Veranstaltung: | 44. Bundesdelegiertenkonferenz Bielefeld |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | BAG Frieden & Internationales (dort beschlossen am: 14.09.2019) |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 04.10.2019, 15:19 |
V-36: Für die Bewahrung des Iran-Nuklearabkommens
Antragstext
Die Eskalationsspirale im Konflikt zwischen den USA und Iran, die durch den einseitigen
Ausstieg der USA aus des Iran-Nuklearabkommen (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPoA)
durch US-Präsident Trump im Mai 2018 in Gang gesetzt wurde, dreht sich zunehmend weiter und
droht, den Vertrag als zentrales rüstungskontrollpolitisches Instrument in seiner Gesamtheit
zusammenbrechen zu lassen. Seit dem Ausstieg Washingtons wurden von US-Seite unilateral die
Wiedereinführung und Verstärkung von nationalen Sanktionen beschlossen. Ziel ist es Iran –
bisher ohne Erfolg - im Rahmen einer Politik des „maximalen Drucks“ zu weitreichenden
Konzessionen, mit Blick auf sein ballistisches Raketenprogramm sowie sein regionales
Verhalten und einem neuen, allumfassenden Abkommen zu bewegen.
Das Iran-Nuklearabkommen ist das Ergebnis jahrelanger internationaler Bemühungen, durch
diplomatische Mittel den Streit um das iranische Nuklearprogramm beizulegen und eine atomare
Bewaffnung Irans zu verhindern. Durch seine Verpflichtungen im Verbund mit einem
präzedenzlosen Transparenzregime, überwacht durch die Internationale Atom- und
Energiebehörde (IAEA), wurde bisher erfolgreich das Risiko einer atomaren Bewaffnung Irans
auf ein beherrschbares Maß reduziert. Vor vier Jahren wurde die Vereinbarung mit der
Resolution 2231 vom VN-Sicherheitsrat angenommen und ist damit der rechtsverbindliche
Rahmen, auf den die internationale Staatengemeinschaft verpflichtet wurde. In seiner
Resolution fordert der Sicherheitsrat alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen auf,
geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Umsetzung der Vereinbarung zu unterstützen und
gleichzeitig Maßnahmen zu unterlassen, welche der Umsetzung der Verpflichtungen aus dem
Iran-Nuklearabkommen entgegenstehen. Der einseitige Ausstieg der USA und die Verhängung
unilateraler US-Sanktionen stehen dazu in Opposition. Neben der regelbasierten
internationalen Ordnung steht damit auch ein zentrales Rüstungskontrollregime unter
Beschuss.
Ein Ende des Iran-Nuklearabkommens würde nicht nur eine Katastrophe für die Region mit
unüberschaubaren Konsequenzen einer möglichen Aufrüstungsspirale und eines nuklearen
Wettrüstens bedeuten - sondern würde auch ein fatales Signal der Unverlässlichkeit und damit
Verhandlungs- und Vereinbarungsunfähigkeit an Staaten wie Nordkorea senden, welche durch
diplomatischen und wirtschaftlichen Druck von ihrem Drang nach Atomwaffen abgebracht werden
sollen.
Der Iran-Nuklearabkommen versprach Iran für eine Aussetzung seines Nuklearprogramms
Sanktionserleichterungen und damit einhergehende wirtschaftliche Entwicklung. Obwohl sich
die anderen Parteien der Vereinbarung - Russland, China, Frankreich, Großbritannien und
Deutschland - gegen die US-amerikanische Linie gestellt haben reichen ihre bisherigen
Bemühungen um Sanktionserleichterungen im Rahmen des Iran-Nuklearabkommens nicht aus: Durch
die Dominanz des US-Dollars im Welthandels- und Finanzsystem und die Bedeutung des US-
Marktes für europäische, aber auch chinesische Banken und Unternehmen ist die US-Regierung
in der Lage, durch unilateral verhängte Sanktionen auch nicht-US basierte Unternehmen unter
Druck zu setzten.
Deshalb profitiert der Iran nun nicht mehr wirtschaftlich von den internationalen
Sanktionserleichterungen: Das Land kann kaum mehr Öl exportieren, europäische Unternehmen
haben sich aus Angst vor US-Restriktionen zurückgezogen, der Handel ist eingebrochen, es
gibt kaum mehr Finanzkanäle. Nicht einmal mehr Medikamente und humanitäre Güter können
aufgrund von Selbstreglementierung und Übererfüllung von Unternehmen und fehlenden
Bankverbindungen geliefert werden - auch wenn die Güter gar nicht von US-Sanktionen erfasst
sind.
