Veranstaltung: | 44. Bundesdelegiertenkonferenz Bielefeld |
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Tagesordnungspunkt: | W-Buvo Wahl Bundesvorstand |
Antragsteller*in: | Robert Habeck (KV Flensburg) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 01.11.2019, 09:38 |
W-Buvo-06: Bewerbung: Robert Habeck
Bewerbungstext
Bewerbung für die zweite Halbzeit
Liebe Freundinnen, liebe Freunde,
vor zwei Jahren schuf unser Parteitag einen besonderen Moment. Noch bevor Ihr den neuen Bundesvorstand wähltet, schwappte aus der Mitte der Versammlung eine Energie, eine Erwartung, eine Botschaft nach vorn und auf die Bühne: „Macht keinen Bullshit! Beschäftigt Euch nicht mit Euch selbst, sondern sammelt unsere Kraft und repräsentiert sie! Haltet keine grünen Selbstgespräche ab, sondern schafft Dialog, neue Sprache, neue Debatten. Und schafft Mehrheiten für unsere Politik.“ Und das haben wir – habe ich - versucht, so gut es ging. Nicht alles gelang, ich habe Fehler gemacht, das Wahlergebnis in Thüringen blieb unter den Erwartungen und hat gezeigt, dass wir noch eine gute Wegstrecke vor uns haben, aber unter dem Strich waren es phantastische zwei erste Jahre als Euer Parteivorsitzender. Die Zusammenarbeit mit allen Gremien und Ebenen, im Bundesvorstand und speziell mit Annalena waren von einem ehrlichen Vertrauen geprägt. Landesminister*innen suchten früh die gemeinsame Abstimmung mit uns und andersrum, die Kolleg*innen in der Fraktion teilten ihr Wissen, ihre Ideen großmütig, in den Wahlkämpfen in Ostdeutschland wuchs die Partei nochmal anders zusammen, weil wir die Wahlkämpfe zu gesamtgrünen gemacht haben. Wenn Fehler unterliefen, gab es stets Solidarität. Und so sehr wir mit Leidenschaft bei der Sache sind, über allem stand die Loyalität für die gemeinsame. Diese Geschlossenheit ist etwas Kostbares, etwas, das stets neu erarbeitet werden muss. Aber wir haben bewiesen, dass wir es können.
Wir haben den schmalen Grat zwischen Verantwortung und Engagement, zwischen Idealismus und Pragmatismus ausbalanciert, das Ziel zu sehen und den Weg konsequent und konkret zu beschreiben. Wir haben Erwartungen und Hoffnungen geweckt, und sehen uns jetzt, in einer Phase, in der die deutsche Parteiendemokratie neu formatiert wird, mit einem Anspruch konfrontiert, der größer nicht sein könnte. In dem Maße, wie sich das Parteiensystem neu sortiert und Parteien, die lange und verlässlich für Sicherheit und Stabilität standen, mit sich selbst beschäftigt sind, in dem Maße kommt uns eine neue, größere Verantwortung zu. Heute sind wir gefragt, gesellschaftliche und politische Bündnisse anzuführen.
Dank der jahrelangen und intensiven Arbeit von so vielen Menschen in Kommunen, Ländern, Parlamenten und Arbeitsgemeinschaften, dank ihres Engagements fürs Ganze, sind wir inzwischen zur orientierungsgebenden Partei geworden, die für eine Politik des Möglichmachens wirbt. Wir wollen dem Land eine Richtung weisen. Und wir müssen den Erwartungen entsprechen. Heute stehen wir für die Grundsätze der republikanischen Verfasstheit ein, wir stehen in der Tradition einer deutschen Politik, die Europa weiter einen will und weiß, dass das notwendig Solidarität und auch Übertragung von Souveränität bedeutet. Entsprechend dürfen wir uns nicht ausruhen. Wir müssen außen- und sicherheitspolitisch den Kompass eichen und unseren Beitrag für eine europäische Handlungsfähigkeit leisten und die soziale Marktwirtschaft neu justieren und zu einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft umbauen, die den Verbrauch von Ressourcen und Energien von Wohlstand und Freiheit entkoppelt, so dass Märkte den Menschen dienen, nicht umgekehrt. Und über allem steht die Klimakrise, die kaum ein Politikfeld mehr unverändert lässt.
Politik muss ihre Handlungsfähigkeit beweisen. Das vor allem wird darüber entscheiden, ob wir den Rechtextremismus und den politischen Populismus im Zaum halten können. Ob Menschen unserer freiheitlich- demokratischen Grundordnung mehr Vertrauen schenken als autoritären Regimen.
Die alten nationalen wie internationalen Ordnungen lösen sich auf. Die alten Antworten reichen nicht mehr an die neuen Probleme heran. Neue Antworten nicht nur zu geben, sondern mehrheitsfähig zu machen und ein politisches Mandat zu erringen, sie auch umzusetzen, das ist unsere Aufgabe. Die Zeit der Unordnung zu einer Zeit der Demokratie zu machen!
Wir haben uns auf den Weg gemacht. Wir haben unseren Plan für einen weitreichenden, machbaren Klimaschutz vorgelegt. Wir haben ein Konzept erarbeitet, wie wir die dringend nötigen Investitionen in diesem Land stemmen und die Schuldenbremse dafür zeitgemäß reformieren. Wir haben Vorschläge gemacht, wie wir die drohende strukturelle Krise der Wirtschaft überwinden und nachhaltigen Wohlstand schaffen. Wir haben den Weg zu einer europäischen föderalen Republik beschrieben, ein neues Sozialsystem jenseits von Hartz IV und Riesterrente entworfen, wir nennen konkrete Schritte, mit denen sich das Recht auf Wohnen verwirklichen lässt.
Aber wir sind längst nicht fertig. Unser neues Grundsatzprogramm, das die Rolle unserer Partei neu beschreiben soll, hat einen Umriss gefunden, ist aber noch nicht ausbuchstabiert. Die Arbeit an Sicherheits-, Wirtschafts-, und Steuerkonzepten wollen wir intensivieren, unsere Politik europäisch denken und verankern, internationale Kontakte suchen und ausbauen und schließlich gut gerüstet in den Bundestagswahlkampf ziehen.
Dies ist nicht mehr der Anfang, wie es vor zwei Jahren als Motto über dem Parteitag prangte, aber wir sind noch nicht am Ziel. Wir haben eine gute Vorrunde gespielt, die Hauptrunde beginnt jetzt. Und es wird eine harte Runde werden. Schon hat die Härte zugenommen. Aber was stärker zugenommen hat, ist unsere Solidarität, ist unsere Geschlossenheit.
Die Sehnsucht nach Aufbruch hat uns vor zwei Jahren beflügelt. Ihr habt uns, auch mir, das Vertrauen ausgesprochen, ihr ein Gesicht und Stimme zu geben. Jetzt kommt die Bewährung. Hiermit bewerbe ich mich für eine zweite Amtszeit, zwei weitere Jahre, um das, was Annalena und ich vor zwei Jahren begonnen haben, gemeinsam zu Ende zu bringen. Und aus Hoffnung Realismus zu machen!
2002-2004 Kreisvorsitzender in Schleswig-Flensburg
2004-2009 Landesvorsitzender in Schleswig-Holstein
2008-2009 Fraktionsvorsitzender im Kreistag Schleswig-Flensburg
2009-2012 Fraktionsvorsitzender im Landtag Schleswig-Holstein
2012-2017 Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Ländliche Räume in Schleswig-Holstein
2017-2018 Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Digitalisierung in Schleswig-Holstein
Seit 2018 Bundesvorsitzender