu, dass Menschen auf der
Flucht ertrainken und in überfüllten Lagern auf europäischem Boden monate- und
jahrelang feststecken. Eine solidarische Verteilung der Menschen, die nach
Europa kamen, warkommen, wurde bislang ebenso nichtwenig erreicht wie ein gemeinsames europäisches
Asylsystem.
Jetzt, in Zeiten der Krise, drohen diese Versäumnisse zu einer noch größeren
Katastrophe zu werden: Die von einigen Ländern der EU zugesagte Verteilung
besonders schutzbedürftiger Menschen aus den überfüllten Lagern auf den
griechischen Inseln verzögert sich lebensgefährlich. Und auch auf dem Mittelmeer
haben sich die EU-Mitgliedsstaaten aus der Verantwortung gezogen. Wenn
Schutzsuchende im zentralen Mittelmeer gerettet werden, verdanken wir das einzig
und allein dem Engagement der ehrenamtlichen Seenotrettungsorganisationen. Die
Pandemie stellt jeden EU-Mitgliedsstaat vor schwierige Herausforderungen.
Momentan wird sie jedoch als Vorwand genutzt, um Hilfsorganisationen beim Retten
von Menschenleben zu behindern und die staatliche Seenotrettung weiter
auszusetzen. All das nun mit dem Hinweis auf die Gefährlichkeit des Virus, auf
fehlende gesundheitliche Ressourcen in Südeuropa und aus Angst vor weiteren
Infizierten. Doch Europa darf Menschen nicht ertrinken lassen, die man retten
könnte.
Das Corona-Virus unterscheidet nicht nach Herkunft, Religion oder Aussehen. Es
fragt nicht danach, ob wir aus Deutschland, Afghanistan oder Syrien sind. Es
gefährdet uns alle. Und es ist, nach den Worten des Bundespräsidenten, eine
Prüfung für unsere Menschlichkeit. Für uns Grüne ist klar, dass wir diese Krise
nur gemeinsam meistern. Wir riskieren keine Toten, wo wir Leben retten können –
nicht hier, aber auch nicht in Italien, Griechenland oder auf dem Mittelmeer.
Wir setzen europäische Werte und Solidarität nicht aufs Spiel, wo sie dringender
denn je gebraucht werden. In der Corona-Krise haben wir ein Ziel: Wir lassen
niemanden zurück, auch nicht die Geflüchteten in Deutschland und an den
europäischen Außengrenzen.
Schutzbedürftige aufnehmen, menschenwürdige Bedingungen schaffen, vor Corona
schützen
Durch die Corona-Krise hat sich die Verteilung der Menschen aus den überfüllten
Lagern auf den griechischen Inseln nochmal lebensgefährlich verzögert.
Eigentlich hatten Anfang März sieben Mitgliedstaaten angekündigt, insgesamt
1.600 besonders Schutzbedürftige von dort aufzunehmen. Doch bis heute haben
lediglich Luxemburg und Deutschland Menschen zu sich geholt – zusammen insgesamt
59 Kinder. Das ist nicht mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.
Mehr als 35.000 Geflüchtete stecken auf den griechischen Inseln fest, 18.000
alleine im Camp Moria auf Lesbos, das ursprünglich für 3.000 Menschen konzipiert
war. Es fehlt an Medikamenten, Toiletten, Platz zum Abstandhalten. Nicht einmal
fließend Wasser gibt es jeden Tag. Niemand kann sich dort ausreichend vor einer
Ansteckung mit dem Covid-19 Virus schützen. Auf ganz Lesbos gibt es nur sechs
Intensivbetten. Angesichts dieser Bedingungen ist es nur nachvollziehbar, dass
die Geflüchteten große Angst um sich und ihre Liebsten in den Camps haben, wenn
das Virus dort ankommt. Dass die Bundesregierung es nach langem Ringen geschafft
hat, gerade einmal rund 50 Kinder aufzunehmen, ist unter diesen Umständen
beschämend.
Viele Städte und Gemeinden in Deutschland und auch in anderen europäischen
Staaten, selbst ganze Bundesländer haben ihre Bereitschaft signalisiert, viel
mehr Menschen aufzunehmen. Darum müssen nun sofort zumindest die besonders
schutzbedürftigen Menschen, also Kinder, Schwangere, chronisch Kranke, Menschen
mit Behinderung und Ältere von den Inseln geholt werden. Die Bundesländer, die
deutlich erklärt haben, dass sie Kapazitäten für mehr Menschen haben und
aufnehmen wollen, müssen nun aktiv werden, Landesaufnahmeanordnungen erlassen
und mit dem Bundesinnenminister ein Einvernehmen über die Aufnahme herstellen.
