Antrag: | Handeln – und zwar jetzt! Maßnahmen für ein klimaneutrales Land |
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Antragsteller*in: | KV Friedrichshain-Kreuzberg (dort beschlossen am: 22.10.2019) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Erledigt durch: W-01-609 |
Eingereicht: | 24.10.2019, 20:22 |
WKF-07-507: Handeln – und zwar jetzt! Maßnahmen für ein klimaneutrales Land
Verfahrensvorschlag zu W-01-609: Antragstext
Von Zeile 608 bis 609 einfügen (W-01: Recht auf Wohnen):
Wohnungsunternehmen, daher muss es für sie attraktiver werden, an öffentliche Fördermittel zu gelangen.
Für die Soziale Wärmewende brauchen wir daher eine gerechte Kostenverteilung zwischen Vermieter*innen, Mieter*innen, sowie der öffentlichen Hand. Die von uns vorgesehene Absenkung der Modernisieurngsumlage ist ein wichtiger Schritt, um als Sofortmaßnahme die einseitige Kostenverteilung zulasten der Mieter*innen zu beenden. Darüber hinaus werden wir alternative Vorschläge, die Modernisierungsumlage durch ein anderes Instrument zu ersetzen, prüfen und ggfls. in einem zweiten Schritt umsetzen.
Wohnen ist eine soziale Frage. Mieten und Kaufpreise haben sich in den letzten Jahren stark
erhöht. Gestiegene Wohnkosten stellen Familien und Menschen bis weit in die Mitte unserer
Gesellschaft hinein vor große Probleme. Bezahlbare Wohnungen mitten in der Stadt, im
gewachsenen Wohnvierteln, in der Nachbarschaft guter Schulen und Kitas werden für Menschen
mit kleinen und mittleren Einkommen unerreichbar. Viele haben Angst davor, ihre Wohnung zu
verlieren oder müssen ihre angestammten Wohnviertel verlassen. Das schlägt einen Spalt in
unsere Gesellschaft. Der soziale Zusammenhalt geht verloren. Wachsende räumliche Barrieren,
zunehmend getrennte Wohnorte und Lebensbereiche von Alten und Jungen, Armen und Reichen,
Familien und Singles verstärken die Spaltung.
Die Mieten in deutschen Großstädten steigen seit Jahren rasant. Allein in Berlin stiegen die
Neuvertragsmieten binnen fünf Jahren um etwa 50 Prozent. In München sind Quadratmeterpreise
von über 20 Euro inzwischen keine Seltenheit mehr. Aber das Problem betrifft schon lange
nicht mehr nur die Metropolen. Auch in Städten wie Lübeck, Potsdam oder Reutlingen haben
immer mehr Menschen Probleme, eine Wohnung zu finden, die sie auch bezahlen können. Noch
extremer ist der Anstieg der Kaufpreise von Immobilien. In den sieben größten deutschen
Städten haben sie sich seit 2010 verdoppelt.
Jede fünfte Mieterin, jeder fünfte Mieter gilt inzwischen als überlastet. Für immer mehr
Unternehmen wird es zu einem Problem, dass ihre Mitarbeiter*innen in der Stadt keine Wohnung
mehr finden. Auch bei vielen kleinen Gewerbetreibenden oder beim jungen, innovativen Start-
Ups werden die Gewinne von steigenden Mieten aufgefressen. Diese Entwicklungen stellen eine
Gefahr für den Frieden und für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft dar und verschärfen
die soziale Spaltung.
Besonders betroffen von der Wohnungsnot sind Menschen mit geringerem Einkommen, Familien mit
Kindern, Alleinerziehende, Menschen mit Behinderung sowie Migrant*innen. Gerade sie werden
bei der Vergabe von Wohnungen diskriminiert. Oft entscheidet die Tatsache, ob jemand Mayer
oder Haddad heißt, alleinerziehend ist oder nicht darüber, ob die Person zu einer
Wohnungsbesichtigung eingeladen wird. Menschen werden aus ihren angestammten Wohnquartieren
vertrieben, wenn ihre Vermieter*innen die Mieten immer stärker erhöhen. Modernisierungen,
die wir für die Rettung des Klimas dringend brauchen, werden dafür missbraucht, Rendite zu
maximieren. Mieter*innen werden so aus ihren Wohnungen verdrängt und dann durch
besserverdienende Mieter*innen ersetzt. Es steigt auch die Zahl der Wohnungslosen. In einem
reichen Land wie unserem fehlt es inzwischen 650.000 Menschen am Allernötigsten: an der
eigenen Wohnung.
Der Wohnungsmarkt liegt wesentlich in kommunaler Verantwortung. Die Wohnungsbaupolitik ist
überwiegend Ländersache. Probleme sollen da gelöst werden, wo sie entstehen. Mit
Öffnungsklauseln im Miet- und Baurecht sowie im Wohnungswirtschaftsrecht für Länder und
Kommunen wollen wir berücksichtigen, dass sich die Lebensverhältnisse und die Wohnsituation
in Deutschland stark unterscheiden.
Es gibt aber auch ganz andere Problemlagen. In Deutschland gibt es zahlreiche Regionen mit
schrumpfender Bevölkerung, Wohnungsleerstand und Herausforderungen durch einen raschen
demographischen Wandel. Dieses Problem werden wir aber weniger mit wohnungspolitischen,
sondern vielmehr eher mit regionalen, strukturpolitischen Instrumenten lösen.
Die Ursachen für die Wohnungskrise sind vielfältig. Es gibt hunderttausende private
Vermieter*innen, die eine Mietwohnung oder ein Miethaus zur Altersvorsorge erworben haben,
und dabei häufig auf maximale Rendite verzichten. Und es gibt sehr gute und sozial
verantwortliche Wohnungsunternehmen in Deutschland, die mit ihrem Bestand stabilisierend auf
den Wohnungsmarkt wirken. Doch es fehlt schlicht an genügend Wohnraum. Der Wohnungsneubau
wurde in Deutschland seit vielen Jahren massiv vernachlässigt. Nach unterschiedlichen
Schätzungen liegt der Bedarf an Neubau in Deutschland bei 350.000 bis 400.000 Wohnungen pro
Jahr. Diese Zahl wäre mindestens nötig, damit sich die Situation zumindest nicht weiter
verschärft. Tatsächlich wurden im vergangenen Jahr aber nur 285.000 Wohnungen gebaut. Wenn
wir jetzt keine Bauoffensive starten, werden sich die Mietsteigerungen der letzten Jahre
auch in Zukunft fortsetzen und wird sich die Krise immer weiter zuspitzen.
„Bauen, Bauen, Bauen“ reicht jedoch allein nicht aus. Es kommt entscheidend darauf an, was,
wo, wie und für wen gebaut wird. Mit Luxus-Apartments ist weder der jungen Familie noch dem
alleinerziehenden Krankenpfleger geholfen.
Ursache des Fehlens von preisgünstigem Wohnraum ist der Rückzug der öffentlichen Hand aus
dem sozialen Wohnungsbau. Die Folgen spüren wir heute: Von damals 3,6 Millionen
Sozialwohnungen sind heute weniger als 1,2 Millionen übrig. Es sind diese Fehler der
Vergangenheit, die sich heute rächen. Eine Studie gibt den bundesweiten Bedarf an günstigen
Sozialmietwohnungen mit 1,6 Millionen an. Überteuerte Modernisierungen oder die Umwandlung
von Miet- in Eigentumswohnungen treiben die Entwicklung weiter an.
Verschärft wird die Situation durch Finanzspekulationen. Sie nutzen gezielt bestehende
Lücken in den Steuergesetzen, um Gewinne am Allgemeinwohl vorbei zu schleusen und
missbrauchen das Mietrecht zur Renditemaximierung. Der Wohnungsmarkt droht in einigen
Großstädten bereits zum Finanzmarkt zu werden. Doch Wohnen ist keine Ware, sondern ein
soziales Recht. Was gebaut wird, muss lebenswert und nachhaltig sein. Gutes Wohnen bedeutet
auch Ruhe und gesunde Luft – Wohnen soll nicht krank machen. Quartiere mit einem geballten
sozialen Wohnraum, wie in Großstädten seit den 1960er Jahren entstanden, sind nicht
nachhaltig. Andererseits wirkt so manches Quartier wie ausgestorben anstatt quirlig und
lebendig: leere Zweitwohnungen, kaum Menschen auf der Straße. Wir wollen stattdessen sozial
gemischte, grüne und ästhetisch ansprechende Quartiere erhalten und neu schaffen, in denen
auch altersgerechtes Leben und barrierefreien Wohnen möglich sind.
Auch der Klimawandel stellt uns in der Wohnfrage vor neue Herausforderungen. Besonders dicht
bebaute innerstädtische Quartiere heizen sich im Sommer besonders stark auf. Wir müssen
verhindern, dass sich unsere Innenstädte für kranke oder alte Menschen im Zuge der
fortschreitenden Erderhitzung zu Zonen entwickeln, in denen sie weder schlafen noch sich im
Freien aufhalten können. Deswegen werden grüne Lungen für unsere Städte immer wichtiger. Wir
wollen die Anzahl von Bäumen in Städten drastisch erhöhen, um Schatten und Sauerstoff in die
Stadt zu bringen sowie die Wasseraufnahme zu verbessern. Außerdem wollen wir die Dächer und
Fassaden nutzen, um Natur in die Stadt zu bringen.
Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist Wohnen ein Grundrecht. Wir wollen es als einen Bestandteil von
neuen sozialen Grundrechten in unser Grundgesetz aufnehmen.
Mit dem vorliegenden wohnungspolitischen Programm buchstabieren wir aus, mit welchen
Maßnahmen wir dieses Grundrecht auf Wohnen einlösen können.
1. Neuen Wohnraum schaffen – sozial und gemeinwohlorientiert
Beim sozialen Wohnungsbau stehen wir vor einer Herkulesaufgabe. Wir müssen die Fehler und
Versäumnisse der vergangenen 30 Jahre innerhalb eines Zeitraums von fünf bis zehn Jahren
korrigieren. Schon seit den 1990er Jahren haben sich viele Kommunen mehr und mehr aus dem
Wohnungsmarkt zurückgezogen. In Folge eines Skandals bei dem Gemeinnützigen
Wohnungsunternehmen „Neuen Heimat“ entschied sich die damalige schwarz-gelbe
Bundesregierung, die Wohngemeinnützigkeit in Deutschland insgesamt abzuschaffen, statt sie
zu reformieren. Anstatt Transparenz herzustellen und gegen Korruption entschlossen
vorzugehen zog sich die Politik weitgehend aus dem Wohnungsmarkt zurück und überließ ihn dem
freien Spiel des Marktes.
Die vom Bund in den vergangenen Jahren ergriffenen Maßnahmen reichen angesichts der
Herausforderung hinten und vorne nicht. Ein Beispiel ist der soziale Wohnungsbau: 2020 wird
der Bund seine Mittel um ein Drittel auf nur noch eine Milliarde Euro kürzen. Und das,
obwohl seit Jahren zwischen 40.000 und 60.000 Sozialwohnungen pro Jahr verloren gehen. Der
Bedarf liegt aber mindestens bei 80.000 zusätzlichen Sozialwohnungen jährlich.
Den geringen Ausgaben des Bundes für den Wohnungsbau stehen Aufwendungen für Kosten der
Unterkunft und Wohngeld in Höhe von 17 Milliarden Euro gegenüber. Anstatt Wohnraum zu
schaffen, alimentieren wir die teuren Mieten der privaten Eigentümer*innen für diejenigen,
die sich das Wohnen nicht mehr leisten können. So subventionieren wir mit Steuergeldern
letztlich die Gewinne von Vermieter*innen und Wohnungskonzernen. Neue Wohnungen entstehen so
nicht.
Wir wollen deswegen eine Kehrtwende in der deutschen Wohnungspolitik. Wir wollen neuen
Wohnraum schaffen – und zwar vor allem öffentlich und gemeinwohlorientiert.
Gemeinnützig Bauen und Wohnen
Die Mittel für den sozialen Wohnungsbau müssen wieder deutlich erhöht und verstetigt werden.
Dafür müssen bestehende kommunale Wohnungsgesellschaften gestärkt werden und es braucht eine
Gründungsoffensive für neue Gesellschaften. Dabei wollen wir die Kommunen dabei umfassend
unterstützen. Genauso stehen wir an der Seite der Zivilgesellschaft und unterstützen das
Aktionsbündnis „Wohnen ist Menschenrecht“.
Wir werden eine neue Wohngemeinnützigkeit einführen. Insgesamt wollen wir in den nächsten
zehn Jahren den Bestand an dauerhaft gebundenen Sozialwohnungen um mindestens eine Million
erhöhen. Dafür setzen wir auf Neubau, aber auch auf Zukauf von bestehenden Wohnungen.
Entsprechend braucht es ein öffentliches Investitionsprogramm des Bundes von zusätzlich drei
Milliarden Euro jährlich. Wir finanzieren das teilweise durch die Abschaffung von unsinnigen
Subventionen wie dem Baukindergeld.
Für die Wohngemeinnützigkeit soll das Prinzip „öffentliches Geld für öffentliche Güter“
gelten. Vermieter*innen, die sich dazu verpflichten, dauerhaft an Menschen mit geringerem
Einkommen und zu günstigen Mieten zu vermieten, erhalten eine öffentliche Förderung. Die
Wohngemeinnützigkeit steht allen Akteur*innen offen: der kommunalen Wohnungsgesellschaft,
der Genossenschaft, aber auch dem privaten Wohnungsunternehmen und der privaten
Kleinvermieter*in. Wir gewähren einen Investitionszuschuss von bis zu 20 Prozent der
Anschaffungs- und Herstellungskosten. Der Erwerb wird von der Grunderwerbsteuer befreit.
Außerdem werden die Gewinne von der Ertragsbesteuerung befreit. Im Gegenzug und zur
Finanzierung schaffen wir die Gewerbesteuerbefreiung für nicht gemeinnützige
Wohnungsgesellschaften ab. Wir konzentrieren die Förderung auf die angespannten
Wohnungsmärkte und beenden so die Gießkannenpolitik der Bundesregierung. Um den dauerhaften
Erhalt der Sozialwohnungen doppelt abzusichern, setzen wir zusätzlich auf öffentliches
Eigentum an Grund und Boden und setzen das Erbbaurecht ein.
Im sozialen Wohnungsbau früherer Jahre wurden viele Fehler gemacht. Aus diesen Fehlern
wollen wir lernen. Wir werden für ein ausgewogenes Verhältnis von Sozialwohnungen,
Genossenschaften, Wohnprojekten, privatem Mietwohnungsbau und selbstgenutztem Wohneigentum
Sorge tragen, um soziale Segregation zu verhindern. Unser Ziel sind vielfältige gemischte
Quartiere, wo Menschen mit geringem und Menschen mit hohem Einkommen Nachbar*innen sein
können. Bei neuen Baugenehmigungen sollen immer auch Vorgaben für eine verbindliche Quote an
Sozialwohnungen erfolgen, wie dies bereits in zahlreichen Städten üblich ist. Wir wollen
bezahlbaren Wohnraum auch für mehr Menschen zur Verfügung stellen, wir wollen die
Einkommensgrenzen für Sozialwohnungen erhöhen und eine neue Kategorie für Menschen schaffen,
deren Einkommen die Einkommensgrenzen um nicht mehr als 50 Prozent übersteigt. Bei diesen
Sozialwohnungen gelten dann entsprechend weniger strenge Kriterien bei der Miethöhe und es
wird eine Teilförderung gewährt.
Unser langfristiges Vorbild bei der Sozialwohnungspolitik ist die Stadt Wien mit ihrem
großen Anteil gemeinnütziger Wohnungen, die für jeden attraktiv sind. In einer Sozialwohnung
zu wohnen wird dort nicht gleichgesetzt mit Armut, weil die Mehrheit der Wienerinnen und
Wiener in Sozialwohnungen lebt. Menschen, deren Einkommen über die Einkommensgrenzen
hinauswächst, werden deswegen nicht zum Umzug gezwungen, aber für sie soll eine
einkommensabhängige Fehlbelegungsabgabe eingeführt werden, deren Einnahmen für den Bau neuer
Sozialwohnungen verwendet wird.
Wir werden für die Wohngemeinnützigkeit eine unabhängige Aufsicht schaffen, welche die
Einhaltung der Kriterien kontrolliert. Zu Unrecht bezogene Fördergelder werden
zurückgefordert und Verstöße auch mit Bußgeldern belegt. Gemeinnützige Wohnungsunternehmen
müssen vollständig transparent wirtschaften. Unser Leitbild ist nicht der große, zentral
verwaltete staatliche Wohnungskonzern, sondern dezentral verwaltete und selbstbestimmte
Wohnprojekte und überschaubare Wohnungsunternehmen. Deshalb werden wir eine
Mietermitbestimmung einführen, so dass die Menschen, die in den Wohnungen leben, ein
Mitspracherecht und Einfluss auf wichtige Entscheidungen erhalten.
Barrierefreies Wohnen in jedem Alter
Ab dem Jahr 2030 braucht jede* Dritte in Deutschland voraussichtlich eine altersgerechte
Wohnung. Doch es fehlen nicht nur Wohnungen ohne Barrieren, sondern es gibt auch zu wenig
preiswerte Wohnungen für Menschen mit Einschränkungen. Hier wollen wir ansetzen und das KfW-
Programm „Altersgerechter Umbau“ mit Mitteln aufstocken, um den großen Bedarf zu decken.
Darüber hinaus werden wir die Städtebauförderung um einen Teil für inklusive Quartiere und
Dörfer ergänzen.
Verdichten, aber nicht Erdrücken
Boden ist ein begrenztes Gut. Wir müssen Bauland schaffen und gleichzeitig den Flächenfraß
reduzieren. Was wie ein Widerspruch klingt, muss durch eine innovative Bauflächenoffensive
aufgelöst werden, die behutsam verdichtet und höher baut, dafür aber die Stadt konsequent
begrünt.
Besonders in unseren Städten erleben wir vielfältige Nutzungskonflikte. Was hat Vorrang?
Parkplatz oder Spielplatz? Wohnung oder Einkaufszentrum? Solche Fragen werden in Kommunen
täglich diskutiert und sind heißt umkämpft. Um mehr Wohnraum in Städten zu schaffen wollen
wir nachverdichten. Bestehende Gebäude sollen aufgestockt werden, um Flächen zu sparen.
