Antrag EPW: | Kapitel 3: Sichern, was uns ausmacht: Freiheit, Demokratie und Menschenrechte verteidigen |
---|---|
Antragsteller*in: | BAG Migration & Flucht (dort beschlossen am: 07.10.2018) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Erledigt durch Neufassung Unterkapitel 3.3 |
Eingereicht: | 07.10.2018, 11:38 |
EP-F-01-203: Kapitel 3: Sichern, was uns ausmacht: Freiheit, Demokratie und Menschenrechte verteidigen
Antragstext
Von Zeile 202 bis 204:
auswandern wollen. Aber in die EU einzuwandern, ist für viele quasi unmöglich. Arbeitsmigration ist jedoch nicht nur eine Realität, sondern in Zeiten des Fachkräftemangelsvon Fachkräftemangel und demographischem Wandel auch eine Notwendigkeit für Staaten wie Deutschland. Ein europäisches Einwanderungsgesetz
Die Europäische Union hat Unglaubliches geleistet: Zum ersten Mal in der Geschichte unseres
Kontinents leben wir in einem gemeinsamen Raum des Rechts und nicht nach dem Prinzip „Recht
des Stärkeren“. Die EU hat schon viele Schritte für mehr Gleichberechtigung, für den Schutz
von Minderheiten und für ihre eigene Demokratisierung getan.
Europas Werte sind: Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte. Dieses Fundament muss all die Bewohner*innen der Europäischen Union tragen.
Doch in den letzten Jahren und Monaten haben nationale und nationalistische, reaktionäre,
populistische und völkisch-rassistische Parteien die Grundprinzipien der Europäischen
Einigung angegriffen und ausgehöhlt. Sie hassen die liberale Demokratie. Und deshalb hassen
sie den Traum von einem Europa, das sich sozial erneuert, in dem Menschen sich frei begegnen
können, in dem nationale Kompetenzen gebündelt werden, um Freiheit, Sicherheit und Recht zu
gewährleisten.
Daher gilt es jetzt umso mehr, die Werte Europas zu verteidigen. Wenn nationale Regierungen
Rechte von Andersdenkenden mit Füßen treten und die Unabhängigkeit von Justiz oder Presse in
Frage stellen, stärken wir gezielt die demokratischen Kräfte in den betroffenen
Mitgliedstaaten. Wenn Mitgliedstaaten Demokratie und Rechtsstaatlichkeit durch Korruption
untergraben, soll die EU-Kommission den nationalen Regierungen die Kontrolle über die EU-
Gelder entziehen können. Wenn Menschen wegen ihres Geschlechts, ihrer Religion, ihrer
Herkunft oder ihres Aussehens im Netz angegriffen werden, stellen wir Hasskommentare im
Internet EU-weit unter Strafe. Wenn Menschen sich aus Not in die Hände von Schleppern und
Schmugglern begeben müssen, schaffen wir legale Fluchtwege und ein Einwanderungsgesetz,
damit das Sterben auf dem Mittelmeer beendet und Einwanderung geordnet ermöglicht wird.
3.1. Grundrechte in der Europäischen Union sichern
Wir sind der Achtung der Menschenwürde, der Freiheit, Demokratie, Gleichheit,
Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der
Personen, die Minderheiten angehören, verpflichtet. Diese Kopenhagener Kriterien bilden das
Fundament der EU.
Wenn aber nationale Regierungen diese Rechte mit Füßen treten und immer autoritärer werden,
Pressefreiheit einschränken, Minderheiten schikanieren, die Unabhängigkeit der Justiz oder
die Freiheit der Künste aufheben, dann steht die EU häufig nur ratlos daneben.
Wir müssen daher die demokratischen Kräfte in den betroffenen Mitgliedstaaten stärken.
Entsprechend wollen wir die Möglichkeiten der EU erweitern. Dafür gibt es nicht die eine
Antwort, sondern es braucht ein Paket an Maßnahmen. Wir schlagen daher folgende Punkte zur
Stärkung von Demokratie und Freiheit in der Europäischen Union vor:
Die Europäische Grundrechtecharta verbindlich machen
Unser langfristiges Ziel ist es, dass alle EU-Bürgerinnen und EU-Bürger die gleichen
einklagbaren Grundrechte bekommen, um ihre Grundrechte und die Demokratie in allen
Mitgliedsländern besser verteidigen zu können. Die bestehende Grundrechtecharta der EU
beinhaltet grundlegende politische Freiheiten und demokratische Prinzipien, ebenso wie
moderne Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger, zum Beispiel auf Zugang zu guter
Gesundheitsversorgung und guter Bildung. Derzeit gilt die Grundrechtecharta allerdings nur
für europäische Gesetze. Für nationale Gesetze gelten die Grundrechte des jeweiligen Landes.
Deswegen konnte die Europäische Kommission beispielsweise bei der Einschränkung der
Pressevielfalt durch die Regierung von Viktor Orbán in Ungarn nicht angemessen agieren.
Der Anwendungsbereich der Grundrechtecharta muss deshalb auch auf die nationale Gesetzgebung
ausgeweitet werden. Damit könnten alle Bürgerinnen und Bürger die in der Charta enthaltenen
Grundrechte und demokratischen Prinzipien gegenüber ihren jeweiligen Nationalstaaten
einklagen. Das würde sie massiv stärken und die Möglichkeiten verbessern, Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen, gerade in den Ländern, in denen diese Prinzipien
angegriffen werden.
Unabhängige Prüfung von Demokratie und Menschenrechten in den EU-Mitgliedstaaten
Der Übergang von legitimen Maßnahmen zu Verletzungen demokratischer Prinzipien oder gar
systematischen Menschenrechtsverletzungen ist nicht immer einfach festzustellen. Der EU
fehlt es bislang sowohl an klaren Kriterien als auch an Strukturen dafür. Deswegen brauchen
wir ein unabhängiges Gremium aus Verfassungsexpert*innen, das alle Mitgliedsländer
regelmäßig auf die Einhaltung demokratischer Grundsätze hin überprüft. Wir schlagen dafür
eine „Kopenhagen-Kommission“ vor. Sie soll Kriterien für die Überprüfung auf Grundlage der
in Artikel 2 des EU-Vertrages verankerten Prinzipien wie Achtung der Menschenwürde,
Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Wahrung der Menschenrechte
entwickeln. Das Gremium soll durch die nationalen Parlamente sowie das Europaparlament
besetzt werden.
Die „Kopenhagen-Kommission“ soll weisungsunabhängig und kontinuierlich alle Mitgliedsländer
überprüfen und einmal jährlich über jedes Land berichten. Die Ergebnisse werden im
Europaparlament, im Europäischen Rat und in den nationalen Parlamenten diskutiert. Bei
akuten und gravierenden Verletzungen von demokratischen Prinzipien und Rechtsstaatlichkeit
durch einzelne nationale Gesetze erstellt die Kommission Ad-hoc-Berichte und schlägt der
Europäischen Kommission Sanktionsmöglichkeiten wie Geldstrafen vor.
Fördermittel an die Einhaltung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundwerte binden
Derzeit hat die EU gegenüber Mitgliedsländern bei erheblichen Verletzungen von
demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien nur die Möglichkeit, ein Verfahren
einzuleiten, das in letzter Instanz zu einem Stimmentzug dieses Mitgliedslandes führen kann.
Wir fordern für die EU weitere Möglichkeiten, auf entsprechende Probleme zu reagieren. Dazu
schlagen wir vor, bei der Vergabe von europäischen Fördermitteln anzusetzen, denn
europäische Ausgaben müssen auch europäischen Werten folgen.
Ein Entzug von Fördermitteln könnte jedoch die breite Bevölkerung treffen und nicht nur die
Regierungen, die demokratische Prinzipien verletzt haben. Deshalb sollten die Gelder nicht
einfach dem betroffenen Mitgliedsland an sich gestrichen werden. Stattdessen sollen die
Mittel im Fall einer Verletzung von demokratischen Prinzipien direkt von der EU-Kommission
an Kommunen oder andere Antragsteller*innen vergeben werden. So kann das Geld weiterhin dort
ankommen, wo es gebraucht und sinnvoll verwendet wird, aber die Vergabemacht läge nicht mehr
bei den nationalen Regierungen.
Keine Fördermittel ohne Kooperation bei der Kontrolle
Korruption untergräbt Demokratie und Rechtsstaat. Um unter anderem Korruption bei der
Vergabe von europäischen Mitteln besser auf die Schliche zu kommen, hat die Europäische
Union endlich eine Europäische Staatsanwaltschaft eingerichtet. Allerdings wollen sich nicht
alle Mitgliedstaaten vom Europäischen Staatsanwalt über die Schulter schauen lassen. Aber
wir sagen: Wer Gelder von der EU haben möchte, muss auch Kontrollen über die rechtmäßige
Verwendung zulassen und dafür mit der Europäischen Staatsanwaltschaft kooperieren. Wenn ein
Mitgliedsland dies nicht tut, können dort nur Fördermittel an jene Akteure ausgezahlt
werden, die eine Überprüfung durch die Europäische Staatsanwaltschaft zulassen.
Whistleblower schützen
Menschen, die sich trauen, Korruption offenzulegen, müssen besser geschützt werden. Daher
ist der Schutz von Hinweisgebern (Whistleblowern) nicht nur im Bereich der EU-Finanzen
nötig, sondern muss auch bei anderen illegalen Machenschaften gelten. Auf Druck der Grünen-
Fraktion im Europaparlament hat die Europäische Kommission einen Vorschlag gemacht, um
europaweit Whistleblower besser zu schützen, die im allgemeinen Interesse der Bevölkerung
Missstände aufdecken und dazu zum Beispiel Betriebsgeheimnisse preisgeben müssen. Nun gilt
es, daraus auch ein Gesetz zu machen, inklusive eines europäischen Zeugenschutzprogramms, um
Whistleblower vor Racheakten zu schützen.
Unterstützung von Zivilgesellschaften in der EU
In vielen Ländern schränken Regierungen den Einfluss und Handlungsspielraum
zivilgesellschaftlicher Initiativen, von Künstler*innen und Journalist*innen systematisch
ein. Doch Demokratie kann ohne eine aktive politische Zivilgesellschaft nicht funktionieren.
Um den Einschränkungen zivilgesellschaftlicher Handlungsspielräume („shrinking spaces“)
entgegenzutreten, ist ein Fonds für Demokratie- und Menschenrechtsverteidiger*innen
innerhalb der EU sinnvoll. So können jene, die sich hier für Demokratie einsetzen,
unterstützt werden.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- die Anwendbarkeit der EU-Grundrechtecharta auf nationale Gesetze,
- die systematische Prüfung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in allen EU-
Mitgliedstaaten,
- schärfere Maßnahmen gegen Korruption und bei Missachtung der europäischen Werte,
- ein europäisches Whistleblower-Schutz-Gesetz,
- einen Fonds für Demokratie- und Menschenrechtsaktivist*innen in der EU.
3.2 Europäische Demokratie stärken
Wir wollen die Entscheidungsprozesse auf europäischer Ebene noch demokratischer machen, das
Parlament stärken und die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger verbessern.
So ist das Europäische Parlament direkt gewählt, jedoch dem Europäischen Rat und dem
Ministerrat noch immer nicht in allen Politikfeldern gleichgestellt, zum Beispiel in der
Steuerpolitik oder der Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Das muss sich dringend ändern:
Das Europäische Parlament soll in allen Bereichen gleichberechtigt mit dem Rat entscheiden
können. Langfristig treten wir dafür ein, den Rat in eine zweite Kammer zu überführen, die
aus den Regierungen der Mitgliedstaaten zusammengesetzt ist. Diese zweite Kammer bildet
zusammen mit dem Europäischen Parlament die Legislative.
Wir wollen für alle verbleibenden Politikbereiche, in denen heute noch per
Einstimmigkeitsprinzip entschieden wird, Mehrheitsentscheidungen einführen. Das betrifft
hauptsächlich die Gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik sowie die Steuerpolitik. Damit
stärken wir Europas Handlungsfähigkeit und verhindern, dass einzelne Mitgliedsländer
grundlegende Entscheidungen, zum Beispiel in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik,
blockieren können.
Während das Europaparlament im Plenum und in den Ausschüssen öffentlich tagt, ist der Rat
trotz Verbesserungen noch immer eine Art „Black Box“: Es ist kaum nachvollziehbar, welches
Mitgliedsland sich dort wie positioniert. Hier wollen wir mehr Transparenz, so dass alle
Mitgliedsländer offenlegen müssen, wofür sie in Brüssel eintreten.
Mehr Transparenz braucht es ebenso bei den Interessenvertreter*innen, die in Brüssel aktiv
sind. Zwar besitzen das Europäische Parlament und die EU-Kommission im Gegensatz zum
Bundestag ein Lobbyregister, aber dieses ist noch nicht ausreichend verbindlich. Hier werden
wir uns weiter hartnäckig für die größtmögliche Transparenz einsetzen.
Demokratie bedeutet: Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger. Die Europäische
Bürgerinitiative (EBI) gibt ihnen die Möglichkeit, durch 1 Million Unterschriften neue EU-
Gesetze anzustoßen. Der Vertrag von Lissabon geht damit den ersten kleinen Schritt zu
direkter Demokratie in Europa. Wir wollen dieses Instrument zur Teilhabe stärken, ausbauen
und entbürokratisieren. Vor allem wollen wir dafür sorgen, dass erfolgreiche Europäische
Bürgerinitiativen nicht wirkungslos verpuffen. Sollte die EU-Kommission nicht innerhalb
eines Jahres nach einer erfolgreichen Bürgerinitiative einen Gesetzesvorschlag vorlegen,
kann das Europäische Parlament den Druck mit einem legislativen Initiativbericht erhöhen.
Auch Jugendliche ab 16 Jahren sollen bei einer Europäischen Bürgerinitiative mitstimmen
dürfen.
Wir unterstützen weiterhin das Prinzip der europäischen Spitzenkandidat*innen und
transnationalen Listen. Sobald die Möglichkeit einer transnationalen Liste besteht, sollten
die Spitzenkandidat*innen eine europäische Parteiliste anführen. Zugleich halten wir an der
Position fest, dass Präsidentin oder Präsident der Europäischen Kommission nur werden kann,
wer zuvor als Spitzenkandidat angetreten war.
Wir wollen die Kontrollrechte des Europaparlaments stärken. Dazu braucht es das Recht,
Zeugen und Gesprächspartner vorzuladen, damit willkürliche Absagen zu Parlamentsanhörungen
aufhören. Außerdem muss das Plenum des Europaparlaments über die Einrichtung eines
Untersuchungsausschusses abstimmen, wenn 25 % der Mitglieder es verlangen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- eine Stärkung des Europäischen Parlaments,
- mehr Transparenz und Abstimmung nach Mehrheitsprinzip im Europäischen Rat,
- ein verbindliches Lobbyregister,
- mehr direkte Demokratie durch die Aufwertung der Europäischen Bürgerinitiative.
3.3 Einwanderung gestalten, Flüchtlinge schützen
Europa war und ist ein Kontinent der Migration. Menschen sind seit Jahrhunderten innerhalb
Europas von einem in ein anderes Land gezogen, haben den Kontinent verlassen, sind von hier
geflohen oder haben ihn neu bereichert. Der Abbau der Grenzen innerhalb Europas und das
Recht auf Freizügigkeit war und ist eine der größten Errungenschaften, denn der Wohlstand
der Europäischen Union beruht nicht nur auf der Freiheit von Waren, Dienstleistungen und
Kapital. Essenziell für das Zusammenwachsen Europas war stets die Freizügigkeit der
Arbeitnehmer*innen. Möglich wurde dies, weil Europa früh Beschränkungen und bürokratische
Hindernisse abgebaut hat, um die Migration auf dem Arbeitsmarkt zu begünstigen, unter
anderem dadurch, dass Familienmitglieder von Arbeitnehmer*innen selbstverständlich die
gleichen Rechte wie Inländer*innen erhalten.
Doch wir haben die letzten Monate vor dem Hintergrund der globalen Fluchtbewegungen erleben
müssen, dass diese Errungenschaften keine Selbstverständlichkeiten sind. Sie zu erhalten und
gegen eine Rückkehr ins Nationale zu verteidigen, ist eine unserer zentralen Aufgaben. Zu
einer humanitären und geordneten Migrations- und Asylpolitik sollten alle EU-Staaten
beitragen.
Zugleich darf die Freiheit innerhalb Europas nicht zu einem Bollwerk nach außen werden. Bis
heute haben die EU-Mitgliedstaaten keine überzeugende gemeinsame Antwort auf Migration und
Flucht gegeben. Tagtäglich ertrinken Menschen bei der Fahrt über das Mittelmeer. Wir haben
schon vor Jahren festgestellt, dass das Dublin-System, wonach Asylsuchende in dem Land Asyl
beantragen müssen, das sie zuerst betreten haben, ungerecht und gescheitert ist. So ist es
im September 2015 auch gekommen.
Dieses System gilt jedoch noch immer. Damit wird die Verantwortung aber weiter einseitig auf
die Länder an den südlichen und östlichen Außengrenzen der EU abgewälzt, statt eine faire
Verteilung der Geflüchteten in Europa zu organisieren.
Wir treten für eine Europäische Union ein, die ihre humanitäre Verantwortung, das Grundrecht
auf Asyl und die Notwendigkeit, Verfahren zügig und geordnet durchzuführen, zusammenbringt.
Ein Europa, das Menschen, die vor Krieg, Hunger, Verfolgung und Gewalt fliehen müssen,
Schutz gewährt, anstatt sich mit Hilfe von Autokratien und Militärdiktaturen abzuschotten.
Ein Europa, das legale Fluchtwege und Einwanderungsmöglichkeiten bietet. Ein Europa, das
Asylsuchenden ein faires Verfahren garantiert und seine Grenzen kontrolliert. Ein Europa,
das Fluchtursachen und nicht Flüchtlinge bekämpft. Ein Europa, das das Sterben im Mittelmeer
beendet.
Das Recht auf Asyl ist nicht verhandelbar. Auch wenn nicht alle, die kommen, bleiben können.
Auf dieser Grundlage setzen wir uns für einen gemeinsamen Aufbruch einer humanitären
Koalition von Mitgliedstaaten und Kommunen ein, die gemeinsam die Ärmel hochkrempeln und
sich solidarisch an der Aufnahme von Geflüchteten beteiligen wollen.
Europäisches Einwanderungsgesetz für legale (Arbeits-)Migration
Bis heute sind Europäer*innen diejenigen, die am wenigsten Hürden erleben, wenn sie
auswandern wollen. Aber in die EU einzuwandern, ist für viele quasi unmöglich.
Arbeitsmigration ist jedoch nicht nur eine Realität, sondern in Zeiten des Fachkräftemangelsvon Fachkräftemangel und demographischem Wandel
auch eine Notwendigkeit für Staaten wie Deutschland. Ein europäisches Einwanderungsgesetz
mit gemeinsamen Rahmenregelungen für sichere und legale Einwanderung in die EU soll dabei
helfen, gleiche Standards in Europa für die Zuwanderung von Menschen mit verschiedenen
Qualifikationsniveaus und deren Familien zu etablieren. Bei der Ausgestaltung der Regelungen
geht es uns darum, die vielfältigen Chancen der Migration für Migrant*innen, Ursprungs- und
Empfängerländer zu nutzen. Da bislang nur ein europäisches System der Arbeitsmigration für
Hochqualifizierte besteht, gehen jedoch auch potenzielle Migrant*innen den Weg über das
Asylsystem und scheitern.
Legale Fluchtwege schaffen
Wer verhindern will, dass sich Schlepper an der Not von Geflüchteten bereichern, die
angesichts von Verfolgung, Krieg und Gewalt ihr Leben bei der Flucht übers Mittelmeer aufs
Spiel setzen, muss sichere und legale Fluchtalternativen schaffen. Wir wollen, dass Menschen
nicht länger lebensgefährliche Fluchtwege nach Europa auf sich nehmen müssen. Die EU-
Mitgliedstaaten können Geflüchteten Schutz und eine verlässliche Perspektive sowie
Planbarkeit für die aufnehmenden Länder bieten. Und es ist allein eine Frage des politischen
Willens, die Länder an den EU-Außengrenzen endlich zu entlasten. Dafür sind
Familienzusammenführungen sowie großzügige und verlässliche Aufnahmekontingente nötig,
insbesondere über das Resettlement-Programm des UNHCR oder über humanitäre Visa. Über diese
beiden Programme können Menschen auf der Flucht, zum Beispiel aus UN-Flüchtlingslagern in
Jordanien, dem Libanon oder der Türkei, in festen Kontingenten in Deutschland und anderen
EU-Mitgliedstaaten geordnet Schutz finden.
Seenotrettung gegen das Sterben im Mittelmeer
Das tausendfache Sterben im Mittelmeer muss beendet werden. Es ist eine unerträgliche
Schande, dass tausende Menschen auf der Flucht nach Europa ertrinken und sogar in der EU
Rettungsbooten der seerechtlich garantierte sichere Hafen verweigert wird.
Zivilgesellschaftliche Seenotrettungs- und Flüchtlingsorganisationen, die dort einspringen,
wo der Staat versagt oder seine Schutzpflicht sogar wissentlich verweigert, dürfen nicht
kriminalisiert werden. Wer Flüchtlinge aus Seenot rettet, muss die Gewissheit haben, dafür
nicht bestraft zu werden, denn er handelt im Einklang mit See- und Völkerrecht. Gleichzeitig
sind wir überzeugt, dass Seenotrettung eine staatliche Aufgabe ist. Wir fordern, dass die EU
ihre humanitären Pflichten endlich wahrnimmt, ein europäisch organisiertes und finanziertes
ziviles Seenotrettungssystem aufbaut und sich an das völkerrechtlich verbriefte
Nichtzurückweisungsgebot hält.
Europäische Grenz- und Asylbehörde schaffen und Menschen human erstunterbringen
Zentraler Bestandteil einer menschenrechtlichen, humanen und geordneten Flucht- und
Migrationspolitik ist, dass die EU-Außengrenzen kontrolliert und Asylsuchende dort
zuverlässig registriert und erstversorgt sowie die Daten abgeglichen werden. Denn
Voraussetzung für einen solidarischen Verteilmechanismus und für die Freiheit im Inneren
ist, dass wir wissen, wer zu uns in die EU kommt. Auch um zu verhindern, dass mögliche
Terrorist*innen oder Straftäter*innen untertauchen. Aber Grenzkontrolle darf nicht heißen:
Niemand kommt mehr rein.
Wir wollen ein europäisches Grenzkontrollregime, das auf dem gemeinsamen Schutz der
Menschenrechte basiert und das Vertrauen in das Schengen-System stärkt, anstatt einer
einseitigen Aufrüstung von Frontex. Parallel dazu muss die EU-Asylbehörde EASO in ihren
Befugnissen so erweitert werden, dass sie gemeinsam mit den Mitgliedstaaten für eine
schnelle Registrierung, eine humane Erstunterbringung mit medizinischer Versorgung und die
anschließende schnelle und faire Verteilung sorgt. Sie muss die gemeinsamen europäischen
Asylregeln gegenüber allen Mitgliedstaaten durchsetzen.
Essenziell dafür ist eine wirklich umfassende finanzielle, infrastrukturelle und personelle
Ausstattung dieser europäischen Erstaufnahmeeinrichtungen, damit nach einer umfassenden
Erstversorgung und Registrierung die Menschen auf Grundlage des Verteilungsmechanismus in
die anderen EU-Staaten weitergebracht werden. Zustände wie in den Hot Spots auf Lesbos sind
mit den Werten Europas nicht vereinbar und müssen dringend beendet werden, indem Menschen
aus diesen Lagern in EU-Staaten aufgenommen werden.
Abgesperrte Massenlager in der EU und europäische Außenlager in Drittstaaten lehnen wir
ebenso ab wie Abschottungs-Abkommen, mit denen Menschen in Drittstaaten zurückgeschickt
werden, die die Menschenrechte und internationales Recht mit Füßen treten. Dem Umbau des
Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zu einem Programm zum Abbau von
Flüchtlingsrechten treten wir entschieden entgegen.
Ein einheitliches europäisches Asylsystem mit einem solidarischen Verteilmechanismus
voranbringen
Zu einer humanitären und geordneten Migrationspolitik sollten alle EU-Staaten beitragen. Das
Dublin-System schiebt derzeit die Verantwortung einseitig auf Spanien, Italien, Malta und
Griechenland ab und hat ein gemeinsames Vorgehen in Europa unmöglich gemacht. Eine Reform
dieses Systems und ein fairer und solidarischer Verteilungsmechanismus sind deshalb
überfällig und wurden vom Europäischen Parlament längst beschlossen. Die Ministerinnen und
Minister der Mitgliedstaaten im Rat der EU müssen für diese Beschlüsse nun endlich den Weg
frei machen und ebenfalls zustimmen. Gleichzeitig gilt aber auch: Wenn sich nicht alle EU-
Staaten auf ein einheitliches Vorgehen bei der Asyl- und Migrationspolitik einigen können,
müssen die Länder, die die Notwendigkeit eines menschenrechtskonformen und geordneten
Systems erkannt haben, vorangehen. Für Kommunen, die Flüchtlinge aufnehmen möchten, fordern
wir Direkthilfen der EU.
Viele regionale und kommunale Behörden sind mit einer Fülle von konkreten Herausforderungen
konfrontiert: Unterbringung, soziale Integration, medizinische Versorgung und Bildung. Dies
spiegelt sich bisher nicht angemessen in den Fördermöglichkeiten, die die EU im Rahmen des
Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) zur Verfügung stellt, wider. Die EU sollte
daher Kommunen und Regionen bei der Aufnahme und Integration von Geflüchteten direkt mit
einem kommunalen Integrationsfonds unterstützen. Eine besondere Unterstützung sollten dabei
die Städte und Kommunen erhalten, die sich direkt an dem europäischen Verteilmechanismus
beteiligen.
Grundlage dafür müssen gemeinsame europäische Asylstandards sein, die nicht unter dem
Existenzminimum in den jeweiligen EU-Ländern liegen dürfen.
Freiwillige Ausreise stärken – Spurwechsel ermöglichen
Diejenigen, deren Asylanträge abgelehnt werden und bei denen kein anderer Grund gegen eine
Rückkehr spricht, müssen Europa auch wieder zügig verlassen. Dazu sollten europaweit
freiwillige Ausreisen stärker unterstützt werden. Beim Abschluss von Rückführungsabkommen
wollen wir denjenigen Ländern im Gegenzug Unterstützungen anbieten, die ihre Staatsbürger
schnell und unbürokratisch wieder aufnehmen. Das ist der erfolgreichere Weg, als darauf zu
bestehen, dass diese Länder zusätzlich zu ihren eigenen Staatsbürger*innen auch sogenannte
Drittstaatler*innen zurücknehmen, also Menschen, die auf ihrem Weg das Land lediglich
durchquert haben. Abschiebungen in Kriegsgebiete wie Afghanistan lehnen wir ab. Menschen,
die bereits in Europa sind und die in Beschäftigung stehen, sollen im Rahmen eines
Spurwechsels ins europäische Einwanderungssystem wechseln und hier bleiben können.
Fluchtursachen bekämpfen, nicht die Menschen auf der Flucht
Die beste Flüchtlingspolitik ist für uns diejenige, die dafür sorgt, dass weniger Menschen
auf der Welt gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Auch wir in Europa wollen dazu mehr
beitragen. Viele Ursachen der Flucht liegen nicht in unseren Händen. Oft stehen korrupte und
rücksichtslose Eliten einer nachhaltigen Entwicklung in den Herkunftsländern im Weg. Doch es
gibt auch Ursachen für Flucht, an denen wir in Europa sehr wohl beteiligt sind. Sie haben
mit der Art, wie wir konsumieren, wirtschaften und handeln, zu tun.
Wir stehen deshalb für eine Handelspolitik, die fair, ökologisch und gerecht gestaltet ist
und Mensch und Umwelt in den Mittelpunkt stellt. Wir wollen die Entwicklung der Wirtschaft
in den Partnerländern fördern, anstatt sie auszubeuten, und wollen wirkungsvoll gegen den
Landraub internationaler Konzerne vorgehen. Wir unterstützen die ärmsten Staaten beim
Klimaschutz sowie bei der Anpassung an Klimaveränderungen und treten für eine ökologische
Agrarwende und ökologisch-gerechte Fischereiverträge ein. Außerdem gehören europäische
Billigexporte in Entwicklungs- und Schwellenländer gestoppt, genauso wie Rüstungs- und
Waffenexporte in Kriegs- und Krisengebiete. All das bekämpft Fluchtursachen wirklich und
hilft den Menschen vor Ort.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- ein europäisches Einwanderungsgesetz, das legale Migration ermöglicht,
- einen europäischen Integrationsfonds, der Kommunen und Regionen unterstützt,
- ein einheitliches europäisches Asylsystem mit einem fairen und solidarischen
Verteilungsmechanismus,
- ein europäisch organisiertes und finanziertes ziviles Seenotrettungssystem.
3.4 Ein Europa der Gleichberechtigung schaffen
Wir wollen, dass Frauen gleichberechtigt und selbstbestimmt alle gesellschaftlichen Bereiche
gestalten können. Die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Selbstbestimmung ist lange
Zeit durch Vorgaben aus Europa gestärkt und befördert worden. Dennoch ist noch einiges zu
tun, um Europa zu einem Kontinent der wirklichen Gleichberechtigung zu machen.
Doch aktuell werden diese Errungenschaften massiv in Frage gestellt. In Polen will die
rechtskonservative Regierung das sehr restriktive Abtreibungsrecht noch weiter verschärfen.
In Ungarn soll nach dem Willen der Orbán-Regierung die Geschlechterforschung an
Universitäten verboten werden. Und in ganz Europa vernetzen sich antiemanzipatorische
Gruppierungen, um Kampagnen gegen legale Schwangerschaftsabbrüche, Sexualaufklärung und
Gleichberechtigung zu starten.
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit
Immer noch haben Frauen durchschnittlich weniger Geld und damit weniger Macht als Männer.
Sie werden für gleichwertige Tätigkeiten schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen.
Viele Frauen arbeiten in Berufen, die finanziell viel zu gering entlohnt werden, etwa in der
Pflege oder der Kinderbetreuung. In Deutschland klaffen die Löhne weiter auseinander als in
allen anderen europäischen Staaten.
Um das zu ändern, fordern wir eine europaweite Richtlinie, die Kriterien für die
Vergleichbarkeit von Arbeitsplätzen festlegt und Transparenz über Löhne und Gehälter für
alle schafft. Für Betroffene von Diskriminierung fordern wir die Möglichkeit, mit der
Unterstützung von Verbänden und Gewerkschaften klagen zu können. So wären die Frauen nicht
mehr auf sich allein gestellt, wenn sie vor Gericht ziehen müssen. Wir wollen die
Einflussnahme von Frauen in Macht- und Führungspositionen stärken und unterstützen den
Vorschlag der EU-Kommission für eine Frauenquote in den Aufsichtsräten großer Firmen. Wir
wollen gleichzeitig auch dafür sorgen, dass die Führungsgremien der EU-Institutionen
verpflichtend paritätisch besetzt werden.
