Veranstaltung: | 44. Bundesdelegiertenkonferenz Bielefeld |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Bundesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 15.11.2019 |
Eingereicht: | 07.01.2020, 16:18 |
Deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2020 zur Klimapräsidentschaft machen und Europas Versprechen für Demokratie und Menschenrechte einlösen!
Beschlusstext
Deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2020 zur Klimapräsidentschaft machen und Europas Versprechen
für Demokratie und Menschenrechte einlösen!
Ende 2019 nimmt die neue Europäische Kommission ihre Arbeit auf und ihr Arbeitsprogramm wird
wegweisend für die kommenden Jahre europapolitischer Politik. Viele große Gesetzesvorhaben
werden dabei von dem Land verhandelt, das ab dem 1. Juli 2020 die EU-Ratspräsidentschaft
innehaben wird: Deutschland. Deutschland bildet ab dem 1. Juli 2020 bis Ende 2021 mit
Portugal und Slowenien die sogenannte Trio-Präsidentschaft. Im zweiten Halbjahr 2020 hat
Deutschland die Federführung. Das Trio formuliert gemeinsame Ziele und Prioritäten und
erarbeitet ein konkretes Programm, mit dem sich der Rat während der drei Präsidentschaften
befassen wird.
Die deutsche Ratspräsidentschaft zur Klima-Präsidentschaft machen
Im November 2020 findet die übernächste UN-Klimakonferenz (COP26) in Glasgow statt, kurz
davor kommen die UN-Mitgliedstaaten bei der 15. Weltartenschutzkonferenz zusammen. Eben in
dieser Zeit wird Deutschland die Ratspräsidentschaft innehaben. Die EU und Deutschland
müssen diese Chance nutzen und dem ins Stocken geratenen globalen Kampf gegen die Klimakrise
und dem Schutz der Biodiversität neues Leben einhauchen. Noch ist es nicht zu spät, dass wir
das Abkommen von Paris auch wirklich einhalten können, noch können die Aichi-Ziele zur
Bewahrung der biologischen Vielfalt erreicht werden. Dazu muss sich die EU auf ambitionierte
verbindliche Maßnahmen einigen, um in jedem Sektor unseren fairen Beitrag zur Erreichung der
Pariser Klimaschutzziele zu leisten. Wir brauchen endlich einen Aktionsplan Biodiversität.
Es gilt mit positivem Beispiel voranzugehen, um den Handlungsdruck auch auf zögernde
Regierungen in anderen Ländern der Welt zu erhöhen.
Doch bislang versagt die Bundesregierung nicht nur national beim Klimaschutz, sondern auch
europäisch. Das unambitionierte Klimapaket wird nur noch übertroffen von Deutschlands
Blockade bei europäischen Verhandlungen für mehr Klimaschutz. Es darf nicht sein, dass
Europa durch die rückwärtsgewandte Klimapolitik der Bundesregierung die Europäische Union
lähmt. So wurde zum Beispiel auch auf Betreiben Deutschlands verhindert, dass die
Europäische Investitionsbank, die zukünftige "Klimabank", endlich keine fossilen Kraftwerke
mehr fördert. Die EU hat wegen ihrer Wirtschaftskraft und ihrer historischen Emissionen eine
höhere Verantwortung. Aktuell ist sie aber vom Vorreiter zum Nachzügler geworden: die
Klimaziele reichen zur Einhaltung des Pariser Abkommens nicht aus, und die Maßnahmen sind
sogar für die Erfüllung der eigenen Ziele unzureichend. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen eine zu
100 Prozent erneuerbare und energieeffiziente Europäische Union als Treiber für die
internationale Energiewende. Dafür muss das europäische Klimaschutzziel, das sich keineswegs
auf dem Pfad der Pariser Klimaziele bewegt, ambitionierter und verbindlich werden: wir
fordern 65% Emissionsminderung bis 2030.