Etwa, indem Wohnungen über dem Supermarkt entstehen oder indem Stockwerke hinzukommen, wo
dies sinnvoll ist. Wir erleichtern die behutsame Nachverdichtung durch Dachausbauten
finanziell. Die Möglichkeit zur Aufstockung von einstöckigen Gewerbeimmobilien mit Wohnungen
soll im Baurecht verankert werden. Statt einer Sonderabschreibung, welche die Preise weiter
in die Höhe treibt, wollen wir eine Investitionszulage im Rahmen einer „Grünen
Bauflächenoffensive“ schaffen. Wir fördern damit finanziell die Dachaufstockung mit
Wohnungen sowie das Aktivieren von Brachen – davon gibt es im Umland vielerorts noch viel.
In Deutschland stehen etwa zwei Millionen Wohnungen leer. Wir fördern die Wiederbelebung
leerstehender Häuser und Wohnungen finanziell mit der grünen Bauflächenoffensive. Vielerorts
lässt sich so Naturverlust und Flächenversiegelung an Ortsrändern und im Umland verhindern
und vorhandene Häuser und Grundstücke in den Ortskernen wieder beleben. Das schafft und
sichert Werte, statt Natur und das Klima zu zerstören und Ortskerne auszuhöhlen.
Die Bewohnerinnen und Bewohner müssen bei der Planung beteiligt werden. Mangelnde
Beteiligung führt zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten und Bauverzögerungen und oft
entstehen so wenig lebenswerte Quartiere. Deswegen stehen wir für moderne
Beteiligungsprozesse im Rahmen einer zu verwirklichenden Baukultur. Wir wollen
Beteiligungsprozesse organisieren, in denen Menschen frühzeitig mitentscheiden können, was
gebaut, aber nicht verhindern können, dass gebaut wird.
Viele bestehende Bebauungspläne sind veraltet und entsprechen nicht mehr den modernen
Anforderungen. Wir wollen die Kommunen dabei unterstützen, sie im Sinne einer vertikalen
Siedlungsentwicklung anzupassen, so dass höher gebaut werden kann und Natur in der Stadt und
Umland geschont und bereits versiegelte Flächen besser genutzt werden.
Bisher ungenutzte Brachen, die eine ökologische Funktion haben, sollten wir schon aus
Klimaschutzgründen nicht vollständig bebauen, sondern auch für neue grüne Lungen,
Erholungsgebiete und soziale Begegnungsräume nutzen. Ziel der Innenentwicklung ist auch,
neue öffentliche Räume zu erschließen und unsere Städte lebenswerter zu gestalten.
Soviel, wie neu gebaut wird, so viel an neuem Grün wollen wir schaffen – auch und vor allem
auf Dächern und Fassaden, die heute dafür weitgehend ungenutzt bleiben. So wollen wir das
Stadtgrün schützen und erweitern, nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes und als
Anpassungsmaßnahme an die Klimakrise, sondern auch, weil es für die Lebensqualität in den
Städten, gerade für Menschen ohne Zugang zu Gärten und Freiflächen, von hoher Bedeutung ist.
Wir setzen auf die Senkung der Flächeninanspruchnahme auf maximal 30 Hektar pro Tag.
Spätestens ab 2030 wollen wir erreichen, dass für jede neue Versiegelung von Fläche eine
gleich große, nicht mehr benötigte Siedlungsfläche renaturiert wird.
Im ländlichen Raum stellt sich das Problem oft umgekehrt dar. Es gibt Leerstand und Dörfer
mit Einwohnerschwund. Gut ausgebaute ÖPNV-Verbindungen sind nicht nur eine klimafreundliche
Verkehrsalternative, sondern auch ein Mittel gegen Wohnungsnot, wenn so der ländliche Raum
mit attraktiven Reisezeiten an die Ballungszentren angeschlossen und angebunden wird.
Der Baulandspekulation den Boden entziehen
Der stärkste Kostentreiber beim Wohnen sind Grundstücks- und Baulandpreise. Die Preise für
Bauland sind seit 2010 um über 60 Prozent gestiegen, in den Großstädten noch deutlich
stärker. Mit 870 Prozent Bodenwertsteigerung in weniger als zehn Jahren musste Berlin den
größten Anstieg weltweit verkraften. Grund und Boden ist zum Spekulationsobjekt geworden und
die explodierenden Bodenpreise schlagen auf die Immobilienpreise und Mieten durch. Wenn
davon gesprochen wird, dass günstiges Bauen kaum mehr möglich ist, liegt dies zuvorderst an
den inzwischen für sehr viele Menschen unbezahlbaren Grundstückspreisen. Aber Boden ist ein
Allgemeingut, unvermehrbar, unentbehrlich und sozial gebunden.
In Deutschland hat die öffentliche Hand viele ihrer Grundstücke verkauft. Die Bundesanstalt
für Immobilienaufgaben (BImA) hat ihre Grundstücke lange Zeit meistbietend versteigert und
wurde damit selbst zu einem Treiber der Spekulation. Eine Bodenvorratspolitik, die Vorsorge
für die Zukunft betreibt, haben deutsche Städte und Gemeinden fast nirgends gemacht. Daraus
resultiert, dass die wertvollen Baugrundstücke in unseren Städten heute größtenteils in
privater Hand sind und die Kommunen horrende Preise zahlen müssten, um sie zurück zu kaufen.
Wir wollen Kommunen dabei unterstützen, wieder eine aktive Bodenpolitik zu betreiben und
verstärkt Grund und Boden für öffentliche Aufgaben wie gemeinnützigen Wohnungsbau zu
erwerben. Der Bund muss das durch eine langfristige gemeinwohlorientierte Bodenpolitik
unterstützen.
Die noch vorhandenen bundeseigenen Bestände sollen nicht mehr an private Investoren
veräußert, sondern verbilligt an Kommunen mit einer dauerhaften Sozialbindung abgegeben
werden. An private Investor*innen sollte hingegen nur noch Erbbaurechte vergeben werden,
damit die Flächen nach Ablauf einer Frist an die öffentliche Hand zurückfallen. Heute laufen
Sozialbindungen nach 15 bis 30 Jahren aus. Über die Vergabe im Erbbaurecht können wir
vertraglich sicherstellen, dass künftig Sozialwohnungen dauerhaft erhalten bleiben. Wir
werden die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) zu einem Gemeinnützigen
Bundesbodenfonds weiter entwickeln. Der Bundesbodenfonds soll für gemeinwohlorientiere und
öffentliche Akteure des Wohnungsbaus Grundstücke ankaufen und diesen Akteuren Grundstücke
übertragen bzw. verpachten.
Viele Investor*innen sind im Besitz von Bauland, spekulieren aber lieber auf steigende
Bodenpreise als zu bauen. Das kommunale Bau- und Planungsrecht sieht heute schon eine
Baupflicht (Baugebot) vor. Wird nicht gebaut, kann in letzter Konsequenz eine Enteignung
gegen Entschädigung stehen. Das Bundesverfassungsgericht sieht gerade bei Grund und Boden
eine besondere und weitgehend soziale Verpflichtung des Eigentums. Wer der Aufforderung zu
bauen nicht nachkommt, kann zum Verkauf gezwungen beziehungsweise gegen Entschädigung
enteignet werden. Wir unterstützen die Kommunen, die von dieser Möglichkeit bei besonders
angespannten Wohnungsmärkten Gebrauch machen. Bei solchen Lagen sollen Kommunen das Baugebot
nicht nur für einzelne Grundstücke, sondern für bestimmte Gebiete aussprechen können. Falls
dem Baugebot nicht entsprochen wird und die öffentliche Hand daraufhin als ultima ratio
enteignet, sollte die Entschädigung einem realistischen Ertragswert entsprechen. Länder
sollen in die Lage versetzt werden, durch eine erhöhte Grundsteuer für unbebaute Grundstücke
einen Anreiz zum Bauen zu schaffen. Ebenso sollen alle Länder über ihre Bauordnungen die
Gültigkeit von Baugenehmigungen zeitlich befristen können, um die Spekulation mit Baurechten
zu unterbinden.
Es gibt weitere Möglichkeiten, die Rechte von Mieterinnen und Mietern zu stärken.
Vorbildcharakter hat für uns die betriebliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer*innen. Durch
sie ist sichergestellt, dass nicht nur die Eigentümer*innen eines Unternehmens, sondern auch
die dort beschäftigen Arbeitnehmer*innen einen Einfluss auf die Entscheidungen haben, die
sie direkt betreffen. Wir wollen dieses Prinzip vom Arbeitsverhältnis auf das Mietverhältnis
übertragen. Unser Ziel ist, der Gemeinschaft der Mieter*innen Mitbestimmungsrechte zu
einzuräumen, etwa wenn es um Umbauten oder Modernisierungen geht. Wir wollen so eine echte
Mietermitbestimmung entwickeln, um die Gemeinwohlorientierung des Eigentums auch auf dem
Wohnungsmarkt durchzusetzen. Diese Mietermitbestimmung soll – analog zur
Arbeitnehmermitbestimmung – für Wohnungsgesellschaften ab einer bestimmten Größe gelten.
