a. sprachlich: ein "wieder handlungsfähiger" würde die seit Jahrzehnten anhaltende Entschluss- und Handlungsschwäche der Vereinten Nationen verharmlosen. Mit "voll handlungsfähig" ist die Zielsetzung richtig angegeben. - Eine innerhalb der EU koordinierte und geschlossene Stimmabgabe der EU-Mitgliedsstaaten ist eine umgehend praktikable Vorstufe des angestrebten EU-Sicherheitsratssitzes. - Nur "eine internationale Debatte über das Vetorecht" wäre viel zu schwach, hier soll das von Grünen längst beschlossene Ergebnis einer solchen Debatte wieder ins Wahlprogramm. - Das Wort "können" wäre direkt kontraproduktiv, es würde den Eindruck erwecken, als ob Grüne sich dies bloss wünschen würden. Bündnis 90/Die Grünen hat sich 2012, 2014 und 2017 dazu bekannt, dass die Generalversammlung dieses Recht und diese Aufgabe tatsächlich hat und im Fall der Not auch wahrnehmen soll. - Die "diplomatische[n] Maßnahmen" und "Sanktionen ", die die Generalversammlung an Stelle des Sicherheitsrats beschliessen kann, sind bereits "friedenserzwingende Maßnahmen nach Kapitel VII der VN-Charta", nämlich gemäß Artikel 40 und 41 in diesem Kapitel.
b. grundsätzlich: Die Vereinten Nationen haben den Auftrag, "den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken..." ( http://www.un.org/en/sections/un-charter/chapter-i/index.html ).
Zur weltweit wirksamen Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit müssen die Vereinten Nationen sich auch über Machtinteressen einer Vetomacht oder mehrerer Vetomächte hinwegsetzen können. Um das zu können, brauchen sie die Fähigkeit, Veto-Blockaden ihres Sicherheitsrates zu überwinden. Dies geht, indem eine qualifizierte (d.h.: Zweidrittel-)Mehrheit ihrer Generalversammlung einspringt und selbst friedenserzwingende Massnahmen nach Kapitel VII der VN-Charta beschliesst. Das Recht dazu hat die Generalversammlung sich erstmals 1950 selbst zugesprochen.
Wenn sie dieses Recht praktisch anwendet, dann geht die grosse Mehrheit der in der Generalversammlung vertretenen Mitgliedstaaten in einen ernsthaften politischen Konflikt. Ständige Mitglieder des Sicherheitsrats werden behaupten, diese Durchkreuzung ihrer Vetomacht sei eine unzulässige Über- bzw. Fehlinterpretation der VN-Charta. Wir sollten uns der Risiken bewusst sein, die mit einem solchen Weiterentwicklungsprozess verbunden sind, aber eben auch der noch viel höheren Risiken bei einer abwartend-resignierenden Haltung. Denn es kann jederzeit wieder der Machtanspruch der Vetomächte, dass erst nach ihrer protokollierten Duldung schwerste Menschenrechtsverletzungen oder gar Völkermord verhindert oder gestoppt werden dürfen, zu unerträglichen Situationen führt.
Grüne sollten dabei bleiben, auch dann auf keinen Fall "Koalitionen der Willigen" ohne VN-Mandat zuzustimmen. Der Anschein, auf solche Weise einfacher und schneller die erforderliche "Feuerkraft" zur Einzelfallhilfe zusammenbekommen, täuscht. Erfahrungsgemäß können die Folgen für die betroffenen Ländern verheerend sein und der Bruch der VN-Charta weltweit die friedenssichernde Geltung des Völkerrechts und der Vereinten Nationen massiv beschädigen. Eben deswegen ist der Ausweg, friedenserzwingende Massnahmen durch die Generalversammlung zu mandatieren, ein lebenswichtiger, entscheidender Schritt auf dem Weg zu einer gut funktionierenden Weltfriedensordnung.
Das Recht der Generalversammlung, friedenserzwingende Massnahmen mit qualifizierter Mehrheit zu mandatieren, macht die Vereinten Nationen in jeder Konfliktlage tatsächlich entscheidungsfähig.
Erst nachdem die grosse Mehrheit der VN-Mitgliedstaaten auf dieses Recht gestützt mehrere Konflikte mit Vetomächten durchgestanden, die Stärke des Rechts gegen das "Recht des Stärkeren" durchgesetzt und Frieden erfolgreich erzwungen haben, gibt es vernünftige Gründe für die Hoffnung auf eine Welt ohne Atomwaffen.
Denn erst dann werden alle Atommächte den Vereinten Nationen zutrauen, ihre eigenen als vital verstanden Interessen auch bei einem ernsthaften Konflikt mit den grössten anderen Mächten zuverlässig und dauerhaft zu schützen. Erst dann werden sie die Risiken eines Verzichtes auf ihre Atomwaffen für geringer halten als die Risiken eines Behaltens.
c. Diese Änderungen wiederholen, konkretisieren und entfalteten die einschlägigen Forderungen
- der BDK Berlin, 2002, "Die Zukunft ist grün." (Grundsatzprogramm), https://www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Beschluesse/Grundsatzprogramm-Beschluss-BDK-Berlin-03-2002.pdf , dort S. 144,
- der BDK Hannover, 2012, "Für eine Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte – Responsibility to Protect - Vom Recht des Stärkeren zum Schutz des Individuums durch Stärkung des Rechts" , https://www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Beschluesse/Aussenpolitik-Schutzverantwortung-Beschluss-BDK-11-2012.pdf , dort S. 7 und 8
- der BDK Berlin, 2013, "Zeit für den grünen Wandel" (Bundestagswahlprogramm), https://www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Beschluesse/Gruenes-Bundestagswahlprogramm-2013.pdf , dort S. 307f.;
- der BDK Dresden, 2014, "Europa mitentscheiden, erneuern, zusammenhalten" (Europawahlprogramm), https://www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Gruenes-Europawahlprogramm-2014.pdf , dort S. 114
- der BDK Hamburg, 2014, "Europäische Friedenspolitik. Warum wir europäisches Engagement in der Welt brauchen", https://www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Beschl%C3%BCsse/Europaeische_Friedenspolitik.pdf , dort S. 2, 8 und 17;
- der BDK Berlin, 2017, "Zukunft wird aus Mut gemacht" (Bundestagswahlprogramm),
https://www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/BUENDNIS_90_DIE_GRUENEN_Bundestagswahlprogramm_2017_barrierefrei.pdf , dort S. 86f.
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