Antrag EPW: | Kapitel 4: Garantieren, was uns alle schützt: Frieden und Sicherheit fördern |
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Antragsteller*in: | Anna Leidreiter (Segeberg KV) und 19 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 40%) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Erledigt durch: EP-U-01-028 |
Eingereicht: | 07.10.2018, 11:33 |
EP-S-01-093-3: Kapitel 4: Garantieren, was uns alle schützt: Frieden und Sicherheit fördern
Verfahrensvorschlag zu EP-U-01-028: Antragstext
Von Zeile 27 bis 29 einfügen (EP-U-01: Kapitel 1: Erhalten, was uns erhält: unsere natürlichen Lebensgrundlagen schützen):
Kohle eingehen oder eine demokratische Energieinfrastruktur auf Basis der Erneuerbaren aufbauen, macht einen Unterschied. Die EU-Energieaußenpolitik muss auf Nachhaltigkeit und einen Dialog auf Augenhöhe im Interesse der betroffenen Staaten setzen. Zu einer solchen, gemeinsamen EU-Außenpolitik ist daher eine starke, auf Erneuerbarer Energien basierende Energieunion notwendig.
Ein Europa ohne Kohle, Atom und Fracking ist möglich. Wir wollen die Europäische Union zum
weltweiten Vorreiter für Klimaschutz, erneuerbare Energien und Energieeffizienz machen.
Unser Kontinent hat gerade hier noch enorme Potenziale, die bislang weitgehend brachliegen.
Durch saubere Energiequellen kann eine weitgehende Energie-Unabhängigkeit erreicht, können
Klima und Umwelt geschützt und nachhaltige Jobs geschaffen werden. Das ist unser Ziel. Die
gute Nachricht: Alle Lösungen dafür stehen bereit, sie müssen nur angepackt werden!
Die Klimakrise ist eine der größten Herausforderungen unserer Generation. Versagen wir bei
der Eindämmung der Krise, haben wir als politische Generation versagt. Mit Klimaschutz
schützen wir nicht nur (und noch nicht einmal in erster Linie) Arten und Natur. Wir schützen
unsere Lebensgrundlagen, aber auch die liberale Demokratie, ein Gemeinwesen, das in der Lage
ist, wertebasierte Politik zu machen. Und wir schützen die ökonomische Basis, auf der wir
unsere Politik aufbauen. Eine Erderhitzung über 2 Grad wird unkontrollierbare Folgen auf
unser Zusammenleben und unsere Freiheit haben. Und sie trifft immer erst die Schwächsten.
Menschen werden ihr Zuhause verlassen müssen und sich als Klimaflüchtlinge auf den Weg
machen. Die weltweiten Migrationsbewegungen werden zunehmen. Die Weltbank, nicht gerade
bekannt für ökologische Sensibilität, rechnet mit 150 Millionen Klimaflüchtlingen bis 2030.
In elf Jahren. Es wird zu Kriegen um Wasser, fruchtbare Böden oder sichere Stätten kommen.
Wir werden uns der Verantwortung so oder so nicht entziehen können. Doch die Zeit läuft uns
davon. Hitzerekorde, Dürren, Überschwemmungen und starke Stürme liefern fast täglich neue
Schreckensmeldungen. Der vergangene Sommer hat auf eindringliche Weise gezeigt, dass die
Klimakrise längst auch bei uns in Europa Realität ist.
Die Europäische Union muss zu einer Union des Klimaschutzes werden. Das heißt nicht nur,
dass sie eine andere Energie-, Wirtschafts- und Landwirtschaftspolitik betreibt, sondern
dass sie die ökologischen Fragen auch ins Zentrum ihrer Außen-, Sicherheits- und
Friedenspolitik stellt. Wie wir unseren Energiehunger stillen, wird maßgeblich die
Leitlinien der Außenpolitik bestimmen. Ob wir schmutzige Deals mit Diktatoren um Öl, Gas und
Kohle eingehen oder eine demokratische Energieinfrastruktur auf Basis der Erneuerbaren
aufbauen, macht einen Unterschied. Die EU-Energieaußenpolitik muss auf Nachhaltigkeit und einen Dialog auf Augenhöhe im Interesse der betroffenen Staaten setzen. Zu einer solchen, gemeinsamen EU-Außenpolitik ist daher eine starke, auf Erneuerbarer Energien basierende Energieunion notwendig.
Eine Handels- und Landwirtschaftspolitik, die unseren
Reichtum auf Kosten Dritter erwirtschaftet, oder stattdessen faire Partnerschaften, die
einen gedrosselten Ressourcenverbrauch bei uns bedeuten, machen einen Unterschied. Fischen
wir die Meere leer oder sorgen wir für halbwegs intakte Meeresökologie? Exportieren wir
unseren Müll ins Ausland oder verzichten wir auf Wegwerfplastik?
Viele Menschen sind weiter als die Politik: zum Beispiel Bürger*innen, die Bike- und
Carsharing nutzen, sich an Bürgerenergieprojekten beteiligen, auf ökologisch erzeugte
Lebensmittel setzen, die in Nachhaltigkeit und grüne Infrastruktur investieren. Aber auch
innovative Unternehmen, Ingenieur*innen und viele mehr haben sich auf den Weg gemacht. Mit
ihnen allen verbünden wir uns. Und packen an. Für ein Europa, das ohne Kohle- und Atomstrom
auskommt, eine Agrarpolitik betreibt, die auf ökologischen Kriterien basiert und Landwirten
eine Perspektive gibt, ein Europa, das mit einer Plastikabgabe plastikmüllfrei wird und
unsere Meere schützt.
Schadstoffbelastete Böden und Gewässer, weniger Summen und Brummen in der Luft. Das sind
Anzeichen für eine kranke Natur, die auf den Menschen zurückgeht. Und Anzeichen dafür, dass
wir Grenzen überschreiten. Diesen Herausforderungen müssen wir uns stellen. In einem
gemeinsamen Europa können wir mit weniger Pestiziden und einem Verbot von Glyphosat Tieren
und Pflanzen wieder mehr Lebensraum geben. Mit einer Wasserrahmenrichtlinie, die wir
konkretisieren und konsequent umsetzen, verbessern wir die Qualität von Flüssen und Seen.
Und mit europäischen Korridoren für Biotope und mehr Wildnisflächen erhalten wir wichtige
Lebensgrundlagen. Wir wollen ein gemeinsames Europa, das seine Umwelt und Natur schützt.
Bei der sauberen Mobilität, bei den erneuerbaren Energien oder auch beim Divestment hinkt
Europa hinterher. Wir wollen grüne Anleihen europaweit stärken und eine Richtlinie für
ökologische Transparenz am Finanzmarkt schaffen. Für den Verkehr der Zukunft wollen wir eine
europäische Batteriezellenproduktion aufbauen. Damit sorgen wir für mehr klimafreundliche
Mobilität und halten zugleich die Wertschöpfung in Europa. Zudem knüpfen wir ein
europaweites Schienennetz und verlagern Güter von der Straße auf die Gleise. Mit einem CO2-
Mindestpreis sorgen wir für wirksamen Klimaschutz. Und für mehr Erneuerbare und größere
Versorgungssicherheit schaffen wir einen gesamteuropäischen Stromverbund und ein
intelligentes Stromnetz. Das alles geht nur gemeinsam. In einem gemeinsamen Europa.
1.1 Klimaschutz fördern, aus Kohle und Atom aussteigen
Die Europäische Union ist reich an sauberen Energiequellen. Die Erneuerbaren haben weltweit
8,3 Millionen Arbeitsplätze geschaffen, davon mehr als 1,1 Millionen in der EU und über
300.000 in Deutschland. Investitionen in Erneuerbare und in Energieeffizienz sind
mittlerweile der kostengünstigste Weg für eine nachhaltige Energieversorgung. Es darf nicht
sein, dass Europa durch die rückwärtsgewandte Klimapolitik der Bundesregierung und der
Europäischen Union bei dieser rasanten Entwicklung den Anschluss verliert. In China und den
USA wird pro Kopf mittlerweile deutlich mehr in Erneuerbare investiert als in der EU.
Wir wollen das ändern! Wir wollen ein zu 100 % erneuerbares und ein energieeffizientes
Europa als Treiber für die internationale Energiewende. Dafür muss das europäische
Klimaschutzziel, das sich keineswegs auf dem Pfad der Pariser Klimaziele bewegt,
ambitionierter und verbindlich werden. Bis 2030 müssen 45 % von Europas Energie, die wir
beim Strom, der Wärme und bei der Mobilität verbrauchen, erneuerbar sein, und bis 2050
müssen es 100 % sein. Nur so kann Europa seinen Beitrag leisten, um die Klimakrise
einzudämmen und die globale Erhitzung deutlich unter 2 Grad zu halten. Die CO2-Emissionen
müssen zudem bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber 1990 gesenkt werden. Bei der
Energieeffizienz braucht es eine Verbesserung um 40 % im Vergleich zum Jahr 1990, um ein
maximal technisch mögliches Niveau der Energieeffizienz für 2050 zu erreichen.
Die Verbrennung von Kohle ist die klimaschädlichste Form der Stromerzeugung. Dabei gibt es
längst Alternativen: Erneuerbare Energien sind sauberer, sicherer, effizienter und
mittlerweile auch billiger. Das haben Länder wie Frankreich, die Niederlande oder Italien
längst verstanden und sich der globalen Allianz für den Kohleausstieg (Global Alliance to
Power Past Coal) angeschlossen, die sich für einen Kohleausstieg bis spätestens 2030
ausspricht. Diesen Vorreitern muss sich die Europäische Union inklusive Deutschland
anschließen, statt an der klimaschädlichen Kohle festzuhalten.
Der Export von dreckigem deutschem Kohlestrom untergräbt in europäischen Nachbarländern den
Ausbau der Erneuerbaren. Kohlekraft schadet nicht nur dem Klima, sondern setzt auch
hochgiftige Schadstoffe frei. Die hohen Folgekosten für die Verbrennung von Kohle in Europa
dürfen nicht weiter zu Lasten der Allgemeinheit gehen, die die Kosten und Risiken dafür
trägt. Die Bundesregierung ist super darin, anzukündigen, wie ehrgeizig sie in 10, 15 oder
20 Jahren sein will. Und regelmäßig macht sie nichts in der Gegenwart. Damit muss Schluss
sein. Je energischer wir jetzt handeln, desto leichter werden die letzten Etappen. Wir
müssen jetzt beginnen, Kohlekraftwerke abzuschalten. Daran muss sich Politik messen lassen.
Wir brauchen nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa einen vollständigen
Kohleausstieg.
Die hochgefährliche Atomkraft, deren Kosten und Risiken auf viele zukünftige Generationen
abgewälzt werden, bekämpfen wir europaweit. Der dringend notwendige Kohleausstieg darf nicht
dazu führen, dass Kohle durch Atom ersetzt wird. Die Atombranche etwa in Frankreich setzt
auf eine Renaissance der französischen Atomkraft – mit Atomstrom-Exporten nach ganz Europa.
Die dort diskutierte Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken lehnen wir ab. Es ist völlig
unverantwortlich, dass Atomkraftwerke, die für eine Laufzeit von maximal 40 Jahren
konzipiert wurden, nun trotz zunehmender Stör- und Unfälle 60 Jahre am Netz hängen sollen.
Auch Belgien macht keine Anstalten, seine Schrottreaktoren vorzeitig stillzulegen. Risiko-
AKWs wie das französische Cattenom, das belgische Tihange oder das tschechische Temelín
gehören sofort abgeschaltet. Der Betrieb dieser Schrottmeiler birgt unbeherrschbare Risiken
für alle Europäer*innen. Darüber hinaus fordern wir ein neues Regelwerk auf europäischer
Ebene, das es Bürger*innen und Anrainerstaaten ermöglicht, Einfluss auf die
Sicherheitsanforderungen für grenznahe Atomkraftwerke nehmen zu können. Die Atomtransporte
in Europa müssen systematischer erfasst, transparenter gemacht und auf ein Minimum
beschränkt werden.
Nur durch milliardenschwere staatliche Beihilfen rechnet sich der Bau von Atomkraftwerken in
Europa überhaupt noch. Diese Subventionen sind möglich, weil immer noch auf Grundlage des
längst überholten Euratom-Vertrags entschieden wird. Alle Passagen dieses Vertrages, die
Investitionen, Forschungsförderung und Genehmigungsprivilegien im Bereich der Atomkraft
begünstigen und AKW-Projekten gegenüber anderen Energieträgern einen wettbewerbsverzerrenden
Vorteil verschaffen, müssen gestrichen werden. Der AKW-Rückbau und die Entsorgung von
Atommüll sollen zur Kernaufgabe von Euratom werden. Zudem müssen die EU-weit geltenden
einheitlichen Sicherheitsstandards wesentlich strenger werden. Ebenso ist ein neues
einheitliches europäisches Haftungsregime mit deutlich höheren Anforderungen notwendig;
Subventionierungen durch die Hintertür müssen beendet werden. Bei den Entscheidungen zu
Euratom wollen wir in Zukunft ein klares demokratisches Mitspracherecht durch das
Europäische Parlament. Damit die Energiewende europaweit gelingt, braucht es eine
Erneuerbare-Energien-Union.
CO2 einen Preis geben und den Menschen das Geld
CO2 muss einen Preis bekommen. Dieser Preis besteht nach unseren Vorstellungen aus zwei
Komponenten: Für alle Anlagen, die dem Emissionshandel unterliegen – das sind vor allem
Industrieanlagen sowie Kohle- und Gaskraftwerke –, sollte es einen Mindestpreis für CO2
geben. Die letzte Reform des Emissionshandels war viel zu zaghaft, die Zertifikate sind
weiterhin viel zu billig und verfehlen damit ihre Wirkung. Daher müssen sie verknappt und
verteuert werden. Wir wollen, dass Deutschland zunächst mit einigen EU-Staaten die
Initiative ergreift und in einer regionalen Staatengruppe einen gemeinsamen CO2-Mindestpreis
einführt; die Niederlande und Frankreich haben ihre Absicht dazu schon erklärt.
Perspektivisch wollen wir eine gesamteuropäische Lösung vorantreiben.
Für die Sektoren, die bislang nicht vom Emissionshandel erfasst werden, wie Verkehr, Wärme
und Landwirtschaft, braucht es eine Anpassung der Steuersätze auf Heizöl und Erdgas. Die
fossilen Energieträger müssen für ihren jeweils spezifischen CO2-Ausstoß den wahren Preis
zahlen.
Da Steuern und Abgaben auf Verbrauch immer sozial schwächere Haushalte stärker belasten als
reichere, wollen wir die zusätzlichen Einnahmen aus der CO2-Besteuerung an die
Verbraucher*innen zurückgeben. Unser Ziel ist die Schaffung eines Energiegeldes als Pro-
Kopf-Zahlung an die Menschen in Europa. Solange dies nicht europäisch umsetzbar ist, werden
wir in Deutschland vorangehen.
Beschäftigte beim Strukturwandel in Kohlerevieren unterstützen
Der Kohleausstieg wird auch dazu führen, dass Arbeitsplätze verloren gehen und neue in
Zukunftsbranchen entstehen. Wir nehmen die Sorgen und Ängste der Betroffenen ernst und
lassen die Menschen nicht im Stich. Bei diesem Strukturwandel müssen wir die Beschäftigten
und die Regionen unterstützen, damit sie eine Perspektive haben. Im Europäischen Fonds für
regionale Entwicklung (EFRE) sollen „Kohleausstiegsregionen” speziell gefördert werden. Neue
regionale Wirtschaftsschwerpunkte werden aufgebaut und passgenaue Weiterbildung wird
angeboten. Wir werden dafür ein Recht auf Weiterbildung und lebenslanges Lernen in ganz
Europa verankern. Das hilft nicht nur den vom Strukturwandel Betroffenen, sondern ist auch
ein Mittel gegen Fachkräftemangel.
Europas Energie vernetzen
Selbst wenn Energiepolitik innerhalb der EU heute immer noch vor allem in der nationalen
Kompetenz liegt, sind die Mitgliedsländer durch den gemeinsamen Strommarkt eng miteinander
verbunden. Europa muss sich energiepolitisch weitgehend unabhängig machen. Doch die geplante
Gaspipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee, die von Russland und der deutschen
Bundesregierung vorangetrieben wird und die osteuropäischen und baltischen Staaten nicht
miteinbezieht, konterkariert dieses Ziel und widerspricht dabei auch der gemeinsamen
europäischen Energieunion. Zudem ist Nord Stream 2 – wie auch neue Pipeline- und Fracking-
Projekte in anderen Ländern – klimapolitisch falsch, stellt die europäische Solidarität in
Frage und ist für die Ukraine politisch desaströs. Deshalb muss es gestoppt werden. Wir
brauchen nicht mehr Erdgas, sondern mehr Erneuerbare und Energieeffizienz.
Europa muss zusammenwachsen, auch im Strombereich. Mit einem gesamteuropäischen Stromverbund
stärken wir die Versorgungssicherheit, indem Angebot und Nachfrage auf eine breitere Basis
gestellt werden. Damit schaffen wir ein gemeinsames Netz für ganz Europa und verbinden
Lissabon mit Helsinki. Wir beugen auch Lieferengpässen vor und sorgen für mehr
Unabhängigkeit.
Für Europa brauchen wir dringend ein intelligentes Stromnetz, das sowohl die erneuerbaren
Energien dezentral verknüpft und überregional verbindet als auch über flexibel steuerbaren
Stromverbrauch clever das zunehmend erneuerbare Stromangebot vernetzt. Dafür wollen wir eine
echte europäische Energienetzgesellschaft.
Nötig sind europäische Strom- und Gasnetze, die der Energiewende dienen und helfen, die
natürlichen Schwankungen der Erneuerbaren auszugleichen. Dieses Prinzip muss Leitschnur für
die Auswahl der transeuropäischen Netzbauprojekte sein. Wir wollen die Erzeugungspotenziale
in Europa vernetzen und dabei Maß und Mitte halten zwischen zentralen und dezentralen
Strukturen.
Risikotechnologien wie die CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS), also die Einlagerung von
CO2 in unterirdische Lagerstätten, und die Förderung von Erdgas und Erdöl durch Fracking
lehnen wir wegen der unabsehbaren Gefahren für Gesundheit, Trinkwasser und Umwelt ab.
Union für Energie- und Ressourceneffizienz
Investitionen in Energieeffizienz und Erneuerbare schaffen Arbeitsplätze und reduzieren die
Kosten für die Verbraucher*innen. Wir wollen den Umstieg privater Verbraucher*innen auf
Geräte mit geringerem Energieverbrauch fördern sowie kleinen Unternehmen eine günstigere
Grundversorgung mit Strom und Wärme ermöglichen. Die vom EU-Parlament und Rat geschaffene
Ökodesign-Richtlinie legt für verschiedene Produktgruppen ökologische Mindeststandards fest.
Das ist richtig, reicht aber lange noch nicht aus. Wir wollen für weitere Produkte
ökologische Mindeststandards festlegen. So können wir ökologische Innovationen,
beispielsweise im Bereich Verkehr, fördern. Schlüssel für weniger Energieverbrauch sind der
Bereich Bauen und Wohnen und der Umstieg auf eine energieeffiziente Elektromobilität.
Wir wollen einen Wettbewerb um die ökologischste Produktionsweise entfachen. Die Ökodesign-
Richtlinie muss Recycling und Ressourceneffizienz fördern und fordern. Auch wollen wir
erreichen, dass die jeweils ressourcenschonendste Produktionsweise nach einiger Zeit zum
Standard erklärt wird, den dann alle einhalten müssen. Die Ökodesign-Richtlinie hat das
Potenzial, 90 Milliarden Euro pro Jahr an Energie- und Materialkosten einzusparen und 1
Million Jobs zu schaffen. Insgesamt können wir mit einer ressourcenschonenden
Wirtschaftsweise bis zu 2,8 Millionen neue Arbeitsplätze in Europa schaffen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- einen europaweiten Ausstieg aus Kohle- und Atomstrom,
- Investitionen in intelligente Stromnetze und einen transeuropäischen Netzausbau,
- einen vernünftigen Preis für CO2,
- ein Programm, das Arbeitnehmer*innen in Kohleausstiegsregionen unterstützt.
1.2 Europa verbinden mit grüner Mobilität
Europa lebt vom grenzüberschreitenden Austausch. Reisen, leben, lieben und arbeiten jenseits
nationaler Grenzen ist selbstverständlich geworden. Wir wollen ein Verkehrssystem in Europa
aufbauen, das den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird. Ein System, das unsere
Lebensqualität steigert. Steigende CO2-Emissionen verschärfen die Klimakrise, Stickoxide und
Feinstaub schädigen massiv die Gesundheit, und Staus auf zahlreichen Straßen rauben uns die
Zeit. Gleichzeitig fehlt in ländlichen Regionen ein flächendeckender Nahverkehr, sind Züge
unzuverlässig und Radwege oftmals in schlechtem Zustand. Das wollen wir ändern. Wir möchten
in Europa eine Mobilität, die klimaneutral, kostengünstig und für alle nutzbar ist und
Umwelt und Gesundheit schützt. Das bedeutet: weniger, aber dafür saubere und leise Autos,
mehr Car- und Bikesharing, bessere Zug- und ÖPNV-Angebote und eine bessere Vernetzung
unterschiedlicher Verkehrsträger in der Stadt und auf dem Land. Mittelfristig wollen wir
autofreie Innenstädte schaffen.
Europa braucht einen Paradigmenwechsel bei den Investitionen in Straßen: Statt Milliarden in
den Neubau zu stecken, muss die bröckelnde öffentliche Infrastruktur dringend saniert
werden. Wir wollen, dass auch der Verkehrssektor seinen Beitrag zum Klimaschutz leistet.
Dazu fordern wir die Einführung eines CO2-Preises auf fossile Treibstoffe wie Benzin und
Erdgas, damit saubere Antriebe im Verhältnis günstiger werden.
Auch den Fahrradverkehr wollen wir ausbauen. Mittlerweile gibt es 14 europäische
Fernradwege, die Euro-Velo-Routen. Diese wollen wir ausbauen, um den grenzüberschreitenden
Fahrradverkehr zu fördern.
Ein europäisches Schienennetz knüpfen
Um die grüne europäische Mobilität zu fördern, wollen wir, dass Europa auf der Schiene
zusammenwächst. Anstatt vorrangig milliardenschwere Großprojekte, wie Stuttgart 21, mit
wenig europäischem Nutzen zu finanzieren, müssen europäische Fördermittel gezielt für
bestehende und fehlende Abschnitte eingesetzt werden. Das europäische Eisenbahnnetz ist noch
immer ein Flickenteppich mit zahlreichen Lücken an den nationalen Grenzen. Wir wollen das
ändern. Das 2016 erstmals aufgelegte europäische Lückenschlussprogramm ist ein grüner
Erfolg, der deutliche Verbesserungen schafft. Aber schon jetzt wird deutlich, dass die
Nachfrage das Programm überfordert. Deswegen fordern wir eine Verdoppelung der Mittel. Damit
schaffen wir mit wenig Aufwand einen besseren grenzüberschreitenden Schienenverkehr. Davon
profitieren gerade die Menschen, die alltäglich darauf angewiesen sind.
Während man in Europa relativ einfach mit dem Auto über Grenzen fährt, müssen im
Schienenverkehr oftmals Loks, Personal und Stromnetz gewechselt werden. Das kostet nicht nur
Zeit, sondern macht den Zugverkehr insgesamt unattraktiver. Deshalb müssen die
unterschiedlichen nationalen Verkehrsnetze europaweit vereinheitlicht werden. Ein
gemeinsames Verkehrsnetz braucht gemeinsame Standards, von Ticketsystemen und Bahnsteighöhen
bis zu Sicherheitsstandards. Nur wenn die Kleinstaaterei aufhört, kann Europa mehr Personen-
und Güterverkehr auf die Schiene verlagern. Das schont das Klima und senkt die Belastung
durch Lärm und Schadstoffe. Wir brauchen massive Investitionen in transnationalen Güter- und
Personenverkehr. Wir setzen uns für die Wiederaufnahme europäischer Nachtzüge zwischen allen
Metropolen und einen funktionierenden Pendelverkehr in Grenzregionen ein.
Weltmarktführer für saubere Autos
Um die Mobilität der Zukunft zu prägen, muss Europa den Wandel in der Autoindustrie
anpacken. Neue Automobilhersteller, Mobilitätsdienstleister und Digitalkonzerne aus den USA
und China fordern die europäischen Hersteller heraus. Nur wer die saubersten, bequemsten und
intelligentesten Mobilitätslösungen anbietet, kann internationaler Marktführer bleiben.
Dabei geht es um unglaublich viel: Wertschöpfung, Arbeitsplätze, Klima- und
Gesundheitsschutz – um nur einige wenige Aspekte zu nennen.
Es sind vor allem die nationalen Regierungen und oft Deutschland, die in Brüssel die CO2-
Grenzwerte für Autos verwässern, Diesel-Tricksereien vertuschen und strengere Abgastests
blockieren. Gerade die Große Koalition hat damit der Automobilindustrie einen Bärendienst
erwiesen. Wir Grünen wollen den nötigen Technologiewandel vorantreiben: weg vom fossilen
Verbrennungsmotor hin zu abgasfreien Antrieben. Dafür braucht es ambitionierte europäische
CO2-Grenzwerte für Neuwagen, eine Förderung der europäischen Ladeinfrastruktur und eine
europaweite Quote für abgasfreie Neuwagen, damit ab 2030 möglichst nur noch abgasfreie Autos
neu zugelassen werden. Zudem brauchen wir strengere Kontrollen bei Abgastests und das Ende
der Steuerprivilegien bei Kraftstoffen. Außerdem wollen wir die Batteriezellenproduktion
sowie die Produktion von Wasserstoffautos europäisch unterstützen, um beim sauberen Auto
Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Europa zu schaffen. Auch beim ÖPNV wollen wir die
Elektromobilität voranbringen: Bahnstrecken müssen elektrifiziert und abgasfreie Busse
produziert werden.
In einem neuen umfassenden Mobilitätssystem wird das Auto vernetzt mit Bus, Bahn, Fahrrad
und Fußverkehr. Über Carsharing teilen sich Menschen Autos. Hinzu kommen neue Entwicklungen
wie die intelligente Verkehrssteuerung und autonome Autos, die unter den richtigen
Rahmenbedingungen mehr Klimaschutz, Sicherheit und Effizienz schaffen können. Wir wollen die
digitale, emissionsfreie Mobilität stärken und damit unsere Lebensqualität erhöhen. Dazu
wollen wir auf europäischer Ebene einen Förderwettbewerb für Städte starten, die den
Autoverkehr verringern und Carsharing, ÖPNV, Rad- und Fußverkehr gezielt ausbauen.
Umsteuern bei Flugverkehr und Schifffahrt
Auch den Flugverkehr und die Schifffahrt möchten wir auf einen nachhaltigen Kurs bringen.
Wir wollen, dass die EU sich auf internationaler Ebene für klare Klimaziele für die
Schifffahrt und den Flugverkehr einsetzt. Wir setzen daher auf eine einheitliche europäische
Regelung, die emissionsarme Kraftstoffe wie Wasserstoff aus erneuerbaren Energien in der
Schifffahrts- und Flugindustrie fördert. Landstromanschlüsse für Kreuzfahrt-, Container- und
Frachtschiffe sollen europaweit verbindlich werden.
Neben Nord- und Ostsee sollen weitere EU-Gewässer wie das Mittelmeer als
Emissionssonderzonen ausgewiesen und die Nutzung von Schweröl soll generell verboten werden.
Wir wollen darüber hinaus eine europaweite Abgabe für Kreuzfahrtschiffe einführen, ähnlich
der Flugverkehrsabgabe bzw. Kerosinsteuer. Derzeit sind Kreuzfahrtreisen nahezu von allen
Steuern ausgenommen, der Schiffstreibstoff steht den Reedern ebenfalls steuerfrei zur
Verfügung. Diese Ungleichbehandlung wollen wir abschaffen.
Auch im Luftverkehr kommt es darauf an, die unfairen Wettbewerbsvorteile abzuschaffen.
Internationale Flüge unterliegen weiter keiner Mehrwertsteuer und Kerosin wird nicht
besteuert. Das wollen wir ändern. Zudem muss der internationale Flugverkehr endlich in den
europäischen Emissionshandel einbezogen werden, um seinen Beitrag zum Schutz der Atmosphäre
beizutragen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- Vorfahrt für die Schiene,
- die Förderung sauberer Autos und zukunftsfester Arbeitsplätze,
- eine Schifffahrt ohne Schweröl,
- ein Ende der Steuerbefreiung für Kerosin.
1.3 Ressourcenschonende Wirtschaftsdynamik entfachen
Europa steht vor der Jahrhundertaufgabe, seine Wirtschaft ökologisch und sozial
umzugestalten. In Politik und Wirtschaft gibt es viele, die sich offenbar vor dieser Aufgabe
scheuen und sie weiter vor sich herschieben wollen. Damit werden die Probleme aber größer.
Wir Grünen bleiben dagegen hartnäckig, wenn es darum geht, der Wirtschaft einen ökologischen
und sozialen Rahmen zu setzen. Erst dieser Rahmen ermöglicht es der Wirtschaft, in einem
fairen Wettbewerb ihre Innovationskraft, ihre Ingenieurskunst und ihre technologischen
Stärken unter Beweis zu stellen. Das wollen wir unterstützen.
Wir wollen eine Modernisierungsoffensive zur Förderung ressourcenschonender und CO2-armer
Innovationen. Dafür brauchen wir eine industriepolitische Strategie, die die europäische
Wirtschaft fit für die Zukunft macht und eine neue Wirtschaftsdynamik entfacht. So vereinen
wir eine hohe Lebensqualität und gute Jobs mit dem Erhalt unserer natürlichen
Lebensgrundlagen. Ermutigend für die Perspektive einer ökologischen Transformation unserer
Wirtschaft ist es, wenn sich die europäische Stahlindustrie dazu bekennt, in den nächsten
Jahren auf CO2-neutrale Stahlproduktion umzuschwenken.
Wir verbrauchen die Ressourcen und Rohstoffe unseres Planeten in einem atemberaubenden
Tempo. Für nachhaltigen Wohlstand brauchen wir eine Kreislaufwirtschaft, die wertvolle
Rohstoffe wiederverwertet. Deshalb muss die Förderung der europäischen Kreislaufwirtschaft
Zentralanliegen jeder ökologisch orientierten Wirtschaftspolitik sein. Digitalplattformen
können dabei vor allem mit Blick auf industrielle Sekundärrohstoffe eine wichtige Rolle
spielen. Europa muss darauf achten, dass etwa im Bereich von Elektronikschrott nicht
wertvolle Ressourcen rücksichtslos auf Müllkippen in der ganzen Welt exportiert werden,
während durch Hightech-Recycling der Rohstoffverbrauch reduziert und Kosten für Unternehmen
und für die Umwelt verringert werden können. Besonderes Gewicht für die Recyclingwirtschaft
hat auch die europäische Plastikstrategie, deren Ziel es ist, die ständige Vermehrung von
Plastikmüll drastisch einzudämmen.
Geld nachhaltig anlegen und raus aus den Fossilen
Wir setzen uns dafür ein, Investitionen in fossile Brennstoffe zu stoppen – und sind damit
Teil der internationalen Divestment-Bewegung. Statt aus dem Raubbau an unserem Planeten
Profit zu ziehen, wollen wir in den Klimaschutz finanzieren. Das ist auch finanziell
sinnvoll, da die internationale Energiewende dazu führen wird, dass Investitionen in Kohle,
Öl und Gas mittelfristig abgeschrieben werden müssen. Grüne in Ländern und Kommunen haben es
vorgemacht: Auf ihren Antrag hin werden die Kommunal- und Landesfinanzen nachhaltig
ausgerichtet.
Der ökologische Umbau braucht massive Investitionen, die finanziert werden müssen. Heute
wird immer noch viel Kapital in alten fossilen Technologien angelegt. Das ist nicht nur ein
ökologisches Problem, sondern gefährdet auch die Stabilität der Finanzmärkte und die
Altersvorsorge der Menschen. Wir wollen Finanzmärkte, die nicht in die Vergangenheit,
sondern in die Zukunft investieren. Nachhaltige Kapitalanlagen sind dazu ein Wachstumsmarkt,
der den Finanzplatz Europa stabiler und zukunftsfähig macht.
Grüne Anleihen wollen wir europaweit stärken und eine einheitliche Klassifizierung schaffen.
Wir fordern eine Richtlinie für ökologische Transparenz am Finanzmarkt, damit Anleger
wissen, wie ökologisch ihre Geldanlage ist. Wir wollen ein europäisches „Green Finance
Label“ für Investitionen und Anlagen einführen, die die höchsten Nachhaltigkeitskriterien
erfüllen. Außerdem wollen wir ökologische und soziale Ziele in der
Unternehmensberichterstattung verpflichtend machen und ein unabhängiges Siegel für
nachhaltige Geldanlagen einführen.
Der Staat ist selbst ein sehr großer Nachfrager von Gütern. Zukünftig wollen wir auch das
öffentliche Beschaffungswesen an verbindliche ökologische, soziale und Fairtrade-Kriterien
knüpfen. Damit schaffen wir einen gewaltigen Markt für Unternehmen, die ökologisch und
sozial wirtschaften. Staatliche Subventionen für klimaschädliches Wirtschaften wollen wir
abschaffen.
Wir wollen die Mittel des Zukunftsfonds im EU-Haushalt für die soziale und ökologische
Modernisierung der europäischen Wirtschaft und Infrastruktur nutzen und vor allem kleinen
und mittleren Unternehmen sowie dem Handwerk den Zugang zu europäischen Förderprogrammen für
energie- und ressourceneffiziente Produktion erleichtern.
Wirtschaftspolitik richtet sich oft nur an profitorientierten Unternehmen aus. Dabei werden
Chancen vertan, die Genossenschaften und soziale Unternehmen bieten. Wir wollen eine
Strategie der EU zur Förderung der Gemeinwohlökonomie. Sie soll künftig in die
Unternehmensberichterstattung und in EU-Förderprogramme integriert werden. Unternehmen mit
Gemeinwohlorientierung sollen durch eine anerkannte Kennzeichnung gestärkt und bei
öffentlichen Aufträgen bevorzugt werden.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- das Anlegen öffentlicher Gelder in nachhaltigen Geldanlagen (Divestment),
- ein nachhaltiges Finanzsystem und ökologisch transparente Geldanlagen,
- eine Stärkung der Gemeinwohlökonomie.
1.4 Natur und Umwelt schützen
Sauberes Wasser, reine Luft, gesunde Böden und intakte Landschaften bilden unsere
Lebensgrundlagen. Aber diese sind bedroht. Der ehemals große Reichtum an Tieren, Pflanzen
und Lebensräumen schwindet täglich. Lebensräume gehen verloren, Arten sterben aus. Auf den
Wiesen und in den Wäldern wird es stiller, es brummt, summt und zwitschert immer weniger:
Die Vogelpopulation in Deutschland hat sich in den letzten 30 Jahren halbiert, die Anzahl
von Insekten ist seit 1989 um bis zu 80 % zurückgegangen. Rund ein Drittel der bei uns
heimischen Arten sind bedroht, darunter viele Bienen. Auch in anderen europäischen Ländern
sieht die Situation nicht viel besser aus.
Wir setzen unsere ganze Kraft dafür ein, den negativen Trend beim Artensterben zu stoppen.
Wir wollen eine artenreiche und intakte Natur erhalten und dort wiederherstellen, wo sie
bereits Schaden genommen hat. Das bedeutet auch, dass wir Natura-2000-Gebiete verteidigen,
verbessern und Schutzgebiete wo möglich vergrößern.
Die EU, und damit ihre Mitgliedstaaten, hat sich im Rahmen der Vereinten Nationen
verpflichtet, den Artenrückgang und die Zerstörung natürlicher Lebensräume bis 2020
aufzuhalten – und wird diese Ziele voraussichtlich deutlich verfehlen. Wir fordern daher,
umgehend eine ambitionierte europäische Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt für
den Zeitraum nach 2020 und ein Nachfolgeprogramm für das 7. Umweltaktionsprogramm zu
erarbeiten. Die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung wollen wir darin als neue
Leitprinzipien verankern.
In den letzten Jahren war es immer wieder die Europäische Union, die im Bereich der Umwelt-
und Naturschutzgesetzgebung Druck gemacht hat. Und es waren die nationalen Regierungen, die
sie verwässert oder nicht erfüllt haben. Dann sanktioniert die EU: Um einen der letzten
intakten Urwälder in Europa zu retten, hat der Europäische Gerichtshof die polnische
Regierung durch Androhung von Strafzahlungen gezwungen, die Abholzung des Białowieża-Waldes
zu stoppen. Ebenso hat die EU Deutschland aufgrund der zu hohen Nitratwerte in unserem
Wasser verurteilt.
Die gute gesetzliche Grundlage beim europäischen Umwelt- und Naturschutz muss von der EU-
Kommission und den Mitgliedstaaten umfassend umgesetzt werden. Hierzu sind auf allen Ebenen
personelle und finanzielle Kapazitäten zu schaffen. Außerdem muss die EU-Kommission ihre
Rolle als Hüterin der Verträge und des EU-Rechts ernst nehmen und hierfür Verstöße gegen das
europäische Umweltrecht konsequent durch Vertragsverletzungsverfahren ahnden.
Umweltschädliche Subventionen wollen wir abbauen und den Naturschutz besser finanzieren.
Außerdem wollen wir transeuropäische grüne Korridore für Biotope vorantreiben. Um
Lebensgrundlagen in der EU zu erhalten, braucht es eine intakte Natur. Dafür fördern wir
mehr Wildnisflächen: Möglichst bis 2030 wollen wir die Wildnisflächen in Europa verdoppeln.
Dafür muss Deutschland mit gutem Beispiel vorangehen und sein beschlossenes Ziel von 2 %
Wildnis bis 2020 umsetzen. Doch all das bringt uns nur voran, wenn wir das mit einer
Agrarwende, weniger Pestiziden auf den Feldern und mehr ökologischem Landbau verbinden.
Für Umwelt- und Tierschutzverbände wollen wir ein volles Verbandsklagerecht schaffen, damit
der Umweltschutz gegenüber kurzfristigen Industrieinteressen gestärkt wird. Wir wollen die
Entscheidungsprozesse demokratisieren, indem wir die Bürgerbeteiligung stärken und
Lobbyismus regulieren.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- den Schutz einzigartiger Kulturlandschaften und Urwälder in Europa,
- grenzüberschreitende Biotope,
- eine bessere Naturschutzfinanzierung,
- ein Verbandsklagerecht für Umwelt- und Tierschutzorganisationen
1.5 Die Landwirtschaft so verändern, dass sie unsere Lebensgrundlagen bewahrt
Wir streiten und werben für eine vielfältige, nachhaltige, regional verankerte, bäuerliche
Landwirtschaft, die Natur und Tiere schont und gesundes Essen für uns alle erzeugt. Wir
wollen eine konsequente Neuausrichtung hin zu einer europäischen Agrar- und
Ernährungspolitik, die im Einklang ist mit den europäischen Zielen in der Klima-, Umwelt-,
Verbraucher- und Entwicklungspolitik. Zudem möchten wir die vielfältigen Kulturlandschaften
in Europa und lebendige ländliche Räume mit zukunftsfesten Betrieben erhalten. Deswegen
streiten wir für die europäische Agrarwende: für den Aufbau einer nachhaltigen
Lebensmittelproduktion, die sowohl eine gesunde Ernährung sichert als auch hohen Umwelt- und
Tierschutzstandards genügt und faire Preise für die Landwirt*innen erzielt.