Die Preise für Grund und Boden steigen nicht, weil die Eigentümer*innen die Qualität des
Bodens verbessern, sondern wegen der Lage, also einer Umgebung mit öffentlicher
Infrastruktur, attraktiven Arbeitsplätzen, Kultureinrichtungen oder Universitäten. Aufgrund
dieser Faktoren werden bestimmte Gegenden beliebter und stärker nachgefragt. Die Ernte
dieser Leistungen anderer sollte nicht über eine Bodenrente privatisiert werden. Für die
Eigentümer*in stellen sie einen leistungslosen Vermögenszuwachs dar. Im Planungsrecht gibt
es bereits Instrumente, solche windfall profits, also Wertsteigerung von privatem Grund und
Boden, durch einen kommunalen Bebauungsplan zu berücksichtigen.Wir wollen es für Kommunen
ermöglichen, planungsbedingte Wertsteigerungen teilweise abzuschöpfen und für kommunale
Infrastrukturen, soziales Wohnen und Umwelt einzusetzen.
Mit dem Vorkaufsrecht solidarisches Eigentum begründen
Das im Baurecht verankerte Vorkaufsrecht der Kommunen für Wohnungen und Bauland stellt für
uns ein wichtiges Instrument dar, um das Ziel von mehr öffentlichem und solidarischem
Eigentum zu verwirklichen. Es wird aber viel zu selten genutzt. Daher braucht es eine aktive
Ankaufstrategie. Akteure wie zum Beispiel Genossenschaften oder Stiftungen, die
gemeinwohlorientiert agieren, können die kommunale öffentliche Strategie ergänzen. Das
kommunale Vorkaufsrecht soll auf alle Gebiete der Stadt ausgeweitet werden. Die
Ausübungsfrist von zwei Monaten soll auch bei Share Deals und Zwangsversteigerungen gelten.
Um die kommunalen Bauämter zu unterstützen, wollen wir beim Bund (BBSR) eine
Rechtberatungsstelle einrichten und diese darin unterstützen, mit Online-Katastern eine
Übersicht über brachliegende und verfallende Grundstücke zu schaffen. Oft haben Kommunen
oder Genossenschaften Schwierigkeiten, den Ankauf zu finanzieren. Deswegen wollen wir
Allianzen zur Ausübung des Vorkaufsrechts unterstützen. Beispielsweise könnte die
Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) ein Teileigentum des Bundes begründen, sich so
am Kauf beteiligen und damit der Kommune den Ankauf ermöglichen. Genossenschaften und andere
gemeinwohlorientierte Erwerber*innen könnten eine Förderung durch günstige Kredite oder
Zuschüsse der öffentlichen Hand erhalten, um die Finanzierung zu ermöglichen.
Nachhaltig und digital bauen – und damit Kosten sparen
Mit einer Innovationsoffensive für die besten Klima-Investitionen in Gebäude und Wohnungen
unterstützen wir selbstnutzende Eigentümerinnen, Vermieter sowie Mieter*innen. Wir helfen
ihnen, zu tragbaren Kosten Zukunft zu gestalten und Klimaschutzmaßnahmen gemäß der Ziele von
Paris umzusetzen. Dafür stellen wir im Aktionsplan „Faire Wärme“ sieben Milliarden Euro im
Jahr für Planung, Investitionen und bezahlbaren Wohnraum und für ressourcenschonendes Bauen,
zum Beispiel durch modularen Holzbau, bereit. Hemmnisse im Baurecht für serielles und
modulares Bauen wollen wir in der Musterbauordnung reduzieren und so Kostensenkungen
ermöglichen. Wir schaffen ein Gebäuderessourcengesetz, das die ganzheitliche
Lebenszyklusbetrachtung für ein Gebäude in den Blick nimmt.
Damit die erheblichen Investitionen für Neubau sowie klima- und altersgerechten Umbau
überhaupt geleistet werden können, wollen wir die Innovationskraft und Produktivität im
Bauwesen stärken. In Ländern wie China, Dubai und den Niederlanden wird bereits mit dem
Einsatz von 3D-Druckern beim Bau experimentiert. Wir wollen die Forschung auf diesem Gebiet
unterstützen und Pilotprojekte auch in Deutschland fördern.
Der nachwachsende Baustoff Holz bietet gleich mehrfach Potenzial für eine höhere
Produktivität durch digitale Unterstützung: Er speichert CO2 und schützt damit das Klima.
Ganze Gebäudeteile lassen sich im Werk mit digitaler Technik vorfertigen und auf der
Baustelle rasch und damit kostengünstig aufbauen. Holz ist leichter als Stahl und Beton und
damit statisch für Dachausbauten gut geeignet. Building Information Models (BIM), also
digitale Abbilder der Neubauten, haben das Potenzial, das Bauen zu erleichtern: Die
Schnittstellen zwischen den einzelnen Baugewerken werden sicht- und damit definierbar, das
macht heute Abstimmungen und Kosten transparenter und erleichtert später Modernisierung und
Instandsetzung sowie Recycling. Mit einem Marktanreizprogramm für das Bauen mit
nachwachsenden Baustoffen regen wir den verstärkten Einsatz von Holz aus nachhaltigen
Quellen als Baustoff an. Die Kapazität nachwachsender Baustoffe als CO2-Speicher wollen wir
im Gebäudeenergiegesetz honorieren und als Beitrag zum klimaneutralen Gebäudebestand auch
anrechnen.
Die Möglichkeiten der Digitalisierung müssen für ressourcenschonende Infrastrukturen und
lebenswerte Städte genutzt und im Sinne der Bürger*innen und des Gemeinwohls eingesetzt
werden. Der Schutz vor Risiken, etwa bei der Datensicherheit und kritischen Infrastrukturen,
muss dabei immer berücksichtigt werden. Dies ist eine primäre öffentliche Aufgabe. Schon
heute geben Städte und Gemeinden wertvolle IT-Infrastrukturen aus der Hand. Städte und
Gemeinden müssen durch ein Bundesprogramm mehr Mittel an die Hand bekommen, um ihre
Verwaltung, das Management der Energiekreisläufe sowie die Infrastrukturen digital zu
ertüchtigen.
Wohnraum nutzen – Leerstand und Fehlnutzung verhindern
Nicht immer fehlt Wohnraum: Manchmal ist er vorhanden, wird aber nicht oder falsch genutzt.
Wir wollen gegen Fehlnutzungen und spekulativen Leerstand von Wohnraum vorgehen. In
beliebten Großstädten verschwindet Wohnraum auch dadurch, dass er als Ferienwohnung genutzt
und so für dauerhafte Bewohner*innen unzugänglich wird. Nicht selten findet man in den
beliebten Lagen von Städten wie Berlin und Hamburg viele Inserate bei Airbnb und Co., aber
kaum Mietwohnungsangebote mehr. Wir unterstützen die Kommunen dabei, gegen Zweckentfremdung
und Fehlnutzungen vorzugehen und diese zu verbieten. Die Verfolgung muss verbessert und die
Bußgelder müssen erhöht werden. Die EU-Kommission steht in der Pflicht, die Länder und
Kommunen bei der Schaffung von verbindlichen Auskunftspflichten von Online-Plattformen zu
unterstützen.
Seit 1987 ist die durchschnittliche Wohnfläche pro Einwohner*in um über ein Drittel
gestiegen. Der Grund dafür ist oft, dass immer mehr Menschen in Wohnungen leben, die für sie
zu groß geworden sind. Paare etwa, die nicht in eine kleinere Wohnung ziehen, wenn die
Kinder aus dem Haus sind, oder Menschen, die nach einer Trennung oder dem Versterben der
Partner*in in ihrer Wohnung verbleiben. Ein Umzug kommt für sie oft aus Kostengründen nicht
in Betracht, weil sie dann einen älteren und sehr günstigen Mietvertrag verlieren würden.
Und eine neue Wohnung wäre nicht nur kleiner, sondern voraussichtlich auch noch teurer.
Oftmals ist das auch der Grund, weshalb Menschen ihre Wohnung nicht aufgeben, wenn sie eine
andere, weiter entfernte Arbeit antreten. Die weiten Arbeitswege verschärfen wiederrum
zusätzlich die Verkehrsprobleme in unseren Städten. Diese Probleme wollen wir angehen, indem
wir den Mieter*innen ein Recht geben, ihre bestehenden Mietverträge untereinander zu
tauschen. So können alleinstehende ältere Menschen ihre als zu groß empfundene Wohnung mit
der jungen Familie tauschen, die dringend mehr Platz benötigt. Und das ohne steigende
Kosten, weil sie einfach in den Mietvertrag der Anderen als neue Mietpartei einsteigen.
Bisher wird dies nur innerhalb von Wohnungsgesellschaften und auf freiwilliger Basis
praktiziert. Wir werden dafür einen allgemeinen Rechtsanspruch einführen. Er soll zunächst
nur für Wohnungsgesellschaften gelten, private Kleinvermieter*innen bleiben davon
ausgenommen. Außerdem werden wir der Vermieter*in ein Recht einräumen, aus guten Gründen der
Übertragung des Mietvertrags zu widersprechen, etwa wenn die neuen Mieter*innen nicht über
das Einkommen verfügen, um die Miete zahlen zu können. Zusätzlich wollen wir den Umzug in
solchen Fällen finanziell fördern.Kommunen und Baubranche für mehr Wohnungsneubau stärken
Das in den Bereichen Bau und Planung tätige Personal in den Kommunen ist seit 1991 um 35
Prozent zurückgegangen. In den mit Baufragen befassten Stellen arbeitete 2010 bereits ein
gutes Drittel der Beschäftigten weniger, bis 2015 waren es noch einmal zehn Prozent weniger
Beschäftigte als zuvor. Und heute sind es diese wenigen Beschäftigten, die den aufgelaufenen
kommunalen Investitionsstau bei maroden Schulen und Brücken lösen und zusätzlich
Wohnungsneubau und Klimaschutz organisieren sollen.
Ganz ähnlich sieht es in der privaten Bauwirtschaft aus: Trotz Einstellungen in den
vergangenen Jahren arbeiten heute in der Bauwirtschaft fast 800.000 Menschen weniger als
noch Mitte der 1990er Jahre. Wenn wir beim Bauen wieder aufholen wollen, muss sich das
schnell ändern.
Denn in dieser schwierigen Situation brauchen wir die Kommunen bei der Planung und beim Bau
mehr als je zuvor. Die Steuerung der Bautätigkeit, des Klimaschutzes in Stadtvierteln und in
Gebäuden sehen wir als kommunale Aufgabe. Daher wollen wir den Kommunen das Planen und
Steuern erleichtern durch planbare, verlässliche Investitionshilfen, finanzielle Entlastung
der Kommunen sowie leichtere Planungsinstrumente im Baurecht für dringende Belange:
Vorkaufsrechte, Klimamodernisierung oder Neubauplanung im Ortskern. Wir stärken die Kommunen
und sorgen für planbare und verlässliche Investitionshilfen, und zwar mit dem „Aktionsplan
Faire Wärme“, der Bauflächenoffensive, einem Bundesprogramm für grüne Infrastrukturen und
der Neuen Wohngemeinnützigkeit. So können Kommunen wieder eigenes Planungspersonal
einstellen, ihre Wohnungsämter und Grünflächenämter stärken und bei Bedarf
Wohnungsunternehmen gründen, und zwar mit demokratisch legitimierter Planung in kommunaler
Hand, nicht durch Finanzinvestoren. Überschuldete Kommunen wollen wir durch Altschuldenhilfe
und Entlastung bei den Sozialkosten wieder auf die Füße helfen.
Wir wollen es Kommunen ermöglichen, mit machbarem Aufwand Bauland für öffentliche und
private Investitionen zu aktivieren, und gleichzeitig grüne Freiräume, Mobilität, Schulen
und Sozialwohnungen einzuplanen. Dazu geben wir ihnen da, wo Wohnraummangel und Belange der
Stadtentwicklung es erfordern, die Möglichkeit, ein „Innenentwicklungsgebiet“ festzulegen.
Darin können sie Baulücken, Brachflächen und andere Flächen zügig einer baulichen Nutzung
oder Freiraumnutzung zuführen, auch auf Flächen, die nach dem Grundsatz des „Einfügens in
die Umgebung“ (§34 Baugesetzbuch) bebaut werden können. Damit erleichtern wir kommunale
Vorkaufsrechte erheblich. So können die Kommunen zum Beispiel im Umland der Ballungszentren
und Metropolen Baupotenziale in den Ortskernen erschließen, bevor sie Bauland auf der grünen
Wiese entwickeln. Die Erschließung durch Stadtbahnen und Radschnellwege ist genauso wie die
durch Pflegedienste, Jugendzentren und Kitas einfacher in kompakteren Orten.
Früher waren öffentliche Bauinvestitionen häufig von der Kassenlage abhängig. Fehlte es an
Steuereinnahmen, wurde auch nicht mehr gebaut. Damit war es für die private Bauwirtschaft
nie sicher, ob die aktuelle Auftragslage auch in Zukunft Bestand haben würde. In dieser
Situation erhöhen Unternehmen eher die Preise, als dass sie ihre Kapazitäten ausweiten.
Durch die Erhöhung und Verstetigung der Mittel für den öffentlichen Wohnungsbau und für
Klimaschutz in Gebäuden wollen wir das ändern und geben dem Baugewerbe das Signal, dass es
sich lohnt zu investieren und neue Beschäftigte einzustellen. Die Bauwirtschaft verzeichnet
kaum Produktivitätszuwachse. Sie ist im Branchenvergleich bei der Produktivitätsentwicklung
immer noch unter den Schlusslichtern zu finden. Firmen finden angesichts des Baubooms kaum
noch Mitarbeiter*innen und Fachkräfte. Wir werden alles tun, um die Bauwirtschaft dabei zu
unterstützen, Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben. Dafür braucht es ein modernes
Einwanderungsrecht, das die bestehenden Regelungen liberalisiert, systematisiert und
vereinfacht. Für Asylsuchende und Geduldete, die sich bereits in Deutschland befinden,
wollen wir einen Zugang in Ausbildung, Studium und Erwerbstätigkeit schaffen.
2. Faire Mieten: Mieter*innenrechte verbessern
Wir wissen, dass vielerorts heute bereits so viele Wohnungen fehlen, dass man mittels Neubau
nicht zu schnellen Erfolgen kommen kann. Im Gegenteil wird es viele Jahre dauern, bis wir in
den Großstädten wirklich ausreichenden Wohnraum geschaffen haben. Daher braucht es für
Kommunen über die bestehenden bundesgesetzlichen Regelungen hinaus eine Möglichkeit, Mieten
zu begrenzen. Eine spürbare Begrenzung des Mietsanstiegs ist gleichzeitig das wirksamste
Instrument, um die Ertragswerte von Immobilien zu begrenzen und dämpfend auf die
Preisentwicklung einzuwirken.
Die große Koalition hat im Jahr 2015 die sogenannte Mietpreisbremse eingeführt. Gebremst hat
sie allerdings kaum. Zu viele Ausnahmen durchlöchern ihre Wirksamkeit. Mit der Durchsetzung
werden die Mieter*innen allein gelassen. Es liegt an ihnen, gegen ihre neue Vermieter*in zu
klagen. Viele tun das nicht. Die Mietpreisbremse muss endlich angezogen und unnötige
Ausnahmen abgeschafft werden. Sie muss als ein dauerhaftes Instrument im Mietrecht erhalten
bleiben, und nicht wie von der Bundesregierung geplant bereits 2025 wieder auslaufen. Es
sind die Länder, die darüber entscheiden, in welchen Gebieten die Mietpreisbremse überhaupt
gilt. Die Beschränkung, dass sie dies nur für maximal fünf Jahre dürfen, muss fallen. Die
Mietpreisbremse erlaubt heute, bis zu zehn Prozent über die ortsübliche Vergleichsmiete
hinauszugehen. Wir werden diesen Wert auf fünf Prozent senken. Verstöße gegen die
Mietpreisbremse werden wir zu einer Ordnungswidrigkeit machen und mit einer empfindlichen
Geldbuße belegen. Um den Mietanstieg auch bei bestehenden Mietverträgen stärker
einzuschränken, werden wir den Mietanstieg auf maximal drei Prozent pro Jahr bis zur
Obergrenze ortsüblicher Vergleichsmieten beschränken.
Miethöhen orientieren sich in vielen Fällen an der ortsüblichen Vergleichsmiete, die in
Mietspiegeln ermittelt wird. Diese ortsübliche Vergleichsmiete steigt aber vielerorts rasch
an. Der Mietspiegel setzt sich derzeit aus den neuen Mietverträgen der letzten vier Jahre
zusammen. Dies führt dazu, dass bei starken Mietsteigerungen auch die bestehenden
Mietverträge zeitlich verzögert betroffen sind. Wir werden deshalb die Mietverträge der
letzten zehn Jahre für die Berechnung des Mietspiegels berücksichtigen. In einigen Kommunen
gibt es überhaupt keinen qualifizierten Mietspiegel. Aber nur damit können Mieter*innen die
Höhe der ortsüblichen Miete und damit ihre Rechte überhaupt verlässlich bestimmen. Wir
werden die Kommunen finanziell unterstützen, um dies künftig in allen mittleren und großen
Städten Deutschlands abzusichern. Außerdem wollen wir Städte mit angespanntem Wohnungsmarkt
zur Anwendung eines qualifizierten Mietspiegels verpflichten, damit Konzerne künftig nicht
mehr klagen können. Die Heranziehung von Vergleichswohnungen zur Begründung der Mieterhöhung
darf nur dann erfolgen, wenn die Vergleichswohnungen nicht allein aus dem Bestand nur eine*r
Eigentümer*in stammen.
Der Plan der Berliner Landesregierung, einen Mietendeckel einzuführen, gibt der Stadt ein
weiteres Instrument zur preislichen Regulierung des überhitzten Wohnungsmarktes an die Hand.
Weil mit dem Mietendeckel juristisches Neuland betreten wird, ist es richtig, dass
Umsetzbarkeit, Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit sorgsam geprüft werden.
Über die Kündigung bestehender Mietverträge und die Wiedervermietung an wohlhabendere
Mieter*innen findet ein großer Teil der Mietsteigerungen statt. Menschen werden aus ihren
Nachbarschaften verdrängt. Stadtteile werden sozial immer homogener und die Gesellschaft
treibt auseinander. Kündigungen führen in extremen, aber leider immer häufigeren Fällen auch
zu Wohnungs- oder gar Obdachlosigkeit – selbst bei Familien mit Kindern. Unser Ziel ist es,
beim Kündigungsschutz wieder ein Gleichgewicht zwischen Mieter*innen und Vermieter*innen
herzustellen. Gerät ein*e Mieter*in in Zahlungsverzug und erhält deswegen die Kündigung,
soll er oder sie die Möglichkeit haben, die Kündigung durch Nachzahlung abzuwenden.
Mieter*innen sollen keine Angst haben müssen, ihre Wohnung zu verlieren, nur weil sie
berechtigt von ihrem Mietminderungsrecht bei Mängeln in der Wohnung Gebrauch gemacht haben.
Menschenrecht auf Wohnen durchsetzen
Wir wollen ein nationales Aktionsprogramm zur Vermeidung und Bewältigung von Wohnungs- und
Obdachlosigkeit auf den Weg bringen und uns entsprechend der globalen Nachhaltigkeitsziele
vornehmen, dass es bis 2030 keine Obdachlosigkeit mehr in Deutschland gibt. Außerdem braucht
es eine gezielte Förderung des „Housing First“-Ansatzes, bei dem Obdachlose in eine Wohnung
einziehen können, ohne sich zuvor für Hilfe „qualifizieren“ zu müssen. Darüber hinaus müssen
Bürger*innen, unabhängig von ihrem Sozialleistungsbezug, Zugang zu Notunterkünften erhalten.
So soll das Menschenrecht auf Wohnen dauerhaft sichergestellt werden.
Eigenbedarfskündigungen sollen deutlicher als heute auf die tatsächliche Nutzung durch die
Eigentümer*in und die nahen Verwandten beschränkt werden, um Missbrauch zu unterbinden. Die
voranschreitende Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen wollen wir so nicht
hinnehmen. Die Kommunen können heute schon in sogenannten Milieuschutzgebieten die
Umwandlung von Wohnungen in Eigentumswohnungen untersagen. Bedingungen und Befristungen
werden wir weitgehend abschaffen, so dass eine Kommune mit angespanntem Wohnungsmarkt eine
Umwandlung ausnahmslos und stadtweit untersagen kann, wenn sie es für geboten hält. Wir
setzen verstärkt auf das städtebauliche Instrument des Milieuschutzes, um die soziale
Zusammensetzung der Bevölkerung in Gebieten mit hohem Verdrängungsdruck zu erhalten.
Oft scheitert Mietrecht in der Umsetzung. Mieter*innen werden alleine gelassen und müssen
ihre Rechte gegen große Wohnungskonzerne einklagen, die allerdings Heerscharen von Anwälten
beschäftigen, um ihre Interessen durchzusetzen. Um ein Kräftegleichgewicht zwischen großen
Wohnungsunternehmen und Mieter*innen herzustellen, sind mehr kollektive Klagemöglichkeiten
unerlässlich. Hierfür wollen wir Gruppenklagen einführen. Außerdem streben wir an, die
Einhaltung der zulässigen Miethöhen auch öffentlich zu kontrollieren und damit auch Verstöße
aufzudecken, gegen die Mieter*innen nicht klagen. Dazu wollen wir das Wirtschaftsstrafrecht
gegen überhöhte Mieten wieder wirksam machen. Solche Verstöße werden wir wirksam
sanktionieren.
Viele Menschen werden auf dem Wohnungsmarkt aus rassistischen oder anderen Gründen
diskriminiert. Oft werden Menschen allein wegen ihres Namens, ihrer Sprache oder ihres
bisherigen Wohnorts nicht zu Wohnungsbesichtigungen eingeladen oder haben als potentielle
Mieter*innen keine Chance. Wir wollen diese Diskriminierung beenden. Dafür muss das
Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) reformiert und der Merkmalskatalog erweitert
werden. Denn der soziale Status oder auch die Sprache sind Diskriminierungsmerkmale, die auf
dem Wohnungsmarkt eine besonders wichtige Rolle spielen. Außerdem setzen wir uns für die
Einführung des Verbandsklagerechts ein, damit Verbände für Betroffene klagen können. Und wir
wollen, dass Fachstellen zur Beratung, Begleitung und Unterstützung von Menschen, die von
Diskriminierung betroffen sind, gestärkt und ausgebaut werden. Damit wollen wir den
Diskriminierungsschutz auf dem Wohnungsmarkt wirkungsvoller gestalten.
Gewerbemietrecht und Grundsteuer reformieren
Für lebenswerte Städte ist auch ein vielfältiges Angebot an kleinen Läden,
Handwerksbetrieben und Angeboten für Familien im direkten Wohnumfeld entscheidend. Gerade
kleine Gewerbetreibende in den begehrten Lagen können sich die steigenden Mieten vielfach
nicht mehr leisten. Damit wird die Knappheit auch für den Wirtschaftsstandort zu einer
ernsten Bedrohung für Vielfalt. Deshalb muss auch das Gewerbemietrecht reformiert werden.
Auch für Gewerbetreibende braucht es eine Begrenzung von Mieterhöhungen, eine
Mietpreisbremse bei Neuvermietung und einen wirksamen Kündigungsschutz. Die Wirtschaft
braucht Planungssicherheit: Die Praxis, Mietverträge auf kurze Zeiträume von zum Beispiel
einem Jahr zu befristen, muss beendet werden.
Die Reform der Grundsteuer ist überfällig, da sie auf veralteten Werten beruht, die
inzwischen verfassungswidrig sind. Die große Koalition hat die Reform immer wieder
verschleppt und gefährdet so 14 Milliarden Euro, auf welche die Kommunen dringend angewiesen
sind, um neue Sozialwohnungen zu bauen. Wir wollen sicherstellen, dass durch die Reform
nicht die Mieter*innen belastet werden. Deshalb werden wir die Umlagefähigkeit der
Grundsteuer auf die Mieter*innen abschaffen. Für bestehende Vereinbarungen, die dem
entgegenstehen, werden wir eine angemessene Übergangsfrist gewähren. Außerdem müssen Städte
und Gemeinden die Möglichkeit haben, mit der Grundsteuer zu steuern und
Stadtentwicklungspolitik zu betreiben. Dafür sollen sie für unterschiedliche Stadtgebiete
auch unterschiedlich hohe Steuersätze festlegen dürfen.
3. Spekulation, Geldwäsche und Steuerumgehung beenden
Die Explosion der Immobilienpreise zeigt, dass Wohnungen und Grundstücke zum
Spekulationsobjekt auf den Finanzmärkten geworden sind. Nicht nur die Mieter*innen leiden
unter dieser Entwicklung. Mehr und mehr Expert*innen warnen vor einer Immobilienpreisblase
in Deutschland, deren Platzen verheerende Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft hätte.
Wir wollen zu einem Wohnungsmarkt zurückkehren, der nicht vom Spekulationsinteresse
getrieben wird.
Durch die Steuerumgehung mittels sogenannter Share Deals gelingt es großen
Wohnungsgesellschaften, Immobilien zu kaufen, ohne dafür Grunderwerbsteuer zu zahlen. Immer
größere Wohnungsbestände sind in die Hand von börsennotierten Konzernen, internationalen
Gesellschaften und Private Equity Fonds geraten. Auch die deutsche Körperschaftsteuer wird
so umgangen. Wir werden die Praxis der steuerfreien Share Deals beenden, indem wir schon bei
einem Verkauf der Mehrheit einer Gesellschaft zumindest anteilig Grunderwerbsteuer erheben.
Außerdem wollen wir für die Länder die Möglichkeit schaffen, die Grunderwerbsteuer
progressiv auszugestalten. Wenn Wohnungskonzerne große Immobilienbestände aufkaufen, soll
eine höhere Grunderwerbsteuer fällig werden, als wenn Privatpersonen eine Wohnung kaufen, um
selbst darin zu wohnen. So wird die Grunderwerbsteuer zu einer Antispekulationssteuer.
Der deutsche Wohnungsmarkt gilt in Europa als Paradies für Geldwäsche. Mit Geldern aus
kriminellen Geschäften wie Bestechung, Waffenhandel oder Steuerhinterziehung werden deutsche
Immobilien aufgekauft, denn die Gefahr, entdeckt zu werden, ist in Deutschland gering. Der
deutsche Wohnungsmarkt ist bei russischen Oligarchen und der italienischen Mafia ebenso
populär wie bei griechischen, deutschen oder amerikanischen Steuerhinterzieher*innen.
Deutschland gilt für sie als sicherer Hafen. Das von der großen Koalition eingeführte
Transparenzregister hat daran wenig geändert. Noch immer ist es in vielen Fällen nicht klar,
wem eine Immobilie letztlich gehört. Die wahren Eigentümer*innen verstecken sich oftmals
hinter verschachtelten Beteiligungsstrukturen. Transparenz darf deshalb in Zukunft nicht nur
drauf stehen, sondern muss auch drin sein. Für jede Immobilie in Deutschland müssen
wirtschaftlich Berechtigte und die letztlich dahinterstehenden natürlichen Personen benannt
werden – ohne jede Ausnahme. Das Transparenzregister selbst soll öffentlich zugänglich
werden, um seinem Namen auch endlich gerecht zu werden. Mindestens Journalist*innen,
Nichtregierungsorganisationen und den Bewohner*innen der Immobilien selbst muss ein
berechtigtes Interesse daran eingeräumt werden, so dass sie einfach und jederzeit Zugang zu
den Namen haben. Bei Gesellschaften als Eigentümer*in einer Immobilie muss auch im Grundbuch
über eine Identifikationsnummer ersichtlich sein, wer sich konkret dahinter verbirgt.
Gesellschaften, die nicht im Transparenzregister eingetragen sind, werden wir den Kauf von
Immobilien künftig nicht mehr gestatten.
Die Geldwäsche mit deutschen Immobilien wird zur Zeit auch dadurch stark vereinfacht, dass
der Immobilienkauf in Deutschland auch mit Bargeld stattfinden darf. In anderen europäischen
Ländern ist dies meist schon aufgrund von Obergrenzen für die Zahlung mit Bargeld nicht
möglich. Eine solche Obergrenze werden wir beim Kauf von Immobilien ebenfalls einführen.
Makler*innen und Notar*innen werden dazu verpflichtet, die Herkunft der Gelder zu
überprüfen. Bei Verdacht auf Geldwäsche muss immer eine Meldung an die Behörden erfolgen und
in Fällen, bei denen die Herkunft der Gelder nicht identifiziert werden kann, darf der
Kaufvertrag nicht mehr notariell beglaubigt werden. Wir setzen hierbei auch auf
Fortbildungen für Makler*innen und Notar*innen und auf die Zusammenarbeit mit den Kammern
und Berufsverbänden. Außerdem sollen künftig bei jedem Immobilienkauf die Finanzbehörden
informiert werden, auch wenn die Käufer*innen nicht in Deutschland steuerpflichtig sind. In
diesem Fall sollen Meldungen an die zuständigen Finanzbehörden des Landes erfolgen, in dem
die Käufer*in und der wirtschaftlich Berechtigte steuerpflichtig sind. So helfen wir auch
anderen Staaten bei der Verfolgung von Steuerhinterzieher*innen und anderen Kriminellen.
Alle Maßnahmen gegen Geldwäsche helfen aber wenig, wenn die Behörden nicht dazu in der Lage
sind, sie auch durchzusetzen. Wir werden die Ausstattung im Bereich Kontrolle erheblich
verbessern und das Personal deutlich aufstocken.
Auch steuerliche Sonderbehandlungen machen Immobilien als Investitionsobjekt interessant und
treiben damit Preise und Mieten in die Höhe. Diese steuerlichen Vorteile wollen wir abbauen
beziehungsweise nur noch gemeinnützigen Eigentümer*innen gewähren. Für Veräußerungsgewinne
von nicht selbstgenutztem Wohneigentum wollen wir die Spekulationsfrist verlängern und auch
bei der Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften sicherstellen, dass
Wertsteigerungen der Immobilien besteuert werden.
4. Wohnen wird klimaneutral
Klimafreundliche Modernisierung
Wir wollen Fehlentwicklungen bei der energetischen Gebäudesanierung beenden. Energetische
Modernisierung soll klaren Kriterien folgen: mehr Klimaschutz, so warmmietenneutral wie
möglich, ohne Verdrängung sowie in Übereinstimmung mit den Mieterinnen und Mietern. Zusammen
mit einem Energiesparrecht und einer Förderung, die die Modernisierungen auf den nötigen
Klimaschutzpfad bringen, wollen wir so energiesparende Gebäude zu geringstmöglichen Kosten
schaffen und die Klimaschutzziele im Gebäudebereich erreichen. Zentral wird dabei sein, auch
die Wärme erneuerbar zu machen. Ideale Systeme dafür sind die Nah- und Fernwärmenetze, die
sich aus verschiedenen erneuerbaren Energiequellen speisen. Dort, wo die Besiedlungsstruktur
es hergibt, müssen wir weg von der Einzelhausbetrachtung hin zu einer Quartiersbetrachtung.
Durch diese Strategie hat es zum Beispiel Dänemark geschafft, den Anteil der Erneuerbaren im
Wärmebereich auf 65 Prozent zu bringen und sie zielen auf 80 Prozent bis 2030. In
Deutschland beträgt der Anteil 14 Prozent – meist aus Biogas-Anlagen.
Kosten für Luxusmodernisierungen, wie beispielsweise einen neuen Balkon oder schicke
Waschbecken, dürfen nicht weiter gegen den Mieterwillen auf die Miete umgelegt werden, denn
sie führen regelmäßig zu Preissteigerungen. Freiwillige Vereinbarungen zwischen
Vermieter*innen und Mieter*innen sind davon unbenommen. Um jedoch den CO2-Ausstoß wie auch
die Energiekosten zu senken, ermöglichen wir eine, auch angesichts niedriger
Finanzierungskosten angemessene Umlage. Statt heute acht Prozent der Kosten sollen höchstens
vier Prozent im Jahr auf die Miete umgelegt werden dürfen, jedoch nicht mehr als 1,50 Euro
pro Quadratmeter und Monat in acht Jahren. Die Berechnung der Umlage soll dabei die Höhe der
maximal verfügbaren öffentlichen Fördermittel berücksichtigen, um einen Anreiz für die
Vermieter*innen zu schaffen, sie auch in Anspruch zu nehmen. Mieter*innen sollen einen
Gutschein für einen kostenlosen Klima-Check erhalten, um zu ermitteln, wo sie Energie und
Kosten einsparen und das Klima schützen können. Eine Beschwerdestelle für Mieter*innen soll
künftig im Streitfall klären, ob die Modernisierungsmaßnahmen tatsächlich wie angekündigt
Energie und Kosten einsparen und im Einklang mit Energiesparrecht und Sanierungsfahrplan
sind. Selbstnutzende Eigentümer*innen wollen wir mit einem Steuerbonus bei der energetischen
Sanierung ihrer Wohnungen und Häuser unterstützen. Diese Gruppe modernisiert weniger als
Wohnungsunternehmen, daher muss es für sie attraktiver werden, an öffentliche Fördermittel
zu gelangen.
Für die Soziale Wärmewende brauchen wir daher eine gerechte Kostenverteilung zwischen Vermieter*innen, Mieter*innen, sowie der öffentlichen Hand. Die von uns vorgesehene Absenkung der Modernisieurngsumlage ist ein wichtiger Schritt, um als Sofortmaßnahme die einseitige Kostenverteilung zulasten der Mieter*innen zu beenden. Darüber hinaus werden wir alternative Vorschläge, die Modernisierungsumlage durch ein anderes Instrument zu ersetzen, prüfen und ggfls. in einem zweiten Schritt umsetzen.
Wir wollen einen dynamisch angelegten, wirksamen CO2-Preis für den Wärmesektor einführen,
der sich planbar an den Kosten des CO2-Ausstoßes des Energieträgers orientiert. Zudem wollen
wir, dass der CO2-Preisbestandteil auf Wärmebrennstoffe als Investitionsanreiz für die
Vermieter*innen wirkt, den energetischen Zustand ihrer Gebäude zu verbessern.
Unternehmen und Privatpersonen brauchen Planungssicherheit für ihre
Investitionsentscheidungen. Deshalb wollen wir erstens mit einem Energiespargesetz einen
klaren Pfad vorgeben, wie viel Energie in welchen Bereichen bis wann eingespart werden muss.
Im Gebäudebereich wollen wir zweitens das schwer zu durchblickende Regelungsdickicht durch
ein einfaches und transparentes Energiesparrecht ersetzen. Anstatt jedes Bauteil einzeln zu
bewerten, wollen wir die CO2-Emissionen und den realen Wärmebedarf eines Gebäudes zur
maßgeblichen Steuerungsgröße machen.
Den genauen Fahrplan für die Modernisierung älterer Gebäude erstellen sachverständige
Energieberater*innen im Einklang mit der baukulturellen Gestaltung. Eigentümer*innen können
den Fahrplan auf Antrag kostenlos erstellen lassen. Für die einzelnen Stationen im Klima-
Fahrplan des Gebäudes gibt es öffentliche Fördermittel. Bei Neubau muss das Passivhaus zum
verpflichtenden Standard werden, denn die beste Energie ist diejenige, die man gar nicht
erst verbraucht. Für Denkmäler gelten Ausnahmen. Wird die Heizung neu eingebaut oder
getauscht, müssen künftig Anteile erneuerbare Wärmeenergie wie Wärmepumpen, Solarwärme oder
CO2-arme Nahwärme aus einem anliegenden Netz eingesetzt werden. Öffentliche Förderung gibt
es nur ab einem solchen Klimapfad.
Die Potenziale für solare, CO2-freie Wärme werden heute völlig unzureichend genutzt. 2017
wurden nur knapp acht Terawattstunden Solarwärme genutzt. Für eine vollständig erneuerbare
Wärmeversorgung ist mindestens das Zehnfache erforderlich. Doch bisher behindern staatliche
Subventionen in dreistelliger Millionenhöhe für fossile Heizungen sowie fehlende gesetzliche
Vorgaben für erneuerbare Wärme im Gebäudebestand den zügigen Ausbau der Solarthermie. Der
Einbau von Öl- und Gasheizungen wird noch immer in Millionenhöhe vom Bund gefördert. Diese
klimaschädliche Form des Heizens muss ein Ende haben. Ölheizungen dürfen künftig nicht mehr
eingebaut werden. Zusätzlich wollen wir ein Förderprogramm für den Tausch von Öl- und
Gasheizungen gegen moderne Heizungen mit Sonnenwärme, Wärmepumpe oder Holz auflegen. Ebenso
soll der Einsatz von erneuerbarer Wärme ab sofort verpflichtend werden, wenn eine fossile
Heizung sowieso ausgetauscht wird.
Energetische Quartierssanierung
Wir denken energetische Gebäudesanierung nicht länger nur von Haus zu Haus, sondern in
Zusammenhängen von städtischen Quartieren, Gewerbegebieten, Dörfern oder Siedlungen. Dadurch
stärken wir gemeinschaftliche Versorgungslösungen, die energieeffizienter und günstiger sind
als eine Vielzahl von Einzellösungen.
