Veranstaltung: | 44. Bundesdelegiertenkonferenz Bielefeld |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Eckhard Bock (KV Berlin-Treptow/Köpenick) und 22 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 48%) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 12.11.2019, 22:43 |
Antragshistorie: | Version 1 |
V-55 (D-06): JA zu schnellerem und besserem Klimaschutz – NEIN zum Abbau von Bürgerrechten und zur Beschneidung der Beteiligungsrechte von Umwelt- und Naturschutzverbänden
Antragstext
Die Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen möge beschließen:
1. B90/Die Grünen lehnen die Beschneidung der Rechte der Bürger und der Umwelt- und
Naturschutzverbände im Gesetz zur weiteren Beschleunigung von Planungs- und
Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich und im Gesetz zur Vorbereitung der Schaffung von
Baurecht durch Maßnahmengesetz im Verkehrsbereich entschieden ab
2. Die Landesverbände von B90/Die Grünen werden dringend gebeten, diesen Gesetzen und
folgenden Maßnahmegesetzen im Bundesrat die Zustimmung zu verweigern.
3. Die Bundestagsfraktion von B90/Die Grünen wird dringend gebeten, diesen Gesetzen und
folgenden Maßnahmegesetzen im Bundestag die Zustimmung zu verweigern.
4. B90/Die Grünen fordern die Bundesregierung auf,
- eine rasche und vollständige Digitalisierung aller Verfahrensschritte von der Planung,
über die Genehmigung bis hin zum Bau einer Infrastrukturmaßnahme herbeizuführen,
- für eine rasche Aufstockung der Planungs-, Genehmigungs- und Baukapazitäten für den
Aus/Neubau von Infrastrukturmaßnahmen zu sorgen,
- für eine rechtzeitige Vergabe von Planungs- und Bauaufträgen sowie eine
verzögerungsfreie Bereitstellung von Finanzmitteln zu sorgen,
- eine Evaluation von Planungs- und Bauprozessen durchzuführen und notwendige
strukturelle Veränderungen auf Vorhabenträgerseite zu erreichen,
um den Zeitbedarf für Erstellung von Infrastrukturmaßnahmen auch ohne die Beschneidung der
Rechte der Bürger und der Umwelt- und Naturschutzverbände drastisch kürzen zu können.
Begründung der Dringlichkeit
Das Bundeskabinett hat am 6. November – und damit nach Ablauf der regulären Antragsfrist zur BDK - zwei Beschleunigungsgesetze beschlossen, mit denen die Planung und Genehmigung von Infrastrukturvorhaben beschleunigt werden soll.
Mit dem Gesetz zur Vorbereitung der Schaffung von Baurecht durch Maßnahmengesetz im Verkehrsbereich (Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz - MgvG)
und dem Gesetz zur weiteren Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich
soll eine Verfahrensbeschleunigung durch die Wiedereinführung der Präklusion (verspätete Einwendungen bleiben unberücksichtigt) und einer Maßnahmengenehmigung durch Gesetz erreicht werden, d.h. durch die Streichung von Beteiligungsrechten von Bürgern und Umwelt- und Naturschutzverbänden sowie durch Eliminierung einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle von Genehmigungsentscheidungen. Damit soll die Aarhus-Konvention und die Rechtsprechung des EuGH unterlaufen werden.
Die Entwürfe beider Gesetze wurden bereits dem Bundesrat zugeleitet und sollen beschleunigt behandelt werden. Beide Gesetze verletzen grundlegende grüne Grundsätze. Mit einer kurzfristigen klaren Positionierung der BDK besteht noch die Chance, diese Gesetze abzuwenden.
Begründung
Begründung:
- B90/Die Grünen ist eine Partei für die Sicherung und Stärkung von Bürgerrechten, aber nicht für deren Abbau und Schwächung. Im Grundsatzprogramm 2002 von B90/Die Grünen
https://cms.gruene.de/uploads/documents/Grundsatzprogramm-2002.pdf
heißt es u.a.
„Unsere Ziele sind die Stärkung des liberalen Rechtsstaates als Inbegriff von Freiheits- und Bürgerrechten, der Ausbau der Bürgerbeteiligung, .... und neue Wege der demokratischen Mitbestimmung in Wirtschaft und Gesellschaft.“
„Die Qualität unserer Demokratie beruht dabei nicht zuletzt auf dem Engagement der Bürgerrechts- und Demokratiebewegungen in Ost und West, in dem eine Wurzel unserer Partei liegt.“
„Eine moderne Bürgerrechtspartei muss die Rechte der Bürgerinnen und Bürger nicht nur gegen Zugriffe des Staates verteidigen und schützen, sondern auch gegenüber mächtigen nichtstaatlichen wirtschaftlichen Akteuren sichern.“
„Bündnisgrüne Politik steht in der Tradition des Rechtsstaatsliberalismus, in der den Freiheits- und Verfahrensrechten ein hoher Rang zukommt. Die Freiheits- und Bürgerrechte sichern als Abwehrrechte gegen den Staat die Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger.“
Grüne Grundüberzeugungen sind weder verhandelbar, noch verkäuflich.
