Veranstaltung: | 44. Bundesdelegiertenkonferenz Bielefeld |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | S Satzung und Statute |
Antragsteller*in: | Bundesvorstand (dort beschlossen am: 02.09.2019) |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 27.09.2019, 07:51 |
S-05: Geschlechtliche Vielfalt – Änderung der Urabstimmungsordnung
Antragstext
Die Bundesdelegiertenkonferenz beschließt folgende Änderung in der Urabstimmungsordnung:
1) Ersetze Satz 3 in § 10 Abs. 4 der Urabstimmungsordnung durch „Es dürfen maximal so viele
Stimmen auf Bewerber*innen, die nicht Frauen sind, abgegeben werden, wie offene Plätze zur
Verfügung stehen; andernfalls ist der Stimmzettel ungültig.“
§ 10 Abs. 4 lautet nun:
(4) Bei Benennungen von Spitzenkandidaturen nach § 25Absatz 7 der Satzung kann jede/r
Abstimmungsberechtigte so viele JA-Stimmen vergeben, wie Positionen zu besetzen sind. Pro
Kandidat*in kann nur eine Stimme vergeben werden. Der Wahlzettel kann insgesamt mit NEIN
oder ENTHALTUNG gekennzeichnet werden. Es dürfen maximal so viele Stimmen auf
Bewerber*innen, die nicht Frauen sind, abgegeben werden, wie offene Plätze zur Verfügung
stehen; andernfalls ist der Stimmzettel ungültig.
Begründung
Die folgende Begründung und eine Textsynopse zwischen der aktuellen Fassung und den beantragten Änderungen steht unter dem Link https://wolke.netzbegruenung.de/s/7XrCprN3iHLfwBs zum Download in der Grünen Wolke zur Verfügung.
Unser Grünes Frauenstatut ist in der deutschen Parteienlandschaft einmalig und eine echte feministische Erfolgsgeschichte: Seit über 30 Jahren trägt es dazu bei, dass wir Grüne einen sehr hohen Frauenanteil sowohl bei den Mitgliedern als auch in allen Fraktionen, Vorständen und anderen Gremien haben. Wir machen damit deutlich: Frauen sind die Hälfte der Bevölkerung, sie sollen auch die Hälfte der Macht bekommen. Bei allen gleichstellungspolitischen Fortschritten ist das Frauenstatut aber auch im Jahr 2019 noch so relevant wie bei seiner Verabschiedung. Die wohlvertrauten Instrumente des Frauenstatus wie Frauenquote, Frauengremien und quotierte Redelisten sind leider noch nicht überholt, sondern notwendig, um die gleichberechtigte politische Teilhabe und Sichtbarkeit von Frauen zu ermöglichen und zu sichern.
Was wir heute aber besser machen wollen als vor 30 Jahren, ist die Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt in unserer Satzung. Grünes Selbstverständnis ist, dass trans-, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen ein Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung haben – frei von politischen, medizinischen oder rechtlichen Pathologisierungsversuchen, Menschenrechtsverletzungen und Stigmatisierungen. Dafür kämpfen wir seit vielen Jahren in Solidarität und im Bündnis mit zivilgesellschaftlichen Organisationen und Aktivist*innen auf den unterschiedlichen politischen Ebenen.
Unsere Satzung ist jedoch noch geprägt von einem zweigeschlechtlichen, binären System der Geschlechter. Nicht alle Menschen wollen oder können sich aber einem der beiden Geschlechter zuordnen. Dies hat nicht zuletzt das Bundesverfassungsgericht mit seinem bahnbrechenden Urteil im Jahr 2017 endlich auch grundrechtlich festgestellt. Darauf haben wir bei unseren Formularen und Aufnahmeanträgen bereits reagiert.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 10. Oktober 2017 anerkannt, dass "die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen", durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt ist und der Staat sie aktiv vor Diskriminierung zu bewahren hat. In der Umsetzung hat die schwarz-rote Regierungskoalition im Dezember 2018 eine Neufassung des Personenstandrechts beschlossen, das als 3. Option den Geschlechtseintrag "divers" zulässt. Auch wenn diese Novellierung moderate Verbesserungen mit sich gebracht hat, kritisieren wir sie – gerade im Zusammenspiel mit den völlig fehlgeleiteten Reformüberlegungen der Großen Koalition zum veralteten, menschenrechtswidrigen "Transsexuellengesetz" – als nicht ausreichend und als nicht menschenrechtskonform. Auch hier werden wir uns weiterhin für eine substantielle Reform einsetzen. Es gilt: gleiches Recht für jedes Geschlecht!
Mit den vorliegenden Änderungsanträgen für unsere Satzung inklusive des Frauenstatuts gehen wir nun einen ersten Schritt, um der geschlechtlichen Vielfalt nun auch in den Statuten unserer Partei Rechnung zu tragen und bekräftigen zugleich das Prinzip der Mindestquotierung für Frauen. Anschließend an die Satzungsänderung wollen wir jedoch weiter diskutieren, wie geschlechtliche Vielfalt noch stärker in der Satzung verankert und in der Partei gelebt werden kann.
Diese Änderungsanträge haben drei Ziele:
Wir verändern unsere Satzung so, dass es in Zukunft Plätze für Frauen und Plätze für alle Kandidierenden unabhängig von ihrem jeweiligen Geschlecht gibt. Damit stellen wir nun auch in unserer Satzung und im Frauenstatut klar, dass die "offenen Plätze" keine "Männerplätze" sind, sondern Menschen aller Geschlechter offenstehen. Dies gilt analog für beispielsweise Redelisten oder die Besetzung von Gremien.
Wir machen klar, dass mit dem Begriff Frauen alle erfasst werden, die sich selbst so definieren. Denn die Geschlechtsidentität kann jeder Mensch nur für sich selbst bestimmen, keine andere Person oder gar eine staatliche Institution hat das Recht hier Zuweisungen auszusprechen.
Wir stellen klar, dass Frauenplätze bei Gremienwahlen (nicht bei Listenwahlen), wenn sie nicht mit einer Frau besetzt werden können, weil sich keine Frau findet oder eine Frau nicht gewählt wird, nicht durch eine Person eines anderen Geschlechts besetzt werden können. Damit gehen wir aktuell bestehende Unklarheiten in der aktuellen Satzung an.
Die Änderung unserer Satzungsdokumente ist ein erster Schritt, um geschlechtliche Vielfalt in unserer Partei voranzubringen. Weiter wollen wir auf allen Ebenen für mehr Sensibilisierung und für ganz konkrete Verbesserungen sorgen, damit niemand aufgrund des Geschlechts diskriminiert oder ausgeschlossen wird. Dies betrifft alle Ebenen unserer Partei. Beratend stehen dabei die frauenpolitische Sprecherin, das Bundesfrauenreferat sowie die Dachstruktur QueerGrün und die BAG Frauenpolitik zur Seite.
Kommentare
Dennis Barth:
Mario Hüttenhofer:
Soll damit die Kumulation von Stimmen auf KandidatEN, aber nicht auf Frauen, auf die Anzahl der offenen Plätze begrenzt werden?
Falls ja, widerspricht das aus meiner Sicht der Chancengleichheit und elementaren Wahlgrundsätzen, wenn auf Frauen mehr Stimmen vergeben (kumuliert) werden können, als auf andere Kandidaten.
Ich bitte um ein Beispiel im Begründungstext, so dass klarer wird, was mit der Regelung bezweckt ist.
Ganz vielen Dank. :-)