Zusammen mit Landwirt*innen und Umweltverbänden haben wir schon viel erreicht: Immer mehr
Verbraucher*innen in der EU wollen gesunde, ökologisch und regional produzierte
Lebensmittel. Daher ist Bio-Landbau längst ein fester Bestandteil der europäischen
Landwirtschaft geworden. Genauso setzen sich immer mehr Menschen in der EU mit uns für
bessere Tierhaltung und mehr Umweltschutz in der Landwirtschaft ein, wie zuletzt die
europäische Bürgerinitiative gegen Glyphosat gezeigt hat. Doch der Handlungsdruck bleibt
groß.
Durch intensive Landwirtschaft und Monokulturen gehen noch immer europaweit fruchtbare Böden
verloren, das Artensterben geht ungebremst weiter, der Pestizideinsatz ist ungemindert hoch
und industrielle Tierhaltung degradiert Tiere zu Rohstoffen. Die Landwirtschaft, eine der
Hauptbetroffenen der Klimakrise, ist selbst für einen nicht geringen Anteil des Ausstoßes
klimaschädlicher Gase und damit mit für die Erderhitzung verantwortlich.
Es ist höchste Zeit, eine Agrar- und Ernährungspolitik zu entwickeln, die die europäische
Landwirtschaft zukunftsfähig macht. Der Schutz von Klima, Boden, Wasser, Artenvielfalt und
Tierwohl steht im Mittelpunkt dieser neuen Landwirtschaftspolitik. Die europäische
Agrarpolitik sollte dazu beitragen, dass die Konsum- und Produktionsstrukturen in Europa
nicht die natürlichen Ressourcen und die Lebensgrundlagen bei uns in Europa und in sich
entwickelnden Ländern zerstören, indem EU-Agrarprodukte zu Dumpingpreisen die Märkte
Afrikas, Asiens und Lateinamerikas überfluten. Vielmehr muss sie dazu beitragen, dass die
bäuerliche Landwirtschaft in Europa erhalten wird und die nachhaltigen Entwicklungsziele
erreicht werden.
Qualität statt Masse – Neuausrichtung der Agrarförderung
Um die europäische Landwirtschaft an die gesellschaftlichen Herausforderungen anzupassen,
muss sich vor allem die EU-Agrarförderpolitik grundlegend ändern. Immer noch kommt der
größte Teil der bisher knapp 60 Milliarden Euro, mit denen die Landwirtschaft jährlich
subventioniert wird, insbesondere großen Betrieben zugute und fördert so Umweltzerstörung,
Industrialisierung und Exportorientierung. Die Mittel belohnen zudem pauschal Bodenbesitz.
Eine neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) dagegen muss Leistungen der Landwirtinnen und
Landwirte für das Gemeinwohl fördern und ihnen so Alternativen zum Prinzip „wachse oder
weiche“ eröffnen. Der Ausbau der ökologischen Landwirtschaft, eine artgerechte und eine
flächengebundene Tierhaltung würden dann gezielt unterstützt. Betriebe, die weniger oder gar
keine Pestizide einsetzen, unser Wasser sauber halten, würden also deutlich mehr Förderung
bekommen als industriell wirtschaftende Betriebe. Nur mit dem Prinzip „öffentliches Geld für
öffentliche Leistung“ lassen sich die hohen Zahlungen noch rechtfertigen.
Die Vorgaben für diese Leistungen müssen auf EU-Ebene definiert werden, damit die
Mitgliedstaaten nicht um den niedrigsten Standard konkurrieren. Voraussetzung für jedwede
Förderung ist das Einhalten von Umweltstandards, die ebenfalls für alle Mitgliedstaaten auf
EU-Ebene festgelegt werden müssen. Im Rahmen der GAP fordern wir einen 15 Milliarden Euro
schweren Naturschutzfonds.
Landspekulationen und Aufkauf von Land eindämmen
Landgrabbing, das heißt das Aufkaufen von landwirtschaftlichen Flächen als
Investitionsobjekten durch Kapitalanleger und Staaten, sowie eine verzerrende
Strukturpolitik bedrohen die vielfältige, solide und nachhaltige bäuerliche
Landwirtschaftsstruktur, auch in Europa.
Bäuerliche Betriebe sollen vor Agrarkonzernen und Bodenspekulation geschützt werden, etwa
durch verpflichtende Obergrenzen für Agrarzahlungen pro Nutznießer (und nicht nur pro
Tochterunternehmen), mehr Geld für die ersten Hektare, um kleine und mittlere Betriebe zu
unterstützen, Einstiegserleichterungen für Neugründungen, Transparenz der
Eigentumsverhältnisse, Monitoring der Preise und des Zustands des Bodens durch eine
europäische Beobachtungsstelle. Landwirtschaftlicher Boden ist ein öffentliches Gut und muss
vor Spekulationen geschützt werden.
Trinkwasser und Gewässer schützen
Wasser ist ein kostbares Gut, das geschützt werden muss. Der Zugang zu sauberem Wasser ist
ein Menschenrecht. Doch fast 2 Millionen Menschen in Europa haben keinen ordentlichen Zugang
zu Trinkwasser oder sanitärer Versorgung. Die Klimaerhitzung verschärft diese Situation. In
südlichen Ländern wie Spanien, Italien oder Griechenland wird Wasser bereits zu einem immer
knapperen Gut. Unsere Art zu konsumieren und zu wirtschaften verschwendet und verschmutzt
Wasser zu leichtfertig. Um das Menschenrecht auf Wasser in der EU zu verankern, gründete
sich 2012 die Europäische Bürgerinitiative Right2Water, die wir von Anfang an unterstützt
haben. Knapp 1,7 Millionen Europäerinnen und Europäer aus 13 EU-Mitgliedstaaten trugen diese
erste erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative. Wir werden uns weiterhin jedem Versuch
entgegenstellen, die öffentliche Wasserversorgung zum Investitionsobjekt für internationale
Unternehmen zu machen.
Unser Leitbild sind lebendige Flüsse und Seen in Europa, die in einem guten ökologischen
Zustand sind. Gesunde Gewässer sind besonders wertvolle Ökosysteme, denn sie garantieren
Artenreichtum. Doch davon sind wir in vielen Teilen Europas noch meilenweit entfernt.
Deshalb setzen wir uns vehement für eine ambitionierte Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie
ein und werden diese durch entsprechende Leitfäden konkretisieren. Außerdem wollen wir den
Antibiotikaeinsatz, eine Gülleüberproduktion und den Einsatz gefährlicher Pestizide in der
Landwirtschaft weiter zurückdrängen.
Insekten- und Vogelsterben aufhalten – Glyphosat vom Acker!
Die industrielle Landwirtschaft ist eine Hauptursache für das Artensterben. Wichtige
Lebensräume für Tiere und Pflanzen gehen durch Ackergifte, Überdüngung, Monokulturen,
intensive Landnutzung und fehlende Wildnis verloren.
Wir reduzieren den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft drastisch, indem wir die
giftigsten Pestizide sofort verbieten – darunter auch alle Neonikotinoide, denn sie schaden
unseren Insekten und Bienen massiv. Für das Ende des Totalherbizids Glyphosat setzen wir uns
weiterhin mit aller Kraft ein – und machen Druck auf die Bundesregierung, die schon einmal
auf europäischer Ebene für die Verlängerung der Glyphosat-Zulassung gestimmt hat. Die
Zulassungsverfahren für Pestizide wollen wir auf Basis eines gestärkten Vorsorgeprinzips
reformieren und das zugrunde liegende Wissenschaftsprinzip transparenter machen. Es braucht
dringend eine unabhängige Risikobewertung sowie strenge Kontrollmechanismen.
Fischbestände schützen
Wir machen uns stark für eine nachhaltige EU-Fischereipolitik, die dafür sorgt, dass unsere
Meere geschützt und Fischarten nicht überfischt werden. Nur die nachhaltige Bewirtschaftung
von Fischbeständen gibt der Fischerei eine Zukunft. Um der katastrophalen Plünderung der
Meere und der Fischbestände Einhalt zu gebieten, reichen kosmetische Korrekturen der EU-
Fischereipolitik nicht aus. Fangquoten müssen verbindlich an wissenschaftlichen Kriterien
ausgerichtet werden, statt rein politisch festgelegt zu werden. Die Tiefseefischerei und
besonders umweltschädliche Fangmethoden wollen wir gänzlich verbieten. Die EU soll
bestehende Meeresschutzgebiete ausweiten, neue schaffen und die Gebiete effektiv sichern.
Tierwohl stärken
Gerade angesichts der Klimakrise brauchen wir eine Abkehr von den großen Tierbeständen.
Neben den ökologischen Problemen wird schlicht die Futtergrundlage zu knapp. Deshalb sollten
alle Förderungen daran gekoppelt werden, dass die Anzahl der Tiere pro Fläche begrenzt wird.
Ein Betrieb sollte also nur so viele Tiere haben, wie er mit dem Ertrag seiner Flächen
grundsätzlich ernähren kann.
Viel zu häufig konkurrieren die EU-Länder um die niedrigsten Preise und reduzieren so die
Tierschutzstandards. Wir wollen hingegen, dass die EU alle Tiere durch neue Gesetzgebung und
ordnungsgemäße Durchführung bestehender Regelungen schützt.
Je weniger Tiertransporte, desto besser für die Tiere. Falls Transporte nicht vermieden
werden können, müssen sie so unstrapaziös wie möglich sein. Daher fordern wir, dass Tiere
verpflichtend zu einem nahe gelegenen Schlachthof gebracht werden müssen – statt zu dem, der
am billigsten arbeitet. Tiertransporte für Schlachttiere wollen wir auf maximal vier Stunden
begrenzen. Wir wollen regionale Schlachtstätten und mobile Schlachteinrichtungen fördern
sowie regionale Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen aufbauen, um eine Infrastruktur
für regionale, tierschutzkonforme Schlachtung zu schaffen.
Exporte lebender Schlachttiere in Länder außerhalb der EU sowie jede Form von Klonen und
Qualzucht wollen wir verbieten. Das Verbot von Tierversuchen in der Kosmetik muss konsequent
umgesetzt und auf weitere Produkte ausgeweitet werden. Zusätzlich benötigen wir eine
Förderung für die Erforschung von Alternativen. Auch Straßentiere müssen in Europa ein
würdiges Leben haben. Wir fordern ein Ende der Tötung von streunenden Katzen und Hunden.
Stattdessen müssen öffentliche und private Maßnahmen der Geburtenkontrolle, etwa die
Kastration, gestärkt werden.
Wildtiere wollen wir besonders schützen. Hierfür sind internationale Arten- und
Naturschutzabkommen konsequent umzusetzen. Wir wollen illegalen Wildtierhandel in Europa
bekämpfen und den Import von Wildfängen in die EU verbieten.
Landwirtschaftliche Ökosysteme stärken – Gentechnik konsequent regulieren
Eine andere Landwirtschaft bedeutet auch anders anzubauen – gerade im Lichte der
Klimaauswirkungen. Das Potenzial verschiedenster Anbaumethoden, robuste landwirtschaftliche
Ökosysteme zu bilden – über Push-and-Pull-Techniken und Permakultur bis zu
Agroforstsystemen –, ist riesig, ebenso wie das Potenzial ökologischer Anbautechniken,
widerstandsfähig gegenüber Krankheiten, Trockenheit, Versalzung, Vernässung zu sein. Dieses
Potenzial ist aber in Europa nur in Ansätzen erforscht. Wir fordern daher eine deutlich
stärkere Forschungsförderung in diesem Bereich. Denn aktuell werden agrarökologische
Methoden – zu denen auch der zertifizierte Ökolandbau gehört – in Europa und weltweit nur
mit einem Bruchteil der finanziellen Mittel erforscht und weiterentwickelt, die
konventionelle und gentechnische Ansätze erhalten.
Wir Grünen lehnen seit vielen Jahren die Agrogentechnik ab, anders als Gentechnik im
medizinischen Bereich und bei der industriellen Produktion. Die großen Probleme, die Länder
wie die USA oder Argentinien als Folge des Einsatzes von Gentechnik haben – wie ein massiver
Einsatz von Totalherbiziden wie Glyphosat, Superunkräuter, Gefährdung landwirtschaftlicher
Vielfalt, die große Monopolmacht der Agrarkonzerne sowie die eingeschränkte
Verbraucherfreiheit –, unterstreichen, wie wichtig diese Ablehnung war und ist.
Daher ist es essenziell, dass das Vorsorgeprinzip entsprechend der Entscheidung des EUGH
auch gegenüber neuen Verfahren in der Gentechnik europaweit angewandt wird. Weil
gentechnische Veränderungen nicht rückholbar sind, muss sichergestellt werden, dass keine
Organismen freigesetzt werden, die Schaden anrichten. Ob die Probleme, die es bei der
herkömmlichen Gentechnik gibt, bei neuen gentechnischen Verfahren wie CRISPR/Cas zum Tragen
kommen, muss in jedem einzelnen Zulassungsverfahren im Sinne des europäischen
Vorsorgeprinzips geklärt werden.
Der Einsatz von Gentechnik ist aber nicht nur eine Frage der gesetzlichen Zulassung, sondern
vielmehr eine Frage der Ethik und der gesellschaftlichen Akzeptanz. Deshalb muss der weitere
Umgang mit neuen gentechnischen Verfahren breit gesellschaftlich diskutiert werden.
In diesem Zusammenhang halten wir es auch grundsätzlich für höchst problematisch, dass bei
der finalen Zulassung einzelner Konstrukte der Ständige Ausschuss und die Mitgliedstaaten
ohne das Europäische Parlament entscheiden. Das können wir so nicht akzeptieren. Wir Grünen
werden uns dafür einsetzen, dass das Parlament bei dieser Entscheidung angemessen beteiligt
und gehört wird.
Eine klare Kennzeichnung von Gentechnik ist zentral. Auch Produkte von Tieren, die mit
gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden, müssen als solche gekennzeichnet
werden.
Für den Schutz des gentechnikfreien konventionellen und ökologischen Landbaus ist ein
Standortregister nach wie vor unverzichtbar. Die Regelungen zur gesamtschuldnerischen
Haftung sind entsprechend so zu gestalten, dass Mehrkosten und Aufwand, der für den
konventionellen, gentechnikfreien und ökologischen Landbau entsteht, den Nutzern von Sorten,
die mit neuer Gentechnik hergestellt wurden, angerechnet werden.
Keine Patente auf Saatgut, Pflanzen und Leben – Klonen, nein danke!
Das zentrale Problem beim Herumexperimentieren am Saatgut ist dessen Patentierbarkeit. Sie
führt zu immer größeren Monopolen der Agrarkonzerne. Landwirte werden damit abhängig
gemacht, gerade in den Entwicklungsländern mit fatalen Folgen. Problematisch ist zudem, dass
Pestizide bei gentechnisch veränderten Pflanzen häufig eingesetzt werden und die
Wahlfreiheit der Verbraucher*innen unterlaufen wird.
Der entscheidende Kampf ist daher der um ein Verbot von Patenten auf Saatgut und Leben
insgesamt. Züchtung muss, wie seit Jahrtausenden, ein Open-Source-System bleiben. Das Recht
auf Nahrung ist ein Menschenrecht und damit darf es keine Patente auf Pflanzen und auf Tiere
geben.
Zugleich fordern wir ein dauerhaftes Verbot des Klonens in der EU. Den Import von Klonen
sowie von Produkten von deren Nachkommen lehnen wir ab. Es kann nicht sein, dass Milch und
Fleisch von Nachkommen von Klontieren ungekennzeichnet auf den europäischen Markt kommen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- eine Ausrichtung der europäischen Agrarpolitik an ökologischen Kriterien,
- sauberes Wasser in ganz Europa,
- ein Verbot von Glyphosat und giftigen Pestiziden,
- eine EU-Fischereipolitik, die unsere Fischbestände erhält,
- konsequente Regulierung und Transparenz bei Gentechnik ein Verbot von Patenten auf
Saatgut, Pflanzen und Tiere.
1.6 Europa vom Plastikmüll befreien
Unser Ziel ist ein Europa ohne Plastikmüll, mit sauberen Meeren, einem reichhaltigen
Fischbestand und einer Natur ohne Müll. Die Realität sieht bedrückend anders aus: In den
Ozeanen schwimmen Plastikmüllteppiche von der Größe Mitteleuropas. Auch unsere Flüsse und
Böden leiden unter der zunehmenden Vermüllung. Wenn wir jetzt nicht radikal umsteuern, wird
es 2050 mehr Plastik als Fische im Meer geben. Inzwischen findet sich Mikroplastik sogar in
der Arktis und im Gletschereis – obwohl dort nahezu keine Menschen leben.
Ein erster Schritt dagegen ist ein Verbot von Mikroplastik in Kosmetika, Körper- und
Pflegeprodukten. Denn Mikroplastik schadet nicht nur den Fischen, sondern kann
möglicherweise auch für unsere Gesundheit schädlich sein. Mikroplastik wurde schon in Salz,
Bier und Mineralwasser nachgewiesen. Welche giftigen Plastikzusätze wir dadurch zu uns
nehmen, weiß bisher niemand genau. Auch für das Klima ist Mikroplastik schlecht. Denn durch
den Zerfall in immer kleinere Partikel wird Methan freigesetzt – das wiederum zur Erhitzung
unserer Erde beiträgt.
Plastikflut eindämmen
Das Importverbot für Plastikmüll, das China Anfang 2018 verhängt hat, beweist, welch
riesiges Problem wir haben. Allein aus Europa importierte China rund 1,5 Millionen Tonnen
Plastikmüll pro Jahr. Seither müssen die Mitgliedstaaten ihre Müllberge selbst in die Hand
nehmen.
Um die zunehmende Plastikflut einzudämmen, brauchen wir anspruchsvolle Minderungsziele für
Plastikabfälle und höhere Recyclingquoten. Bis 2030 müssen wir unseren Verpackungsabfall in
der EU um 50 % reduzieren. Außerdem darf es nicht sein, dass Plastikmüll weiterhin deponiert
wird. Das wollen wir ändern. Ab 2030 müssen alle in der EU in den Verkehr gebrachten
Kunststoffprodukte wiederverwendbar oder komplett abbaubar sein oder kosteneffizient
recycelt werden können.
Plastik ist nicht per se schlecht. Für viele Einsatzgebiete, etwa in der Medizin, ist
Plastik ein wichtiger und sinnvoller Werkstoff. Problematisch ist die zunehmende Verwendung
von Plastik für Einweg- und Wegwerfprodukte. Denn als langlebiges Produkt darf Plastik nicht
in erster Linie für wenige Minuten verwendet werden, wie das beispielsweise bei Trinkhalmen
der Fall ist. Da, wo es Alternativen gibt, müssen sie auch genutzt werden. Die Europäische
Kommission hat dieses Problem in ihrer Plastikstrategie aufgegriffen und unter anderem ein
Verbot von Wegwerfprodukten aus Plastik wie Wattestäbchen, Plastikgeschirr und auch
Trinkhalmen angestoßen. Das ist ein guter erster Ansatz, reicht jedoch noch nicht, um den
Massen an Einwegplastik umfangreich Einhalt zu gebieten.
Zudem braucht es eine EU-weite Plastiksteuer auf Wegwerfprodukte. Eine solche Abgabe bietet
den Anreiz, Verpackungsmüll zu reduzieren, indem die Rohstoffe verteuert werden. Zugleich
kann dadurch der Anteil von recyceltem Plastik gesteigert werden. Erdöl und Erdgas zur
Produktion von Kunststoffen dürfen nicht subventioniert werden. Die Besteuerung von Plastik
muss in eine umfassende und ambitionierte Strategie zur Einsparung und Vermeidung von
Plastik, zur Steigerung des Mehrweganteils und für besseres Produktdesign eingebettet
werden. Dazu gehört auch, die Forschung und Entwicklung von alternativen Materialien
auszubauen.
Recycling stärken
Wir wollen das Recycling von Plastik stärken. Auch hier bietet die Plastikstrategie der EU-
Kommission einen guten Ansatz, der jedoch erweitert werden sollte. Die Recyclingkapazitäten
in der EU müssen massiv ausgebaut werden. Dazu brauchen wir ein ökologisches und
recyclingfreundliches Produktdesign. Die Verpackungsindustrie muss hierzu ihren Beitrag
leisten. Denn immer mehr Verpackungen setzen sich aus vielen unterschiedlichen Materialien
zusammen – was die Recyclingfähigkeit einschränkt.
Getränkeflaschen sind ein Alltagsprodukt aus Plastik. Doch während wir in Deutschland ein
funktionierendes Mehrwegsystem haben, besteht auf europäischer Ebene noch Handlungsbedarf.
Qualitativ hochwertige Plastikflaschen können rund 40 Mal wieder befüllt werden. Das ist
wesentlich ökologischer als Einmalflaschen, die direkt in den Müll wandern. Unser Ziel ist
eine Mehrwegquote in der EU. Deutschland, Österreich und Portugal sind hier schon sehr viel
weiter als andere Mitgliedstaaten. Daher muss eine solche Quote zunächst gestaffelt
aufgebaut werden, um allen die gleichen Chancen zu geben. Für Einweggetränkeflaschen
brauchen wir ein EU-weit einheitliches Pfandsystem. Denn gerade diese Wegwerfprodukte
vermüllen unsere Landschaften, Strände und Meere.
Mit einer ambitionierten Strategie für ein plastikmüllfreies Europa können wir Vorbild sein.
Die Europäische Union muss sich aber auch für eine internationale Plastikkonvention unter
dem Dach der Vereinten Nationen einsetzen. Schließlich kennt Plastikmüll keine Grenzen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- ein Verbot von Mikroplastik in Kosmetika, Körper- und Pflegeprodukten,
- eine europäische Plastiksteuer,
- verbindliche Mehrwegquoten,
- ein EU-weit einheitliches Pfandsystem für Einweggetränkeflaschen.
Antragstext
Von Zeile 92 bis 93 einfügen:
angrenzenden Regionen deutlich ausweiten, um Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung im gesamten Umfeld der Europäischen Union zu fördern.
Da Energie von zentraler geopolitischer Bedeutung ist, ist die EU bereits heute mit der Tatsache konfrontiert, dass einige energieexportierende Länder ihre Energieressourcen zur Durchsetzung machtpolitischer Interessen instrumentalisieren. Zu einer gemeinsamen EU-Außenpolitik im Sinne der Friedenspolitik ist daher eine starke, auf 100% Erneuerbarer Energien basierende Energieunion notwendig.
Die internationale Staatenordnung befindet sich im Umbruch. Russlands Präsident verletzt die
territoriale Integrität anderer Staaten und verhindert eine demokratische Entwicklung im
Inland. Chinas Führung verstärkt immer weiter die staatliche Überwachung und heizt
Territorialkonflikte im Südchinesischen Meer an. In den Staaten Nordafrikas und des Nahen
Ostens konnte sich die Hoffnung der Menschen auf eine Demokratisierung der Region nicht
erfüllen. Iran und Saudi-Arabien führen stattdessen einen Kampf um die Vorherrschaft im
Nahen Osten. In Syrien tobt nach wie vor ein brutaler Krieg, in dem sich sogar NATO-Partner
feindlich gegenüberstehen.
Und die USA, ehemaliger außenpolitischer Garant jener Regeln, die seit dem Ende des Zweiten
Weltkriegs einen großen Teil der Welt halbwegs zusammengehalten haben, haben sich als
berechenbarer Akteur der Weltpolitik verabschiedet. Die US-Regierung steigt aus dem
Klimaabkommen aus, kündigt das Iranabkommen, agiert in Handelsfragen aggressiv und verachtet
die internationalen Organisationen, die ihr Land selbst gegründet hat. Die EU sieht sie
wirtschaftlich als Gegner. Garantien, auf die sich Europa sicher verlassen konnte, gelten so
nicht mehr.
Währenddessen geht die globale Vermögensverteilung immer weiter auseinander. Zwar haben sich
Armut und Kindersterblichkeit in den letzten Jahrzehnten halbiert, in vielen Ländern kann
mittlerweile die Mehrheit der Mädchen und Jungen lesen und schreiben. Dennoch ist das eben
nur die Hälfte und weltweit leiden weiter 815 Millionen Menschen an chronischem Hunger. Das
reichste Prozent der Weltbevölkerung besitzt über 50 % des Gesamtvermögens und damit mehr
als die übrigen 99 % der Weltbevölkerung. Die Auswirkungen der Klimakrise vertreiben nicht
nur immer mehr Menschen aus ihrer Heimat, weil sie auf ausgetrockneten oder überschwemmten
Böden nicht mehr leben und keine Landwirtschaft betreiben können, sondern auch weil die
Auswirkungen der Klimakrise vielerorts bestehende Konflikte und schlechte Regierungsführung
verschärfen.
In dieser Situation muss sich die EU beweisen. Als außenpolitische Akteurin, als
Wertegemeinschaft, in der der Mensch mit seiner Würde, seiner Freiheit und seinen
unveräußerlichen Rechten im Mittelpunk steht – wissend, dass gerade in der Außenpolitik
immer Kompromisse nötig sind und vielfältige Interessen ausbalanciert werden müssen.
Die Europäische Union ist nie darauf angelegt gewesen, aber die Frage, die sich Europa
stellt, ist die nach der Weltpolitikfähigkeit. Wenn wir diese Frage nicht angehen, dann wird
Europa, dann wird die globale Zusammenarbeit bedeutungslos. Dafür die Pflöcke entlang von
Frieden, Menschenrechten und dem Völkerrecht zu setzen, ist für uns als Grüne die zentrale
Aufgabe der nächsten Jahre.
4.1 Menschenrechte verteidigen, demokratische Handlungsräume sichern
Wir treten für eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik ein, die
Menschenrechte verteidigt und Frieden sichert. Statt Aufrüstung und einer Politik, die nur
auf den nationalen Vorteil bedacht ist, brauchen wir eine EU, die friedens- und
sicherheitspolitisch mit einer Stimme spricht.
Die Handlungsmöglichkeiten zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure werden in vielen
Ländern immer weiter eingeschränkt. Die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen wird dort
von staatlicher Seite systematisch erschwert, diffamiert, behindert und kriminalisiert.
Insbesondere die Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit werden in vielen Staaten
beschränkt oder ganz abgeschafft. Dies betrifft nicht nur autoritäre Staaten, sondern auch
Demokratien mitten in Europa, wie zum Beispiel Rumänien und Österreich, in denen
Grundprinzipien wie Pluralismus, Gewaltenteilung, Unabhängigkeit der Medien und
Rechtsstaatlichkeit in Frage gestellt werden.
Wir sehen mit Sorge die weltweite Entwicklung des „shrinking space“, also der Einschränkung
des öffentlichen Raumes für die Zivilgesellschaft. Die Europäische Union, der Europarat und
die Vereinten Nationen sollten dieser entschieden entgegentreten. Das kann für die EU nur
gelingen, wenn sie ihre Mitgliedstaaten selbst konsequent in die Pflicht nimmt. Die EU
sollte die internationale Vernetzung und den Austausch von zivilgesellschaftlichen
Organisationen fördern und unterstützen. Es ist auch ein wichtiges Signal an
Menschenrechtsverteidigerinnen und ‑verteidiger, dass sie mit ihrem Engagement nicht
alleingelassen werden. Wir Grünen wollen, dass die EU-Leitlinien zum Schutz von
Menschenrechtsverteidigern vollständig umgesetzt und öffentlich stärker bekannt gemacht
werden. Dafür ist es auch notwendig, das europäische Instrument für Demokratie und
Menschenrechte zu stärken und finanziell besser auszustatten. Die EU muss weiterhin den
Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zur Situation von Menschenrechtsverteidigern
und für Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit finanziell und politisch in- und außerhalb
des VN-Menschenrechtsrates aktiv unterstützen und den Aktionsplan für Menschenrechte und
Demokratie des Europäischen Rates vorantreiben.
Menschenrechte müssen auch für die EU-Handelspolitik maßgeblich sein. Die Art und Weise, wie
wir in Europa leben, hat weltweite Folgen: von der Klimakrise bis zu ausbeuterischen
Arbeitsbedingungen, rücksichtslosem Ressourcenabbau und Stärkung autoritärer Regime. Damit
die EU zur Förderin von nachhaltiger Entwicklung und der Stärkung sozialer und ökologischer
Standards im Welthandel wird, bedarf es beherzter Schritte.
Transnationale Unternehmen mit Sitz in der EU müssen auch bei uns in Europa dafür haftbar
gemacht werden können, wenn sie innerhalb ihrer Produktions- und Ressourcenketten an
Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind. Lieferketten wollen wir transparenter machen, so
dass klar ist, unter welchen Bedingungen Produkte produziert wurden, die in die EU
eingeführt werden. Wir wollen nicht, dass Kriege, Menschenrechtsverletzungen und Ausbeutung
durch Produkte finanziert werden, die in der EU verkauft werden. Wir Grünen wollen eine
konsequente Umsetzung der Leitlinien der Vereinten Nationen zu Wirtschafts- und
Menschenrechten.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- die Einklagbarkeit von Menschenrechten auch gegenüber transnationalen Unternehmen,
- den Schutz und die Stärkung von zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und
Menschenrechtsverteidiger*innen.
4.2 Eine gemeinsame europäische Außenpolitik gestalten
Die multilaterale Ordnung und ihre Institutionen sind unter Druck. Es kommt jetzt mehr denn
je auf die EU als weltpolitikfähige Akteurin an, die global gestaltet. Das kann nur
gelingen, wenn die EU als dialogbereite und verlässliche Partnerin und gute Nachbarin
agiert. Einen Rückfall in Nationalismus und Populismus zu verhindern und die multilaterale
Ordnung zu erhalten und gerechter zu gestalten, ist Aufgabe und Interesse der EU.
Ein friedliches Zusammenleben mit unseren europäischen Nachbarregionen ist zentrale Aufgabe
europäischer Nachbarschaftspolitik. Die Kriege und Konflikte in den östlichen und südlichen
Nachbarstaaten stellen die EU vor große Herausforderungen. Es kommt jetzt mehr denn je auf
eine einheitliche und klar friedensorientierte europäische Außenpolitik an. Die EU muss ihr
politisches und diplomatisches Gewicht in die Waagschale werfen, um Schritte für Frieden und
Sicherheit in ihrer Nachbarschaft zu ermöglichen. Und sie muss ihr Engagement für die
angrenzenden Regionen deutlich ausweiten, um Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung im
gesamten Umfeld der Europäischen Union zu fördern.
Da Energie von zentraler geopolitischer Bedeutung ist, ist die EU bereits heute mit der Tatsache konfrontiert, dass einige energieexportierende Länder ihre Energieressourcen zur Durchsetzung machtpolitischer Interessen instrumentalisieren. Zu einer gemeinsamen EU-Außenpolitik im Sinne der Friedenspolitik ist daher eine starke, auf 100% Erneuerbarer Energien basierende Energieunion notwendig.
Stärkung der multilateralen Ordnung und ihrer Institutionen
Eine friedliche Welt braucht eine starke internationale Organisation der Zusammenarbeit.
Gerade in einer Zeit, in der sich andere Staaten daraus zurückziehen, ist die Europäische
Union gefragt, Verantwortung zu übernehmen. Das betrifft sowohl die finanzielle
Unterstützung von internationalen Organisationen und Programmen, wie dem
Welternährungsprogramm, dem Umweltprogramm oder dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten
Nationen, als auch das Umsetzen von internationalen Verträgen, zum Beispiel des Pariser
Klimaabkommens.
In Zeiten, in denen einige Staatschefs wieder das Recht des Stärkeren an die Stelle der
Stärke des Rechts setzen wollen, braucht es eine Europäische Union, die das humanitäre
Völkerrecht verteidigt. Wir Grünen wollen, dass sich die EU für eine Stärkung und bessere
Funktionsfähigkeit des Internationalen Strafgerichtshofes einsetzt. Es ist überfällig, dass
die EU neben den Mitgliedstaaten selbst Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention
wird, damit sich auch EU-Institutionen für ihr Handeln vor dem Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte verantworten müssen.
Die schreckliche Situation in Syrien hat erneut verdeutlicht, welche negativen Auswirkungen
die Handlungsunfähigkeit der Vereinten Nationen (VN) durch die Blockadehaltung eines
Mitglieds im VN-Sicherheitsrat haben kann. Eine Blockade des Sicherheitsrats bei zentralen
Fragen schwächt das Völkerrecht und die VN insgesamt, da beispielsweise nicht einmal der
Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag mit der Verfolgung von Kriegsverbrechen
beauftragt werden kann. Die Vereinten Nationen müssen wieder handlungsfähiger werden.
Langfristig sollte der Sicherheitsrat so reformiert werden, dass alle Weltregionen
angemessen repräsentiert sind – zum Beispiel sollte Indien aufgenommen werden – und sich
zudem das Gleichgewicht zwischen den Mitgliedstaaten verbessert. Dazu würde ein Sitz für die
Europäische Union einen wichtigen Beitrag leisten. Zugleich braucht es eine internationale
Debatte über das Vetorecht. Bis dahin sollte im Falle einer anhaltenden Blockade des
Sicherheitsrats die Generalversammlung der VN das Recht beanspruchen können, mit
qualifizierter Mehrheit den Sicherheitsrat für blockiert zu erklären und an seiner Stelle
diplomatische Maßnahmen, Sanktionen und im äußersten Fall auch friedenserzwingende Maßnahmen
nach Kapitel VII der VN-Charta zu beschließen.
Neben den Vereinten Nationen wollen wir auch die Organisation für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stärken. Dabei geht es darum, die Fähigkeiten der OSZE im
Bereich ziviler Krisenprävention, Frühwarnung und Krisenbewältigung zu stärken – materiell
und finanziell. Das Konzept der menschlichen Dimension von Sicherheit war und bleibt eine
zentrale Errungenschaft der OSZE. Sie bildet den umfassenden Sicherheitsbegriff der OSZE ab
und umfasst beispielsweise Aktivitäten in den Bereichen Medienfreiheit, Minderheitenrechte,
Rechtsstaatlichkeit und Nichtdiskriminierung. Dieses Engagement für die Förderung von
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten, Toleranz und Nichtdiskriminierung wollen
wir unterstützen. Wir fordern daher eine Stärkung des Hochkommissars für Nationale
Minderheiten, des Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) und des
OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit. Wir weisen jegliche Versuche von OSZE-Mitgliedern, die
Geltung dieser menschlichen Dimension in Frage zu stellen oder ihre Instrumente zu
diskreditieren, zurück.
Konsequent für EU-Recht beim Brexit
Erstmals in der Geschichte der Europäischen Union verlässt ein Land das gemeinsame Haus der
EU. Der Brexit verdeutlicht, was passiert, wenn Regierungen sich von rechten Stimmungen
treiben lassen. Die Europäische Union muss weiter geschlossen zusammenstehen, damit ein
Drittland nicht bessergestellt ist als ein Mitgliedsland. Rosinenpickerei darf es nicht
geben, der Brexit darf keine Blaupause für andere Staaten werden. Das würde auch diejenigen
in Großbritannien unterstützen, die eine weitere Entscheidung der Bürger*innen über das
finale Austrittsdokument fordern. Bisher verhandelt die EU erfolgreich, besonders weil die
anderen 27 Mitgliedstaaten zusammenhalten. Wir unterstützen die Rolle der EU-Kommission als
Verhandlungsführerin. Nationale Alleingänge oder gar bilaterale Deals darf es nicht geben.
Die Wahrung der vier EU-Grundfreiheiten – Freiheit von Warenverkehr, Dienstleistung,
Personen- und Kapitalverkehr – müssen im Mittelpunkt stehen. Einen uneingeschränkten Zugang
zum Binnenmarkt kann es ohne Personenfreizügigkeit und Anerkennung des EU-Rechts nicht
geben. Einen Austritt mit Sonderstatus kann es nicht geben. Ebenso hat der Frieden auf der
irischen Insel absolute Priorität. Insbesondere die britische Regierung muss gewährleisten,
dass eine harte Grenze auf der irischen Insel vermieden wird. Ein Abkommen über die
zukünftigen Beziehungen kann erst nach dem rechtskräftigen Austritt Großbritanniens
finalisiert werden. Die außenpolitische Zusammenarbeit mit Großbritannien wollen wir nach
dem Austritt im Rahmen internationaler Organisationen (NATO, OSZE, Europarat) stärken.
Für eine verantwortungsvolle Erweiterungspolitik
Die Erweiterungspolitik der EU ist für uns eine Erfolgsgeschichte. Sie steht für Frieden,
Demokratie und Stabilität in Europa. Die Europäische Union hat allen Staaten des Westbalkans
– Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Kosovo, Albanien und Mazedonien – das
Versprechen gegeben, der EU beitreten zu können, wie dies Slowenien und Kroatien bereits
erfolgreich getan haben. Albanien und Mazedonien kamen dieses Jahr dem Beginn von
Beitrittsverhandlungen mit der EU näher. Das ist eine sehr positive Entwicklung, die wir
Grünen unterstützen. Es kommt jetzt darauf an, dass die EU Nägel mit Köpfen macht und beiden
Ländern 2019 einen festen Termin für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen präsentiert.
Die EU steht in der politischen Verantwortung, das Vertrauen in das Beitrittsversprechen
nicht zu enttäuschen und gleichzeitig den notwendigen Reformprozess in diesen Ländern
mitzugestalten. Wir wollen dieses Versprechen durch eine engagiertere und tiefgreifende
Zusammenarbeit mit möglichst vielen gesellschaftlichen Akteur*innen des Westbalkans
glaubwürdig machen. Denn die Beitrittsperspektive ist wichtiger Motor für den sensiblen
Friedens- und Aussöhnungsprozess, für Transformation und Modernisierung in einer weiterhin
fragilen Region. Und sie unterstützt vor allem diejenigen, die sich schon heute für mehr
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und den Schutz der Umwelt einsetzen. Klar
ist aber auch, dass ausschließlich der politische Reformwille vor Ort und die Erfüllung der
Kopenhagener Kriterien über das Tempo des weiteren Beitrittsprozesses und den EU-Beitritt
selbst entscheiden. Bei den dringend notwendigen Reformen darf es keinen Rabatt geben:
Gerade in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Grundwerte und Pressefreiheit, Bekämpfung von
Korruption und organisierter Kriminalität, Aufarbeitung von Kriegsverbrechen und Beilegung
von bilateralen Konflikten müssen noch viele Fortschritte erzielt werden. Diese
Herausforderungen bleiben für uns Ansporn für ein starkes Engagement.
Das bedeutet in jedem einzelnen Fall, dass die Beitrittsvoraussetzungen erreicht werden
müssen, die europäischen Werte und Regeln vollständig erfüllt sein müssen und die EU nach
innen funktionsfähig bleiben muss, bevor ein neues Land aufgenommen wird.
Transatlantische Partnerschaft erhalten
Die transatlantische Partnerschaft ist in einer tiefen Krise. Der amerikanische Präsident
vertieft diese mutwillig. Seine Präsidentschaft bringt massive Rückschritte beim
Klimaschutz, bei der Anerkennung des Völkerrechts und der Verrechtlichung der
internationalen Beziehungen. Er versteht Europa als wirtschaftlichen Gegner und setzt auf
eine nationalistische Strategie. Darauf braucht es eine geschlossene Antwort der EU-
Mitgliedstaaten. Die EU darf sich von Präsident Trump nicht spalten lassen. Nur so kann
Europa sich selbst behaupten.
