Die Besetzung der Krim kann mit den Konflikten in Abchasien und Südossetien nicht gleich gesetzt werden. Die verkürzte und einseitige Übernahme der georgischen Sichtweise wird dem Anspruch an eine grüne Positionierung nicht gerecht.
Die Konflikte in dieser Region sind komplexer als dies in wenigen Sätze in einem Wahlprogramm dargestellt werden kann. Zum Hintergrund:
Das eigenständige Fürstentum Abchasien wurde im 19. Jahrhundert gegen den Widerstand der Bevölkerung in das Russische Reich eingegliedert, konnte dabei aber immer autonome Rechte bewahren. In den Wirren der Oktoberrevolution scheiterten die Versuche, die Unabhängigkeit zurück zu erlangen.
Georgische Truppen besetzten und annektierten das Land mit Unterstützung des deutschen Kaisereichs.
Nach dem Sieg der Roten Armee wurde Abchasien zunächst eine eigenständige Sowjetrepublik und später zusammen mit Georgien zur Transkaukasischen Sowjetrepublik verbunden. 1931 machte Stalin Abchasien zu einem „Geschenk“ an sein Geburtsland Georgien.
Der berüchtigte Geheimdienstchef Beria, der wie Stalin aus Georgien stammt, betrieb ab 1936 eine brutale Politik der Georgisierung Abchasiens. Den Abchasen wurde das georgische Alphabet aufgezwungen und die nationale Unterrichtssprache in der Schule verboten. Zwischen 1944 und 1953 wurden gezielt Georgier in Abchasien angesiedelt, so dass die Abschasen dort selbst zur Minderheit wurden.
Trotz der Repressionen setzten sich die Abchasen immer wieder für ihre nationalen Rechte ein.
In der sich auflösenden Sowjetunion strebten zahlreiche nationale Minderheiten nach nationalen Unabhängigkeit. In Georgien gewannen dabei nationalistische Strömungen schnell die Oberhand.
Der Konflikt zwischen Abchasen und Georgiern eskalierte im Sommer 1989, nachdem sich die Abchasen für die Aufwertung zu einer eigenen Unionsrepublik ausgesprochen hatten und es gab Dutzende Tote und etwa 500 Verletzte.
Der spätere Präsident Georgiens, Gamsachurdia, erklärte schon 1989, die Abchasen seien alle Terroristen und Agenten Moskaus. Gamsachurdia war ein fanatischer Nationalist, der bereits vor den Parlamentswahlen im Oktober 1990 durchsetzte, dass die Parteien der Minderheiten nicht antreten durften.
Am 25. August 1990 erklärte Abchasien sich für unabhängig, was Georgien nicht anerkannte.
1992 wurde Georgien als unabhängiger Staat anerkannt und in die Vereinten Nationen aufgenommen. Nur zwei Wochen später ging Georgien militärisch gegen Abchasien vor.
Der georgische Militärkommandeur in Abchasien drohte am 25. August 1992 per Fernsehansprache: „Wir sind bereit, 100.000 Georgier zu opfern, um 97.000 Abchasen auszulöschen. Wir werden die ganze abchasische Nation ohne Nachfahren zurücklassen.“
Beim Plündern und Brandschatzen in Suchumi brannte die georgische Nationalgarde vorsätzlich das abchasische Nationalarchiv und die Nationalbibliothek nieder und zerstörte so fast 95 Prozent des Archivguts zur abchasischen Geschichte.
Die Abchasen leisteten militärischen Widerstand und wurden aus den Nachbarländern, zunächst vorrangig vom Kongress der Bergvölker des Kaukasus und ab 1993 zunehmend auch von Russland unterstützt.
Durch die russische Unterstützung gewannen die Abchasen schließlich den Krieg und 200.000 Georgier flüchteten aus der Region.
Mit dem Waffenstillstandsabkommen im Mai 1994 wurde die Stationierung russischer Truppen in der Waffenstillstandszone vereinbart und eine UN-Beobachtermission eingerichtet.
Ein Friedensvertrag scheiterte jedoch vor allem an der Frage der Rückkehr der georgischen Bevölkerung und so wurde Abchasien zu einem eingefrorenen Konflikt.
Russland nutzte den Konflikt nun als Hebel um eigene Interessen gegen Georgien durchzusetzen und sich den Fortbestand der vier Militärstützpunkte in Batumi, Achalkalaki, Wasioni und Gudauta zu sichern.
Die Reduktion des Konflikts auf eine Besatzung durch Russland ist nach alledem trotzdem nicht gerechtfertigt.
Seither haben sich Russland und Georgien 1999 auch auf die teilweise Schließung der Militärbasen und den Verbleib der im Waffenstillstandsabkommen vereinbarten Friedenstruppen geeinigt. Die Militärbasis in Wasiani wurde 2001 und die in Achalkalaki und Batumi 2007 geräumt und übergeben.
