Veranstaltung: | 43. Bundesdelegiertenkonferenz Leipzig |
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Tagesordnungspunkt: | EL Wahl Europaliste |
Antragsteller*in: | Katrin Langensiepen (Hannover RV) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 06.10.2018, 08:56 |
EL-06: Bewerbung: Katrin Langensiepen
Bewerbungstext
Liebe Freundinnen und Freunde,
nächstes Jahr wählen wir das Europaparlament. Dort will ich eure Stimme für ein solidarisches und inklusives Europa sein. Diejenige die, die Sprachen Brüssels und Straßburgs spricht. Die in den Banlieues von Marseille, in Groningen, der Fahrradstadt Europas studierte und in Israel im Kibbuz lebte. Desweiteren möchte ich die erste Frau mit einer sichtbaren Behinderung für die Grünen aus Deutschland in das Europarlament einziehen. Weil es 2018 ist. Dieses Feuer für ein gemeinsames Europa will ich mitnehmen in das Europaparlament.
Für Antidiskriminierung und für Chancengleichheit
Spätestens mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention, die der Europäische Rat 2007 ratifizierte,ist klargestellt, dass Menschen mit Behinderungen das gleiche Recht auf ein Leben mitten in der Gesellschaft haben. Doch gerade in Deutschland leben nach wie vor viele von ihnen in großen stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe, oft im ländlichen Raum weit abgelegen ohne Verkehrsanbindung, und haben daher keine Chance auf Teilhabe. Für den Auszug aus der Einrichtung fehlen barrierefreier Wohnraum, alternative Unterstützungsangebote und deren verlässliche Finanzierung, die nicht erst mühsam gerichtlich erstritten werden muss. Wie auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen kommen Innovationen und Konzepte für Alternativen oft von kleinen zivilgesellschaftlichen Initiativen, hier eben von Selbstvertretungsorganisationen oder Gruppen von Menschen mit Behinderungen oder Elternvereinigungen. Doch diese können die bestehenden Förderprogramme wie den ESF nicht nutzen, weil sie weder die Voraussetzungen erfüllen noch den administrativen Aufwand bewältigen können. Daher müssen wir die Förderstrukturen der EU demokratisieren, beispielsweise durch nationale Agenturen, die die Beantragung von Fördermitteln und die Verwaltung für innovative zivilgesellschaftliche Initiativen übernehmen.
Gleiches gilt für das Thema Barrierefreiheit: Wir brauchen endlich einen „European Accessibility Act“, der neben Waren und Dienstleistungen auch in der gebauten und gestalteten Umwelt für eine Verpflichtung zur Herstellung von Barrierefreiheit sorgt.
Auf EU- Ebene wurde vor 10 Jahren die Antidiskriminierungsrichtlinie verfasst. Die BAG Behindertenpolitik hat sich immer dafür eingesetzt, dass die Bundesregierung die EU Richtlinie umsetzt. Eine wichtige Richtlinie, die die Mitgliedsländer auffordert gegen Antidiskriminierung vorzugehen und gesetzlich zu verankern. Deutschland hat hier sein Veto eingelegt und will diese wichtige Richtlinie nicht umsetzen. Meine Motivation im EU Parlament ist es, die Bundesregierung dahin zubringen, dass sie europäisches Recht umsetzt.
Menschen mit Behinderung brauchen eine starke Lobby. Unser Recht auf Teilhabe ist noch in weiter Ferne. Diese Rechte gilt es nicht nur auf EU Ebene festzuhalten, sondern sie müssen klar im Sine der UN Behindertenrechtkonventionen auf Staatenebene umgesetzt werden.
Leider werden bei der Umsetzung der UN Konvention die Menschen, die es betrifft, selten beteiligt. Ihre Meinung und Expertise ist kaum gefragt. Als Frau mit einer sichtbaren Behinderung möchte ich eine Streiterin an der Seite derer sein, die keine Stimme haben oder sich nicht trauen. Streiten für die Abschaffung von einengenden Institutionen, für das Selbstbestimmungsrecht von Menschen mit Behinderung.
