Antrag: | Für eine moderne und menschenrechtsorientierte Migrationspolitik in Deutschland und der Europäischen Union |
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Antragsteller*in: | GRÜNE JUGEND Bundesvorstand (dort beschlossen am: 15.06.2023) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Erledigt durch: V-01-Neu-163-2 |
Eingereicht: | 15.06.2023, 10:17 |
V-01-Neu-161: Für eine moderne und menschenrechtsorientierte Migrationspolitik in Deutschland und der Europäischen Union
Verfahrensvorschlag zu V-01-Neu-163-2: Antragstext
Von Zeile 161 bis 169:
In der Einigung im Innenministerrat gibt es Verbesserungen, die ohne deutschen Einsatz in den Verhandlungen nicht zustande gekommen wären, zum Beispiel, dass allein reisende Kinder von den Grenzverfahren ausgeschlossen sein sollen, oder die Verankerung des Zugangs zu unabhängiger Rechtsberatung. Zudem soll künftig ein Solidaritätsmechanismus greifen, der Fortschritte bei der Verteilung von Geflüchteten bringt. Gleichzeitig konnten zentrale Punkte nicht erreicht werden. Denn obwohl die Verschärfung von Grenzverfahren, die wir kritisch sehen, geeint wurde, gibt es keinen verpflichtenden Verteilmechanismus und keine grundsätzliche Ausnahme für Familien mit Kindern in diesen Grenzverfahren.unseren Einsatz in den Verhandlungen nicht zustande gekommen wären, zum Beispiel, dass unbegleitete Minderjährige von den Grenzverfahren ausgeschlossen werden müssen oder die Verbesserung des Zugangs zu Rechtsberatung. Außerdem muss es weiterhin eine Verbindung zu einem sicheren Drittstaat geben, für die nach einem Jahr eine Überprüfungsklausel verabredet wurde. Antragssteller*innen dürfen demnach nur in einen Drittstaat überstellt werden, wenn sie beispielsweise dort bereits gelebt oder Familie haben.
Erstmals soll es jetzt in der EU einen verbindlichen Solidaritätsmechanismus geben und Geflüchtete sollen verbindlicher registriert werden. Zwar ist die Aufnahme von Geflüchteten nicht verpflichtend, die Teilnahme an dem Mechanismus dagegen schon. In Zukunft sollen jedes Jahr mindestens 30.000 Geflüchtete umverteilt werden, abgesichert über sogenannte “Dublin-Offsets“. Darüber hinaus werden wir weiterhin dafür eintreten, dass es eine verbindlichere Verteilung gibt. Wir treten dafür ein, dass Deutschland mit gutem Beispiel vorangeht und mindestens seinen Beitrag im Sinne des „Fair Share“ leistet.Gleichzeitig konnten zentrale Punkte noch nicht erreicht werden, wie zum Beispiel eine grundsätzliche Ausnahme für Familien mit Kindern in Grenzverfahren. Trotzdem haben wir verteidigen können, dass die Freiheit von Kindern nur in sehr eng definierten Ausnahmefällen beschränkt werden darf. Zudem kommen Verschärfungen der aktuellen Rechtslage hinzu. Die Dublinfristen wurden verlängert, auch wenn der Verhandlungsstand auf Druck der Grenzstaaten und mit deutscher Unterstützung noch einmal verbessert wurde. Daneben müssen Antragsteller*innen nach der Ablehnung in Grenzverfahren verpflichtend bis zu 12 Wochen in ein Rückführungsgrenzverfahren kommen. Obwohl verhindert werden konnte, dass Mitgliedstaaten Menschen aus Staaten mit einer hohen Anerkennungsquote pauschal in Grenzverfahren nehmen müssen, schmerzt uns die Tatsache, dass die Drittstaatenregelung ausgeweitet wurde - dadurch kann sich die Situation auch für sie verschlechtern, weil ihre Anträge als unzulässig abgelehnt werden können.
Migration ist eine Konstante menschlicher Gesellschaften. Sie ist und war stets
Triebfeder für Entwicklung und globale Zusammenarbeit, genauso Quelle von
Austausch und Innovation, aber auch von Leid und Verlust. Ob sie freiwillig
geschieht oder erzwungen wird, aus Furcht um das eigene Leben geschieht oder auf
der Suche nach einer guten Zukunft – sie ist eine Gestaltungsaufgabe für die
Politik. Sie bietet Chancen und bringt Herausforderungen mit sich. Wir stellen
uns dieser Aufgabe. Wir buchstabieren aus, wie wir die Lage von Migrant*innen
und Geflüchteten verbessern und die aufnehmenden Städte und Kommunen
wirkungsvoll entlasten können.
Aktuell sind wir in unserer unmittelbaren Nachbarschaft mit der größten
Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert: Der völkerrechtswidrige
Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat Millionen Menschen aus ihrer Heimat
vertrieben. Viele Menschen haben Zuflucht auch in Deutschland gefunden.
Gleichzeitig kommen auch wieder viele Menschen aus anderen Ländern nach Europa
und suchen Schutz vor Verfolgung und Krieg, die größten Gruppen aus Syrien und
Afghanistan.
Bund, Länder und Kommunen – nicht zuletzt aber auch unzählige Freiwillige –
haben in einem gemeinsamen Kraftakt geflüchtete Menschen aufgenommen und
versorgt. Allen, die mit großem persönlichen Einsatz zum Gelingen dieser
riesigen Herausforderung beigetragen haben, danken wir. Unsere Aufgabe ist es
nun, langfristige und zuverlässige Lösungen zu finden. In vielen Städten und
Kommunen ist Wohnraum knapp, Lehrkräfte und Kinderbetreuungsplätze fehlen oder
die Mitarbeitenden in den Behörden sind überlastet. Wir wollen diesen
Herausforderungen mit wirksamen Ansätzen begegnen.
Entlastungen vor Ort schaffen, Integration fördern
Kommunen und Städte tragen die größte Verantwortung bei der Versorgung und
Unterbringung geflüchteter Menschen. Hier findet Integration konkret statt. Hier
entscheidet sich die Erlebbarkeit, dass diese Aufgabe leistbar ist. Wir stehen
bei der Bewältigung der Aufgaben für eine faire Lastenverteilung zwischen Bund,
Ländern und Kommunen. Dabei ist für uns zentral, dass die Kommunen
Planungssicherheit haben. Wir wollen, dass der Bund sich zuverlässig und
solidarisch an der Finanzierung beteiligt. Daher braucht es langfristige
Finanzzusagen. Das gilt insbesondere für die Kosten der Integrationsmaßnahmen
und der Unterbringung. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Mittel auch
dort ankommen, wo sie benötigt werden – nämlich vordringlich in den besonders
belasteten Kommunen und Städten. Es muss dafür Sorge getragen werden, dass
dauerhaft Unterbringungsplätze vorgehalten werden, um bei Bedarf handlungsfähig
zu sein, denn Gründe für Flucht werden uns auch in der Zukunft dauerhaft
begleiten. Kurzfristig muss der Bund den Kommunen wo möglich unter die Arme
greifen, indem er Liegenschaften des Bundes zur Verfügung stellt. Dabei legen
wir den Schwerpunkt auf kleinere und dezentrale Unterkünfte, in denen Teilhabe
und Integration besser möglich ist. Menschen, die bereits Familienangehörige
oder andere Anknüpfungspunkte haben, sollen bei ihnen oder in deren Nähe
unterkommen können. Hierfür bedarf es gesetzlicher Änderungen. Damit entlasten
wir den Wohnungsmarkt und fördern die Integration von Beginn an.
Für uns steht eine echte Integrationsoffensive im Zentrum unseres politischen
Handelns. Wir investieren in Teilhabe und gesellschaftlichen Zusammenhalt und
stellen dadurch sicher, dass Migrant*innen sich schnell bei uns einleben und
Geflüchtete schnell Teil der Gesellschaft werden. Für einen schnellen Zugang zu
Integrations- und Sprachkursen müssen diese flächendeckend angeboten werden
können. Wir nehmen die besonderen Anforderungen etwa an Integrationskurse in den
Blick, indem wir beispielsweise Kinderbetreuung anbieten und damit auch
betreuenden Eltern die Teilnahme ermöglichen. Erst-Orientierungskurse müssen in
ausreichender Zahl angeboten werden. Den wachsenden Bedarf an Schul- und
Kitaplätzen zu decken, ist eine große Aufgabe für alle politischen Ebenen. Wir
wollen an einer guten Ausstattung mit Lehrer*innen und Assistenzkräften, die als
Sprach- und Integrationsmittler*innen unterstützen, arbeiten. Mit dem Kita-
Qualitätsgesetz unterstützen wir seitens des Bundes die Kommunen. Einen
frühzeitigen Zugang zum Gesundheitswesen wollen wir unbürokratisch
gewährleisten. Solange dies noch nicht erfolgt ist, könnte zunächst an die
positiven Erfahrungen einiger Länder angeknüpft werden, die eine
Gesundheitskarte für Asylbewerber*innen eingeführt haben. So entlasten wir die
Behörden und stärken die medizinische sowie psychotherapeutische Versorgung. All
das kostet Geld, doch dieses Geld ist gut investiert und trägt dazu bei, dass
Geflüchtete kürzer auf Sozialleistungen angewiesen sind und schneller
erfolgreich am Arbeitsmarkt teilhaben können.
Moderne Strukturen für ein modernes Einwanderungsland und einen zukunftsfesten
Arbeitsmarkt
Deutschland ist ein Einwanderungsland und sucht händeringend nach Fach- und
Arbeitskräften. Egal ob in der Industrie, der Wissenschaft, im Gesundheitswesen
oder der Gastronomie. Wir ermöglichen Zuwanderung gerade in diesen Branchen und
stärken so unseren Wirtschaftsstandort. Gleichzeitig wollen die meisten
Geflüchteten arbeiten, dürfen es aber nicht. Das wollen wir ändern. Für die
Wahrung unseres Wohlstands und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft,
gerade auch der vielen mittelständischen Unternehmen in Deutschland, liegt hier
erhebliches Potenzial, das wir heben wollen und müssen. Hinzu kommt: Ein
frühzeitiger Zugang zum Arbeitsmarkt sichert Teilhabe, fördert Integration und
sorgt dafür, dass Menschen einen eigenen Beitrag zur Deckung ihrer
Lebenshaltungskosten leisten können. Deshalb wollen wir Arbeitsverbote aufheben.
Verfahren zur Anerkennung von Berufsabschlüssen und beruflichen Erfahrungen
wollen wir vereinfachen und beschleunigen, Unterstützungs- und
Qualifizierungsangebote ausweiten. Den sogenannten Spurwechsel in die
Arbeitsmigration wollen wir vereinfachen. Das neu eingeführte Chancen-
Aufenthaltsgesetz ist beispielgebend, weitere Reformen müssen folgen. Mit der
Novelle des Staatsangehörigkeitsgesetzes sowie dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz
gehen wir in der Bundesregierung weitere bedeutende Schritte.
Eine wichtige Ressource zur Entlastung der Verwaltung liegt in der Vereinfachung
von Verfahren. Indem wir sie modernisieren, entbürokratisieren, digitalisieren
und zwischen Bundesländern angleichen, sparen wir unnötige Arbeit ein und
schaffen dadurch zusätzliche Kapazitäten. Gleichzeitig helfen wir den
Schutzsuchenden: Sie bekommen schnell Gewissheit. Ein wichtiger Schlüssel dafür
liegt in der Verlängerung der Geltungsdauer für Visa zur Erwerbs- und
Bildungsmigration sowie der Dauer von Aufenthaltserlaubnissen. Darüber hinaus
müssen die Einwanderungs- und Ausländerbehörden sowie andere
Verfahrensbeteiligte, z.B. Verwaltungsgerichte, personell besser aufgestellt und
mit zusätzlichen Mittel ausgestattet werden.
Sichere Wege für Flucht und Migration schaffen
Wir wollen sichere und legale Wege zur Arbeitsmigration und Flucht stärken. Wir
setzen deshalb auf partnerschaftliche Mobilitäts- und Migrationsabkommen mit
Staaten außerhalb der EU, die vor allem Wege zur Bildungs- und Arbeitsmigration
eröffnen. Dafür werden wir auch die gesetzlichen Grundlagen der Visavergabe
modernisieren und vereinfachen. Das schafft Planbarkeit – für die Betroffenen
ebenso wie für die Kommunen, ihre Behörden und die Menschen vor Ort.
Den Familiennachzug wollen wir stärken, vereinfachen und beschleunigen. Damit
tragen wir dem im Grundgesetz verankerten besonderen Schutz der Familie Rechnung
und fördern durch stabile Familienverhältnisse die Integration. Unserer
besonderen Verantwortung gegenüber ehemaligen Ortskräften sowie besonders
gefährdeten Afghan*innen und ihren Familien werden wir durch humanitäre Aufnahme
und konsequente Umsetzung des Bundesaufnahmeprogramms gerecht. Sie sind auf
Grund ihrer Arbeit etwa für die Bundeswehr, internationale Organisationen oder
ihres Einsatz für Menschenrechte in Gefahr. Es ist am Bundesinnenministerium
dafür zu sorgen, dass die Sicherheitsinterviews nun aufgesetzt werden, damit das
Bundesaufnahmeprogramm schnellstmöglich wieder aufgenommen wird.
Wir setzen auf eine Politik der Humanität und Ordnung. Mit tragfähigen
Migrationsabkommen, die legale Wege der Zuwanderung aufzeigen, soll auch die
Rücknahmebereitschaft in den Herkunftsländern erhöht werden. Denn nicht jeder
Mensch, der zu uns kommt, kann bleiben. Aber jeder Mensch, der bei uns Schutz
sucht, hat Anrecht auf ein rechtsstaatliches Verfahren mit individueller
Prüfung. Wer nach sorgfältiger Prüfung der asyl- und aufenthaltsrechtlichen
Voraussetzungen sowie nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel kein Aufenthaltsrecht
erhalten hat, muss zügig wieder ausreisen – sofern dem keine
Abschiebehindernisse entgegenstehen. Dabei setzen wir vorrangig auf die
freiwillige Rückkehr. Eine unverhältnismäßige Verschärfung von Abschiebe- und
Abschiebehaftregeln lehnen wir ab. Der fortlaufenden Unsicherheit und
Perspektivlosigkeit durch Kettenduldungen stellen wir uns entgegen. Menschen,
die bereits in der Gesellschaft verwurzelt sind, müssen eine Chance auf ein
dauerhaftes Bleiberecht bekommen.
Das Konzept der sicheren Herkunftssaaten finden wir falsch, denn es löst keine
Probleme. Was hilft, ist alle Asylverfahren zu beschleunigen und die Qualität
der Entscheidungen zu verbessern. Staaten, die den EU-Beitrittskandidatenstatus
erhalten haben und deutliche Fortschritte bei Menschenrechten und
Rechtsstaatlichkeit machen, können besonders betrachtet werden. Wir werden nicht
mitmachen, wenn Staaten, die systematisch Menschenrechtsverletzungen begehen,
als sicher eingestuft werden sollen. Die Einstufung der Maghreb-Staaten als
sichere Herkunftsstaaten lehnen wir ab.
Den Rufen nach einer stetigen Ausweitung von stationären Kontrollen an den
Binnengrenzen stellen wir uns entschieden entgegen. Sie stehen dem Schengener
Abkommen entgegen. Ein Europa ohne Schlagbäume ist ein wesentlicher Grundpfeiler
der europäischen Idee. Binnengrenzkontrollen behindern die Freizügigkeit und
verursachen enorme wirtschaftliche Schäden. Gerade für die Menschen in den
Grenzregionen stellen die Kontrollen und damit verbundenen Staus eine enorme
Belastung dar, ebenso wie für die eingesetzten Polizist*innen. Gleichzeitig sind
sie völlig ungeeignet, die Zahl der Asylanträge zu reduzieren, da Schutzsuchende
nicht zurückgewiesen werden dürfen.
Ein starkes Europa der Menschenrechte
Gemeinsam stehen wir für den Schutz von Menschenrechten, eine rechtebasierte und
lösungsorientierte Flüchtlingspolitik und eine handlungsfähige Europäische
Union. Wir stehen zu unseren völkerrechtlichen Verpflichtungen wie der Genfer
Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention, der UN-
Kinderrechtskonvention und dem internationalen Seerecht. Wir stehen für eine
individuelle und inhaltliche Prüfung des Rechts auf Asyl in der EU. Wir stellen
uns entschieden Versuchen entgegen, diese historischen Errungenschaften zu
beschneiden.
Die derzeitige Lage an den europäischen Außengrenzen ist unhaltbar. Dabei kann
es nicht bleiben. Deshalb waren wir im Europäischen Rat zuletzt auch zu sehr
schwierigen Verhandlungen rund um eine Reform des Gemeinsamen Europäischen
Asylsystems (GEAS) bereit – in einem sehr komplexen Umfeld mit weit
auseinandergehenden und größtenteils restriktiven Positionen zwischen den
verschiedenen EU-Mitgliedstaaten. Wir haben gemeinsam für eine Lösung in dieser
schwierigen Situation gekämpft, um Humanität und Ordnung zu erreichen.
In der Einigung im Innenministerrat gibt es Verbesserungen, die ohne deutschen
Einsatz in den Verhandlungen nicht zustande gekommen wären, zum Beispiel, dass
allein reisende Kinder von den Grenzverfahren ausgeschlossen sein sollen, oder
die Verankerung des Zugangs zu unabhängiger Rechtsberatung. Zudem soll künftig
ein Solidaritätsmechanismus greifen, der Fortschritte bei der Verteilung von
Geflüchteten bringt. Gleichzeitig konnten zentrale Punkte nicht erreicht werden.
Denn obwohl die Verschärfung von Grenzverfahren, die wir kritisch sehen, geeint
wurde, gibt es keinen verpflichtenden Verteilmechanismus und keine
grundsätzliche Ausnahme für Familien mit Kindern in diesen Grenzverfahren.unseren Einsatz in den Verhandlungen nicht zustande gekommen wären, zum Beispiel, dass unbegleitete Minderjährige von den Grenzverfahren ausgeschlossen werden müssen oder die Verbesserung des Zugangs zu Rechtsberatung. Außerdem muss es weiterhin eine Verbindung zu einem sicheren Drittstaat geben, für die nach einem Jahr eine Überprüfungsklausel verabredet wurde. Antragssteller*innen dürfen demnach nur in einen Drittstaat überstellt werden, wenn sie beispielsweise dort bereits gelebt oder Familie haben.
Erstmals soll es jetzt in der EU einen verbindlichen Solidaritätsmechanismus geben und Geflüchtete sollen verbindlicher registriert werden. Zwar ist die Aufnahme von Geflüchteten nicht verpflichtend, die Teilnahme an dem Mechanismus dagegen schon. In Zukunft sollen jedes Jahr mindestens 30.000 Geflüchtete umverteilt werden, abgesichert über sogenannte “Dublin-Offsets“. Darüber hinaus werden wir weiterhin dafür eintreten, dass es eine verbindlichere Verteilung gibt. Wir treten dafür ein, dass Deutschland mit gutem Beispiel vorangeht und mindestens seinen Beitrag im Sinne des „Fair Share“ leistet.Gleichzeitig konnten zentrale Punkte noch nicht erreicht werden, wie zum Beispiel eine grundsätzliche Ausnahme für Familien mit Kindern in Grenzverfahren. Trotzdem haben wir verteidigen können, dass die Freiheit von Kindern nur in sehr eng definierten Ausnahmefällen beschränkt werden darf. Zudem kommen Verschärfungen der aktuellen Rechtslage hinzu. Die Dublinfristen wurden verlängert, auch wenn der Verhandlungsstand auf Druck der Grenzstaaten und mit deutscher Unterstützung noch einmal verbessert wurde. Daneben müssen Antragsteller*innen nach der Ablehnung in Grenzverfahren verpflichtend bis zu 12 Wochen in ein Rückführungsgrenzverfahren kommen. Obwohl verhindert werden konnte, dass Mitgliedstaaten Menschen aus Staaten mit einer hohen Anerkennungsquote pauschal in Grenzverfahren nehmen müssen, schmerzt uns die Tatsache, dass die Drittstaatenregelung ausgeweitet wurde - dadurch kann sich die Situation auch für sie verschlechtern, weil ihre Anträge als unzulässig abgelehnt werden können.
Es handelt sich deshalb sicher nicht um einen „historischen Erfolg“, wie es etwa
Bundesinnenministerin Nancy Faeser formuliert hat. Zugleich erkennen wir an,
dass der Beschluss ohne deutschen Einsatz in den Verhandlungen ein schlechterer
gewesen wäre. Die erzielte Einigung kann zentrale Anforderungen nicht erfüllen,
die wir an eine Asylpolitik der Humanität und Ordnung stellen – gerade weil sie
im EU-Kontext weitestgehend restriktiverer Mitgliedstaaten nicht durchsetzbar
waren. Das vorliegende Ergebnis ist von den Positionen unserer Partei weit
entfernt. Gleichzeitig sehen wir das europapolitische Dilemma. In der
Gesamtschau bewerten wir das Ergebnis unterschiedlich. Wir zollen unseren
jeweiligen Meinungen großen Respekt und stehen fest zusammen beim gemeinsamen
Vorhaben, weiterhin mit aller Kraft für eine Verbesserung der Situation für
Schutzsuchende um und in Europa zu kämpfen. Denn klar ist: Die Situation der
Menschen, die in Europa Schutz suchen, muss deutlich besser werden.
Im weiteren Verfahren im Trilog zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und
der Kommission setzen wir uns daher für Verbesserungen ein, etwa für den
besseren Schutz von Familien mit Kindern und verpflichtende Verteilung.
Geordnete Verfahren und europäische Solidarität verteidigen
Eine faire und gesteuerte Verteilung kann nur gelingen, wenn Menschen
zuverlässig bei der Einreise registriert werden. Wir müssen wissen, wer zu uns
kommt. Damit verhindern wir auch, dass Menschen ausgebeutet und entrechtet
werden. Eine Verteilung von Geflüchteten kann nur funktionieren, wenn sich
einzelne Mitgliedstaaten nicht einfach entziehen können. Dazu gehört auch, dass
Verfahren fair und zügig durchgeführt, menschenrechtskonforme Lebensbedingungen
sichergestellt und unkontrollierten Weiterreisen in andere europäische Länder
vorgebeugt werden. Alle Mitgliedsstaaten müssen ihren fairen Beitrag leisten.
Geld- und Sachleistungen an Drittstaaten sind dabei keine Kompensation.
Mitgliedsstaaten, die in besonderem Maße Geflüchtete aufnehmen, müssen gestärkt,
aber auch für ihre Verantwortung in die Pflicht genommen werden. Dazu zählt,
dass sie finanziell entlastet werden. Die Finanzierung der libyschen
Küstenwache, die sich an Menschenrechtsverstößen und an Schlepperei beteiligt,
muss ein Ende finden.
Das Konzept der sicheren Drittstaaten finden wir weiterhin falsch. Menschen, die
über einen Drittstaat in die EU einreisen, dürfen nicht einfach zurückgeführt
werden – gerade wenn sie keine klare Verbindung, etwa berufliche oder familiäre
Bezüge, zu diesem Land haben und nicht sichergestellt werden kann, dass sie dort
in Sicherheit sind. Die Verankerung eines Verbindungselements ist daher von
großer Bedeutung. Die rechtliche Ausgestaltung muss so erfolgen, dass die
Regelung auch in der Praxis wirksam ist.
Das Leid an den Außengrenzen beenden, Seenotrettung sichern
Die aktuelle Situation an den Außengrenzen ist nicht akzeptabel. Unser Ziel ist
es daher, das Leid schnellstmöglich zu beenden. Wir nehmen nicht hin, dass
Menschen und insbesondere Kinder unter menschenunwürdigen Bedingungen in Lagern
verharren und keinen Zugang zu rechtsstaatlichen Verfahren haben. Die Versorgung
mit medizinischen Gütern, psychologischer Betreuung und Lebensmitteln sowie der
Zugang zu Rechtsberatung müssen stets sichergestellt sein. Hilfs- und
Menschenrechtsorganisationen benötigen jederzeit Zugang zu den Geflüchteten und
den Grenzregionen. Der illegalen Praxis von Pushbacks muss entschieden begegnet
werden. Wir fordern die Europäische Kommission auf, gegenüber Mitgliedstaaten
einzuschreiten, die diese rechtswidrige Praxis anwenden. Gleichzeitig muss ein
wirksames, unabhängiges Menschenrechtsmonitoring dazu beitragen, dass
rechtsfreie Räume an den Grenzen in Europa der Vergangenheit angehören. Die
umfassende parlamentarische Kontrolle der EU-Agenturen und der
Finanzierungsinstrumente für die externe Migrationspolitik müssen sichergestellt
sein.
Wir wollen die europäische Seenotrettung stärken und das Sterben im Mittelmeer
beenden. Jedes Jahr sterben Hunderte Menschen beim Versuch, das Mittelmeer zu
überqueren. Dieser Zustand ist nicht hinnehmbar. Seenotrettung ist eine
völkerrechtliche Pflicht. Wir treten weiter für eine zivile, flächendeckende und
europäische Seenotrettung ein. Die europäischen Staaten sind gemeinsam dafür
verantwortlich, dass zivile Seenotrettungsorganisationen gefahrlos ihre Einsätze
absolvieren können. Durch die Behinderung ihrer Arbeit, lange Fahrtwege und
Spendeneinbrüche stehen die Seenotrettungsorganisationen auch finanziell unter
Druck. Deswegen treten wir – neben unserem Einsatz für die Organisation einer
staatlichen Seenotrettung – für die Verbesserung der staatlichen Unterstützung
ziviler Organisationen ein. Rettungsschiffe müssen die Gelegenheit haben, den
nächstgelegenen sicheren Hafen anzulaufen, damit die Menschen an Land gehen und
versorgt werden können. Ein Auslaufen von Rettungsschiffen darf nicht verhindert
und Seenotrettung nicht kriminalisiert werden. Die von Seenotrettungsschiffen
aufgenommenen Menschen müssen die Möglichkeit auf eine faire Überprüfung ihres
Schutzanliegens haben.
Fluchtursachen bekämpfen
Kernaufgabe bleibt es, die Ursachen für Flucht und Vertreibung anzugehen. Wir
verfolgen eine Außenpolitik, die Diplomatie und Prävention von Konflikten in den
Mittelpunkt stellt. Wir orientieren uns an den Bedürfnissen von Menschen, die
wegen Konflikten oder Verfolgung ihre Heimat verlassen müssen. Die meisten von
ihnen suchen Schutz in ihrem eigenen Land oder in Nachbarstaaten. Hier muss
Europa handeln. Eine effektive und gut ausgestattete humanitäre Hilfe,
Krisenprävention und Stabilisierung sind ebenso ein Schlüsselfaktor wie
Entwicklungszusammenarbeit und die geregelte Aufnahme der verletzlichsten
Gruppen. So können wir verhindern, dass Menschen sich auf gefährliche
Fluchtrouten und in die Hände von Menschenschmugglern begeben müssen.
Eine nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit kann einen Beitrag dazu leisten,
Gesellschaften zu stabilisieren und Menschen eine wirtschaftliche und soziale
Perspektive in ihrer Heimat zu geben. Sie an die Kooperation bei
Migrationsfragen zu knüpfen, wie es Markus Söder fordert, schafft eher
Fluchtgründe. Wir lehnen dies ab.
Antragstext
Von Zeile 161 bis 169:
In der Einigung im Innenministerrat gibt es Verbesserungen, die ohne deutschen Einsatz in den Verhandlungen nicht zustande gekommen wären, zum Beispiel, dass allein reisende Kinder von den Grenzverfahren ausgeschlossen sein sollen, oder die Verankerung des Zugangs zu unabhängiger Rechtsberatung. Zudem soll künftig ein Solidaritätsmechanismus greifen, der Fortschritte bei der Verteilung von Geflüchteten bringt. Gleichzeitig konnten zentrale Punkte nicht erreicht werden. Denn obwohl die Verschärfung von Grenzverfahren, die wir kritisch sehen, geeint wurde, gibt es keinen verpflichtenden Verteilmechanismus und keine grundsätzliche Ausnahme für Familien mit Kindern in diesen Grenzverfahren.
Die im Innenministerrat beschlossene Einigung hätte eine massive Asylrechtsverschärfung zur Folge. Eine Umsetzung würde eine weitere Verschlechterung der humanitären Lage und Entrechtung der Menschen bedeuten. Zwar konnten durch den deutschen Einsatz in den Verhandlungen weitere Verschlechterungen verhindert werden, zum Beispiel, dass nun zumindest allein reisende Kinder von den Grenzverfahren ausgeschlossen sein sollen und eine Verbesserung der Rechtsberatung.
Eine wirkliche Verbesserung des Asylsystems wurde nicht erreicht: Weder eine solidarische, verpflichtende Verteilung von Geflüchteten, noch die grundsätzliche Ausnahme von Kindern aus Grenzverfahren - die wir grundsätzlich für unmenschlich halten und ablehnen - wurden erreicht. Durch die getroffenen Einigung droht, dass ein Großteil der Schutzsuchenden in menschenunwürdige Lager durch das Außengrenzverfahren kommen - selbst Menschen die aus Syrien oder Afghanistan, die vor enormer Gewalt und Krieg geflohen sind
Migration ist eine Konstante menschlicher Gesellschaften. Sie ist und war stets
Triebfeder für Entwicklung und globale Zusammenarbeit, genauso Quelle von
Austausch und Innovation, aber auch von Leid und Verlust. Ob sie freiwillig
geschieht oder erzwungen wird, aus Furcht um das eigene Leben geschieht oder auf
der Suche nach einer guten Zukunft – sie ist eine Gestaltungsaufgabe für die
Politik. Sie bietet Chancen und bringt Herausforderungen mit sich. Wir stellen
uns dieser Aufgabe. Wir buchstabieren aus, wie wir die Lage von Migrant*innen
und Geflüchteten verbessern und die aufnehmenden Städte und Kommunen
wirkungsvoll entlasten können.
Aktuell sind wir in unserer unmittelbaren Nachbarschaft mit der größten
Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert: Der völkerrechtswidrige
Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat Millionen Menschen aus ihrer Heimat
vertrieben. Viele Menschen haben Zuflucht auch in Deutschland gefunden.
Gleichzeitig kommen auch wieder viele Menschen aus anderen Ländern nach Europa
und suchen Schutz vor Verfolgung und Krieg, die größten Gruppen aus Syrien und
Afghanistan.
Bund, Länder und Kommunen – nicht zuletzt aber auch unzählige Freiwillige –
haben in einem gemeinsamen Kraftakt geflüchtete Menschen aufgenommen und
versorgt. Allen, die mit großem persönlichen Einsatz zum Gelingen dieser
riesigen Herausforderung beigetragen haben, danken wir. Unsere Aufgabe ist es
nun, langfristige und zuverlässige Lösungen zu finden. In vielen Städten und
Kommunen ist Wohnraum knapp, Lehrkräfte und Kinderbetreuungsplätze fehlen oder
die Mitarbeitenden in den Behörden sind überlastet. Wir wollen diesen
Herausforderungen mit wirksamen Ansätzen begegnen.