Die Basis in Gudauta besteht bis heute, da Russland diese für die Stationierung der vereinbarten Friedenstruppen aus dem Abkommen von 1994 nutzt.
Die Angst vor Vertreibung und Völkermord hat in der abchasischen Bevölkerung dazu geführt, dass viele inzwischen russische Pässe besitzen.
In Folge der Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo 2008 durch eine Mehrheit der NATO und EU Staaten, erklärte Russland auch die Anerkennung von Abchasien und Südossetien.
Im Sommer 2008 eskalierter der Konflikt dann erneut durch den größenwahnsinnigen Angriff Sakaschwillis auf die russischen Truppe in Südossetien.
Südossetien wurde während der Oktoberrevolution von georgischen Truppen besetzt, da die Einwohner mit den Bolschewiken sympathisierten und sich den neuen Herrschern aus Tiflis widersetzten.
In den 20er Jahren kam es zu Massakern an der Zivilbevölkerung. Über 40 ossetische Dörfer wurden niedergebrannt, 5.000 Menschen kamen ums Leben und etwa 30.000 mussten fliehen.
Nach der Eroberung durch die Rote Armee wurde Südossetien autonomer Teil der georgischen Sowjetrepublik.
Im November 1989 erklärten sich die Südosseten zur autonomen Republik aus Empörung über die nationalistischen Gesetze aus Tiflis, mit denen Georgisch zur alleinigen Landessprache erklärt wurde.
Daraufhin marschierten bewaffnete Georgier unter Führung von Gamsachurdia in die Hauptstadt Zchinwali und es kam zu Gefechten mit Dutzenden Toten und Verletzten.
Gamsachurdia bezeichnete die Südosseten als Gäste, die nach Nordossetien zurückkehren sollten, was einer Aufforderung zu ethnischen Säuberungen gleich kam. Nach seinem Wahlsieg im Oktober 1990 verhängte er den Ausnahmezustand und begann mit der Belagerung der Region, die bis Juni 1992 andauerte.
In dieser Zeit machten georgischen Truppen 100 ossetische Dörfer dem Erdboden gleich, zerstörten während der Besetzung der Hauptstadt Zchinwali gezielt südossetisches Kulturgut und Friedhöfe.
Im Gegenzug wurden aus Rache 10.000 Georgier aus der Region vertrieben. Zchinwali wurde durch den Beschuss und die Belagerung weitgehend zerstört. Von 100.000 Bewohnern der Region kamen etwa 1.000 ums Leben. Ab Juni 1992 griff Russland auf Druck durch Nordossetien in den Konflikt ein.
Am 24.Juni 1992 schlossen Jelzin und Schewardnads, als Nachfolger Gamsachurdias, ein Waffenstillstandsabkommen und einigten sich auf die Stationierung einer 1.500 Mann starken Friedenstruppe aus ossetischen, georgischen und russischen Soldaten, sowie auf eine gemeinsame Kontrollkommission aller vier Parteien. Auch die OSZE beteiligte sich mit einer sehr kleinen Beobachtertruppe.
Ein Friedensvertrag kam nicht zustande, weil die Südosseten sich von Moskau verraten fühlten und nach wie vor den Anschluss an Russland und Nordossetien verlangten. Bis zur Anerkennung des Kosovo durch die meisten NATO Partner lehnte jedoch Moskau die Anerkennung der Unabhängigkeit Südossetiens ab.
In der Nacht zum 8. August 2008 startete Sakaschwili eine Großoffensive gegen die Waffenstillstandsgrenze an der noch 500 russischen und 500 südosseitische Soldaten der ehemals gemeinsamen Friedenstruppe stationiert waren. 14 Russen und 365 Osseten verloren bei dem Überfall ihr Leben.
Russland griff nun seinerseits Georgien an, vertrieb deren Truppen aus Südossetien und rückte auf georgischem Territorium vor. Nach vier Tagen waren die Kampfhandlungen beendet und Russland zog seine Truppen wieder zurück, nachdem eine EU Beobachtermission sicherstellen sollte, dass sich ein solcher Überfall nicht wiederholte.
Nach dem Krieg erkannte Russland die Unabhängigkeit Abchasiens und Südossetiens an und vereinbarte die Stationierung von Soldaten und schweren Waffen.
Die von Georgien beantragte einseitige Verurteilung Russlands wies der Internationale Gerichtshof in Den Haag mit Urteil vom 15. Oktober 2008 zurück.
Auch aus Sicht der Schweizer Diplomatin und Vorsitzenden der „Independent International Fact-Finding-Mission on the Conflict in Georgia“ war es Georgien, das den Krieg begonnen hat und „keiner der von den georgischen Behörden gelieferten Erklärungen, um den Angriff in irgendeiner Form rechtlich zu legitimieren verleiht ihm eine wirksame Begründung“, so die Vorsitzende.
Kommentare
Martin Pilgram: