Die Idee des Europäischen Kriminalamtes (EKA) ist richtig und denkt unsere Ziele des europäischen Einigungsprozesses konsequent weiter.
Problematisch an dieser Stelle sind allerdings staatsrechtliche Hindernisse und das komplizierte Vertragswerk der Europäischen Union: Die Souveränität und hoheitliche Eingriffsbefugnisse verbleiben bei den Mitgliedsstaaten. Europol hat bislang keinerlei aktive Eingriffsbefugnisse. Europol wirkt vielmehr unterstützend und vernetzend mit, beschäftigt Analysten und Profiler, pflegt das Europäische Informationssystem (EIS) und wirkt im Informationsaustausch zwischen den nationalen Polizeibehörden durch Bereitstellung von Quervergleichen und Trefferfällen mit.
Ein "Europäisches Kriminalamt (EKA)" mit eigenen Eingriffsbefugnissen würde umfangreiche Änderungen im europäischen Vertragswerk erfordern. So sind ni cht nur Änderungen in den Europol-Vereinbarungen erforderlich, sondern auch weitgehende Änderungen an den Grundstrukturen der EU (Vertrag von Lissabon etc.), nämlich dass Exekutivbefugnisse in dieser Form den Mitgliedsstaaten vorbehalten sind.
Zudem bedürfte ein solches EKA umfangreicher Gesetzgebungsverfahren in allen EU-Mitgliedsstaaten in den Polizei- und Ordnungsbehördengesetzen, um den EKA-Ermittlern nationale Befugnisse einzuräumen.
Es steht zu befürchten, dass diese Änderungen außerordentlich langwierig werden und aufgrund nach derzeitiger Stimmungslage an vielen Mitgliedsstaaten scheitern würden, die sich gegen eine weitere Abgabe von Souveränitätsrechten an die EU aussprechen.
Die Idee des EKA ist daher ein gutes, ideeles Ziel, derzeit aber nur bedingt realistisch.
Eine Alternative bietet die Installation von "Joint Investigation Teams (JIT)". Diese werden in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren bereits heute auf bilateraler Ebene gebildet, wenn ein Ermittlungsverfahren zwei oder mehr Länder betrifft. Um keine Parallelermittlungen zu verursachen, können sich die Ermittlerteams der Polizeien aus beiden Ländern zu einem JIT zusammenschließen und gemeinsam agieren. Sie unterstehen jeweils den nationalen, zuständigen Staatsanwaltschaften.
Die Einrichtung von JITs ist allerdings langwierig und aufwändig. Sie wird nur in seltenen Fällen der schweren Kriminalität praktiziert.
Eine Alternative wäre es, bei der europäischen Polizeibehörde Europol feste gemeinsame Ermittlungsgruppen (Joint Investigation Teams) zu installieren, die mit nationalen Polizeibeamten bestückt werden. Diese Beamten werden zu Europol entsandt und behalten innerhalb der JITs jeweils ihre nationalen Eingriffsbefugnisse. Hierdurch könnten grenzüberschreitende Ermittlungen deutlich vereinfacht werden. Da es sich bei einer solchen Regelung um deutlich geringere Eingriffe in staatliche Souveränitätsrechte handelt, wären solche Ermittlungsgruppen leichter einzurichten als die Schaffung einer EKA-Behörde mit eigenen Ermächtigungsgrundlagen.
Die fest installierten Europol-JITs bieten einen weiteren Vorteil: Das Argument von Kritikern, die EU würde den Mitgliedsstaaten Regelungen aufzwingen und Souveränitätsrechte beschneiden, wird entkräftet. Da die JITs aus nationalem Personal gebildet werden, handelt es sich vielmehr um "gelebte europäische Zusammenarbeit".
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