Entlastungen vor Ort schaffen, Integration fördern
Kommunen und Städte tragen die größte Verantwortung bei der Versorgung und
Unterbringung geflüchteter Menschen. Hier findet Integration konkret statt. Hier
entscheidet sich die Erlebbarkeit, dass diese Aufgabe leistbar ist. Wir stehen
bei der Bewältigung der Aufgaben für eine faire Lastenverteilung zwischen Bund,
Ländern und Kommunen. Dabei ist für uns zentral, dass die Kommunen
Planungssicherheit haben. Wir wollen, dass der Bund sich zuverlässig und
solidarisch an der Finanzierung beteiligt. Daher braucht es langfristige
Finanzzusagen. Das gilt insbesondere für die Kosten der Integrationsmaßnahmen
und der Unterbringung. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Mittel auch
dort ankommen, wo sie benötigt werden – nämlich vordringlich in den besonders
belasteten Kommunen und Städten. Es muss dafür Sorge getragen werden, dass
dauerhaft Unterbringungsplätze vorgehalten werden, um bei Bedarf handlungsfähig
zu sein, denn Gründe für Flucht werden uns auch in der Zukunft dauerhaft
begleiten. Kurzfristig muss der Bund den Kommunen wo möglich unter die Arme
greifen, indem er Liegenschaften des Bundes zur Verfügung stellt. Dabei legen
wir den Schwerpunkt auf kleinere und dezentrale Unterkünfte, in denen Teilhabe
und Integration besser möglich ist. Menschen, die bereits Familienangehörige
oder andere Anknüpfungspunkte haben, sollen bei ihnen oder in deren Nähe
unterkommen können. Hierfür bedarf es gesetzlicher Änderungen. Damit entlasten
wir den Wohnungsmarkt und fördern die Integration von Beginn an.
Für uns steht eine echte Integrationsoffensive im Zentrum unseres politischen
Handelns. Wir investieren in Teilhabe und gesellschaftlichen Zusammenhalt und
stellen dadurch sicher, dass Migrant*innen sich schnell bei uns einleben und
Geflüchtete schnell Teil der Gesellschaft werden. Für einen schnellen Zugang zu
Integrations- und Sprachkursen müssen diese flächendeckend angeboten werden
können. Wir nehmen die besonderen Anforderungen etwa an Integrationskurse in den
Blick, indem wir beispielsweise Kinderbetreuung anbieten und damit auch
betreuenden Eltern die Teilnahme ermöglichen. Erst-Orientierungskurse müssen in
ausreichender Zahl angeboten werden. Den wachsenden Bedarf an Schul- und
Kitaplätzen zu decken, ist eine große Aufgabe für alle politischen Ebenen. Wir
wollen an einer guten Ausstattung mit Lehrer*innen und Assistenzkräften, die als
Sprach- und Integrationsmittler*innen unterstützen, arbeiten. Mit dem Kita-
Qualitätsgesetz unterstützen wir seitens des Bundes die Kommunen. Einen
frühzeitigen Zugang zum Gesundheitswesen wollen wir unbürokratisch
gewährleisten. Solange dies noch nicht erfolgt ist, könnte zunächst an die
positiven Erfahrungen einiger Länder angeknüpft werden, die eine
Gesundheitskarte für Asylbewerber*innen eingeführt haben. So entlasten wir die
Behörden und stärken die medizinische sowie psychotherapeutische Versorgung. All
das kostet Geld, doch dieses Geld ist gut investiert und trägt dazu bei, dass
Geflüchtete kürzer auf Sozialleistungen angewiesen sind und schneller
erfolgreich am Arbeitsmarkt teilhaben können.
Moderne Strukturen für ein modernes Einwanderungsland und einen zukunftsfesten
Arbeitsmarkt
Deutschland ist ein Einwanderungsland und sucht händeringend nach Fach- und
Arbeitskräften. Egal ob in der Industrie, der Wissenschaft, im Gesundheitswesen
oder der Gastronomie. Wir ermöglichen Zuwanderung gerade in diesen Branchen und
stärken so unseren Wirtschaftsstandort. Gleichzeitig wollen die meisten
Geflüchteten arbeiten, dürfen es aber nicht. Das wollen wir ändern. Für die
Wahrung unseres Wohlstands und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft,
gerade auch der vielen mittelständischen Unternehmen in Deutschland, liegt hier
erhebliches Potenzial, das wir heben wollen und müssen. Hinzu kommt: Ein
frühzeitiger Zugang zum Arbeitsmarkt sichert Teilhabe, fördert Integration und
sorgt dafür, dass Menschen einen eigenen Beitrag zur Deckung ihrer
Lebenshaltungskosten leisten können. Deshalb wollen wir Arbeitsverbote aufheben.
Verfahren zur Anerkennung von Berufsabschlüssen und beruflichen Erfahrungen
wollen wir vereinfachen und beschleunigen, Unterstützungs- und
Qualifizierungsangebote ausweiten. Den sogenannten Spurwechsel in die
Arbeitsmigration wollen wir vereinfachen. Das neu eingeführte Chancen-
Aufenthaltsgesetz ist beispielgebend, weitere Reformen müssen folgen. Mit der
Novelle des Staatsangehörigkeitsgesetzes sowie dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz
gehen wir in der Bundesregierung weitere bedeutende Schritte.
Eine wichtige Ressource zur Entlastung der Verwaltung liegt in der Vereinfachung
von Verfahren. Indem wir sie modernisieren, entbürokratisieren, digitalisieren
und zwischen Bundesländern angleichen, sparen wir unnötige Arbeit ein und
schaffen dadurch zusätzliche Kapazitäten. Gleichzeitig helfen wir den
Schutzsuchenden: Sie bekommen schnell Gewissheit. Ein wichtiger Schlüssel dafür
liegt in der Verlängerung der Geltungsdauer für Visa zur Erwerbs- und
Bildungsmigration sowie der Dauer von Aufenthaltserlaubnissen. Darüber hinaus
müssen die Einwanderungs- und Ausländerbehörden sowie andere
Verfahrensbeteiligte, z.B. Verwaltungsgerichte, personell besser aufgestellt und
mit zusätzlichen Mittel ausgestattet werden.
Sichere Wege für Flucht und Migration schaffen
Wir wollen sichere und legale Wege zur Arbeitsmigration und Flucht stärken. Wir
setzen deshalb auf partnerschaftliche Mobilitäts- und Migrationsabkommen mit
Staaten außerhalb der EU, die vor allem Wege zur Bildungs- und Arbeitsmigration
eröffnen. Dafür werden wir auch die gesetzlichen Grundlagen der Visavergabe
modernisieren und vereinfachen. Das schafft Planbarkeit – für die Betroffenen
ebenso wie für die Kommunen, ihre Behörden und die Menschen vor Ort.
Den Familiennachzug wollen wir stärken, vereinfachen und beschleunigen. Damit
tragen wir dem im Grundgesetz verankerten besonderen Schutz der Familie Rechnung
und fördern durch stabile Familienverhältnisse die Integration. Unserer
besonderen Verantwortung gegenüber ehemaligen Ortskräften sowie besonders
gefährdeten Afghan*innen und ihren Familien werden wir durch humanitäre Aufnahme
und konsequente Umsetzung des Bundesaufnahmeprogramms gerecht. Sie sind auf
Grund ihrer Arbeit etwa für die Bundeswehr, internationale Organisationen oder
ihres Einsatz für Menschenrechte in Gefahr. Es ist am Bundesinnenministerium
dafür zu sorgen, dass die Sicherheitsinterviews nun aufgesetzt werden, damit das
Bundesaufnahmeprogramm schnellstmöglich wieder aufgenommen wird.
Wir setzen auf eine Politik der Humanität und Ordnung. Mit tragfähigen
Migrationsabkommen, die legale Wege der Zuwanderung aufzeigen, soll auch die
Rücknahmebereitschaft in den Herkunftsländern erhöht werden. Denn nicht jeder
Mensch, der zu uns kommt, kann bleiben. Aber jeder Mensch, der bei uns Schutz
sucht, hat Anrecht auf ein rechtsstaatliches Verfahren mit individueller
Prüfung. Wer nach sorgfältiger Prüfung der asyl- und aufenthaltsrechtlichen
Voraussetzungen sowie nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel kein Aufenthaltsrecht
erhalten hat, muss zügig wieder ausreisen – sofern dem keine
Abschiebehindernisse entgegenstehen. Dabei setzen wir vorrangig auf die
freiwillige Rückkehr. Eine unverhältnismäßige Verschärfung von Abschiebe- und
Abschiebehaftregeln lehnen wir ab. Der fortlaufenden Unsicherheit und
Perspektivlosigkeit durch Kettenduldungen stellen wir uns entgegen. Menschen,
die bereits in der Gesellschaft verwurzelt sind, müssen eine Chance auf ein
dauerhaftes Bleiberecht bekommen.
Das Konzept der sicheren Herkunftssaaten finden wir falsch, denn es löst keine
Probleme. Was hilft, ist alle Asylverfahren zu beschleunigen und die Qualität
der Entscheidungen zu verbessern. Staaten, die den EU-Beitrittskandidatenstatus
erhalten haben und deutliche Fortschritte bei Menschenrechten und
Rechtsstaatlichkeit machen, können besonders betrachtet werden. Wir werden nicht
mitmachen, wenn Staaten, die systematisch Menschenrechtsverletzungen begehen,
als sicher eingestuft werden sollen. Die Einstufung der Maghreb-Staaten als
sichere Herkunftsstaaten lehnen wir ab.
Den Rufen nach einer stetigen Ausweitung von stationären Kontrollen an den
Binnengrenzen stellen wir uns entschieden entgegen. Sie stehen dem Schengener
Abkommen entgegen. Ein Europa ohne Schlagbäume ist ein wesentlicher Grundpfeiler
der europäischen Idee. Binnengrenzkontrollen behindern die Freizügigkeit und
verursachen enorme wirtschaftliche Schäden. Gerade für die Menschen in den
Grenzregionen stellen die Kontrollen und damit verbundenen Staus eine enorme
Belastung dar, ebenso wie für die eingesetzten Polizist*innen. Gleichzeitig sind
sie völlig ungeeignet, die Zahl der Asylanträge zu reduzieren, da Schutzsuchende
nicht zurückgewiesen werden dürfen.
Ein starkes Europa der Menschenrechte
Gemeinsam stehen wir für den Schutz von Menschenrechten, eine rechtebasierte und
lösungsorientierte Flüchtlingspolitik und eine handlungsfähige Europäische
Union. Wir stehen zu unseren völkerrechtlichen Verpflichtungen wie der Genfer
Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention, der UN-
Kinderrechtskonvention und dem internationalen Seerecht. Wir stehen für eine
individuelle und inhaltliche Prüfung des Rechts auf Asyl in der EU. Wir stellen
uns entschieden Versuchen entgegen, diese historischen Errungenschaften zu
beschneiden.
Die derzeitige Lage an den europäischen Außengrenzen ist unhaltbar. Dabei kann
es nicht bleiben. Deshalb waren wir im Europäischen Rat zuletzt auch zu sehr
schwierigen Verhandlungen rund um eine Reform des Gemeinsamen Europäischen
Asylsystems (GEAS) bereit – in einem sehr komplexen Umfeld mit weit
auseinandergehenden und größtenteils restriktiven Positionen zwischen den
verschiedenen EU-Mitgliedstaaten. Wir haben gemeinsam für eine Lösung in dieser
schwierigen Situation gekämpft, um Humanität und Ordnung zu erreichen.
In der Einigung im Innenministerrat gibt es Verbesserungen, die ohne deutschen
Einsatz in den Verhandlungen nicht zustande gekommen wären, zum Beispiel, dass
allein reisende Kinder von den Grenzverfahren ausgeschlossen sein sollen, oder
die Verankerung des Zugangs zu unabhängiger Rechtsberatung. Zudem soll künftig
ein Solidaritätsmechanismus greifen, der Fortschritte bei der Verteilung von
Geflüchteten bringt. Gleichzeitig konnten zentrale Punkte nicht erreicht werden.
Denn obwohl die Verschärfung von Grenzverfahren, die wir kritisch sehen, geeint
wurde, gibt es keinen verpflichtenden Verteilmechanismus und keine
grundsätzliche Ausnahme für Familien mit Kindern in diesen Grenzverfahren.
Die im Innenministerrat beschlossene Einigung hätte eine massive Asylrechtsverschärfung zur Folge. Eine Umsetzung würde eine weitere Verschlechterung der humanitären Lage und Entrechtung der Menschen bedeuten. Zwar konnten durch den deutschen Einsatz in den Verhandlungen weitere Verschlechterungen verhindert werden, zum Beispiel, dass nun zumindest allein reisende Kinder von den Grenzverfahren ausgeschlossen sein sollen und eine Verbesserung der Rechtsberatung.
Eine wirkliche Verbesserung des Asylsystems wurde nicht erreicht: Weder eine solidarische, verpflichtende Verteilung von Geflüchteten, noch die grundsätzliche Ausnahme von Kindern aus Grenzverfahren - die wir grundsätzlich für unmenschlich halten und ablehnen - wurden erreicht. Durch die getroffenen Einigung droht, dass ein Großteil der Schutzsuchenden in menschenunwürdige Lager durch das Außengrenzverfahren kommen - selbst Menschen die aus Syrien oder Afghanistan, die vor enormer Gewalt und Krieg geflohen sind
Es handelt sich deshalb sicher nicht um einen „historischen Erfolg“, wie es etwa
Bundesinnenministerin Nancy Faeser formuliert hat. Zugleich erkennen wir an,
dass der Beschluss ohne deutschen Einsatz in den Verhandlungen ein schlechterer
gewesen wäre. Die erzielte Einigung kann zentrale Anforderungen nicht erfüllen,
die wir an eine Asylpolitik der Humanität und Ordnung stellen – gerade weil sie
im EU-Kontext weitestgehend restriktiverer Mitgliedstaaten nicht durchsetzbar
waren. Das vorliegende Ergebnis ist von den Positionen unserer Partei weit
entfernt. Gleichzeitig sehen wir das europapolitische Dilemma. In der
Gesamtschau bewerten wir das Ergebnis unterschiedlich. Wir zollen unseren
jeweiligen Meinungen großen Respekt und stehen fest zusammen beim gemeinsamen
Vorhaben, weiterhin mit aller Kraft für eine Verbesserung der Situation für
Schutzsuchende um und in Europa zu kämpfen. Denn klar ist: Die Situation der
Menschen, die in Europa Schutz suchen, muss deutlich besser werden.
Im weiteren Verfahren im Trilog zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und
der Kommission setzen wir uns daher für Verbesserungen ein, etwa für den
besseren Schutz von Familien mit Kindern und verpflichtende Verteilung.
Geordnete Verfahren und europäische Solidarität verteidigen
Eine faire und gesteuerte Verteilung kann nur gelingen, wenn Menschen
zuverlässig bei der Einreise registriert werden. Wir müssen wissen, wer zu uns
kommt. Damit verhindern wir auch, dass Menschen ausgebeutet und entrechtet
werden. Eine Verteilung von Geflüchteten kann nur funktionieren, wenn sich
einzelne Mitgliedstaaten nicht einfach entziehen können. Dazu gehört auch, dass
Verfahren fair und zügig durchgeführt, menschenrechtskonforme Lebensbedingungen
sichergestellt und unkontrollierten Weiterreisen in andere europäische Länder
vorgebeugt werden. Alle Mitgliedsstaaten müssen ihren fairen Beitrag leisten.
Geld- und Sachleistungen an Drittstaaten sind dabei keine Kompensation.
Mitgliedsstaaten, die in besonderem Maße Geflüchtete aufnehmen, müssen gestärkt,
aber auch für ihre Verantwortung in die Pflicht genommen werden. Dazu zählt,
dass sie finanziell entlastet werden. Die Finanzierung der libyschen
Küstenwache, die sich an Menschenrechtsverstößen und an Schlepperei beteiligt,
muss ein Ende finden.
Das Konzept der sicheren Drittstaaten finden wir weiterhin falsch. Menschen, die
über einen Drittstaat in die EU einreisen, dürfen nicht einfach zurückgeführt
werden – gerade wenn sie keine klare Verbindung, etwa berufliche oder familiäre
Bezüge, zu diesem Land haben und nicht sichergestellt werden kann, dass sie dort
in Sicherheit sind. Die Verankerung eines Verbindungselements ist daher von
großer Bedeutung. Die rechtliche Ausgestaltung muss so erfolgen, dass die
Regelung auch in der Praxis wirksam ist.