Dennoch ist die transatlantische Partnerschaft für uns ein zentraler Bezugspunkt
europäischer Außen- und Sicherheitspolitik. Die USA sind mehr als ihr derzeitiger Präsident.
Eine enge Zusammenarbeit mit unseren amerikanischen Partnern und Netzwerke mit progressiven
Kräften im Land, die eine soziale, ökologische und menschenrechtsbasierte Politik verfolgen,
bleiben wesentlicher Pfeiler unserer Politik. Daher sollte die Europäische Union viel
stärker auf eine Zusammenarbeit mit den US-Bundesstaaten sowie zivilgesellschaftlichen
Akteur*innen, vor allem in den Bereichen Bildung, Energie, Klimaschutz sowie
Digitalisierung, setzen.
Östliche Partnerschaft und Russland: demokratische Kräfte stärken
Eine gute Partnerschaft mit den östlichen Nachbarn der EU ist im ureigenen Interesse Europas
und wichtiger Baustein für Stabilität und Frieden in der Region. Die Östliche Partnerschaft
der EU, die seit 2009 mit Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau und der Ukraine
besteht, muss weiter gestärkt und die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche
Integration dieser Staaten weiter vorangetrieben werden. Dabei dürfen europäische Grundwerte
nicht für wirtschaftliche Interessen geopfert werden. Der Kampf gegen Korruption,
demokratische und rechtsstaatliche Reformen und die Wahrung der Menschenrechte müssen in
diesen Ländern noch stärker von der EU eingefordert werden. Die wichtige Anbindung der
östlichen Nachbarn an die EU ist gleichzeitig eine Herausforderung für das Verhältnis zu
Russland, da Russland versucht, die engere Zusammenarbeit der östlichen Staaten mit der EU
zu verhindern.
Unter Präsident Putin hat Russland mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim, dem
militärischen Vorgehen in der Ostukraine und mit dem brutalen militärischen Eingreifen in
Syrien auf der Seite Assads zu einer erheblichen Verschärfung der internationalen Spannungen
beigetragen. Gerade bei unseren osteuropäischen Nachbarn hat das tiefe historische
Erinnerungen hervorgerufen. Die Verletzung der territorialen Integrität anderer Staaten
durch Russland ist inakzeptabel. Das gilt für die völkerrechtswidrige Annexion der Krim
ebenso wie für die nunmehr zehnjährige Besatzung der georgischen Gebiete Südossetien und
Abchasien durch Russland und den Versuch der illegalen Grenzziehung in diesen Gebieten. Die
EU muss hier klar für die Unversehrtheit der Grenzen in Europa eintreten und ihre
politischen und diplomatischen Anstrengungen für eine friedliche Lösung des Konflikts im
Südkaukasus verstärken.
In Bezug auf Russland gibt es keine Abstriche in unserem Eintreten für Demokratie und
Menschenrechte und die Einhaltung des Völkerrechts. Eine Lösung des Konfliktes in der
Ukraine kann nur eine politische und diplomatische sein. Daher halten wir am Minsker
Abkommen fest. Solange Russland gegen dieses verstößt, befürworten wir die gezielten
Sanktionen der EU. Wir wenden uns gegen jede Verletzung der Grund- und Menschenrechte von
Aktivist*innen, Journalist*innen, Oppositionellen und Minderheiten in Russland. Mit Sorge
sehen wir Versuche von russischer Seite, die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten zu
schwächen. Russland hat kein Interesse an einem geschlossenen und demokratischen Europa. Das
wurde durch die Hacks, die Wahlbeeinflussung über soziale Netzwerke und die erhebliche
finanzielle Unterstützung anti-demokratischer Kräfte in vielen europäischen Staaten
deutlich. Darauf muss sich die Europäische Union noch besser einstellen. Die Antwort muss in
einer Stärkung der EU liegen. Wo immer es möglich ist, suchen wir die Kooperation mit
Russland, deshalb bleiben wir auch im Gespräch. Sicherheit, Frieden und Abrüstung lassen
sich nicht erreichen, wenn man sich anschweigt.
Europäisches Engagement für Stabilität und Frieden im Nahen Osten
Der grausame Krieg in Syrien, der seit über sieben Jahren tobt, Hunderttausenden das Leben
gekostet und Millionen von Menschen in die Flucht getrieben hat, findet vor Europas Haustür
statt. Die EU sollte alle bestehenden Friedensinitiativen unterstützen. Solange der Krieg
ungehindert fortgesetzt wird, müssen Sanktionen und Einreiseverbote gegen hochrangige
syrische und russische Militärangehörige ausgeweitet und ihre Konten in der EU eingefroren
werden.
Die einseitige Aufkündigung des Atom-Abkommens mit dem Iran durch US-Präsident Trump könnte
die ohnehin instabile Region in einen weiteren blutigen Konflikt stürzen. Es droht ein
nukleares Wettrüsten in der Region, das ganz konkret auch die Sicherheit in der Europäischen
Union bedroht. Dazu kommt der Schaden für das transatlantische Verhältnis und die
multilaterale Ordnung insgesamt. Die EU muss jetzt alles daransetzen, das Iran-Abkommen am
Leben zu halten und die atomare Abrüstung des iranischen Regimes voranzubringen. Zusätzlich
muss sich die EU gegenüber allen Regionalmächten um die Durchsetzung einer Friedensordnung
bemühen.
Das deutsch-israelische Verhältnis ist durch die Verfolgung und Ermordung der europäischen
Jüdinnen und Juden durch das nationalsozialistische Deutschland geprägt. Das Existenzrecht
und die Sicherheit Israels mit gleichen Rechten für all seine Bürgerinnen und Bürger sind
daher unverhandelbar. Wir Grünen setzen uns weiterhin für eine Zwei-Staaten-Regelung ein, um
die Sicherheit des Staates Israel zum Wohle aller seiner Bewohnerinnen und Bewohner sowie
die Schaffung eines souveränen, lebensfähigen und demokratischen Staates Palästina auf der
Grundlage der Grenzen von 1967 zu gewährleisten. Es kann nur eine gewaltfreie Lösung geben.
Wir wenden uns mit aller Entschiedenheit gegen den Terror der Hamas. Die zunehmende
Diskriminierung von Minderheiten in Israel lehnen wir ab, ebenso wie den illegalen
Siedlungsbau. Während wir der palästinensischen Zivilgesellschaft nicht absprechen, selbst
über gewaltfreie Strategien zur Beendigung der Besatzung zu entscheiden, lehnen wir einen
Boykott Israels als Instrument deutscher und europäischer Außenpolitik ab. Wir wollen
weiterhin mit allen Kräften in Israel und Palästina zusammenarbeiten, die sich gegen eine
Fortdauer der Besatzung, gegen eine Spaltung der israelischen Gesellschaft und für eine
Zwei-Staaten-Lösung einsetzen.
Seit drei Jahren tobt auch im Jemen ein brutaler Krieg, in dem die Huthi-Rebellen mit
Unterstützung des Iran gegen die jemenitische Regierung und die von Saudi-Arabien angeführte
Militärallianz kämpfen. In dem unerbittlichen Krieg sind bereits mehr als 10.000 Menschen
ums Leben gekommen, 80 % der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, darunter
viele Kinder. Die EU muss ihrer humanitären Verantwortung gerecht werden und alles dafür
tun, um einen sofortigen Waffenstillstand der beteiligten Militärmächte und der Rebellen zu
erreichen. Politisch muss auf die Kriegsparteien eingewirkt werden, um die Kampfhandlungen
umgehend zu stoppen, die durch Saudi-Arabien errichtete Seeblockade aufzulösen und
Hilfsgüter ins Land zu lassen. Jegliche Lieferung von Waffen und Rüstungsgütern an Saudi-
Arabien muss ein Ende haben. Es darf nicht sein, dass Europa indirekt diesen Krieg auch noch
anheizt.
Demokratische Kräfte in der Türkei stärken
Die Türkei ist eines der Schlüsselländer, um unsere Nachbarregionen zu stabilisieren. Aber
auch Präsident Erdogan und die AKP haben sich zu einer autoritären, autokratischen Regierung
entwickelt. In dieser Zeit gilt es umso mehr, diejenigen zu unterstützen, die trotz schwerer
Repressalien und systematischer Verfolgung in der Türkei für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit
und Weltoffenheit eintreten. Wir verurteilen die von Präsident Erdogan eingeschlagene
Politik hin zu einem autoritären Präsidialsystem und die massiven Angriffe auf
Oppositionelle, die Zivilgesellschaft, die Meinungs- und Pressefreiheit, die
völkerrechtswidrigen Angriffe des türkischen Militärs auf Syrien und den Nordirak sowie die
Abkehr von einem friedlichen und politischen Lösungsprozess in der Kurdenfrage. Es braucht
nun eine grundlegende Neuvermessung der europäisch-türkischen Beziehungen. Mehr denn je muss
die EU klare Haltung für Demokratie und Menschenrechte zeigen. Für die europäische Ebene
bedeutet das unter anderem: Über eine Ausweitung der Zollunion kann erst verhandelt werden,
wenn die Türkei eine Kehrtwende zurück zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vollzieht. Alle
Rüstungsexporte europäischer Mitgliedstaaten gehören beendet, ebenso wie die Beteiligung
europäischer Unternehmen an Rüstungskonsortien in der Türkei.
Die Türkei hat über 3 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Deren Versorgung nach
humanitären Standards muss die EU finanziell unterstützen. Auch sollten die EU-Staaten
dringend Kontingente zur Entlastung der dortigen Strukturen anbieten.
Das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei ist eine Folge der Weigerung der EU-Mitgliedstaaten,
zu einer gemeinsamen solidarischen Lösung in der Flüchtlingskrise zu kommen. Es hat zu
katastrophalen Lagern auf Lesbos und anderen griechischen Inseln geführt und untergräbt
durch Abschiebungen ohne Asylrechtsprüfung das Recht auf Asyl. Diesen EU-Türkei-Deal wollen
wir beenden.
Praktisch liegen die Beitrittsgespräche mit der Türkei bereits auf Eis. Die Wiederaufnahme
der Verhandlungen muss an strenge, messbare Bedingungen geknüpft sein. Insbesondere mit
Blick auf die Verfassungsreform und die jüngsten Wahlen in der Türkei ist eines deutlich:
Ein EU-Beitritt der Türkei ist unter Präsident Erdogan nicht vorstellbar. Zugleich gilt: Für
eine demokratische und weltoffene Türkei müssen die Türen zur EU offen bleiben. Ein formaler
Abbruch der Beitrittsgespräche wäre falsch. Die vielen proeuropäischen Kräfte in der Türkei
brauchen dieses Signal und weiterhin unsere Unterstützung. Umso bedeutender ist es deshalb,
die noch bestehenden EU-Beitrittshilfen ausschließlich an prodemokratische Organisationen
auszuzahlen und die Verwendung der Gelder deutlich strenger zu kontrollieren als bislang.
Zukunftspakt mit Afrika
Afrika hat für die EU auch wegen der finsteren Kolonialgeschichte eine besondere Bedeutung.
Statt eine Partnerschaft auf Augenhöhe anzustreben, stehen derzeit vor allem
Migrationskontrolle und militärische Zusammenarbeit im Vordergrund. Die gegenwärtige Agrar-,
Handels- und Ressourcenpolitik laufen den Zielen einer nachhaltigen Partnerschaft zuwider.
Diese Politik bekämpft keine Probleme, sondern verschärft die Situation derjenigen, die am
meisten unter Armut und globaler Ungerechtigkeit zu leiden haben. Wir wollen unsere
afrikanischen Partner dabei unterstützen, lebenswerte Perspektiven für die Menschen vor Ort
zu schaffen und damit auch langfristig Fluchtgründe zu bekämpfen. Dies wollen wir vor allem
durch eine Stärkung afrikanischer Organisationen wie der Afrikanischen Union oder der
Afrikanischen Entwicklungsbank erreichen. Deshalb schlagen wir einen Zukunftspakt zwischen
der EU und Afrika vor. Kern ist eine Partnerschaft, die auf dem offenen und transparenten
Ausgleich gegenseitiger Interessen und Forderungen basiert. Um eine nachhaltige Entwicklung
im gesamten globalen Süden einzuleiten, braucht es eine kohärente Politik, die sich an der
Agenda 2030 der Vereinten Nationen, am Klimaabkommen von Paris und an der Aktionsagenda von
Addis Abeba orientiert.
Europäische China-Politik: Kooperation auf Basis klarer Werte
Europas Verhältnis zu China ist über die letzten Jahre wichtiger, aber auch schwieriger
geworden. Deutschlands Beziehungen zur Volksrepublik sind besonders eng. Daraus erwächst
eine hohe Verantwortung dafür, dazu beizutragen, dass die EU gegenüber China vermehrt mit
einer Stimme spricht. Das gilt für die Abwehr chinesischer Dumpingexporte, für den
verantwortlichen Umgang mit Investitionen, die Belange der Sicherheit oder der öffentlichen
Ordnung beeinträchtigen könnten, oder für faire Chancen europäischer Unternehmen in China.
Es gilt nicht weniger für die gemeinsame Vertretung unserer gemeinsamen Werte, vornean der
Menschenrechte. Und es gilt auch gegenüber Chinas Außenpolitik, die zunehmend eine der
harten Hand ist und zunehmende Drohungen gegenüber der Selbstverwaltung Taiwans einschließt.
Wir unterstützen Europas „Ein-China-Politik“ und teilen die Auffassung, dass Chinas
Vereinigung nicht gegen den Willen der Bevölkerung Taiwans erzwungen werden darf.
Chinas heutige Führung, die im Inneren zum Totalitarismus zurückkehrt, befindet sich mit
ihren Konzepten der „neuen Seidenstraße“, des „Made in China 2025“ und der „globalen
Schicksalsgemeinschaft“ auf dem Weg zur globalen Supermacht, die Multilateralismus nur
mitmacht, wo er ihr nutzt. Europa muss der chinesischen Herausforderung mit der Bereitschaft
zur Kooperation, aber auch mit Klarheit in der Vertretung der eigenen Werte und Interessen
und mit Selbstbewusstsein begegnen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- eine Initiative für die Reform und Stärkung der Vereinten Nationen,
- die materielle und finanzielle Stärkung der OSZE,
- die Stärkung des humanitären Völkerrechts und des internationalen Strafrechts zur
Verfolgung schwerster Menschenrechtsverbrechen,
- einen Zukunftspakt mit Afrika.
4.3 Krisen vermeiden, Frieden und Sicherheit garantieren
Als Friedensmacht ist es oberste Pflicht von uns Europäerinnen und Europäern, aktiv an einer
globalen, multilateralen Friedensordnung im Rahmen der Vereinten Nationen mitzuarbeiten. Im
Mittelpunkt muss eine Politik stehen, die verhindert, dass Krisen und Konflikte überhaupt
entstehen. Von einer kohärenten, vollständig koordinierten Krisenprävention der EU sind wir
noch weit entfernt. Wenn die EU ihre Rolle als zivile Macht ernst nimmt, darf sie nicht nur
auf die Verteidigung schauen. Zivile und präventive Maßnahmen sind frühzeitig zu ergreifen
und nicht erst, wenn Konflikte schon entflammt sind. Das gilt besonders auch für Post-
Konflikt-Situationen. Das Wiederaufflammen von Kriegen und gewaltsamen Konflikten lässt sich
am besten verhindern, wenn frühzeitig Strukturen vor Ort aufgebaut werden, die Sicherheit
herstellen und die Versorgung aller Menschen in einer Region ermöglichen.
Damit sich Friedenspolitik auf europäischer Ebene nicht nur am kleinsten gemeinsamen Nenner
orientiert, setzen wir uns für das Prinzip von Mehrheitsentscheidungen in der Außen- und
Sicherheitspolitik im Europäischen Rat ein. Eine zivile Säule des außenpolitischen Handelns,
die Diplomatie, ist der nachhaltigere, stärkere Pfeiler einer menschenrechtsorientierten
Friedens- und Außenpolitik. Dementsprechend wollen wir den Europäischen Auswärtigen Dienst
stärken und ausbauen. Wir plädieren dafür, die konsularischen Dienste der Mitgliedsländer
gemeinsam in europäischen Botschaften zu bündeln und dadurch Personalkapazitäten für die
eigentlichen diplomatischen Aufgaben freizusetzen.
Wir unterstützen den Europäischen Auswärtigen Dienst in seinen Bestrebungen, auch für den
zivilen Bereich feste Ausbauziele und gemeinsame Schwerpunkte festzulegen. Ähnlich wie die
Battlegroups im militärischen Bereich brauchen wir auch ein ziviles Einsatzteam, damit im
Krisenfall schnell zivile staatliche und nicht staatliche Experten wie Polizisten, Juristen,
Mediatoren oder Verfassungsexperten entsandt werden können. Wir wollen die Mittel und das
Personal für zivile Krisenprävention und die zivilen EU-Polizei- und Rechtsstaatsmissionen
deutlich erhöhen und ihre Finanzierung gerechter unter den Mitgliedstaaten verteilen.
Außerdem wollen wir das Europäische Friedensinstitut finanziell stärker in seiner
Mediationsarbeit unterstützen.
Wir stellen uns gegen den fatalen Paradigmenwechsel, zivile Gelder aus dem EU-Haushalt für
militärische Zwecke oder zur Abwehr von Geflüchteten umzuwidmen. Die Trennschärfe zwischen
entwicklungspolitischen und militärischen Maßnahmen muss bewahrt werden. Wir lehnen sowohl
die Öffnung des Instruments für Stabilität und Frieden für militärische Zwecke ab als auch
den Plan der EU-Kommission, dieses Instrument 2020 auslaufen zu lassen. Stattdessen fordern
wir eine Verdoppelung der Mittel im Bereich der zivilen Krisenprävention.
Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete stoppen
Europa exportiert Waffen und Rüstungsgüter in Kriegs- und Krisengebiete sowie in Diktaturen.
Das wollen wir stoppen. Nationale Wirtschaftsinteressen dürfen nicht Frieden gefährden. Auch
wollen wir nicht, dass Überwachungssysteme zur Unterdrückung von Menschen in Diktaturen
genutzt werden. Wir fordern daher, dass die gemeinsamen Regeln für die Ausfuhrkontrolle von
Militärtechnologie und Militärgütern (gemeinsamer Standpunkt des Rats von 2008)
rechtsverbindlich und einklagbar werden.
Wir setzen uns auf europäischer Ebene für den Erhalt und die Stärkung internationaler und
regionaler Rüstungskontrollregime ein. Die EU muss darauf hinwirken, diese Abkommen auch auf
neue Bereiche der Kriegsführung – wie den Cyberraum oder Outer Space – auszudehnen. Wir
wollen, dass die EU für die Einbeziehung bewaffneter unbemannter Luftfahrzeuge in
internationale Abrüstungs- und Rüstungskontrollregime eintritt. Weiterhin sollte sie sich
für eine präventive völkerrechtliche Ächtung autonomer Waffensysteme einsetzen. Außerdem
muss die EU zur atomaren Abrüstung beitragen, sowohl im Innern durch den Einsatz für ein
atomwaffenfreies Europa als auch international.
Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
Heutzutage werden Sicherheitsrisiken immer komplexer und reichen von der Verbreitung von
Massenvernichtungswaffen und Cyberangriffen bis hin zur Bedrohung der Energie- und
Umweltsicherheit, während zugleich militärische Annexionen direkt vor unserer Haustür
stattfinden. Europa kommt gar nicht darum herum, sich diesen Herausforderungen stärker
selbst zu stellen. Die NATO hat nach wie vor eine wichtige Bedeutung für die Sicherheit
Europas. Doch angesichts der Spannungen und Konflikte im NATO-Bündnis ist es sinnvoll, die
Sicherheit Europas stärker gemeinsam voranzutreiben. An der Vision einer gesamteuropäischen
Sicherheitsordnung, die den Raum der OSZE umfasst, halten wir fest. In diesem Sinne wollen
wir an einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsunion arbeiten und die verstärkte
Zusammenarbeit der Streitkräfte in der EU ausbauen, anstatt immer mehr Geld in nationale
Rüstungssektoren zu pumpen.
Forderungen aus der NATO, die nationalen Militärausgaben auf 2 % des Bruttoinlandsprodukts
zu steigern, lehnen wir ab. Aus Sicht der EU-Kommission würden sich schon jetzt durch eine
tiefgehende Kooperation im Verteidigungsbereich Einsparungsmöglichkeiten von 25 bis 100
Milliarden Euro pro Jahr ergeben. Statt 17 nicht funktionsfähiger Systeme sollten wir besser
ein funktionierendes System schaffen. Wir unterstützen daher grundsätzlich die ständige und
strukturierte Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich (PESCO), wobei die zivile Seite der
Sicherheitskooperation bislang deutlich hinterherhinkt. Die Zusammenarbeit im
Verteidigungsbereich darf aber nicht dazu führen, dass wir zusätzliches Geld in ein
ineffizientes System der Verteidigungsbeschaffung stecken. Was europäisch getan wird, darf
nicht noch parallel national weitergeführt und finanziert werden. Vielmehr wollen wir eine
sicherheitspolitische Integration auf europäischer Ebene im Rahmen des EU-Budgets im Sinne
einer echten Umsetzung des „pooling & sharing“. Die europäischen Verteidigungsausgaben
dürfen auch nicht zu Lasten anderer Aufgaben der EU gehen. Die Umwidmung bisher ziviler
Haushaltstitel auf EU-Ebene lehnen wir ab. Wir sind gegen eine Etablierung von
Parallelstrukturen zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP). Ein
gemeinsames außen- und sicherheitspolitisches Vorgehen Europas kann es nur innerhalb der
Strukturen der Europäischen Union geben.
Damit der Einsatz des Militärs auch wirklich das äußerste Mittel bleibt, muss der zivile
Aspekt der Sicherheit deutlich gestärkt werden, wozu vor allem die Nichtverbreitung von
Waffen, die Verhinderung von Völkermord, die wirtschaftliche Entwicklung, die
Rechtsstaatlichkeit, die Vermittlung und Versöhnung und die territoriale Integrität zählen.
Wichtig ist für uns, dass die gemeinsamen Verteidigungsprojekte auch parlamentarisch durch
das Europäische Parlament kontrolliert werden. Aus nationaler Erfahrung wissen wir, dass
Großprojekte ohne Transparenz und echte Kontrollmöglichkeiten häufig in Missmanagement und
Korruption enden.
Außerdem brauchen wir eine regelmäßige Debatte zu Einsätzen, die im Rahmen der Missionen der
Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU durchgeführt werden. Auch
die Evaluierung solcher Missionen sollte durch das Europaparlament erfolgen. Nationale
Parlamentsvorbehalte dürfen im Zuge einer stärkeren Rolle des Europäischen Parlaments aber
nicht abgeschafft oder unterwandert werden. Mitgliedstaaten sollen auch in Zukunft die
Möglichkeit haben, nicht an GSVP-Missionen teilzunehmen.
Europäischer Beitrag zur Konfliktprävention, Friedenssicherung und Schutz vor Verbrechen
gegen die Menschlichkeit
Eine an den Menschenrechten orientierte Außenpolitik, die dem Schutzprinzip des Völkerrechts
verpflichtet ist, bedeutet auch, zu handeln, wenn Menschenrechte massiv verletzt werden. Wir
setzen uns daher für den Ausbau der europäischen Polizei- und Rechtsstaatsmissionen ein wie
auch für Ausbildungs- und Unterstützungsmissionen zur Vorsorge oder zur Stabilisierung von
Friedensprozessen.
Wir stehen zu einer Kultur der militärischen Zurückhaltung und für das Primat des Zivilen.
Die Anwendung militärischer Gewalt ist immer ein Übel. Es gibt jedoch Situationen, in denen
militärische Gewalt unter eng begrenzten Bedingungen als äußerstes Mittel im Sinne der
Schutzverantwortung der VN notwendig ist, weil nationale Regierungen nicht in der Lage oder
willens sind, Menschen vor schweren Menschenrechtsverbrechen zu schützen. Dabei steht an
erster Stelle immer die Prävention, also das Verhindern gewaltsamer Entwicklungen. Wir
machen uns die Entscheidung über Militäreinsätze niemals einfach, sondern prüfen mögliche
Mandate kritisch und sorgfältig.
Für uns gelten die VN-Charta und das Völkerrecht. Wir werden Einsätzen der Bundeswehr nur
auf Grundlage der VN-Charta und mit einem Mandat der Vereinten Nationen nach Kapitel VI oder
VII der VN-Charta zustimmen. Allerdings kann ein Nichthandeln aufgrund einer Blockadehaltung
einer oder mehrerer Vetomächte das Völkerrecht und die Vereinten Nationen ebenso massiv
beschädigen wie das Handeln ohne ein Mandat. Wenn der Sicherheitsrat blockiert ist, muss
sich die Generalversammlung damit befassen. Einsätze müssen grundgesetzkonform sein und im
Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit erfolgen. Ohne eine umfassende zivile
Gesamtstrategie und eine Einbettung in klare Konzepte für die Zukunft des betroffenen
Staates dürfen militärische Interventionen nicht erfolgen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- mehr Finanzmittel und Personal für europäische Polizei- und Rechtsstaatsmissionen,
- eine europäische Sicherheitsunion, die parlamentarisch kontrolliert wird,
- keine Waffenlieferungen an Diktatoren und in Kriegs- und Krisengebiete,
- eine Verdoppelung der Mittel für zivile Krisenprävention.
4.4 Globale Gerechtigkeit und Entwicklung fördern
Für eine gerechte Globalisierung brauchen wir eine EU, die eine menschenrechtsbasierte
globale Strukturpolitik vorantreibt, aktiv wird und nicht in Nationalismen zurückfällt.
Politikkohärenz im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung ist unser Ziel, damit beispielsweise
Handelspolitik nicht Entwicklungszusammenarbeit torpediert. Die 17 globalen
Nachhaltigkeitsziele, beschlossen im Jahr 2015 von den Vereinten Nationen, müssen innerhalb
der EU und global umgesetzt werden. Entwicklung gelingt nur dann, wenn wir soziale,
ökologische und wirtschaftliche Kriterien zusammendenken. Ziele wie
„Geschlechtergerechtigkeit“, „saubere Energie“, „gute Bildung“, „Frieden, Gerechtigkeit und
starke Institutionen“ der Agenda 2030 müssen wir in der EU durch eine ambitionierte
Nachhaltigkeitsstrategie verwirklichen. Wir müssen unsere Politik ändern, wenn
Agrarsubventionen Märkte in armen Ländern zerstören, wenn europäische Rechtsräume zur
Geldwäsche oder für die Steuer- und Kapitalvermeidung missbraucht werden oder wenn unsere
Handelspolitik Entwicklungschancen zerstört. Eine sozial-ökologische, vielfältige EU ist der
richtige Weg, um dem neuen Nationalismus und den antidemokratischen Kräften
entgegenzutreten.
Dies ist auch die beste Antwort auf die Herausforderungen weltweiter Fluchtbewegungen, um
Menschen davor zu bewahren, ihre Heimat verlassen zu müssen, sei es aufgrund von Verfolgung,
Folter, Kriegen, Hunger, Dürren oder anderen Krisen. Wir müssen endlich die strukturellen
Ursachen der Zerstörung von Lebensgrundlagen konsequent angehen. Unser Lebensstil, unsere
Art zu konsumieren, unser Wirtschaftssystem zerstören die Lebensgrundlagen von Millionen von
Menschen im Süden unseres Planeten. Europäische Unternehmen exportieren Rüstungsgüter in
Krisengebiete, überfischen die Weltmeere, und unsere Gesellschaften nehmen in Kauf, dass
unsere Agrarexporte andernorts die Existenzgrundlage von Bäuerinnen und Bauern zerstören.
Menschen, die nichts mehr zu verlieren haben, lassen sich weder mit höheren Zäunen noch mit
Patrouillenbooten oder durch Pakte mit Autokraten aufhalten. Stattdessen braucht es eine
kohärente internationale Politik und strukturelle Reformen in Bereichen wie Handel,
Landwirtschaft, Energie, Fischerei, Außenpolitik und Klimaschutz, wie sie die nachhaltigen
Entwicklungsziele der UN vorgeben.
Die EU-Mitgliedstaaten haben sich schon lange zu einer Erhöhung der Entwicklungsfinanzierung
auf 0,7 % des Bruttoinlandsprodukts verpflichtet – die immer noch nicht erreicht sind. Wir
sprechen uns klar dagegen aus, dass Ausgaben für Flüchtlinge im Inland und innerhalb der
Europäischen Union als Ausgaben für die Entwicklungsfinanzierung gerechnet werden können.
Vielmehr brauchen wir überprüfbare Zwischenschritte, um das 0,7%-Ziel in der EU tatsächlich
zu erreichen. Die wirtschaftlich starken Länder der EU stehen hier besonders in der Pflicht
und müssen gemeinsam vorangehen. Dabei sind Entwicklungsgelder nicht alles. Wir setzen uns
dafür ein, dass die EU konsequent die Kapital- und Steuervermeidung aus Entwicklungs- und
Schwellenländern begrenzt. Dazu gehören Transparenzregister, das Austrocknen europäischer
Steuersümpfe und die verpflichtende, länderbasierte Berichterstattung globaler Konzerne, die
in der EU ihren Sitz haben.
Der humanitäre Bedarf der Vereinten Nationen zur Vermeidung von Hungersnöten oder
schlimmsten Katastrophen wird von der Staatengemeinschaft immer wieder nicht erfüllt,
allerhöchstens erst nach wiederholten Appellen und Sondergipfeln. Wir wollen eine Stärkung
und ausreichende Finanzierung der europäischen und internationalen Organisationen in diesem
Bereich, dazu zählt insbesondere auch eine finanziell bessere Ausstattung der europäischen
Organisation für humanitäre Hilfe, ECHO. Auch die nationalen europäischen Hilfen sollen
besser koordiniert sein.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- die Erhöhung der Entwicklungsfinanzierung,
- die Bekämpfung von Kapital- und Steuerflucht aus Entwicklungs- und Schwellenländern,
- eine Stärkung und bessere finanzielle Ausstattung der europäischen Organisation für
humanitäre Hilfe.
4.5 Fairen und offenen Welthandel voranbringen
Die globale Arbeitsteilung hat unzähligen Ländern mehr Wohlstand gebracht. Millionen
Menschen in sich entwickelnden Ländern haben auch dadurch den Sprung aus extremer Armut
geschafft. Der Austausch von Waren und Dienstleistungen fördert die Verbreitung von
Innovationen und trägt zu friedlichen Beziehungen zwischen den Nationen bei. Doch
gleichzeitig führt eine unregulierte Globalisierung viel zu oft zur Ausbeutung von Menschen
und Umwelt und beschleunigt die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Der aktuelle globale
Wettbewerb setzt soziale und ökologische Standards in den Staaten unter Druck. Die
Wohlstandsgewinne aus dem globalen Handel sind teilweise extrem ungleich verteilt.
Der offene Welthandel soll fair, ökologisch und gerecht gestaltet sein und Mensch und Umwelt
in den Mittelpunkt stellen. In diesem Sinne setzen wir uns dafür ein, dass die Europäische
Union eine führende Rolle bei der sozial-ökologischen Regulierung des Welthandels einnimmt.
Global und demokratisch
Die Welthandelsordnung steht unter Druck. Verhandlungen in der Welthandelsorganisation (WTO)
stecken in der Sackgasse. Immer mehr Staaten setzen darauf, nur mit einzelnen anderen
Staaten Handelsabkommen abzuschließen. Die „America-first-Politik“ von Donald Trump oder
Chinas aggressive Industriepolitik verstärken den Sog zu immer mehr bilateralen Abkommen.
Wir sehen das skeptisch, denn dabei geraten die Interessen von Ländern, die keinen Platz am
Verhandlungstisch haben, immer unter die Räder und die Verhandlungsposition ärmerer Länder
wird geschwächt.
In einer echten globalen Partnerschaft dürfen nicht nur die wirtschaftlich Stärksten
entscheiden. Deswegen fordern wir die Wiederbelebung der Verhandlungen im Rahmen der WTO.
Dazu sollte die EU einen Vorschlag vorlegen, der die WTO und das Welthandelssystem
reformiert und neu belebt und langfristig unter das Dach der Vereinten Nationen stellt.
Die Errichtung einer neuen globalen Welthandelsordnung wird Zeit brauchen. Daher können für
den Übergang auch Abkommen zwischen einzelnen Staaten und Wirtschaftsräumen sinnvoll sein.
An diese Abkommen legen wir aber harte Kriterien an. Sie dürfen nicht zu Lasten Dritter
gehen. Sie müssen demokratisch und transparent zustande kommen. Und sie müssen Umwelt- und
Klimaschutz, Menschenrechte, Entwicklung und soziale Gerechtigkeit voranbringen. Getrieben
von einer konservativ-neoliberalen Mehrheit wurde in Europa eine Handelspolitik
vorangebracht, die diesen Grundsätzen widerspricht oder sie sogar in ihr Gegenteil verkehrt.
Im Mittelpunkt stehen die Interessen von großen Konzernen, während Verstöße gegen
Umweltschutz, Arbeitnehmer*innen- und Menschenrechte weiterhin nicht bestraft werden.
Wir sind zusammen mit einer breiten europäischen Zivilgesellschaft erfolgreich dagegen auf
die Straße gegangen und haben dazu beigetragen, dass TTIP nicht gekommen ist und bei CETA
und JEFTA einseitige Gerichte für private Investoren erstmal verhindert werden konnten. Das
macht deutlich, dass es sich lohnt, für faire, ökologische, gerechte und demokratische
Handelsabkommen zu streiten, auch wenn wir noch nicht am Ziel sind.
Wir Grünen lehnen das Abkommen mit Japan (JEFTA) deshalb in dieser Form ab, zum Beispiel
wegen der mangelnden Verankerung und Durchsetzung des Vorsorgeprinzips und des Pariser
Klimaschutzabkommens im Vertragstext. Gerade mit Ländern wie Japan bestünde die Chance, es
endlich besser zu machen.
Ein Großteil von CETA ist bereits in Kraft, die problematischen Teile, die auch national
ratifiziert werden müssen, noch nicht. Diese wollen wir in der aktuellen Form nicht
ratifizieren.
Beim Abkommen mit den südamerikanischen Staaten (Mercosur) setzt die EU auf die
Liberalisierung bei Dienstleistungen, obwohl öffentliche Wasser- und Stromversorgung gerade
in den Ländern des Mercosur ein wichtiges Mittel zur Armutsbekämpfung sind. Gleichzeitig ist
auf Bestreben Brasiliens der Schutz des Amazonas-Regenwaldes aus dem Vertragstext geflogen.
Wir wollen auch mit unseren Handelspartnern in Südamerika Umwelt, Verbraucher und
Menschenrechte in den Mittelpunkt von Handelsverträgen rücken.
Unsere grüne Alternative zur bisherigen EU-Handelspolitik ist eine Handelspolitik, die die
Globalisierung gerecht gestaltet. Es ist nicht hinnehmbar, dass es Sonderschiedsgerichte für
Investoren zwischen Rechtsstaaten gibt, während Klimaschutz, Menschenrechte oder das
Vorsorgeprinzip nur schmückende Prosa bleiben. Wir lehnen einseitige Gerichte für private
Investoren ab.
Wir setzen uns stattdessen für einen ständigen internationalen Handelsgerichtshof ein, vor
dem nicht nur Unternehmen klagen können, sondern auch Betroffene gegen die Verletzung
menschenrechtlicher, sozialer und umweltrelevanter Verpflichtungen durch transnationale
Unternehmen. Der Vorschlag der EU-Kommission für einen multilateralen
Investitionsgerichtshof (MIC) erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Parlamente dürfen durch
Regeln zur regulatorischen Zusammenarbeit in Handelsabkommen nicht umgangen oder geschwächt
werden.
Das Vorsorgeprinzip, nach dem die Unbedenklichkeit von Produkten vor der Zulassung
nachgewiesen werden muss, ist die tragende Säule des europäischen Schutzes von Umwelt und
Verbraucher*innen. Die bestehende Verankerung des Vorsorgeprinzips im Primärrecht der EU
reicht hierzu nicht aus. Deshalb wollen wir, dass es für alle Bereiche der EU-
Handelsabkommen gilt. Auch Produkte, deren Verkauf in Europa verboten ist, wie bestimmte
Giftstoffe und Waffen, sollten hier auch nicht produziert und dann exportiert werden dürfen.
Wir wollen im Handel auch die Interessen von kleinen und mittleren Unternehmen stärken und
damit der Konzentration von wirtschaftlicher Macht entgegenwirken. Sie profitieren von
Zollreduktion und einheitlichen technischen Standards.
Für faire Arbeitsbedingungen, Klimaschutz und Menschenrechte
Handel sollte soziale Gerechtigkeit, faire Arbeitsbedingungen und Menschenrechte
unterstützen. Menschenrechte und die Arbeitnehmerschutzrechte der internationalen
Arbeitsorganisation, also die ILO-Kernarbeitsnormen, müssen im Handel fest verankert werden,
und ihre Verletzung muss einklagbar sein. Bei Verstößen muss die EU Handelsvergünstigungen
auch entziehen. Die EU-Kommission setzt in erster Linie auf freiwillige
Selbstverpflichtungen. Die Erfahrung zeigt: Das reicht nicht. Notwendig sind gesetzliche
Sorgfaltspflichten, neue Haftungsregeln und bessere Klagemöglichkeiten innerhalb der EU –
auch für Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen, die von europäischen Unternehmen
verursacht werden. Wir wollen Unternehmen gesetzlich zu mehr Verantwortung und Transparenz
in Bezug auf ihre Lieferketten verpflichten sowie dazu, Menschen- und Arbeiter*innenrechte
einzuhalten und fairer und ökologischer Beschaffung den Vorrang zu geben.
Die Klimaziele von Paris müssen fester Bestandteil des Welthandels werden. Wir unterstützen
den Vorschlag des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, die Klimaziele von Paris als
wesentlichen Bestandteil in Handelsabkommen zu verankern und damit verbindlich umzusetzen.
Wir müssen Handel und Klima in Einklang bringen. Eine Vorreiterrolle im Klimaschutz darf
nicht zu Nachteilen im internationalen Wettbewerb führen. Im Gegenteil wollen wir erreichen,
dass sich ein ambitionierter Klimaschutz auch ökonomisch rechnet. Dies kann zum Beispiel
über eine zu entwickelnde Klimaabgabe auf schmutzige Importe erfolgen, die aber WTO-konform
ausgestaltet sein muss.
Unfairen Wettbewerb durch Preis- oder Standard-Dumping wollen wir verhindern. Die letzte
Reform der europäischen Anti-Dumping-Instrumente war ein wichtiger Schritt. Es ist ein
Erfolg grüner Politik im Europaparlament, dass Marktverzerrung nun auch bei Verstößen gegen
internationale Arbeitnehmer- und Umweltstandards festgestellt werden kann. Wir wollen in
kritischen Bereichen strategische Infrastruktur schützen.
Handelsabkommen dürfen keine Treiber von Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung
werden. Wo sich Privatisierungen als Holzweg erwiesen haben, wollen wir diese rückgängig
machen können. Die öffentliche Daseinsvorsorge muss umfassend geschützt werden. Kommunen
dürfen in ihrer Handlungsfreiheit nicht beschränkt werden.
