Veranstaltung: | 44. Bundesdelegiertenkonferenz Bielefeld |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschluss durch: | Bundesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 15.11.2019 |
Eingereicht: | 17.11.2019, 05:04 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Den Regenwald schützen – Mercosur stoppen!
Beschlusstext
Den Regenwald schützen – Mercosur stoppen!
Die Wälder Südamerikas brennen. Jeden Tag verschwinden große Flächen eines einzigartigen
Ökosystems für immer und der Lebensraum von Menschen wird zerstört. Die europäische Politik
ist in der Verantwortung zu handeln.
Seit dem Amtsantritt des Klimawandelleugners Bolsonaro hat sich die Zerstörung des
brasilianischenRegenwaldskatastrophal beschleunigt. Im Juni 2019 wurden verglichen mit dem
Vorjahresmonat 88 Prozent mehr Fläche abgeholzt, im Juli stieg dieser Anteil sogar um 278
Prozent. Allein im Juli sind demnach 2.254 Quadratkilometer Wald gerodet worden, das ist so
viel wie 225.000 Fußballpätze. Gestützt von einflussreichen Lobbyinteressen der Soja-,
Fleisch- und Holzwirtschaft, hatte Bolsonaro angekündigt, die Amazonasregion noch stärker
für die Landwirtschaft und den Bergbau erschließen zu wollen. Parallel hat er ein Klima der
Straffreiheit geschaffen und so den Teppich für illegale Brandrodungen ausgerollt.
Gleichzeitig wurde das Budget des Umweltministeriums für Klimaschutz von der brasilianischen
Regierung um 95 Prozent gekürzt.
Die aktuelle Vernichtung von Amazonas-Regenwald raubt der indigenen Bevölkerung ihre
Lebensgrundlage. Auch die allgemeine Menschenrechtslage hat sich in Brasilien unter der
neuen Regierung deutlich verschlechtert. Die neue Regierung hat das Waffengesetz aufgeweicht
und das Polizeigesetz verschärft. NGOs geraten mehr und mehr in das Visier der Regierung und
werden überwacht. Schon im Wahlkampf hat sich Bolsonaro massiv frauenfeindlich und homophob
geäußert und die Militärdiktatur verharmlost. Die Regierung ist eine Bedrohung für die
Rechte von Frauen, Minderheiten und indigener Bevölkerungsgruppen. Jair Bolsonaro kündigte
bereits an, weitere indigene Gebiete der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung zu öffnen
und schwächt Behörden zum Schutz der indigenen Bevölkerung. Dabei kommt ihr Einsatz für den
Schutz des Regenwaldes uns allen auf der Welt zugute.
Global sind die Brände eine Katastrophe für die Menschheit. Der Amazonas-Regenwald ist das
größte zusammenhängende Urwaldgebiet der Welt und damit einer der wichtigsten Speicher von
Kohlendioxid der Erde. Im Kampf gegen die Klimakrise ist der Wald von essentieller
Bedeutung, denn er ist eines der sogenannten Kippelemente, die – wenn sie einmal zerstört
sind – eine Spirale der Erderwärmung in Gang setzen können, die kaum mehr zu stoppen wäre.
Der Amazonas weist die größte Artenvielfalt aller tropischen Wälder der Welt auf, die
angesichts der massiven Rodungen Stück für Stück unwiederbringlich verloren geht.
Größter Treiber der Entwaldung Südamerikas ist die industrielle Landwirtschaft. Insbesondere
für Weideflächen für Rinder oder Anbauflächen für Soja oder Zuckerrohr wird der Wald
abgeholzt. Schon jetzt trägt der Fleischkonsum in der EU und die hohen Importe von Soja-
Futtermitteln zur Abholzung bei. Auch in Argentinien wie in Paraguay wird die
agrarindustrielle Umwandlung der Regen- und Trockenwälder nachdrücklich forciert. Es ist
eine Agrarindustrie, die im Cerrado in Brasilien wie in der Pampa Argentiniens gewaltige
Flächen mit Monokulturen überzieht. Es werden Pestizide in der sechs- bis zehnfachen Menge
wie in Europa ausgebracht. Viele dieser Pestizide sind in Europa verboten.
Zahlreiche soziale und ökologischen Ziele, für die wir in Europa sehr hart ringen und die
für den Erhalt unseres Planeten unverzichtbar sind, müssen wir auch in der europäischen
Handelspolitik durchsetzen. Doch das ausverhandelte Abkommen der EU mit den Mercosur-Staaten
wird zu weiteren Importsteigerungen von Rindfleisch, Geflügel, Zucker und Ethanol führen und
damit die Produktion in diesen Staaten weiter anheizen. Folglich steht zu befürchten, dass
auch der Landraub somit durch die steigende Produktion von Agrargütern weiter vorangetrieben
wird.