Das Leid an den Außengrenzen beenden, Seenotrettung sichern
Die aktuelle Situation an den Außengrenzen ist nicht akzeptabel. Unser Ziel ist
es daher, das Leid schnellstmöglich zu beenden. Wir nehmen nicht hin, dass
Menschen und insbesondere Kinder unter menschenunwürdigen Bedingungen in Lagern
verharren und keinen Zugang zu rechtsstaatlichen Verfahren haben. Die Versorgung
mit medizinischen Gütern, psychologischer Betreuung und Lebensmitteln sowie der
Zugang zu Rechtsberatung müssen stets sichergestellt sein. Hilfs- und
Menschenrechtsorganisationen benötigen jederzeit Zugang zu den Geflüchteten und
den Grenzregionen. Der illegalen Praxis von Pushbacks muss entschieden begegnet
werden. Wir fordern die Europäische Kommission auf, gegenüber Mitgliedstaaten
einzuschreiten, die diese rechtswidrige Praxis anwenden. Gleichzeitig muss ein
wirksames, unabhängiges Menschenrechtsmonitoring dazu beitragen, dass
rechtsfreie Räume an den Grenzen in Europa der Vergangenheit angehören. Die
umfassende parlamentarische Kontrolle der EU-Agenturen und der
Finanzierungsinstrumente für die externe Migrationspolitik müssen sichergestellt
sein.
Wir wollen die europäische Seenotrettung stärken und das Sterben im Mittelmeer
beenden. Jedes Jahr sterben Hunderte Menschen beim Versuch, das Mittelmeer zu
überqueren. Dieser Zustand ist nicht hinnehmbar. Seenotrettung ist eine
völkerrechtliche Pflicht. Wir treten weiter für eine zivile, flächendeckende und
europäische Seenotrettung ein. Die europäischen Staaten sind gemeinsam dafür
verantwortlich, dass zivile Seenotrettungsorganisationen gefahrlos ihre Einsätze
absolvieren können. Durch die Behinderung ihrer Arbeit, lange Fahrtwege und
Spendeneinbrüche stehen die Seenotrettungsorganisationen auch finanziell unter
Druck. Deswegen treten wir – neben unserem Einsatz für die Organisation einer
staatlichen Seenotrettung – für die Verbesserung der staatlichen Unterstützung
ziviler Organisationen ein. Rettungsschiffe müssen die Gelegenheit haben, den
nächstgelegenen sicheren Hafen anzulaufen, damit die Menschen an Land gehen und
versorgt werden können. Ein Auslaufen von Rettungsschiffen darf nicht verhindert
und Seenotrettung nicht kriminalisiert werden. Die von Seenotrettungsschiffen
aufgenommenen Menschen müssen die Möglichkeit auf eine faire Überprüfung ihres
Schutzanliegens haben.
Fluchtursachen bekämpfen
Kernaufgabe bleibt es, die Ursachen für Flucht und Vertreibung anzugehen. Wir
verfolgen eine Außenpolitik, die Diplomatie und Prävention von Konflikten in den
Mittelpunkt stellt. Wir orientieren uns an den Bedürfnissen von Menschen, die
wegen Konflikten oder Verfolgung ihre Heimat verlassen müssen. Die meisten von
ihnen suchen Schutz in ihrem eigenen Land oder in Nachbarstaaten. Hier muss
Europa handeln. Eine effektive und gut ausgestattete humanitäre Hilfe,
Krisenprävention und Stabilisierung sind ebenso ein Schlüsselfaktor wie
Entwicklungszusammenarbeit und die geregelte Aufnahme der verletzlichsten
Gruppen. So können wir verhindern, dass Menschen sich auf gefährliche
Fluchtrouten und in die Hände von Menschenschmugglern begeben müssen.
Eine nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit kann einen Beitrag dazu leisten,
Gesellschaften zu stabilisieren und Menschen eine wirtschaftliche und soziale
Perspektive in ihrer Heimat zu geben. Sie an die Kooperation bei
Migrationsfragen zu knüpfen, wie es Markus Söder fordert, schafft eher
Fluchtgründe. Wir lehnen dies ab.
Von Zeile 161 bis 169:
In der Einigung im Innenministerrat gibt es Verbesserungen, die ohne deutschen Einsatz in den Verhandlungen nicht zustande gekommen wären, zum Beispiel, dass allein reisende Kinder von den Grenzverfahren ausgeschlossen sein sollen, oder die Verankerung des Zugangs zu unabhängiger Rechtsberatung. Zudem soll künftig ein Solidaritätsmechanismus greifen, der Fortschritte bei der Verteilung von Geflüchteten bringt. Gleichzeitig konnten zentrale Punkte nicht erreicht werden. Denn obwohl die Verschärfung von Grenzverfahren, die wir kritisch sehen, geeint wurde, gibt es keinen verpflichtenden Verteilmechanismus und keine grundsätzliche Ausnahme für Familien mit Kindern in diesen Grenzverfahren.unseren Einsatz in den Verhandlungen nicht zustande gekommen wären, zum Beispiel, dass unbegleitete Minderjährige von den Grenzverfahren ausgeschlossen werden müssen oder die Verbesserung des Zugangs zu Rechtsberatung. Außerdem muss es weiterhin eine Verbindung zu einem sicheren Drittstaat geben, für die nach einem Jahr eine Überprüfungsklausel verabredet wurde. Antragssteller*innen dürfen demnach nur in einen Drittstaat überstellt werden, wenn sie beispielsweise dort bereits gelebt oder Familie haben.
Erstmals soll es jetzt in der EU einen verbindlichen Solidaritätsmechanismus geben und Geflüchtete sollen verbindlicher registriert werden. Zwar ist die Aufnahme von Geflüchteten nicht verpflichtend, die Teilnahme an dem Mechanismus dagegen schon. In Zukunft sollen jedes Jahr mindestens 30.000 Geflüchtete umverteilt werden, abgesichert über sogenannte “Dublin-Offsets“. Darüber hinaus werden wir weiterhin dafür eintreten, dass es eine verbindlichere Verteilung gibt. Wir treten dafür ein, dass Deutschland mit gutem Beispiel vorangeht und mindestens seinen Beitrag im Sinne des „Fair Share“ leistet.Gleichzeitig konnten zentrale Punkte noch nicht erreicht werden, wie zum Beispiel eine grundsätzliche Ausnahme für Familien mit Kindern in Grenzverfahren. Trotzdem haben wir verteidigen können, dass die Freiheit von Kindern nur in sehr eng definierten Ausnahmefällen beschränkt werden darf. Zudem kommen Verschärfungen der aktuellen Rechtslage hinzu. Die Dublinfristen wurden verlängert, auch wenn der Verhandlungsstand auf Druck der Grenzstaaten und mit deutscher Unterstützung noch einmal verbessert wurde. Daneben müssen Antragsteller*innen nach der Ablehnung in Grenzverfahren verpflichtend bis zu 12 Wochen in ein Rückführungsgrenzverfahren kommen. Obwohl verhindert werden konnte, dass Mitgliedstaaten Menschen aus Staaten mit einer hohen Anerkennungsquote pauschal in Grenzverfahren nehmen müssen, schmerzt uns die Tatsache, dass die Drittstaatenregelung ausgeweitet wurde - dadurch kann sich die Situation auch für sie verschlechtern, weil ihre Anträge als unzulässig abgelehnt werden können.
Migration ist eine Konstante menschlicher Gesellschaften. Sie ist und war stets
Triebfeder für Entwicklung und globale Zusammenarbeit, genauso Quelle von
Austausch und Innovation, aber auch von Leid und Verlust. Ob sie freiwillig
geschieht oder erzwungen wird, aus Furcht um das eigene Leben geschieht oder auf
der Suche nach einer guten Zukunft – sie ist eine Gestaltungsaufgabe für die
Politik. Sie bietet Chancen und bringt Herausforderungen mit sich. Wir stellen
uns dieser Aufgabe. Wir buchstabieren aus, wie wir die Lage von Migrant*innen
und Geflüchteten verbessern und die aufnehmenden Städte und Kommunen
wirkungsvoll entlasten können.
Aktuell sind wir in unserer unmittelbaren Nachbarschaft mit der größten
Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert: Der völkerrechtswidrige
Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat Millionen Menschen aus ihrer Heimat
vertrieben. Viele Menschen haben Zuflucht auch in Deutschland gefunden.
Gleichzeitig kommen auch wieder viele Menschen aus anderen Ländern nach Europa
und suchen Schutz vor Verfolgung und Krieg, die größten Gruppen aus Syrien und
Afghanistan.
Bund, Länder und Kommunen – nicht zuletzt aber auch unzählige Freiwillige –
haben in einem gemeinsamen Kraftakt geflüchtete Menschen aufgenommen und
versorgt. Allen, die mit großem persönlichen Einsatz zum Gelingen dieser
riesigen Herausforderung beigetragen haben, danken wir. Unsere Aufgabe ist es
nun, langfristige und zuverlässige Lösungen zu finden. In vielen Städten und
Kommunen ist Wohnraum knapp, Lehrkräfte und Kinderbetreuungsplätze fehlen oder
die Mitarbeitenden in den Behörden sind überlastet. Wir wollen diesen
Herausforderungen mit wirksamen Ansätzen begegnen.
Entlastungen vor Ort schaffen, Integration fördern
Kommunen und Städte tragen die größte Verantwortung bei der Versorgung und
Unterbringung geflüchteter Menschen. Hier findet Integration konkret statt. Hier
entscheidet sich die Erlebbarkeit, dass diese Aufgabe leistbar ist. Wir stehen
bei der Bewältigung der Aufgaben für eine faire Lastenverteilung zwischen Bund,
Ländern und Kommunen. Dabei ist für uns zentral, dass die Kommunen
Planungssicherheit haben. Wir wollen, dass der Bund sich zuverlässig und
solidarisch an der Finanzierung beteiligt. Daher braucht es langfristige
Finanzzusagen. Das gilt insbesondere für die Kosten der Integrationsmaßnahmen
und der Unterbringung. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Mittel auch
dort ankommen, wo sie benötigt werden – nämlich vordringlich in den besonders
belasteten Kommunen und Städten. Es muss dafür Sorge getragen werden, dass
dauerhaft Unterbringungsplätze vorgehalten werden, um bei Bedarf handlungsfähig
zu sein, denn Gründe für Flucht werden uns auch in der Zukunft dauerhaft
begleiten. Kurzfristig muss der Bund den Kommunen wo möglich unter die Arme
greifen, indem er Liegenschaften des Bundes zur Verfügung stellt. Dabei legen
wir den Schwerpunkt auf kleinere und dezentrale Unterkünfte, in denen Teilhabe
und Integration besser möglich ist. Menschen, die bereits Familienangehörige
oder andere Anknüpfungspunkte haben, sollen bei ihnen oder in deren Nähe
unterkommen können. Hierfür bedarf es gesetzlicher Änderungen. Damit entlasten
wir den Wohnungsmarkt und fördern die Integration von Beginn an.
Für uns steht eine echte Integrationsoffensive im Zentrum unseres politischen
Handelns. Wir investieren in Teilhabe und gesellschaftlichen Zusammenhalt und
stellen dadurch sicher, dass Migrant*innen sich schnell bei uns einleben und
Geflüchtete schnell Teil der Gesellschaft werden. Für einen schnellen Zugang zu
Integrations- und Sprachkursen müssen diese flächendeckend angeboten werden
können. Wir nehmen die besonderen Anforderungen etwa an Integrationskurse in den
Blick, indem wir beispielsweise Kinderbetreuung anbieten und damit auch
betreuenden Eltern die Teilnahme ermöglichen. Erst-Orientierungskurse müssen in
ausreichender Zahl angeboten werden. Den wachsenden Bedarf an Schul- und
Kitaplätzen zu decken, ist eine große Aufgabe für alle politischen Ebenen. Wir
wollen an einer guten Ausstattung mit Lehrer*innen und Assistenzkräften, die als
Sprach- und Integrationsmittler*innen unterstützen, arbeiten. Mit dem Kita-
Qualitätsgesetz unterstützen wir seitens des Bundes die Kommunen. Einen
frühzeitigen Zugang zum Gesundheitswesen wollen wir unbürokratisch
gewährleisten. Solange dies noch nicht erfolgt ist, könnte zunächst an die
positiven Erfahrungen einiger Länder angeknüpft werden, die eine
Gesundheitskarte für Asylbewerber*innen eingeführt haben. So entlasten wir die
Behörden und stärken die medizinische sowie psychotherapeutische Versorgung. All
das kostet Geld, doch dieses Geld ist gut investiert und trägt dazu bei, dass
Geflüchtete kürzer auf Sozialleistungen angewiesen sind und schneller
erfolgreich am Arbeitsmarkt teilhaben können.
Moderne Strukturen für ein modernes Einwanderungsland und einen zukunftsfesten
Arbeitsmarkt
Deutschland ist ein Einwanderungsland und sucht händeringend nach Fach- und
Arbeitskräften. Egal ob in der Industrie, der Wissenschaft, im Gesundheitswesen
oder der Gastronomie. Wir ermöglichen Zuwanderung gerade in diesen Branchen und
stärken so unseren Wirtschaftsstandort. Gleichzeitig wollen die meisten
Geflüchteten arbeiten, dürfen es aber nicht. Das wollen wir ändern. Für die
Wahrung unseres Wohlstands und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft,
gerade auch der vielen mittelständischen Unternehmen in Deutschland, liegt hier
erhebliches Potenzial, das wir heben wollen und müssen. Hinzu kommt: Ein
frühzeitiger Zugang zum Arbeitsmarkt sichert Teilhabe, fördert Integration und
sorgt dafür, dass Menschen einen eigenen Beitrag zur Deckung ihrer
Lebenshaltungskosten leisten können. Deshalb wollen wir Arbeitsverbote aufheben.
Verfahren zur Anerkennung von Berufsabschlüssen und beruflichen Erfahrungen
wollen wir vereinfachen und beschleunigen, Unterstützungs- und
Qualifizierungsangebote ausweiten. Den sogenannten Spurwechsel in die
Arbeitsmigration wollen wir vereinfachen. Das neu eingeführte Chancen-
Aufenthaltsgesetz ist beispielgebend, weitere Reformen müssen folgen. Mit der
Novelle des Staatsangehörigkeitsgesetzes sowie dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz
gehen wir in der Bundesregierung weitere bedeutende Schritte.
Eine wichtige Ressource zur Entlastung der Verwaltung liegt in der Vereinfachung
von Verfahren. Indem wir sie modernisieren, entbürokratisieren, digitalisieren
und zwischen Bundesländern angleichen, sparen wir unnötige Arbeit ein und
schaffen dadurch zusätzliche Kapazitäten. Gleichzeitig helfen wir den
Schutzsuchenden: Sie bekommen schnell Gewissheit. Ein wichtiger Schlüssel dafür
liegt in der Verlängerung der Geltungsdauer für Visa zur Erwerbs- und
Bildungsmigration sowie der Dauer von Aufenthaltserlaubnissen. Darüber hinaus
müssen die Einwanderungs- und Ausländerbehörden sowie andere
Verfahrensbeteiligte, z.B. Verwaltungsgerichte, personell besser aufgestellt und
mit zusätzlichen Mittel ausgestattet werden.
Sichere Wege für Flucht und Migration schaffen
Wir wollen sichere und legale Wege zur Arbeitsmigration und Flucht stärken. Wir
setzen deshalb auf partnerschaftliche Mobilitäts- und Migrationsabkommen mit
Staaten außerhalb der EU, die vor allem Wege zur Bildungs- und Arbeitsmigration
eröffnen. Dafür werden wir auch die gesetzlichen Grundlagen der Visavergabe
modernisieren und vereinfachen. Das schafft Planbarkeit – für die Betroffenen
ebenso wie für die Kommunen, ihre Behörden und die Menschen vor Ort.