Faire Rohstoffpolitik
Durch viele Produkte des Alltags sind wir mit der ganzen Welt verbunden, die Produktion
findet in Asien statt, die Rohstoffe kommen vom afrikanischen Kontinent und konsumiert wird
bei uns. Wir wollen die Lieferketten besser kontrollieren. Deshalb wollen wir transparente
Lieferketten mit sozialen und ökologischen Mindeststandards durch entsprechende
Offenlegungs- und Sorgfaltspflichten erreichen. Was in der Europäischen Union konsumiert
wird, darf nicht zu Krieg und Ausbeutung beitragen.
Wir stehen für eine andere Rohstoffpolitik. Die Rohstoffe, die wir für unsere Handys oder
Tablets benötigen, werden oft unter miserablen Bedingungen abgebaut und gehen mit
Menschenrechtsverletzungen, Konflikten und Umweltzerstörungen einher. Ausbeutung darf aber
nicht Grundlage der Digitalisierung und unseres Konsums sein. Wir treten ein für faire
Rohstoffpartnerschaften, die die Bedürfnisse der Abbauländer berücksichtigen, für Einsparung
des Rohstoffverbrauchs und eine nachhaltige Nutzung in Europa. Wir wollen verbindliche
Standards bei Abbau, Weiterverarbeitung und Handel von Rohstoffen im Rahmen eines
transparenten Verfahrens, das auch gegen Korruption und Steuervermeidung wirkt. Besonders
Konfliktmineralien müssen besser kontrolliert werden.
Entwicklungspartnerschaft auf Augenhöhe
Die gegenwärtige Handelspolitik der EU mit Entwicklungsländern ist einseitig von den
wirtschaftlichen Interessen europäischer Unternehmen dominiert. Durch den Abbau von Zöllen
werden heimische Industrie, Handwerk und Landwirtschaft in Entwicklungsländern durch
Billigimporte aus der EU bedroht. Die EU ist durch ihre starke Verhandlungsposition in der
Lage, den Entwicklungsländern Bedingungen zu diktieren. Die derzeitigen
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) mit Afrika verhindern den Aufbau einer eigenen
Wirtschaft in diesen Ländern, statt ihn zu fördern. Wir wollen diese Abkommen stoppen und zu
einer echten Entwicklungspartnerschaft auf Augenhöhe übergehen. Die Entwicklungsländer
müssen ihren Weg einer nachhaltigen Entwicklung selbst bestimmen können. Gleiche Rechte sind
nur zwischen gleich starken Partnern gerecht. Wer die Schwächeren fördern will, muss ihnen
mehr Rechte als den Starken gewähren. Wir wollen Entwicklungsländern ausreichend Raum für
handelspolitische Schutzmaßnahmen lassen, um ihre heimische Wirtschaft aufzubauen und junge
Industrien zu schützen. Zolleinnahmen sind eine wichtige Einnahmequelle für
Entwicklungsländer. Ohne diese werden die mageren Staatseinnahmen stark belastet und es
fehlen Mittel für Investitionen in öffentliche Güter wie Bildung, Basis-Gesundheitsdienste
und andere Aspekte der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die EU hingegen sollte ihre Zölle auf
verarbeitete Produkte aus Entwicklungsländern abschaffen, um eine diversifizierte Industrie
und Wertschöpfung vor Ort zu ermöglichen.
Fairer Handel auch in der Landwirtschaft
Europäische Agrarsubventionen zerstören kleinbäuerliche Strukturen im globalen Süden und
schaffen so Abhängigkeiten, vernichten Existenzen und zementieren Armut. Deshalb lehnen wir
sie ab. Wir brauchen einen Neustart des europäischen Agrarhandels, der nicht länger mit
Dumpingpreisen Märkte im globalen Süden zerstört. Die Patentierung von Saatgut sowie
Landgrabbing wollen wir bekämpfen. Die EU muss Investoren und staatliche Institutionen dazu
drängen, die Leitlinien der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN zu
Landrechten, Fischgründen und Wäldern einzuhalten. Agrochemiekonzerne wie Bayer, der durch
die Übernahme von Monsanto zum Marktbeherrscher geworden ist, kontrollieren bereits jetzt
große Teile des weltweiten Saatgut-, Düngemittel- und Pestizidmarkts. Mit ihren Patenten
werden Kleinbäuerinnen und -bauern in teure Abhängigkeiten gezwungen und die Artenvielfalt
wird zerstört. Wir wollen die Rechte der Kleinbäuerinnen und -bauern in Entwicklungsländern
auf freien Austausch und kostenlose Wiederaussaat von Saatgut sichern. Darüber hinaus wollen
wir den Auf- und Ausbau lokaler Saatgutbanken fördern, damit traditionelles Wissen und die
biologische Vielfalt erhalten und zugänglich bleiben. Sortenvielfalt ist ein wichtiger
Baustein, um das Recht auf Nahrung zu verwirklichen und die Landwirtschaft
widerstandsfähiger gegen die Folgen des Klimawandels zu machen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- die Verankerung des Pariser Klimaschutzabkommens und des Vorsorgeprinzips in allen
Handelsverträgen der EU,
- WTO-konforme Klimaabgaben auf schmutzige Importe,
- die Abschaffung von Zöllen auf verarbeitete Produkte aus Entwicklungsländern.
4.6 Drogenkriege beenden
Der globale Krieg gegen Drogen ist gescheitert. Er fördert organisierte Kriminalität,
unterminiert die Gesundheit der Drogenkonsument*innen, verletzt Menschenrechte und trägt zur
Destabilisierung von Staaten bei. Damit verhindert er die politische und wirtschaftliche
Entwicklung der betroffenen Länder. Europa trägt als Konsumentenregion Verantwortung für die
Auswirkungen der Nachfrage nach Drogen. Wir wollen deshalb, dass die Europäische Union sich
auf der Ebene der Vereinten Nationen dafür einsetzt, dass der Drogenkrieg beendet wird.
Nationale Schritte für eine Reform der Drogenpolitik wie in verschiedenen Ländern
Lateinamerikas sollten unterstützt und nicht behindert werden. Die Europäische Union sollte
deshalb global eine Reform der Drogenpolitik in den betroffenen Staaten unterstützen, die
auf Prävention, Hilfe, Schadensminderung, Entkriminalisierung und Regulierung setzt. Wir
fordern eine an den tatsächlichen gesundheitlichen Risiken orientierte Regulierung von
Drogen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- eine globale Reform der Drogenpolitik,
- eine an den gesundheitlichen Risiken orientierte Regulierung von Drogen.
weitere Antragsteller*innen
- Jakob Brunken (Ostholstein KV)
- Stephan Wiese (Stormarn KV)
- Jutta Paulus (Neustadt-Weinstraße KV)
- Andreas Gernegroß (Salzland KV)
- Werner Weindorf (München KV)
- Rasmus Andresen (Flensburg KV)
- Ralf Henze (Odenwald-Kraichgau KV)
- Hans Schmidt (Bad Tölz-Wolfratshausen KV)
- Tabitha Elkins (Alzey-Worms KV)
- Ralf Bohr (Bremen-Ost KV)
- Peter Meiwald (Ammerland KV)
- Kerstin Dehne (München KV)
- Miriam Matz (Saalekreis KV)
- Carl Ulrich Gminder (Reutlingen KV)
- Bernd Frieboese (Berlin-Reinickendorf KV)
- Julian Breitschwerdt (Karlsruhe-Land KV)
- Bernd Voß (Steinburg KV)
- Catherine Kern (Hohenlohe KV)
- Carolin Schenuit (Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf KV)
Fehler:Du musst dich einloggen, um Änderungsanträge stellen zu können.
Von Zeile 27 bis 29 einfügen (EP-U-01: Kapitel 1: Erhalten, was uns erhält: unsere natürlichen Lebensgrundlagen schützen):
Kohle eingehen oder eine demokratische Energieinfrastruktur auf Basis der Erneuerbaren aufbauen, macht einen Unterschied. Die EU-Energieaußenpolitik muss auf Nachhaltigkeit und einen Dialog auf Augenhöhe im Interesse der betroffenen Staaten setzen. Zu einer solchen, gemeinsamen EU-Außenpolitik ist daher eine starke, auf Erneuerbarer Energien basierende Energieunion notwendig.
Ein Europa ohne Kohle, Atom und Fracking ist möglich. Wir wollen die Europäische Union zum
weltweiten Vorreiter für Klimaschutz, erneuerbare Energien und Energieeffizienz machen.
Unser Kontinent hat gerade hier noch enorme Potenziale, die bislang weitgehend brachliegen.
Durch saubere Energiequellen kann eine weitgehende Energie-Unabhängigkeit erreicht, können
Klima und Umwelt geschützt und nachhaltige Jobs geschaffen werden. Das ist unser Ziel. Die
gute Nachricht: Alle Lösungen dafür stehen bereit, sie müssen nur angepackt werden!
Die Klimakrise ist eine der größten Herausforderungen unserer Generation. Versagen wir bei
der Eindämmung der Krise, haben wir als politische Generation versagt. Mit Klimaschutz
schützen wir nicht nur (und noch nicht einmal in erster Linie) Arten und Natur. Wir schützen
unsere Lebensgrundlagen, aber auch die liberale Demokratie, ein Gemeinwesen, das in der Lage
ist, wertebasierte Politik zu machen. Und wir schützen die ökonomische Basis, auf der wir
unsere Politik aufbauen. Eine Erderhitzung über 2 Grad wird unkontrollierbare Folgen auf
unser Zusammenleben und unsere Freiheit haben. Und sie trifft immer erst die Schwächsten.
Menschen werden ihr Zuhause verlassen müssen und sich als Klimaflüchtlinge auf den Weg
machen. Die weltweiten Migrationsbewegungen werden zunehmen. Die Weltbank, nicht gerade
bekannt für ökologische Sensibilität, rechnet mit 150 Millionen Klimaflüchtlingen bis 2030.
In elf Jahren. Es wird zu Kriegen um Wasser, fruchtbare Böden oder sichere Stätten kommen.
Wir werden uns der Verantwortung so oder so nicht entziehen können. Doch die Zeit läuft uns
davon. Hitzerekorde, Dürren, Überschwemmungen und starke Stürme liefern fast täglich neue
Schreckensmeldungen. Der vergangene Sommer hat auf eindringliche Weise gezeigt, dass die
Klimakrise längst auch bei uns in Europa Realität ist.
Die Europäische Union muss zu einer Union des Klimaschutzes werden. Das heißt nicht nur,
dass sie eine andere Energie-, Wirtschafts- und Landwirtschaftspolitik betreibt, sondern
dass sie die ökologischen Fragen auch ins Zentrum ihrer Außen-, Sicherheits- und
Friedenspolitik stellt. Wie wir unseren Energiehunger stillen, wird maßgeblich die
Leitlinien der Außenpolitik bestimmen. Ob wir schmutzige Deals mit Diktatoren um Öl, Gas und
Kohle eingehen oder eine demokratische Energieinfrastruktur auf Basis der Erneuerbaren
aufbauen, macht einen Unterschied. Die EU-Energieaußenpolitik muss auf Nachhaltigkeit und einen Dialog auf Augenhöhe im Interesse der betroffenen Staaten setzen. Zu einer solchen, gemeinsamen EU-Außenpolitik ist daher eine starke, auf Erneuerbarer Energien basierende Energieunion notwendig.
Eine Handels- und Landwirtschaftspolitik, die unseren
Reichtum auf Kosten Dritter erwirtschaftet, oder stattdessen faire Partnerschaften, die
einen gedrosselten Ressourcenverbrauch bei uns bedeuten, machen einen Unterschied. Fischen
wir die Meere leer oder sorgen wir für halbwegs intakte Meeresökologie? Exportieren wir
unseren Müll ins Ausland oder verzichten wir auf Wegwerfplastik?
Viele Menschen sind weiter als die Politik: zum Beispiel Bürger*innen, die Bike- und
Carsharing nutzen, sich an Bürgerenergieprojekten beteiligen, auf ökologisch erzeugte
Lebensmittel setzen, die in Nachhaltigkeit und grüne Infrastruktur investieren. Aber auch
innovative Unternehmen, Ingenieur*innen und viele mehr haben sich auf den Weg gemacht. Mit
ihnen allen verbünden wir uns. Und packen an. Für ein Europa, das ohne Kohle- und Atomstrom
auskommt, eine Agrarpolitik betreibt, die auf ökologischen Kriterien basiert und Landwirten
eine Perspektive gibt, ein Europa, das mit einer Plastikabgabe plastikmüllfrei wird und
unsere Meere schützt.
Schadstoffbelastete Böden und Gewässer, weniger Summen und Brummen in der Luft. Das sind
Anzeichen für eine kranke Natur, die auf den Menschen zurückgeht. Und Anzeichen dafür, dass
wir Grenzen überschreiten. Diesen Herausforderungen müssen wir uns stellen. In einem
gemeinsamen Europa können wir mit weniger Pestiziden und einem Verbot von Glyphosat Tieren
und Pflanzen wieder mehr Lebensraum geben. Mit einer Wasserrahmenrichtlinie, die wir
konkretisieren und konsequent umsetzen, verbessern wir die Qualität von Flüssen und Seen.
Und mit europäischen Korridoren für Biotope und mehr Wildnisflächen erhalten wir wichtige
Lebensgrundlagen. Wir wollen ein gemeinsames Europa, das seine Umwelt und Natur schützt.
Bei der sauberen Mobilität, bei den erneuerbaren Energien oder auch beim Divestment hinkt
Europa hinterher. Wir wollen grüne Anleihen europaweit stärken und eine Richtlinie für
ökologische Transparenz am Finanzmarkt schaffen. Für den Verkehr der Zukunft wollen wir eine
europäische Batteriezellenproduktion aufbauen. Damit sorgen wir für mehr klimafreundliche
Mobilität und halten zugleich die Wertschöpfung in Europa. Zudem knüpfen wir ein
europaweites Schienennetz und verlagern Güter von der Straße auf die Gleise. Mit einem CO2-
Mindestpreis sorgen wir für wirksamen Klimaschutz. Und für mehr Erneuerbare und größere
Versorgungssicherheit schaffen wir einen gesamteuropäischen Stromverbund und ein
intelligentes Stromnetz. Das alles geht nur gemeinsam. In einem gemeinsamen Europa.
1.1 Klimaschutz fördern, aus Kohle und Atom aussteigen
Die Europäische Union ist reich an sauberen Energiequellen. Die Erneuerbaren haben weltweit
8,3 Millionen Arbeitsplätze geschaffen, davon mehr als 1,1 Millionen in der EU und über
300.000 in Deutschland. Investitionen in Erneuerbare und in Energieeffizienz sind
mittlerweile der kostengünstigste Weg für eine nachhaltige Energieversorgung. Es darf nicht
sein, dass Europa durch die rückwärtsgewandte Klimapolitik der Bundesregierung und der
Europäischen Union bei dieser rasanten Entwicklung den Anschluss verliert. In China und den
USA wird pro Kopf mittlerweile deutlich mehr in Erneuerbare investiert als in der EU.
Wir wollen das ändern! Wir wollen ein zu 100 % erneuerbares und ein energieeffizientes
Europa als Treiber für die internationale Energiewende. Dafür muss das europäische
Klimaschutzziel, das sich keineswegs auf dem Pfad der Pariser Klimaziele bewegt,
ambitionierter und verbindlich werden. Bis 2030 müssen 45 % von Europas Energie, die wir
beim Strom, der Wärme und bei der Mobilität verbrauchen, erneuerbar sein, und bis 2050
müssen es 100 % sein. Nur so kann Europa seinen Beitrag leisten, um die Klimakrise
einzudämmen und die globale Erhitzung deutlich unter 2 Grad zu halten. Die CO2-Emissionen
müssen zudem bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber 1990 gesenkt werden. Bei der
Energieeffizienz braucht es eine Verbesserung um 40 % im Vergleich zum Jahr 1990, um ein
maximal technisch mögliches Niveau der Energieeffizienz für 2050 zu erreichen.
Die Verbrennung von Kohle ist die klimaschädlichste Form der Stromerzeugung. Dabei gibt es
längst Alternativen: Erneuerbare Energien sind sauberer, sicherer, effizienter und
mittlerweile auch billiger. Das haben Länder wie Frankreich, die Niederlande oder Italien
längst verstanden und sich der globalen Allianz für den Kohleausstieg (Global Alliance to
Power Past Coal) angeschlossen, die sich für einen Kohleausstieg bis spätestens 2030
ausspricht. Diesen Vorreitern muss sich die Europäische Union inklusive Deutschland
anschließen, statt an der klimaschädlichen Kohle festzuhalten.
Der Export von dreckigem deutschem Kohlestrom untergräbt in europäischen Nachbarländern den
Ausbau der Erneuerbaren. Kohlekraft schadet nicht nur dem Klima, sondern setzt auch
hochgiftige Schadstoffe frei. Die hohen Folgekosten für die Verbrennung von Kohle in Europa
dürfen nicht weiter zu Lasten der Allgemeinheit gehen, die die Kosten und Risiken dafür
trägt. Die Bundesregierung ist super darin, anzukündigen, wie ehrgeizig sie in 10, 15 oder
20 Jahren sein will. Und regelmäßig macht sie nichts in der Gegenwart. Damit muss Schluss
sein. Je energischer wir jetzt handeln, desto leichter werden die letzten Etappen. Wir
müssen jetzt beginnen, Kohlekraftwerke abzuschalten. Daran muss sich Politik messen lassen.
Wir brauchen nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa einen vollständigen
Kohleausstieg.
Die hochgefährliche Atomkraft, deren Kosten und Risiken auf viele zukünftige Generationen
abgewälzt werden, bekämpfen wir europaweit. Der dringend notwendige Kohleausstieg darf nicht
dazu führen, dass Kohle durch Atom ersetzt wird. Die Atombranche etwa in Frankreich setzt
auf eine Renaissance der französischen Atomkraft – mit Atomstrom-Exporten nach ganz Europa.
Die dort diskutierte Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken lehnen wir ab. Es ist völlig
unverantwortlich, dass Atomkraftwerke, die für eine Laufzeit von maximal 40 Jahren
konzipiert wurden, nun trotz zunehmender Stör- und Unfälle 60 Jahre am Netz hängen sollen.
Auch Belgien macht keine Anstalten, seine Schrottreaktoren vorzeitig stillzulegen. Risiko-
AKWs wie das französische Cattenom, das belgische Tihange oder das tschechische Temelín
gehören sofort abgeschaltet. Der Betrieb dieser Schrottmeiler birgt unbeherrschbare Risiken
für alle Europäer*innen. Darüber hinaus fordern wir ein neues Regelwerk auf europäischer
Ebene, das es Bürger*innen und Anrainerstaaten ermöglicht, Einfluss auf die
Sicherheitsanforderungen für grenznahe Atomkraftwerke nehmen zu können. Die Atomtransporte
in Europa müssen systematischer erfasst, transparenter gemacht und auf ein Minimum
beschränkt werden.
Nur durch milliardenschwere staatliche Beihilfen rechnet sich der Bau von Atomkraftwerken in
Europa überhaupt noch. Diese Subventionen sind möglich, weil immer noch auf Grundlage des
längst überholten Euratom-Vertrags entschieden wird. Alle Passagen dieses Vertrages, die
Investitionen, Forschungsförderung und Genehmigungsprivilegien im Bereich der Atomkraft
begünstigen und AKW-Projekten gegenüber anderen Energieträgern einen wettbewerbsverzerrenden
Vorteil verschaffen, müssen gestrichen werden. Der AKW-Rückbau und die Entsorgung von
Atommüll sollen zur Kernaufgabe von Euratom werden. Zudem müssen die EU-weit geltenden
einheitlichen Sicherheitsstandards wesentlich strenger werden. Ebenso ist ein neues
einheitliches europäisches Haftungsregime mit deutlich höheren Anforderungen notwendig;
Subventionierungen durch die Hintertür müssen beendet werden. Bei den Entscheidungen zu
Euratom wollen wir in Zukunft ein klares demokratisches Mitspracherecht durch das
Europäische Parlament. Damit die Energiewende europaweit gelingt, braucht es eine
Erneuerbare-Energien-Union.
CO2 einen Preis geben und den Menschen das Geld
CO2 muss einen Preis bekommen. Dieser Preis besteht nach unseren Vorstellungen aus zwei
Komponenten: Für alle Anlagen, die dem Emissionshandel unterliegen – das sind vor allem
Industrieanlagen sowie Kohle- und Gaskraftwerke –, sollte es einen Mindestpreis für CO2
geben. Die letzte Reform des Emissionshandels war viel zu zaghaft, die Zertifikate sind
weiterhin viel zu billig und verfehlen damit ihre Wirkung. Daher müssen sie verknappt und
verteuert werden. Wir wollen, dass Deutschland zunächst mit einigen EU-Staaten die
Initiative ergreift und in einer regionalen Staatengruppe einen gemeinsamen CO2-Mindestpreis
einführt; die Niederlande und Frankreich haben ihre Absicht dazu schon erklärt.
Perspektivisch wollen wir eine gesamteuropäische Lösung vorantreiben.
Für die Sektoren, die bislang nicht vom Emissionshandel erfasst werden, wie Verkehr, Wärme
und Landwirtschaft, braucht es eine Anpassung der Steuersätze auf Heizöl und Erdgas. Die
fossilen Energieträger müssen für ihren jeweils spezifischen CO2-Ausstoß den wahren Preis
zahlen.
Da Steuern und Abgaben auf Verbrauch immer sozial schwächere Haushalte stärker belasten als
reichere, wollen wir die zusätzlichen Einnahmen aus der CO2-Besteuerung an die
Verbraucher*innen zurückgeben. Unser Ziel ist die Schaffung eines Energiegeldes als Pro-
Kopf-Zahlung an die Menschen in Europa. Solange dies nicht europäisch umsetzbar ist, werden
wir in Deutschland vorangehen.
Beschäftigte beim Strukturwandel in Kohlerevieren unterstützen
Der Kohleausstieg wird auch dazu führen, dass Arbeitsplätze verloren gehen und neue in
Zukunftsbranchen entstehen. Wir nehmen die Sorgen und Ängste der Betroffenen ernst und
lassen die Menschen nicht im Stich. Bei diesem Strukturwandel müssen wir die Beschäftigten
und die Regionen unterstützen, damit sie eine Perspektive haben. Im Europäischen Fonds für
regionale Entwicklung (EFRE) sollen „Kohleausstiegsregionen” speziell gefördert werden. Neue
regionale Wirtschaftsschwerpunkte werden aufgebaut und passgenaue Weiterbildung wird
angeboten. Wir werden dafür ein Recht auf Weiterbildung und lebenslanges Lernen in ganz
Europa verankern. Das hilft nicht nur den vom Strukturwandel Betroffenen, sondern ist auch
ein Mittel gegen Fachkräftemangel.
Europas Energie vernetzen
Selbst wenn Energiepolitik innerhalb der EU heute immer noch vor allem in der nationalen
Kompetenz liegt, sind die Mitgliedsländer durch den gemeinsamen Strommarkt eng miteinander
verbunden. Europa muss sich energiepolitisch weitgehend unabhängig machen. Doch die geplante
Gaspipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee, die von Russland und der deutschen
Bundesregierung vorangetrieben wird und die osteuropäischen und baltischen Staaten nicht
miteinbezieht, konterkariert dieses Ziel und widerspricht dabei auch der gemeinsamen
europäischen Energieunion. Zudem ist Nord Stream 2 – wie auch neue Pipeline- und Fracking-
Projekte in anderen Ländern – klimapolitisch falsch, stellt die europäische Solidarität in
Frage und ist für die Ukraine politisch desaströs. Deshalb muss es gestoppt werden. Wir
brauchen nicht mehr Erdgas, sondern mehr Erneuerbare und Energieeffizienz.
Europa muss zusammenwachsen, auch im Strombereich. Mit einem gesamteuropäischen Stromverbund
stärken wir die Versorgungssicherheit, indem Angebot und Nachfrage auf eine breitere Basis
gestellt werden. Damit schaffen wir ein gemeinsames Netz für ganz Europa und verbinden
Lissabon mit Helsinki. Wir beugen auch Lieferengpässen vor und sorgen für mehr
Unabhängigkeit.
Für Europa brauchen wir dringend ein intelligentes Stromnetz, das sowohl die erneuerbaren
Energien dezentral verknüpft und überregional verbindet als auch über flexibel steuerbaren
Stromverbrauch clever das zunehmend erneuerbare Stromangebot vernetzt. Dafür wollen wir eine
echte europäische Energienetzgesellschaft.
Nötig sind europäische Strom- und Gasnetze, die der Energiewende dienen und helfen, die
natürlichen Schwankungen der Erneuerbaren auszugleichen. Dieses Prinzip muss Leitschnur für
die Auswahl der transeuropäischen Netzbauprojekte sein. Wir wollen die Erzeugungspotenziale
in Europa vernetzen und dabei Maß und Mitte halten zwischen zentralen und dezentralen
Strukturen.
Risikotechnologien wie die CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS), also die Einlagerung von
CO2 in unterirdische Lagerstätten, und die Förderung von Erdgas und Erdöl durch Fracking
lehnen wir wegen der unabsehbaren Gefahren für Gesundheit, Trinkwasser und Umwelt ab.
Union für Energie- und Ressourceneffizienz
Investitionen in Energieeffizienz und Erneuerbare schaffen Arbeitsplätze und reduzieren die
Kosten für die Verbraucher*innen. Wir wollen den Umstieg privater Verbraucher*innen auf
Geräte mit geringerem Energieverbrauch fördern sowie kleinen Unternehmen eine günstigere
Grundversorgung mit Strom und Wärme ermöglichen. Die vom EU-Parlament und Rat geschaffene
Ökodesign-Richtlinie legt für verschiedene Produktgruppen ökologische Mindeststandards fest.
Das ist richtig, reicht aber lange noch nicht aus. Wir wollen für weitere Produkte
ökologische Mindeststandards festlegen. So können wir ökologische Innovationen,
beispielsweise im Bereich Verkehr, fördern. Schlüssel für weniger Energieverbrauch sind der
Bereich Bauen und Wohnen und der Umstieg auf eine energieeffiziente Elektromobilität.
Wir wollen einen Wettbewerb um die ökologischste Produktionsweise entfachen. Die Ökodesign-
Richtlinie muss Recycling und Ressourceneffizienz fördern und fordern. Auch wollen wir
erreichen, dass die jeweils ressourcenschonendste Produktionsweise nach einiger Zeit zum
Standard erklärt wird, den dann alle einhalten müssen. Die Ökodesign-Richtlinie hat das
Potenzial, 90 Milliarden Euro pro Jahr an Energie- und Materialkosten einzusparen und 1
Million Jobs zu schaffen. Insgesamt können wir mit einer ressourcenschonenden
Wirtschaftsweise bis zu 2,8 Millionen neue Arbeitsplätze in Europa schaffen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- einen europaweiten Ausstieg aus Kohle- und Atomstrom,
- Investitionen in intelligente Stromnetze und einen transeuropäischen Netzausbau,
- einen vernünftigen Preis für CO2,
- ein Programm, das Arbeitnehmer*innen in Kohleausstiegsregionen unterstützt.
1.2 Europa verbinden mit grüner Mobilität
Europa lebt vom grenzüberschreitenden Austausch. Reisen, leben, lieben und arbeiten jenseits
nationaler Grenzen ist selbstverständlich geworden. Wir wollen ein Verkehrssystem in Europa
aufbauen, das den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird. Ein System, das unsere
Lebensqualität steigert. Steigende CO2-Emissionen verschärfen die Klimakrise, Stickoxide und
Feinstaub schädigen massiv die Gesundheit, und Staus auf zahlreichen Straßen rauben uns die
Zeit. Gleichzeitig fehlt in ländlichen Regionen ein flächendeckender Nahverkehr, sind Züge
unzuverlässig und Radwege oftmals in schlechtem Zustand. Das wollen wir ändern. Wir möchten
in Europa eine Mobilität, die klimaneutral, kostengünstig und für alle nutzbar ist und
Umwelt und Gesundheit schützt. Das bedeutet: weniger, aber dafür saubere und leise Autos,
mehr Car- und Bikesharing, bessere Zug- und ÖPNV-Angebote und eine bessere Vernetzung
unterschiedlicher Verkehrsträger in der Stadt und auf dem Land. Mittelfristig wollen wir
autofreie Innenstädte schaffen.
Europa braucht einen Paradigmenwechsel bei den Investitionen in Straßen: Statt Milliarden in
den Neubau zu stecken, muss die bröckelnde öffentliche Infrastruktur dringend saniert
werden. Wir wollen, dass auch der Verkehrssektor seinen Beitrag zum Klimaschutz leistet.
Dazu fordern wir die Einführung eines CO2-Preises auf fossile Treibstoffe wie Benzin und
Erdgas, damit saubere Antriebe im Verhältnis günstiger werden.
Auch den Fahrradverkehr wollen wir ausbauen. Mittlerweile gibt es 14 europäische
Fernradwege, die Euro-Velo-Routen. Diese wollen wir ausbauen, um den grenzüberschreitenden
Fahrradverkehr zu fördern.
Ein europäisches Schienennetz knüpfen
Um die grüne europäische Mobilität zu fördern, wollen wir, dass Europa auf der Schiene
zusammenwächst. Anstatt vorrangig milliardenschwere Großprojekte, wie Stuttgart 21, mit
wenig europäischem Nutzen zu finanzieren, müssen europäische Fördermittel gezielt für
bestehende und fehlende Abschnitte eingesetzt werden. Das europäische Eisenbahnnetz ist noch
immer ein Flickenteppich mit zahlreichen Lücken an den nationalen Grenzen. Wir wollen das
ändern. Das 2016 erstmals aufgelegte europäische Lückenschlussprogramm ist ein grüner
Erfolg, der deutliche Verbesserungen schafft. Aber schon jetzt wird deutlich, dass die
Nachfrage das Programm überfordert. Deswegen fordern wir eine Verdoppelung der Mittel. Damit
schaffen wir mit wenig Aufwand einen besseren grenzüberschreitenden Schienenverkehr. Davon
profitieren gerade die Menschen, die alltäglich darauf angewiesen sind.
Während man in Europa relativ einfach mit dem Auto über Grenzen fährt, müssen im
Schienenverkehr oftmals Loks, Personal und Stromnetz gewechselt werden. Das kostet nicht nur
Zeit, sondern macht den Zugverkehr insgesamt unattraktiver. Deshalb müssen die
unterschiedlichen nationalen Verkehrsnetze europaweit vereinheitlicht werden. Ein
gemeinsames Verkehrsnetz braucht gemeinsame Standards, von Ticketsystemen und Bahnsteighöhen
bis zu Sicherheitsstandards. Nur wenn die Kleinstaaterei aufhört, kann Europa mehr Personen-
und Güterverkehr auf die Schiene verlagern. Das schont das Klima und senkt die Belastung
durch Lärm und Schadstoffe. Wir brauchen massive Investitionen in transnationalen Güter- und
Personenverkehr. Wir setzen uns für die Wiederaufnahme europäischer Nachtzüge zwischen allen
Metropolen und einen funktionierenden Pendelverkehr in Grenzregionen ein.
Weltmarktführer für saubere Autos
Um die Mobilität der Zukunft zu prägen, muss Europa den Wandel in der Autoindustrie
anpacken. Neue Automobilhersteller, Mobilitätsdienstleister und Digitalkonzerne aus den USA
und China fordern die europäischen Hersteller heraus. Nur wer die saubersten, bequemsten und
intelligentesten Mobilitätslösungen anbietet, kann internationaler Marktführer bleiben.
Dabei geht es um unglaublich viel: Wertschöpfung, Arbeitsplätze, Klima- und
Gesundheitsschutz – um nur einige wenige Aspekte zu nennen.
Es sind vor allem die nationalen Regierungen und oft Deutschland, die in Brüssel die CO2-
Grenzwerte für Autos verwässern, Diesel-Tricksereien vertuschen und strengere Abgastests
blockieren. Gerade die Große Koalition hat damit der Automobilindustrie einen Bärendienst
erwiesen. Wir Grünen wollen den nötigen Technologiewandel vorantreiben: weg vom fossilen
Verbrennungsmotor hin zu abgasfreien Antrieben. Dafür braucht es ambitionierte europäische
CO2-Grenzwerte für Neuwagen, eine Förderung der europäischen Ladeinfrastruktur und eine
europaweite Quote für abgasfreie Neuwagen, damit ab 2030 möglichst nur noch abgasfreie Autos
neu zugelassen werden. Zudem brauchen wir strengere Kontrollen bei Abgastests und das Ende
der Steuerprivilegien bei Kraftstoffen. Außerdem wollen wir die Batteriezellenproduktion
sowie die Produktion von Wasserstoffautos europäisch unterstützen, um beim sauberen Auto
Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Europa zu schaffen. Auch beim ÖPNV wollen wir die
Elektromobilität voranbringen: Bahnstrecken müssen elektrifiziert und abgasfreie Busse
produziert werden.
In einem neuen umfassenden Mobilitätssystem wird das Auto vernetzt mit Bus, Bahn, Fahrrad
und Fußverkehr. Über Carsharing teilen sich Menschen Autos. Hinzu kommen neue Entwicklungen
wie die intelligente Verkehrssteuerung und autonome Autos, die unter den richtigen
Rahmenbedingungen mehr Klimaschutz, Sicherheit und Effizienz schaffen können. Wir wollen die
digitale, emissionsfreie Mobilität stärken und damit unsere Lebensqualität erhöhen. Dazu
wollen wir auf europäischer Ebene einen Förderwettbewerb für Städte starten, die den
Autoverkehr verringern und Carsharing, ÖPNV, Rad- und Fußverkehr gezielt ausbauen.
Umsteuern bei Flugverkehr und Schifffahrt
Auch den Flugverkehr und die Schifffahrt möchten wir auf einen nachhaltigen Kurs bringen.
Wir wollen, dass die EU sich auf internationaler Ebene für klare Klimaziele für die
Schifffahrt und den Flugverkehr einsetzt. Wir setzen daher auf eine einheitliche europäische
Regelung, die emissionsarme Kraftstoffe wie Wasserstoff aus erneuerbaren Energien in der
Schifffahrts- und Flugindustrie fördert. Landstromanschlüsse für Kreuzfahrt-, Container- und
Frachtschiffe sollen europaweit verbindlich werden.
Neben Nord- und Ostsee sollen weitere EU-Gewässer wie das Mittelmeer als
Emissionssonderzonen ausgewiesen und die Nutzung von Schweröl soll generell verboten werden.
Wir wollen darüber hinaus eine europaweite Abgabe für Kreuzfahrtschiffe einführen, ähnlich
der Flugverkehrsabgabe bzw. Kerosinsteuer. Derzeit sind Kreuzfahrtreisen nahezu von allen
Steuern ausgenommen, der Schiffstreibstoff steht den Reedern ebenfalls steuerfrei zur
Verfügung. Diese Ungleichbehandlung wollen wir abschaffen.
Auch im Luftverkehr kommt es darauf an, die unfairen Wettbewerbsvorteile abzuschaffen.
Internationale Flüge unterliegen weiter keiner Mehrwertsteuer und Kerosin wird nicht
besteuert. Das wollen wir ändern. Zudem muss der internationale Flugverkehr endlich in den
europäischen Emissionshandel einbezogen werden, um seinen Beitrag zum Schutz der Atmosphäre
beizutragen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- Vorfahrt für die Schiene,
- die Förderung sauberer Autos und zukunftsfester Arbeitsplätze,
- eine Schifffahrt ohne Schweröl,
- ein Ende der Steuerbefreiung für Kerosin.
1.3 Ressourcenschonende Wirtschaftsdynamik entfachen
Europa steht vor der Jahrhundertaufgabe, seine Wirtschaft ökologisch und sozial
umzugestalten. In Politik und Wirtschaft gibt es viele, die sich offenbar vor dieser Aufgabe
scheuen und sie weiter vor sich herschieben wollen. Damit werden die Probleme aber größer.
Wir Grünen bleiben dagegen hartnäckig, wenn es darum geht, der Wirtschaft einen ökologischen
und sozialen Rahmen zu setzen. Erst dieser Rahmen ermöglicht es der Wirtschaft, in einem
fairen Wettbewerb ihre Innovationskraft, ihre Ingenieurskunst und ihre technologischen
Stärken unter Beweis zu stellen. Das wollen wir unterstützen.
Wir wollen eine Modernisierungsoffensive zur Förderung ressourcenschonender und CO2-armer
Innovationen. Dafür brauchen wir eine industriepolitische Strategie, die die europäische
Wirtschaft fit für die Zukunft macht und eine neue Wirtschaftsdynamik entfacht. So vereinen
wir eine hohe Lebensqualität und gute Jobs mit dem Erhalt unserer natürlichen
Lebensgrundlagen. Ermutigend für die Perspektive einer ökologischen Transformation unserer
Wirtschaft ist es, wenn sich die europäische Stahlindustrie dazu bekennt, in den nächsten
Jahren auf CO2-neutrale Stahlproduktion umzuschwenken.
Wir verbrauchen die Ressourcen und Rohstoffe unseres Planeten in einem atemberaubenden
Tempo. Für nachhaltigen Wohlstand brauchen wir eine Kreislaufwirtschaft, die wertvolle
Rohstoffe wiederverwertet. Deshalb muss die Förderung der europäischen Kreislaufwirtschaft
Zentralanliegen jeder ökologisch orientierten Wirtschaftspolitik sein. Digitalplattformen
können dabei vor allem mit Blick auf industrielle Sekundärrohstoffe eine wichtige Rolle
spielen. Europa muss darauf achten, dass etwa im Bereich von Elektronikschrott nicht
wertvolle Ressourcen rücksichtslos auf Müllkippen in der ganzen Welt exportiert werden,
während durch Hightech-Recycling der Rohstoffverbrauch reduziert und Kosten für Unternehmen
und für die Umwelt verringert werden können. Besonderes Gewicht für die Recyclingwirtschaft
hat auch die europäische Plastikstrategie, deren Ziel es ist, die ständige Vermehrung von
Plastikmüll drastisch einzudämmen.
Geld nachhaltig anlegen und raus aus den Fossilen
Wir setzen uns dafür ein, Investitionen in fossile Brennstoffe zu stoppen – und sind damit
Teil der internationalen Divestment-Bewegung. Statt aus dem Raubbau an unserem Planeten
Profit zu ziehen, wollen wir in den Klimaschutz finanzieren. Das ist auch finanziell
sinnvoll, da die internationale Energiewende dazu führen wird, dass Investitionen in Kohle,
Öl und Gas mittelfristig abgeschrieben werden müssen. Grüne in Ländern und Kommunen haben es
vorgemacht: Auf ihren Antrag hin werden die Kommunal- und Landesfinanzen nachhaltig
ausgerichtet.
Der ökologische Umbau braucht massive Investitionen, die finanziert werden müssen. Heute
wird immer noch viel Kapital in alten fossilen Technologien angelegt. Das ist nicht nur ein
ökologisches Problem, sondern gefährdet auch die Stabilität der Finanzmärkte und die
Altersvorsorge der Menschen. Wir wollen Finanzmärkte, die nicht in die Vergangenheit,
sondern in die Zukunft investieren. Nachhaltige Kapitalanlagen sind dazu ein Wachstumsmarkt,
der den Finanzplatz Europa stabiler und zukunftsfähig macht.