Ursula von der Leyen hat für ihre ersten 100 Tage einen Green Deal inklusive
Klimaschutzgesetz angekündigt und den designierten EU-Kommissar Frans Timmermanns
beauftragt, das Gesetz zusammen mit einem Plan für den europäischen Green Deal zu
erarbeiten. Es wird in die Zeit der deutschen Ratspräsidentschaft fallen, eine ambitionierte
Position der Mitgliedstaaten im Rat zu definieren. Im europäischen Klimaschutzgesetz sollen
klare Minderungsziele festgelegt werden, deren Erreichung unabhängig im Rahmen klarer
Mechanismen überprüft werden soll, es soll direkt notwendige Massnahmen in den Sektoren
unterlegen, damit Europa seine Verpflichtungen im Pariser Klimavertrag vollumfänglich
erreicht. Dazu gehören die verbindliche Einbeziehung der Sektoren Flugverkehr und
Schifffahrt ebenso wie die Umstellung der Landwirtschaft, um die Emissionen aus der
Düngerproduktion und Tierhaltung zu minimieren. Ziel der Ratspräsidentschaft muss es sein,
dass ein neues europäisches CO2-Reduktionsziel beschlossen wird, das mit dem Pariser
Klimaschutzabkommen kompatibel ist und zur Klimakonferenz in Glasgow COP26 eingereicht
werden kann. Da darf die aktuelle deutsche Politik auf keinen Fall der Maßstab für sein! Die
Bundesregierung muss auf europäischer Ebene für einen Mindestpreis im ETS von 40€ pro Tonne
CO2 eintreten.
Die neue Europäische Kommission wird wahrscheinlich eine Überarbeitung des Europäischen
gesetzlichen Rahmens für Gas vorlegen. Falls es frühzeitig zu einem neuen "Gaspaket" kommt,
wird die Bundesregierung die Ratsposition dazu verhandeln müssen. Statt weiter die
Fürsprecherin fossiler Energieträger zu spielen, wie etwa beim Bau der Gaspipeline Nord
Stream 2, sollte die Bundesregierung den Blick endlich in die Zukunft richten und die
Europäische Energiewende mit aller Kraft vorantreiben. Wir wollen keine weiteren Gelder für
fossile Infrastruktur ausgeben, sondern in den Ausbau der Erneuerbaren Energien und eine
Verbesserung der Energieeffizienz investieren und gezielt Power-To-X Technologien fördern.
Dafür muss Europa zu einem gemeinsamen Großmarkt auf der Basis von Erneuerbaren
zusammenwachsen.
Wir brauchen außerdem nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa einen vollständigen
Kohleausstieg. Während in Deutschland dafür die Milliardenpakete geschnürt werden, sieht es
auf europäischer Ebene dafür mau aus. Der deutsche Kohleausstieg - teuer, langsam,
rückwärtsgewandt - ist schlecht gemacht. Viel Geld für wenig Transformation und wenig
Zukunft und somit kein Vorbild für andere, auch weniger reiche Mitgliedsstaaten. Aber wir
wissen auch: die Transformation gibt es nicht umsonst. Dabei ist klar: auch andere
europäische Kohleregionen zum Beispiel in Polen werden Unterstützung für die Transformation
brauchen. Hier kann und muss die EU die wirtschaftlich schwächeren Länder beim Ausstieg
unterstützen. Der nun anvisierte "Just Transition Fund" im EU Haushalt muss auskömmlich
finanziert sein als Teil des Green Deals, an verbindliche Abschaltpläne gekoppelt werden,
nur zukunftsfeste Investitionen unterstützten und die Beschäftigten im Blick haben.
Die grüne Transformation der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft muss aber als
Querschnittsthema im nächsten EU-Haushalt gestaltet werden. Auch hier kommt es auf die
deutsche Regierung an aus dem Kohleausstieg ein europäisches Projekt zu machen! Wir brauchen
ein Divestment-Programm und ein Climate Mainstreaming für den EU-Haushalt. Nachdem mit der
Photovoltaik eine Schlüsselindustrie des 21. Jahrhunderts ohne Federlesens anderen
Volkswirtschaften überlassen wurde, gilt es, mit einer europäischen Wasserstoffstrategie
Know-How und zukunftsfähige Arbeitsplätze in der EU zu halten.
Die Landwirtschaft produziert heute größtenteils nach Bedingungen, die in eine Sackgasse für
Bäuer*innen, für Umwelt und Klima führen. Wir müssen dieses System grundsätzlich ändern, so
dass ein umwelt-, tier- und klimafreundliches Wirtschaften sich eher lohnt als
industrialisierte Landwirtschaft. Die Agrarpolitik der Bundesregierung wie auch die EU-
Agrarpolitik tun aber genau das nicht und leisten so ihren Beitrag, die Klimakrise
anzuheizen. Wir fordern daher einen radikalen Umbau der EU-Agrarförderung (GAP) sowie eine
Qualifizierung der Gelder der Europäischen Agrarpolitik: Öffentliche Gelder sollen
qualifiziert und spätestens ab 2027 nur in öffentliche Leistung investiert werden. Gefördert
werden soll dann nur noch eine klima- und tiergerechte, arten- und umweltschützende
Landwirtschaft.
Deutschland hat über den Europäischen Rat Einfluss und Möglichkeit, diesen Systemwechsel in
der EU-Agrarpolitik einzufordern und muss seine Ratspräsidentschaft nutzen, um endlich einen
Kurswechsel im Bereich der EU-Agrarförderung einzuleiten, um eine klimagerechtere
Landwirtschaft voranzubringen.
EU Haushalt stärken
Momentan verhandelt das Europäische Parlament mit Kommission und Rat das Budget der
Europäischen Union für die kommenden Jahre. Trotz eines ambitionierteren französischen
Vorschlags möchte Deutschland daran festhalten, dass nur 25% der gesamten Ausgaben des
Mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027 der EU einen Beitrag zur Erreichung der EU-Klimaziele
leisten sollen. Der Umweltausschuss hat sich im September allerdings für einen 40%igen
Anteil für Klimaschutz-Investitionen ausgesprochen; wir GRÜNE fordern 50%. Für die EU-
Außenfinanzierung fordern wir 40 Prozent fürs Klima und 10 Prozent für Biodiversität, damit
die EU künftig deutlich mehr für Finanzierungsbedarfe in Entwicklungsländern bereitstellt.
Damit würde die EU endlich einen fairen Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung im
Kontext der UN Klimaverhandlungen leisten. Finanzminister Scholz sollte sich auf Bundesebene
dafür einsetzen, dass die Blockade der deutschen Regierung für mehr Klimaschutz im Haushalt
der Europäischen Union endlich aufbricht. Angesichts der globalen Klimakatastrophe haben wir
keine Zeit mehr zu verlieren. Es darf keine falsche Zurückhaltung beim Schutz unserer
Lebensgrundlagen geben. Unser Planet und wir können nicht auf den nächsten Mehrjährigen
Finanzrahmen in acht Jahren warten. Dann wird es zu spät sein.
Die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fordert 1.000 Milliarden Euro für den
Klimaschutz in der Europäischen Union. Der Europäische Rechnungshof fordert sogar das
Zehnfache. Doch die deutsche Bundesregierung hält am 1-Prozent-Ziel als Anteil am
Bruttonationaleinkommen (BNE) für den europäischen Haushalt fest, und möchte an den Ausgaben
aber auch nichts ändern. Gleichzeitig trägt die Bundesregierung in der EU zur Blockade
wichtiger Maßnahmen gegen Steuerdumping bei, die einen größeren EU-Haushalt gegenfinanzieren
könnten. Wir fordern die deutsche Bundesregierung auf für mehr europäische Investitionen in
Klima, Digitalisierung und Zusammenhalt einzustehen und das 1%-Ziel bei den Verhandlungen
zum mehrjährigen Finanzrahmen aufzugeben. Die Bundesregierung schadet mit ihrer
Hardlinerposition der Europäischen Union. Wer den EU-Haushalt zusammenkürzen will, wird die
Klimakrise nicht stoppen und verschärft die soziale Spaltung auf unserem Kontinent. Wir
GRÜNE wollen in einem ersten Schritt 1,3% BNE für den EU-Haushalt bereitstellen und den EU-
Haushalt durch eigene Einnahmequellen unabhängiger machen.
Was in Deutschland die Fixierung auf die schwarze Null ist, das ist in der Europäischen
Union das 1-Prozent-Ziel. Ein Aufbruch für Europa sieht ganz anders aus.
Die Europäische Investitionsbank (EIB) zur Klimabank machen: ‚Energy Efficiency First‘
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN treibt gemeinsam mit unseren Freund*innen aus Europa die Debatte über
eine neue Finanzierungspolitik der Europäischen Investitionsbank (EIB) an. Deutschland
gehört zu den größten Geldgebern der Bank. Wir begrüßen den Vorschlag der EIB für ihre
geplante Darlehenspolitik im Energiebereich, die Finanzierung von Projekten mit fossilen
Brennstoffen einzustellen sowie alle Bemühungen, die Aktivitäten der EIB mit den Zielen des
Pariser Klimaabkommens in Einklang zu bringen. Es braucht allerdings mehr ehrgeizige
Schritte um die EIB in eine Klimabank zu verwandeln. Dazu braucht die EIB mehr Eigenkapital,
um innovative Technologien in großem Umfange finanzieren zu können und eine
Managementkultur, Risiken einzugehen, die Privatinvestor*innen noch nicht tragen wollen.
Einen schnellen Fossil-Ausstieg unterstützen wir voll und ganz.
Europas Versprechen für Demokratie und Menschenrechte einlösen
Die deutsche Ratspräsidentschaft muss während der Ratspräsidentschaft einen Schwerpunkt auf
die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie setzen. Europas Werte basieren auf der
Grundrechtecharta: Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte.
Dieses Jahr wird die Grundrechtecharta zehn Jahre. Ein Grund zu feiern! Aber die
Einschränkung von Wissenschaftsfreiheit, autoritäre Justizreformen, Korruption, die
Einschränkung von Pressefreiheit und Demonstrationsrecht und zivilgesellschaftlicher Akteure
in vielen Mitgliedsstaaten zeigen: Demokratie, Freiheit, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit
sind nicht in Stein gemeißelt. Sie gilt es immer wieder neu zu erkämpfen, zu schützen und zu
bewahren.
Wir fordern, dass sich die deutsche Ratspräsidentschaft für eine Reform der
Grundrechtecharta einsetzt. Ihr Anwendungsbereich soll so ausgeweitet werden, dass alle
Bürger*innen der EU die in der Charta enthaltenen Grundrechte im national vorgesehenen
Instanzenweg auch gegenüber ihren jeweiligen Nationalstaaten einklagen können. Das würde sie
massiv stärken und die Möglichkeiten verbessern, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu
verteidigen, gerade in den Ländern, in denen diese Prinzipien angegriffen werden. Sie gilt
es immer wieder neu zu erkämpfen, zu schützen und zu bewahren. Die Grundrechtecharta muss
dabei uneingeschränkt auch in der digitalen Sphäre durchgesetzt werden.
