Hitzewellen, Dürreperioden, der steigende Meeresspiegel und zunehmende Naturkatastrophen – der voranschreitende Klimawandel wird immer mehr zur Bedrohung für unsere Umwelt. Wenn es uns nicht gelingt, unsere Wirtschafts- und Lebensweise radikal zu verändern und die Erderwärmung auf 2 Grad zu reduzieren, setzen wir unsere natürliche Lebensgrundlage und damit unser aller Zukunft aufs Spiel. Der Kampf gegen die Klimakatastrophe und für eine ökologische Transformation ist damit die große Aufgabe unserer Generation. Allerdings ist der Klimawandel schon lange nicht mehr nur eine Frage der Zukunft, sondern eine der Gegenwart. Gerade in Ländern des globalen Südens sind Menschen schon heute in extremen Maße vom steigenden Meeresspiegel oder den sich immer weiter ausbreitenden Dürregebieten betroffen. Auch bei zunehmenden Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel werden die Folgen einer viel zu lang verschleppten Energie-, Agrar- und Wirtschaftswende in den nächsten Jahren in immer größeren Teilen der Welt spürbar werden. Eine zeitgerechte Klimapolitik bedeutet deshalb immer auch eine gerechte Klimafolgenanpassungspolitik.
Klimabedingte Migration als Prüfstein für ein humanitäres Europa
In den nächsten Jahren werden immer mehr Menschen aufgrund des Klimawandels ihr Zuhause verlieren und migriere müssen. Während die klimabedingte Migration immer mehr Aufmerksamkeit bekommt und offiziell als große Herausforderung benannt wird, zeigt sich die internationale Staatengemeinschaft sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, tatsächliche politische und rechtliche Maßnahmen in diesem Bereich zu ergreifen. Doch die klimabedingte Migration ist eine unumgängliche Tatsache und es liegt in unserer Verantwortung heute Wege zu finden, sie unter Wahrung der Menschenrechte und der Würde der Klimamigrant*innen zu gestalten. Denn ein Nichtstun würde dazu führen, dass wir unzählige Menschen in die illegaliserte Migration treiben. Und wo dieser Ansatz hinführt, sehen wir gerade im Moment mit den schrecklichen Bildern des Sterbens auf dem Mittelmeer an Europas Grenzen. Die westlichen Industriestaaten, und damit auch die Europäische Union, tragen als historische Hauptverursacher der klimaschädlichen Treibhausgasemmissionen eine besondere Verantwortung für den Klimawandel und damit auch für seine Konsequenzen in Form der klimabedingten Migration. Eine verantwortungsvolle Klimapolitik bedeutet für uns deshalb auch, Klimamigrant*innen legale Migrationswege zu bieten. Inwieweit Europa seinen humanitären Werten gerecht wird, wird sich als auch daran bemessen, inwieweit wir es schaffen, die Menschen zu schützen, die am härtesten von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. Unser Auftrag ist es, ihnen eine würdevolle Migration zu ermöglichen.
Klimapass für die Bewohner*innen pazifischer Inselstaaten
Eine Gruppe auf die das in besonderem Maße zutrifft sind die Bewohner*innen von flachen Inselstaaten, die in den nächsten Jahrzehnten aufgrund des steigenden Meeresspiegels unbewohnbar werden. Den Menschen dort wird buchstäblich das Zuhause unter den Füßen weggespült. Selbst wenn das 2-Grad-Ziel noch eingehalten werden sollte, werden Inselstaaten wie zum Beispiel Kiribati in Zukunft nicht mehr als Lebensgrundlage dienen können. Um diesen Menschen eine würdevolle Migration zu ermöglichen, sollten die Staaten der Europäischen ihnen im Rahmen einer gemeinsamen europäischen Einigung die Staatsbürgerschaft anbieten.
Bei einem solchen Klimapass handelt es sich dabei explizit nicht um eine asylpolitische Maßnahme. Denn die klimabedingte Migration ist nur schwer in das System der Gender Flüchtlingskonvention zu integrieren, da diese grundsätzlich eine auf bewusstes menschliches Handeln zurückführbare Verfolgung voraus setzt. Außerdem ist es der Ansatz des Klimapasses, gerade nicht erst abzuwarten, bis eine Naturkatastrophe eingetreten und die Menschen zur Flucht gezwungen sind, sondern ihnen im Vorfeld eine selbstbestimmte und rechtzeitige Migration zu ermöglichen,
Dadurch können wir eine große Menge an Elend verhindern. Darüber hinaus verschwindet die Lebensgrundlage der Bewohner*innen von bedrohten Inselstaaten nicht nur für einen gewissen Zeitraum, sondern für immer. Unser Ziel ist es darum, ihnen dauerhafte Perspektiven zu bieten. Damit es den betroffenen Menschen auch tatsächlich möglich ist, den Klimapass und den damit einhergehenden Schutz in Anspruch zu nehmen, muss der Klimapass durch gezielte Unterstützungsmaßnahmen im Zeitraum vor und nach der Migrationsentscheidung begleitet werden.