Grüne Anleihen wollen wir europaweit stärken und eine einheitliche Klassifizierung schaffen.
Wir fordern eine Richtlinie für ökologische Transparenz am Finanzmarkt, damit Anleger
wissen, wie ökologisch ihre Geldanlage ist. Wir wollen ein europäisches „Green Finance
Label“ für Investitionen und Anlagen einführen, die die höchsten Nachhaltigkeitskriterien
erfüllen. Außerdem wollen wir ökologische und soziale Ziele in der
Unternehmensberichterstattung verpflichtend machen und ein unabhängiges Siegel für
nachhaltige Geldanlagen einführen.
Der Staat ist selbst ein sehr großer Nachfrager von Gütern. Zukünftig wollen wir auch das
öffentliche Beschaffungswesen an verbindliche ökologische, soziale und Fairtrade-Kriterien
knüpfen. Damit schaffen wir einen gewaltigen Markt für Unternehmen, die ökologisch und
sozial wirtschaften. Staatliche Subventionen für klimaschädliches Wirtschaften wollen wir
abschaffen.
Wir wollen die Mittel des Zukunftsfonds im EU-Haushalt für die soziale und ökologische
Modernisierung der europäischen Wirtschaft und Infrastruktur nutzen und vor allem kleinen
und mittleren Unternehmen sowie dem Handwerk den Zugang zu europäischen Förderprogrammen für
energie- und ressourceneffiziente Produktion erleichtern.
Wirtschaftspolitik richtet sich oft nur an profitorientierten Unternehmen aus. Dabei werden
Chancen vertan, die Genossenschaften und soziale Unternehmen bieten. Wir wollen eine
Strategie der EU zur Förderung der Gemeinwohlökonomie. Sie soll künftig in die
Unternehmensberichterstattung und in EU-Förderprogramme integriert werden. Unternehmen mit
Gemeinwohlorientierung sollen durch eine anerkannte Kennzeichnung gestärkt und bei
öffentlichen Aufträgen bevorzugt werden.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- das Anlegen öffentlicher Gelder in nachhaltigen Geldanlagen (Divestment),
- ein nachhaltiges Finanzsystem und ökologisch transparente Geldanlagen,
- eine Stärkung der Gemeinwohlökonomie.
1.4 Natur und Umwelt schützen
Sauberes Wasser, reine Luft, gesunde Böden und intakte Landschaften bilden unsere
Lebensgrundlagen. Aber diese sind bedroht. Der ehemals große Reichtum an Tieren, Pflanzen
und Lebensräumen schwindet täglich. Lebensräume gehen verloren, Arten sterben aus. Auf den
Wiesen und in den Wäldern wird es stiller, es brummt, summt und zwitschert immer weniger:
Die Vogelpopulation in Deutschland hat sich in den letzten 30 Jahren halbiert, die Anzahl
von Insekten ist seit 1989 um bis zu 80 % zurückgegangen. Rund ein Drittel der bei uns
heimischen Arten sind bedroht, darunter viele Bienen. Auch in anderen europäischen Ländern
sieht die Situation nicht viel besser aus.
Wir setzen unsere ganze Kraft dafür ein, den negativen Trend beim Artensterben zu stoppen.
Wir wollen eine artenreiche und intakte Natur erhalten und dort wiederherstellen, wo sie
bereits Schaden genommen hat. Das bedeutet auch, dass wir Natura-2000-Gebiete verteidigen,
verbessern und Schutzgebiete wo möglich vergrößern.
Die EU, und damit ihre Mitgliedstaaten, hat sich im Rahmen der Vereinten Nationen
verpflichtet, den Artenrückgang und die Zerstörung natürlicher Lebensräume bis 2020
aufzuhalten – und wird diese Ziele voraussichtlich deutlich verfehlen. Wir fordern daher,
umgehend eine ambitionierte europäische Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt für
den Zeitraum nach 2020 und ein Nachfolgeprogramm für das 7. Umweltaktionsprogramm zu
erarbeiten. Die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung wollen wir darin als neue
Leitprinzipien verankern.
In den letzten Jahren war es immer wieder die Europäische Union, die im Bereich der Umwelt-
und Naturschutzgesetzgebung Druck gemacht hat. Und es waren die nationalen Regierungen, die
sie verwässert oder nicht erfüllt haben. Dann sanktioniert die EU: Um einen der letzten
intakten Urwälder in Europa zu retten, hat der Europäische Gerichtshof die polnische
Regierung durch Androhung von Strafzahlungen gezwungen, die Abholzung des Białowieża-Waldes
zu stoppen. Ebenso hat die EU Deutschland aufgrund der zu hohen Nitratwerte in unserem
Wasser verurteilt.
Die gute gesetzliche Grundlage beim europäischen Umwelt- und Naturschutz muss von der EU-
Kommission und den Mitgliedstaaten umfassend umgesetzt werden. Hierzu sind auf allen Ebenen
personelle und finanzielle Kapazitäten zu schaffen. Außerdem muss die EU-Kommission ihre
Rolle als Hüterin der Verträge und des EU-Rechts ernst nehmen und hierfür Verstöße gegen das
europäische Umweltrecht konsequent durch Vertragsverletzungsverfahren ahnden.
Umweltschädliche Subventionen wollen wir abbauen und den Naturschutz besser finanzieren.
Außerdem wollen wir transeuropäische grüne Korridore für Biotope vorantreiben. Um
Lebensgrundlagen in der EU zu erhalten, braucht es eine intakte Natur. Dafür fördern wir
mehr Wildnisflächen: Möglichst bis 2030 wollen wir die Wildnisflächen in Europa verdoppeln.
Dafür muss Deutschland mit gutem Beispiel vorangehen und sein beschlossenes Ziel von 2 %
Wildnis bis 2020 umsetzen. Doch all das bringt uns nur voran, wenn wir das mit einer
Agrarwende, weniger Pestiziden auf den Feldern und mehr ökologischem Landbau verbinden.
Für Umwelt- und Tierschutzverbände wollen wir ein volles Verbandsklagerecht schaffen, damit
der Umweltschutz gegenüber kurzfristigen Industrieinteressen gestärkt wird. Wir wollen die
Entscheidungsprozesse demokratisieren, indem wir die Bürgerbeteiligung stärken und
Lobbyismus regulieren.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- den Schutz einzigartiger Kulturlandschaften und Urwälder in Europa,
- grenzüberschreitende Biotope,
- eine bessere Naturschutzfinanzierung,
- ein Verbandsklagerecht für Umwelt- und Tierschutzorganisationen
1.5 Die Landwirtschaft so verändern, dass sie unsere Lebensgrundlagen bewahrt
Wir streiten und werben für eine vielfältige, nachhaltige, regional verankerte, bäuerliche
Landwirtschaft, die Natur und Tiere schont und gesundes Essen für uns alle erzeugt. Wir
wollen eine konsequente Neuausrichtung hin zu einer europäischen Agrar- und
Ernährungspolitik, die im Einklang ist mit den europäischen Zielen in der Klima-, Umwelt-,
Verbraucher- und Entwicklungspolitik. Zudem möchten wir die vielfältigen Kulturlandschaften
in Europa und lebendige ländliche Räume mit zukunftsfesten Betrieben erhalten. Deswegen
streiten wir für die europäische Agrarwende: für den Aufbau einer nachhaltigen
Lebensmittelproduktion, die sowohl eine gesunde Ernährung sichert als auch hohen Umwelt- und
Tierschutzstandards genügt und faire Preise für die Landwirt*innen erzielt.
Zusammen mit Landwirt*innen und Umweltverbänden haben wir schon viel erreicht: Immer mehr
Verbraucher*innen in der EU wollen gesunde, ökologisch und regional produzierte
Lebensmittel. Daher ist Bio-Landbau längst ein fester Bestandteil der europäischen
Landwirtschaft geworden. Genauso setzen sich immer mehr Menschen in der EU mit uns für
bessere Tierhaltung und mehr Umweltschutz in der Landwirtschaft ein, wie zuletzt die
europäische Bürgerinitiative gegen Glyphosat gezeigt hat. Doch der Handlungsdruck bleibt
groß.
Durch intensive Landwirtschaft und Monokulturen gehen noch immer europaweit fruchtbare Böden
verloren, das Artensterben geht ungebremst weiter, der Pestizideinsatz ist ungemindert hoch
und industrielle Tierhaltung degradiert Tiere zu Rohstoffen. Die Landwirtschaft, eine der
Hauptbetroffenen der Klimakrise, ist selbst für einen nicht geringen Anteil des Ausstoßes
klimaschädlicher Gase und damit mit für die Erderhitzung verantwortlich.
Es ist höchste Zeit, eine Agrar- und Ernährungspolitik zu entwickeln, die die europäische
Landwirtschaft zukunftsfähig macht. Der Schutz von Klima, Boden, Wasser, Artenvielfalt und
Tierwohl steht im Mittelpunkt dieser neuen Landwirtschaftspolitik. Die europäische
Agrarpolitik sollte dazu beitragen, dass die Konsum- und Produktionsstrukturen in Europa
nicht die natürlichen Ressourcen und die Lebensgrundlagen bei uns in Europa und in sich
entwickelnden Ländern zerstören, indem EU-Agrarprodukte zu Dumpingpreisen die Märkte
Afrikas, Asiens und Lateinamerikas überfluten. Vielmehr muss sie dazu beitragen, dass die
bäuerliche Landwirtschaft in Europa erhalten wird und die nachhaltigen Entwicklungsziele
erreicht werden.
Qualität statt Masse – Neuausrichtung der Agrarförderung
Um die europäische Landwirtschaft an die gesellschaftlichen Herausforderungen anzupassen,
muss sich vor allem die EU-Agrarförderpolitik grundlegend ändern. Immer noch kommt der
größte Teil der bisher knapp 60 Milliarden Euro, mit denen die Landwirtschaft jährlich
subventioniert wird, insbesondere großen Betrieben zugute und fördert so Umweltzerstörung,
Industrialisierung und Exportorientierung. Die Mittel belohnen zudem pauschal Bodenbesitz.
Eine neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) dagegen muss Leistungen der Landwirtinnen und
Landwirte für das Gemeinwohl fördern und ihnen so Alternativen zum Prinzip „wachse oder
weiche“ eröffnen. Der Ausbau der ökologischen Landwirtschaft, eine artgerechte und eine
flächengebundene Tierhaltung würden dann gezielt unterstützt. Betriebe, die weniger oder gar
keine Pestizide einsetzen, unser Wasser sauber halten, würden also deutlich mehr Förderung
bekommen als industriell wirtschaftende Betriebe. Nur mit dem Prinzip „öffentliches Geld für
öffentliche Leistung“ lassen sich die hohen Zahlungen noch rechtfertigen.
Die Vorgaben für diese Leistungen müssen auf EU-Ebene definiert werden, damit die
Mitgliedstaaten nicht um den niedrigsten Standard konkurrieren. Voraussetzung für jedwede
Förderung ist das Einhalten von Umweltstandards, die ebenfalls für alle Mitgliedstaaten auf
EU-Ebene festgelegt werden müssen. Im Rahmen der GAP fordern wir einen 15 Milliarden Euro
schweren Naturschutzfonds.
Landspekulationen und Aufkauf von Land eindämmen
Landgrabbing, das heißt das Aufkaufen von landwirtschaftlichen Flächen als
Investitionsobjekten durch Kapitalanleger und Staaten, sowie eine verzerrende
Strukturpolitik bedrohen die vielfältige, solide und nachhaltige bäuerliche
Landwirtschaftsstruktur, auch in Europa.
Bäuerliche Betriebe sollen vor Agrarkonzernen und Bodenspekulation geschützt werden, etwa
durch verpflichtende Obergrenzen für Agrarzahlungen pro Nutznießer (und nicht nur pro
Tochterunternehmen), mehr Geld für die ersten Hektare, um kleine und mittlere Betriebe zu
unterstützen, Einstiegserleichterungen für Neugründungen, Transparenz der
Eigentumsverhältnisse, Monitoring der Preise und des Zustands des Bodens durch eine
europäische Beobachtungsstelle. Landwirtschaftlicher Boden ist ein öffentliches Gut und muss
vor Spekulationen geschützt werden.
Trinkwasser und Gewässer schützen
Wasser ist ein kostbares Gut, das geschützt werden muss. Der Zugang zu sauberem Wasser ist
ein Menschenrecht. Doch fast 2 Millionen Menschen in Europa haben keinen ordentlichen Zugang
zu Trinkwasser oder sanitärer Versorgung. Die Klimaerhitzung verschärft diese Situation. In
südlichen Ländern wie Spanien, Italien oder Griechenland wird Wasser bereits zu einem immer
knapperen Gut. Unsere Art zu konsumieren und zu wirtschaften verschwendet und verschmutzt
Wasser zu leichtfertig. Um das Menschenrecht auf Wasser in der EU zu verankern, gründete
sich 2012 die Europäische Bürgerinitiative Right2Water, die wir von Anfang an unterstützt
haben. Knapp 1,7 Millionen Europäerinnen und Europäer aus 13 EU-Mitgliedstaaten trugen diese
erste erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative. Wir werden uns weiterhin jedem Versuch
entgegenstellen, die öffentliche Wasserversorgung zum Investitionsobjekt für internationale
Unternehmen zu machen.
Unser Leitbild sind lebendige Flüsse und Seen in Europa, die in einem guten ökologischen
Zustand sind. Gesunde Gewässer sind besonders wertvolle Ökosysteme, denn sie garantieren
Artenreichtum. Doch davon sind wir in vielen Teilen Europas noch meilenweit entfernt.
Deshalb setzen wir uns vehement für eine ambitionierte Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie
ein und werden diese durch entsprechende Leitfäden konkretisieren. Außerdem wollen wir den
Antibiotikaeinsatz, eine Gülleüberproduktion und den Einsatz gefährlicher Pestizide in der
Landwirtschaft weiter zurückdrängen.
Insekten- und Vogelsterben aufhalten – Glyphosat vom Acker!
Die industrielle Landwirtschaft ist eine Hauptursache für das Artensterben. Wichtige
Lebensräume für Tiere und Pflanzen gehen durch Ackergifte, Überdüngung, Monokulturen,
intensive Landnutzung und fehlende Wildnis verloren.
Wir reduzieren den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft drastisch, indem wir die
giftigsten Pestizide sofort verbieten – darunter auch alle Neonikotinoide, denn sie schaden
unseren Insekten und Bienen massiv. Für das Ende des Totalherbizids Glyphosat setzen wir uns
weiterhin mit aller Kraft ein – und machen Druck auf die Bundesregierung, die schon einmal
auf europäischer Ebene für die Verlängerung der Glyphosat-Zulassung gestimmt hat. Die
Zulassungsverfahren für Pestizide wollen wir auf Basis eines gestärkten Vorsorgeprinzips
reformieren und das zugrunde liegende Wissenschaftsprinzip transparenter machen. Es braucht
dringend eine unabhängige Risikobewertung sowie strenge Kontrollmechanismen.
Fischbestände schützen
Wir machen uns stark für eine nachhaltige EU-Fischereipolitik, die dafür sorgt, dass unsere
Meere geschützt und Fischarten nicht überfischt werden. Nur die nachhaltige Bewirtschaftung
von Fischbeständen gibt der Fischerei eine Zukunft. Um der katastrophalen Plünderung der
Meere und der Fischbestände Einhalt zu gebieten, reichen kosmetische Korrekturen der EU-
Fischereipolitik nicht aus. Fangquoten müssen verbindlich an wissenschaftlichen Kriterien
ausgerichtet werden, statt rein politisch festgelegt zu werden. Die Tiefseefischerei und
besonders umweltschädliche Fangmethoden wollen wir gänzlich verbieten. Die EU soll
bestehende Meeresschutzgebiete ausweiten, neue schaffen und die Gebiete effektiv sichern.
Tierwohl stärken
Gerade angesichts der Klimakrise brauchen wir eine Abkehr von den großen Tierbeständen.
Neben den ökologischen Problemen wird schlicht die Futtergrundlage zu knapp. Deshalb sollten
alle Förderungen daran gekoppelt werden, dass die Anzahl der Tiere pro Fläche begrenzt wird.
Ein Betrieb sollte also nur so viele Tiere haben, wie er mit dem Ertrag seiner Flächen
grundsätzlich ernähren kann.
Viel zu häufig konkurrieren die EU-Länder um die niedrigsten Preise und reduzieren so die
Tierschutzstandards. Wir wollen hingegen, dass die EU alle Tiere durch neue Gesetzgebung und
ordnungsgemäße Durchführung bestehender Regelungen schützt.
Je weniger Tiertransporte, desto besser für die Tiere. Falls Transporte nicht vermieden
werden können, müssen sie so unstrapaziös wie möglich sein. Daher fordern wir, dass Tiere
verpflichtend zu einem nahe gelegenen Schlachthof gebracht werden müssen – statt zu dem, der
am billigsten arbeitet. Tiertransporte für Schlachttiere wollen wir auf maximal vier Stunden
begrenzen. Wir wollen regionale Schlachtstätten und mobile Schlachteinrichtungen fördern
sowie regionale Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen aufbauen, um eine Infrastruktur
für regionale, tierschutzkonforme Schlachtung zu schaffen.
Exporte lebender Schlachttiere in Länder außerhalb der EU sowie jede Form von Klonen und
Qualzucht wollen wir verbieten. Das Verbot von Tierversuchen in der Kosmetik muss konsequent
umgesetzt und auf weitere Produkte ausgeweitet werden. Zusätzlich benötigen wir eine
Förderung für die Erforschung von Alternativen. Auch Straßentiere müssen in Europa ein
würdiges Leben haben. Wir fordern ein Ende der Tötung von streunenden Katzen und Hunden.
Stattdessen müssen öffentliche und private Maßnahmen der Geburtenkontrolle, etwa die
Kastration, gestärkt werden.
Wildtiere wollen wir besonders schützen. Hierfür sind internationale Arten- und
Naturschutzabkommen konsequent umzusetzen. Wir wollen illegalen Wildtierhandel in Europa
bekämpfen und den Import von Wildfängen in die EU verbieten.
Landwirtschaftliche Ökosysteme stärken – Gentechnik konsequent regulieren
Eine andere Landwirtschaft bedeutet auch anders anzubauen – gerade im Lichte der
Klimaauswirkungen. Das Potenzial verschiedenster Anbaumethoden, robuste landwirtschaftliche
Ökosysteme zu bilden – über Push-and-Pull-Techniken und Permakultur bis zu
Agroforstsystemen –, ist riesig, ebenso wie das Potenzial ökologischer Anbautechniken,
widerstandsfähig gegenüber Krankheiten, Trockenheit, Versalzung, Vernässung zu sein. Dieses
Potenzial ist aber in Europa nur in Ansätzen erforscht. Wir fordern daher eine deutlich
stärkere Forschungsförderung in diesem Bereich. Denn aktuell werden agrarökologische
Methoden – zu denen auch der zertifizierte Ökolandbau gehört – in Europa und weltweit nur
mit einem Bruchteil der finanziellen Mittel erforscht und weiterentwickelt, die
konventionelle und gentechnische Ansätze erhalten.
Wir Grünen lehnen seit vielen Jahren die Agrogentechnik ab, anders als Gentechnik im
medizinischen Bereich und bei der industriellen Produktion. Die großen Probleme, die Länder
wie die USA oder Argentinien als Folge des Einsatzes von Gentechnik haben – wie ein massiver
Einsatz von Totalherbiziden wie Glyphosat, Superunkräuter, Gefährdung landwirtschaftlicher
Vielfalt, die große Monopolmacht der Agrarkonzerne sowie die eingeschränkte
Verbraucherfreiheit –, unterstreichen, wie wichtig diese Ablehnung war und ist.
Daher ist es essenziell, dass das Vorsorgeprinzip entsprechend der Entscheidung des EUGH
auch gegenüber neuen Verfahren in der Gentechnik europaweit angewandt wird. Weil
gentechnische Veränderungen nicht rückholbar sind, muss sichergestellt werden, dass keine
Organismen freigesetzt werden, die Schaden anrichten. Ob die Probleme, die es bei der
herkömmlichen Gentechnik gibt, bei neuen gentechnischen Verfahren wie CRISPR/Cas zum Tragen
kommen, muss in jedem einzelnen Zulassungsverfahren im Sinne des europäischen
Vorsorgeprinzips geklärt werden.
Der Einsatz von Gentechnik ist aber nicht nur eine Frage der gesetzlichen Zulassung, sondern
vielmehr eine Frage der Ethik und der gesellschaftlichen Akzeptanz. Deshalb muss der weitere
Umgang mit neuen gentechnischen Verfahren breit gesellschaftlich diskutiert werden.
In diesem Zusammenhang halten wir es auch grundsätzlich für höchst problematisch, dass bei
der finalen Zulassung einzelner Konstrukte der Ständige Ausschuss und die Mitgliedstaaten
ohne das Europäische Parlament entscheiden. Das können wir so nicht akzeptieren. Wir Grünen
werden uns dafür einsetzen, dass das Parlament bei dieser Entscheidung angemessen beteiligt
und gehört wird.
Eine klare Kennzeichnung von Gentechnik ist zentral. Auch Produkte von Tieren, die mit
gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden, müssen als solche gekennzeichnet
werden.
Für den Schutz des gentechnikfreien konventionellen und ökologischen Landbaus ist ein
Standortregister nach wie vor unverzichtbar. Die Regelungen zur gesamtschuldnerischen
Haftung sind entsprechend so zu gestalten, dass Mehrkosten und Aufwand, der für den
konventionellen, gentechnikfreien und ökologischen Landbau entsteht, den Nutzern von Sorten,
die mit neuer Gentechnik hergestellt wurden, angerechnet werden.
Keine Patente auf Saatgut, Pflanzen und Leben – Klonen, nein danke!
Das zentrale Problem beim Herumexperimentieren am Saatgut ist dessen Patentierbarkeit. Sie
führt zu immer größeren Monopolen der Agrarkonzerne. Landwirte werden damit abhängig
gemacht, gerade in den Entwicklungsländern mit fatalen Folgen. Problematisch ist zudem, dass
Pestizide bei gentechnisch veränderten Pflanzen häufig eingesetzt werden und die
Wahlfreiheit der Verbraucher*innen unterlaufen wird.
Der entscheidende Kampf ist daher der um ein Verbot von Patenten auf Saatgut und Leben
insgesamt. Züchtung muss, wie seit Jahrtausenden, ein Open-Source-System bleiben. Das Recht
auf Nahrung ist ein Menschenrecht und damit darf es keine Patente auf Pflanzen und auf Tiere
geben.
Zugleich fordern wir ein dauerhaftes Verbot des Klonens in der EU. Den Import von Klonen
sowie von Produkten von deren Nachkommen lehnen wir ab. Es kann nicht sein, dass Milch und
Fleisch von Nachkommen von Klontieren ungekennzeichnet auf den europäischen Markt kommen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- eine Ausrichtung der europäischen Agrarpolitik an ökologischen Kriterien,
- sauberes Wasser in ganz Europa,
- ein Verbot von Glyphosat und giftigen Pestiziden,
- eine EU-Fischereipolitik, die unsere Fischbestände erhält,
- konsequente Regulierung und Transparenz bei Gentechnik ein Verbot von Patenten auf
Saatgut, Pflanzen und Tiere.
1.6 Europa vom Plastikmüll befreien
Unser Ziel ist ein Europa ohne Plastikmüll, mit sauberen Meeren, einem reichhaltigen
Fischbestand und einer Natur ohne Müll. Die Realität sieht bedrückend anders aus: In den
Ozeanen schwimmen Plastikmüllteppiche von der Größe Mitteleuropas. Auch unsere Flüsse und
Böden leiden unter der zunehmenden Vermüllung. Wenn wir jetzt nicht radikal umsteuern, wird
es 2050 mehr Plastik als Fische im Meer geben. Inzwischen findet sich Mikroplastik sogar in
der Arktis und im Gletschereis – obwohl dort nahezu keine Menschen leben.
Ein erster Schritt dagegen ist ein Verbot von Mikroplastik in Kosmetika, Körper- und
Pflegeprodukten. Denn Mikroplastik schadet nicht nur den Fischen, sondern kann
möglicherweise auch für unsere Gesundheit schädlich sein. Mikroplastik wurde schon in Salz,
Bier und Mineralwasser nachgewiesen. Welche giftigen Plastikzusätze wir dadurch zu uns
nehmen, weiß bisher niemand genau. Auch für das Klima ist Mikroplastik schlecht. Denn durch
den Zerfall in immer kleinere Partikel wird Methan freigesetzt – das wiederum zur Erhitzung
unserer Erde beiträgt.
Plastikflut eindämmen
Das Importverbot für Plastikmüll, das China Anfang 2018 verhängt hat, beweist, welch
riesiges Problem wir haben. Allein aus Europa importierte China rund 1,5 Millionen Tonnen
Plastikmüll pro Jahr. Seither müssen die Mitgliedstaaten ihre Müllberge selbst in die Hand
nehmen.
Um die zunehmende Plastikflut einzudämmen, brauchen wir anspruchsvolle Minderungsziele für
Plastikabfälle und höhere Recyclingquoten. Bis 2030 müssen wir unseren Verpackungsabfall in
der EU um 50 % reduzieren. Außerdem darf es nicht sein, dass Plastikmüll weiterhin deponiert
wird. Das wollen wir ändern. Ab 2030 müssen alle in der EU in den Verkehr gebrachten
Kunststoffprodukte wiederverwendbar oder komplett abbaubar sein oder kosteneffizient
recycelt werden können.
Plastik ist nicht per se schlecht. Für viele Einsatzgebiete, etwa in der Medizin, ist
Plastik ein wichtiger und sinnvoller Werkstoff. Problematisch ist die zunehmende Verwendung
von Plastik für Einweg- und Wegwerfprodukte. Denn als langlebiges Produkt darf Plastik nicht
in erster Linie für wenige Minuten verwendet werden, wie das beispielsweise bei Trinkhalmen
der Fall ist. Da, wo es Alternativen gibt, müssen sie auch genutzt werden. Die Europäische
Kommission hat dieses Problem in ihrer Plastikstrategie aufgegriffen und unter anderem ein
Verbot von Wegwerfprodukten aus Plastik wie Wattestäbchen, Plastikgeschirr und auch
Trinkhalmen angestoßen. Das ist ein guter erster Ansatz, reicht jedoch noch nicht, um den
Massen an Einwegplastik umfangreich Einhalt zu gebieten.
Zudem braucht es eine EU-weite Plastiksteuer auf Wegwerfprodukte. Eine solche Abgabe bietet
den Anreiz, Verpackungsmüll zu reduzieren, indem die Rohstoffe verteuert werden. Zugleich
kann dadurch der Anteil von recyceltem Plastik gesteigert werden. Erdöl und Erdgas zur
Produktion von Kunststoffen dürfen nicht subventioniert werden. Die Besteuerung von Plastik
muss in eine umfassende und ambitionierte Strategie zur Einsparung und Vermeidung von
Plastik, zur Steigerung des Mehrweganteils und für besseres Produktdesign eingebettet
werden. Dazu gehört auch, die Forschung und Entwicklung von alternativen Materialien
auszubauen.
Recycling stärken
Wir wollen das Recycling von Plastik stärken. Auch hier bietet die Plastikstrategie der EU-
Kommission einen guten Ansatz, der jedoch erweitert werden sollte. Die Recyclingkapazitäten
in der EU müssen massiv ausgebaut werden. Dazu brauchen wir ein ökologisches und
recyclingfreundliches Produktdesign. Die Verpackungsindustrie muss hierzu ihren Beitrag
leisten. Denn immer mehr Verpackungen setzen sich aus vielen unterschiedlichen Materialien
zusammen – was die Recyclingfähigkeit einschränkt.
Getränkeflaschen sind ein Alltagsprodukt aus Plastik. Doch während wir in Deutschland ein
funktionierendes Mehrwegsystem haben, besteht auf europäischer Ebene noch Handlungsbedarf.
Qualitativ hochwertige Plastikflaschen können rund 40 Mal wieder befüllt werden. Das ist
wesentlich ökologischer als Einmalflaschen, die direkt in den Müll wandern. Unser Ziel ist
eine Mehrwegquote in der EU. Deutschland, Österreich und Portugal sind hier schon sehr viel
weiter als andere Mitgliedstaaten. Daher muss eine solche Quote zunächst gestaffelt
aufgebaut werden, um allen die gleichen Chancen zu geben. Für Einweggetränkeflaschen
brauchen wir ein EU-weit einheitliches Pfandsystem. Denn gerade diese Wegwerfprodukte
vermüllen unsere Landschaften, Strände und Meere.
Mit einer ambitionierten Strategie für ein plastikmüllfreies Europa können wir Vorbild sein.
Die Europäische Union muss sich aber auch für eine internationale Plastikkonvention unter
dem Dach der Vereinten Nationen einsetzen. Schließlich kennt Plastikmüll keine Grenzen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- ein Verbot von Mikroplastik in Kosmetika, Körper- und Pflegeprodukten,
- eine europäische Plastiksteuer,
- verbindliche Mehrwegquoten,
- ein EU-weit einheitliches Pfandsystem für Einweggetränkeflaschen.
Antragstext
Von Zeile 92 bis 93 einfügen:
angrenzenden Regionen deutlich ausweiten, um Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung im gesamten Umfeld der Europäischen Union zu fördern.
Da Energie von zentraler geopolitischer Bedeutung ist, ist die EU bereits heute mit der Tatsache konfrontiert, dass einige energieexportierende Länder ihre Energieressourcen zur Durchsetzung machtpolitischer Interessen instrumentalisieren. Zu einer gemeinsamen EU-Außenpolitik im Sinne der Friedenspolitik ist daher eine starke, auf 100% Erneuerbarer Energien basierende Energieunion notwendig.
Die internationale Staatenordnung befindet sich im Umbruch. Russlands Präsident verletzt die
territoriale Integrität anderer Staaten und verhindert eine demokratische Entwicklung im
Inland. Chinas Führung verstärkt immer weiter die staatliche Überwachung und heizt
Territorialkonflikte im Südchinesischen Meer an. In den Staaten Nordafrikas und des Nahen
Ostens konnte sich die Hoffnung der Menschen auf eine Demokratisierung der Region nicht
erfüllen. Iran und Saudi-Arabien führen stattdessen einen Kampf um die Vorherrschaft im
Nahen Osten. In Syrien tobt nach wie vor ein brutaler Krieg, in dem sich sogar NATO-Partner
feindlich gegenüberstehen.
Und die USA, ehemaliger außenpolitischer Garant jener Regeln, die seit dem Ende des Zweiten
Weltkriegs einen großen Teil der Welt halbwegs zusammengehalten haben, haben sich als
berechenbarer Akteur der Weltpolitik verabschiedet. Die US-Regierung steigt aus dem
Klimaabkommen aus, kündigt das Iranabkommen, agiert in Handelsfragen aggressiv und verachtet
die internationalen Organisationen, die ihr Land selbst gegründet hat. Die EU sieht sie
wirtschaftlich als Gegner. Garantien, auf die sich Europa sicher verlassen konnte, gelten so
nicht mehr.
Währenddessen geht die globale Vermögensverteilung immer weiter auseinander. Zwar haben sich
Armut und Kindersterblichkeit in den letzten Jahrzehnten halbiert, in vielen Ländern kann
mittlerweile die Mehrheit der Mädchen und Jungen lesen und schreiben. Dennoch ist das eben
nur die Hälfte und weltweit leiden weiter 815 Millionen Menschen an chronischem Hunger. Das
reichste Prozent der Weltbevölkerung besitzt über 50 % des Gesamtvermögens und damit mehr
als die übrigen 99 % der Weltbevölkerung. Die Auswirkungen der Klimakrise vertreiben nicht
nur immer mehr Menschen aus ihrer Heimat, weil sie auf ausgetrockneten oder überschwemmten
Böden nicht mehr leben und keine Landwirtschaft betreiben können, sondern auch weil die
Auswirkungen der Klimakrise vielerorts bestehende Konflikte und schlechte Regierungsführung
verschärfen.
In dieser Situation muss sich die EU beweisen. Als außenpolitische Akteurin, als
Wertegemeinschaft, in der der Mensch mit seiner Würde, seiner Freiheit und seinen
unveräußerlichen Rechten im Mittelpunk steht – wissend, dass gerade in der Außenpolitik
immer Kompromisse nötig sind und vielfältige Interessen ausbalanciert werden müssen.
Die Europäische Union ist nie darauf angelegt gewesen, aber die Frage, die sich Europa
stellt, ist die nach der Weltpolitikfähigkeit. Wenn wir diese Frage nicht angehen, dann wird
Europa, dann wird die globale Zusammenarbeit bedeutungslos. Dafür die Pflöcke entlang von
Frieden, Menschenrechten und dem Völkerrecht zu setzen, ist für uns als Grüne die zentrale
Aufgabe der nächsten Jahre.
4.1 Menschenrechte verteidigen, demokratische Handlungsräume sichern
Wir treten für eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik ein, die
Menschenrechte verteidigt und Frieden sichert. Statt Aufrüstung und einer Politik, die nur
auf den nationalen Vorteil bedacht ist, brauchen wir eine EU, die friedens- und
sicherheitspolitisch mit einer Stimme spricht.
Die Handlungsmöglichkeiten zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure werden in vielen
Ländern immer weiter eingeschränkt. Die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen wird dort
von staatlicher Seite systematisch erschwert, diffamiert, behindert und kriminalisiert.
Insbesondere die Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit werden in vielen Staaten
beschränkt oder ganz abgeschafft. Dies betrifft nicht nur autoritäre Staaten, sondern auch
Demokratien mitten in Europa, wie zum Beispiel Rumänien und Österreich, in denen
Grundprinzipien wie Pluralismus, Gewaltenteilung, Unabhängigkeit der Medien und
Rechtsstaatlichkeit in Frage gestellt werden.
Wir sehen mit Sorge die weltweite Entwicklung des „shrinking space“, also der Einschränkung
des öffentlichen Raumes für die Zivilgesellschaft. Die Europäische Union, der Europarat und
die Vereinten Nationen sollten dieser entschieden entgegentreten. Das kann für die EU nur
gelingen, wenn sie ihre Mitgliedstaaten selbst konsequent in die Pflicht nimmt. Die EU
sollte die internationale Vernetzung und den Austausch von zivilgesellschaftlichen
Organisationen fördern und unterstützen. Es ist auch ein wichtiges Signal an
Menschenrechtsverteidigerinnen und ‑verteidiger, dass sie mit ihrem Engagement nicht
alleingelassen werden. Wir Grünen wollen, dass die EU-Leitlinien zum Schutz von
Menschenrechtsverteidigern vollständig umgesetzt und öffentlich stärker bekannt gemacht
werden. Dafür ist es auch notwendig, das europäische Instrument für Demokratie und
Menschenrechte zu stärken und finanziell besser auszustatten. Die EU muss weiterhin den
Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zur Situation von Menschenrechtsverteidigern
und für Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit finanziell und politisch in- und außerhalb
des VN-Menschenrechtsrates aktiv unterstützen und den Aktionsplan für Menschenrechte und
Demokratie des Europäischen Rates vorantreiben.
Menschenrechte müssen auch für die EU-Handelspolitik maßgeblich sein. Die Art und Weise, wie
wir in Europa leben, hat weltweite Folgen: von der Klimakrise bis zu ausbeuterischen
Arbeitsbedingungen, rücksichtslosem Ressourcenabbau und Stärkung autoritärer Regime. Damit
die EU zur Förderin von nachhaltiger Entwicklung und der Stärkung sozialer und ökologischer
Standards im Welthandel wird, bedarf es beherzter Schritte.
Transnationale Unternehmen mit Sitz in der EU müssen auch bei uns in Europa dafür haftbar
gemacht werden können, wenn sie innerhalb ihrer Produktions- und Ressourcenketten an
Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind. Lieferketten wollen wir transparenter machen, so
dass klar ist, unter welchen Bedingungen Produkte produziert wurden, die in die EU
eingeführt werden. Wir wollen nicht, dass Kriege, Menschenrechtsverletzungen und Ausbeutung
durch Produkte finanziert werden, die in der EU verkauft werden. Wir Grünen wollen eine
konsequente Umsetzung der Leitlinien der Vereinten Nationen zu Wirtschafts- und
Menschenrechten.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- die Einklagbarkeit von Menschenrechten auch gegenüber transnationalen Unternehmen,
- den Schutz und die Stärkung von zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und
Menschenrechtsverteidiger*innen.
4.2 Eine gemeinsame europäische Außenpolitik gestalten
Die multilaterale Ordnung und ihre Institutionen sind unter Druck. Es kommt jetzt mehr denn
je auf die EU als weltpolitikfähige Akteurin an, die global gestaltet. Das kann nur
gelingen, wenn die EU als dialogbereite und verlässliche Partnerin und gute Nachbarin
agiert. Einen Rückfall in Nationalismus und Populismus zu verhindern und die multilaterale
Ordnung zu erhalten und gerechter zu gestalten, ist Aufgabe und Interesse der EU.
Ein friedliches Zusammenleben mit unseren europäischen Nachbarregionen ist zentrale Aufgabe
europäischer Nachbarschaftspolitik. Die Kriege und Konflikte in den östlichen und südlichen
Nachbarstaaten stellen die EU vor große Herausforderungen. Es kommt jetzt mehr denn je auf
eine einheitliche und klar friedensorientierte europäische Außenpolitik an. Die EU muss ihr
politisches und diplomatisches Gewicht in die Waagschale werfen, um Schritte für Frieden und
Sicherheit in ihrer Nachbarschaft zu ermöglichen. Und sie muss ihr Engagement für die
angrenzenden Regionen deutlich ausweiten, um Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung im
gesamten Umfeld der Europäischen Union zu fördern.
Da Energie von zentraler geopolitischer Bedeutung ist, ist die EU bereits heute mit der Tatsache konfrontiert, dass einige energieexportierende Länder ihre Energieressourcen zur Durchsetzung machtpolitischer Interessen instrumentalisieren. Zu einer gemeinsamen EU-Außenpolitik im Sinne der Friedenspolitik ist daher eine starke, auf 100% Erneuerbarer Energien basierende Energieunion notwendig.
Stärkung der multilateralen Ordnung und ihrer Institutionen
Eine friedliche Welt braucht eine starke internationale Organisation der Zusammenarbeit.
Gerade in einer Zeit, in der sich andere Staaten daraus zurückziehen, ist die Europäische
Union gefragt, Verantwortung zu übernehmen. Das betrifft sowohl die finanzielle
Unterstützung von internationalen Organisationen und Programmen, wie dem
Welternährungsprogramm, dem Umweltprogramm oder dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten
Nationen, als auch das Umsetzen von internationalen Verträgen, zum Beispiel des Pariser
Klimaabkommens.
In Zeiten, in denen einige Staatschefs wieder das Recht des Stärkeren an die Stelle der
Stärke des Rechts setzen wollen, braucht es eine Europäische Union, die das humanitäre
Völkerrecht verteidigt. Wir Grünen wollen, dass sich die EU für eine Stärkung und bessere
Funktionsfähigkeit des Internationalen Strafgerichtshofes einsetzt. Es ist überfällig, dass
die EU neben den Mitgliedstaaten selbst Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention
wird, damit sich auch EU-Institutionen für ihr Handeln vor dem Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte verantworten müssen.
Die schreckliche Situation in Syrien hat erneut verdeutlicht, welche negativen Auswirkungen
die Handlungsunfähigkeit der Vereinten Nationen (VN) durch die Blockadehaltung eines
Mitglieds im VN-Sicherheitsrat haben kann. Eine Blockade des Sicherheitsrats bei zentralen
Fragen schwächt das Völkerrecht und die VN insgesamt, da beispielsweise nicht einmal der
Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag mit der Verfolgung von Kriegsverbrechen
beauftragt werden kann. Die Vereinten Nationen müssen wieder handlungsfähiger werden.
Langfristig sollte der Sicherheitsrat so reformiert werden, dass alle Weltregionen
angemessen repräsentiert sind – zum Beispiel sollte Indien aufgenommen werden – und sich
zudem das Gleichgewicht zwischen den Mitgliedstaaten verbessert. Dazu würde ein Sitz für die
Europäische Union einen wichtigen Beitrag leisten. Zugleich braucht es eine internationale
Debatte über das Vetorecht. Bis dahin sollte im Falle einer anhaltenden Blockade des
Sicherheitsrats die Generalversammlung der VN das Recht beanspruchen können, mit
qualifizierter Mehrheit den Sicherheitsrat für blockiert zu erklären und an seiner Stelle
diplomatische Maßnahmen, Sanktionen und im äußersten Fall auch friedenserzwingende Maßnahmen
nach Kapitel VII der VN-Charta zu beschließen.
Neben den Vereinten Nationen wollen wir auch die Organisation für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stärken. Dabei geht es darum, die Fähigkeiten der OSZE im
Bereich ziviler Krisenprävention, Frühwarnung und Krisenbewältigung zu stärken – materiell
und finanziell. Das Konzept der menschlichen Dimension von Sicherheit war und bleibt eine
zentrale Errungenschaft der OSZE. Sie bildet den umfassenden Sicherheitsbegriff der OSZE ab
und umfasst beispielsweise Aktivitäten in den Bereichen Medienfreiheit, Minderheitenrechte,
Rechtsstaatlichkeit und Nichtdiskriminierung. Dieses Engagement für die Förderung von
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten, Toleranz und Nichtdiskriminierung wollen
wir unterstützen. Wir fordern daher eine Stärkung des Hochkommissars für Nationale
Minderheiten, des Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) und des
OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit. Wir weisen jegliche Versuche von OSZE-Mitgliedern, die
Geltung dieser menschlichen Dimension in Frage zu stellen oder ihre Instrumente zu
diskreditieren, zurück.
Konsequent für EU-Recht beim Brexit
Erstmals in der Geschichte der Europäischen Union verlässt ein Land das gemeinsame Haus der
EU. Der Brexit verdeutlicht, was passiert, wenn Regierungen sich von rechten Stimmungen
treiben lassen. Die Europäische Union muss weiter geschlossen zusammenstehen, damit ein
Drittland nicht bessergestellt ist als ein Mitgliedsland. Rosinenpickerei darf es nicht
geben, der Brexit darf keine Blaupause für andere Staaten werden. Das würde auch diejenigen
in Großbritannien unterstützen, die eine weitere Entscheidung der Bürger*innen über das
finale Austrittsdokument fordern. Bisher verhandelt die EU erfolgreich, besonders weil die
anderen 27 Mitgliedstaaten zusammenhalten. Wir unterstützen die Rolle der EU-Kommission als
Verhandlungsführerin. Nationale Alleingänge oder gar bilaterale Deals darf es nicht geben.
Die Wahrung der vier EU-Grundfreiheiten – Freiheit von Warenverkehr, Dienstleistung,
Personen- und Kapitalverkehr – müssen im Mittelpunkt stehen. Einen uneingeschränkten Zugang
zum Binnenmarkt kann es ohne Personenfreizügigkeit und Anerkennung des EU-Rechts nicht
geben. Einen Austritt mit Sonderstatus kann es nicht geben. Ebenso hat der Frieden auf der
irischen Insel absolute Priorität. Insbesondere die britische Regierung muss gewährleisten,
dass eine harte Grenze auf der irischen Insel vermieden wird. Ein Abkommen über die
zukünftigen Beziehungen kann erst nach dem rechtskräftigen Austritt Großbritanniens
finalisiert werden. Die außenpolitische Zusammenarbeit mit Großbritannien wollen wir nach
dem Austritt im Rahmen internationaler Organisationen (NATO, OSZE, Europarat) stärken.
Für eine verantwortungsvolle Erweiterungspolitik
Die Erweiterungspolitik der EU ist für uns eine Erfolgsgeschichte. Sie steht für Frieden,
Demokratie und Stabilität in Europa. Die Europäische Union hat allen Staaten des Westbalkans
– Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Kosovo, Albanien und Mazedonien – das
Versprechen gegeben, der EU beitreten zu können, wie dies Slowenien und Kroatien bereits
erfolgreich getan haben. Albanien und Mazedonien kamen dieses Jahr dem Beginn von
Beitrittsverhandlungen mit der EU näher. Das ist eine sehr positive Entwicklung, die wir
Grünen unterstützen. Es kommt jetzt darauf an, dass die EU Nägel mit Köpfen macht und beiden
Ländern 2019 einen festen Termin für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen präsentiert.
Die EU steht in der politischen Verantwortung, das Vertrauen in das Beitrittsversprechen
nicht zu enttäuschen und gleichzeitig den notwendigen Reformprozess in diesen Ländern
mitzugestalten. Wir wollen dieses Versprechen durch eine engagiertere und tiefgreifende
Zusammenarbeit mit möglichst vielen gesellschaftlichen Akteur*innen des Westbalkans
glaubwürdig machen. Denn die Beitrittsperspektive ist wichtiger Motor für den sensiblen
Friedens- und Aussöhnungsprozess, für Transformation und Modernisierung in einer weiterhin
fragilen Region. Und sie unterstützt vor allem diejenigen, die sich schon heute für mehr
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und den Schutz der Umwelt einsetzen. Klar
ist aber auch, dass ausschließlich der politische Reformwille vor Ort und die Erfüllung der
Kopenhagener Kriterien über das Tempo des weiteren Beitrittsprozesses und den EU-Beitritt
selbst entscheiden. Bei den dringend notwendigen Reformen darf es keinen Rabatt geben:
Gerade in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Grundwerte und Pressefreiheit, Bekämpfung von
Korruption und organisierter Kriminalität, Aufarbeitung von Kriegsverbrechen und Beilegung
von bilateralen Konflikten müssen noch viele Fortschritte erzielt werden. Diese
Herausforderungen bleiben für uns Ansporn für ein starkes Engagement.
Das bedeutet in jedem einzelnen Fall, dass die Beitrittsvoraussetzungen erreicht werden
müssen, die europäischen Werte und Regeln vollständig erfüllt sein müssen und die EU nach
innen funktionsfähig bleiben muss, bevor ein neues Land aufgenommen wird.
Transatlantische Partnerschaft erhalten
Die transatlantische Partnerschaft ist in einer tiefen Krise. Der amerikanische Präsident
vertieft diese mutwillig. Seine Präsidentschaft bringt massive Rückschritte beim
Klimaschutz, bei der Anerkennung des Völkerrechts und der Verrechtlichung der
internationalen Beziehungen. Er versteht Europa als wirtschaftlichen Gegner und setzt auf
eine nationalistische Strategie. Darauf braucht es eine geschlossene Antwort der EU-
Mitgliedstaaten. Die EU darf sich von Präsident Trump nicht spalten lassen. Nur so kann
Europa sich selbst behaupten.
Dennoch ist die transatlantische Partnerschaft für uns ein zentraler Bezugspunkt
europäischer Außen- und Sicherheitspolitik. Die USA sind mehr als ihr derzeitiger Präsident.
Eine enge Zusammenarbeit mit unseren amerikanischen Partnern und Netzwerke mit progressiven
Kräften im Land, die eine soziale, ökologische und menschenrechtsbasierte Politik verfolgen,
bleiben wesentlicher Pfeiler unserer Politik. Daher sollte die Europäische Union viel
stärker auf eine Zusammenarbeit mit den US-Bundesstaaten sowie zivilgesellschaftlichen
Akteur*innen, vor allem in den Bereichen Bildung, Energie, Klimaschutz sowie
Digitalisierung, setzen.
Östliche Partnerschaft und Russland: demokratische Kräfte stärken
Eine gute Partnerschaft mit den östlichen Nachbarn der EU ist im ureigenen Interesse Europas
und wichtiger Baustein für Stabilität und Frieden in der Region. Die Östliche Partnerschaft
der EU, die seit 2009 mit Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau und der Ukraine
besteht, muss weiter gestärkt und die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche
Integration dieser Staaten weiter vorangetrieben werden. Dabei dürfen europäische Grundwerte
nicht für wirtschaftliche Interessen geopfert werden. Der Kampf gegen Korruption,
demokratische und rechtsstaatliche Reformen und die Wahrung der Menschenrechte müssen in
diesen Ländern noch stärker von der EU eingefordert werden. Die wichtige Anbindung der
östlichen Nachbarn an die EU ist gleichzeitig eine Herausforderung für das Verhältnis zu
Russland, da Russland versucht, die engere Zusammenarbeit der östlichen Staaten mit der EU
zu verhindern.
Unter Präsident Putin hat Russland mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim, dem
militärischen Vorgehen in der Ostukraine und mit dem brutalen militärischen Eingreifen in
Syrien auf der Seite Assads zu einer erheblichen Verschärfung der internationalen Spannungen
beigetragen. Gerade bei unseren osteuropäischen Nachbarn hat das tiefe historische
Erinnerungen hervorgerufen. Die Verletzung der territorialen Integrität anderer Staaten
durch Russland ist inakzeptabel. Das gilt für die völkerrechtswidrige Annexion der Krim
ebenso wie für die nunmehr zehnjährige Besatzung der georgischen Gebiete Südossetien und
Abchasien durch Russland und den Versuch der illegalen Grenzziehung in diesen Gebieten. Die
EU muss hier klar für die Unversehrtheit der Grenzen in Europa eintreten und ihre
politischen und diplomatischen Anstrengungen für eine friedliche Lösung des Konflikts im
Südkaukasus verstärken.
In Bezug auf Russland gibt es keine Abstriche in unserem Eintreten für Demokratie und
Menschenrechte und die Einhaltung des Völkerrechts. Eine Lösung des Konfliktes in der
Ukraine kann nur eine politische und diplomatische sein. Daher halten wir am Minsker
Abkommen fest. Solange Russland gegen dieses verstößt, befürworten wir die gezielten
Sanktionen der EU. Wir wenden uns gegen jede Verletzung der Grund- und Menschenrechte von
Aktivist*innen, Journalist*innen, Oppositionellen und Minderheiten in Russland. Mit Sorge
sehen wir Versuche von russischer Seite, die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten zu
schwächen. Russland hat kein Interesse an einem geschlossenen und demokratischen Europa. Das
wurde durch die Hacks, die Wahlbeeinflussung über soziale Netzwerke und die erhebliche
finanzielle Unterstützung anti-demokratischer Kräfte in vielen europäischen Staaten
deutlich. Darauf muss sich die Europäische Union noch besser einstellen. Die Antwort muss in
einer Stärkung der EU liegen. Wo immer es möglich ist, suchen wir die Kooperation mit
Russland, deshalb bleiben wir auch im Gespräch. Sicherheit, Frieden und Abrüstung lassen
sich nicht erreichen, wenn man sich anschweigt.
Europäisches Engagement für Stabilität und Frieden im Nahen Osten
Der grausame Krieg in Syrien, der seit über sieben Jahren tobt, Hunderttausenden das Leben
gekostet und Millionen von Menschen in die Flucht getrieben hat, findet vor Europas Haustür
statt. Die EU sollte alle bestehenden Friedensinitiativen unterstützen. Solange der Krieg
ungehindert fortgesetzt wird, müssen Sanktionen und Einreiseverbote gegen hochrangige
syrische und russische Militärangehörige ausgeweitet und ihre Konten in der EU eingefroren
werden.
Die einseitige Aufkündigung des Atom-Abkommens mit dem Iran durch US-Präsident Trump könnte
die ohnehin instabile Region in einen weiteren blutigen Konflikt stürzen. Es droht ein
nukleares Wettrüsten in der Region, das ganz konkret auch die Sicherheit in der Europäischen
Union bedroht. Dazu kommt der Schaden für das transatlantische Verhältnis und die
multilaterale Ordnung insgesamt. Die EU muss jetzt alles daransetzen, das Iran-Abkommen am
Leben zu halten und die atomare Abrüstung des iranischen Regimes voranzubringen. Zusätzlich
muss sich die EU gegenüber allen Regionalmächten um die Durchsetzung einer Friedensordnung
bemühen.
Das deutsch-israelische Verhältnis ist durch die Verfolgung und Ermordung der europäischen
Jüdinnen und Juden durch das nationalsozialistische Deutschland geprägt. Das Existenzrecht
und die Sicherheit Israels mit gleichen Rechten für all seine Bürgerinnen und Bürger sind
daher unverhandelbar. Wir Grünen setzen uns weiterhin für eine Zwei-Staaten-Regelung ein, um
die Sicherheit des Staates Israel zum Wohle aller seiner Bewohnerinnen und Bewohner sowie
die Schaffung eines souveränen, lebensfähigen und demokratischen Staates Palästina auf der
Grundlage der Grenzen von 1967 zu gewährleisten. Es kann nur eine gewaltfreie Lösung geben.
Wir wenden uns mit aller Entschiedenheit gegen den Terror der Hamas. Die zunehmende
Diskriminierung von Minderheiten in Israel lehnen wir ab, ebenso wie den illegalen
Siedlungsbau. Während wir der palästinensischen Zivilgesellschaft nicht absprechen, selbst
über gewaltfreie Strategien zur Beendigung der Besatzung zu entscheiden, lehnen wir einen
Boykott Israels als Instrument deutscher und europäischer Außenpolitik ab. Wir wollen
weiterhin mit allen Kräften in Israel und Palästina zusammenarbeiten, die sich gegen eine
Fortdauer der Besatzung, gegen eine Spaltung der israelischen Gesellschaft und für eine
Zwei-Staaten-Lösung einsetzen.
Seit drei Jahren tobt auch im Jemen ein brutaler Krieg, in dem die Huthi-Rebellen mit
Unterstützung des Iran gegen die jemenitische Regierung und die von Saudi-Arabien angeführte
Militärallianz kämpfen. In dem unerbittlichen Krieg sind bereits mehr als 10.000 Menschen
ums Leben gekommen, 80 % der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, darunter
viele Kinder. Die EU muss ihrer humanitären Verantwortung gerecht werden und alles dafür
tun, um einen sofortigen Waffenstillstand der beteiligten Militärmächte und der Rebellen zu
erreichen. Politisch muss auf die Kriegsparteien eingewirkt werden, um die Kampfhandlungen
umgehend zu stoppen, die durch Saudi-Arabien errichtete Seeblockade aufzulösen und
Hilfsgüter ins Land zu lassen. Jegliche Lieferung von Waffen und Rüstungsgütern an Saudi-
Arabien muss ein Ende haben. Es darf nicht sein, dass Europa indirekt diesen Krieg auch noch
anheizt.
Demokratische Kräfte in der Türkei stärken
Die Türkei ist eines der Schlüsselländer, um unsere Nachbarregionen zu stabilisieren. Aber
auch Präsident Erdogan und die AKP haben sich zu einer autoritären, autokratischen Regierung
entwickelt. In dieser Zeit gilt es umso mehr, diejenigen zu unterstützen, die trotz schwerer
Repressalien und systematischer Verfolgung in der Türkei für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit
und Weltoffenheit eintreten. Wir verurteilen die von Präsident Erdogan eingeschlagene
Politik hin zu einem autoritären Präsidialsystem und die massiven Angriffe auf
Oppositionelle, die Zivilgesellschaft, die Meinungs- und Pressefreiheit, die
völkerrechtswidrigen Angriffe des türkischen Militärs auf Syrien und den Nordirak sowie die
Abkehr von einem friedlichen und politischen Lösungsprozess in der Kurdenfrage. Es braucht
nun eine grundlegende Neuvermessung der europäisch-türkischen Beziehungen. Mehr denn je muss
die EU klare Haltung für Demokratie und Menschenrechte zeigen. Für die europäische Ebene
bedeutet das unter anderem: Über eine Ausweitung der Zollunion kann erst verhandelt werden,
wenn die Türkei eine Kehrtwende zurück zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vollzieht. Alle
Rüstungsexporte europäischer Mitgliedstaaten gehören beendet, ebenso wie die Beteiligung
europäischer Unternehmen an Rüstungskonsortien in der Türkei.
Die Türkei hat über 3 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Deren Versorgung nach
humanitären Standards muss die EU finanziell unterstützen. Auch sollten die EU-Staaten
dringend Kontingente zur Entlastung der dortigen Strukturen anbieten.
Das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei ist eine Folge der Weigerung der EU-Mitgliedstaaten,
zu einer gemeinsamen solidarischen Lösung in der Flüchtlingskrise zu kommen. Es hat zu
katastrophalen Lagern auf Lesbos und anderen griechischen Inseln geführt und untergräbt
durch Abschiebungen ohne Asylrechtsprüfung das Recht auf Asyl. Diesen EU-Türkei-Deal wollen
wir beenden.
Praktisch liegen die Beitrittsgespräche mit der Türkei bereits auf Eis. Die Wiederaufnahme
der Verhandlungen muss an strenge, messbare Bedingungen geknüpft sein. Insbesondere mit
Blick auf die Verfassungsreform und die jüngsten Wahlen in der Türkei ist eines deutlich:
Ein EU-Beitritt der Türkei ist unter Präsident Erdogan nicht vorstellbar. Zugleich gilt: Für
eine demokratische und weltoffene Türkei müssen die Türen zur EU offen bleiben. Ein formaler
Abbruch der Beitrittsgespräche wäre falsch. Die vielen proeuropäischen Kräfte in der Türkei
brauchen dieses Signal und weiterhin unsere Unterstützung. Umso bedeutender ist es deshalb,
die noch bestehenden EU-Beitrittshilfen ausschließlich an prodemokratische Organisationen
auszuzahlen und die Verwendung der Gelder deutlich strenger zu kontrollieren als bislang.
Zukunftspakt mit Afrika
Afrika hat für die EU auch wegen der finsteren Kolonialgeschichte eine besondere Bedeutung.
Statt eine Partnerschaft auf Augenhöhe anzustreben, stehen derzeit vor allem
Migrationskontrolle und militärische Zusammenarbeit im Vordergrund. Die gegenwärtige Agrar-,
Handels- und Ressourcenpolitik laufen den Zielen einer nachhaltigen Partnerschaft zuwider.
Diese Politik bekämpft keine Probleme, sondern verschärft die Situation derjenigen, die am
meisten unter Armut und globaler Ungerechtigkeit zu leiden haben. Wir wollen unsere
afrikanischen Partner dabei unterstützen, lebenswerte Perspektiven für die Menschen vor Ort
zu schaffen und damit auch langfristig Fluchtgründe zu bekämpfen. Dies wollen wir vor allem
durch eine Stärkung afrikanischer Organisationen wie der Afrikanischen Union oder der
Afrikanischen Entwicklungsbank erreichen. Deshalb schlagen wir einen Zukunftspakt zwischen
der EU und Afrika vor. Kern ist eine Partnerschaft, die auf dem offenen und transparenten
Ausgleich gegenseitiger Interessen und Forderungen basiert. Um eine nachhaltige Entwicklung
im gesamten globalen Süden einzuleiten, braucht es eine kohärente Politik, die sich an der
Agenda 2030 der Vereinten Nationen, am Klimaabkommen von Paris und an der Aktionsagenda von
Addis Abeba orientiert.
Europäische China-Politik: Kooperation auf Basis klarer Werte
Europas Verhältnis zu China ist über die letzten Jahre wichtiger, aber auch schwieriger
geworden. Deutschlands Beziehungen zur Volksrepublik sind besonders eng. Daraus erwächst
eine hohe Verantwortung dafür, dazu beizutragen, dass die EU gegenüber China vermehrt mit
einer Stimme spricht. Das gilt für die Abwehr chinesischer Dumpingexporte, für den
verantwortlichen Umgang mit Investitionen, die Belange der Sicherheit oder der öffentlichen
Ordnung beeinträchtigen könnten, oder für faire Chancen europäischer Unternehmen in China.
Es gilt nicht weniger für die gemeinsame Vertretung unserer gemeinsamen Werte, vornean der
Menschenrechte. Und es gilt auch gegenüber Chinas Außenpolitik, die zunehmend eine der
harten Hand ist und zunehmende Drohungen gegenüber der Selbstverwaltung Taiwans einschließt.
Wir unterstützen Europas „Ein-China-Politik“ und teilen die Auffassung, dass Chinas
Vereinigung nicht gegen den Willen der Bevölkerung Taiwans erzwungen werden darf.
Chinas heutige Führung, die im Inneren zum Totalitarismus zurückkehrt, befindet sich mit
ihren Konzepten der „neuen Seidenstraße“, des „Made in China 2025“ und der „globalen
Schicksalsgemeinschaft“ auf dem Weg zur globalen Supermacht, die Multilateralismus nur
mitmacht, wo er ihr nutzt. Europa muss der chinesischen Herausforderung mit der Bereitschaft
zur Kooperation, aber auch mit Klarheit in der Vertretung der eigenen Werte und Interessen
und mit Selbstbewusstsein begegnen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- eine Initiative für die Reform und Stärkung der Vereinten Nationen,
- die materielle und finanzielle Stärkung der OSZE,
- die Stärkung des humanitären Völkerrechts und des internationalen Strafrechts zur
Verfolgung schwerster Menschenrechtsverbrechen,
- einen Zukunftspakt mit Afrika.
4.3 Krisen vermeiden, Frieden und Sicherheit garantieren
Als Friedensmacht ist es oberste Pflicht von uns Europäerinnen und Europäern, aktiv an einer
globalen, multilateralen Friedensordnung im Rahmen der Vereinten Nationen mitzuarbeiten. Im
Mittelpunkt muss eine Politik stehen, die verhindert, dass Krisen und Konflikte überhaupt
entstehen. Von einer kohärenten, vollständig koordinierten Krisenprävention der EU sind wir
noch weit entfernt. Wenn die EU ihre Rolle als zivile Macht ernst nimmt, darf sie nicht nur
auf die Verteidigung schauen. Zivile und präventive Maßnahmen sind frühzeitig zu ergreifen
und nicht erst, wenn Konflikte schon entflammt sind. Das gilt besonders auch für Post-
Konflikt-Situationen. Das Wiederaufflammen von Kriegen und gewaltsamen Konflikten lässt sich
am besten verhindern, wenn frühzeitig Strukturen vor Ort aufgebaut werden, die Sicherheit
herstellen und die Versorgung aller Menschen in einer Region ermöglichen.
Damit sich Friedenspolitik auf europäischer Ebene nicht nur am kleinsten gemeinsamen Nenner
orientiert, setzen wir uns für das Prinzip von Mehrheitsentscheidungen in der Außen- und
Sicherheitspolitik im Europäischen Rat ein. Eine zivile Säule des außenpolitischen Handelns,
die Diplomatie, ist der nachhaltigere, stärkere Pfeiler einer menschenrechtsorientierten
Friedens- und Außenpolitik. Dementsprechend wollen wir den Europäischen Auswärtigen Dienst
stärken und ausbauen. Wir plädieren dafür, die konsularischen Dienste der Mitgliedsländer
gemeinsam in europäischen Botschaften zu bündeln und dadurch Personalkapazitäten für die
eigentlichen diplomatischen Aufgaben freizusetzen.
Wir unterstützen den Europäischen Auswärtigen Dienst in seinen Bestrebungen, auch für den
zivilen Bereich feste Ausbauziele und gemeinsame Schwerpunkte festzulegen. Ähnlich wie die
Battlegroups im militärischen Bereich brauchen wir auch ein ziviles Einsatzteam, damit im
Krisenfall schnell zivile staatliche und nicht staatliche Experten wie Polizisten, Juristen,
Mediatoren oder Verfassungsexperten entsandt werden können. Wir wollen die Mittel und das
Personal für zivile Krisenprävention und die zivilen EU-Polizei- und Rechtsstaatsmissionen
deutlich erhöhen und ihre Finanzierung gerechter unter den Mitgliedstaaten verteilen.
Außerdem wollen wir das Europäische Friedensinstitut finanziell stärker in seiner
Mediationsarbeit unterstützen.
Wir stellen uns gegen den fatalen Paradigmenwechsel, zivile Gelder aus dem EU-Haushalt für
militärische Zwecke oder zur Abwehr von Geflüchteten umzuwidmen. Die Trennschärfe zwischen
entwicklungspolitischen und militärischen Maßnahmen muss bewahrt werden. Wir lehnen sowohl
die Öffnung des Instruments für Stabilität und Frieden für militärische Zwecke ab als auch
den Plan der EU-Kommission, dieses Instrument 2020 auslaufen zu lassen. Stattdessen fordern
wir eine Verdoppelung der Mittel im Bereich der zivilen Krisenprävention.
Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete stoppen
Europa exportiert Waffen und Rüstungsgüter in Kriegs- und Krisengebiete sowie in Diktaturen.
Das wollen wir stoppen. Nationale Wirtschaftsinteressen dürfen nicht Frieden gefährden. Auch
wollen wir nicht, dass Überwachungssysteme zur Unterdrückung von Menschen in Diktaturen
genutzt werden. Wir fordern daher, dass die gemeinsamen Regeln für die Ausfuhrkontrolle von
Militärtechnologie und Militärgütern (gemeinsamer Standpunkt des Rats von 2008)
rechtsverbindlich und einklagbar werden.
Wir setzen uns auf europäischer Ebene für den Erhalt und die Stärkung internationaler und
regionaler Rüstungskontrollregime ein. Die EU muss darauf hinwirken, diese Abkommen auch auf
neue Bereiche der Kriegsführung – wie den Cyberraum oder Outer Space – auszudehnen. Wir
wollen, dass die EU für die Einbeziehung bewaffneter unbemannter Luftfahrzeuge in
internationale Abrüstungs- und Rüstungskontrollregime eintritt. Weiterhin sollte sie sich
für eine präventive völkerrechtliche Ächtung autonomer Waffensysteme einsetzen. Außerdem
muss die EU zur atomaren Abrüstung beitragen, sowohl im Innern durch den Einsatz für ein
atomwaffenfreies Europa als auch international.
Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
Heutzutage werden Sicherheitsrisiken immer komplexer und reichen von der Verbreitung von
Massenvernichtungswaffen und Cyberangriffen bis hin zur Bedrohung der Energie- und
Umweltsicherheit, während zugleich militärische Annexionen direkt vor unserer Haustür
stattfinden. Europa kommt gar nicht darum herum, sich diesen Herausforderungen stärker
selbst zu stellen. Die NATO hat nach wie vor eine wichtige Bedeutung für die Sicherheit
Europas. Doch angesichts der Spannungen und Konflikte im NATO-Bündnis ist es sinnvoll, die
Sicherheit Europas stärker gemeinsam voranzutreiben. An der Vision einer gesamteuropäischen
Sicherheitsordnung, die den Raum der OSZE umfasst, halten wir fest. In diesem Sinne wollen
wir an einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsunion arbeiten und die verstärkte
Zusammenarbeit der Streitkräfte in der EU ausbauen, anstatt immer mehr Geld in nationale
Rüstungssektoren zu pumpen.
Forderungen aus der NATO, die nationalen Militärausgaben auf 2 % des Bruttoinlandsprodukts
zu steigern, lehnen wir ab. Aus Sicht der EU-Kommission würden sich schon jetzt durch eine
tiefgehende Kooperation im Verteidigungsbereich Einsparungsmöglichkeiten von 25 bis 100
Milliarden Euro pro Jahr ergeben. Statt 17 nicht funktionsfähiger Systeme sollten wir besser
ein funktionierendes System schaffen. Wir unterstützen daher grundsätzlich die ständige und
strukturierte Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich (PESCO), wobei die zivile Seite der
Sicherheitskooperation bislang deutlich hinterherhinkt. Die Zusammenarbeit im
Verteidigungsbereich darf aber nicht dazu führen, dass wir zusätzliches Geld in ein
ineffizientes System der Verteidigungsbeschaffung stecken. Was europäisch getan wird, darf
nicht noch parallel national weitergeführt und finanziert werden. Vielmehr wollen wir eine
sicherheitspolitische Integration auf europäischer Ebene im Rahmen des EU-Budgets im Sinne
einer echten Umsetzung des „pooling & sharing“. Die europäischen Verteidigungsausgaben
dürfen auch nicht zu Lasten anderer Aufgaben der EU gehen. Die Umwidmung bisher ziviler
Haushaltstitel auf EU-Ebene lehnen wir ab. Wir sind gegen eine Etablierung von
Parallelstrukturen zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP). Ein
gemeinsames außen- und sicherheitspolitisches Vorgehen Europas kann es nur innerhalb der
Strukturen der Europäischen Union geben.
Damit der Einsatz des Militärs auch wirklich das äußerste Mittel bleibt, muss der zivile
Aspekt der Sicherheit deutlich gestärkt werden, wozu vor allem die Nichtverbreitung von
Waffen, die Verhinderung von Völkermord, die wirtschaftliche Entwicklung, die
Rechtsstaatlichkeit, die Vermittlung und Versöhnung und die territoriale Integrität zählen.
Wichtig ist für uns, dass die gemeinsamen Verteidigungsprojekte auch parlamentarisch durch
das Europäische Parlament kontrolliert werden. Aus nationaler Erfahrung wissen wir, dass
Großprojekte ohne Transparenz und echte Kontrollmöglichkeiten häufig in Missmanagement und
Korruption enden.
Außerdem brauchen wir eine regelmäßige Debatte zu Einsätzen, die im Rahmen der Missionen der
Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU durchgeführt werden. Auch
die Evaluierung solcher Missionen sollte durch das Europaparlament erfolgen. Nationale
Parlamentsvorbehalte dürfen im Zuge einer stärkeren Rolle des Europäischen Parlaments aber
nicht abgeschafft oder unterwandert werden. Mitgliedstaaten sollen auch in Zukunft die
Möglichkeit haben, nicht an GSVP-Missionen teilzunehmen.
Europäischer Beitrag zur Konfliktprävention, Friedenssicherung und Schutz vor Verbrechen
gegen die Menschlichkeit
Eine an den Menschenrechten orientierte Außenpolitik, die dem Schutzprinzip des Völkerrechts
verpflichtet ist, bedeutet auch, zu handeln, wenn Menschenrechte massiv verletzt werden. Wir
setzen uns daher für den Ausbau der europäischen Polizei- und Rechtsstaatsmissionen ein wie
auch für Ausbildungs- und Unterstützungsmissionen zur Vorsorge oder zur Stabilisierung von
Friedensprozessen.
Wir stehen zu einer Kultur der militärischen Zurückhaltung und für das Primat des Zivilen.
Die Anwendung militärischer Gewalt ist immer ein Übel. Es gibt jedoch Situationen, in denen
militärische Gewalt unter eng begrenzten Bedingungen als äußerstes Mittel im Sinne der
Schutzverantwortung der VN notwendig ist, weil nationale Regierungen nicht in der Lage oder
willens sind, Menschen vor schweren Menschenrechtsverbrechen zu schützen. Dabei steht an
erster Stelle immer die Prävention, also das Verhindern gewaltsamer Entwicklungen. Wir
machen uns die Entscheidung über Militäreinsätze niemals einfach, sondern prüfen mögliche
Mandate kritisch und sorgfältig.
Für uns gelten die VN-Charta und das Völkerrecht. Wir werden Einsätzen der Bundeswehr nur
auf Grundlage der VN-Charta und mit einem Mandat der Vereinten Nationen nach Kapitel VI oder
VII der VN-Charta zustimmen. Allerdings kann ein Nichthandeln aufgrund einer Blockadehaltung
einer oder mehrerer Vetomächte das Völkerrecht und die Vereinten Nationen ebenso massiv
beschädigen wie das Handeln ohne ein Mandat. Wenn der Sicherheitsrat blockiert ist, muss
sich die Generalversammlung damit befassen. Einsätze müssen grundgesetzkonform sein und im
Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit erfolgen. Ohne eine umfassende zivile
Gesamtstrategie und eine Einbettung in klare Konzepte für die Zukunft des betroffenen
Staates dürfen militärische Interventionen nicht erfolgen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- mehr Finanzmittel und Personal für europäische Polizei- und Rechtsstaatsmissionen,
- eine europäische Sicherheitsunion, die parlamentarisch kontrolliert wird,
- keine Waffenlieferungen an Diktatoren und in Kriegs- und Krisengebiete,
- eine Verdoppelung der Mittel für zivile Krisenprävention.
4.4 Globale Gerechtigkeit und Entwicklung fördern
Für eine gerechte Globalisierung brauchen wir eine EU, die eine menschenrechtsbasierte
globale Strukturpolitik vorantreibt, aktiv wird und nicht in Nationalismen zurückfällt.
Politikkohärenz im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung ist unser Ziel, damit beispielsweise
Handelspolitik nicht Entwicklungszusammenarbeit torpediert. Die 17 globalen
Nachhaltigkeitsziele, beschlossen im Jahr 2015 von den Vereinten Nationen, müssen innerhalb
der EU und global umgesetzt werden. Entwicklung gelingt nur dann, wenn wir soziale,
ökologische und wirtschaftliche Kriterien zusammendenken. Ziele wie
„Geschlechtergerechtigkeit“, „saubere Energie“, „gute Bildung“, „Frieden, Gerechtigkeit und
starke Institutionen“ der Agenda 2030 müssen wir in der EU durch eine ambitionierte
Nachhaltigkeitsstrategie verwirklichen. Wir müssen unsere Politik ändern, wenn
Agrarsubventionen Märkte in armen Ländern zerstören, wenn europäische Rechtsräume zur
Geldwäsche oder für die Steuer- und Kapitalvermeidung missbraucht werden oder wenn unsere
Handelspolitik Entwicklungschancen zerstört. Eine sozial-ökologische, vielfältige EU ist der
richtige Weg, um dem neuen Nationalismus und den antidemokratischen Kräften
entgegenzutreten.
Dies ist auch die beste Antwort auf die Herausforderungen weltweiter Fluchtbewegungen, um
Menschen davor zu bewahren, ihre Heimat verlassen zu müssen, sei es aufgrund von Verfolgung,
Folter, Kriegen, Hunger, Dürren oder anderen Krisen. Wir müssen endlich die strukturellen
Ursachen der Zerstörung von Lebensgrundlagen konsequent angehen. Unser Lebensstil, unsere
Art zu konsumieren, unser Wirtschaftssystem zerstören die Lebensgrundlagen von Millionen von
Menschen im Süden unseres Planeten. Europäische Unternehmen exportieren Rüstungsgüter in
Krisengebiete, überfischen die Weltmeere, und unsere Gesellschaften nehmen in Kauf, dass
unsere Agrarexporte andernorts die Existenzgrundlage von Bäuerinnen und Bauern zerstören.
Menschen, die nichts mehr zu verlieren haben, lassen sich weder mit höheren Zäunen noch mit
Patrouillenbooten oder durch Pakte mit Autokraten aufhalten. Stattdessen braucht es eine
kohärente internationale Politik und strukturelle Reformen in Bereichen wie Handel,
Landwirtschaft, Energie, Fischerei, Außenpolitik und Klimaschutz, wie sie die nachhaltigen
Entwicklungsziele der UN vorgeben.
Die EU-Mitgliedstaaten haben sich schon lange zu einer Erhöhung der Entwicklungsfinanzierung
auf 0,7 % des Bruttoinlandsprodukts verpflichtet – die immer noch nicht erreicht sind. Wir
sprechen uns klar dagegen aus, dass Ausgaben für Flüchtlinge im Inland und innerhalb der
Europäischen Union als Ausgaben für die Entwicklungsfinanzierung gerechnet werden können.
Vielmehr brauchen wir überprüfbare Zwischenschritte, um das 0,7%-Ziel in der EU tatsächlich
zu erreichen. Die wirtschaftlich starken Länder der EU stehen hier besonders in der Pflicht
und müssen gemeinsam vorangehen. Dabei sind Entwicklungsgelder nicht alles. Wir setzen uns
dafür ein, dass die EU konsequent die Kapital- und Steuervermeidung aus Entwicklungs- und
Schwellenländern begrenzt. Dazu gehören Transparenzregister, das Austrocknen europäischer
Steuersümpfe und die verpflichtende, länderbasierte Berichterstattung globaler Konzerne, die
in der EU ihren Sitz haben.
Der humanitäre Bedarf der Vereinten Nationen zur Vermeidung von Hungersnöten oder
schlimmsten Katastrophen wird von der Staatengemeinschaft immer wieder nicht erfüllt,
allerhöchstens erst nach wiederholten Appellen und Sondergipfeln. Wir wollen eine Stärkung
und ausreichende Finanzierung der europäischen und internationalen Organisationen in diesem
Bereich, dazu zählt insbesondere auch eine finanziell bessere Ausstattung der europäischen
Organisation für humanitäre Hilfe, ECHO. Auch die nationalen europäischen Hilfen sollen
besser koordiniert sein.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- die Erhöhung der Entwicklungsfinanzierung,
- die Bekämpfung von Kapital- und Steuerflucht aus Entwicklungs- und Schwellenländern,
- eine Stärkung und bessere finanzielle Ausstattung der europäischen Organisation für
humanitäre Hilfe.
4.5 Fairen und offenen Welthandel voranbringen
Die globale Arbeitsteilung hat unzähligen Ländern mehr Wohlstand gebracht. Millionen
Menschen in sich entwickelnden Ländern haben auch dadurch den Sprung aus extremer Armut
geschafft. Der Austausch von Waren und Dienstleistungen fördert die Verbreitung von
Innovationen und trägt zu friedlichen Beziehungen zwischen den Nationen bei. Doch
gleichzeitig führt eine unregulierte Globalisierung viel zu oft zur Ausbeutung von Menschen
und Umwelt und beschleunigt die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Der aktuelle globale
Wettbewerb setzt soziale und ökologische Standards in den Staaten unter Druck. Die
Wohlstandsgewinne aus dem globalen Handel sind teilweise extrem ungleich verteilt.
Der offene Welthandel soll fair, ökologisch und gerecht gestaltet sein und Mensch und Umwelt
in den Mittelpunkt stellen. In diesem Sinne setzen wir uns dafür ein, dass die Europäische
Union eine führende Rolle bei der sozial-ökologischen Regulierung des Welthandels einnimmt.
Global und demokratisch
Die Welthandelsordnung steht unter Druck. Verhandlungen in der Welthandelsorganisation (WTO)
stecken in der Sackgasse. Immer mehr Staaten setzen darauf, nur mit einzelnen anderen
Staaten Handelsabkommen abzuschließen. Die „America-first-Politik“ von Donald Trump oder
Chinas aggressive Industriepolitik verstärken den Sog zu immer mehr bilateralen Abkommen.
Wir sehen das skeptisch, denn dabei geraten die Interessen von Ländern, die keinen Platz am
Verhandlungstisch haben, immer unter die Räder und die Verhandlungsposition ärmerer Länder
wird geschwächt.
In einer echten globalen Partnerschaft dürfen nicht nur die wirtschaftlich Stärksten
entscheiden. Deswegen fordern wir die Wiederbelebung der Verhandlungen im Rahmen der WTO.
Dazu sollte die EU einen Vorschlag vorlegen, der die WTO und das Welthandelssystem
reformiert und neu belebt und langfristig unter das Dach der Vereinten Nationen stellt.