In Zeiten von erstarkendem Rechtspopulismus stärken wir gezielt die demokratischen Kräfte in
den betroffenen Mitgliedstaaten. Darum fordern BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wenn Regierungen in
Mitgliedstaaten Demokratie und Rechtsstaatlichkeit schwerwiegend, systematisch und
dauerhaft, unter anderem durch Korruption, untergraben, soll die EU-Kommission den
nationalen Regierungen die Kontrolle über die Vergabe von EU-Geldern entziehen können. Ein
Entzug von Fördermitteln soll jedoch nicht die breite Bevölkerung treffen sondern nur die
Regierungen, die demokratische Prinzipien verletzt haben. Deshalb wollen wir, dass dem
betreffenden Mitgliedsstaat nicht pauschal Mittel gestrichen, sondern dass sie zielgerichtet
eingefroren und direkt verwaltet von der Kommission an die Kommunen und andere
Fördermittelempfänger ausgegeben werden. So könnte das Geld weiterhin dort ankommen, wo es
gebraucht und sinnvoll verwendet wird, aber die Vergabemacht läge nicht mehr bei den
nationalen Regierungen. Das muss im nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen unter deutscher
Ratspräsidentschaft verankert werden.
Bereits bestehende Instrumente der EU zur Sicherung von Rechtstaatlichkeit und Demokratie,
wie der EU-Rechtsstaatsmechanismus, müssen weiterentwickelt werden. Deutschland hat die
Aufgabe, dies zu einer der Kernaufgaben der Ratspräsidentschaft zu machen. Ein wirksamer
Rechtsstaatsmechanismus braucht klare Kriterien, unabhängige Untersuchungen und echte
Sanktionsmöglichkeiten. Darunter verstehen wir einen umfassenden, alle Mitgliedsstaaten
einschließenden und jährlichen Bericht über Demokratie und Rechtsstaatlichkeit durch eine
unabhängige Kommission, die sich aus den Nationalen Parlamenten und dem Europäischen
Parlament ernannten Verfassungsexperten zusammensetzt.
Bei akuten und gravierenden Verletzungen von demokratischen Prinzipien und
Rechtsstaatlichkeit durch einzelne nationale Gesetze erstellt die "Rechtsstaats-Kommission“
Ad-hoc-Berichte und schlägt der Europäischen Kommission Reaktions- und
Sanktionsmöglichkeiten vor. Doch Sanktionen alleine reichen nicht aus: Wir wollen
Rahmenbedingungen für Zivilgesellschaft, Medien und politische Pluralität in der EU stärken.
Um aktiv und gemeinnützig agierende Akteur*innen zu schützen, sollte die deutsche
Ratspräsidentschaft sich für die Schaffung eines europaweiten Vereins- und
Gemeinnützigkeitsrechts einsetzen.
Dabei schauen wir auch auf uns in Deutschland selbst: Urteile des EuGH dürfen
Mitgliedstaaten der EU nicht ignorieren. Vertragsverletzungsverfahren laufen auch gegen
Deutschland. Dabei muss gerade Deutschland während der Ratspräsidentschaft zeigen:
Vertragsverletzungsverfahren nimmt die Bundesregierung ernst und beendet den andauernden
Verstoß zum Beispiel gegen die EU-Nitratrichtlinie.
Stärkung der Menschenrechte innerhalb und außerhalb der EU
An den europäischen Außengrenzen verletzen Mitgliedsstaaten systematisch europäisches Recht.
In Ländern wie Kroatien wird Menschen ein rechtsstaatliches Verfahren verweigert.
Geflüchtete werden durch kroatische Grenzbeamte misshandelt, beraubt und illegal wieder in
Drittstaaten zurückgeschickt. Die deutsche Ratspräsidentschaft muss sich gegen die
Menschenrechtsverletzungen an den Außengrenzen stellen und Maßnahmen ergreifen, solche
Situationen zu verhindern. Statt willkürliche Grenzkontrollen im Schengenraum durchzuführen
sollten wir uns verstärkt darum kümmern, dass im Schengenraum keine
Menschenrechtsverletzungen mehr geduldet werden.