- Die Gesetzesvorhaben werden von nahezu allen Natur- und Umweltschutzverbänden entschieden abgelehnt:
https://www.bund.net/service/presse/pressemitteilungen/detail/news/kommentar-wer-sich-nicht-an-umweltrecht-halten-moechte-schraenkt-das-klagerecht-ein/
https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/politik/weser-vertiefung-klage-verbot-100.html
https://www.naturfreunde.de/finger-weg-von-der-verbandsklage-fuer-natur-und-umweltschutzverbaende
https://www.dnr.de/presse/pressemitteilungen/pm-2019/genehmigungsbeschleunigung/
https://www.ufu.de/stellungnahme-zum-gesetzesentwurf-zur-vorbereitung-der-schaffung-von-baurecht-durch-massnahmengesetz-im-verkehrsbereich/
https://www.ufu.de/wp-content/uploads/2016/10/Stellungnahme_DNR_UfU_DUH_Genehmigungsbeschleunigungsgesetz_10--2019.pdf
https://www.nabu.de/news/2018/07/24831.html
- Auch von unabhängigen Juristen, grünen Politikern und Bloggern werden schwere Bedenken gegen Scheuers Gesetze geäußert:
https://verfassungsblog.de/rechtsschutz-gegen-verkehrsprojekte-als-stoerfaktor-einer-politik-der-maximalen-beschleunigung/
https://www.mittelbayerische.de/politik-nachrichten/bahnausbau-kommen-anlieger-zu-kurz-21771-art1845759.html
https://www.nachdenkseiten.de/?p=56213
- Das BMVI wird durch das Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates das Maßnahmengesetz zu ändern. Das Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz ist ein Trojanisches Pferd, durch nachträgliche Änderung der Projektliste kann das BMVI jederzeit die Voraussetzung schaffen, damit auch andere Infrastrukturvorhaben wie Straßen, Autobahnen, Flughäfen, Kraftwerke und andere industrielle Anlagen per Maßnahmegesetz beschlossen werden.
- Das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz (1991), die Verkehrsmaßnahmengesetze (1993), das Gesetz zur Beschleunigung von Planverfahren zu Infrastrukturvorhaben (2006), das Planungsvereinheitlichungsgesetz (2013), das Planungs- und Baubeschleunigungsgesetz (2018) sowie die beiden jetzigen Gesetzesentwürfe sind von der Vorstellung geleitet, dass sich die Planung, die Genehmigung und der Bau eines Projekts allein dadurch beschleunigen ließe, indem den Bürgern und Umwelt-und Naturschutzverbänden ihre Rechte nimmt.
Wie wenig effektiv die „Beschleunigungsgesetzgebung“ ist, zeigt sich beispielhaft an den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit, die im Jahr 1991 vom Bundestag beschlossen wurden: viele Projekte wurden verspätet realisiert oder sind auch bis heute, nach mehr als 25 Jahren, noch nicht fertig.
Im Verkehrsinvestitionsbericht 2016
https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/G/verkehrsinvestitionsbericht-2016.pdf?__blob=publicationFile
sind zahlreiche Gründe für Projektverzögerungen detailliert aufgelistet, von verzögert abgeschlossenen Finanzierungsvereinbarungen, Bauzeiten von über 15 Jahre bis zu verspätetem Baubeginn bis zu 10 Jahren nach rechtskräftigem Planfeststellungsbeschluss.