Doch einzelne Bundesländer können die Probleme der Europäischen Asylpolitik
nicht im Alleingang lösen. Sie können nur ihren Beitrag leisten und vom
Bundesinnenministerium einfordern, dass Deutschland die eigenen Möglichkeiten
nutzt und endlich Verantwortung übernimmt.
Wir Grüne fordern, in den nächsten Wochen zuerst die besonders schutzbedürftigen
Menschen, wie unbegleitete Minderjährige, Familien mit kleinen Kindern oder
Corona-Risikofälle zu evakuieren. Familien dürfen nicht auseinandergerissen
werden, auch wenn sie durchs enge Raster der Kernfamilien-Definition in der
Dublin-Verordnung fallen. Es ist absurd, wenn ein minderjähriger Junge nach
Deutschland kommt und von seiner Schwester getrennt wird, die mit einem kleinen
Kind in Moria zurückbleibt.
Aufgrund der Ausbreitung von Covid-19 können derzeit viele Visa mangels
Flugverbindungen nicht genutzt werden und verfallen. Daher braucht es einen
großzügigen Umgang mit Fristen und Verlängerungen von bereits ausgestellten
Visa. Da dies auch den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten in
Deutschland betrifft, der ohnehin auf maximal 1.000 Menschen pro Monat begrenzt
ist, fordern wir die Übertragung nicht ausgeschöpfter Kontingente auf die Zeit,
in der konsularischer Betrieb wieder vollumfänglich aufgenommen werden kann und
Flugverbindungen existieren. Sobald es wieder möglich ist, sollten die
Visaabteilungen personell aufgestockt werden, um zügig die aufgestauten Anträge
abarbeiten zu können.
Um Menschen nicht noch länger im Ungewissen zu lassen, setzen wir uns dafür ein,
die 6-monatige Dublin-Rücküberstellungfrist nicht zu verlängern oder
auszusetzen, sondern die Zuständigkeit für das Asylverfahren nach Ablauf der
Frist anzuerkennen.
Auch die EU-Kommission muss ihren Teil dazu beitragen, die menschenunwürdige
Situation in den Lagern auf den griechischen Inseln zu beenden und dabei
unterstützen, dass die sichere Aufnahme der Geflüchteten in anderen EU-
Mitgliedsstaaten finanziert wird. Statt 280 Millionen Euro dafür auszugeben,
überfüllte Lager einige Kilometer weiter durch geschlossene Freiluftgefängnisse
für die Geflüchteten zu ersetzen, sollte die medizinische und humanitäre
Versorgung der Menschen verbessert werden.
Häfen öffnen, Menschenleben retten
Über Ostern wurde von überfüllten Booten im Mittelmeer berichtet, die Notrufe
abgesetzt hatten, jedoch von den maltesischen und italienischen Behörden
ignoriert wurden. Die Bundesregierung forderte von den Seenotrettungs-NGOs sogar
einen Stopp ihrer Rettungseinsätze im Mittelmeer. Damit unterstützt Deutschland
die Blockadepolitik Italiens, Maltas und anderer Mitgliedstaaten und nimmt in
Kauf, dass Menschen im Mittelmeer sterben oder aber in libysche Folterlager
zurückgebracht werden, wo auf sie die Hölle auf Erden wartet. Das ist zutiefst
unmenschlich.
Im zentralen Mittelmeer trotzen zivilgesellschaftliche Seenotretter*innen der
tödlichen Blockadepolitik und retten auch in Zeiten von Corona so viele Leben
wie nur möglich. Wir Grüne stehen an der Seite dieser starken und solidarischen
Zivilgesellschaft und stellen uns ihrer zunehmenden Kriminalisierung entgegen.
Die Pandemie erfordert zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen, aber sie entbindet einen
nicht von der Pflicht, Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Die Häfen Italiens
und Maltas sind offen, es fahren täglich Schiffe ein und aus. Es gibt keinen
Grund, sie ausgerechnet für Rettungsschiffe zu schließen.
Wir Grüne fordern, dass sich die Bundesregierung gemeinsam mit anderen
Mitgliedstaaten und der EU-Kommission dafür einsetzt, dass Italien und Malta
ihre Häfen für Rettungsschiffe wieder öffnen. Und wir brauchen dringend und
weiterhin ein europäisches Seenotrettungsprogramm für das Mittelmeer, zu dem
auch Deutschland mit Booten seinen Beitrag leisten muss.