Den Familiennachzug wollen wir stärken, vereinfachen und beschleunigen. Damit
tragen wir dem im Grundgesetz verankerten besonderen Schutz der Familie Rechnung
und fördern durch stabile Familienverhältnisse die Integration. Unserer
besonderen Verantwortung gegenüber ehemaligen Ortskräften sowie besonders
gefährdeten Afghan*innen und ihren Familien werden wir durch humanitäre Aufnahme
und konsequente Umsetzung des Bundesaufnahmeprogramms gerecht. Sie sind auf
Grund ihrer Arbeit etwa für die Bundeswehr, internationale Organisationen oder
ihres Einsatz für Menschenrechte in Gefahr. Es ist am Bundesinnenministerium
dafür zu sorgen, dass die Sicherheitsinterviews nun aufgesetzt werden, damit das
Bundesaufnahmeprogramm schnellstmöglich wieder aufgenommen wird.
Wir setzen auf eine Politik der Humanität und Ordnung. Mit tragfähigen
Migrationsabkommen, die legale Wege der Zuwanderung aufzeigen, soll auch die
Rücknahmebereitschaft in den Herkunftsländern erhöht werden. Denn nicht jeder
Mensch, der zu uns kommt, kann bleiben. Aber jeder Mensch, der bei uns Schutz
sucht, hat Anrecht auf ein rechtsstaatliches Verfahren mit individueller
Prüfung. Wer nach sorgfältiger Prüfung der asyl- und aufenthaltsrechtlichen
Voraussetzungen sowie nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel kein Aufenthaltsrecht
erhalten hat, muss zügig wieder ausreisen – sofern dem keine
Abschiebehindernisse entgegenstehen. Dabei setzen wir vorrangig auf die
freiwillige Rückkehr. Eine unverhältnismäßige Verschärfung von Abschiebe- und
Abschiebehaftregeln lehnen wir ab. Der fortlaufenden Unsicherheit und
Perspektivlosigkeit durch Kettenduldungen stellen wir uns entgegen. Menschen,
die bereits in der Gesellschaft verwurzelt sind, müssen eine Chance auf ein
dauerhaftes Bleiberecht bekommen.
Das Konzept der sicheren Herkunftssaaten finden wir falsch, denn es löst keine
Probleme. Was hilft, ist alle Asylverfahren zu beschleunigen und die Qualität
der Entscheidungen zu verbessern. Staaten, die den EU-Beitrittskandidatenstatus
erhalten haben und deutliche Fortschritte bei Menschenrechten und
Rechtsstaatlichkeit machen, können besonders betrachtet werden. Wir werden nicht
mitmachen, wenn Staaten, die systematisch Menschenrechtsverletzungen begehen,
als sicher eingestuft werden sollen. Die Einstufung der Maghreb-Staaten als
sichere Herkunftsstaaten lehnen wir ab.
Den Rufen nach einer stetigen Ausweitung von stationären Kontrollen an den
Binnengrenzen stellen wir uns entschieden entgegen. Sie stehen dem Schengener
Abkommen entgegen. Ein Europa ohne Schlagbäume ist ein wesentlicher Grundpfeiler
der europäischen Idee. Binnengrenzkontrollen behindern die Freizügigkeit und
verursachen enorme wirtschaftliche Schäden. Gerade für die Menschen in den
Grenzregionen stellen die Kontrollen und damit verbundenen Staus eine enorme
Belastung dar, ebenso wie für die eingesetzten Polizist*innen. Gleichzeitig sind
sie völlig ungeeignet, die Zahl der Asylanträge zu reduzieren, da Schutzsuchende
nicht zurückgewiesen werden dürfen.
Ein starkes Europa der Menschenrechte
Gemeinsam stehen wir für den Schutz von Menschenrechten, eine rechtebasierte und
lösungsorientierte Flüchtlingspolitik und eine handlungsfähige Europäische
Union. Wir stehen zu unseren völkerrechtlichen Verpflichtungen wie der Genfer
Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention, der UN-
Kinderrechtskonvention und dem internationalen Seerecht. Wir stehen für eine
individuelle und inhaltliche Prüfung des Rechts auf Asyl in der EU. Wir stellen
uns entschieden Versuchen entgegen, diese historischen Errungenschaften zu
beschneiden.
Die derzeitige Lage an den europäischen Außengrenzen ist unhaltbar. Dabei kann
es nicht bleiben. Deshalb waren wir im Europäischen Rat zuletzt auch zu sehr
schwierigen Verhandlungen rund um eine Reform des Gemeinsamen Europäischen
Asylsystems (GEAS) bereit – in einem sehr komplexen Umfeld mit weit
auseinandergehenden und größtenteils restriktiven Positionen zwischen den
verschiedenen EU-Mitgliedstaaten. Wir haben gemeinsam für eine Lösung in dieser
schwierigen Situation gekämpft, um Humanität und Ordnung zu erreichen.
In der Einigung im Innenministerrat gibt es Verbesserungen, die ohne deutschen unseren Einsatz in den Verhandlungen nicht zustande gekommen wären, zum Beispiel, dass unbegleitete Minderjährige von den Grenzverfahren ausgeschlossen werden müssen oder die Verbesserung des Zugangs zu Rechtsberatung. Außerdem muss es weiterhin eine Verbindung zu einem sicheren Drittstaat geben, für die nach einem Jahr eine Überprüfungsklausel verabredet wurde. Antragssteller*innen dürfen demnach nur in einen Drittstaat überstellt werden, wenn sie beispielsweise dort bereits gelebt oder Familie haben.
Einsatz in den Verhandlungen nicht zustande gekommen wären, zum Beispiel, dass
allein reisende Kinder von den Grenzverfahren ausgeschlossen sein sollen, oder
die Verankerung des Zugangs zu unabhängiger Rechtsberatung. Zudem soll künftig
ein Solidaritätsmechanismus greifen, der Fortschritte bei der Verteilung von
Geflüchteten bringt. Gleichzeitig konnten zentrale Punkte nicht erreicht werden.
Denn obwohl die Verschärfung von Grenzverfahren, die wir kritisch sehen, geeint
wurde, gibt es keinen verpflichtenden Verteilmechanismus und keine
grundsätzliche Ausnahme für Familien mit Kindern in diesen Grenzverfahren.
Erstmals soll es jetzt in der EU einen verbindlichen Solidaritätsmechanismus geben und Geflüchtete sollen verbindlicher registriert werden. Zwar ist die Aufnahme von Geflüchteten nicht verpflichtend, die Teilnahme an dem Mechanismus dagegen schon. In Zukunft sollen jedes Jahr mindestens 30.000 Geflüchtete umverteilt werden, abgesichert über sogenannte “Dublin-Offsets“. Darüber hinaus werden wir weiterhin dafür eintreten, dass es eine verbindlichere Verteilung gibt. Wir treten dafür ein, dass Deutschland mit gutem Beispiel vorangeht und mindestens seinen Beitrag im Sinne des „Fair Share“ leistet.Gleichzeitig konnten zentrale Punkte noch nicht erreicht werden, wie zum Beispiel eine grundsätzliche Ausnahme für Familien mit Kindern in Grenzverfahren. Trotzdem haben wir verteidigen können, dass die Freiheit von Kindern nur in sehr eng definierten Ausnahmefällen beschränkt werden darf. Zudem kommen Verschärfungen der aktuellen Rechtslage hinzu. Die Dublinfristen wurden verlängert, auch wenn der Verhandlungsstand auf Druck der Grenzstaaten und mit deutscher Unterstützung noch einmal verbessert wurde. Daneben müssen Antragsteller*innen nach der Ablehnung in Grenzverfahren verpflichtend bis zu 12 Wochen in ein Rückführungsgrenzverfahren kommen. Obwohl verhindert werden konnte, dass Mitgliedstaaten Menschen aus Staaten mit einer hohen Anerkennungsquote pauschal in Grenzverfahren nehmen müssen, schmerzt uns die Tatsache, dass die Drittstaatenregelung ausgeweitet wurde - dadurch kann sich die Situation auch für sie verschlechtern, weil ihre Anträge als unzulässig abgelehnt werden können.
Es handelt sich deshalb sicher nicht um einen „historischen Erfolg“, wie es etwa
Bundesinnenministerin Nancy Faeser formuliert hat. Zugleich erkennen wir an,
dass der Beschluss ohne deutschen Einsatz in den Verhandlungen ein schlechterer
gewesen wäre. Die erzielte Einigung kann zentrale Anforderungen nicht erfüllen,
die wir an eine Asylpolitik der Humanität und Ordnung stellen – gerade weil sie
im EU-Kontext weitestgehend restriktiverer Mitgliedstaaten nicht durchsetzbar
waren. Das vorliegende Ergebnis ist von den Positionen unserer Partei weit
entfernt. Gleichzeitig sehen wir das europapolitische Dilemma. In der
Gesamtschau bewerten wir das Ergebnis unterschiedlich. Wir zollen unseren
jeweiligen Meinungen großen Respekt und stehen fest zusammen beim gemeinsamen
Vorhaben, weiterhin mit aller Kraft für eine Verbesserung der Situation für
Schutzsuchende um und in Europa zu kämpfen. Denn klar ist: Die Situation der
Menschen, die in Europa Schutz suchen, muss deutlich besser werden.
Im weiteren Verfahren im Trilog zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und
der Kommission setzen wir uns daher für Verbesserungen ein, etwa für den
besseren Schutz von Familien mit Kindern und verpflichtende Verteilung.
Geordnete Verfahren und europäische Solidarität verteidigen
Eine faire und gesteuerte Verteilung kann nur gelingen, wenn Menschen
zuverlässig bei der Einreise registriert werden. Wir müssen wissen, wer zu uns
kommt. Damit verhindern wir auch, dass Menschen ausgebeutet und entrechtet
werden. Eine Verteilung von Geflüchteten kann nur funktionieren, wenn sich
einzelne Mitgliedstaaten nicht einfach entziehen können. Dazu gehört auch, dass
Verfahren fair und zügig durchgeführt, menschenrechtskonforme Lebensbedingungen
sichergestellt und unkontrollierten Weiterreisen in andere europäische Länder
vorgebeugt werden. Alle Mitgliedsstaaten müssen ihren fairen Beitrag leisten.
Geld- und Sachleistungen an Drittstaaten sind dabei keine Kompensation.
Mitgliedsstaaten, die in besonderem Maße Geflüchtete aufnehmen, müssen gestärkt,
aber auch für ihre Verantwortung in die Pflicht genommen werden. Dazu zählt,
dass sie finanziell entlastet werden. Die Finanzierung der libyschen
Küstenwache, die sich an Menschenrechtsverstößen und an Schlepperei beteiligt,
muss ein Ende finden.
Das Konzept der sicheren Drittstaaten finden wir weiterhin falsch. Menschen, die
über einen Drittstaat in die EU einreisen, dürfen nicht einfach zurückgeführt
werden – gerade wenn sie keine klare Verbindung, etwa berufliche oder familiäre
Bezüge, zu diesem Land haben und nicht sichergestellt werden kann, dass sie dort
in Sicherheit sind. Die Verankerung eines Verbindungselements ist daher von
großer Bedeutung. Die rechtliche Ausgestaltung muss so erfolgen, dass die
Regelung auch in der Praxis wirksam ist.
Das Leid an den Außengrenzen beenden, Seenotrettung sichern
Die aktuelle Situation an den Außengrenzen ist nicht akzeptabel. Unser Ziel ist
es daher, das Leid schnellstmöglich zu beenden. Wir nehmen nicht hin, dass
Menschen und insbesondere Kinder unter menschenunwürdigen Bedingungen in Lagern
verharren und keinen Zugang zu rechtsstaatlichen Verfahren haben. Die Versorgung
mit medizinischen Gütern, psychologischer Betreuung und Lebensmitteln sowie der
Zugang zu Rechtsberatung müssen stets sichergestellt sein. Hilfs- und
Menschenrechtsorganisationen benötigen jederzeit Zugang zu den Geflüchteten und
den Grenzregionen. Der illegalen Praxis von Pushbacks muss entschieden begegnet
werden. Wir fordern die Europäische Kommission auf, gegenüber Mitgliedstaaten
einzuschreiten, die diese rechtswidrige Praxis anwenden. Gleichzeitig muss ein
wirksames, unabhängiges Menschenrechtsmonitoring dazu beitragen, dass
rechtsfreie Räume an den Grenzen in Europa der Vergangenheit angehören. Die
umfassende parlamentarische Kontrolle der EU-Agenturen und der
Finanzierungsinstrumente für die externe Migrationspolitik müssen sichergestellt
sein.
Wir wollen die europäische Seenotrettung stärken und das Sterben im Mittelmeer
beenden. Jedes Jahr sterben Hunderte Menschen beim Versuch, das Mittelmeer zu
überqueren. Dieser Zustand ist nicht hinnehmbar. Seenotrettung ist eine
völkerrechtliche Pflicht. Wir treten weiter für eine zivile, flächendeckende und
europäische Seenotrettung ein. Die europäischen Staaten sind gemeinsam dafür
verantwortlich, dass zivile Seenotrettungsorganisationen gefahrlos ihre Einsätze
absolvieren können. Durch die Behinderung ihrer Arbeit, lange Fahrtwege und
Spendeneinbrüche stehen die Seenotrettungsorganisationen auch finanziell unter
Druck. Deswegen treten wir – neben unserem Einsatz für die Organisation einer
staatlichen Seenotrettung – für die Verbesserung der staatlichen Unterstützung
ziviler Organisationen ein. Rettungsschiffe müssen die Gelegenheit haben, den
nächstgelegenen sicheren Hafen anzulaufen, damit die Menschen an Land gehen und
versorgt werden können. Ein Auslaufen von Rettungsschiffen darf nicht verhindert
und Seenotrettung nicht kriminalisiert werden. Die von Seenotrettungsschiffen
aufgenommenen Menschen müssen die Möglichkeit auf eine faire Überprüfung ihres
Schutzanliegens haben.
Fluchtursachen bekämpfen
Kernaufgabe bleibt es, die Ursachen für Flucht und Vertreibung anzugehen. Wir
verfolgen eine Außenpolitik, die Diplomatie und Prävention von Konflikten in den
Mittelpunkt stellt. Wir orientieren uns an den Bedürfnissen von Menschen, die
wegen Konflikten oder Verfolgung ihre Heimat verlassen müssen. Die meisten von
ihnen suchen Schutz in ihrem eigenen Land oder in Nachbarstaaten. Hier muss
Europa handeln. Eine effektive und gut ausgestattete humanitäre Hilfe,
Krisenprävention und Stabilisierung sind ebenso ein Schlüsselfaktor wie
Entwicklungszusammenarbeit und die geregelte Aufnahme der verletzlichsten
Gruppen. So können wir verhindern, dass Menschen sich auf gefährliche
Fluchtrouten und in die Hände von Menschenschmugglern begeben müssen.
Eine nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit kann einen Beitrag dazu leisten,
Gesellschaften zu stabilisieren und Menschen eine wirtschaftliche und soziale
Perspektive in ihrer Heimat zu geben. Sie an die Kooperation bei
Migrationsfragen zu knüpfen, wie es Markus Söder fordert, schafft eher
Fluchtgründe. Wir lehnen dies ab.
Antragstext
Von Zeile 161 bis 169:
In der Einigung im Innenministerrat gibt es Verbesserungen, die ohne deutschen Einsatz in den Verhandlungen nicht zustande gekommen wären, zum Beispiel, dass allein reisende Kinder von den Grenzverfahren ausgeschlossen sein sollen, oder die Verankerung des Zugangs zu unabhängiger Rechtsberatung. Zudem soll künftig ein Solidaritätsmechanismus greifen, der Fortschritte bei der Verteilung von Geflüchteten bringt. Gleichzeitig konnten zentrale Punkte nicht erreicht werden. Denn obwohl die Verschärfung von Grenzverfahren, die wir kritisch sehen, geeint wurde, gibt es keinen verpflichtenden Verteilmechanismus und keine grundsätzliche Ausnahme für Familien mit Kindern in diesen Grenzverfahren.