Deshalb testet Teheran nun zunehmend Grauzonen bei der Erfüllung seiner nukleartechnischen
Verpflichtungen aus, nachdem sich das Land laut Berichten der IAEO bis Juni vollumfänglich
an diese gehalten hatte. Im Juni 2019 hat Iran, wie von der IAEO bestätigt – schrittweise
begonnen, Uran über die unter des Iran-Nuklearabkommens festgelegten Obergrenze
anzureichern. Hiermit sollen die Unterzeichnerstaaten unter Druck gesetzt werden: Falls das
Land nicht vom Iran-Nuklearabkommen wie vereinbart profitiere, sehe Teheran keinen Nutzen
darin, sich weiter an den Vertrag zu halten, so die Botschaft. Die bisherigen iranischen
Maßnahmen deutet aber daraufhin, dass man in Teheran weiter eine Verhandlungslösung
anstrebt.
Wir fordern deshalb, dass
die Bundesregierung und die EU sich weiter im Rahmen der GASP (Gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik) zusammen mit den übrigen Parteien der Vereinbarung China und
Russland dafür einsetzen, die Wiener Nuklearvereinbarung als zentrales
rüstungskontrollpolitisches Instrument zu bewahren.
die Bundesregierung alle praktikablen Maßnahmen ergreift, um wirtschaftliche
Aktivitäten, die nach europäischem Recht legal sind, abzusichern und den Handel mit
Iran aufrecht zu erhalten. Der Handels- und Zahlungsmechanismus INSTEX, dessen
Ausgestaltung und Funktionalität weiter vorangetrieben und ausgeweitet werden muss,
ist ein erster wichtiger Schritt, damit Iran wie in der Vereinbarung angelegt
wirtschaftlich von Sanktionserleichterungen profitieren kann. Weitere Maßnahmen müssen
aber folgen. Eine Möglichkeit sind beispielsweise staatlich abgesicherte,
multilaterale Investitionsprogramme für Entwicklungsprojekte, die unmittelbar der
iranischen Bevölkerung zugutekommen.
die EU sich stärker mit den anderen Vertragspartnern abstimmt, wann eine „significant
non-performance“ Irans mit Blick auf seine nukleartechnischen Verpflichtungen
vorliegen würde, und sich deutlich gegenüber Iran positioniert, um eine sukzessive
Aushöhlung der Vereinbarung zu verhindern und damit seine Funktion zu bewahren.
Im Umgang mit den aktuellen Differenzen im transatlantischen Verhältnis hinsichtlich Iran
zeigen sich die Grenzen europäischer Handlungsfreiheit. Dass die Europäische Union den US-
amerikanischen Sekundärsanktionen, die europäische Unternehmen zwingen sich aus dem Iran-
Geschäft zurückzuziehen, und der Politik des maximalen Drucks kaum etwas entgegenzusetzen
hat, offenbart deutlich das geringe Maß einer finanz- und handelspolitischen Souveränität
der EU.
Dass wir in der EU nicht in der Lage sind, Maßnahmen durchzusetzen, wenn die USA das nicht
wollen, kann nicht im Sinne unserer europäischen Friedens- und Sicherheitsinteressen sein.
Es untergräbt unsere wirtschaftliche und politische Souveränität und die Glaubwürdigkeit der
europäischen Außenpolitik
Wir fordern deshalb, dass
die EU geeignete Maßnahmen ergreift, um ihre Widerstandsfähigkeit gegen
Sekundärsanktionen und damit ihre finanz- und handelspolitische Souveränität erhöht.
Dazu gehört längerfristig auch eine Stärkung der globalen Rolle des Euro.
Krise in der Straße von Hormus
Immer mehr wird nun der Persische Golf und die Straße von Hormus zum Austragungsort des
Konfliktes zwischen USA und Iran. Mit großer Sorge beobachten wir den sukzessiven Aufbau
einer militärischen Drohkulisse durch die USA, welche die Spannungen und das Risiko
bewaffneter Zwischenfälle erhöht.
Wir fordern, dass alle Maßnahmen der EU und der Bundesregierung auf eine Deeskalation im
Konflikt zwischen USA und Iran ausgerichtet sind. Vor diesem Hintergrund lehnen wir die US-
Militärmission „Sentinel“ in der Straße von Hormus und eine deutsche Beteiligung daran ab.
Eine „Koalition der Willigen“ unter Führung der USA, einer der beiden Streitparteien, kann
kein Beitrag zur Entspannung der Lage sein. Die Freiheit der internationalen Schifffahrt und
die maritimen Handelswege stehen für uns nicht zur Disposition. Einem Einsatz der Bundeswehr
im Persischen Golf werden wir nur im Rahmen einer völkerrechts- und grundgesetzkonformen
Mission und mit einem Mandat der Vereinten Nationen zustimmen.