Um eine mögliche Ausbreitung des Virus zu verhindern, können Schutzsuchende auf
derzeit still liegenden Fähren und Kreuzfahrtschiffen in 14-tägige Quarantäne
gebracht werden. Danach muss eine Verteilung der Menschen auf EU- Staaten
erfolgen. Hierfür braucht es eine Neuauflage und Erweiterung des Abkommens von
Malta aus dem vergangenen September.
Ein gerechtes und effizientes Europäisches Asylsystem voranbringen
Wir Grüne setzen uns für eine Reform des Europäischen Asylsystems ein. Dabei
müssen faire, schnelle und geordnete Verfahren an den europäischen Außengrenzen
genauso wie ein funktionierender Verteilmechanismus im Zentrum stehen.
Langwierige Verfahren, Zulässigkeitsprüfungen und Vorprüfungen von Asylanträgen
führen zu Situationen wie derzeit auf den griechischen Inseln. Und genau das
wollen wir vermeiden. Schutzsuchende müssen deshalb an den Außengrenzen schnell
registriert werden, einen Gesundheitscheck und Sicherheitskontrollen durchlaufen
und dann rasch auf die Mitgliedstaaten verteilt werden. Kapazitäten der
Aufnahmezentren dürfen nicht überschritten werden.
Um Schutzsuchende gerecht zu verteilen, setzen wir auf einen Ansatz, der das
Potenzial der Solidarität in Europa voll ausschöpft. Hunderte von Städten und
Gemeinden in Europa haben sich bereit erklärt, Asylsuchende aufzunehmen. Für uns
ist das der Ausgangspunkt. Wer helfen will, muss helfen können. Dabei müssen EU-
Gelder zur Unterstützung bereitgestellt werden. Wir setzen auf positive Anreize
zur Stärkung der Solidarität. Wenn die freiwilligen Kapazitäten erschöpft sind
und weitere Plätze für Asylsuchende benötigt werden sollten sich in einem
weiteren Schritt alle Mitgliedsstaaten solidarisch beteiligen. Mitgliedstaaten,
die sich grundsätzlich gegen die Aufnahme von Schutzsuchenden sperren, sollen
stattdessen einen angemessenen Beitrag leisten und sich so an einem
funktionierenden Europäischen Asylsystem beteiligen.
Geflüchtete auch hierzulande schützen
Im Kampf gegen die Ausbreitung des Corona-Virus darf es keine doppelten
Standards geben. Auch Geflüchtete müssen vor Corona geschützt werden – weltweit
und hier in Deutschland. Neben zwingenden Hygieneplänen für eine Entzerrung
innerhalb der Erstaufnahmeeinrichtungen und in Gemeinschaftsunterkünften muss
eine sofortige Umverteilung von mindestens den Risikogruppen und den
schutzbedürftigen Personen in die Kommunen erfolgen.
Abschiebungen sind derzeit faktisch ausgesetzt, da der Flugverkehr nahezu
eingestellt wurde. Es ist auch aus menschrechtlicher Sicht absolut inakzeptabel,
in Zeiten einer Pandemie an Abschiebungen festzuhalten, wie es die
Bundesregierung jedoch tut. Sie gefährdet damit nicht nur die Geflüchteten,
sondern auch die beteiligten Beamt*innen und das Bordpersonal.
Neben den 16 Landesintegrationsbeauftragten und zahlreichen Flüchtlings- und
Menschenrechtsorganisationen fordern auch wir Grüne, Abschiebungen ausnahmslos
auszusetzen. Dafür soll ein Abschiebestopp aus humanitären Gründen erlassen und
die Abschiebhaft entsprechend ausgesetzt werden. Das BAMF und die
Ausländerbehörden sollten keine negativen Bescheide mehr ausstellen, da
Beratungsstellen und Anwält*innen nur eingeschränkt arbeitsfähig sind. Alle in
Deutschland lebenden Menschen sollten unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus
uneingeschränkt Zugang zu unserem Gesundheitssystem haben. Auch bei den
Sozialleistungen muss darauf geachtet werden, dass Empfänger*innen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz bei den Hilfspaketen nicht vergessen werden.
weitere Antragsteller*innen
- Werner Graf (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Andreas Audretsch (KV Berlin-Neukölln)
- Jian Omar (KV Berlin-Mitte)
- Ghalia EL Boustami (KV Wolfenbüttel)
- Markus Schopp (KV Berlin-Mitte)
- Fiona Macdonald (KV Berlin-Mitte)
- Hanna Steinmüller (KV Berlin-Mitte)
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