Finanzkrise: 10 Jahre danach
Gerechtigkeit ist immer auch eine Haltungsfrage. Europa leidet immer noch unter den Folgen der Finanzkrise von 2008 und dem großen Crash an der amerikanischen Börse. Die Lehman Bank ging pleite. Die Immobilienblase platzte, die Banken vergaben keine Kredite mehr, die Unternehmen bekamen keine mehr. Dies hatte Folgen für alle, besonders schwer traf es junge Menschen in Europa. In vielen Ländern, vor allem in Südeuropa stand die Generation um die 30 auf der Straße. Auch mich traf es hart. 2009 war ich mit meiner Ausbildung fertig und arbeitslos. Obwohl wir, die jungen, gut ausgebildeten Menschen hart an der Zukunft gebastelt haben: Praktika, Studiengänge, Sprachen, Auslandsaufenthalte. All das zählte nicht mehr.
Perspektivlosigkeit machte sich breit, Wohnungen konnten nicht mehr bezahlt werden. Anstatt Familien zu gründen und für die Zukunft zu planen, stand man ohne da und konnte froh und dankbar sein, wenn man wieder Platz im Elternhaus fand. Großeltern unterstützten ihre erwachsenen Enkel mit ihrer Rente. Besonders dramatisch war es in Griechenland. Die Generationengerechtigkeit begann sich aufzulösen. Auch ich kam in den Strudel hinein: keine Berufserfahrungen-Arbeitslosigkeit-Praktika-Überbrückungen. In Europa waren wir die Generation ,,Praktikum“, la génération ,,Mille Euro“. Eine Betitelung, die sich durch die Jahre zog. Man ließuns alleine in der Arbeitslosigkeit oder mit prekären Jobs. In den letzten Jahren wurde zwar einiges angeschoben, um diese Generation aufzufangen. Die Ausbildungsgarantie ist ein Werkzeug, sodass Menschen unter 25 Jahren nicht mehr unbeschäftigt sind. Trotzdem ist die Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen, besonders im Süden unseres Kontinents, immer noch erschreckend hoch. Europa braucht jetzt eine Wende. Eine Wende weg von der harten Sparpolitik, für Investitionen in junge Menschen, in unsere Zukunft.
Soziale Gerechtigkeit ist der Kitt, der uns zusammenhält
Meine Tätigkeit im Call Center (trotz Sprachkenntnisse, Auslandstudium, Ausbildung,) im Rahmen der Zeitarbeit für wenige Euro die Stunde, politisierten mich und ließen mich aktiv werden. Handefeste Arbeitnehmer*innenrechte, gute Arbeitsbedingungen, das sind keine Forderungen, die nur in Deutschland gelten sollen, sondern für alle Menschen in Europa. Wir brauchen soziale Mindeststandards in Europa. Im EU-Recht muss den sozialen Rechten und den Arbeitnehmer*innenrechten mindestens der gleiche Stellenwert eingeräumt werden, wie anderen Kriterien.
Der Erfolg Europas darf nicht nur daran gemessen werden, wie gut es wirtschaftlich läuft, sondern wie es den Menschen in Europa geht. Wir Grüne wollen ein solidarisches Europa, ein Europa der Antidiskriminierung und des sozialen Zusammenhalts. Eine europäische Gemeinschaft! Dafür trete ich an. Dafür werbe ich um eure Unterstützung für einen aussichtsreichen Platz auf unserer Grünen Europaliste.
Eure Katrin
2010: Eintritt bei B' 90/DIE GRÜNEN
Seit 2011: Ratsfrau in Hannover (sozialpolitische Sprecherin)
Seit 2012: Sprecherin der LAG Soziales Nds.
2013: 1 Jahr Mitarbeiterin im WK Büro bei Sven-Christian Kindler (MdB)
Seit 2015: Sprecherin der BAG Behindertenpolitik
Seit 2017: Mitarbeiterin bei Filiz Polat (jetzt MdB) + Belit Onay (MdL)
Sprachen: Englisch, Französisch, Niederländisch
Mitglied: Verdi, 4 Pfoten, Amnesty International