Die Errichtung einer neuen globalen Welthandelsordnung wird Zeit brauchen. Daher können für
den Übergang auch Abkommen zwischen einzelnen Staaten und Wirtschaftsräumen sinnvoll sein.
An diese Abkommen legen wir aber harte Kriterien an. Sie dürfen nicht zu Lasten Dritter
gehen. Sie müssen demokratisch und transparent zustande kommen. Und sie müssen Umwelt- und
Klimaschutz, Menschenrechte, Entwicklung und soziale Gerechtigkeit voranbringen. Getrieben
von einer konservativ-neoliberalen Mehrheit wurde in Europa eine Handelspolitik
vorangebracht, die diesen Grundsätzen widerspricht oder sie sogar in ihr Gegenteil verkehrt.
Im Mittelpunkt stehen die Interessen von großen Konzernen, während Verstöße gegen
Umweltschutz, Arbeitnehmer*innen- und Menschenrechte weiterhin nicht bestraft werden.
Wir sind zusammen mit einer breiten europäischen Zivilgesellschaft erfolgreich dagegen auf
die Straße gegangen und haben dazu beigetragen, dass TTIP nicht gekommen ist und bei CETA
und JEFTA einseitige Gerichte für private Investoren erstmal verhindert werden konnten. Das
macht deutlich, dass es sich lohnt, für faire, ökologische, gerechte und demokratische
Handelsabkommen zu streiten, auch wenn wir noch nicht am Ziel sind.
Wir Grünen lehnen das Abkommen mit Japan (JEFTA) deshalb in dieser Form ab, zum Beispiel
wegen der mangelnden Verankerung und Durchsetzung des Vorsorgeprinzips und des Pariser
Klimaschutzabkommens im Vertragstext. Gerade mit Ländern wie Japan bestünde die Chance, es
endlich besser zu machen.
Ein Großteil von CETA ist bereits in Kraft, die problematischen Teile, die auch national
ratifiziert werden müssen, noch nicht. Diese wollen wir in der aktuellen Form nicht
ratifizieren.
Beim Abkommen mit den südamerikanischen Staaten (Mercosur) setzt die EU auf die
Liberalisierung bei Dienstleistungen, obwohl öffentliche Wasser- und Stromversorgung gerade
in den Ländern des Mercosur ein wichtiges Mittel zur Armutsbekämpfung sind. Gleichzeitig ist
auf Bestreben Brasiliens der Schutz des Amazonas-Regenwaldes aus dem Vertragstext geflogen.
Wir wollen auch mit unseren Handelspartnern in Südamerika Umwelt, Verbraucher und
Menschenrechte in den Mittelpunkt von Handelsverträgen rücken.
Unsere grüne Alternative zur bisherigen EU-Handelspolitik ist eine Handelspolitik, die die
Globalisierung gerecht gestaltet. Es ist nicht hinnehmbar, dass es Sonderschiedsgerichte für
Investoren zwischen Rechtsstaaten gibt, während Klimaschutz, Menschenrechte oder das
Vorsorgeprinzip nur schmückende Prosa bleiben. Wir lehnen einseitige Gerichte für private
Investoren ab.
Wir setzen uns stattdessen für einen ständigen internationalen Handelsgerichtshof ein, vor
dem nicht nur Unternehmen klagen können, sondern auch Betroffene gegen die Verletzung
menschenrechtlicher, sozialer und umweltrelevanter Verpflichtungen durch transnationale
Unternehmen. Der Vorschlag der EU-Kommission für einen multilateralen
Investitionsgerichtshof (MIC) erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Parlamente dürfen durch
Regeln zur regulatorischen Zusammenarbeit in Handelsabkommen nicht umgangen oder geschwächt
werden.
Das Vorsorgeprinzip, nach dem die Unbedenklichkeit von Produkten vor der Zulassung
nachgewiesen werden muss, ist die tragende Säule des europäischen Schutzes von Umwelt und
Verbraucher*innen. Die bestehende Verankerung des Vorsorgeprinzips im Primärrecht der EU
reicht hierzu nicht aus. Deshalb wollen wir, dass es für alle Bereiche der EU-
Handelsabkommen gilt. Auch Produkte, deren Verkauf in Europa verboten ist, wie bestimmte
Giftstoffe und Waffen, sollten hier auch nicht produziert und dann exportiert werden dürfen.
Wir wollen im Handel auch die Interessen von kleinen und mittleren Unternehmen stärken und
damit der Konzentration von wirtschaftlicher Macht entgegenwirken. Sie profitieren von
Zollreduktion und einheitlichen technischen Standards.
Für faire Arbeitsbedingungen, Klimaschutz und Menschenrechte
Handel sollte soziale Gerechtigkeit, faire Arbeitsbedingungen und Menschenrechte
unterstützen. Menschenrechte und die Arbeitnehmerschutzrechte der internationalen
Arbeitsorganisation, also die ILO-Kernarbeitsnormen, müssen im Handel fest verankert werden,
und ihre Verletzung muss einklagbar sein. Bei Verstößen muss die EU Handelsvergünstigungen
auch entziehen. Die EU-Kommission setzt in erster Linie auf freiwillige
Selbstverpflichtungen. Die Erfahrung zeigt: Das reicht nicht. Notwendig sind gesetzliche
Sorgfaltspflichten, neue Haftungsregeln und bessere Klagemöglichkeiten innerhalb der EU –
auch für Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen, die von europäischen Unternehmen
verursacht werden. Wir wollen Unternehmen gesetzlich zu mehr Verantwortung und Transparenz
in Bezug auf ihre Lieferketten verpflichten sowie dazu, Menschen- und Arbeiter*innenrechte
einzuhalten und fairer und ökologischer Beschaffung den Vorrang zu geben.
Die Klimaziele von Paris müssen fester Bestandteil des Welthandels werden. Wir unterstützen
den Vorschlag des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, die Klimaziele von Paris als
wesentlichen Bestandteil in Handelsabkommen zu verankern und damit verbindlich umzusetzen.
Wir müssen Handel und Klima in Einklang bringen. Eine Vorreiterrolle im Klimaschutz darf
nicht zu Nachteilen im internationalen Wettbewerb führen. Im Gegenteil wollen wir erreichen,
dass sich ein ambitionierter Klimaschutz auch ökonomisch rechnet. Dies kann zum Beispiel
über eine zu entwickelnde Klimaabgabe auf schmutzige Importe erfolgen, die aber WTO-konform
ausgestaltet sein muss.
Unfairen Wettbewerb durch Preis- oder Standard-Dumping wollen wir verhindern. Die letzte
Reform der europäischen Anti-Dumping-Instrumente war ein wichtiger Schritt. Es ist ein
Erfolg grüner Politik im Europaparlament, dass Marktverzerrung nun auch bei Verstößen gegen
internationale Arbeitnehmer- und Umweltstandards festgestellt werden kann. Wir wollen in
kritischen Bereichen strategische Infrastruktur schützen.
Handelsabkommen dürfen keine Treiber von Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung
werden. Wo sich Privatisierungen als Holzweg erwiesen haben, wollen wir diese rückgängig
machen können. Die öffentliche Daseinsvorsorge muss umfassend geschützt werden. Kommunen
dürfen in ihrer Handlungsfreiheit nicht beschränkt werden.
Faire Rohstoffpolitik
Durch viele Produkte des Alltags sind wir mit der ganzen Welt verbunden, die Produktion
findet in Asien statt, die Rohstoffe kommen vom afrikanischen Kontinent und konsumiert wird
bei uns. Wir wollen die Lieferketten besser kontrollieren. Deshalb wollen wir transparente
Lieferketten mit sozialen und ökologischen Mindeststandards durch entsprechende
Offenlegungs- und Sorgfaltspflichten erreichen. Was in der Europäischen Union konsumiert
wird, darf nicht zu Krieg und Ausbeutung beitragen.
Wir stehen für eine andere Rohstoffpolitik. Die Rohstoffe, die wir für unsere Handys oder
Tablets benötigen, werden oft unter miserablen Bedingungen abgebaut und gehen mit
Menschenrechtsverletzungen, Konflikten und Umweltzerstörungen einher. Ausbeutung darf aber
nicht Grundlage der Digitalisierung und unseres Konsums sein. Wir treten ein für faire
Rohstoffpartnerschaften, die die Bedürfnisse der Abbauländer berücksichtigen, für Einsparung
des Rohstoffverbrauchs und eine nachhaltige Nutzung in Europa. Wir wollen verbindliche
Standards bei Abbau, Weiterverarbeitung und Handel von Rohstoffen im Rahmen eines
transparenten Verfahrens, das auch gegen Korruption und Steuervermeidung wirkt. Besonders
Konfliktmineralien müssen besser kontrolliert werden.
Entwicklungspartnerschaft auf Augenhöhe
Die gegenwärtige Handelspolitik der EU mit Entwicklungsländern ist einseitig von den
wirtschaftlichen Interessen europäischer Unternehmen dominiert. Durch den Abbau von Zöllen
werden heimische Industrie, Handwerk und Landwirtschaft in Entwicklungsländern durch
Billigimporte aus der EU bedroht. Die EU ist durch ihre starke Verhandlungsposition in der
Lage, den Entwicklungsländern Bedingungen zu diktieren. Die derzeitigen
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) mit Afrika verhindern den Aufbau einer eigenen
Wirtschaft in diesen Ländern, statt ihn zu fördern. Wir wollen diese Abkommen stoppen und zu
einer echten Entwicklungspartnerschaft auf Augenhöhe übergehen. Die Entwicklungsländer
müssen ihren Weg einer nachhaltigen Entwicklung selbst bestimmen können. Gleiche Rechte sind
nur zwischen gleich starken Partnern gerecht. Wer die Schwächeren fördern will, muss ihnen
mehr Rechte als den Starken gewähren. Wir wollen Entwicklungsländern ausreichend Raum für
handelspolitische Schutzmaßnahmen lassen, um ihre heimische Wirtschaft aufzubauen und junge
Industrien zu schützen. Zolleinnahmen sind eine wichtige Einnahmequelle für
Entwicklungsländer. Ohne diese werden die mageren Staatseinnahmen stark belastet und es
fehlen Mittel für Investitionen in öffentliche Güter wie Bildung, Basis-Gesundheitsdienste
und andere Aspekte der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die EU hingegen sollte ihre Zölle auf
verarbeitete Produkte aus Entwicklungsländern abschaffen, um eine diversifizierte Industrie
und Wertschöpfung vor Ort zu ermöglichen.
Fairer Handel auch in der Landwirtschaft
Europäische Agrarsubventionen zerstören kleinbäuerliche Strukturen im globalen Süden und
schaffen so Abhängigkeiten, vernichten Existenzen und zementieren Armut. Deshalb lehnen wir
sie ab. Wir brauchen einen Neustart des europäischen Agrarhandels, der nicht länger mit
Dumpingpreisen Märkte im globalen Süden zerstört. Die Patentierung von Saatgut sowie
Landgrabbing wollen wir bekämpfen. Die EU muss Investoren und staatliche Institutionen dazu
drängen, die Leitlinien der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN zu
Landrechten, Fischgründen und Wäldern einzuhalten. Agrochemiekonzerne wie Bayer, der durch
die Übernahme von Monsanto zum Marktbeherrscher geworden ist, kontrollieren bereits jetzt
große Teile des weltweiten Saatgut-, Düngemittel- und Pestizidmarkts. Mit ihren Patenten
werden Kleinbäuerinnen und -bauern in teure Abhängigkeiten gezwungen und die Artenvielfalt
wird zerstört. Wir wollen die Rechte der Kleinbäuerinnen und -bauern in Entwicklungsländern
auf freien Austausch und kostenlose Wiederaussaat von Saatgut sichern. Darüber hinaus wollen
wir den Auf- und Ausbau lokaler Saatgutbanken fördern, damit traditionelles Wissen und die
biologische Vielfalt erhalten und zugänglich bleiben. Sortenvielfalt ist ein wichtiger
Baustein, um das Recht auf Nahrung zu verwirklichen und die Landwirtschaft
widerstandsfähiger gegen die Folgen des Klimawandels zu machen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- die Verankerung des Pariser Klimaschutzabkommens und des Vorsorgeprinzips in allen
Handelsverträgen der EU,
- WTO-konforme Klimaabgaben auf schmutzige Importe,
- die Abschaffung von Zöllen auf verarbeitete Produkte aus Entwicklungsländern.
4.6 Drogenkriege beenden
Der globale Krieg gegen Drogen ist gescheitert. Er fördert organisierte Kriminalität,
unterminiert die Gesundheit der Drogenkonsument*innen, verletzt Menschenrechte und trägt zur
Destabilisierung von Staaten bei. Damit verhindert er die politische und wirtschaftliche
Entwicklung der betroffenen Länder. Europa trägt als Konsumentenregion Verantwortung für die
Auswirkungen der Nachfrage nach Drogen. Wir wollen deshalb, dass die Europäische Union sich
auf der Ebene der Vereinten Nationen dafür einsetzt, dass der Drogenkrieg beendet wird.
Nationale Schritte für eine Reform der Drogenpolitik wie in verschiedenen Ländern
Lateinamerikas sollten unterstützt und nicht behindert werden. Die Europäische Union sollte
deshalb global eine Reform der Drogenpolitik in den betroffenen Staaten unterstützen, die
auf Prävention, Hilfe, Schadensminderung, Entkriminalisierung und Regulierung setzt. Wir
fordern eine an den tatsächlichen gesundheitlichen Risiken orientierte Regulierung von
Drogen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- eine globale Reform der Drogenpolitik,
- eine an den gesundheitlichen Risiken orientierte Regulierung von Drogen.
weitere Antragsteller*innen
- Jakob Brunken (Ostholstein KV)
- Stephan Wiese (Stormarn KV)
- Jutta Paulus (Neustadt-Weinstraße KV)
- Andreas Gernegroß (Salzland KV)
- Werner Weindorf (München KV)
- Rasmus Andresen (Flensburg KV)
- Ralf Henze (Odenwald-Kraichgau KV)
- Hans Schmidt (Bad Tölz-Wolfratshausen KV)
- Tabitha Elkins (Alzey-Worms KV)
- Ralf Bohr (Bremen-Ost KV)
- Peter Meiwald (Ammerland KV)
- Kerstin Dehne (München KV)
- Miriam Matz (Saalekreis KV)
- Carl Ulrich Gminder (Reutlingen KV)
- Bernd Frieboese (Berlin-Reinickendorf KV)
- Julian Breitschwerdt (Karlsruhe-Land KV)
- Bernd Voß (Steinburg KV)
- Catherine Kern (Hohenlohe KV)
- Carolin Schenuit (Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf KV)
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Von Zeile 92 bis 93 einfügen:
angrenzenden Regionen deutlich ausweiten, um Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung im gesamten Umfeld der Europäischen Union zu fördern.
Da Energie von zentraler geopolitischer Bedeutung ist, ist die EU bereits heute mit der Tatsache konfrontiert, dass einige energieexportierende Länder ihre Energieressourcen zur Durchsetzung machtpolitischer Interessen instrumentalisieren. Zu einer gemeinsamen EU-Außenpolitik im Sinne der Friedenspolitik ist daher eine starke, auf 100% Erneuerbarer Energien basierende Energieunion notwendig.
Die internationale Staatenordnung befindet sich im Umbruch. Russlands Präsident verletzt die
territoriale Integrität anderer Staaten und verhindert eine demokratische Entwicklung im
Inland. Chinas Führung verstärkt immer weiter die staatliche Überwachung und heizt
Territorialkonflikte im Südchinesischen Meer an. In den Staaten Nordafrikas und des Nahen
Ostens konnte sich die Hoffnung der Menschen auf eine Demokratisierung der Region nicht
erfüllen. Iran und Saudi-Arabien führen stattdessen einen Kampf um die Vorherrschaft im
Nahen Osten. In Syrien tobt nach wie vor ein brutaler Krieg, in dem sich sogar NATO-Partner
feindlich gegenüberstehen.
Und die USA, ehemaliger außenpolitischer Garant jener Regeln, die seit dem Ende des Zweiten
Weltkriegs einen großen Teil der Welt halbwegs zusammengehalten haben, haben sich als
berechenbarer Akteur der Weltpolitik verabschiedet. Die US-Regierung steigt aus dem
Klimaabkommen aus, kündigt das Iranabkommen, agiert in Handelsfragen aggressiv und verachtet
die internationalen Organisationen, die ihr Land selbst gegründet hat. Die EU sieht sie
wirtschaftlich als Gegner. Garantien, auf die sich Europa sicher verlassen konnte, gelten so
nicht mehr.
Währenddessen geht die globale Vermögensverteilung immer weiter auseinander. Zwar haben sich
Armut und Kindersterblichkeit in den letzten Jahrzehnten halbiert, in vielen Ländern kann
mittlerweile die Mehrheit der Mädchen und Jungen lesen und schreiben. Dennoch ist das eben
nur die Hälfte und weltweit leiden weiter 815 Millionen Menschen an chronischem Hunger. Das
reichste Prozent der Weltbevölkerung besitzt über 50 % des Gesamtvermögens und damit mehr
als die übrigen 99 % der Weltbevölkerung. Die Auswirkungen der Klimakrise vertreiben nicht
nur immer mehr Menschen aus ihrer Heimat, weil sie auf ausgetrockneten oder überschwemmten
Böden nicht mehr leben und keine Landwirtschaft betreiben können, sondern auch weil die
Auswirkungen der Klimakrise vielerorts bestehende Konflikte und schlechte Regierungsführung
verschärfen.
In dieser Situation muss sich die EU beweisen. Als außenpolitische Akteurin, als
Wertegemeinschaft, in der der Mensch mit seiner Würde, seiner Freiheit und seinen
unveräußerlichen Rechten im Mittelpunk steht – wissend, dass gerade in der Außenpolitik
immer Kompromisse nötig sind und vielfältige Interessen ausbalanciert werden müssen.
Die Europäische Union ist nie darauf angelegt gewesen, aber die Frage, die sich Europa
stellt, ist die nach der Weltpolitikfähigkeit. Wenn wir diese Frage nicht angehen, dann wird
Europa, dann wird die globale Zusammenarbeit bedeutungslos. Dafür die Pflöcke entlang von
Frieden, Menschenrechten und dem Völkerrecht zu setzen, ist für uns als Grüne die zentrale
Aufgabe der nächsten Jahre.
4.1 Menschenrechte verteidigen, demokratische Handlungsräume sichern
Wir treten für eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik ein, die
Menschenrechte verteidigt und Frieden sichert. Statt Aufrüstung und einer Politik, die nur
auf den nationalen Vorteil bedacht ist, brauchen wir eine EU, die friedens- und
sicherheitspolitisch mit einer Stimme spricht.
Die Handlungsmöglichkeiten zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure werden in vielen
Ländern immer weiter eingeschränkt. Die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen wird dort
von staatlicher Seite systematisch erschwert, diffamiert, behindert und kriminalisiert.
Insbesondere die Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit werden in vielen Staaten
beschränkt oder ganz abgeschafft. Dies betrifft nicht nur autoritäre Staaten, sondern auch
Demokratien mitten in Europa, wie zum Beispiel Rumänien und Österreich, in denen
Grundprinzipien wie Pluralismus, Gewaltenteilung, Unabhängigkeit der Medien und
Rechtsstaatlichkeit in Frage gestellt werden.
Wir sehen mit Sorge die weltweite Entwicklung des „shrinking space“, also der Einschränkung
des öffentlichen Raumes für die Zivilgesellschaft. Die Europäische Union, der Europarat und
die Vereinten Nationen sollten dieser entschieden entgegentreten. Das kann für die EU nur
gelingen, wenn sie ihre Mitgliedstaaten selbst konsequent in die Pflicht nimmt. Die EU
sollte die internationale Vernetzung und den Austausch von zivilgesellschaftlichen
Organisationen fördern und unterstützen. Es ist auch ein wichtiges Signal an
Menschenrechtsverteidigerinnen und ‑verteidiger, dass sie mit ihrem Engagement nicht
alleingelassen werden. Wir Grünen wollen, dass die EU-Leitlinien zum Schutz von
Menschenrechtsverteidigern vollständig umgesetzt und öffentlich stärker bekannt gemacht
werden. Dafür ist es auch notwendig, das europäische Instrument für Demokratie und
Menschenrechte zu stärken und finanziell besser auszustatten. Die EU muss weiterhin den
Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zur Situation von Menschenrechtsverteidigern
und für Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit finanziell und politisch in- und außerhalb
des VN-Menschenrechtsrates aktiv unterstützen und den Aktionsplan für Menschenrechte und
Demokratie des Europäischen Rates vorantreiben.
Menschenrechte müssen auch für die EU-Handelspolitik maßgeblich sein. Die Art und Weise, wie
wir in Europa leben, hat weltweite Folgen: von der Klimakrise bis zu ausbeuterischen
Arbeitsbedingungen, rücksichtslosem Ressourcenabbau und Stärkung autoritärer Regime. Damit
die EU zur Förderin von nachhaltiger Entwicklung und der Stärkung sozialer und ökologischer
Standards im Welthandel wird, bedarf es beherzter Schritte.
Transnationale Unternehmen mit Sitz in der EU müssen auch bei uns in Europa dafür haftbar
gemacht werden können, wenn sie innerhalb ihrer Produktions- und Ressourcenketten an
Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind. Lieferketten wollen wir transparenter machen, so
dass klar ist, unter welchen Bedingungen Produkte produziert wurden, die in die EU
eingeführt werden. Wir wollen nicht, dass Kriege, Menschenrechtsverletzungen und Ausbeutung
durch Produkte finanziert werden, die in der EU verkauft werden. Wir Grünen wollen eine
konsequente Umsetzung der Leitlinien der Vereinten Nationen zu Wirtschafts- und
Menschenrechten.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- die Einklagbarkeit von Menschenrechten auch gegenüber transnationalen Unternehmen,
- den Schutz und die Stärkung von zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und
Menschenrechtsverteidiger*innen.
4.2 Eine gemeinsame europäische Außenpolitik gestalten
Die multilaterale Ordnung und ihre Institutionen sind unter Druck. Es kommt jetzt mehr denn
je auf die EU als weltpolitikfähige Akteurin an, die global gestaltet. Das kann nur
gelingen, wenn die EU als dialogbereite und verlässliche Partnerin und gute Nachbarin
agiert. Einen Rückfall in Nationalismus und Populismus zu verhindern und die multilaterale
Ordnung zu erhalten und gerechter zu gestalten, ist Aufgabe und Interesse der EU.
Ein friedliches Zusammenleben mit unseren europäischen Nachbarregionen ist zentrale Aufgabe
europäischer Nachbarschaftspolitik. Die Kriege und Konflikte in den östlichen und südlichen
Nachbarstaaten stellen die EU vor große Herausforderungen. Es kommt jetzt mehr denn je auf
eine einheitliche und klar friedensorientierte europäische Außenpolitik an. Die EU muss ihr
politisches und diplomatisches Gewicht in die Waagschale werfen, um Schritte für Frieden und
Sicherheit in ihrer Nachbarschaft zu ermöglichen. Und sie muss ihr Engagement für die
angrenzenden Regionen deutlich ausweiten, um Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung im
gesamten Umfeld der Europäischen Union zu fördern.
Da Energie von zentraler geopolitischer Bedeutung ist, ist die EU bereits heute mit der Tatsache konfrontiert, dass einige energieexportierende Länder ihre Energieressourcen zur Durchsetzung machtpolitischer Interessen instrumentalisieren. Zu einer gemeinsamen EU-Außenpolitik im Sinne der Friedenspolitik ist daher eine starke, auf 100% Erneuerbarer Energien basierende Energieunion notwendig.
Stärkung der multilateralen Ordnung und ihrer Institutionen
Eine friedliche Welt braucht eine starke internationale Organisation der Zusammenarbeit.
Gerade in einer Zeit, in der sich andere Staaten daraus zurückziehen, ist die Europäische
Union gefragt, Verantwortung zu übernehmen. Das betrifft sowohl die finanzielle
Unterstützung von internationalen Organisationen und Programmen, wie dem
Welternährungsprogramm, dem Umweltprogramm oder dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten
Nationen, als auch das Umsetzen von internationalen Verträgen, zum Beispiel des Pariser
Klimaabkommens.
In Zeiten, in denen einige Staatschefs wieder das Recht des Stärkeren an die Stelle der
Stärke des Rechts setzen wollen, braucht es eine Europäische Union, die das humanitäre
Völkerrecht verteidigt. Wir Grünen wollen, dass sich die EU für eine Stärkung und bessere
Funktionsfähigkeit des Internationalen Strafgerichtshofes einsetzt. Es ist überfällig, dass
die EU neben den Mitgliedstaaten selbst Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention
wird, damit sich auch EU-Institutionen für ihr Handeln vor dem Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte verantworten müssen.
Die schreckliche Situation in Syrien hat erneut verdeutlicht, welche negativen Auswirkungen
die Handlungsunfähigkeit der Vereinten Nationen (VN) durch die Blockadehaltung eines
Mitglieds im VN-Sicherheitsrat haben kann. Eine Blockade des Sicherheitsrats bei zentralen
Fragen schwächt das Völkerrecht und die VN insgesamt, da beispielsweise nicht einmal der
Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag mit der Verfolgung von Kriegsverbrechen
beauftragt werden kann. Die Vereinten Nationen müssen wieder handlungsfähiger werden.
Langfristig sollte der Sicherheitsrat so reformiert werden, dass alle Weltregionen
angemessen repräsentiert sind – zum Beispiel sollte Indien aufgenommen werden – und sich
zudem das Gleichgewicht zwischen den Mitgliedstaaten verbessert. Dazu würde ein Sitz für die
Europäische Union einen wichtigen Beitrag leisten. Zugleich braucht es eine internationale
Debatte über das Vetorecht. Bis dahin sollte im Falle einer anhaltenden Blockade des
Sicherheitsrats die Generalversammlung der VN das Recht beanspruchen können, mit
qualifizierter Mehrheit den Sicherheitsrat für blockiert zu erklären und an seiner Stelle
diplomatische Maßnahmen, Sanktionen und im äußersten Fall auch friedenserzwingende Maßnahmen
nach Kapitel VII der VN-Charta zu beschließen.
Neben den Vereinten Nationen wollen wir auch die Organisation für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stärken. Dabei geht es darum, die Fähigkeiten der OSZE im
Bereich ziviler Krisenprävention, Frühwarnung und Krisenbewältigung zu stärken – materiell
und finanziell. Das Konzept der menschlichen Dimension von Sicherheit war und bleibt eine
zentrale Errungenschaft der OSZE. Sie bildet den umfassenden Sicherheitsbegriff der OSZE ab
und umfasst beispielsweise Aktivitäten in den Bereichen Medienfreiheit, Minderheitenrechte,
Rechtsstaatlichkeit und Nichtdiskriminierung. Dieses Engagement für die Förderung von
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten, Toleranz und Nichtdiskriminierung wollen
wir unterstützen. Wir fordern daher eine Stärkung des Hochkommissars für Nationale
Minderheiten, des Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) und des
OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit. Wir weisen jegliche Versuche von OSZE-Mitgliedern, die
Geltung dieser menschlichen Dimension in Frage zu stellen oder ihre Instrumente zu
diskreditieren, zurück.
Konsequent für EU-Recht beim Brexit
Erstmals in der Geschichte der Europäischen Union verlässt ein Land das gemeinsame Haus der
EU. Der Brexit verdeutlicht, was passiert, wenn Regierungen sich von rechten Stimmungen
treiben lassen. Die Europäische Union muss weiter geschlossen zusammenstehen, damit ein
Drittland nicht bessergestellt ist als ein Mitgliedsland. Rosinenpickerei darf es nicht
geben, der Brexit darf keine Blaupause für andere Staaten werden. Das würde auch diejenigen
in Großbritannien unterstützen, die eine weitere Entscheidung der Bürger*innen über das
finale Austrittsdokument fordern. Bisher verhandelt die EU erfolgreich, besonders weil die
anderen 27 Mitgliedstaaten zusammenhalten. Wir unterstützen die Rolle der EU-Kommission als
Verhandlungsführerin. Nationale Alleingänge oder gar bilaterale Deals darf es nicht geben.
Die Wahrung der vier EU-Grundfreiheiten – Freiheit von Warenverkehr, Dienstleistung,
Personen- und Kapitalverkehr – müssen im Mittelpunkt stehen. Einen uneingeschränkten Zugang
zum Binnenmarkt kann es ohne Personenfreizügigkeit und Anerkennung des EU-Rechts nicht
geben. Einen Austritt mit Sonderstatus kann es nicht geben. Ebenso hat der Frieden auf der
irischen Insel absolute Priorität. Insbesondere die britische Regierung muss gewährleisten,
dass eine harte Grenze auf der irischen Insel vermieden wird. Ein Abkommen über die
zukünftigen Beziehungen kann erst nach dem rechtskräftigen Austritt Großbritanniens
finalisiert werden. Die außenpolitische Zusammenarbeit mit Großbritannien wollen wir nach
dem Austritt im Rahmen internationaler Organisationen (NATO, OSZE, Europarat) stärken.
Für eine verantwortungsvolle Erweiterungspolitik
Die Erweiterungspolitik der EU ist für uns eine Erfolgsgeschichte. Sie steht für Frieden,
Demokratie und Stabilität in Europa. Die Europäische Union hat allen Staaten des Westbalkans
– Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Kosovo, Albanien und Mazedonien – das
Versprechen gegeben, der EU beitreten zu können, wie dies Slowenien und Kroatien bereits
erfolgreich getan haben. Albanien und Mazedonien kamen dieses Jahr dem Beginn von
Beitrittsverhandlungen mit der EU näher. Das ist eine sehr positive Entwicklung, die wir
Grünen unterstützen. Es kommt jetzt darauf an, dass die EU Nägel mit Köpfen macht und beiden
Ländern 2019 einen festen Termin für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen präsentiert.
Die EU steht in der politischen Verantwortung, das Vertrauen in das Beitrittsversprechen
nicht zu enttäuschen und gleichzeitig den notwendigen Reformprozess in diesen Ländern
mitzugestalten. Wir wollen dieses Versprechen durch eine engagiertere und tiefgreifende
Zusammenarbeit mit möglichst vielen gesellschaftlichen Akteur*innen des Westbalkans
glaubwürdig machen. Denn die Beitrittsperspektive ist wichtiger Motor für den sensiblen
Friedens- und Aussöhnungsprozess, für Transformation und Modernisierung in einer weiterhin
fragilen Region. Und sie unterstützt vor allem diejenigen, die sich schon heute für mehr
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und den Schutz der Umwelt einsetzen. Klar
ist aber auch, dass ausschließlich der politische Reformwille vor Ort und die Erfüllung der
Kopenhagener Kriterien über das Tempo des weiteren Beitrittsprozesses und den EU-Beitritt
selbst entscheiden. Bei den dringend notwendigen Reformen darf es keinen Rabatt geben:
Gerade in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Grundwerte und Pressefreiheit, Bekämpfung von
Korruption und organisierter Kriminalität, Aufarbeitung von Kriegsverbrechen und Beilegung
von bilateralen Konflikten müssen noch viele Fortschritte erzielt werden. Diese
Herausforderungen bleiben für uns Ansporn für ein starkes Engagement.
Das bedeutet in jedem einzelnen Fall, dass die Beitrittsvoraussetzungen erreicht werden
müssen, die europäischen Werte und Regeln vollständig erfüllt sein müssen und die EU nach
innen funktionsfähig bleiben muss, bevor ein neues Land aufgenommen wird.
Transatlantische Partnerschaft erhalten
Die transatlantische Partnerschaft ist in einer tiefen Krise. Der amerikanische Präsident
vertieft diese mutwillig. Seine Präsidentschaft bringt massive Rückschritte beim
Klimaschutz, bei der Anerkennung des Völkerrechts und der Verrechtlichung der
internationalen Beziehungen. Er versteht Europa als wirtschaftlichen Gegner und setzt auf
eine nationalistische Strategie. Darauf braucht es eine geschlossene Antwort der EU-
Mitgliedstaaten. Die EU darf sich von Präsident Trump nicht spalten lassen. Nur so kann
Europa sich selbst behaupten.
Dennoch ist die transatlantische Partnerschaft für uns ein zentraler Bezugspunkt
europäischer Außen- und Sicherheitspolitik. Die USA sind mehr als ihr derzeitiger Präsident.
Eine enge Zusammenarbeit mit unseren amerikanischen Partnern und Netzwerke mit progressiven
Kräften im Land, die eine soziale, ökologische und menschenrechtsbasierte Politik verfolgen,
bleiben wesentlicher Pfeiler unserer Politik. Daher sollte die Europäische Union viel
stärker auf eine Zusammenarbeit mit den US-Bundesstaaten sowie zivilgesellschaftlichen
Akteur*innen, vor allem in den Bereichen Bildung, Energie, Klimaschutz sowie
Digitalisierung, setzen.
Östliche Partnerschaft und Russland: demokratische Kräfte stärken
Eine gute Partnerschaft mit den östlichen Nachbarn der EU ist im ureigenen Interesse Europas
und wichtiger Baustein für Stabilität und Frieden in der Region. Die Östliche Partnerschaft
der EU, die seit 2009 mit Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau und der Ukraine
besteht, muss weiter gestärkt und die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche
Integration dieser Staaten weiter vorangetrieben werden. Dabei dürfen europäische Grundwerte
nicht für wirtschaftliche Interessen geopfert werden. Der Kampf gegen Korruption,
demokratische und rechtsstaatliche Reformen und die Wahrung der Menschenrechte müssen in
diesen Ländern noch stärker von der EU eingefordert werden. Die wichtige Anbindung der
östlichen Nachbarn an die EU ist gleichzeitig eine Herausforderung für das Verhältnis zu
Russland, da Russland versucht, die engere Zusammenarbeit der östlichen Staaten mit der EU
zu verhindern.
Unter Präsident Putin hat Russland mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim, dem
militärischen Vorgehen in der Ostukraine und mit dem brutalen militärischen Eingreifen in
Syrien auf der Seite Assads zu einer erheblichen Verschärfung der internationalen Spannungen
beigetragen. Gerade bei unseren osteuropäischen Nachbarn hat das tiefe historische
Erinnerungen hervorgerufen. Die Verletzung der territorialen Integrität anderer Staaten
durch Russland ist inakzeptabel. Das gilt für die völkerrechtswidrige Annexion der Krim
ebenso wie für die nunmehr zehnjährige Besatzung der georgischen Gebiete Südossetien und
Abchasien durch Russland und den Versuch der illegalen Grenzziehung in diesen Gebieten. Die
EU muss hier klar für die Unversehrtheit der Grenzen in Europa eintreten und ihre
politischen und diplomatischen Anstrengungen für eine friedliche Lösung des Konflikts im
Südkaukasus verstärken.
In Bezug auf Russland gibt es keine Abstriche in unserem Eintreten für Demokratie und
Menschenrechte und die Einhaltung des Völkerrechts. Eine Lösung des Konfliktes in der
Ukraine kann nur eine politische und diplomatische sein. Daher halten wir am Minsker
Abkommen fest. Solange Russland gegen dieses verstößt, befürworten wir die gezielten
Sanktionen der EU. Wir wenden uns gegen jede Verletzung der Grund- und Menschenrechte von
Aktivist*innen, Journalist*innen, Oppositionellen und Minderheiten in Russland. Mit Sorge
sehen wir Versuche von russischer Seite, die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten zu
schwächen. Russland hat kein Interesse an einem geschlossenen und demokratischen Europa. Das
wurde durch die Hacks, die Wahlbeeinflussung über soziale Netzwerke und die erhebliche
finanzielle Unterstützung anti-demokratischer Kräfte in vielen europäischen Staaten
deutlich. Darauf muss sich die Europäische Union noch besser einstellen. Die Antwort muss in
einer Stärkung der EU liegen. Wo immer es möglich ist, suchen wir die Kooperation mit
Russland, deshalb bleiben wir auch im Gespräch. Sicherheit, Frieden und Abrüstung lassen
sich nicht erreichen, wenn man sich anschweigt.
Europäisches Engagement für Stabilität und Frieden im Nahen Osten
Der grausame Krieg in Syrien, der seit über sieben Jahren tobt, Hunderttausenden das Leben
gekostet und Millionen von Menschen in die Flucht getrieben hat, findet vor Europas Haustür
statt. Die EU sollte alle bestehenden Friedensinitiativen unterstützen. Solange der Krieg
ungehindert fortgesetzt wird, müssen Sanktionen und Einreiseverbote gegen hochrangige
syrische und russische Militärangehörige ausgeweitet und ihre Konten in der EU eingefroren
werden.
Die einseitige Aufkündigung des Atom-Abkommens mit dem Iran durch US-Präsident Trump könnte
die ohnehin instabile Region in einen weiteren blutigen Konflikt stürzen. Es droht ein
nukleares Wettrüsten in der Region, das ganz konkret auch die Sicherheit in der Europäischen
Union bedroht. Dazu kommt der Schaden für das transatlantische Verhältnis und die
multilaterale Ordnung insgesamt. Die EU muss jetzt alles daransetzen, das Iran-Abkommen am
Leben zu halten und die atomare Abrüstung des iranischen Regimes voranzubringen. Zusätzlich
muss sich die EU gegenüber allen Regionalmächten um die Durchsetzung einer Friedensordnung
bemühen.
Das deutsch-israelische Verhältnis ist durch die Verfolgung und Ermordung der europäischen
Jüdinnen und Juden durch das nationalsozialistische Deutschland geprägt. Das Existenzrecht
und die Sicherheit Israels mit gleichen Rechten für all seine Bürgerinnen und Bürger sind
daher unverhandelbar. Wir Grünen setzen uns weiterhin für eine Zwei-Staaten-Regelung ein, um
die Sicherheit des Staates Israel zum Wohle aller seiner Bewohnerinnen und Bewohner sowie
die Schaffung eines souveränen, lebensfähigen und demokratischen Staates Palästina auf der
Grundlage der Grenzen von 1967 zu gewährleisten. Es kann nur eine gewaltfreie Lösung geben.
Wir wenden uns mit aller Entschiedenheit gegen den Terror der Hamas. Die zunehmende
Diskriminierung von Minderheiten in Israel lehnen wir ab, ebenso wie den illegalen
Siedlungsbau. Während wir der palästinensischen Zivilgesellschaft nicht absprechen, selbst
über gewaltfreie Strategien zur Beendigung der Besatzung zu entscheiden, lehnen wir einen
Boykott Israels als Instrument deutscher und europäischer Außenpolitik ab. Wir wollen
weiterhin mit allen Kräften in Israel und Palästina zusammenarbeiten, die sich gegen eine
Fortdauer der Besatzung, gegen eine Spaltung der israelischen Gesellschaft und für eine
Zwei-Staaten-Lösung einsetzen.
Seit drei Jahren tobt auch im Jemen ein brutaler Krieg, in dem die Huthi-Rebellen mit
Unterstützung des Iran gegen die jemenitische Regierung und die von Saudi-Arabien angeführte
Militärallianz kämpfen. In dem unerbittlichen Krieg sind bereits mehr als 10.000 Menschen
ums Leben gekommen, 80 % der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, darunter
viele Kinder. Die EU muss ihrer humanitären Verantwortung gerecht werden und alles dafür
tun, um einen sofortigen Waffenstillstand der beteiligten Militärmächte und der Rebellen zu
erreichen. Politisch muss auf die Kriegsparteien eingewirkt werden, um die Kampfhandlungen
umgehend zu stoppen, die durch Saudi-Arabien errichtete Seeblockade aufzulösen und
Hilfsgüter ins Land zu lassen. Jegliche Lieferung von Waffen und Rüstungsgütern an Saudi-
Arabien muss ein Ende haben. Es darf nicht sein, dass Europa indirekt diesen Krieg auch noch
anheizt.