Für sexuelle Selbstbestimmung, Schutz vor Gewalt und Ausbeutung
Wir kämpfen in ganz Europa für die Selbstbestimmung der Frauen über ihren eigenen Körper und
ihre Sexualität. Solidarisch stehen wir an der Seite all derjenigen, die – wie in Polen –
gegen rechtskonservative Kräfte kämpfen, die legale Schwangerschaftsabbrüche massiv
einschränken oder gar abschaffen wollen. Das Recht auf körperliche Selbstbestimmung,
selbstbestimmte Familienplanung und Zugang zu sicherer Verhütung muss für alle
sichergestellt sein.
Erstmals gibt es für den europäischen Raum ein völkerrechtlich bindendes Instrument zur
umfassenden Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen: die Istanbul-Konvention. Das ist eine große
Errungenschaft der EU, mit der überall in Europa der Schutz vor Gewalt verbessert werden
kann. Wir setzen uns dafür ein, dass diese wichtige Vereinbarung konsequent in den EU-
Staaten umgesetzt und eingehalten wird.
Darüber hinaus fordern wir eine Richtlinie gegen Gewalt an Frauen, die konkrete Ziele
vorgibt, damit Frauen und Mädchen besser geschützt werden. Die EU sollte bestehende
Förderprogramme für Hilfs- und Beratungsangebote aufstocken, damit Frauenhäuser ausreichend
finanziert sind.
Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und der Ausbeutung von Arbeitskraft muss
in Europa konsequent und wirkungsvoll bekämpft werden: mit Hilfe des Strafrechts, durch
Information und Beratung, durch die konsequente Durchsetzung der Arbeits- und Sozialrechte
der Betroffenen sowie durch Schutz und Hilfe für die Opfer. Diese dürfen nicht einfach in
ihre Herkunftsländer abgeschoben werden, sondern brauchen Schutzprogramme und ein
dauerhaftes Bleiberecht. Nur so können wir die Anzeige- und Aussagebereitschaft deutlich
erhöhen und damit Menschenhandel effektiv bekämpfen.
Gleichberechtigungs-Check im EU-Haushalt
In einem Europa der Gleichberechtigung sollen Frauen und Männer zu gleichen Teilen von
europäischen Geldern profitieren. Damit das sichergestellt wird, braucht es einen
„Gleichberechtigungs-Check” des jährlichen EU-Haushalts, also ein Gender-Budgeting. Um
gleichberechtigte Lebensverhältnisse erreichen zu können, bedarf es einer verlässlichen
wissenschaftlichen Grundlage zu Antidiskriminierungspolitik und geschlechtsspezifischen
Aspekten in allen Politikfeldern. Das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen muss
dafür besser finanziert werden.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- gleiche Bezahlung für gleiche und gleichwertige Arbeit,
- Schutz vor sexualisierter Gewalt für alle Frauen und Kinder,
- sexuelle Selbstbestimmung von Frauen.
3.5 Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans*, Inter* und Queer*Menschen (LSBTIQ*)
stärken
Wir treten für ein Europa ein, in dem jeder Mensch frei leben kann – unabhängig von
sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität.
Nach jahrzehntelangem Kampf für die „Ehe für alle“ dürfen in Deutschland und einigen anderen
EU-Ländern nun endlich gleichgeschlechtliche Paare heiraten. Obwohl vielerorts
Gleichberechtigung auf dem Papier besteht, werden Menschen aufgrund ihrer sexuellen
Orientierung und Geschlechtsidentität immer noch abgewertet oder benachteiligt.
Rechtsnationale Kräfte versuchen, in ihrem Kampf gegen eine demokratische und freie
Gesellschaft autoritäre und patriarchale Wertvorstellungen wieder zum Gesellschaftsideal zu
machen. Der Schutz von Minderheiten gehört jedoch zu den Grundwerten der Europäischen Union.
Wir stehen in ganz Europa an der Seite der LSBTIQ* und stellen uns den Angriffen gegen ihre
Gleichberechtigung entgegen.
In einigen EU-Mitgliedstaaten gelten sogenannte „Anti-Propaganda“-Gesetze, die
Diskriminierung und Hass gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter* und
Queer*Menschen befördern, indem etwa im Schulunterricht nicht mehr über Sexualität und
Homosexualität gesprochen werden darf. In Ungarn gibt es staatlich orchestrierte Angriffe
auf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit Diskriminierung aufgrund von
sexueller und geschlechtlicher Identität befassen.
Wir packen die bestehenden Probleme an und stocken die Mittel für Aufklärungsarbeit und das
„Programm für die Förderung von Vielfalt“ auf.
Wir fordern eine europaweite Anerkennung eingetragener Partnerschaften und
Regenbogenfamilien und die damit verbundene Anerkennung ihrer Rechte. Der Europäische
Gerichtshof hat im Frühjahr 2018 geurteilt, dass ein in einem Mitgliedsland anerkanntes
eingetragenes Paar auch in einem anderen als solches anerkannt werden muss. Jetzt gilt es,
diese Rechtsprechung auch in allen Mitgliedsländern durchzusetzen.
Innerhalb der EU gibt es aber auch Positivbeispiele, von denen wir lernen können. In Ländern
wie Irland, Malta und Dänemark können Trans*Personen eine Anpassung der
Geschlechtszugehörigkeit vornehmen, ohne sich einem entwürdigenden Gutachten zu unterziehen.
Wir wollen, dass in allen EU-Staaten Vornamen- und Personenstandsänderungen durch einen
unkomplizierten Verwaltungsakt ermöglicht werden. Eine Geschlechtszugehörigkeit kann
schließlich nur von den betreffenden Menschen selbst festgelegt werden.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- mehr Geld für das „Programm für die Förderung von Vielfalt“,
- die europaweite Anerkennung eingetragener Partnerschaften und Regenbogenfamilien,
- eine einfache Änderung des Personenstandes bei Anpassung der Geschlechtszugehörigkeit,
- den Wegfall von entwürdigenden Gutachten bei der Geschlechtsanpassung.
3.6 Menschenfeindlichkeit bekämpfen
Europa zeichnet sich durch Diversität und ein Miteinander verschiedener Religionen,
Sprachen, Kulturen und Bräuche aus. Um noch besser zusammenzuwachsen, müssen wir stärker
gegen Hass und Menschenfeindlichkeit gegenüber bestimmten Gruppen vorgehen.
Niemand darf in Europa für seine Herkunft, sein Aussehen oder seinen Glauben diskriminiert
oder angefeindet werden. Das ist auch durch die Europäische Grundrechtecharta verboten. Aber
die Realität sieht anders aus: In den letzten Jahren steigen in einigen Mitgliedstaaten
körperliche und verbale Angriffe auf Minderheiten und Einzelpersonen wieder. Die EU muss
deshalb die Bekämpfung von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit stärker voranbringen.
Rassismus nimmt zu. Menschen werden aufgrund ihrer Hautfarbe im öffentlichen Raum
angefeindet und angegriffen. Wir stellen uns dem entgegen und streiten für ein
demokratisches Miteinander.
Durch Antisemitismus im Alltag fühlen sich viele Jüdinnen und Juden in europäischen Ländern
nicht mehr sicher. „Nie wieder“ lautet das Versprechen, dem sich Europa nach dem Zweiten
Weltkrieg und der massenhaften Ermordung der jüdischen Bevölkerung Europas verpflichtet hat.
„Nie wieder“ soll Leitbild für Europas Zukunft sein.
Jede Art von Antisemitismus muss bekämpft werden. Der Schutz vor antisemitischer Gewalt ist
eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und sollte nicht auf die Betroffenen abgeschoben
werden. Darum dürfen auch die Kosten für die Sicherheit jüdischer Einrichtungen von
Mitgliedstaaten nicht auf die jüdischen Gemeinden abgewälzt, sondern müssen staatlich
finanziert werden.
2017 gab es allein in Deutschland fast 1.500 antisemitische und mehr als 1.000
antimuslimische Straftaten. Es werden zum Beispiel Frauen mit Kopftuch im öffentlichen Raum
angegriffen. Antimuslimischer Rassismus insgesamt ist dabei keine gesellschaftliche
Randerscheinung, sondern findet sich auch in der Mitte der Gesellschaft.
Rechtspopulist*innen nutzen dieses „Feindbild Muslime“ für ihre Zwecke. Wir stellen uns
entschieden an die Seite der Muslim*innen und stellen uns dem Hass gegen sie entschieden
entgegen.
Für Betroffene von Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sind Anlaufstellen
ein wichtiger Ort, um sich über ihre Rechte zu informieren und sie mit Unterstützung dieser
Stellen auch durchzusetzen. Diese müssen besser ausgestattet werden.
Roma und Sinti gehören seit hunderten von Jahren zu Europa. Ebenso lange werden sie
diffamiert und diskriminiert. Diese Diskriminierung ist der Hauptgrund dafür, dass Menschen
mit Romno-Hintergrund oft arm und schlechter ausgebildet sind. Wir begrüßen, dass im Rahmen
des EU-Plans für die Inklusion der Roma bereits wichtige Maßnahmen auf den Weg gebracht
werden. Die Mittel im Kampf gegen Antiziganismus müssen aber weiter aufgestockt werden.
Zusätzlich kämpfen wir dafür, die Barrieren beim Abruf der Gelder zu verringern. Hierfür
unterstützen wir die konkrete Projektarbeit, insbesondere wenn sie strukturelle
Veränderungen ermöglicht. Ein essenzieller Bestandteil der Arbeit muss immer die Einbindung
der Betroffenen auf Augenhöhe sein. Erst mit echter Hilfe zur Selbsthilfe können wir eine
langfristige und nachhaltige Verbesserung der Bedingungen erreichen. Es besteht ein
rechtlicher Anspruch auf Teilhabe in den Bereichen Arbeit, Bildung, Wohnen und Gesundheit.
Die Defizite bei der Durchsetzung dieses Anspruchs wollen wir sichtbar machen und aufheben.
Hass und Hetze finden heute nicht nur auf der Straße, sondern vermehrt auch im Internet und
in sozialen Netzwerken statt. Dagegen wollen wir europäisch vorgehen. Wir setzen uns für
eine wirksame europäische Rechtsgrundlage zur Bekämpfung von Hasskommentaren ein.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- eine europaweite, ständige, systematische Erfassung von Straftaten gegen Menschen, die
zu einer bestimmten Gruppe gehören (gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit),
- eine Aufstockung der Mittel im Kampf gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit,
- eine bessere Ausstattung der unabhängigen Gleichbehandlungsstellen,
- eine europäische Rechtsgrundlage für die Bekämpfung und Verfolgung von Hasskommentaren
im Internet.
3.7 Für ein barrierefreies Europa sorgen
Menschen mit Behinderungen müssen in ganz Europa selbstbestimmt und gleichberechtigt leben
können.
Um ihre Rechte umzusetzen, wurden mit der UN-Behindertenrechtskonvention auch für die EU-
Mitgliedstaaten verbindliche Vorgaben verankert. Menschen mit Behinderung müssen in allen
Lebensbereichen – bei der Bildung und Erwerbsarbeit, beim Wohnen, bei Reisen und in ihrer
Freizeit – den gleichen Zugang zur Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen Leben
haben wie Menschen ohne Behinderungen. Inklusion heißt, dass alle Menschen selbstbestimmt am
gesellschaftlichen Leben teilnehmen können und niemand ausgegrenzt wird. Dafür müssen
Barrieren aller Art abgebaut und das Recht auf eine selbstbestimmte und eigenständige
Lebensführung muss sichergestellt werden. Erste Schritte sind der europaweit geltende
Parkausweis oder der Euroschlüssel, der Menschen mit Behinderung den einfachen Zugang zu
allen Behindertentoiletten im öffentlichen Raum ermöglicht.
Die europäische Barrierefreiheits-Richtlinie verpflichtet auch private Anbieter von Waren
und Dienstleistungen zum Abbau von Barrieren. Wir setzen uns für einen barrierefreien
öffentlichen Raum ein, in dem Gebäude, Medien, Produkte, Dienstleistungen und
Veranstaltungen besser zugänglich und nutzbar sind. Hierzu ist es unumgänglich, auch für die
Privatwirtschaft verbindliche Vorgaben für die Barrierefreiheit zu formulieren.
Wir setzen uns dafür ein, dass die 5. Antidiskriminierungsrichtlinie endlich kommt, denn sie
würde eine Lücke im europäischen Antidiskriminierungsrecht schließen. International
anerkannte Menschenrechte würden in der EU eine Rechtsgrundlage erhalten, und die VN-
Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung würde auf europäischer Ebene
rechtlich umgesetzt, wie zum Beispiel das Recht auf Zugang zu allen Bildungseinrichtungen
und das Recht auf selbstbestimmtes Wohnen. Doch seit Jahren wird ihre Verabschiedung durch
die deutsche Bundesregierung blockiert. Wir Grünen kämpfen weiter gegen die Blockade und für
den effektiven Schutz gegen Diskriminierung auch außerhalb des Arbeitsmarktes.
Wir wollen, dass auch Menschen mit Behinderungen das Recht auf Freizügigkeit für sich nutzen
können, ohne dass sozialrechtliche Vorschriften der Mitgliedstaaten das verhindern. Auch
Menschen mit umfassender Betreuung sollen das Wahlrecht erhalten, das betrifft allein in
Deutschland 81.000 Menschen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in der EU,
- die Ausweitung von Inklusion und Barrierefreiheit,
- das Wahlrecht für alle Menschen mit Behinderung.
3.8. Europas Verbraucher*innen stärken
Wir treten für ein Europa ein, in dem die Rechte der Verbraucher*innen geschützt werden, und
zwar grenzüberschreitend. Denn im europäischen Binnenmarkt bewegen sich Waren, Kapital,
Dienstleistungen und Personen frei. Wir wollen sicherstellen, dass die Menschen in Europa
vor gesundheitlichen und finanziellen Gefahren geschützt werden und dass sie wissen, was sie
konsumieren. Sie müssen ihre Rechte gegenüber Unternehmen wirksam geltend machen können.
Der Verbraucherschutz in der Europäischen Union ist eine Erfolgsgeschichte: Die Abschaffung
der Roaming-Gebühren, das Verbot von Tierversuchen zur Herstellung von Kosmetika, das
„Bankkonto für alle“ und ein Schnellwarnsystem für als gefährlich gemeldete Produkte sind
nur einige wenige Beispiele.
Doch es gibt auch Probleme. Schon im September 2015 wurden die Abgasmanipulationen an VW-
Dieselautos bekannt – welche Ansprüche die Kund*innen geltend machen können, ist aber noch
immer unklar. Das liegt daran, dass für einzelne Verbraucher*innen Aufwand und Risiko
rechtlicher Schritte derart hoch sind, dass Unternehmen trotz betrügerischer
Geschäftspraktiken selten Folgen fürchten müssen. Die Möglichkeit für Sammelklagen, bei
denen sich Geschädigte zusammenschließen können, sowie Verbandsklagen und
Musterfeststellungsklagen müssen daher europaweit eingeführt werden.
Im europäischen Bahnverkehr wollen wir ein einheitliches Ticket-System schaffen. Der
Flickenteppich nationaler Fahrkarten macht die Bahn grenzüberschreitend unattraktiv. Häufig
werden nur Einzeltickets für die Strecken der jeweiligen nationalen Anbieter angeboten.