Die im Innenministerrat beschlossene Einigung hätte eine massive Asylrechtsverschärfung zur Folge. Eine Umsetzung würde eine weitere Verschlechterung der humanitären Lage und Entrechtung der Menschen bedeuten. Zwar konnten durch den deutschen Einsatz in den Verhandlungen weitere Verschlechterungen verhindert werden, zum Beispiel, dass nun zumindest allein reisende Kinder von den Grenzverfahren ausgeschlossen sein sollen und eine Verbesserung der Rechtsberatung.
Eine wirkliche Verbesserung des Asylsystems wurde nicht erreicht: Weder eine solidarische, verpflichtende Verteilung von Geflüchteten, noch die grundsätzliche Ausnahme von Kindern aus Grenzverfahren - die wir grundsätzlich für unmenschlich halten und ablehnen - wurden erreicht. Durch die getroffenen Einigung droht, dass ein Großteil der Schutzsuchenden in menschenunwürdige Lager durch das Außengrenzverfahren kommen - selbst Menschen die aus Syrien oder Afghanistan, die vor enormer Gewalt und Krieg geflohen sind
Migration ist eine Konstante menschlicher Gesellschaften. Sie ist und war stets
Triebfeder für Entwicklung und globale Zusammenarbeit, genauso Quelle von
Austausch und Innovation, aber auch von Leid und Verlust. Ob sie freiwillig
geschieht oder erzwungen wird, aus Furcht um das eigene Leben geschieht oder auf
der Suche nach einer guten Zukunft – sie ist eine Gestaltungsaufgabe für die
Politik. Sie bietet Chancen und bringt Herausforderungen mit sich. Wir stellen
uns dieser Aufgabe. Wir buchstabieren aus, wie wir die Lage von Migrant*innen
und Geflüchteten verbessern und die aufnehmenden Städte und Kommunen
wirkungsvoll entlasten können.
Aktuell sind wir in unserer unmittelbaren Nachbarschaft mit der größten
Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert: Der völkerrechtswidrige
Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat Millionen Menschen aus ihrer Heimat
vertrieben. Viele Menschen haben Zuflucht auch in Deutschland gefunden.
Gleichzeitig kommen auch wieder viele Menschen aus anderen Ländern nach Europa
und suchen Schutz vor Verfolgung und Krieg, die größten Gruppen aus Syrien und
Afghanistan.
Bund, Länder und Kommunen – nicht zuletzt aber auch unzählige Freiwillige –
haben in einem gemeinsamen Kraftakt geflüchtete Menschen aufgenommen und
versorgt. Allen, die mit großem persönlichen Einsatz zum Gelingen dieser
riesigen Herausforderung beigetragen haben, danken wir. Unsere Aufgabe ist es
nun, langfristige und zuverlässige Lösungen zu finden. In vielen Städten und
Kommunen ist Wohnraum knapp, Lehrkräfte und Kinderbetreuungsplätze fehlen oder
die Mitarbeitenden in den Behörden sind überlastet. Wir wollen diesen
Herausforderungen mit wirksamen Ansätzen begegnen.
Entlastungen vor Ort schaffen, Integration fördern
Kommunen und Städte tragen die größte Verantwortung bei der Versorgung und
Unterbringung geflüchteter Menschen. Hier findet Integration konkret statt. Hier
entscheidet sich die Erlebbarkeit, dass diese Aufgabe leistbar ist. Wir stehen
bei der Bewältigung der Aufgaben für eine faire Lastenverteilung zwischen Bund,
Ländern und Kommunen. Dabei ist für uns zentral, dass die Kommunen
Planungssicherheit haben. Wir wollen, dass der Bund sich zuverlässig und
solidarisch an der Finanzierung beteiligt. Daher braucht es langfristige
Finanzzusagen. Das gilt insbesondere für die Kosten der Integrationsmaßnahmen
und der Unterbringung. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Mittel auch
dort ankommen, wo sie benötigt werden – nämlich vordringlich in den besonders
belasteten Kommunen und Städten. Es muss dafür Sorge getragen werden, dass
dauerhaft Unterbringungsplätze vorgehalten werden, um bei Bedarf handlungsfähig
zu sein, denn Gründe für Flucht werden uns auch in der Zukunft dauerhaft
begleiten. Kurzfristig muss der Bund den Kommunen wo möglich unter die Arme
greifen, indem er Liegenschaften des Bundes zur Verfügung stellt. Dabei legen
wir den Schwerpunkt auf kleinere und dezentrale Unterkünfte, in denen Teilhabe
und Integration besser möglich ist. Menschen, die bereits Familienangehörige
oder andere Anknüpfungspunkte haben, sollen bei ihnen oder in deren Nähe
unterkommen können. Hierfür bedarf es gesetzlicher Änderungen. Damit entlasten
wir den Wohnungsmarkt und fördern die Integration von Beginn an.
Für uns steht eine echte Integrationsoffensive im Zentrum unseres politischen
Handelns. Wir investieren in Teilhabe und gesellschaftlichen Zusammenhalt und
stellen dadurch sicher, dass Migrant*innen sich schnell bei uns einleben und
Geflüchtete schnell Teil der Gesellschaft werden. Für einen schnellen Zugang zu
Integrations- und Sprachkursen müssen diese flächendeckend angeboten werden
können. Wir nehmen die besonderen Anforderungen etwa an Integrationskurse in den
Blick, indem wir beispielsweise Kinderbetreuung anbieten und damit auch
betreuenden Eltern die Teilnahme ermöglichen. Erst-Orientierungskurse müssen in
ausreichender Zahl angeboten werden. Den wachsenden Bedarf an Schul- und
Kitaplätzen zu decken, ist eine große Aufgabe für alle politischen Ebenen. Wir
wollen an einer guten Ausstattung mit Lehrer*innen und Assistenzkräften, die als
Sprach- und Integrationsmittler*innen unterstützen, arbeiten. Mit dem Kita-
Qualitätsgesetz unterstützen wir seitens des Bundes die Kommunen. Einen
frühzeitigen Zugang zum Gesundheitswesen wollen wir unbürokratisch
gewährleisten. Solange dies noch nicht erfolgt ist, könnte zunächst an die
positiven Erfahrungen einiger Länder angeknüpft werden, die eine
Gesundheitskarte für Asylbewerber*innen eingeführt haben. So entlasten wir die
Behörden und stärken die medizinische sowie psychotherapeutische Versorgung. All
das kostet Geld, doch dieses Geld ist gut investiert und trägt dazu bei, dass
Geflüchtete kürzer auf Sozialleistungen angewiesen sind und schneller
erfolgreich am Arbeitsmarkt teilhaben können.
Moderne Strukturen für ein modernes Einwanderungsland und einen zukunftsfesten
Arbeitsmarkt
Deutschland ist ein Einwanderungsland und sucht händeringend nach Fach- und
Arbeitskräften. Egal ob in der Industrie, der Wissenschaft, im Gesundheitswesen
oder der Gastronomie. Wir ermöglichen Zuwanderung gerade in diesen Branchen und
stärken so unseren Wirtschaftsstandort. Gleichzeitig wollen die meisten
Geflüchteten arbeiten, dürfen es aber nicht. Das wollen wir ändern. Für die
Wahrung unseres Wohlstands und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft,
gerade auch der vielen mittelständischen Unternehmen in Deutschland, liegt hier
erhebliches Potenzial, das wir heben wollen und müssen. Hinzu kommt: Ein
frühzeitiger Zugang zum Arbeitsmarkt sichert Teilhabe, fördert Integration und
sorgt dafür, dass Menschen einen eigenen Beitrag zur Deckung ihrer
Lebenshaltungskosten leisten können. Deshalb wollen wir Arbeitsverbote aufheben.
Verfahren zur Anerkennung von Berufsabschlüssen und beruflichen Erfahrungen
wollen wir vereinfachen und beschleunigen, Unterstützungs- und
Qualifizierungsangebote ausweiten. Den sogenannten Spurwechsel in die
Arbeitsmigration wollen wir vereinfachen. Das neu eingeführte Chancen-
Aufenthaltsgesetz ist beispielgebend, weitere Reformen müssen folgen. Mit der
Novelle des Staatsangehörigkeitsgesetzes sowie dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz
gehen wir in der Bundesregierung weitere bedeutende Schritte.
Eine wichtige Ressource zur Entlastung der Verwaltung liegt in der Vereinfachung
von Verfahren. Indem wir sie modernisieren, entbürokratisieren, digitalisieren
und zwischen Bundesländern angleichen, sparen wir unnötige Arbeit ein und
schaffen dadurch zusätzliche Kapazitäten. Gleichzeitig helfen wir den
Schutzsuchenden: Sie bekommen schnell Gewissheit. Ein wichtiger Schlüssel dafür
liegt in der Verlängerung der Geltungsdauer für Visa zur Erwerbs- und
Bildungsmigration sowie der Dauer von Aufenthaltserlaubnissen. Darüber hinaus
müssen die Einwanderungs- und Ausländerbehörden sowie andere
Verfahrensbeteiligte, z.B. Verwaltungsgerichte, personell besser aufgestellt und
mit zusätzlichen Mittel ausgestattet werden.
Sichere Wege für Flucht und Migration schaffen
Wir wollen sichere und legale Wege zur Arbeitsmigration und Flucht stärken. Wir
setzen deshalb auf partnerschaftliche Mobilitäts- und Migrationsabkommen mit
Staaten außerhalb der EU, die vor allem Wege zur Bildungs- und Arbeitsmigration
eröffnen. Dafür werden wir auch die gesetzlichen Grundlagen der Visavergabe
modernisieren und vereinfachen. Das schafft Planbarkeit – für die Betroffenen
ebenso wie für die Kommunen, ihre Behörden und die Menschen vor Ort.
Den Familiennachzug wollen wir stärken, vereinfachen und beschleunigen. Damit
tragen wir dem im Grundgesetz verankerten besonderen Schutz der Familie Rechnung
und fördern durch stabile Familienverhältnisse die Integration. Unserer
besonderen Verantwortung gegenüber ehemaligen Ortskräften sowie besonders
gefährdeten Afghan*innen und ihren Familien werden wir durch humanitäre Aufnahme
und konsequente Umsetzung des Bundesaufnahmeprogramms gerecht. Sie sind auf
Grund ihrer Arbeit etwa für die Bundeswehr, internationale Organisationen oder
ihres Einsatz für Menschenrechte in Gefahr. Es ist am Bundesinnenministerium
dafür zu sorgen, dass die Sicherheitsinterviews nun aufgesetzt werden, damit das
Bundesaufnahmeprogramm schnellstmöglich wieder aufgenommen wird.
Wir setzen auf eine Politik der Humanität und Ordnung. Mit tragfähigen
Migrationsabkommen, die legale Wege der Zuwanderung aufzeigen, soll auch die
Rücknahmebereitschaft in den Herkunftsländern erhöht werden. Denn nicht jeder
Mensch, der zu uns kommt, kann bleiben. Aber jeder Mensch, der bei uns Schutz
sucht, hat Anrecht auf ein rechtsstaatliches Verfahren mit individueller
Prüfung. Wer nach sorgfältiger Prüfung der asyl- und aufenthaltsrechtlichen
Voraussetzungen sowie nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel kein Aufenthaltsrecht
erhalten hat, muss zügig wieder ausreisen – sofern dem keine
Abschiebehindernisse entgegenstehen. Dabei setzen wir vorrangig auf die
freiwillige Rückkehr. Eine unverhältnismäßige Verschärfung von Abschiebe- und
Abschiebehaftregeln lehnen wir ab. Der fortlaufenden Unsicherheit und
Perspektivlosigkeit durch Kettenduldungen stellen wir uns entgegen. Menschen,
die bereits in der Gesellschaft verwurzelt sind, müssen eine Chance auf ein
dauerhaftes Bleiberecht bekommen.
Das Konzept der sicheren Herkunftssaaten finden wir falsch, denn es löst keine
Probleme. Was hilft, ist alle Asylverfahren zu beschleunigen und die Qualität
der Entscheidungen zu verbessern. Staaten, die den EU-Beitrittskandidatenstatus
erhalten haben und deutliche Fortschritte bei Menschenrechten und
Rechtsstaatlichkeit machen, können besonders betrachtet werden. Wir werden nicht
mitmachen, wenn Staaten, die systematisch Menschenrechtsverletzungen begehen,
als sicher eingestuft werden sollen. Die Einstufung der Maghreb-Staaten als
sichere Herkunftsstaaten lehnen wir ab.
Den Rufen nach einer stetigen Ausweitung von stationären Kontrollen an den
Binnengrenzen stellen wir uns entschieden entgegen. Sie stehen dem Schengener
Abkommen entgegen. Ein Europa ohne Schlagbäume ist ein wesentlicher Grundpfeiler
der europäischen Idee. Binnengrenzkontrollen behindern die Freizügigkeit und
verursachen enorme wirtschaftliche Schäden. Gerade für die Menschen in den
Grenzregionen stellen die Kontrollen und damit verbundenen Staus eine enorme
Belastung dar, ebenso wie für die eingesetzten Polizist*innen. Gleichzeitig sind
sie völlig ungeeignet, die Zahl der Asylanträge zu reduzieren, da Schutzsuchende
nicht zurückgewiesen werden dürfen.
Ein starkes Europa der Menschenrechte
Gemeinsam stehen wir für den Schutz von Menschenrechten, eine rechtebasierte und
lösungsorientierte Flüchtlingspolitik und eine handlungsfähige Europäische
Union. Wir stehen zu unseren völkerrechtlichen Verpflichtungen wie der Genfer
Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention, der UN-
Kinderrechtskonvention und dem internationalen Seerecht. Wir stehen für eine
individuelle und inhaltliche Prüfung des Rechts auf Asyl in der EU. Wir stellen
uns entschieden Versuchen entgegen, diese historischen Errungenschaften zu
beschneiden.
Die derzeitige Lage an den europäischen Außengrenzen ist unhaltbar. Dabei kann
es nicht bleiben. Deshalb waren wir im Europäischen Rat zuletzt auch zu sehr
schwierigen Verhandlungen rund um eine Reform des Gemeinsamen Europäischen
Asylsystems (GEAS) bereit – in einem sehr komplexen Umfeld mit weit
auseinandergehenden und größtenteils restriktiven Positionen zwischen den
verschiedenen EU-Mitgliedstaaten. Wir haben gemeinsam für eine Lösung in dieser
schwierigen Situation gekämpft, um Humanität und Ordnung zu erreichen.
In der Einigung im Innenministerrat gibt es Verbesserungen, die ohne deutschen
Einsatz in den Verhandlungen nicht zustande gekommen wären, zum Beispiel, dass
allein reisende Kinder von den Grenzverfahren ausgeschlossen sein sollen, oder
die Verankerung des Zugangs zu unabhängiger Rechtsberatung. Zudem soll künftig
ein Solidaritätsmechanismus greifen, der Fortschritte bei der Verteilung von
Geflüchteten bringt. Gleichzeitig konnten zentrale Punkte nicht erreicht werden.
Denn obwohl die Verschärfung von Grenzverfahren, die wir kritisch sehen, geeint
wurde, gibt es keinen verpflichtenden Verteilmechanismus und keine
grundsätzliche Ausnahme für Familien mit Kindern in diesen Grenzverfahren.
Die im Innenministerrat beschlossene Einigung hätte eine massive Asylrechtsverschärfung zur Folge. Eine Umsetzung würde eine weitere Verschlechterung der humanitären Lage und Entrechtung der Menschen bedeuten. Zwar konnten durch den deutschen Einsatz in den Verhandlungen weitere Verschlechterungen verhindert werden, zum Beispiel, dass nun zumindest allein reisende Kinder von den Grenzverfahren ausgeschlossen sein sollen und eine Verbesserung der Rechtsberatung.