Menschen auf der Flucht sind kriminellen Strukturen und Gewalt schutzlos ausgesetzt. Auch
innerhalb Europas, etwa in den überfüllten Lagern auf den griechischen Inseln werden die
Menschenrechte von Geflüchteten durch das Fehlen einer solidarischen Verteilungspolitik in
Europa massiv verletzt. Die Einführung eines Ad-Hoc-Verteilungsmechanismus zwischen vier EU-
Staaten wäre ein Schritt in die richtige Richtung gewesen. Die Bundesregierung muss ihre
Ratspräsidentschaft nutzen, um einen gemeinsamen solidarischen Verteilmechanismus und auch
die Europäische Unterstützung aufnahmebereiter Kommunen voranzubringen.
Die EU-Kommission wird eine neue Antidiskriminierungsrichtlinie vorlegen, die
Diskriminierung außerhalb des Arbeitsmarktes für alle Diskriminierungstatbestände verhindern
und ahnden soll. Hier sollte die deutsche Ratspräsidentschaft eine ambitionierte
Ratspositionierung ermöglichen. Dies ist besonders wichtig vor dem Hintergrund, dass die
deutschen Regierungen der letzten Jahre immer eine solche Antidiskrimierungsgesetzgebung mit
verhindert haben.
Außerdem kann die deutsche Ratspräsidentschaft mit Blick auf Gleichberechtigung die
angekündigten Initiativen für Lohngleichheit und gegen Gewalt an Frauen gestärkt und
konkretisiert werden. Hier braucht es ambitionierte Gesetzgebung statt weiterer
Koordinierungsprozesse. Die von Ursula von der Leyen angekündigte Richtlinie gegen
geschlechterbezogene Gewalt muss vorgelegt werden, statt wieder in der Schublade zu
verschwinden. Wir fordern, dass die Bundesregierung ihre Ankündigung wahr macht und eine
Initiative für nachhaltige Lieferketten startet. Es braucht verbindliche Regeln, die
sicherstellen, dass unsere Lieferketten frei von Menschenrechtsverletzungen und
Umweltverbrechen sind.
Wir treten für eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik ein, die sich für
Menschenrechte stark macht. Dabei setzen wir uns dafür ein, dass Verteidiger*innen von
Menschenrechten und Demokratie, Hinweisgeber*innen, aber auch Bürger*innendialoge mehr und
unbürokratischer gefördert und geschützt werden. Eine konkrete Aufgabe für die deutsche
Ratspräsidentschaft wird es sein, den Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie des
Europäischen Rates voranzutreiben. Menschenrechte müssen bei allen EU-Handelsverträgen
verbindlich verankert und ihre Verletzung einklagbar sein. Weiterhin sollte die
internationale Vernetzung und der Austausch von zivilgesellschaftlichen Organisationen
unterstützt werden. Humanitäre Hilfe darf weder außerhalb noch innerhalb Europas
kriminalisiert werden. Bei dem angekündigten Aufschlag für eine gemeinsame Migrations- und
Asylpolitik wird es entscheidend auf die Bundesregierung während der Ratspräsidentschaft
ankommen, hier die Menschenrechte, das Recht auf Asyl und die Einhaltung von internationalem
Recht durchzusetzen.
Eine Umwidmung der Entwicklungszusammenarbeit zur Migrationsabwehr - beispielsweise durch
Migrationsmarker bei Entwicklungszusammenarbeitsprojekten, Mindestausgaben für
Migrationsmanagement in Entwicklungszusammenarbeitsinstrumenten, Nutzung von EU-Trust-Funds
für die Unterstützung von Grenzpolizei von Staaten, in denen Menschen- und Flüchtlingsrechte
nicht gewahrt sind, oder migrationspolitischen Bedingungen für die Bewilligung von
Entwicklungszusammenarbeitsgeldern - lehnen wir ab. Wir setzen uns dafür ein, dass die
Ratspräsidentschaft das ebenfalls tut.