Demokratische Kräfte in der Türkei stärken
Die Türkei ist eines der Schlüsselländer, um unsere Nachbarregionen zu stabilisieren. Aber
auch Präsident Erdogan und die AKP haben sich zu einer autoritären, autokratischen Regierung
entwickelt. In dieser Zeit gilt es umso mehr, diejenigen zu unterstützen, die trotz schwerer
Repressalien und systematischer Verfolgung in der Türkei für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit
und Weltoffenheit eintreten. Wir verurteilen die von Präsident Erdogan eingeschlagene
Politik hin zu einem autoritären Präsidialsystem und die massiven Angriffe auf
Oppositionelle, die Zivilgesellschaft, die Meinungs- und Pressefreiheit, die
völkerrechtswidrigen Angriffe des türkischen Militärs auf Syrien und den Nordirak sowie die
Abkehr von einem friedlichen und politischen Lösungsprozess in der Kurdenfrage. Es braucht
nun eine grundlegende Neuvermessung der europäisch-türkischen Beziehungen. Mehr denn je muss
die EU klare Haltung für Demokratie und Menschenrechte zeigen. Für die europäische Ebene
bedeutet das unter anderem: Über eine Ausweitung der Zollunion kann erst verhandelt werden,
wenn die Türkei eine Kehrtwende zurück zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vollzieht. Alle
Rüstungsexporte europäischer Mitgliedstaaten gehören beendet, ebenso wie die Beteiligung
europäischer Unternehmen an Rüstungskonsortien in der Türkei.
Die Türkei hat über 3 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Deren Versorgung nach
humanitären Standards muss die EU finanziell unterstützen. Auch sollten die EU-Staaten
dringend Kontingente zur Entlastung der dortigen Strukturen anbieten.
Das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei ist eine Folge der Weigerung der EU-Mitgliedstaaten,
zu einer gemeinsamen solidarischen Lösung in der Flüchtlingskrise zu kommen. Es hat zu
katastrophalen Lagern auf Lesbos und anderen griechischen Inseln geführt und untergräbt
durch Abschiebungen ohne Asylrechtsprüfung das Recht auf Asyl. Diesen EU-Türkei-Deal wollen
wir beenden.
Praktisch liegen die Beitrittsgespräche mit der Türkei bereits auf Eis. Die Wiederaufnahme
der Verhandlungen muss an strenge, messbare Bedingungen geknüpft sein. Insbesondere mit
Blick auf die Verfassungsreform und die jüngsten Wahlen in der Türkei ist eines deutlich:
Ein EU-Beitritt der Türkei ist unter Präsident Erdogan nicht vorstellbar. Zugleich gilt: Für
eine demokratische und weltoffene Türkei müssen die Türen zur EU offen bleiben. Ein formaler
Abbruch der Beitrittsgespräche wäre falsch. Die vielen proeuropäischen Kräfte in der Türkei
brauchen dieses Signal und weiterhin unsere Unterstützung. Umso bedeutender ist es deshalb,
die noch bestehenden EU-Beitrittshilfen ausschließlich an prodemokratische Organisationen
auszuzahlen und die Verwendung der Gelder deutlich strenger zu kontrollieren als bislang.
Zukunftspakt mit Afrika
Afrika hat für die EU auch wegen der finsteren Kolonialgeschichte eine besondere Bedeutung.
Statt eine Partnerschaft auf Augenhöhe anzustreben, stehen derzeit vor allem
Migrationskontrolle und militärische Zusammenarbeit im Vordergrund. Die gegenwärtige Agrar-,
Handels- und Ressourcenpolitik laufen den Zielen einer nachhaltigen Partnerschaft zuwider.
Diese Politik bekämpft keine Probleme, sondern verschärft die Situation derjenigen, die am
meisten unter Armut und globaler Ungerechtigkeit zu leiden haben. Wir wollen unsere
afrikanischen Partner dabei unterstützen, lebenswerte Perspektiven für die Menschen vor Ort
zu schaffen und damit auch langfristig Fluchtgründe zu bekämpfen. Dies wollen wir vor allem
durch eine Stärkung afrikanischer Organisationen wie der Afrikanischen Union oder der
Afrikanischen Entwicklungsbank erreichen. Deshalb schlagen wir einen Zukunftspakt zwischen
der EU und Afrika vor. Kern ist eine Partnerschaft, die auf dem offenen und transparenten
Ausgleich gegenseitiger Interessen und Forderungen basiert. Um eine nachhaltige Entwicklung
im gesamten globalen Süden einzuleiten, braucht es eine kohärente Politik, die sich an der
Agenda 2030 der Vereinten Nationen, am Klimaabkommen von Paris und an der Aktionsagenda von
Addis Abeba orientiert.
Europäische China-Politik: Kooperation auf Basis klarer Werte
Europas Verhältnis zu China ist über die letzten Jahre wichtiger, aber auch schwieriger
geworden. Deutschlands Beziehungen zur Volksrepublik sind besonders eng. Daraus erwächst
eine hohe Verantwortung dafür, dazu beizutragen, dass die EU gegenüber China vermehrt mit
einer Stimme spricht. Das gilt für die Abwehr chinesischer Dumpingexporte, für den
verantwortlichen Umgang mit Investitionen, die Belange der Sicherheit oder der öffentlichen
Ordnung beeinträchtigen könnten, oder für faire Chancen europäischer Unternehmen in China.
Es gilt nicht weniger für die gemeinsame Vertretung unserer gemeinsamen Werte, vornean der
Menschenrechte. Und es gilt auch gegenüber Chinas Außenpolitik, die zunehmend eine der
harten Hand ist und zunehmende Drohungen gegenüber der Selbstverwaltung Taiwans einschließt.
Wir unterstützen Europas „Ein-China-Politik“ und teilen die Auffassung, dass Chinas
Vereinigung nicht gegen den Willen der Bevölkerung Taiwans erzwungen werden darf.
Chinas heutige Führung, die im Inneren zum Totalitarismus zurückkehrt, befindet sich mit
ihren Konzepten der „neuen Seidenstraße“, des „Made in China 2025“ und der „globalen
Schicksalsgemeinschaft“ auf dem Weg zur globalen Supermacht, die Multilateralismus nur
mitmacht, wo er ihr nutzt. Europa muss der chinesischen Herausforderung mit der Bereitschaft
zur Kooperation, aber auch mit Klarheit in der Vertretung der eigenen Werte und Interessen
und mit Selbstbewusstsein begegnen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- eine Initiative für die Reform und Stärkung der Vereinten Nationen,
- die materielle und finanzielle Stärkung der OSZE,
- die Stärkung des humanitären Völkerrechts und des internationalen Strafrechts zur
Verfolgung schwerster Menschenrechtsverbrechen,
- einen Zukunftspakt mit Afrika.
4.3 Krisen vermeiden, Frieden und Sicherheit garantieren
Als Friedensmacht ist es oberste Pflicht von uns Europäerinnen und Europäern, aktiv an einer
globalen, multilateralen Friedensordnung im Rahmen der Vereinten Nationen mitzuarbeiten. Im
Mittelpunkt muss eine Politik stehen, die verhindert, dass Krisen und Konflikte überhaupt
entstehen. Von einer kohärenten, vollständig koordinierten Krisenprävention der EU sind wir
noch weit entfernt. Wenn die EU ihre Rolle als zivile Macht ernst nimmt, darf sie nicht nur
auf die Verteidigung schauen. Zivile und präventive Maßnahmen sind frühzeitig zu ergreifen
und nicht erst, wenn Konflikte schon entflammt sind. Das gilt besonders auch für Post-
Konflikt-Situationen. Das Wiederaufflammen von Kriegen und gewaltsamen Konflikten lässt sich
am besten verhindern, wenn frühzeitig Strukturen vor Ort aufgebaut werden, die Sicherheit
herstellen und die Versorgung aller Menschen in einer Region ermöglichen.
Damit sich Friedenspolitik auf europäischer Ebene nicht nur am kleinsten gemeinsamen Nenner
orientiert, setzen wir uns für das Prinzip von Mehrheitsentscheidungen in der Außen- und
Sicherheitspolitik im Europäischen Rat ein. Eine zivile Säule des außenpolitischen Handelns,
die Diplomatie, ist der nachhaltigere, stärkere Pfeiler einer menschenrechtsorientierten
Friedens- und Außenpolitik. Dementsprechend wollen wir den Europäischen Auswärtigen Dienst
stärken und ausbauen. Wir plädieren dafür, die konsularischen Dienste der Mitgliedsländer
gemeinsam in europäischen Botschaften zu bündeln und dadurch Personalkapazitäten für die
eigentlichen diplomatischen Aufgaben freizusetzen.
Wir unterstützen den Europäischen Auswärtigen Dienst in seinen Bestrebungen, auch für den
zivilen Bereich feste Ausbauziele und gemeinsame Schwerpunkte festzulegen. Ähnlich wie die
Battlegroups im militärischen Bereich brauchen wir auch ein ziviles Einsatzteam, damit im
Krisenfall schnell zivile staatliche und nicht staatliche Experten wie Polizisten, Juristen,
Mediatoren oder Verfassungsexperten entsandt werden können. Wir wollen die Mittel und das
Personal für zivile Krisenprävention und die zivilen EU-Polizei- und Rechtsstaatsmissionen
deutlich erhöhen und ihre Finanzierung gerechter unter den Mitgliedstaaten verteilen.
Außerdem wollen wir das Europäische Friedensinstitut finanziell stärker in seiner
Mediationsarbeit unterstützen.
Wir stellen uns gegen den fatalen Paradigmenwechsel, zivile Gelder aus dem EU-Haushalt für
militärische Zwecke oder zur Abwehr von Geflüchteten umzuwidmen. Die Trennschärfe zwischen
entwicklungspolitischen und militärischen Maßnahmen muss bewahrt werden. Wir lehnen sowohl
die Öffnung des Instruments für Stabilität und Frieden für militärische Zwecke ab als auch
den Plan der EU-Kommission, dieses Instrument 2020 auslaufen zu lassen. Stattdessen fordern
wir eine Verdoppelung der Mittel im Bereich der zivilen Krisenprävention.
Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete stoppen
Europa exportiert Waffen und Rüstungsgüter in Kriegs- und Krisengebiete sowie in Diktaturen.
Das wollen wir stoppen. Nationale Wirtschaftsinteressen dürfen nicht Frieden gefährden. Auch
wollen wir nicht, dass Überwachungssysteme zur Unterdrückung von Menschen in Diktaturen
genutzt werden. Wir fordern daher, dass die gemeinsamen Regeln für die Ausfuhrkontrolle von
Militärtechnologie und Militärgütern (gemeinsamer Standpunkt des Rats von 2008)
rechtsverbindlich und einklagbar werden.
Wir setzen uns auf europäischer Ebene für den Erhalt und die Stärkung internationaler und
regionaler Rüstungskontrollregime ein. Die EU muss darauf hinwirken, diese Abkommen auch auf
neue Bereiche der Kriegsführung – wie den Cyberraum oder Outer Space – auszudehnen. Wir
wollen, dass die EU für die Einbeziehung bewaffneter unbemannter Luftfahrzeuge in
internationale Abrüstungs- und Rüstungskontrollregime eintritt. Weiterhin sollte sie sich
für eine präventive völkerrechtliche Ächtung autonomer Waffensysteme einsetzen. Außerdem
muss die EU zur atomaren Abrüstung beitragen, sowohl im Innern durch den Einsatz für ein
atomwaffenfreies Europa als auch international.
Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
Heutzutage werden Sicherheitsrisiken immer komplexer und reichen von der Verbreitung von
Massenvernichtungswaffen und Cyberangriffen bis hin zur Bedrohung der Energie- und
Umweltsicherheit, während zugleich militärische Annexionen direkt vor unserer Haustür
stattfinden. Europa kommt gar nicht darum herum, sich diesen Herausforderungen stärker
selbst zu stellen. Die NATO hat nach wie vor eine wichtige Bedeutung für die Sicherheit
Europas. Doch angesichts der Spannungen und Konflikte im NATO-Bündnis ist es sinnvoll, die
Sicherheit Europas stärker gemeinsam voranzutreiben. An der Vision einer gesamteuropäischen
Sicherheitsordnung, die den Raum der OSZE umfasst, halten wir fest. In diesem Sinne wollen
wir an einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsunion arbeiten und die verstärkte
Zusammenarbeit der Streitkräfte in der EU ausbauen, anstatt immer mehr Geld in nationale
Rüstungssektoren zu pumpen.
Forderungen aus der NATO, die nationalen Militärausgaben auf 2 % des Bruttoinlandsprodukts
zu steigern, lehnen wir ab. Aus Sicht der EU-Kommission würden sich schon jetzt durch eine
tiefgehende Kooperation im Verteidigungsbereich Einsparungsmöglichkeiten von 25 bis 100
Milliarden Euro pro Jahr ergeben. Statt 17 nicht funktionsfähiger Systeme sollten wir besser
ein funktionierendes System schaffen. Wir unterstützen daher grundsätzlich die ständige und
strukturierte Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich (PESCO), wobei die zivile Seite der
Sicherheitskooperation bislang deutlich hinterherhinkt. Die Zusammenarbeit im
Verteidigungsbereich darf aber nicht dazu führen, dass wir zusätzliches Geld in ein
ineffizientes System der Verteidigungsbeschaffung stecken. Was europäisch getan wird, darf
nicht noch parallel national weitergeführt und finanziert werden. Vielmehr wollen wir eine
sicherheitspolitische Integration auf europäischer Ebene im Rahmen des EU-Budgets im Sinne
einer echten Umsetzung des „pooling & sharing“. Die europäischen Verteidigungsausgaben
dürfen auch nicht zu Lasten anderer Aufgaben der EU gehen. Die Umwidmung bisher ziviler
Haushaltstitel auf EU-Ebene lehnen wir ab. Wir sind gegen eine Etablierung von
Parallelstrukturen zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP). Ein
gemeinsames außen- und sicherheitspolitisches Vorgehen Europas kann es nur innerhalb der
Strukturen der Europäischen Union geben.
Damit der Einsatz des Militärs auch wirklich das äußerste Mittel bleibt, muss der zivile
Aspekt der Sicherheit deutlich gestärkt werden, wozu vor allem die Nichtverbreitung von
Waffen, die Verhinderung von Völkermord, die wirtschaftliche Entwicklung, die
Rechtsstaatlichkeit, die Vermittlung und Versöhnung und die territoriale Integrität zählen.
Wichtig ist für uns, dass die gemeinsamen Verteidigungsprojekte auch parlamentarisch durch
das Europäische Parlament kontrolliert werden. Aus nationaler Erfahrung wissen wir, dass
Großprojekte ohne Transparenz und echte Kontrollmöglichkeiten häufig in Missmanagement und
Korruption enden.
Außerdem brauchen wir eine regelmäßige Debatte zu Einsätzen, die im Rahmen der Missionen der
Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU durchgeführt werden. Auch
die Evaluierung solcher Missionen sollte durch das Europaparlament erfolgen. Nationale
Parlamentsvorbehalte dürfen im Zuge einer stärkeren Rolle des Europäischen Parlaments aber
nicht abgeschafft oder unterwandert werden. Mitgliedstaaten sollen auch in Zukunft die
Möglichkeit haben, nicht an GSVP-Missionen teilzunehmen.
Europäischer Beitrag zur Konfliktprävention, Friedenssicherung und Schutz vor Verbrechen
gegen die Menschlichkeit
Eine an den Menschenrechten orientierte Außenpolitik, die dem Schutzprinzip des Völkerrechts
verpflichtet ist, bedeutet auch, zu handeln, wenn Menschenrechte massiv verletzt werden. Wir
setzen uns daher für den Ausbau der europäischen Polizei- und Rechtsstaatsmissionen ein wie
auch für Ausbildungs- und Unterstützungsmissionen zur Vorsorge oder zur Stabilisierung von
Friedensprozessen.
Wir stehen zu einer Kultur der militärischen Zurückhaltung und für das Primat des Zivilen.
Die Anwendung militärischer Gewalt ist immer ein Übel. Es gibt jedoch Situationen, in denen
militärische Gewalt unter eng begrenzten Bedingungen als äußerstes Mittel im Sinne der
Schutzverantwortung der VN notwendig ist, weil nationale Regierungen nicht in der Lage oder
willens sind, Menschen vor schweren Menschenrechtsverbrechen zu schützen. Dabei steht an
erster Stelle immer die Prävention, also das Verhindern gewaltsamer Entwicklungen. Wir
machen uns die Entscheidung über Militäreinsätze niemals einfach, sondern prüfen mögliche
Mandate kritisch und sorgfältig.
Für uns gelten die VN-Charta und das Völkerrecht. Wir werden Einsätzen der Bundeswehr nur
auf Grundlage der VN-Charta und mit einem Mandat der Vereinten Nationen nach Kapitel VI oder
VII der VN-Charta zustimmen. Allerdings kann ein Nichthandeln aufgrund einer Blockadehaltung
einer oder mehrerer Vetomächte das Völkerrecht und die Vereinten Nationen ebenso massiv
beschädigen wie das Handeln ohne ein Mandat. Wenn der Sicherheitsrat blockiert ist, muss
sich die Generalversammlung damit befassen. Einsätze müssen grundgesetzkonform sein und im
Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit erfolgen. Ohne eine umfassende zivile
Gesamtstrategie und eine Einbettung in klare Konzepte für die Zukunft des betroffenen
Staates dürfen militärische Interventionen nicht erfolgen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- mehr Finanzmittel und Personal für europäische Polizei- und Rechtsstaatsmissionen,
- eine europäische Sicherheitsunion, die parlamentarisch kontrolliert wird,
- keine Waffenlieferungen an Diktatoren und in Kriegs- und Krisengebiete,
- eine Verdoppelung der Mittel für zivile Krisenprävention.
4.4 Globale Gerechtigkeit und Entwicklung fördern
Für eine gerechte Globalisierung brauchen wir eine EU, die eine menschenrechtsbasierte
globale Strukturpolitik vorantreibt, aktiv wird und nicht in Nationalismen zurückfällt.
Politikkohärenz im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung ist unser Ziel, damit beispielsweise
Handelspolitik nicht Entwicklungszusammenarbeit torpediert. Die 17 globalen
Nachhaltigkeitsziele, beschlossen im Jahr 2015 von den Vereinten Nationen, müssen innerhalb
der EU und global umgesetzt werden. Entwicklung gelingt nur dann, wenn wir soziale,
ökologische und wirtschaftliche Kriterien zusammendenken. Ziele wie
„Geschlechtergerechtigkeit“, „saubere Energie“, „gute Bildung“, „Frieden, Gerechtigkeit und
starke Institutionen“ der Agenda 2030 müssen wir in der EU durch eine ambitionierte
Nachhaltigkeitsstrategie verwirklichen. Wir müssen unsere Politik ändern, wenn
Agrarsubventionen Märkte in armen Ländern zerstören, wenn europäische Rechtsräume zur
Geldwäsche oder für die Steuer- und Kapitalvermeidung missbraucht werden oder wenn unsere
Handelspolitik Entwicklungschancen zerstört. Eine sozial-ökologische, vielfältige EU ist der
richtige Weg, um dem neuen Nationalismus und den antidemokratischen Kräften
entgegenzutreten.
Dies ist auch die beste Antwort auf die Herausforderungen weltweiter Fluchtbewegungen, um
Menschen davor zu bewahren, ihre Heimat verlassen zu müssen, sei es aufgrund von Verfolgung,
Folter, Kriegen, Hunger, Dürren oder anderen Krisen. Wir müssen endlich die strukturellen
Ursachen der Zerstörung von Lebensgrundlagen konsequent angehen. Unser Lebensstil, unsere
Art zu konsumieren, unser Wirtschaftssystem zerstören die Lebensgrundlagen von Millionen von
Menschen im Süden unseres Planeten. Europäische Unternehmen exportieren Rüstungsgüter in
Krisengebiete, überfischen die Weltmeere, und unsere Gesellschaften nehmen in Kauf, dass
unsere Agrarexporte andernorts die Existenzgrundlage von Bäuerinnen und Bauern zerstören.
Menschen, die nichts mehr zu verlieren haben, lassen sich weder mit höheren Zäunen noch mit
Patrouillenbooten oder durch Pakte mit Autokraten aufhalten. Stattdessen braucht es eine
kohärente internationale Politik und strukturelle Reformen in Bereichen wie Handel,
Landwirtschaft, Energie, Fischerei, Außenpolitik und Klimaschutz, wie sie die nachhaltigen
Entwicklungsziele der UN vorgeben.
Die EU-Mitgliedstaaten haben sich schon lange zu einer Erhöhung der Entwicklungsfinanzierung
auf 0,7 % des Bruttoinlandsprodukts verpflichtet – die immer noch nicht erreicht sind. Wir
sprechen uns klar dagegen aus, dass Ausgaben für Flüchtlinge im Inland und innerhalb der
Europäischen Union als Ausgaben für die Entwicklungsfinanzierung gerechnet werden können.
Vielmehr brauchen wir überprüfbare Zwischenschritte, um das 0,7%-Ziel in der EU tatsächlich
zu erreichen. Die wirtschaftlich starken Länder der EU stehen hier besonders in der Pflicht
und müssen gemeinsam vorangehen. Dabei sind Entwicklungsgelder nicht alles. Wir setzen uns
dafür ein, dass die EU konsequent die Kapital- und Steuervermeidung aus Entwicklungs- und
Schwellenländern begrenzt. Dazu gehören Transparenzregister, das Austrocknen europäischer
Steuersümpfe und die verpflichtende, länderbasierte Berichterstattung globaler Konzerne, die
in der EU ihren Sitz haben.
Der humanitäre Bedarf der Vereinten Nationen zur Vermeidung von Hungersnöten oder
schlimmsten Katastrophen wird von der Staatengemeinschaft immer wieder nicht erfüllt,
allerhöchstens erst nach wiederholten Appellen und Sondergipfeln. Wir wollen eine Stärkung
und ausreichende Finanzierung der europäischen und internationalen Organisationen in diesem
Bereich, dazu zählt insbesondere auch eine finanziell bessere Ausstattung der europäischen
Organisation für humanitäre Hilfe, ECHO. Auch die nationalen europäischen Hilfen sollen
besser koordiniert sein.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- die Erhöhung der Entwicklungsfinanzierung,
- die Bekämpfung von Kapital- und Steuerflucht aus Entwicklungs- und Schwellenländern,
- eine Stärkung und bessere finanzielle Ausstattung der europäischen Organisation für
humanitäre Hilfe.
4.5 Fairen und offenen Welthandel voranbringen
Die globale Arbeitsteilung hat unzähligen Ländern mehr Wohlstand gebracht. Millionen
Menschen in sich entwickelnden Ländern haben auch dadurch den Sprung aus extremer Armut
geschafft. Der Austausch von Waren und Dienstleistungen fördert die Verbreitung von
Innovationen und trägt zu friedlichen Beziehungen zwischen den Nationen bei. Doch
gleichzeitig führt eine unregulierte Globalisierung viel zu oft zur Ausbeutung von Menschen
und Umwelt und beschleunigt die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Der aktuelle globale
Wettbewerb setzt soziale und ökologische Standards in den Staaten unter Druck. Die
Wohlstandsgewinne aus dem globalen Handel sind teilweise extrem ungleich verteilt.
Der offene Welthandel soll fair, ökologisch und gerecht gestaltet sein und Mensch und Umwelt
in den Mittelpunkt stellen. In diesem Sinne setzen wir uns dafür ein, dass die Europäische
Union eine führende Rolle bei der sozial-ökologischen Regulierung des Welthandels einnimmt.
Global und demokratisch
Die Welthandelsordnung steht unter Druck. Verhandlungen in der Welthandelsorganisation (WTO)
stecken in der Sackgasse. Immer mehr Staaten setzen darauf, nur mit einzelnen anderen
Staaten Handelsabkommen abzuschließen. Die „America-first-Politik“ von Donald Trump oder
Chinas aggressive Industriepolitik verstärken den Sog zu immer mehr bilateralen Abkommen.
Wir sehen das skeptisch, denn dabei geraten die Interessen von Ländern, die keinen Platz am
Verhandlungstisch haben, immer unter die Räder und die Verhandlungsposition ärmerer Länder
wird geschwächt.
In einer echten globalen Partnerschaft dürfen nicht nur die wirtschaftlich Stärksten
entscheiden. Deswegen fordern wir die Wiederbelebung der Verhandlungen im Rahmen der WTO.
Dazu sollte die EU einen Vorschlag vorlegen, der die WTO und das Welthandelssystem
reformiert und neu belebt und langfristig unter das Dach der Vereinten Nationen stellt.
Die Errichtung einer neuen globalen Welthandelsordnung wird Zeit brauchen. Daher können für
den Übergang auch Abkommen zwischen einzelnen Staaten und Wirtschaftsräumen sinnvoll sein.
An diese Abkommen legen wir aber harte Kriterien an. Sie dürfen nicht zu Lasten Dritter
gehen. Sie müssen demokratisch und transparent zustande kommen. Und sie müssen Umwelt- und
Klimaschutz, Menschenrechte, Entwicklung und soziale Gerechtigkeit voranbringen. Getrieben
von einer konservativ-neoliberalen Mehrheit wurde in Europa eine Handelspolitik
vorangebracht, die diesen Grundsätzen widerspricht oder sie sogar in ihr Gegenteil verkehrt.
Im Mittelpunkt stehen die Interessen von großen Konzernen, während Verstöße gegen
Umweltschutz, Arbeitnehmer*innen- und Menschenrechte weiterhin nicht bestraft werden.
Wir sind zusammen mit einer breiten europäischen Zivilgesellschaft erfolgreich dagegen auf
die Straße gegangen und haben dazu beigetragen, dass TTIP nicht gekommen ist und bei CETA
und JEFTA einseitige Gerichte für private Investoren erstmal verhindert werden konnten. Das
macht deutlich, dass es sich lohnt, für faire, ökologische, gerechte und demokratische
Handelsabkommen zu streiten, auch wenn wir noch nicht am Ziel sind.
Wir Grünen lehnen das Abkommen mit Japan (JEFTA) deshalb in dieser Form ab, zum Beispiel
wegen der mangelnden Verankerung und Durchsetzung des Vorsorgeprinzips und des Pariser
Klimaschutzabkommens im Vertragstext. Gerade mit Ländern wie Japan bestünde die Chance, es
endlich besser zu machen.
Ein Großteil von CETA ist bereits in Kraft, die problematischen Teile, die auch national
ratifiziert werden müssen, noch nicht. Diese wollen wir in der aktuellen Form nicht
ratifizieren.
Beim Abkommen mit den südamerikanischen Staaten (Mercosur) setzt die EU auf die
Liberalisierung bei Dienstleistungen, obwohl öffentliche Wasser- und Stromversorgung gerade
in den Ländern des Mercosur ein wichtiges Mittel zur Armutsbekämpfung sind. Gleichzeitig ist
auf Bestreben Brasiliens der Schutz des Amazonas-Regenwaldes aus dem Vertragstext geflogen.
Wir wollen auch mit unseren Handelspartnern in Südamerika Umwelt, Verbraucher und
Menschenrechte in den Mittelpunkt von Handelsverträgen rücken.
Unsere grüne Alternative zur bisherigen EU-Handelspolitik ist eine Handelspolitik, die die
Globalisierung gerecht gestaltet. Es ist nicht hinnehmbar, dass es Sonderschiedsgerichte für
Investoren zwischen Rechtsstaaten gibt, während Klimaschutz, Menschenrechte oder das
Vorsorgeprinzip nur schmückende Prosa bleiben. Wir lehnen einseitige Gerichte für private
Investoren ab.
Wir setzen uns stattdessen für einen ständigen internationalen Handelsgerichtshof ein, vor
dem nicht nur Unternehmen klagen können, sondern auch Betroffene gegen die Verletzung
menschenrechtlicher, sozialer und umweltrelevanter Verpflichtungen durch transnationale
Unternehmen. Der Vorschlag der EU-Kommission für einen multilateralen
Investitionsgerichtshof (MIC) erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Parlamente dürfen durch
Regeln zur regulatorischen Zusammenarbeit in Handelsabkommen nicht umgangen oder geschwächt
werden.
Das Vorsorgeprinzip, nach dem die Unbedenklichkeit von Produkten vor der Zulassung
nachgewiesen werden muss, ist die tragende Säule des europäischen Schutzes von Umwelt und
Verbraucher*innen. Die bestehende Verankerung des Vorsorgeprinzips im Primärrecht der EU
reicht hierzu nicht aus. Deshalb wollen wir, dass es für alle Bereiche der EU-
Handelsabkommen gilt. Auch Produkte, deren Verkauf in Europa verboten ist, wie bestimmte
Giftstoffe und Waffen, sollten hier auch nicht produziert und dann exportiert werden dürfen.
Wir wollen im Handel auch die Interessen von kleinen und mittleren Unternehmen stärken und
damit der Konzentration von wirtschaftlicher Macht entgegenwirken. Sie profitieren von
Zollreduktion und einheitlichen technischen Standards.
Für faire Arbeitsbedingungen, Klimaschutz und Menschenrechte
Handel sollte soziale Gerechtigkeit, faire Arbeitsbedingungen und Menschenrechte
unterstützen. Menschenrechte und die Arbeitnehmerschutzrechte der internationalen
Arbeitsorganisation, also die ILO-Kernarbeitsnormen, müssen im Handel fest verankert werden,
und ihre Verletzung muss einklagbar sein. Bei Verstößen muss die EU Handelsvergünstigungen
auch entziehen. Die EU-Kommission setzt in erster Linie auf freiwillige
Selbstverpflichtungen. Die Erfahrung zeigt: Das reicht nicht. Notwendig sind gesetzliche
Sorgfaltspflichten, neue Haftungsregeln und bessere Klagemöglichkeiten innerhalb der EU –
auch für Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen, die von europäischen Unternehmen
verursacht werden. Wir wollen Unternehmen gesetzlich zu mehr Verantwortung und Transparenz
in Bezug auf ihre Lieferketten verpflichten sowie dazu, Menschen- und Arbeiter*innenrechte
einzuhalten und fairer und ökologischer Beschaffung den Vorrang zu geben.
Die Klimaziele von Paris müssen fester Bestandteil des Welthandels werden. Wir unterstützen
den Vorschlag des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, die Klimaziele von Paris als
wesentlichen Bestandteil in Handelsabkommen zu verankern und damit verbindlich umzusetzen.
Wir müssen Handel und Klima in Einklang bringen. Eine Vorreiterrolle im Klimaschutz darf
nicht zu Nachteilen im internationalen Wettbewerb führen. Im Gegenteil wollen wir erreichen,
dass sich ein ambitionierter Klimaschutz auch ökonomisch rechnet. Dies kann zum Beispiel
über eine zu entwickelnde Klimaabgabe auf schmutzige Importe erfolgen, die aber WTO-konform
ausgestaltet sein muss.
Unfairen Wettbewerb durch Preis- oder Standard-Dumping wollen wir verhindern. Die letzte
Reform der europäischen Anti-Dumping-Instrumente war ein wichtiger Schritt. Es ist ein
Erfolg grüner Politik im Europaparlament, dass Marktverzerrung nun auch bei Verstößen gegen
internationale Arbeitnehmer- und Umweltstandards festgestellt werden kann. Wir wollen in
kritischen Bereichen strategische Infrastruktur schützen.
Handelsabkommen dürfen keine Treiber von Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung
werden. Wo sich Privatisierungen als Holzweg erwiesen haben, wollen wir diese rückgängig
machen können. Die öffentliche Daseinsvorsorge muss umfassend geschützt werden. Kommunen
dürfen in ihrer Handlungsfreiheit nicht beschränkt werden.
Faire Rohstoffpolitik
Durch viele Produkte des Alltags sind wir mit der ganzen Welt verbunden, die Produktion
findet in Asien statt, die Rohstoffe kommen vom afrikanischen Kontinent und konsumiert wird
bei uns. Wir wollen die Lieferketten besser kontrollieren. Deshalb wollen wir transparente
Lieferketten mit sozialen und ökologischen Mindeststandards durch entsprechende
Offenlegungs- und Sorgfaltspflichten erreichen. Was in der Europäischen Union konsumiert
wird, darf nicht zu Krieg und Ausbeutung beitragen.
Wir stehen für eine andere Rohstoffpolitik. Die Rohstoffe, die wir für unsere Handys oder
Tablets benötigen, werden oft unter miserablen Bedingungen abgebaut und gehen mit
Menschenrechtsverletzungen, Konflikten und Umweltzerstörungen einher. Ausbeutung darf aber
nicht Grundlage der Digitalisierung und unseres Konsums sein. Wir treten ein für faire
Rohstoffpartnerschaften, die die Bedürfnisse der Abbauländer berücksichtigen, für Einsparung
des Rohstoffverbrauchs und eine nachhaltige Nutzung in Europa. Wir wollen verbindliche
Standards bei Abbau, Weiterverarbeitung und Handel von Rohstoffen im Rahmen eines
transparenten Verfahrens, das auch gegen Korruption und Steuervermeidung wirkt. Besonders
Konfliktmineralien müssen besser kontrolliert werden.
Entwicklungspartnerschaft auf Augenhöhe
Die gegenwärtige Handelspolitik der EU mit Entwicklungsländern ist einseitig von den
wirtschaftlichen Interessen europäischer Unternehmen dominiert. Durch den Abbau von Zöllen
werden heimische Industrie, Handwerk und Landwirtschaft in Entwicklungsländern durch
Billigimporte aus der EU bedroht. Die EU ist durch ihre starke Verhandlungsposition in der
Lage, den Entwicklungsländern Bedingungen zu diktieren. Die derzeitigen
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) mit Afrika verhindern den Aufbau einer eigenen
Wirtschaft in diesen Ländern, statt ihn zu fördern. Wir wollen diese Abkommen stoppen und zu
einer echten Entwicklungspartnerschaft auf Augenhöhe übergehen. Die Entwicklungsländer
müssen ihren Weg einer nachhaltigen Entwicklung selbst bestimmen können. Gleiche Rechte sind
nur zwischen gleich starken Partnern gerecht. Wer die Schwächeren fördern will, muss ihnen
mehr Rechte als den Starken gewähren. Wir wollen Entwicklungsländern ausreichend Raum für
handelspolitische Schutzmaßnahmen lassen, um ihre heimische Wirtschaft aufzubauen und junge
Industrien zu schützen. Zolleinnahmen sind eine wichtige Einnahmequelle für
Entwicklungsländer. Ohne diese werden die mageren Staatseinnahmen stark belastet und es
fehlen Mittel für Investitionen in öffentliche Güter wie Bildung, Basis-Gesundheitsdienste
und andere Aspekte der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die EU hingegen sollte ihre Zölle auf
verarbeitete Produkte aus Entwicklungsländern abschaffen, um eine diversifizierte Industrie
und Wertschöpfung vor Ort zu ermöglichen.
Fairer Handel auch in der Landwirtschaft
Europäische Agrarsubventionen zerstören kleinbäuerliche Strukturen im globalen Süden und
schaffen so Abhängigkeiten, vernichten Existenzen und zementieren Armut. Deshalb lehnen wir
sie ab. Wir brauchen einen Neustart des europäischen Agrarhandels, der nicht länger mit
Dumpingpreisen Märkte im globalen Süden zerstört. Die Patentierung von Saatgut sowie
Landgrabbing wollen wir bekämpfen. Die EU muss Investoren und staatliche Institutionen dazu
drängen, die Leitlinien der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN zu
Landrechten, Fischgründen und Wäldern einzuhalten. Agrochemiekonzerne wie Bayer, der durch
die Übernahme von Monsanto zum Marktbeherrscher geworden ist, kontrollieren bereits jetzt
große Teile des weltweiten Saatgut-, Düngemittel- und Pestizidmarkts. Mit ihren Patenten
werden Kleinbäuerinnen und -bauern in teure Abhängigkeiten gezwungen und die Artenvielfalt
wird zerstört. Wir wollen die Rechte der Kleinbäuerinnen und -bauern in Entwicklungsländern
auf freien Austausch und kostenlose Wiederaussaat von Saatgut sichern. Darüber hinaus wollen
wir den Auf- und Ausbau lokaler Saatgutbanken fördern, damit traditionelles Wissen und die
biologische Vielfalt erhalten und zugänglich bleiben. Sortenvielfalt ist ein wichtiger
Baustein, um das Recht auf Nahrung zu verwirklichen und die Landwirtschaft
widerstandsfähiger gegen die Folgen des Klimawandels zu machen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- die Verankerung des Pariser Klimaschutzabkommens und des Vorsorgeprinzips in allen
Handelsverträgen der EU,
- WTO-konforme Klimaabgaben auf schmutzige Importe,
- die Abschaffung von Zöllen auf verarbeitete Produkte aus Entwicklungsländern.
4.6 Drogenkriege beenden
Der globale Krieg gegen Drogen ist gescheitert. Er fördert organisierte Kriminalität,
unterminiert die Gesundheit der Drogenkonsument*innen, verletzt Menschenrechte und trägt zur
Destabilisierung von Staaten bei. Damit verhindert er die politische und wirtschaftliche
Entwicklung der betroffenen Länder. Europa trägt als Konsumentenregion Verantwortung für die
Auswirkungen der Nachfrage nach Drogen. Wir wollen deshalb, dass die Europäische Union sich
auf der Ebene der Vereinten Nationen dafür einsetzt, dass der Drogenkrieg beendet wird.
Nationale Schritte für eine Reform der Drogenpolitik wie in verschiedenen Ländern
Lateinamerikas sollten unterstützt und nicht behindert werden. Die Europäische Union sollte
deshalb global eine Reform der Drogenpolitik in den betroffenen Staaten unterstützen, die
auf Prävention, Hilfe, Schadensminderung, Entkriminalisierung und Regulierung setzt. Wir
fordern eine an den tatsächlichen gesundheitlichen Risiken orientierte Regulierung von
Drogen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- eine globale Reform der Drogenpolitik,
- eine an den gesundheitlichen Risiken orientierte Regulierung von Drogen.
weitere Antragsteller*innen
- Jakob Brunken (Ostholstein KV)
- Stephan Wiese (Stormarn KV)
- Jutta Paulus (Neustadt-Weinstraße KV)
- Andreas Gernegroß (Salzland KV)
- Werner Weindorf (München KV)
- Rasmus Andresen (Flensburg KV)
- Ralf Henze (Odenwald-Kraichgau KV)
- Hans Schmidt (Bad Tölz-Wolfratshausen KV)
- Tabitha Elkins (Alzey-Worms KV)
- Ralf Bohr (Bremen-Ost KV)
- Peter Meiwald (Ammerland KV)
- Kerstin Dehne (München KV)
- Miriam Matz (Saalekreis KV)
- Carl Ulrich Gminder (Reutlingen KV)
- Bernd Frieboese (Berlin-Reinickendorf KV)
- Julian Breitschwerdt (Karlsruhe-Land KV)
- Bernd Voß (Steinburg KV)
- Catherine Kern (Hohenlohe KV)
- Carolin Schenuit (Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf KV)
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