Verpasst ein Fahrgast wegen einer verspäteten Bahn zum Beispiel in Deutschland seinen
Anschlusszug nach Italien, muss er auf eigene Kosten ein neues Zugticket kaufen. Stattdessen
braucht es ein System mit nur einem Ticket für alle Verkehrsträger für die gesamte EU – aus
dem portugiesischen Dorf bis an die kroatische Küste oder aus Süditalien nach Lappland, egal
ob mit Bus, Bahn oder Tram. Das Interrailticket soll nur der Anfang sein.
Wir brauchen auch endlich verständliche und realistische Kennzeichnungen von Lebensmitteln.
Nährwerte wollen wir durch die leicht verständliche Lebensmittelampel kenntlich machen. Es
muss klar werden, wie viel Zucker, Salz und Fett Lebensmittel enthalten. Für sämtliche
Tierprodukte wollen wir eine europäische verbindliche Kennzeichnung nach Haltungs- und
Transportbedingungen einführen.
Wir wollen einen starken Verbraucherschutz bei Finanzprodukten. Heute verkaufen
Berater*innen oft schlechte Produkte, die ihnen aber eine hohe Provision einbringen. Das
wollen wir ändern. Deshalb wollen wir einen Übergang zu einer qualitativ hochwertigen
Beratung auf Basis transparenter Honorare fördern. Beratung muss Anleger*innen den Weg zu
guten Finanzprodukten weisen.
Digitale Verbraucherrechte stärken
Datenschutz schützt nicht Daten, sondern die Privatsphäre des Menschen. Datenschutz ist
Verbraucherschutz. Vor allem unsere persönlichen Vorlieben und Interessen gehen niemanden
etwas an. Informationelle Selbstbestimmung ist ein zentrales Grundrecht. Aber es ist gerade
in Zeiten der Digitalisierung, der Plattformökonomie und des „Internets der Dinge“ neu
herausgefordert.
Produkte und Kaufgewohnheiten haben sich fundamental geändert. Aber welche Daten im Internet
preisgegeben, gesammelt und gespeichert werden, das sollen die Betroffenen selbst
entscheiden und nicht Internet-Giganten wie Google oder Facebook.
Mit der von den europäischen Grünen hart erkämpften Datenschutzgrundverordnung (DSVGO) hat
die EU einen Meilenstein für modernen Datenschutz gesetzt. Sie sorgt dafür, dass die
weltweiten Datenkonzerne in die Schranken gewiesen werden, und zeigt, dass wir als
Europäische Union gemeinsam Standards setzen können, die weltweite Ausstrahlung haben.
Hierauf können wir aufbauen.
So fordern wir bei der „e-Privacy“-Verordnung zum Schutz unserer elektronischen
Kommunikation, dass mobile Endgeräte wie Smartphones, Tablets oder „smarte“ Assistent*innen
wie Alexa oder Siri schon vom Werk aus auf den Schutz der Privatsphäre hin eingestellt sind.
Wir wollen, dass Browser-Einstellungen wie „Do not track“ rechtsverbindlich werden, damit
nicht automatisch ein Nutzungsprofil erstellt wird. Offline-Tracking durch Standortdaten,
mit dem zum Beispiel Handys geortet werden, obwohl sie nicht mit dem Internet verbunden
sind, muss verboten werden.
Wir setzen uns für verbindliche Ende-zu-Ende-Verschlüsselung als Standard unserer
elektronischen Kommunikation ein. Hintertüren für die Hersteller oder gar für Geheimdienste
darf es nicht geben.
Technische Geräte mit Zugang zum Internet erobern zudem immer mehr unseren Alltag: So
reguliert die intelligente Heizung entsprechend der Wettervorhersage selbständig die
Zimmertemperatur, und die Spielzeugpuppe kommuniziert mit Kindern. Sind diese Geräte nicht
ausreichend geschützt, bieten sie ein Einfallstor für kriminelle Hacker, die sich in die
Systeme einschalten könnten, um sie zu manipulieren.
Wir fordern verpflichtende Mindeststandards für die IT-Sicherheit von technischen Geräten.
Dazu gehören Verschlüsselung, Software, die auf dem neuesten Sicherheitsstand ist, und
regelmäßige kostenlose Software-Updates sowie starke Authentifizierungsmechanismen bei
vernetzten Geräten.
Wenn ein Sicherheitsproblem bei einem Auto festgestellt wird, wie zum Beispiel eine
mangelhafte Bremse, ist klar, dass der Hersteller dafür haftbar gemacht werden kann und die
fehlerhaften Autos zurückrufen muss. Doch für Software gibt es bislang noch keinerlei
Produkthaftung auf europäischer Ebene. Das muss sich ändern: Kommerzielle Hersteller von
Software müssen haften, wenn sie bekannte Sicherheitslücken nicht schließen.
Damit unsere Grundrechte wirklich geschützt werden, müssen auch die Datenschutzbehörden
endlich die personellen und finanziellen Mittel bekommen, die sie brauchen, um unseren
Grundrechten flächendeckend zur Geltung zu verhelfen und europaweit zusammenzuarbeiten.
Wir setzen uns dafür ein, dass politische Werbung im Internet transparent gekennzeichnet und
die Finanzierung offengelegt wird. Versteckte Einflussnahme auf politische
Willensbildungsprozesse und Wahlen muss verhindert werden.
Produkte nachhaltiger und sicherer machen
Produkte des alltäglichen Lebens, von Essen über Kleidung bis zu Kosmetika oder
Gebrauchsgegenständen, wollen wir sicher machen – durch strengere Grenzwerte bis hin zu
Verboten gesundheitsgefährdender Stoffe. Aus PVC und PVC-Weichmachern wollen wir wegen der
gesundheitlichen Risiken aussteigen. Nanopartikel kommen bereits in Lebensmitteln, Kosmetika
oder Medikamenten zum Einsatz, ihre Unbedenklichkeit ist aber nicht eindeutig festgestellt.
Wir fordern daher ein Register für Nanoprodukte. Die Definition von „Nanopartikeln“ muss so
eng gefasst werden, dass es keine Schlupflöcher gibt.
Frühzeitiger Verschleiß von Produkten ist für die Verbraucher*innen ein teures Ärgernis,
verschwendet Ressourcen und lässt die Müllberge weiter wachsen. Unser Ziel sind langlebige
Produkte, die repariert und recycelt werden können. Wir fordern eine verbindliche
europäische Regelung gegen eine absichtliche Verkürzung der Lebensdauer von Produkten.
Außerdem müssen die Hersteller einer Rücknahmepflicht unterliegen, die Recycling
sicherstellt.
Für Software und Hardware braucht es Klarheit darüber, wie lange Updates inkl.
Sicherheitsupdates zur Verfügung gestellt werden, sowie klare Anforderungen zur Lebensdauer
von Software und zur Kompatibilität mit Vorgängerversionen. Die europäischen Regelungen für
die Gewährleistung für Produkte wollen wir an deren Lebensdauer anpassen und auch auf
Software ausweiten.
Oft braucht man für ein neues Gerät auch ein neues Ladekabel, weil das alte nicht passt. Für
Ladegeräte und -kabel von Smartphones, Tablets und Laptops muss es einen einheitlichen und
verbindlichen europäischen Standard geben.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- den Schutz der Privatsphäre bei Smartphones, Tablets und „smarten“ Assistenten von
Anfang an,
- eine verbindliche Ende-zu-Ende-Verschlüsselung als Standard bei elektronischer
Kommunikation,
- eine Rücknahmepflicht bei den Herstellern für ein sicheres Recycling unserer Produkte,
- einen einheitlichen europäischen Standard für Ladegeräte und -kabel.
3.9 Terror bekämpfen, Freiheit sichern
Gegen Terrorismus helfen keine Schlagbäume. Stattdessen brauchen wir eine stärkere
europäische Kooperation der Sicherheitsbehörden zur Verteidigung unserer Freiheit.
Islamistisch und rechtsextrem motivierter Terror greifen unsere europäische freiheitliche
Lebensweise und Demokratie an. Dem stellen wir uns mit aller Entschlossenheit entgegen. Wir
setzen dabei auf wirksame Prävention und effektive Strafverfolgung. Das heißt, anders als
die derzeit verfolgte Politik wollen wir nicht, dass unsere Sicherheitskräfte anlasslos jede
Menge Daten sammeln oder dass veraltete Technik effektive Abgleiche verhindert. Wir wollen
eine präzise und konsequente Strafverfolgung. Eine maßlose Politik immer weiter reichender
Grundrechtseingriffe hingegen schwächt unsere Freiheit und sorgt nicht für mehr Sicherheit.
Europäisches Kriminalamt schaffen
Unsere Sicherheit darf nicht dadurch gefährdet werden, dass die Polizeibehörden der
Mitgliedstaaten bei der Zusammenarbeit versagen und die Überwachung von Verdächtigen an den
innereuropäischen Grenzen endet. Deshalb fordern wir den Aufbau eines Europäischen
Kriminalamts (EKA). Das heißt, dass die europäische Polizeibehörde Europol zu einer
schlagkräftigen europäischen Polizei nach dem Vorbild des Bundeskriminalamts mit eigenen
Ermittlungsteams ausgebaut wird. Sie braucht eigenständige Ermittlungsmöglichkeiten und
‑befugnisse, um in grenzüberschreitenden Fällen von Terrorismus und organisierter
Kriminalität selbst ermitteln zu können. Sie muss Terrorverdächtige, Mafiaorganisationen,
Menschenhandel, aber auch länderübergreifend agierende Einbruchsbanden und Rechtsextremisten
gezielt überwachen und verfolgen. Dafür muss sie mit ausreichend Ressourcen und Personal
ausgestattet werden.
Europaweite Vernetzung der Polizei
Um die Zusammenarbeit der Polizeibehörden der EU-Staaten zu verbessern, wollen wir ein
europaweites Austauschprogramm für Polizist*innen ins Leben rufen. Die Zusammenarbeit von
Polizist*innen in länderübergreifenden Ermittlungsteams wollen wir mit zusätzlichen Mitteln
aus dem EU-Haushalt fördern. Denn wer gemeinsam im Team zusammengearbeitet hat, greift
schneller zum Telefon, um seine Kolleginnen und Kollegen aus anderen EU-Staaten zu
informieren oder um Rat zu fragen.
Europäische Staatsanwaltschaft ausbauen
Auch die Kompetenzen der Europäischen Staatsanwaltschaft müssen auf den Kampf gegen Terror
und organisierte Kriminalität ausgeweitet werden. Bisher ist sie nur für Betrugsfälle mit
EU-Geldern zuständig. Wir wollen, dass die Europäische Staatsanwaltschaft künftig auch
Ermittlungsverfahren gegen gewaltbereite Extremist*innen und organisierte Kriminelle
einleiten kann, auf deren Grundlage das Europäische Kriminalamt dann ermittelt.
Terrornetzwerke aufdecken
Um die Finanzierungsquellen von Terrornetzwerken und organisierter Kriminalität
auszutrocknen, möchten wir eine zentrale europäische Behörde für den Kampf gegen Geldwäsche
schaffen. Terrornetzwerke und organisierte Kriminelle agieren grenzüberschreitend. Wir
wollen, dass Banken verdächtige Kontobewegungen direkt an die europäische Stelle melden,
anstatt nur ihre nationale Meldestelle zu informieren.
Für die Verfolgung von terroristischer und gewaltverherrlichender Propaganda im Internet
braucht es mehr Beamt*innen und spezialisierte Staatsanwält*innen und Richter*innen. Die
momentane Praxis von Europol, Digitalplattformen lediglich auf Basis ihrer allgemeinen
Geschäftsbedingungen zur Löschung solcher Inhalte aufzufordern, ist eine Verhöhnung des
Rechtsstaats. Sie bedeutet eine Privatisierung der Rechtsdurchsetzung, führt auch zur
Löschung legaler Inhalte und vermeidet die eigentliche Aufgabe der Polizei, Straftäter*innen
dingfest zu machen.
Aussteigerprogramme stärken und Waffenrecht verschärfen
Programme zur Deradikalisierung und für Aussteiger*innen aus der islamistischen und
rechtsextremen Szene wollen wir europaweit stärken. Um Terrorakte und Amoktaten zu
verhindern, muss der Zugang zu Waffen erschwert werden. Es ist immer noch viel zu einfach,
an illegale Schusswaffen und umgebaute Dekorationswaffen zu gelangen. Alle gefährlichen
Waffen müssen lückenlos registriert und die Eignung und Zuverlässigkeit der Besitzer*innen
regelmäßig geprüft werden. Wir wollen eine europaweite einheitliche Kennzeichnung und
gemeinsame Standards für die Deaktivierung von Feuerwaffen einführen.
Angesichts der Zunahme rechtsextremer Gewalttaten und der Ausbreitung rechten und
rechtsextremen Gedankenguts muss die demokratische Zivilgesellschaft umso mehr gestärkt
werden. Während demokratiefeindliche Gruppen sich international austauschen und ihre Kräfte
bündeln, verbleiben demokratische Initiativen meist sehr lokal verhaftet.
Wir setzen uns für die finanzielle Unterstützung, die Vernetzung und den internationalen
Austausch der demokratischen Kräfte ein. Entsprechende Fördermittel und Programme auf EU-
Ebene müssen aufgestockt werden. Eine besondere Rolle spielt dabei eine alltags- und
lebensweltbezogene Bildungsarbeit in Schulen und Jugendeinrichtungen.
Datenschutz sicherstellen
Die europäischen Innenminister, tatkräftig unterstützt von der Großen Koalition in Berlin,
fordern nach jedem Terroranschlag geradezu reflexhaft zusätzliche Datenbanken und
Massenüberwachung. Wer mit dem Flugzeug nach Europa reist, wird anlasslos registriert
werden, egal ob es sich um Terrorverdächtige, Tourist*innen oder Geschäftsreisende handelt.
Bestehende Polizei- und Grenzkontrollsysteme werden gerade verschärft, neue befinden sich im
Aufbau.
Die EU-Richtlinie zur Fluggastdatenspeicherung halten wir für rechtswidrig. Es ist nicht mit
unseren Grundrechten vereinbar, dass alle, die einen Flug buchen, wie Verdächtige behandelt
werden und hinnehmen müssen, dass ihre Daten fünf Jahre lang gespeichert und fortlaufend
einer automatisierten Rasterfahndung unterzogen werden. Auch die anlasslose
Vorratsdatenspeicherung von Handy- und Kommunikationsdaten ist bereits zweimal vom
Europäischen Gerichtshof als grundrechtswidrig aufgehoben worden. Einen neuen Anlauf zur
europaweiten Kommunikationsüberwachung wird es mit uns Grünen nicht geben. Wir kämpfen
weiterhin mit aller Vehemenz gegen die Vorratsdatenspeicherung.
Die angestrebte Datensammlung kostet viel Geld, das bei der gezielten Überwachung und
Verfolgung von terroristischen und extremistischen Gewaltbereiten fehlt. Während die EU-
Staaten Milliarden in den Aufbau neuer Datenbanken investieren, hat die europäische
Ermittlungsbehörde Europol ein jährliches Budget von wenigen hunderttausend Euro für
Ermittlungsteams. Viel zu oft endet deshalb eine Ermittlung oder Überwachung, wenn ein
Gefährder das Land wechselt.
Gleichzeitig werden Datenbanken, in denen gezielt Straftäter und Terrorverdächtige erfasst
sind, wie zum Beispiel im Schengener oder im Europol-Informationssystem, derzeit nicht
richtig genutzt, weil es an Personal und Informationsaustausch zwischen den EU-Staaten
mangelt. Hier gibt es dringend Änderungsbedarf.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- ein Europäisches Kriminalamt mit eigenen Ermittlungsteams,
- mehr Kompetenzen für die Europäische Staatsanwaltschaft im Kampf gegen Terror und
organisierte Kriminalität,
- eine europäische Behörde zur Bekämpfung von Geldwäsche,
- eine EU-weite Verschärfung des Zugangs zu gefährlichen Waffen,
- die Wahrung von Grundrechten und Datenschutz beim Kampf für mehr Sicherheit.
weitere Antragsteller*innen
Fehler:Du musst dich einloggen, um Änderungsanträge stellen zu können.
Von Zeile 202 bis 204:
auswandern wollen. Aber in die EU einzuwandern, ist für viele quasi unmöglich. Arbeitsmigration ist jedoch nicht nur eine Realität, sondern in Zeiten des Fachkräftemangelsvon Fachkräftemangel und demographischem Wandel auch eine Notwendigkeit für Staaten wie Deutschland. Ein europäisches Einwanderungsgesetz
Die Europäische Union hat Unglaubliches geleistet: Zum ersten Mal in der Geschichte unseres
Kontinents leben wir in einem gemeinsamen Raum des Rechts und nicht nach dem Prinzip „Recht
des Stärkeren“. Die EU hat schon viele Schritte für mehr Gleichberechtigung, für den Schutz
von Minderheiten und für ihre eigene Demokratisierung getan.
Europas Werte sind: Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte. Dieses Fundament muss all die Bewohner*innen der Europäischen Union tragen.
Doch in den letzten Jahren und Monaten haben nationale und nationalistische, reaktionäre,
populistische und völkisch-rassistische Parteien die Grundprinzipien der Europäischen
Einigung angegriffen und ausgehöhlt. Sie hassen die liberale Demokratie. Und deshalb hassen
sie den Traum von einem Europa, das sich sozial erneuert, in dem Menschen sich frei begegnen
können, in dem nationale Kompetenzen gebündelt werden, um Freiheit, Sicherheit und Recht zu
gewährleisten.
Daher gilt es jetzt umso mehr, die Werte Europas zu verteidigen. Wenn nationale Regierungen
Rechte von Andersdenkenden mit Füßen treten und die Unabhängigkeit von Justiz oder Presse in
Frage stellen, stärken wir gezielt die demokratischen Kräfte in den betroffenen
Mitgliedstaaten. Wenn Mitgliedstaaten Demokratie und Rechtsstaatlichkeit durch Korruption
untergraben, soll die EU-Kommission den nationalen Regierungen die Kontrolle über die EU-
Gelder entziehen können. Wenn Menschen wegen ihres Geschlechts, ihrer Religion, ihrer
Herkunft oder ihres Aussehens im Netz angegriffen werden, stellen wir Hasskommentare im
Internet EU-weit unter Strafe. Wenn Menschen sich aus Not in die Hände von Schleppern und
Schmugglern begeben müssen, schaffen wir legale Fluchtwege und ein Einwanderungsgesetz,
damit das Sterben auf dem Mittelmeer beendet und Einwanderung geordnet ermöglicht wird.
3.1. Grundrechte in der Europäischen Union sichern
Wir sind der Achtung der Menschenwürde, der Freiheit, Demokratie, Gleichheit,
Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der
Personen, die Minderheiten angehören, verpflichtet. Diese Kopenhagener Kriterien bilden das
Fundament der EU.
Wenn aber nationale Regierungen diese Rechte mit Füßen treten und immer autoritärer werden,
Pressefreiheit einschränken, Minderheiten schikanieren, die Unabhängigkeit der Justiz oder
die Freiheit der Künste aufheben, dann steht die EU häufig nur ratlos daneben.
Wir müssen daher die demokratischen Kräfte in den betroffenen Mitgliedstaaten stärken.
Entsprechend wollen wir die Möglichkeiten der EU erweitern. Dafür gibt es nicht die eine
Antwort, sondern es braucht ein Paket an Maßnahmen. Wir schlagen daher folgende Punkte zur
Stärkung von Demokratie und Freiheit in der Europäischen Union vor:
Die Europäische Grundrechtecharta verbindlich machen
Unser langfristiges Ziel ist es, dass alle EU-Bürgerinnen und EU-Bürger die gleichen
einklagbaren Grundrechte bekommen, um ihre Grundrechte und die Demokratie in allen
Mitgliedsländern besser verteidigen zu können. Die bestehende Grundrechtecharta der EU
beinhaltet grundlegende politische Freiheiten und demokratische Prinzipien, ebenso wie
moderne Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger, zum Beispiel auf Zugang zu guter
Gesundheitsversorgung und guter Bildung. Derzeit gilt die Grundrechtecharta allerdings nur
für europäische Gesetze. Für nationale Gesetze gelten die Grundrechte des jeweiligen Landes.
Deswegen konnte die Europäische Kommission beispielsweise bei der Einschränkung der
Pressevielfalt durch die Regierung von Viktor Orbán in Ungarn nicht angemessen agieren.
Der Anwendungsbereich der Grundrechtecharta muss deshalb auch auf die nationale Gesetzgebung
ausgeweitet werden. Damit könnten alle Bürgerinnen und Bürger die in der Charta enthaltenen
Grundrechte und demokratischen Prinzipien gegenüber ihren jeweiligen Nationalstaaten
einklagen. Das würde sie massiv stärken und die Möglichkeiten verbessern, Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen, gerade in den Ländern, in denen diese Prinzipien
angegriffen werden.
Unabhängige Prüfung von Demokratie und Menschenrechten in den EU-Mitgliedstaaten
Der Übergang von legitimen Maßnahmen zu Verletzungen demokratischer Prinzipien oder gar
systematischen Menschenrechtsverletzungen ist nicht immer einfach festzustellen. Der EU
fehlt es bislang sowohl an klaren Kriterien als auch an Strukturen dafür. Deswegen brauchen
wir ein unabhängiges Gremium aus Verfassungsexpert*innen, das alle Mitgliedsländer
regelmäßig auf die Einhaltung demokratischer Grundsätze hin überprüft. Wir schlagen dafür
eine „Kopenhagen-Kommission“ vor. Sie soll Kriterien für die Überprüfung auf Grundlage der
in Artikel 2 des EU-Vertrages verankerten Prinzipien wie Achtung der Menschenwürde,
Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Wahrung der Menschenrechte
entwickeln. Das Gremium soll durch die nationalen Parlamente sowie das Europaparlament
besetzt werden.
Die „Kopenhagen-Kommission“ soll weisungsunabhängig und kontinuierlich alle Mitgliedsländer
überprüfen und einmal jährlich über jedes Land berichten. Die Ergebnisse werden im
Europaparlament, im Europäischen Rat und in den nationalen Parlamenten diskutiert. Bei
akuten und gravierenden Verletzungen von demokratischen Prinzipien und Rechtsstaatlichkeit
durch einzelne nationale Gesetze erstellt die Kommission Ad-hoc-Berichte und schlägt der
Europäischen Kommission Sanktionsmöglichkeiten wie Geldstrafen vor.
Fördermittel an die Einhaltung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundwerte binden
Derzeit hat die EU gegenüber Mitgliedsländern bei erheblichen Verletzungen von
demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien nur die Möglichkeit, ein Verfahren
einzuleiten, das in letzter Instanz zu einem Stimmentzug dieses Mitgliedslandes führen kann.
Wir fordern für die EU weitere Möglichkeiten, auf entsprechende Probleme zu reagieren. Dazu
schlagen wir vor, bei der Vergabe von europäischen Fördermitteln anzusetzen, denn
europäische Ausgaben müssen auch europäischen Werten folgen.
Ein Entzug von Fördermitteln könnte jedoch die breite Bevölkerung treffen und nicht nur die
Regierungen, die demokratische Prinzipien verletzt haben. Deshalb sollten die Gelder nicht
einfach dem betroffenen Mitgliedsland an sich gestrichen werden. Stattdessen sollen die
Mittel im Fall einer Verletzung von demokratischen Prinzipien direkt von der EU-Kommission
an Kommunen oder andere Antragsteller*innen vergeben werden. So kann das Geld weiterhin dort
ankommen, wo es gebraucht und sinnvoll verwendet wird, aber die Vergabemacht läge nicht mehr
bei den nationalen Regierungen.
Keine Fördermittel ohne Kooperation bei der Kontrolle
Korruption untergräbt Demokratie und Rechtsstaat. Um unter anderem Korruption bei der
Vergabe von europäischen Mitteln besser auf die Schliche zu kommen, hat die Europäische
Union endlich eine Europäische Staatsanwaltschaft eingerichtet. Allerdings wollen sich nicht
alle Mitgliedstaaten vom Europäischen Staatsanwalt über die Schulter schauen lassen. Aber
wir sagen: Wer Gelder von der EU haben möchte, muss auch Kontrollen über die rechtmäßige
Verwendung zulassen und dafür mit der Europäischen Staatsanwaltschaft kooperieren. Wenn ein
Mitgliedsland dies nicht tut, können dort nur Fördermittel an jene Akteure ausgezahlt
werden, die eine Überprüfung durch die Europäische Staatsanwaltschaft zulassen.
Whistleblower schützen
Menschen, die sich trauen, Korruption offenzulegen, müssen besser geschützt werden. Daher
ist der Schutz von Hinweisgebern (Whistleblowern) nicht nur im Bereich der EU-Finanzen
nötig, sondern muss auch bei anderen illegalen Machenschaften gelten. Auf Druck der Grünen-
Fraktion im Europaparlament hat die Europäische Kommission einen Vorschlag gemacht, um
europaweit Whistleblower besser zu schützen, die im allgemeinen Interesse der Bevölkerung
Missstände aufdecken und dazu zum Beispiel Betriebsgeheimnisse preisgeben müssen. Nun gilt
es, daraus auch ein Gesetz zu machen, inklusive eines europäischen Zeugenschutzprogramms, um
Whistleblower vor Racheakten zu schützen.
Unterstützung von Zivilgesellschaften in der EU
In vielen Ländern schränken Regierungen den Einfluss und Handlungsspielraum
zivilgesellschaftlicher Initiativen, von Künstler*innen und Journalist*innen systematisch
ein. Doch Demokratie kann ohne eine aktive politische Zivilgesellschaft nicht funktionieren.
Um den Einschränkungen zivilgesellschaftlicher Handlungsspielräume („shrinking spaces“)
entgegenzutreten, ist ein Fonds für Demokratie- und Menschenrechtsverteidiger*innen
innerhalb der EU sinnvoll. So können jene, die sich hier für Demokratie einsetzen,
unterstützt werden.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- die Anwendbarkeit der EU-Grundrechtecharta auf nationale Gesetze,
- die systematische Prüfung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in allen EU-
Mitgliedstaaten,
- schärfere Maßnahmen gegen Korruption und bei Missachtung der europäischen Werte,
- ein europäisches Whistleblower-Schutz-Gesetz,
- einen Fonds für Demokratie- und Menschenrechtsaktivist*innen in der EU.
3.2 Europäische Demokratie stärken
Wir wollen die Entscheidungsprozesse auf europäischer Ebene noch demokratischer machen, das
Parlament stärken und die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger verbessern.
So ist das Europäische Parlament direkt gewählt, jedoch dem Europäischen Rat und dem
Ministerrat noch immer nicht in allen Politikfeldern gleichgestellt, zum Beispiel in der
Steuerpolitik oder der Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Das muss sich dringend ändern:
Das Europäische Parlament soll in allen Bereichen gleichberechtigt mit dem Rat entscheiden
können. Langfristig treten wir dafür ein, den Rat in eine zweite Kammer zu überführen, die
aus den Regierungen der Mitgliedstaaten zusammengesetzt ist. Diese zweite Kammer bildet
zusammen mit dem Europäischen Parlament die Legislative.
Wir wollen für alle verbleibenden Politikbereiche, in denen heute noch per
Einstimmigkeitsprinzip entschieden wird, Mehrheitsentscheidungen einführen. Das betrifft
hauptsächlich die Gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik sowie die Steuerpolitik. Damit
stärken wir Europas Handlungsfähigkeit und verhindern, dass einzelne Mitgliedsländer
grundlegende Entscheidungen, zum Beispiel in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik,
blockieren können.
Während das Europaparlament im Plenum und in den Ausschüssen öffentlich tagt, ist der Rat
trotz Verbesserungen noch immer eine Art „Black Box“: Es ist kaum nachvollziehbar, welches
Mitgliedsland sich dort wie positioniert. Hier wollen wir mehr Transparenz, so dass alle
Mitgliedsländer offenlegen müssen, wofür sie in Brüssel eintreten.
Mehr Transparenz braucht es ebenso bei den Interessenvertreter*innen, die in Brüssel aktiv
sind. Zwar besitzen das Europäische Parlament und die EU-Kommission im Gegensatz zum
Bundestag ein Lobbyregister, aber dieses ist noch nicht ausreichend verbindlich. Hier werden
wir uns weiter hartnäckig für die größtmögliche Transparenz einsetzen.
Demokratie bedeutet: Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger. Die Europäische
Bürgerinitiative (EBI) gibt ihnen die Möglichkeit, durch 1 Million Unterschriften neue EU-
Gesetze anzustoßen. Der Vertrag von Lissabon geht damit den ersten kleinen Schritt zu
direkter Demokratie in Europa. Wir wollen dieses Instrument zur Teilhabe stärken, ausbauen
und entbürokratisieren. Vor allem wollen wir dafür sorgen, dass erfolgreiche Europäische
Bürgerinitiativen nicht wirkungslos verpuffen. Sollte die EU-Kommission nicht innerhalb
eines Jahres nach einer erfolgreichen Bürgerinitiative einen Gesetzesvorschlag vorlegen,
kann das Europäische Parlament den Druck mit einem legislativen Initiativbericht erhöhen.
Auch Jugendliche ab 16 Jahren sollen bei einer Europäischen Bürgerinitiative mitstimmen
dürfen.
Wir unterstützen weiterhin das Prinzip der europäischen Spitzenkandidat*innen und
transnationalen Listen. Sobald die Möglichkeit einer transnationalen Liste besteht, sollten
die Spitzenkandidat*innen eine europäische Parteiliste anführen. Zugleich halten wir an der
Position fest, dass Präsidentin oder Präsident der Europäischen Kommission nur werden kann,
wer zuvor als Spitzenkandidat angetreten war.
Wir wollen die Kontrollrechte des Europaparlaments stärken. Dazu braucht es das Recht,
Zeugen und Gesprächspartner vorzuladen, damit willkürliche Absagen zu Parlamentsanhörungen
aufhören. Außerdem muss das Plenum des Europaparlaments über die Einrichtung eines
Untersuchungsausschusses abstimmen, wenn 25 % der Mitglieder es verlangen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- eine Stärkung des Europäischen Parlaments,
- mehr Transparenz und Abstimmung nach Mehrheitsprinzip im Europäischen Rat,
- ein verbindliches Lobbyregister,
- mehr direkte Demokratie durch die Aufwertung der Europäischen Bürgerinitiative.
3.3 Einwanderung gestalten, Flüchtlinge schützen
Europa war und ist ein Kontinent der Migration. Menschen sind seit Jahrhunderten innerhalb
Europas von einem in ein anderes Land gezogen, haben den Kontinent verlassen, sind von hier
geflohen oder haben ihn neu bereichert. Der Abbau der Grenzen innerhalb Europas und das
Recht auf Freizügigkeit war und ist eine der größten Errungenschaften, denn der Wohlstand
der Europäischen Union beruht nicht nur auf der Freiheit von Waren, Dienstleistungen und
Kapital. Essenziell für das Zusammenwachsen Europas war stets die Freizügigkeit der
Arbeitnehmer*innen. Möglich wurde dies, weil Europa früh Beschränkungen und bürokratische
Hindernisse abgebaut hat, um die Migration auf dem Arbeitsmarkt zu begünstigen, unter
anderem dadurch, dass Familienmitglieder von Arbeitnehmer*innen selbstverständlich die
gleichen Rechte wie Inländer*innen erhalten.
Doch wir haben die letzten Monate vor dem Hintergrund der globalen Fluchtbewegungen erleben
müssen, dass diese Errungenschaften keine Selbstverständlichkeiten sind. Sie zu erhalten und
gegen eine Rückkehr ins Nationale zu verteidigen, ist eine unserer zentralen Aufgaben. Zu
einer humanitären und geordneten Migrations- und Asylpolitik sollten alle EU-Staaten
beitragen.
Zugleich darf die Freiheit innerhalb Europas nicht zu einem Bollwerk nach außen werden. Bis
heute haben die EU-Mitgliedstaaten keine überzeugende gemeinsame Antwort auf Migration und
Flucht gegeben. Tagtäglich ertrinken Menschen bei der Fahrt über das Mittelmeer. Wir haben
schon vor Jahren festgestellt, dass das Dublin-System, wonach Asylsuchende in dem Land Asyl
beantragen müssen, das sie zuerst betreten haben, ungerecht und gescheitert ist. So ist es
im September 2015 auch gekommen.
Dieses System gilt jedoch noch immer. Damit wird die Verantwortung aber weiter einseitig auf
die Länder an den südlichen und östlichen Außengrenzen der EU abgewälzt, statt eine faire
Verteilung der Geflüchteten in Europa zu organisieren.
Wir treten für eine Europäische Union ein, die ihre humanitäre Verantwortung, das Grundrecht
auf Asyl und die Notwendigkeit, Verfahren zügig und geordnet durchzuführen, zusammenbringt.
Ein Europa, das Menschen, die vor Krieg, Hunger, Verfolgung und Gewalt fliehen müssen,
Schutz gewährt, anstatt sich mit Hilfe von Autokratien und Militärdiktaturen abzuschotten.
Ein Europa, das legale Fluchtwege und Einwanderungsmöglichkeiten bietet. Ein Europa, das
Asylsuchenden ein faires Verfahren garantiert und seine Grenzen kontrolliert. Ein Europa,
das Fluchtursachen und nicht Flüchtlinge bekämpft. Ein Europa, das das Sterben im Mittelmeer
beendet.
Das Recht auf Asyl ist nicht verhandelbar. Auch wenn nicht alle, die kommen, bleiben können.
Auf dieser Grundlage setzen wir uns für einen gemeinsamen Aufbruch einer humanitären
Koalition von Mitgliedstaaten und Kommunen ein, die gemeinsam die Ärmel hochkrempeln und
sich solidarisch an der Aufnahme von Geflüchteten beteiligen wollen.
Europäisches Einwanderungsgesetz für legale (Arbeits-)Migration
Bis heute sind Europäer*innen diejenigen, die am wenigsten Hürden erleben, wenn sie
auswandern wollen. Aber in die EU einzuwandern, ist für viele quasi unmöglich.
Arbeitsmigration ist jedoch nicht nur eine Realität, sondern in Zeiten des Fachkräftemangelsvon Fachkräftemangel und demographischem Wandel
auch eine Notwendigkeit für Staaten wie Deutschland. Ein europäisches Einwanderungsgesetz
mit gemeinsamen Rahmenregelungen für sichere und legale Einwanderung in die EU soll dabei
helfen, gleiche Standards in Europa für die Zuwanderung von Menschen mit verschiedenen
Qualifikationsniveaus und deren Familien zu etablieren. Bei der Ausgestaltung der Regelungen
geht es uns darum, die vielfältigen Chancen der Migration für Migrant*innen, Ursprungs- und
Empfängerländer zu nutzen. Da bislang nur ein europäisches System der Arbeitsmigration für
Hochqualifizierte besteht, gehen jedoch auch potenzielle Migrant*innen den Weg über das
Asylsystem und scheitern.
Legale Fluchtwege schaffen
Wer verhindern will, dass sich Schlepper an der Not von Geflüchteten bereichern, die
angesichts von Verfolgung, Krieg und Gewalt ihr Leben bei der Flucht übers Mittelmeer aufs
Spiel setzen, muss sichere und legale Fluchtalternativen schaffen. Wir wollen, dass Menschen
nicht länger lebensgefährliche Fluchtwege nach Europa auf sich nehmen müssen. Die EU-
Mitgliedstaaten können Geflüchteten Schutz und eine verlässliche Perspektive sowie
Planbarkeit für die aufnehmenden Länder bieten. Und es ist allein eine Frage des politischen
Willens, die Länder an den EU-Außengrenzen endlich zu entlasten. Dafür sind
Familienzusammenführungen sowie großzügige und verlässliche Aufnahmekontingente nötig,
insbesondere über das Resettlement-Programm des UNHCR oder über humanitäre Visa. Über diese
beiden Programme können Menschen auf der Flucht, zum Beispiel aus UN-Flüchtlingslagern in
Jordanien, dem Libanon oder der Türkei, in festen Kontingenten in Deutschland und anderen
EU-Mitgliedstaaten geordnet Schutz finden.
Seenotrettung gegen das Sterben im Mittelmeer
Das tausendfache Sterben im Mittelmeer muss beendet werden. Es ist eine unerträgliche
Schande, dass tausende Menschen auf der Flucht nach Europa ertrinken und sogar in der EU
Rettungsbooten der seerechtlich garantierte sichere Hafen verweigert wird.
Zivilgesellschaftliche Seenotrettungs- und Flüchtlingsorganisationen, die dort einspringen,
wo der Staat versagt oder seine Schutzpflicht sogar wissentlich verweigert, dürfen nicht
kriminalisiert werden. Wer Flüchtlinge aus Seenot rettet, muss die Gewissheit haben, dafür
nicht bestraft zu werden, denn er handelt im Einklang mit See- und Völkerrecht. Gleichzeitig
sind wir überzeugt, dass Seenotrettung eine staatliche Aufgabe ist. Wir fordern, dass die EU
ihre humanitären Pflichten endlich wahrnimmt, ein europäisch organisiertes und finanziertes
ziviles Seenotrettungssystem aufbaut und sich an das völkerrechtlich verbriefte
Nichtzurückweisungsgebot hält.
Europäische Grenz- und Asylbehörde schaffen und Menschen human erstunterbringen
Zentraler Bestandteil einer menschenrechtlichen, humanen und geordneten Flucht- und
Migrationspolitik ist, dass die EU-Außengrenzen kontrolliert und Asylsuchende dort
zuverlässig registriert und erstversorgt sowie die Daten abgeglichen werden. Denn
Voraussetzung für einen solidarischen Verteilmechanismus und für die Freiheit im Inneren
ist, dass wir wissen, wer zu uns in die EU kommt. Auch um zu verhindern, dass mögliche
Terrorist*innen oder Straftäter*innen untertauchen. Aber Grenzkontrolle darf nicht heißen:
Niemand kommt mehr rein.
Wir wollen ein europäisches Grenzkontrollregime, das auf dem gemeinsamen Schutz der
Menschenrechte basiert und das Vertrauen in das Schengen-System stärkt, anstatt einer
einseitigen Aufrüstung von Frontex. Parallel dazu muss die EU-Asylbehörde EASO in ihren
Befugnissen so erweitert werden, dass sie gemeinsam mit den Mitgliedstaaten für eine
schnelle Registrierung, eine humane Erstunterbringung mit medizinischer Versorgung und die
anschließende schnelle und faire Verteilung sorgt. Sie muss die gemeinsamen europäischen
Asylregeln gegenüber allen Mitgliedstaaten durchsetzen.
Essenziell dafür ist eine wirklich umfassende finanzielle, infrastrukturelle und personelle
Ausstattung dieser europäischen Erstaufnahmeeinrichtungen, damit nach einer umfassenden
Erstversorgung und Registrierung die Menschen auf Grundlage des Verteilungsmechanismus in
die anderen EU-Staaten weitergebracht werden. Zustände wie in den Hot Spots auf Lesbos sind
mit den Werten Europas nicht vereinbar und müssen dringend beendet werden, indem Menschen
aus diesen Lagern in EU-Staaten aufgenommen werden.
Abgesperrte Massenlager in der EU und europäische Außenlager in Drittstaaten lehnen wir
ebenso ab wie Abschottungs-Abkommen, mit denen Menschen in Drittstaaten zurückgeschickt
werden, die die Menschenrechte und internationales Recht mit Füßen treten. Dem Umbau des
Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zu einem Programm zum Abbau von
Flüchtlingsrechten treten wir entschieden entgegen.
Ein einheitliches europäisches Asylsystem mit einem solidarischen Verteilmechanismus
voranbringen
Zu einer humanitären und geordneten Migrationspolitik sollten alle EU-Staaten beitragen. Das
Dublin-System schiebt derzeit die Verantwortung einseitig auf Spanien, Italien, Malta und
Griechenland ab und hat ein gemeinsames Vorgehen in Europa unmöglich gemacht. Eine Reform
dieses Systems und ein fairer und solidarischer Verteilungsmechanismus sind deshalb
überfällig und wurden vom Europäischen Parlament längst beschlossen. Die Ministerinnen und
Minister der Mitgliedstaaten im Rat der EU müssen für diese Beschlüsse nun endlich den Weg
frei machen und ebenfalls zustimmen. Gleichzeitig gilt aber auch: Wenn sich nicht alle EU-
Staaten auf ein einheitliches Vorgehen bei der Asyl- und Migrationspolitik einigen können,
müssen die Länder, die die Notwendigkeit eines menschenrechtskonformen und geordneten
Systems erkannt haben, vorangehen. Für Kommunen, die Flüchtlinge aufnehmen möchten, fordern
wir Direkthilfen der EU.
Viele regionale und kommunale Behörden sind mit einer Fülle von konkreten Herausforderungen
konfrontiert: Unterbringung, soziale Integration, medizinische Versorgung und Bildung. Dies
spiegelt sich bisher nicht angemessen in den Fördermöglichkeiten, die die EU im Rahmen des
Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) zur Verfügung stellt, wider. Die EU sollte
daher Kommunen und Regionen bei der Aufnahme und Integration von Geflüchteten direkt mit
einem kommunalen Integrationsfonds unterstützen. Eine besondere Unterstützung sollten dabei
die Städte und Kommunen erhalten, die sich direkt an dem europäischen Verteilmechanismus
beteiligen.
Grundlage dafür müssen gemeinsame europäische Asylstandards sein, die nicht unter dem
Existenzminimum in den jeweiligen EU-Ländern liegen dürfen.
Freiwillige Ausreise stärken – Spurwechsel ermöglichen
Diejenigen, deren Asylanträge abgelehnt werden und bei denen kein anderer Grund gegen eine
Rückkehr spricht, müssen Europa auch wieder zügig verlassen. Dazu sollten europaweit
freiwillige Ausreisen stärker unterstützt werden. Beim Abschluss von Rückführungsabkommen
wollen wir denjenigen Ländern im Gegenzug Unterstützungen anbieten, die ihre Staatsbürger
schnell und unbürokratisch wieder aufnehmen. Das ist der erfolgreichere Weg, als darauf zu
bestehen, dass diese Länder zusätzlich zu ihren eigenen Staatsbürger*innen auch sogenannte
Drittstaatler*innen zurücknehmen, also Menschen, die auf ihrem Weg das Land lediglich
durchquert haben. Abschiebungen in Kriegsgebiete wie Afghanistan lehnen wir ab. Menschen,
die bereits in Europa sind und die in Beschäftigung stehen, sollen im Rahmen eines
Spurwechsels ins europäische Einwanderungssystem wechseln und hier bleiben können.
Fluchtursachen bekämpfen, nicht die Menschen auf der Flucht
Die beste Flüchtlingspolitik ist für uns diejenige, die dafür sorgt, dass weniger Menschen
auf der Welt gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Auch wir in Europa wollen dazu mehr
beitragen. Viele Ursachen der Flucht liegen nicht in unseren Händen. Oft stehen korrupte und
rücksichtslose Eliten einer nachhaltigen Entwicklung in den Herkunftsländern im Weg. Doch es
gibt auch Ursachen für Flucht, an denen wir in Europa sehr wohl beteiligt sind. Sie haben
mit der Art, wie wir konsumieren, wirtschaften und handeln, zu tun.
Wir stehen deshalb für eine Handelspolitik, die fair, ökologisch und gerecht gestaltet ist
und Mensch und Umwelt in den Mittelpunkt stellt. Wir wollen die Entwicklung der Wirtschaft
in den Partnerländern fördern, anstatt sie auszubeuten, und wollen wirkungsvoll gegen den
Landraub internationaler Konzerne vorgehen. Wir unterstützen die ärmsten Staaten beim
Klimaschutz sowie bei der Anpassung an Klimaveränderungen und treten für eine ökologische
Agrarwende und ökologisch-gerechte Fischereiverträge ein. Außerdem gehören europäische
Billigexporte in Entwicklungs- und Schwellenländer gestoppt, genauso wie Rüstungs- und
Waffenexporte in Kriegs- und Krisengebiete. All das bekämpft Fluchtursachen wirklich und
hilft den Menschen vor Ort.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- ein europäisches Einwanderungsgesetz, das legale Migration ermöglicht,
- einen europäischen Integrationsfonds, der Kommunen und Regionen unterstützt,
- ein einheitliches europäisches Asylsystem mit einem fairen und solidarischen
Verteilungsmechanismus,
- ein europäisch organisiertes und finanziertes ziviles Seenotrettungssystem.
3.4 Ein Europa der Gleichberechtigung schaffen
Wir wollen, dass Frauen gleichberechtigt und selbstbestimmt alle gesellschaftlichen Bereiche
gestalten können. Die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Selbstbestimmung ist lange
Zeit durch Vorgaben aus Europa gestärkt und befördert worden. Dennoch ist noch einiges zu
tun, um Europa zu einem Kontinent der wirklichen Gleichberechtigung zu machen.
Doch aktuell werden diese Errungenschaften massiv in Frage gestellt. In Polen will die
rechtskonservative Regierung das sehr restriktive Abtreibungsrecht noch weiter verschärfen.
In Ungarn soll nach dem Willen der Orbán-Regierung die Geschlechterforschung an
Universitäten verboten werden. Und in ganz Europa vernetzen sich antiemanzipatorische
Gruppierungen, um Kampagnen gegen legale Schwangerschaftsabbrüche, Sexualaufklärung und
Gleichberechtigung zu starten.
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit
Immer noch haben Frauen durchschnittlich weniger Geld und damit weniger Macht als Männer.
Sie werden für gleichwertige Tätigkeiten schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen.
Viele Frauen arbeiten in Berufen, die finanziell viel zu gering entlohnt werden, etwa in der
Pflege oder der Kinderbetreuung. In Deutschland klaffen die Löhne weiter auseinander als in
allen anderen europäischen Staaten.
Um das zu ändern, fordern wir eine europaweite Richtlinie, die Kriterien für die
Vergleichbarkeit von Arbeitsplätzen festlegt und Transparenz über Löhne und Gehälter für
alle schafft. Für Betroffene von Diskriminierung fordern wir die Möglichkeit, mit der
Unterstützung von Verbänden und Gewerkschaften klagen zu können. So wären die Frauen nicht
mehr auf sich allein gestellt, wenn sie vor Gericht ziehen müssen. Wir wollen die
Einflussnahme von Frauen in Macht- und Führungspositionen stärken und unterstützen den
Vorschlag der EU-Kommission für eine Frauenquote in den Aufsichtsräten großer Firmen. Wir
wollen gleichzeitig auch dafür sorgen, dass die Führungsgremien der EU-Institutionen
verpflichtend paritätisch besetzt werden.
Für sexuelle Selbstbestimmung, Schutz vor Gewalt und Ausbeutung
Wir kämpfen in ganz Europa für die Selbstbestimmung der Frauen über ihren eigenen Körper und
ihre Sexualität. Solidarisch stehen wir an der Seite all derjenigen, die – wie in Polen –
gegen rechtskonservative Kräfte kämpfen, die legale Schwangerschaftsabbrüche massiv
einschränken oder gar abschaffen wollen. Das Recht auf körperliche Selbstbestimmung,
selbstbestimmte Familienplanung und Zugang zu sicherer Verhütung muss für alle
sichergestellt sein.
Erstmals gibt es für den europäischen Raum ein völkerrechtlich bindendes Instrument zur
umfassenden Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen: die Istanbul-Konvention. Das ist eine große
Errungenschaft der EU, mit der überall in Europa der Schutz vor Gewalt verbessert werden
kann. Wir setzen uns dafür ein, dass diese wichtige Vereinbarung konsequent in den EU-
Staaten umgesetzt und eingehalten wird.
Darüber hinaus fordern wir eine Richtlinie gegen Gewalt an Frauen, die konkrete Ziele
vorgibt, damit Frauen und Mädchen besser geschützt werden. Die EU sollte bestehende
Förderprogramme für Hilfs- und Beratungsangebote aufstocken, damit Frauenhäuser ausreichend
finanziert sind.
Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und der Ausbeutung von Arbeitskraft muss
in Europa konsequent und wirkungsvoll bekämpft werden: mit Hilfe des Strafrechts, durch
Information und Beratung, durch die konsequente Durchsetzung der Arbeits- und Sozialrechte
der Betroffenen sowie durch Schutz und Hilfe für die Opfer. Diese dürfen nicht einfach in
ihre Herkunftsländer abgeschoben werden, sondern brauchen Schutzprogramme und ein
dauerhaftes Bleiberecht. Nur so können wir die Anzeige- und Aussagebereitschaft deutlich
erhöhen und damit Menschenhandel effektiv bekämpfen.
Gleichberechtigungs-Check im EU-Haushalt
In einem Europa der Gleichberechtigung sollen Frauen und Männer zu gleichen Teilen von
europäischen Geldern profitieren. Damit das sichergestellt wird, braucht es einen
„Gleichberechtigungs-Check” des jährlichen EU-Haushalts, also ein Gender-Budgeting. Um
gleichberechtigte Lebensverhältnisse erreichen zu können, bedarf es einer verlässlichen
wissenschaftlichen Grundlage zu Antidiskriminierungspolitik und geschlechtsspezifischen
Aspekten in allen Politikfeldern. Das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen muss
dafür besser finanziert werden.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- gleiche Bezahlung für gleiche und gleichwertige Arbeit,
- Schutz vor sexualisierter Gewalt für alle Frauen und Kinder,
- sexuelle Selbstbestimmung von Frauen.
3.5 Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans*, Inter* und Queer*Menschen (LSBTIQ*)
stärken
Wir treten für ein Europa ein, in dem jeder Mensch frei leben kann – unabhängig von
sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität.
Nach jahrzehntelangem Kampf für die „Ehe für alle“ dürfen in Deutschland und einigen anderen
EU-Ländern nun endlich gleichgeschlechtliche Paare heiraten. Obwohl vielerorts
Gleichberechtigung auf dem Papier besteht, werden Menschen aufgrund ihrer sexuellen
Orientierung und Geschlechtsidentität immer noch abgewertet oder benachteiligt.
Rechtsnationale Kräfte versuchen, in ihrem Kampf gegen eine demokratische und freie
Gesellschaft autoritäre und patriarchale Wertvorstellungen wieder zum Gesellschaftsideal zu
machen. Der Schutz von Minderheiten gehört jedoch zu den Grundwerten der Europäischen Union.
Wir stehen in ganz Europa an der Seite der LSBTIQ* und stellen uns den Angriffen gegen ihre
Gleichberechtigung entgegen.
In einigen EU-Mitgliedstaaten gelten sogenannte „Anti-Propaganda“-Gesetze, die
Diskriminierung und Hass gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter* und
Queer*Menschen befördern, indem etwa im Schulunterricht nicht mehr über Sexualität und
Homosexualität gesprochen werden darf. In Ungarn gibt es staatlich orchestrierte Angriffe
auf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit Diskriminierung aufgrund von
sexueller und geschlechtlicher Identität befassen.
Wir packen die bestehenden Probleme an und stocken die Mittel für Aufklärungsarbeit und das
„Programm für die Förderung von Vielfalt“ auf.
Wir fordern eine europaweite Anerkennung eingetragener Partnerschaften und
Regenbogenfamilien und die damit verbundene Anerkennung ihrer Rechte. Der Europäische
Gerichtshof hat im Frühjahr 2018 geurteilt, dass ein in einem Mitgliedsland anerkanntes
eingetragenes Paar auch in einem anderen als solches anerkannt werden muss. Jetzt gilt es,
diese Rechtsprechung auch in allen Mitgliedsländern durchzusetzen.
Innerhalb der EU gibt es aber auch Positivbeispiele, von denen wir lernen können. In Ländern
wie Irland, Malta und Dänemark können Trans*Personen eine Anpassung der
Geschlechtszugehörigkeit vornehmen, ohne sich einem entwürdigenden Gutachten zu unterziehen.
Wir wollen, dass in allen EU-Staaten Vornamen- und Personenstandsänderungen durch einen
unkomplizierten Verwaltungsakt ermöglicht werden. Eine Geschlechtszugehörigkeit kann
schließlich nur von den betreffenden Menschen selbst festgelegt werden.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- mehr Geld für das „Programm für die Förderung von Vielfalt“,
- die europaweite Anerkennung eingetragener Partnerschaften und Regenbogenfamilien,
- eine einfache Änderung des Personenstandes bei Anpassung der Geschlechtszugehörigkeit,
- den Wegfall von entwürdigenden Gutachten bei der Geschlechtsanpassung.
3.6 Menschenfeindlichkeit bekämpfen
Europa zeichnet sich durch Diversität und ein Miteinander verschiedener Religionen,
Sprachen, Kulturen und Bräuche aus. Um noch besser zusammenzuwachsen, müssen wir stärker
gegen Hass und Menschenfeindlichkeit gegenüber bestimmten Gruppen vorgehen.
Niemand darf in Europa für seine Herkunft, sein Aussehen oder seinen Glauben diskriminiert
oder angefeindet werden. Das ist auch durch die Europäische Grundrechtecharta verboten. Aber
die Realität sieht anders aus: In den letzten Jahren steigen in einigen Mitgliedstaaten
körperliche und verbale Angriffe auf Minderheiten und Einzelpersonen wieder. Die EU muss
deshalb die Bekämpfung von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit stärker voranbringen.
Rassismus nimmt zu. Menschen werden aufgrund ihrer Hautfarbe im öffentlichen Raum
angefeindet und angegriffen. Wir stellen uns dem entgegen und streiten für ein
demokratisches Miteinander.
Durch Antisemitismus im Alltag fühlen sich viele Jüdinnen und Juden in europäischen Ländern
nicht mehr sicher. „Nie wieder“ lautet das Versprechen, dem sich Europa nach dem Zweiten
Weltkrieg und der massenhaften Ermordung der jüdischen Bevölkerung Europas verpflichtet hat.
„Nie wieder“ soll Leitbild für Europas Zukunft sein.
Jede Art von Antisemitismus muss bekämpft werden. Der Schutz vor antisemitischer Gewalt ist
eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und sollte nicht auf die Betroffenen abgeschoben
werden. Darum dürfen auch die Kosten für die Sicherheit jüdischer Einrichtungen von
Mitgliedstaaten nicht auf die jüdischen Gemeinden abgewälzt, sondern müssen staatlich
finanziert werden.
2017 gab es allein in Deutschland fast 1.500 antisemitische und mehr als 1.000
antimuslimische Straftaten. Es werden zum Beispiel Frauen mit Kopftuch im öffentlichen Raum
angegriffen. Antimuslimischer Rassismus insgesamt ist dabei keine gesellschaftliche
Randerscheinung, sondern findet sich auch in der Mitte der Gesellschaft.
Rechtspopulist*innen nutzen dieses „Feindbild Muslime“ für ihre Zwecke. Wir stellen uns
entschieden an die Seite der Muslim*innen und stellen uns dem Hass gegen sie entschieden
entgegen.
Für Betroffene von Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sind Anlaufstellen
ein wichtiger Ort, um sich über ihre Rechte zu informieren und sie mit Unterstützung dieser
Stellen auch durchzusetzen. Diese müssen besser ausgestattet werden.
Roma und Sinti gehören seit hunderten von Jahren zu Europa. Ebenso lange werden sie
diffamiert und diskriminiert. Diese Diskriminierung ist der Hauptgrund dafür, dass Menschen
mit Romno-Hintergrund oft arm und schlechter ausgebildet sind. Wir begrüßen, dass im Rahmen
des EU-Plans für die Inklusion der Roma bereits wichtige Maßnahmen auf den Weg gebracht
werden. Die Mittel im Kampf gegen Antiziganismus müssen aber weiter aufgestockt werden.
Zusätzlich kämpfen wir dafür, die Barrieren beim Abruf der Gelder zu verringern. Hierfür
unterstützen wir die konkrete Projektarbeit, insbesondere wenn sie strukturelle
Veränderungen ermöglicht. Ein essenzieller Bestandteil der Arbeit muss immer die Einbindung
der Betroffenen auf Augenhöhe sein. Erst mit echter Hilfe zur Selbsthilfe können wir eine
langfristige und nachhaltige Verbesserung der Bedingungen erreichen. Es besteht ein
rechtlicher Anspruch auf Teilhabe in den Bereichen Arbeit, Bildung, Wohnen und Gesundheit.
Die Defizite bei der Durchsetzung dieses Anspruchs wollen wir sichtbar machen und aufheben.
Hass und Hetze finden heute nicht nur auf der Straße, sondern vermehrt auch im Internet und
in sozialen Netzwerken statt. Dagegen wollen wir europäisch vorgehen. Wir setzen uns für
eine wirksame europäische Rechtsgrundlage zur Bekämpfung von Hasskommentaren ein.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- eine europaweite, ständige, systematische Erfassung von Straftaten gegen Menschen, die
zu einer bestimmten Gruppe gehören (gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit),
- eine Aufstockung der Mittel im Kampf gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit,
- eine bessere Ausstattung der unabhängigen Gleichbehandlungsstellen,
- eine europäische Rechtsgrundlage für die Bekämpfung und Verfolgung von Hasskommentaren
im Internet.
3.7 Für ein barrierefreies Europa sorgen
Menschen mit Behinderungen müssen in ganz Europa selbstbestimmt und gleichberechtigt leben
können.
Um ihre Rechte umzusetzen, wurden mit der UN-Behindertenrechtskonvention auch für die EU-
Mitgliedstaaten verbindliche Vorgaben verankert. Menschen mit Behinderung müssen in allen
Lebensbereichen – bei der Bildung und Erwerbsarbeit, beim Wohnen, bei Reisen und in ihrer
Freizeit – den gleichen Zugang zur Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen Leben
haben wie Menschen ohne Behinderungen. Inklusion heißt, dass alle Menschen selbstbestimmt am
gesellschaftlichen Leben teilnehmen können und niemand ausgegrenzt wird. Dafür müssen
Barrieren aller Art abgebaut und das Recht auf eine selbstbestimmte und eigenständige
Lebensführung muss sichergestellt werden. Erste Schritte sind der europaweit geltende
Parkausweis oder der Euroschlüssel, der Menschen mit Behinderung den einfachen Zugang zu
allen Behindertentoiletten im öffentlichen Raum ermöglicht.
Die europäische Barrierefreiheits-Richtlinie verpflichtet auch private Anbieter von Waren
und Dienstleistungen zum Abbau von Barrieren. Wir setzen uns für einen barrierefreien
öffentlichen Raum ein, in dem Gebäude, Medien, Produkte, Dienstleistungen und
Veranstaltungen besser zugänglich und nutzbar sind. Hierzu ist es unumgänglich, auch für die
Privatwirtschaft verbindliche Vorgaben für die Barrierefreiheit zu formulieren.
Wir setzen uns dafür ein, dass die 5. Antidiskriminierungsrichtlinie endlich kommt, denn sie
würde eine Lücke im europäischen Antidiskriminierungsrecht schließen. International
anerkannte Menschenrechte würden in der EU eine Rechtsgrundlage erhalten, und die VN-
Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung würde auf europäischer Ebene
rechtlich umgesetzt, wie zum Beispiel das Recht auf Zugang zu allen Bildungseinrichtungen
und das Recht auf selbstbestimmtes Wohnen. Doch seit Jahren wird ihre Verabschiedung durch
die deutsche Bundesregierung blockiert. Wir Grünen kämpfen weiter gegen die Blockade und für
den effektiven Schutz gegen Diskriminierung auch außerhalb des Arbeitsmarktes.
Wir wollen, dass auch Menschen mit Behinderungen das Recht auf Freizügigkeit für sich nutzen
können, ohne dass sozialrechtliche Vorschriften der Mitgliedstaaten das verhindern. Auch
Menschen mit umfassender Betreuung sollen das Wahlrecht erhalten, das betrifft allein in
Deutschland 81.000 Menschen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in der EU,
- die Ausweitung von Inklusion und Barrierefreiheit,
- das Wahlrecht für alle Menschen mit Behinderung.
3.8. Europas Verbraucher*innen stärken
Wir treten für ein Europa ein, in dem die Rechte der Verbraucher*innen geschützt werden, und
zwar grenzüberschreitend. Denn im europäischen Binnenmarkt bewegen sich Waren, Kapital,
Dienstleistungen und Personen frei. Wir wollen sicherstellen, dass die Menschen in Europa
vor gesundheitlichen und finanziellen Gefahren geschützt werden und dass sie wissen, was sie
konsumieren. Sie müssen ihre Rechte gegenüber Unternehmen wirksam geltend machen können.
Der Verbraucherschutz in der Europäischen Union ist eine Erfolgsgeschichte: Die Abschaffung
der Roaming-Gebühren, das Verbot von Tierversuchen zur Herstellung von Kosmetika, das
„Bankkonto für alle“ und ein Schnellwarnsystem für als gefährlich gemeldete Produkte sind
nur einige wenige Beispiele.
Doch es gibt auch Probleme. Schon im September 2015 wurden die Abgasmanipulationen an VW-
Dieselautos bekannt – welche Ansprüche die Kund*innen geltend machen können, ist aber noch
immer unklar. Das liegt daran, dass für einzelne Verbraucher*innen Aufwand und Risiko
rechtlicher Schritte derart hoch sind, dass Unternehmen trotz betrügerischer
Geschäftspraktiken selten Folgen fürchten müssen. Die Möglichkeit für Sammelklagen, bei
denen sich Geschädigte zusammenschließen können, sowie Verbandsklagen und
Musterfeststellungsklagen müssen daher europaweit eingeführt werden.
Im europäischen Bahnverkehr wollen wir ein einheitliches Ticket-System schaffen. Der
Flickenteppich nationaler Fahrkarten macht die Bahn grenzüberschreitend unattraktiv. Häufig
werden nur Einzeltickets für die Strecken der jeweiligen nationalen Anbieter angeboten.
Verpasst ein Fahrgast wegen einer verspäteten Bahn zum Beispiel in Deutschland seinen
Anschlusszug nach Italien, muss er auf eigene Kosten ein neues Zugticket kaufen. Stattdessen
braucht es ein System mit nur einem Ticket für alle Verkehrsträger für die gesamte EU – aus
dem portugiesischen Dorf bis an die kroatische Küste oder aus Süditalien nach Lappland, egal
ob mit Bus, Bahn oder Tram. Das Interrailticket soll nur der Anfang sein.
Wir brauchen auch endlich verständliche und realistische Kennzeichnungen von Lebensmitteln.
Nährwerte wollen wir durch die leicht verständliche Lebensmittelampel kenntlich machen. Es
muss klar werden, wie viel Zucker, Salz und Fett Lebensmittel enthalten. Für sämtliche
Tierprodukte wollen wir eine europäische verbindliche Kennzeichnung nach Haltungs- und
Transportbedingungen einführen.
Wir wollen einen starken Verbraucherschutz bei Finanzprodukten. Heute verkaufen
Berater*innen oft schlechte Produkte, die ihnen aber eine hohe Provision einbringen. Das
wollen wir ändern. Deshalb wollen wir einen Übergang zu einer qualitativ hochwertigen
Beratung auf Basis transparenter Honorare fördern. Beratung muss Anleger*innen den Weg zu
guten Finanzprodukten weisen.
Digitale Verbraucherrechte stärken
Datenschutz schützt nicht Daten, sondern die Privatsphäre des Menschen. Datenschutz ist
Verbraucherschutz. Vor allem unsere persönlichen Vorlieben und Interessen gehen niemanden
etwas an. Informationelle Selbstbestimmung ist ein zentrales Grundrecht. Aber es ist gerade
in Zeiten der Digitalisierung, der Plattformökonomie und des „Internets der Dinge“ neu
herausgefordert.
Produkte und Kaufgewohnheiten haben sich fundamental geändert. Aber welche Daten im Internet
preisgegeben, gesammelt und gespeichert werden, das sollen die Betroffenen selbst
entscheiden und nicht Internet-Giganten wie Google oder Facebook.
Mit der von den europäischen Grünen hart erkämpften Datenschutzgrundverordnung (DSVGO) hat
die EU einen Meilenstein für modernen Datenschutz gesetzt. Sie sorgt dafür, dass die
weltweiten Datenkonzerne in die Schranken gewiesen werden, und zeigt, dass wir als
Europäische Union gemeinsam Standards setzen können, die weltweite Ausstrahlung haben.
Hierauf können wir aufbauen.
So fordern wir bei der „e-Privacy“-Verordnung zum Schutz unserer elektronischen
Kommunikation, dass mobile Endgeräte wie Smartphones, Tablets oder „smarte“ Assistent*innen
wie Alexa oder Siri schon vom Werk aus auf den Schutz der Privatsphäre hin eingestellt sind.
Wir wollen, dass Browser-Einstellungen wie „Do not track“ rechtsverbindlich werden, damit
nicht automatisch ein Nutzungsprofil erstellt wird. Offline-Tracking durch Standortdaten,
mit dem zum Beispiel Handys geortet werden, obwohl sie nicht mit dem Internet verbunden
sind, muss verboten werden.
Wir setzen uns für verbindliche Ende-zu-Ende-Verschlüsselung als Standard unserer
elektronischen Kommunikation ein. Hintertüren für die Hersteller oder gar für Geheimdienste
darf es nicht geben.
Technische Geräte mit Zugang zum Internet erobern zudem immer mehr unseren Alltag: So
reguliert die intelligente Heizung entsprechend der Wettervorhersage selbständig die
Zimmertemperatur, und die Spielzeugpuppe kommuniziert mit Kindern. Sind diese Geräte nicht
ausreichend geschützt, bieten sie ein Einfallstor für kriminelle Hacker, die sich in die
Systeme einschalten könnten, um sie zu manipulieren.
Wir fordern verpflichtende Mindeststandards für die IT-Sicherheit von technischen Geräten.
Dazu gehören Verschlüsselung, Software, die auf dem neuesten Sicherheitsstand ist, und
regelmäßige kostenlose Software-Updates sowie starke Authentifizierungsmechanismen bei
vernetzten Geräten.
Wenn ein Sicherheitsproblem bei einem Auto festgestellt wird, wie zum Beispiel eine
mangelhafte Bremse, ist klar, dass der Hersteller dafür haftbar gemacht werden kann und die
fehlerhaften Autos zurückrufen muss. Doch für Software gibt es bislang noch keinerlei
Produkthaftung auf europäischer Ebene. Das muss sich ändern: Kommerzielle Hersteller von
Software müssen haften, wenn sie bekannte Sicherheitslücken nicht schließen.
Damit unsere Grundrechte wirklich geschützt werden, müssen auch die Datenschutzbehörden
endlich die personellen und finanziellen Mittel bekommen, die sie brauchen, um unseren
Grundrechten flächendeckend zur Geltung zu verhelfen und europaweit zusammenzuarbeiten.
Wir setzen uns dafür ein, dass politische Werbung im Internet transparent gekennzeichnet und
die Finanzierung offengelegt wird. Versteckte Einflussnahme auf politische
Willensbildungsprozesse und Wahlen muss verhindert werden.
Produkte nachhaltiger und sicherer machen
Produkte des alltäglichen Lebens, von Essen über Kleidung bis zu Kosmetika oder
Gebrauchsgegenständen, wollen wir sicher machen – durch strengere Grenzwerte bis hin zu
Verboten gesundheitsgefährdender Stoffe. Aus PVC und PVC-Weichmachern wollen wir wegen der
gesundheitlichen Risiken aussteigen. Nanopartikel kommen bereits in Lebensmitteln, Kosmetika
oder Medikamenten zum Einsatz, ihre Unbedenklichkeit ist aber nicht eindeutig festgestellt.
Wir fordern daher ein Register für Nanoprodukte. Die Definition von „Nanopartikeln“ muss so
eng gefasst werden, dass es keine Schlupflöcher gibt.
Frühzeitiger Verschleiß von Produkten ist für die Verbraucher*innen ein teures Ärgernis,
verschwendet Ressourcen und lässt die Müllberge weiter wachsen. Unser Ziel sind langlebige
Produkte, die repariert und recycelt werden können. Wir fordern eine verbindliche
europäische Regelung gegen eine absichtliche Verkürzung der Lebensdauer von Produkten.
Außerdem müssen die Hersteller einer Rücknahmepflicht unterliegen, die Recycling
sicherstellt.
Für Software und Hardware braucht es Klarheit darüber, wie lange Updates inkl.
Sicherheitsupdates zur Verfügung gestellt werden, sowie klare Anforderungen zur Lebensdauer
von Software und zur Kompatibilität mit Vorgängerversionen. Die europäischen Regelungen für
die Gewährleistung für Produkte wollen wir an deren Lebensdauer anpassen und auch auf
Software ausweiten.
Oft braucht man für ein neues Gerät auch ein neues Ladekabel, weil das alte nicht passt. Für
Ladegeräte und -kabel von Smartphones, Tablets und Laptops muss es einen einheitlichen und
verbindlichen europäischen Standard geben.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- den Schutz der Privatsphäre bei Smartphones, Tablets und „smarten“ Assistenten von
Anfang an,
- eine verbindliche Ende-zu-Ende-Verschlüsselung als Standard bei elektronischer
Kommunikation,
- eine Rücknahmepflicht bei den Herstellern für ein sicheres Recycling unserer Produkte,
- einen einheitlichen europäischen Standard für Ladegeräte und -kabel.
3.9 Terror bekämpfen, Freiheit sichern
Gegen Terrorismus helfen keine Schlagbäume. Stattdessen brauchen wir eine stärkere
europäische Kooperation der Sicherheitsbehörden zur Verteidigung unserer Freiheit.
Islamistisch und rechtsextrem motivierter Terror greifen unsere europäische freiheitliche
Lebensweise und Demokratie an. Dem stellen wir uns mit aller Entschlossenheit entgegen. Wir
setzen dabei auf wirksame Prävention und effektive Strafverfolgung. Das heißt, anders als
die derzeit verfolgte Politik wollen wir nicht, dass unsere Sicherheitskräfte anlasslos jede
Menge Daten sammeln oder dass veraltete Technik effektive Abgleiche verhindert. Wir wollen
eine präzise und konsequente Strafverfolgung. Eine maßlose Politik immer weiter reichender
Grundrechtseingriffe hingegen schwächt unsere Freiheit und sorgt nicht für mehr Sicherheit.
Europäisches Kriminalamt schaffen
Unsere Sicherheit darf nicht dadurch gefährdet werden, dass die Polizeibehörden der
Mitgliedstaaten bei der Zusammenarbeit versagen und die Überwachung von Verdächtigen an den
innereuropäischen Grenzen endet. Deshalb fordern wir den Aufbau eines Europäischen
Kriminalamts (EKA). Das heißt, dass die europäische Polizeibehörde Europol zu einer
schlagkräftigen europäischen Polizei nach dem Vorbild des Bundeskriminalamts mit eigenen
Ermittlungsteams ausgebaut wird. Sie braucht eigenständige Ermittlungsmöglichkeiten und
‑befugnisse, um in grenzüberschreitenden Fällen von Terrorismus und organisierter
Kriminalität selbst ermitteln zu können. Sie muss Terrorverdächtige, Mafiaorganisationen,
Menschenhandel, aber auch länderübergreifend agierende Einbruchsbanden und Rechtsextremisten
gezielt überwachen und verfolgen. Dafür muss sie mit ausreichend Ressourcen und Personal
ausgestattet werden.
Europaweite Vernetzung der Polizei
Um die Zusammenarbeit der Polizeibehörden der EU-Staaten zu verbessern, wollen wir ein
europaweites Austauschprogramm für Polizist*innen ins Leben rufen. Die Zusammenarbeit von
Polizist*innen in länderübergreifenden Ermittlungsteams wollen wir mit zusätzlichen Mitteln
aus dem EU-Haushalt fördern. Denn wer gemeinsam im Team zusammengearbeitet hat, greift
schneller zum Telefon, um seine Kolleginnen und Kollegen aus anderen EU-Staaten zu
informieren oder um Rat zu fragen.
Europäische Staatsanwaltschaft ausbauen
Auch die Kompetenzen der Europäischen Staatsanwaltschaft müssen auf den Kampf gegen Terror
und organisierte Kriminalität ausgeweitet werden. Bisher ist sie nur für Betrugsfälle mit
EU-Geldern zuständig. Wir wollen, dass die Europäische Staatsanwaltschaft künftig auch
Ermittlungsverfahren gegen gewaltbereite Extremist*innen und organisierte Kriminelle
einleiten kann, auf deren Grundlage das Europäische Kriminalamt dann ermittelt.
Terrornetzwerke aufdecken
Um die Finanzierungsquellen von Terrornetzwerken und organisierter Kriminalität
auszutrocknen, möchten wir eine zentrale europäische Behörde für den Kampf gegen Geldwäsche
schaffen. Terrornetzwerke und organisierte Kriminelle agieren grenzüberschreitend. Wir
wollen, dass Banken verdächtige Kontobewegungen direkt an die europäische Stelle melden,
anstatt nur ihre nationale Meldestelle zu informieren.
Für die Verfolgung von terroristischer und gewaltverherrlichender Propaganda im Internet
braucht es mehr Beamt*innen und spezialisierte Staatsanwält*innen und Richter*innen. Die
momentane Praxis von Europol, Digitalplattformen lediglich auf Basis ihrer allgemeinen
Geschäftsbedingungen zur Löschung solcher Inhalte aufzufordern, ist eine Verhöhnung des
Rechtsstaats. Sie bedeutet eine Privatisierung der Rechtsdurchsetzung, führt auch zur
Löschung legaler Inhalte und vermeidet die eigentliche Aufgabe der Polizei, Straftäter*innen
dingfest zu machen.
Aussteigerprogramme stärken und Waffenrecht verschärfen
Programme zur Deradikalisierung und für Aussteiger*innen aus der islamistischen und
rechtsextremen Szene wollen wir europaweit stärken. Um Terrorakte und Amoktaten zu
verhindern, muss der Zugang zu Waffen erschwert werden. Es ist immer noch viel zu einfach,
an illegale Schusswaffen und umgebaute Dekorationswaffen zu gelangen. Alle gefährlichen
Waffen müssen lückenlos registriert und die Eignung und Zuverlässigkeit der Besitzer*innen
regelmäßig geprüft werden. Wir wollen eine europaweite einheitliche Kennzeichnung und
gemeinsame Standards für die Deaktivierung von Feuerwaffen einführen.
Angesichts der Zunahme rechtsextremer Gewalttaten und der Ausbreitung rechten und
rechtsextremen Gedankenguts muss die demokratische Zivilgesellschaft umso mehr gestärkt
werden. Während demokratiefeindliche Gruppen sich international austauschen und ihre Kräfte
bündeln, verbleiben demokratische Initiativen meist sehr lokal verhaftet.
Wir setzen uns für die finanzielle Unterstützung, die Vernetzung und den internationalen
Austausch der demokratischen Kräfte ein. Entsprechende Fördermittel und Programme auf EU-
Ebene müssen aufgestockt werden. Eine besondere Rolle spielt dabei eine alltags- und
lebensweltbezogene Bildungsarbeit in Schulen und Jugendeinrichtungen.
Datenschutz sicherstellen
Die europäischen Innenminister, tatkräftig unterstützt von der Großen Koalition in Berlin,
fordern nach jedem Terroranschlag geradezu reflexhaft zusätzliche Datenbanken und
Massenüberwachung. Wer mit dem Flugzeug nach Europa reist, wird anlasslos registriert
werden, egal ob es sich um Terrorverdächtige, Tourist*innen oder Geschäftsreisende handelt.
Bestehende Polizei- und Grenzkontrollsysteme werden gerade verschärft, neue befinden sich im
Aufbau.
Die EU-Richtlinie zur Fluggastdatenspeicherung halten wir für rechtswidrig. Es ist nicht mit
unseren Grundrechten vereinbar, dass alle, die einen Flug buchen, wie Verdächtige behandelt
werden und hinnehmen müssen, dass ihre Daten fünf Jahre lang gespeichert und fortlaufend
einer automatisierten Rasterfahndung unterzogen werden. Auch die anlasslose
Vorratsdatenspeicherung von Handy- und Kommunikationsdaten ist bereits zweimal vom
Europäischen Gerichtshof als grundrechtswidrig aufgehoben worden. Einen neuen Anlauf zur
europaweiten Kommunikationsüberwachung wird es mit uns Grünen nicht geben. Wir kämpfen
weiterhin mit aller Vehemenz gegen die Vorratsdatenspeicherung.
Die angestrebte Datensammlung kostet viel Geld, das bei der gezielten Überwachung und
Verfolgung von terroristischen und extremistischen Gewaltbereiten fehlt. Während die EU-
Staaten Milliarden in den Aufbau neuer Datenbanken investieren, hat die europäische
Ermittlungsbehörde Europol ein jährliches Budget von wenigen hunderttausend Euro für
Ermittlungsteams. Viel zu oft endet deshalb eine Ermittlung oder Überwachung, wenn ein
Gefährder das Land wechselt.
Gleichzeitig werden Datenbanken, in denen gezielt Straftäter und Terrorverdächtige erfasst
sind, wie zum Beispiel im Schengener oder im Europol-Informationssystem, derzeit nicht
richtig genutzt, weil es an Personal und Informationsaustausch zwischen den EU-Staaten
mangelt. Hier gibt es dringend Änderungsbedarf.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- ein Europäisches Kriminalamt mit eigenen Ermittlungsteams,
- mehr Kompetenzen für die Europäische Staatsanwaltschaft im Kampf gegen Terror und
organisierte Kriminalität,
- eine europäische Behörde zur Bekämpfung von Geldwäsche,
- eine EU-weite Verschärfung des Zugangs zu gefährlichen Waffen,
- die Wahrung von Grundrechten und Datenschutz beim Kampf für mehr Sicherheit.
Kommentare