Der Europäische Rechnungshof hat in seinem Sonderbericht über das europäische Hochgeschwindigkeitsschienennetz (TEN-T)
https://www.eca.europa.eu/Lists/ECADocuments/SR19_06/SR_High_Speed_Rail_DE.pdf
den Planern ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt:
„Seit dem Jahr 2000 hat die EU 23,7 Milliarden Euro in Infrastruktur für den Hochgeschwindigkeitsschienenverkehr investiert. Statt eines realistischen langfristigen EU-Plans für den Hochgeschwindigkeitsschienenverkehr gibt es einen unwirksamen Flickenteppich aus Strecken der einzelnen Mitgliedstaaten. Diese sind nicht gut miteinander verknüpft, weil die Europäische Kommission nicht über die rechtlichen Instrumente oder Befugnisse verfügt, um die Mitgliedstaaten dazu zu zwingen, die vereinbarten Strecken zu bauen... Die Nachhaltigkeit ist gering, den Investitionen fehlt es an Wirksamkeit, und der EU-Mehrwert ist bei drei von sieben fertiggestellten Strecken mit geringen Fahrgastzahlen gefährdet. So besteht ein hohes Risiko, dass EU-Kofinanzierungsmittel in Höhe von 2,7 Milliarden Euro unwirksam verwendet werden.“
- Das Argument der Beschleunigung des Klimaschutzes durch diese Gesetze wird von der GroKo als unglaubwürdige Ausrede mißbraucht, um einen Kahlschlag bei den Mitwirkungs- und Rechtsschutzmöglichkeiten von Bürgern und Umwelt- und Naturschutzverbänden durchzuführen. Verfahrensbeschleunigung ist aber auch ohne Beschneidung von Rechten möglich. Dazu hat der z.B. BUND ein Konzept vorgelegt:
https://www.stephankuehn.com/fileadmin/user_upload/180604_Dr_Werner_Reh_BUND_Vorschlaege_OEffentlichkeitsbeteiligung-_Zur_Beschleunigung_Verbesserung_und_Legitimation_von_Planungen.pdf
weitere Antragsteller*innen
- Susanne Höpler (KV Ebersberg)
- Julian Joswig (KV Rhein-Hunsrück)
- Barbara Poneleit (KV Forchheim)
- Reinhard Oellerer (KV Ebersberg)
- Angie Weber-Streibl (KV Böblingen)
- Tanja Paschek (KV Rhein-Hunsrück)
- Helga Stieglmeier (KV Erding)
- Joachim Schätzle (KV Böblingen)
- Andreas Roll (KV Rhein-Hunsrück)
- Thomas Mütze (KV Aschaffenburg-Stadt)
- Ulli Frank-Mayer (KV Erding)
- Petra Herter (KV Böblingen)
- Hans-Michael Fürst (KV Dahme-Spreewald)
- Cornelia Epple (KV Böblingen)
- Andreas Rieger (KV Dahme-Spreewald)
- Anke Remus (KV Ebersberg)
- Stefan Brandes (KV Oder-Spree)
- Helmut Obermaier (KV Ebersberg)
- Susanna Sandvoss (KV Dahme-Spreewald)
- Okka Senst (KV Rhein-Hunsrück)
- Kent Michaelis (KV Rhein-Hunsrück)
- Wolf Carius (KV Dahme-Spreewald)
Änderungsanträge
- V-55 (D-06)-002 (Bundesvorstand (beschlossen am: 15.11.2019), Eingereicht)
- V-55 (D-06)-006 (Bundesvorstand (beschlossen am: 15.11.2019), Eingereicht)
- V-55 (D-06)-010 (Bundesvorstand (beschlossen am: 15.11.2019), Eingereicht)
Kommentare
Barbara Poneleit:
Andreas Roll:
Renate Fuchs:
Eckhard Bock:
Zuerst war es nur der Testballon: zweigleisiger Ausbau Sylt und 4 andere Projekte - ein paar Tage danach waren es auf einmal viele Projekte im "Maßnahmegesetzpaket", die dann auch noch beliebig erweitert werden können.
Um derartigen Überraschungscoups der Verkehrslobby entgegenzuwirken, gibt es bei uns eben die Möglichkeit Dringlichkeitsanträge zu stellen. Darüber entscheiden dann auch die Delegierten!
Eckhard
Lothar Treder-Schmidt:
Sylvester Burckhardt:
Unterstütze den Antrag ausdrücklich
Claudia Peter:
Gustav Lorenz:
P.S. muss ich noch irgendwelche Formalitäten erledigen?
Günter Glier:
Sibylle De Mott:
Viele Grüße
Sibylle
Martin Sonnenberg:
Veronika Ruoff:
Bettina Goldner:
Ich unterstütze den Antrag!
Elisabeth Mundelius:
Monika Kalberlah:
Monika Kalberlah:
Rüdiger Tonojan:
Nicole Eckert:
Eckhard Bock:
Änderungen des Bundesvorstands wie angezeigt und im letzten Satz des Änderungsantrages folgende Formulierung:
"..., ihre Möglichkeiten zu nutzen, damit diese Gesetzesvorschläge grundlegend überarbeitet werden."
Diese Formulierung und die Änderungen des Bundesvorstands können übernommen werden.
Eckhard Bock 16.11.2019 15:38