Das Abkommen befeuert nicht nur die Rodungen wie im Amazonas-Regenwald weiter, sondern hilft
einer Agrarindustrie zu weiterem Wachstum, die wir in Europa mit ökologischer Förderung, mit
Regeln zum Tierwohl und Grenzen beim Einsatz von Ackerchemie für den Erhalt der
Biodiversität umbauen wollen. Die Europäische Landwirtschaft steht trotz Subventionen unter
enormem (Preis-)Druck, da sie exportorientiert und damit an Weltmarktpreisen ausgerichtet
ist. Zusätzlich zu den Importen aus den USA setzt das Mercosur-Abkommen besonders den
europäischen Rindfleischmarkt nicht nur in Irland und Frankreich, sondern auch in den
deutschen Mittelgebirgslagen unter Druck.
Das Nachhaltigkeitskapitel im Mercosur-Abkommen ist völlig unzureichend, um die Umwelt- und
Menschenrechtsverbrechen zu verhindern oder auch nur einzudämmen sowie den Schutz von Klima
und Menschen zu gewährleisten. Im Gegensatz zu den anderen Kapiteln des Abkommens sind die
Bestimmungen im Nachhaltigkeitskapitel des EU-Mercosur-Abkommens nicht einklagbar und somit
zahnlos. Wichtige multilaterale Übereinkünfte zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung,
wie das Pariser Klimaabkommen oder andere Umweltabkommen werden zwar erwähnt, jedoch können
Verstöße nicht sanktioniert werden. Während die Nichteinhaltung der Handelsteile des
Abkommens eine Rücknahme der darin vereinbarten Handelserleichterungen zur Folge haben kann,
kann bei Verstößen gegen das Nachhaltigkeitskapitel lediglich ein Experten-Bericht mit
Empfehlungen veröffentlicht werden.
Auch wenn die meisten EU-Handelsabkommen eine Menschenrechtsklausel enthalten, die auch
Sanktionen bei Nichteinhaltung erlaubt, so ist diese in ihrer derzeitigen Form nicht
ausreichend und kommt fast nie zum Einsatz. Damit eine solche Klausel ihre Wirksamkeit
entfaltet, muss sie Damit eine solche Klausel ihre Wirksamkeit entfaltet, muss sie
Zwischenschritte ermöglichen, also Handelserleichterungen je nach Schwere der
Menschenrechtsverletzungen suspendieren. Darüber hinaus müsste sie dafür sorgen, dass das
Handeln der Parteien diesbezüglich auch regelmäßig überprüft wird und ein
Beschwerdemechanismus geschaffen wird, mit dem Mandat, Verstöße gegen
Menschenrechtsverpflichtungen des Freihandelsabkommens zu untersuchen. Die aktuellen
Menschenrechtsklauseln sind unzureichend.
Wir GRÜNE lehnen aus den genannten Gründen das Mercosur-Abkommen in dieser Form ab. Auch
mehrere europäische Regierungen haben sich nach den verheerenden Bränden im Amazonas-
Regenwald dagegen ausgesprochen, das EU-Mercosur-Abkommen in dieser Form zu ratifizieren.
Und Finnland hat sogar einen generellen Importstopp für brasilianisches Rindfleisch
gefordert. Das Österreichische Parlament hat mit großer Mehrheit eine Resolution
verabschiedet, die die Regierung zu einem „nein“ zu Mercosur verpflichtet.
Wir GRÜNE fordern:
die Bundesregierung auf, sich im Rat für einen Stopp der Ratifizierung des jetzigen
Mercosur-Abkommens und Nachverhandlungen mit einem neuen Mandat einzusetzen.
die Bundesregierung auf, sich im Rat für ein neues Verhandlungsmandat einzusetzen, das
für alle handelsrelevanten Kapitel Regeln für den Schutz und Erhalt von Umwelt,
Biodiversität und Klima vorsieht und zudem ein sanktionierbares
Nachhaltigkeitskapitel, Vereinbarungen zum Erhalt des Amazonas Regenwaldes in seiner
jetzigen Größe und einen wirksamen Beschwerdemechanismus für
Menschenrechtsverletzungen enthält. Handelserleichterungen darf es nicht für CO2
intensive Produkte geben.
einen europäischen gesetzlichen Rahmen, der sicherstellt, dass unsere Lieferketten
frei sind von Menschenrechtsverletzungen, Abholzung von Regenwald und grenzenlosem
Flächenverbrauch sowie anderen Umweltverbrechen.
Sofortmaßnahmen für den Klimaschutz in Deutschland, um unsere Verpflichtungen nach dem
Paris-Abkommen einzuhalten. Denn die Regenwälder des Amazonasbeckens leiden bereits
unter den Auswirkungen der Klimakrise.
Die Inanspruchnahme von landwirtschaftlichen Flächen im globalen Süden durch die EU-
Mitgliedsstaaten zu reduzieren, zum Beispiel durch den Anbau von alternativen
Futterpflanzen in der EU und stark verringerte Futtermittelimporte.
die Bundesregierung auf, im Rahmen der Konvention über die Rechte der indigenen Völker
die betroffenen indigenen Völker Südamerikas in ihren Rechten zu unterstützen.
Menschenrechte dürfen nicht nur formal ein wesentlicher Bestandteil des
Handelsvertrages sein, sondern müssen auch in der Praxis durchgesetzt werden.