Der Klimapass als Stärkung der Rechte des Individuums
Die genaue Einordnung, welche der Inselstaaten in so starkem Maße vom steigenden Meeresspiegel betroffen sind, dass sie in den nächsten Jahrzehnten nicht mehr bewohnbar sein werden, müsste mit Hilfe einer wissenschaftlichen Kommission festgelegt werden. In Frage kommen folgende Staaten:
Kiribati (110,000 Bewohner*innen), Nauru (10,000 Bewohner*innen), die Malediven (427,000 Bewohner*innen), Palau (21,000 Bewohner*innen), Micronesien (104,000 Bewohner*innen), Kap Verde (540,000 Bewohner*innen), die Salomonen (600,000 Bewohner*innen), die Seychellen (94,000 Bewohner*innen), Tuvalu (11,000 Bewohner*innen) und die Marshall Islands (53,000 Bewohner*innen).
Viele dieser Staaten sind bereits in unterschiedlichen Initiativen und Vereinbarungen sowohl zur Bekämpfung des Klimawandels als auch der Klimafolgenanpassung engagiert. Gerade die Interessen der betroffenen Staaten müssen bei der Gestaltung der klimabedingten Migration besonders berücksichtigt werden. Der Klimapass müsste deshalb zusätzlich und nicht alternativ zu bestehenden Instrumenten und Programmen etabliert und finanziert werden, wie zum Beispiel Abkommen zum Klimaschutz, menschenrechtsbasierte Umsiedlungen, Maßnahmen im Kontext von Loss-and-damages, regionale Lösungen oder der Unterstützung der angrenzenden Staaten, die bereits heute Bewohner*innen der Inselstaaten aufnehmen. Allerdings ist klar, dass wir diese Staaten, wie zum Beispiel Neuseeland mit dieser Aufgabe nicht alleine lassen können. Außerdem setzt der Klimapass ganz klar beim einzelnen Menschen, seiner Würde und seinen Rechten an. Wir leben in einer Welt, in der Migration häufig autoritär-zentralistisch organisiert wir. Dem stellen wir mit dem Klimapass einen humanistischen und freiheitlichen Entwurf für eine moderne Anpassungspolitik entgegen, der das Individuum in seinen Rechten und seinen Möglichkeiten schützt und stärkt.
Der Klimapass als Zeichen der Verantwortung
Die europäische Idee steht im Zeichen der Solidarität und der Humanität. Die Staaten der europäischen Union sollten allein schon deshalb bei der gerechten und würdevollen Gestaltung der klimabedingten Migration voran gehen. Doch bei der Idee des Klimapasses geht es nicht nur um Humanität, sondern auch um Gerechtigkeit und Verantwortung. Denn es sind ja gerade nicht die pazifischen Inselstaaten, die in besonderem Maße zum Klimawandel beigetragen haben. Ganz im Gegenteil sind es insbesondere die Staaten des Globalen Nordens, die durch eine vollkommen verantwortungslose Energie-, Agrar-, Verkehrs- und Wirtschaftspolitik die Erderwärmung vorangetrieben haben. Es wäre zutiefst ungerecht, wenn die Bewohner*innen der pazifischen Inselstaaten nun die zukunftsvergessene Politik dieser Staaten ausbaden müssen. Ganz im Gegenteil kann die Möglichkeit der würdevollen Migration für die Betroffenen eine Kompensation für die durch den Klimawandel erlittenen Verluste sein. Deshalb sollen die Bewohner*innen der pazifischen Inselstaaten, die aufgrund des Klimawandels ihr Zuhause verlieren, gerade in den Staaten ein neues Zuhause finden, die einen besonders großen Anteil am Entstehen des Klimawandels tragen. Das betrifft auch aber nicht nur die Europäische Union. Die Staaten der EU sollten sich deshalb auf internationaler Ebene und Partner*innen bei der Aufnahme von Klimamigrant*innen suchen, die ebenfalls in besonderem Maße zum derzeitigen Zustand unserer natürlichen Lebensgrundlage gespielt haben. Dabei sollten sowohl historisch kumulierte als auch gegenwärtige Pro-Kopf-Emissionen einen eine Rolle spielen. Weiterhin könnten Faktoren wie das Bruttoinlandsprodukt, Fläche und Bevölkerungsdichte mit einbezogen werden. Gerade im Moment erleben wir, dass gerade die Staaten, die besonders stark zum Klimawandel beitragen oder beigetragen haben, die Kosten ihrer Wirtschafts- und Lebensweise in andere Teile der Welt auslagern. Durch die Anwendung des Verursacherprinzips werden sie mit den Konsequenzen für die Konsequenzen ihres Handelns in Verantwortung genommen. Somit wird der Kimapass mehr als nur ein Zeichen der Solidarität – ein Akt der internationalen Verantwortung und Ausdruck einer gerechten Klimafolgenanpassung.
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