Eine wirkliche Verbesserung des Asylsystems wurde nicht erreicht: Weder eine solidarische, verpflichtende Verteilung von Geflüchteten, noch die grundsätzliche Ausnahme von Kindern aus Grenzverfahren - die wir grundsätzlich für unmenschlich halten und ablehnen - wurden erreicht. Durch die getroffenen Einigung droht, dass ein Großteil der Schutzsuchenden in menschenunwürdige Lager durch das Außengrenzverfahren kommen - selbst Menschen die aus Syrien oder Afghanistan, die vor enormer Gewalt und Krieg geflohen sind
Es handelt sich deshalb sicher nicht um einen „historischen Erfolg“, wie es etwa
Bundesinnenministerin Nancy Faeser formuliert hat. Zugleich erkennen wir an,
dass der Beschluss ohne deutschen Einsatz in den Verhandlungen ein schlechterer
gewesen wäre. Die erzielte Einigung kann zentrale Anforderungen nicht erfüllen,
die wir an eine Asylpolitik der Humanität und Ordnung stellen – gerade weil sie
im EU-Kontext weitestgehend restriktiverer Mitgliedstaaten nicht durchsetzbar
waren. Das vorliegende Ergebnis ist von den Positionen unserer Partei weit
entfernt. Gleichzeitig sehen wir das europapolitische Dilemma. In der
Gesamtschau bewerten wir das Ergebnis unterschiedlich. Wir zollen unseren
jeweiligen Meinungen großen Respekt und stehen fest zusammen beim gemeinsamen
Vorhaben, weiterhin mit aller Kraft für eine Verbesserung der Situation für
Schutzsuchende um und in Europa zu kämpfen. Denn klar ist: Die Situation der
Menschen, die in Europa Schutz suchen, muss deutlich besser werden.
Im weiteren Verfahren im Trilog zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und
der Kommission setzen wir uns daher für Verbesserungen ein, etwa für den
besseren Schutz von Familien mit Kindern und verpflichtende Verteilung.
Geordnete Verfahren und europäische Solidarität verteidigen
Eine faire und gesteuerte Verteilung kann nur gelingen, wenn Menschen
zuverlässig bei der Einreise registriert werden. Wir müssen wissen, wer zu uns
kommt. Damit verhindern wir auch, dass Menschen ausgebeutet und entrechtet
werden. Eine Verteilung von Geflüchteten kann nur funktionieren, wenn sich
einzelne Mitgliedstaaten nicht einfach entziehen können. Dazu gehört auch, dass
Verfahren fair und zügig durchgeführt, menschenrechtskonforme Lebensbedingungen
sichergestellt und unkontrollierten Weiterreisen in andere europäische Länder
vorgebeugt werden. Alle Mitgliedsstaaten müssen ihren fairen Beitrag leisten.
Geld- und Sachleistungen an Drittstaaten sind dabei keine Kompensation.
Mitgliedsstaaten, die in besonderem Maße Geflüchtete aufnehmen, müssen gestärkt,
aber auch für ihre Verantwortung in die Pflicht genommen werden. Dazu zählt,
dass sie finanziell entlastet werden. Die Finanzierung der libyschen
Küstenwache, die sich an Menschenrechtsverstößen und an Schlepperei beteiligt,
muss ein Ende finden.
Das Konzept der sicheren Drittstaaten finden wir weiterhin falsch. Menschen, die
über einen Drittstaat in die EU einreisen, dürfen nicht einfach zurückgeführt
werden – gerade wenn sie keine klare Verbindung, etwa berufliche oder familiäre
Bezüge, zu diesem Land haben und nicht sichergestellt werden kann, dass sie dort
in Sicherheit sind. Die Verankerung eines Verbindungselements ist daher von
großer Bedeutung. Die rechtliche Ausgestaltung muss so erfolgen, dass die
Regelung auch in der Praxis wirksam ist.
Das Leid an den Außengrenzen beenden, Seenotrettung sichern
Die aktuelle Situation an den Außengrenzen ist nicht akzeptabel. Unser Ziel ist
es daher, das Leid schnellstmöglich zu beenden. Wir nehmen nicht hin, dass
Menschen und insbesondere Kinder unter menschenunwürdigen Bedingungen in Lagern
verharren und keinen Zugang zu rechtsstaatlichen Verfahren haben. Die Versorgung
mit medizinischen Gütern, psychologischer Betreuung und Lebensmitteln sowie der
Zugang zu Rechtsberatung müssen stets sichergestellt sein. Hilfs- und
Menschenrechtsorganisationen benötigen jederzeit Zugang zu den Geflüchteten und
den Grenzregionen. Der illegalen Praxis von Pushbacks muss entschieden begegnet
werden. Wir fordern die Europäische Kommission auf, gegenüber Mitgliedstaaten
einzuschreiten, die diese rechtswidrige Praxis anwenden. Gleichzeitig muss ein
wirksames, unabhängiges Menschenrechtsmonitoring dazu beitragen, dass
rechtsfreie Räume an den Grenzen in Europa der Vergangenheit angehören. Die
umfassende parlamentarische Kontrolle der EU-Agenturen und der
Finanzierungsinstrumente für die externe Migrationspolitik müssen sichergestellt
sein.
Wir wollen die europäische Seenotrettung stärken und das Sterben im Mittelmeer
beenden. Jedes Jahr sterben Hunderte Menschen beim Versuch, das Mittelmeer zu
überqueren. Dieser Zustand ist nicht hinnehmbar. Seenotrettung ist eine
völkerrechtliche Pflicht. Wir treten weiter für eine zivile, flächendeckende und
europäische Seenotrettung ein. Die europäischen Staaten sind gemeinsam dafür
verantwortlich, dass zivile Seenotrettungsorganisationen gefahrlos ihre Einsätze
absolvieren können. Durch die Behinderung ihrer Arbeit, lange Fahrtwege und
Spendeneinbrüche stehen die Seenotrettungsorganisationen auch finanziell unter
Druck. Deswegen treten wir – neben unserem Einsatz für die Organisation einer
staatlichen Seenotrettung – für die Verbesserung der staatlichen Unterstützung
ziviler Organisationen ein. Rettungsschiffe müssen die Gelegenheit haben, den
nächstgelegenen sicheren Hafen anzulaufen, damit die Menschen an Land gehen und
versorgt werden können. Ein Auslaufen von Rettungsschiffen darf nicht verhindert
und Seenotrettung nicht kriminalisiert werden. Die von Seenotrettungsschiffen
aufgenommenen Menschen müssen die Möglichkeit auf eine faire Überprüfung ihres
Schutzanliegens haben.
Fluchtursachen bekämpfen
Kernaufgabe bleibt es, die Ursachen für Flucht und Vertreibung anzugehen. Wir
verfolgen eine Außenpolitik, die Diplomatie und Prävention von Konflikten in den
Mittelpunkt stellt. Wir orientieren uns an den Bedürfnissen von Menschen, die
wegen Konflikten oder Verfolgung ihre Heimat verlassen müssen. Die meisten von
ihnen suchen Schutz in ihrem eigenen Land oder in Nachbarstaaten. Hier muss
Europa handeln. Eine effektive und gut ausgestattete humanitäre Hilfe,
Krisenprävention und Stabilisierung sind ebenso ein Schlüsselfaktor wie
Entwicklungszusammenarbeit und die geregelte Aufnahme der verletzlichsten
Gruppen. So können wir verhindern, dass Menschen sich auf gefährliche
Fluchtrouten und in die Hände von Menschenschmugglern begeben müssen.
Eine nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit kann einen Beitrag dazu leisten,
Gesellschaften zu stabilisieren und Menschen eine wirtschaftliche und soziale
Perspektive in ihrer Heimat zu geben. Sie an die Kooperation bei
Migrationsfragen zu knüpfen, wie es Markus Söder fordert, schafft eher
Fluchtgründe. Wir lehnen dies ab.
Von Zeile 161 bis 169:
In der Einigung im Innenministerrat gibt es Verbesserungen, die ohne deutschen Einsatz in den Verhandlungen nicht zustande gekommen wären, zum Beispiel, dass allein reisende Kinder von den Grenzverfahren ausgeschlossen sein sollen, oder die Verankerung des Zugangs zu unabhängiger Rechtsberatung. Zudem soll künftig ein Solidaritätsmechanismus greifen, der Fortschritte bei der Verteilung von Geflüchteten bringt. Gleichzeitig konnten zentrale Punkte nicht erreicht werden. Denn obwohl die Verschärfung von Grenzverfahren, die wir kritisch sehen, geeint wurde, gibt es keinen verpflichtenden Verteilmechanismus und keine grundsätzliche Ausnahme für Familien mit Kindern in diesen Grenzverfahren.
Die im Innenministerrat beschlossene Einigung hätte eine massive Asylrechtsverschärfung zur Folge. Eine Umsetzung würde eine weitere Verschlechterung der humanitären Lage und Entrechtung der Menschen bedeuten. Zwar konnten durch den deutschen Einsatz in den Verhandlungen weitere Verschlechterungen verhindert werden, zum Beispiel, dass nun zumindest allein reisende Kinder von den Grenzverfahren ausgeschlossen sein sollen und eine Verbesserung der Rechtsberatung.
Eine wirkliche Verbesserung des Asylsystems wurde nicht erreicht: Weder eine solidarische, verpflichtende Verteilung von Geflüchteten, noch die grundsätzliche Ausnahme von Kindern aus Grenzverfahren - die wir grundsätzlich für unmenschlich halten und ablehnen - wurden erreicht. Durch die getroffenen Einigung droht, dass ein Großteil der Schutzsuchenden in menschenunwürdige Lager durch das Außengrenzverfahren kommen - selbst Menschen die aus Syrien oder Afghanistan, die vor enormer Gewalt und Krieg geflohen sind
Migration ist eine Konstante menschlicher Gesellschaften. Sie ist und war stets
Triebfeder für Entwicklung und globale Zusammenarbeit, genauso Quelle von
Austausch und Innovation, aber auch von Leid und Verlust. Ob sie freiwillig
geschieht oder erzwungen wird, aus Furcht um das eigene Leben geschieht oder auf
der Suche nach einer guten Zukunft – sie ist eine Gestaltungsaufgabe für die
Politik. Sie bietet Chancen und bringt Herausforderungen mit sich. Wir stellen
uns dieser Aufgabe. Wir buchstabieren aus, wie wir die Lage von Migrant*innen
und Geflüchteten verbessern und die aufnehmenden Städte und Kommunen
wirkungsvoll entlasten können.
Aktuell sind wir in unserer unmittelbaren Nachbarschaft mit der größten
Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert: Der völkerrechtswidrige
Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat Millionen Menschen aus ihrer Heimat
vertrieben. Viele Menschen haben Zuflucht auch in Deutschland gefunden.
Gleichzeitig kommen auch wieder viele Menschen aus anderen Ländern nach Europa
und suchen Schutz vor Verfolgung und Krieg, die größten Gruppen aus Syrien und
Afghanistan.
Bund, Länder und Kommunen – nicht zuletzt aber auch unzählige Freiwillige –
haben in einem gemeinsamen Kraftakt geflüchtete Menschen aufgenommen und
versorgt. Allen, die mit großem persönlichen Einsatz zum Gelingen dieser
riesigen Herausforderung beigetragen haben, danken wir. Unsere Aufgabe ist es
nun, langfristige und zuverlässige Lösungen zu finden. In vielen Städten und
Kommunen ist Wohnraum knapp, Lehrkräfte und Kinderbetreuungsplätze fehlen oder
die Mitarbeitenden in den Behörden sind überlastet. Wir wollen diesen
Herausforderungen mit wirksamen Ansätzen begegnen.
Entlastungen vor Ort schaffen, Integration fördern
Kommunen und Städte tragen die größte Verantwortung bei der Versorgung und
Unterbringung geflüchteter Menschen. Hier findet Integration konkret statt. Hier
entscheidet sich die Erlebbarkeit, dass diese Aufgabe leistbar ist. Wir stehen
bei der Bewältigung der Aufgaben für eine faire Lastenverteilung zwischen Bund,
Ländern und Kommunen. Dabei ist für uns zentral, dass die Kommunen
Planungssicherheit haben. Wir wollen, dass der Bund sich zuverlässig und
solidarisch an der Finanzierung beteiligt. Daher braucht es langfristige
Finanzzusagen. Das gilt insbesondere für die Kosten der Integrationsmaßnahmen
und der Unterbringung. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Mittel auch
dort ankommen, wo sie benötigt werden – nämlich vordringlich in den besonders
belasteten Kommunen und Städten. Es muss dafür Sorge getragen werden, dass
dauerhaft Unterbringungsplätze vorgehalten werden, um bei Bedarf handlungsfähig
zu sein, denn Gründe für Flucht werden uns auch in der Zukunft dauerhaft
begleiten. Kurzfristig muss der Bund den Kommunen wo möglich unter die Arme
greifen, indem er Liegenschaften des Bundes zur Verfügung stellt. Dabei legen
wir den Schwerpunkt auf kleinere und dezentrale Unterkünfte, in denen Teilhabe
und Integration besser möglich ist. Menschen, die bereits Familienangehörige
oder andere Anknüpfungspunkte haben, sollen bei ihnen oder in deren Nähe
unterkommen können. Hierfür bedarf es gesetzlicher Änderungen. Damit entlasten
wir den Wohnungsmarkt und fördern die Integration von Beginn an.
Für uns steht eine echte Integrationsoffensive im Zentrum unseres politischen
Handelns. Wir investieren in Teilhabe und gesellschaftlichen Zusammenhalt und
stellen dadurch sicher, dass Migrant*innen sich schnell bei uns einleben und
Geflüchtete schnell Teil der Gesellschaft werden. Für einen schnellen Zugang zu
Integrations- und Sprachkursen müssen diese flächendeckend angeboten werden
können. Wir nehmen die besonderen Anforderungen etwa an Integrationskurse in den
Blick, indem wir beispielsweise Kinderbetreuung anbieten und damit auch
betreuenden Eltern die Teilnahme ermöglichen. Erst-Orientierungskurse müssen in
ausreichender Zahl angeboten werden. Den wachsenden Bedarf an Schul- und
Kitaplätzen zu decken, ist eine große Aufgabe für alle politischen Ebenen. Wir
wollen an einer guten Ausstattung mit Lehrer*innen und Assistenzkräften, die als
Sprach- und Integrationsmittler*innen unterstützen, arbeiten. Mit dem Kita-
Qualitätsgesetz unterstützen wir seitens des Bundes die Kommunen. Einen
frühzeitigen Zugang zum Gesundheitswesen wollen wir unbürokratisch
gewährleisten. Solange dies noch nicht erfolgt ist, könnte zunächst an die
positiven Erfahrungen einiger Länder angeknüpft werden, die eine
Gesundheitskarte für Asylbewerber*innen eingeführt haben. So entlasten wir die
Behörden und stärken die medizinische sowie psychotherapeutische Versorgung. All
das kostet Geld, doch dieses Geld ist gut investiert und trägt dazu bei, dass
Geflüchtete kürzer auf Sozialleistungen angewiesen sind und schneller
erfolgreich am Arbeitsmarkt teilhaben können.
Moderne Strukturen für ein modernes Einwanderungsland und einen zukunftsfesten
Arbeitsmarkt
Deutschland ist ein Einwanderungsland und sucht händeringend nach Fach- und
Arbeitskräften. Egal ob in der Industrie, der Wissenschaft, im Gesundheitswesen
oder der Gastronomie. Wir ermöglichen Zuwanderung gerade in diesen Branchen und
stärken so unseren Wirtschaftsstandort. Gleichzeitig wollen die meisten
Geflüchteten arbeiten, dürfen es aber nicht. Das wollen wir ändern. Für die
Wahrung unseres Wohlstands und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft,
gerade auch der vielen mittelständischen Unternehmen in Deutschland, liegt hier
erhebliches Potenzial, das wir heben wollen und müssen. Hinzu kommt: Ein
frühzeitiger Zugang zum Arbeitsmarkt sichert Teilhabe, fördert Integration und
sorgt dafür, dass Menschen einen eigenen Beitrag zur Deckung ihrer
Lebenshaltungskosten leisten können. Deshalb wollen wir Arbeitsverbote aufheben.