Wir fordern, dass die EU ein deutliches Gegengewicht zur Logik von Drohungen und
Gegendrohungen setzt, der die Regierungen der USA und des Irans, sowie weitere Akteure,
aktuell folgen. Diese Logik birgt eine enorme Gefahr für Fehlkalkulationen und eine
Eigendynamik, die sich bis hin zum Krieg entwickeln könnte. Dies wäre schlussendlich einmal
mehr Wasser auf den Mühlen all derer, die überzeugt sind, dass das Streben nach Atomwaffen
das einzige Mittel der wirksamen Abschreckung und Selbstverteidigung sei. Vor allem jedoch
droht eine von der EU und ihren Partner*innen in dieser Frage ungebremste Eskalationspolitik
den gesamten Nahen Osten und seine Bewohner*innen, sowie alle Nachbarregionen durch einen
unkalkulierbaren Krieg auf schlimmste Weise in Mitleidenschaft zu ziehen und Abertausende
von Menschenleben zu kosten.
Um aus dieser Sackgasse herauszukommen und auf eine Deeskalation in der Region
hinzuarbeiten, braucht es erstens Kommunikationskanäle zwischen Washington und Teheran sowie
zumindest eine grundlegende Verständigung. Wir fordern die Bundesregierung auf, die US-Seite
aufzufordern ein realistisches und glaubhaftes Angebot für einen politischen Ausweg
vorzulegen. Zweitens wird der Konflikt mittelfristig nur dann lösbar werden, wenn es
gelingt, zwischen den berechtigten Interessen der Akteure der Region nach Sicherheit und
Stabilität, wie Israel, Saudi-Arabiens, aber eben auch des Irans, einen vertretbaren
Ausgleich zu schaffen. Hier ist die EU als Vermittlerin gefragt.
Allerdings wird es nicht zu einer nachhaltigen Entspannung in der Region kommen, solange die
unverminderten Vernichtungsdrohungen gegen Israel durch das iranische Regime kein Ende
nehmen, die wir aufs schärfste verurteilen, und solange es keine Anerkennung des Staates
Israel gibt. Wir fordern weiterhin ein klares Bekenntnis zur Sicherheit Israels und seinem
Recht auf Selbstverteidigung im Rahmen des Völkerrechts angesichts der Drohungen und
militärischen Aktivitäten Irans. Dies gilt ebenso gegenüber mit dem Iran verbündeten oder
von diesem gesteuerten Akteuren, deren Aufrüstung eine erhebliche Gefahr für Frieden und die
Sicherheit Israels darstellt. Deutschland muss insbesondere auf die Einhaltung der UNSR-
Resolution 1701 durch die Hisbollah dringen und sich verstärkt etwa gegenüber Russland gegen
eine militärische Etablierung des Iran in Syrien einsetzen. Gleichwohl lehnen wir auch die
scharfe Rhetorik des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu und Teilen der israelischen
Regierung ab, genauso wie Militärschläge gegen iranische Atomanlagen.
Die aktuellen Bemühungen zur Bewahrung des Iran-Nuklearabkommens dürfen keine Begründung
dafür sein, dass sich die Bundesregierung bei der klaren Benennung der täglichen
Verletzungen von Menschenrechten und rechtsstaatlichen Prinzipien durch Iran zurückhält.
Für einen ganzheitlichen Regionalansatz
Iran kann aufgrund seiner Größe, geostrategischen Lage und Bevölkerungszahl und damit seiner
regionalen Bedeutung nicht ignoriert werden, ist aber unter anderem aufgrund seiner
Regionalpolitik, dem ballistischen Raketenprogramm, der feindseligen Haltung gegenüber
Israel und der verheerenden Menschenrechtslage im Land ein problematischer regionaler
Akteur. In einer zunehmend fragmentierten und von Krisen und Kriegen betroffenen Region ist
Iran daher zwar Teil des Problems, aber eben auch der Lösung.
Unsere Politik gegenüber Iran muss dabei Teil eines ganzheitlichen Ansatzes sein, der auf
einer Äquidistanz zu Saudi-Arabien und Iran basiert und sicherheitspolitische Fragen in
einem regionalen Kontext diskutiert. Dafür muss die deutsche wie die EU-Politik gegenüber
Saudi-Arabien dringend korrigiert werden: d.h., das tatsächliche Verhalten muss angepasst
werden, um die autoritären Strukturen beider Länder, ihre problematische regionalen Rollen
und ihr Ringen um die regionale Vormachtstellung gleichermaßen kritisch zu adressieren. Vor
allem der Export von Rüstungsgütern sowie jegliche militärische Zusammenarbeit mit Saudi-
Arabien sind umgehend zu beenden.
Die Doppelstandard-Politik der Bundesregierung ist hier kontraproduktiv für eine
erfolgreiche deutsche und EU-Politik in der Region. Wir fordern einen vertieften Dialog mit
Iran sowie zwischen Iran und den Ländern des Golfkooperationsrats über regionale Konflikte
und die Frage, wie ein Prozess hin zu einer regionalen Sicherheitsarchitektur gestaltet
werden kann.
weitere Antragsteller*innen
Änderungsanträge
- V-36-098 (Frithjof Schmidt (KV Bochum), Eingereicht)
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