Verfahren zur Anerkennung von Berufsabschlüssen und beruflichen Erfahrungen
wollen wir vereinfachen und beschleunigen, Unterstützungs- und
Qualifizierungsangebote ausweiten. Den sogenannten Spurwechsel in die
Arbeitsmigration wollen wir vereinfachen. Das neu eingeführte Chancen-
Aufenthaltsgesetz ist beispielgebend, weitere Reformen müssen folgen. Mit der
Novelle des Staatsangehörigkeitsgesetzes sowie dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz
gehen wir in der Bundesregierung weitere bedeutende Schritte.
Eine wichtige Ressource zur Entlastung der Verwaltung liegt in der Vereinfachung
von Verfahren. Indem wir sie modernisieren, entbürokratisieren, digitalisieren
und zwischen Bundesländern angleichen, sparen wir unnötige Arbeit ein und
schaffen dadurch zusätzliche Kapazitäten. Gleichzeitig helfen wir den
Schutzsuchenden: Sie bekommen schnell Gewissheit. Ein wichtiger Schlüssel dafür
liegt in der Verlängerung der Geltungsdauer für Visa zur Erwerbs- und
Bildungsmigration sowie der Dauer von Aufenthaltserlaubnissen. Darüber hinaus
müssen die Einwanderungs- und Ausländerbehörden sowie andere
Verfahrensbeteiligte, z.B. Verwaltungsgerichte, personell besser aufgestellt und
mit zusätzlichen Mittel ausgestattet werden.
Sichere Wege für Flucht und Migration schaffen
Wir wollen sichere und legale Wege zur Arbeitsmigration und Flucht stärken. Wir
setzen deshalb auf partnerschaftliche Mobilitäts- und Migrationsabkommen mit
Staaten außerhalb der EU, die vor allem Wege zur Bildungs- und Arbeitsmigration
eröffnen. Dafür werden wir auch die gesetzlichen Grundlagen der Visavergabe
modernisieren und vereinfachen. Das schafft Planbarkeit – für die Betroffenen
ebenso wie für die Kommunen, ihre Behörden und die Menschen vor Ort.
Den Familiennachzug wollen wir stärken, vereinfachen und beschleunigen. Damit
tragen wir dem im Grundgesetz verankerten besonderen Schutz der Familie Rechnung
und fördern durch stabile Familienverhältnisse die Integration. Unserer
besonderen Verantwortung gegenüber ehemaligen Ortskräften sowie besonders
gefährdeten Afghan*innen und ihren Familien werden wir durch humanitäre Aufnahme
und konsequente Umsetzung des Bundesaufnahmeprogramms gerecht. Sie sind auf
Grund ihrer Arbeit etwa für die Bundeswehr, internationale Organisationen oder
ihres Einsatz für Menschenrechte in Gefahr. Es ist am Bundesinnenministerium
dafür zu sorgen, dass die Sicherheitsinterviews nun aufgesetzt werden, damit das
Bundesaufnahmeprogramm schnellstmöglich wieder aufgenommen wird.
Wir setzen auf eine Politik der Humanität und Ordnung. Mit tragfähigen
Migrationsabkommen, die legale Wege der Zuwanderung aufzeigen, soll auch die
Rücknahmebereitschaft in den Herkunftsländern erhöht werden. Denn nicht jeder
Mensch, der zu uns kommt, kann bleiben. Aber jeder Mensch, der bei uns Schutz
sucht, hat Anrecht auf ein rechtsstaatliches Verfahren mit individueller
Prüfung. Wer nach sorgfältiger Prüfung der asyl- und aufenthaltsrechtlichen
Voraussetzungen sowie nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel kein Aufenthaltsrecht
erhalten hat, muss zügig wieder ausreisen – sofern dem keine
Abschiebehindernisse entgegenstehen. Dabei setzen wir vorrangig auf die
freiwillige Rückkehr. Eine unverhältnismäßige Verschärfung von Abschiebe- und
Abschiebehaftregeln lehnen wir ab. Der fortlaufenden Unsicherheit und
Perspektivlosigkeit durch Kettenduldungen stellen wir uns entgegen. Menschen,
die bereits in der Gesellschaft verwurzelt sind, müssen eine Chance auf ein
dauerhaftes Bleiberecht bekommen.
Das Konzept der sicheren Herkunftssaaten finden wir falsch, denn es löst keine
Probleme. Was hilft, ist alle Asylverfahren zu beschleunigen und die Qualität
der Entscheidungen zu verbessern. Staaten, die den EU-Beitrittskandidatenstatus
erhalten haben und deutliche Fortschritte bei Menschenrechten und
Rechtsstaatlichkeit machen, können besonders betrachtet werden. Wir werden nicht
mitmachen, wenn Staaten, die systematisch Menschenrechtsverletzungen begehen,
als sicher eingestuft werden sollen. Die Einstufung der Maghreb-Staaten als
sichere Herkunftsstaaten lehnen wir ab.
Den Rufen nach einer stetigen Ausweitung von stationären Kontrollen an den
Binnengrenzen stellen wir uns entschieden entgegen. Sie stehen dem Schengener
Abkommen entgegen. Ein Europa ohne Schlagbäume ist ein wesentlicher Grundpfeiler
der europäischen Idee. Binnengrenzkontrollen behindern die Freizügigkeit und
verursachen enorme wirtschaftliche Schäden. Gerade für die Menschen in den
Grenzregionen stellen die Kontrollen und damit verbundenen Staus eine enorme
Belastung dar, ebenso wie für die eingesetzten Polizist*innen. Gleichzeitig sind
sie völlig ungeeignet, die Zahl der Asylanträge zu reduzieren, da Schutzsuchende
nicht zurückgewiesen werden dürfen.
Ein starkes Europa der Menschenrechte
Gemeinsam stehen wir für den Schutz von Menschenrechten, eine rechtebasierte und
lösungsorientierte Flüchtlingspolitik und eine handlungsfähige Europäische
Union. Wir stehen zu unseren völkerrechtlichen Verpflichtungen wie der Genfer
Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention, der UN-
Kinderrechtskonvention und dem internationalen Seerecht. Wir stehen für eine
individuelle und inhaltliche Prüfung des Rechts auf Asyl in der EU. Wir stellen
uns entschieden Versuchen entgegen, diese historischen Errungenschaften zu
beschneiden.
Die derzeitige Lage an den europäischen Außengrenzen ist unhaltbar. Dabei kann
es nicht bleiben. Deshalb waren wir im Europäischen Rat zuletzt auch zu sehr
schwierigen Verhandlungen rund um eine Reform des Gemeinsamen Europäischen
Asylsystems (GEAS) bereit – in einem sehr komplexen Umfeld mit weit
auseinandergehenden und größtenteils restriktiven Positionen zwischen den
verschiedenen EU-Mitgliedstaaten. Wir haben gemeinsam für eine Lösung in dieser
schwierigen Situation gekämpft, um Humanität und Ordnung zu erreichen.
In der Einigung im Innenministerrat gibt es Verbesserungen, die ohne deutschen
Einsatz in den Verhandlungen nicht zustande gekommen wären, zum Beispiel, dass
allein reisende Kinder von den Grenzverfahren ausgeschlossen sein sollen, oder
die Verankerung des Zugangs zu unabhängiger Rechtsberatung. Zudem soll künftig
ein Solidaritätsmechanismus greifen, der Fortschritte bei der Verteilung von
Geflüchteten bringt. Gleichzeitig konnten zentrale Punkte nicht erreicht werden.
Denn obwohl die Verschärfung von Grenzverfahren, die wir kritisch sehen, geeint
wurde, gibt es keinen verpflichtenden Verteilmechanismus und keine
grundsätzliche Ausnahme für Familien mit Kindern in diesen Grenzverfahren.
Die im Innenministerrat beschlossene Einigung hätte eine massive Asylrechtsverschärfung zur Folge. Eine Umsetzung würde eine weitere Verschlechterung der humanitären Lage und Entrechtung der Menschen bedeuten. Zwar konnten durch den deutschen Einsatz in den Verhandlungen weitere Verschlechterungen verhindert werden, zum Beispiel, dass nun zumindest allein reisende Kinder von den Grenzverfahren ausgeschlossen sein sollen und eine Verbesserung der Rechtsberatung.
Eine wirkliche Verbesserung des Asylsystems wurde nicht erreicht: Weder eine solidarische, verpflichtende Verteilung von Geflüchteten, noch die grundsätzliche Ausnahme von Kindern aus Grenzverfahren - die wir grundsätzlich für unmenschlich halten und ablehnen - wurden erreicht. Durch die getroffenen Einigung droht, dass ein Großteil der Schutzsuchenden in menschenunwürdige Lager durch das Außengrenzverfahren kommen - selbst Menschen die aus Syrien oder Afghanistan, die vor enormer Gewalt und Krieg geflohen sind
Es handelt sich deshalb sicher nicht um einen „historischen Erfolg“, wie es etwa
Bundesinnenministerin Nancy Faeser formuliert hat. Zugleich erkennen wir an,
dass der Beschluss ohne deutschen Einsatz in den Verhandlungen ein schlechterer
gewesen wäre. Die erzielte Einigung kann zentrale Anforderungen nicht erfüllen,
die wir an eine Asylpolitik der Humanität und Ordnung stellen – gerade weil sie
im EU-Kontext weitestgehend restriktiverer Mitgliedstaaten nicht durchsetzbar
waren. Das vorliegende Ergebnis ist von den Positionen unserer Partei weit
entfernt. Gleichzeitig sehen wir das europapolitische Dilemma. In der
Gesamtschau bewerten wir das Ergebnis unterschiedlich. Wir zollen unseren
jeweiligen Meinungen großen Respekt und stehen fest zusammen beim gemeinsamen
Vorhaben, weiterhin mit aller Kraft für eine Verbesserung der Situation für
Schutzsuchende um und in Europa zu kämpfen. Denn klar ist: Die Situation der
Menschen, die in Europa Schutz suchen, muss deutlich besser werden.
Im weiteren Verfahren im Trilog zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und
der Kommission setzen wir uns daher für Verbesserungen ein, etwa für den
besseren Schutz von Familien mit Kindern und verpflichtende Verteilung.
Geordnete Verfahren und europäische Solidarität verteidigen
Eine faire und gesteuerte Verteilung kann nur gelingen, wenn Menschen
zuverlässig bei der Einreise registriert werden. Wir müssen wissen, wer zu uns
kommt. Damit verhindern wir auch, dass Menschen ausgebeutet und entrechtet
werden. Eine Verteilung von Geflüchteten kann nur funktionieren, wenn sich
einzelne Mitgliedstaaten nicht einfach entziehen können. Dazu gehört auch, dass
Verfahren fair und zügig durchgeführt, menschenrechtskonforme Lebensbedingungen
sichergestellt und unkontrollierten Weiterreisen in andere europäische Länder
vorgebeugt werden. Alle Mitgliedsstaaten müssen ihren fairen Beitrag leisten.
Geld- und Sachleistungen an Drittstaaten sind dabei keine Kompensation.
Mitgliedsstaaten, die in besonderem Maße Geflüchtete aufnehmen, müssen gestärkt,
aber auch für ihre Verantwortung in die Pflicht genommen werden. Dazu zählt,
dass sie finanziell entlastet werden. Die Finanzierung der libyschen
Küstenwache, die sich an Menschenrechtsverstößen und an Schlepperei beteiligt,
muss ein Ende finden.
Das Konzept der sicheren Drittstaaten finden wir weiterhin falsch. Menschen, die
über einen Drittstaat in die EU einreisen, dürfen nicht einfach zurückgeführt
werden – gerade wenn sie keine klare Verbindung, etwa berufliche oder familiäre
Bezüge, zu diesem Land haben und nicht sichergestellt werden kann, dass sie dort
in Sicherheit sind. Die Verankerung eines Verbindungselements ist daher von
großer Bedeutung. Die rechtliche Ausgestaltung muss so erfolgen, dass die
Regelung auch in der Praxis wirksam ist.
Das Leid an den Außengrenzen beenden, Seenotrettung sichern
Die aktuelle Situation an den Außengrenzen ist nicht akzeptabel. Unser Ziel ist
es daher, das Leid schnellstmöglich zu beenden. Wir nehmen nicht hin, dass
Menschen und insbesondere Kinder unter menschenunwürdigen Bedingungen in Lagern
verharren und keinen Zugang zu rechtsstaatlichen Verfahren haben. Die Versorgung
mit medizinischen Gütern, psychologischer Betreuung und Lebensmitteln sowie der
Zugang zu Rechtsberatung müssen stets sichergestellt sein. Hilfs- und
Menschenrechtsorganisationen benötigen jederzeit Zugang zu den Geflüchteten und
den Grenzregionen. Der illegalen Praxis von Pushbacks muss entschieden begegnet
werden. Wir fordern die Europäische Kommission auf, gegenüber Mitgliedstaaten
einzuschreiten, die diese rechtswidrige Praxis anwenden. Gleichzeitig muss ein
wirksames, unabhängiges Menschenrechtsmonitoring dazu beitragen, dass
rechtsfreie Räume an den Grenzen in Europa der Vergangenheit angehören. Die
umfassende parlamentarische Kontrolle der EU-Agenturen und der
Finanzierungsinstrumente für die externe Migrationspolitik müssen sichergestellt
sein.
Wir wollen die europäische Seenotrettung stärken und das Sterben im Mittelmeer
beenden. Jedes Jahr sterben Hunderte Menschen beim Versuch, das Mittelmeer zu
überqueren. Dieser Zustand ist nicht hinnehmbar. Seenotrettung ist eine
völkerrechtliche Pflicht. Wir treten weiter für eine zivile, flächendeckende und
europäische Seenotrettung ein. Die europäischen Staaten sind gemeinsam dafür
verantwortlich, dass zivile Seenotrettungsorganisationen gefahrlos ihre Einsätze
absolvieren können. Durch die Behinderung ihrer Arbeit, lange Fahrtwege und
Spendeneinbrüche stehen die Seenotrettungsorganisationen auch finanziell unter
Druck. Deswegen treten wir – neben unserem Einsatz für die Organisation einer
staatlichen Seenotrettung – für die Verbesserung der staatlichen Unterstützung
ziviler Organisationen ein. Rettungsschiffe müssen die Gelegenheit haben, den
nächstgelegenen sicheren Hafen anzulaufen, damit die Menschen an Land gehen und
versorgt werden können. Ein Auslaufen von Rettungsschiffen darf nicht verhindert
und Seenotrettung nicht kriminalisiert werden. Die von Seenotrettungsschiffen
aufgenommenen Menschen müssen die Möglichkeit auf eine faire Überprüfung ihres
Schutzanliegens haben.
Fluchtursachen bekämpfen
Kernaufgabe bleibt es, die Ursachen für Flucht und Vertreibung anzugehen. Wir
verfolgen eine Außenpolitik, die Diplomatie und Prävention von Konflikten in den
Mittelpunkt stellt. Wir orientieren uns an den Bedürfnissen von Menschen, die
wegen Konflikten oder Verfolgung ihre Heimat verlassen müssen. Die meisten von
ihnen suchen Schutz in ihrem eigenen Land oder in Nachbarstaaten. Hier muss
Europa handeln. Eine effektive und gut ausgestattete humanitäre Hilfe,
Krisenprävention und Stabilisierung sind ebenso ein Schlüsselfaktor wie
Entwicklungszusammenarbeit und die geregelte Aufnahme der verletzlichsten
Gruppen. So können wir verhindern, dass Menschen sich auf gefährliche
Fluchtrouten und in die Hände von Menschenschmugglern begeben müssen.
Eine nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit kann einen Beitrag dazu leisten,
Gesellschaften zu stabilisieren und Menschen eine wirtschaftliche und soziale
Perspektive in ihrer Heimat zu geben. Sie an die Kooperation bei
Migrationsfragen zu knüpfen, wie es Markus Söder fordert, schafft eher
Fluchtgründe. Wir lehnen dies ab.