Nahwärmenetze ermöglichen es, örtlich erzeugte Wärme aufzunehmen, mit Speichern zu
verknüpfen und effizient zu verteilen – insbesondere in dicht bebauten Quartieren. Deshalb
wollen wir sie CO2- und energiesparend ausbauen und stärker fördern, wenn sie zur lokalen
Klimastrategie passen. Wir wollen Wärmenetze dazu für die Einspeisung erneuerbarer Wärme
öffnen, etwa von großflächigen Solarthermieanlagen, hocheffizienten Groß-Wärmepumpen und
Power-to-Heat aus temporären Stromüberschüssen. Das Einspeisen besonders effizienter
Wärmeenergie aus Kraft-Wärme-Kopplung oder bisher ungenutzter Wärmequellen wie Abwärme oder
Abwasserwärme aus der Industrie, Rechenzentren oder Kläranlagen wollen wir fördern. Wir
werden eine Solarpflicht für Photovoltaik auf Neubauten einführen. Für die energetische
Quartierssanierung legen wir ein finanzstarkes Förderprogramm auf, um in Gebieten, in denen
viele Gebäude sanierungsreif sind, die Sanierung zu erhöhen und warmmietenneutrale
Sanierungen für Mieterinnen und Mieter mit kleinem Einkommen zu ermöglichen.
Mit dem Quartiersprogramm „Gutes Klima im Quartier“ wollen wir der Verdrängung von Menschen
mit geringem Einkommen entgegenwirken und den Zusammenhalt in den Stadtvierteln erhalten.
Aber auch Kommunen sollen darüber unterstützt werden, damit sie gezielt verbindliche
Klimafahrpläne mit passender Wärmeplanung auflegen und zugleich soziale Fördervereinbarungen
mit den Eigentümer*innen für die Modernisierung der Einzelgebäude treffen können.
Mieter*innen und selbstnutzende Eigentümer*innen mit kleinen Einkommen sollen bei Bedarf
einen Sozialplan mit Modernisierung ohne Erhöhung der Warmmieten bzw. für tragbare
Investitionskosten bekommen können. Hierfür gibt es einen Förderbonus zusätzlich zur
heutigen KfW-Förderung.
Ökologisch bauen und wohnen
Die Klimakrise erfordert, dass wir das Leben in unseren Städten neu denken. Von Hitzewellen
sind die Bewohner*innen von Städten besonders betroffen, da Städte heißer werden als das
Umland und, je nach Bebauung, einen zusätzlichen Hitzeinseleffekt haben. Während einer
Hitzewelle kann es hier noch einmal bis zu acht Grad heißer sein als im Umland. In Berlin
könnte so bald ein Klima wie heute im australischen Canberra herrschen.
Deshalb müssen wir beim Städtebau dringend für Kühlung sorgen. Statt Asphaltwüsten und
Hitzeinseln braucht es grüne Oasen in unseren Städten. Wasserflächen, Bäume, Parks, grüne
Dächer und Fassaden wirken wie natürliche Klimaanlagen. In Grünflächen und -dächern kann
Starkregen-Wasser versickern und gespeichert werden. Das kühlt und entlastet die
Kanalisation immens.
Für das Bauen werden in Deutschland jährlich 250 Millionen Tonnen Sand und Kies sowie 230
Millionen Tonnen Naturstein abgebaut. Das geht mit der Zerstörung von Landschaften und
Lebensräumen einher. Gleichzeitig landen 200 Millionen Tonnen größtenteils
wiederverwertbarer Bauabfälle auf Deponien. Um das Recyceln dieser Baustoffe zu fördern,
wollen wir, dass die Länder auf Primärrohstoffe, entsprechend der Ausbeutung von Öl und Gas,
eine Abgabe nehmen können.
Für die Herstellung der Baustoffe selbst wird ein Vielfaches der Energie verbraucht, die das
entstehende Gebäude später pro Jahr benötigt. Deshalb wollen wir bei der Klassifizierung von
Bau- und Dämmstoffen die Umweltauswirkungen und den Energieeinsatz bei der Herstellung
berücksichtigen, die sogenannte graue Energie. Künftig muss der Bund in seinen Gesetzen und
Förderprogrammen statt Styropor und Co. fossilfreie und CO2-speichernde Materialien aus
nachwachsenden Stoffen wie Holz belohnen.
Damit auf den Dächern von Wohn- und Mietshäusern Solaranlagen entstehen und durch Haushalte
oder E-Mobilität genutzt werden können, müssen auch Solaranlagen aus dem Quartier als
Mieterstrom gefördert werden können, ohne Mengenbegrenzungen. Das neue Mieterstromgesetz ist
dafür jedoch ungeeignet – viel zu bürokratisch und unattraktiv. Deshalb wollen wir die
Anmeldung von Mieterstromanlagen und bestehende Beschränkungen vereinfachen. Und schließlich
ist es unser Ziel, dass bei allen bundeseigenen Gebäuden ab einer Nutzfläche von 500
Quadratmetern möglichst Solarthermie und Photovoltaik genutzt werden.
5. Solidarisches Eigentum sichern und erweitern
Deutschland ist Mieter*innenland. Die Wohnungsmärkte – vor allem in unseren großen Städten –
waren lange geprägt von öffentlichen Wohnungsgesellschaften, großen Beständen an
Sozialwohnungen und sozialen Eigentümern wie Genossenschaften. Dieses Modell hat
sichergestellt, dass Mieter*innen vor drastischen Mieterhöhungen geschützt waren und man in
Deutschland keine Immobilie besitzen musste, um auch in Zukunft bezahlbar wohnen zu können.
Ein funktionierender Wohnungsmarkt braucht neben einem hohen Bestand an öffentlichem und
gemeinwohlorientiertem Eigentum aber auch privates, selbstgenutztes Wohneigentum. Wir wollen
die Länder ermächtigen, die Grunderwerbssteuer für große Wohnungsunternehmen wirksam zu
erhöhen, und im Gegenzug die Grunderwerbssteuer für private Besitzer*innen progressiv zu
gestalten, sofern diese den Wohnraum selbst nutzen. Wo andere auf finanzmarktgetriebene
Wohnungsmärkte oder auf riesige staatliche Wohnungskonzerne setzen, ist das grüne Leitbild
das gemeinschaftliche und solidarische Eigentum.
Wir wollen Menschen auch und gerade beim Wohnen sowie der Gestaltung ihres Wohnumfelds ein
selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Daher werden wir gemeinwohlorientierte Akteur*innen wie
kommunale Wohnungsunternehmen und Genossenschaften ebenso unterstützen wie den
gemeinschaftlichen Erwerb von Immobilien durch die Mieter*innen. Es sind diese Akteur*innen,
die Vorfahrt auf dem Wohnungsmarkt bekommen sollen. Die Erfahrungen zeigen nicht nur, dass
selbstverwaltete Projekte funktionieren und auch langfristig tragen – wie zum Beispiel das
„Mietshäusersyndikat“ eindrücklich zeigt. Das gemeinsame Agieren für den Stadtteil und die
Gemeinschaft schafft echten Mehrwert sowie ein sozialeres und lebendigeres Umfeld: dauerhaft
bezahlbaren Raum zum Wohnen, vielfältige gemeinschaftlich betriebene Gebäude und nicht
kommerzielle, öffentliche Räume für Stadtteilaktivitäten und Kultur sowie die Erfahrung,
wirklich etwas bewegen zu können.
Wo Anonymität und Vereinsamung zum Problem werden, können gemeinschaftliche Formen des
Wohnens dazu beitragen, dass wieder aktive Nachbarschaften entstehen, in denen Menschen
generationenübergreifend füreinander Verantwortung übernehmen und sich gegenseitig helfen.
Deswegen werden wir Arten von gemeinschaftlichem Wohneigentum der direkten Bewohner*innen
öffentlich fördern und dafür den nötigen Grund und Boden bereitstellen. Sie sollen
beispielsweise Vorrang bei Konzeptvergaben erhalten. Und der Immobilienerwerb sollte nicht
an der Finanzierung scheitern. Weil große Konzerne jederzeit Zugang zu günstigen Krediten
haben, wollen wir ein Gegengewicht schaffen. Dafür werden wir verschiedene
Finanzierungsformen wie günstige Kredite von öffentlichen Banken, Garantien und Bürgschaften
prüfen. Außerdem soll das Vorkaufsrecht auf soziale Akteure wie Genossenschaften oder auch
gemeinnützige GmbHs ausgeweitet werden und diese Akteure auch bei der Ausübung des
Vorkaufsrechts unterstützt werden. Hier kommen für uns Mischformen aus öffentlichem und
privatem Eigentum in Betracht. So könnten beispielsweise kommunale oder landeseigene
Wohnungsgesellschaften oder auch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) ein
Teileigentum erwerben. Das verhindert den weiteren Ausverkauf an börsennotierte und
renditeorientierte Kapitalgesellschaften und schafft solidarische Eigentumsformen.
Weiterhin werden wir Mietkauf für selbstgenutztes Wohneigentum fördern. So kann der
Zinsvorteil des Staates an junge Familien weitergegeben werden, denen es ermöglicht wird,
Wohneigentum zu erwerben. Um sicher zu stellen, dass günstig gebaut und verkauft wird,
sollte eine öffentliche Ausschreibung für den Bau der Wohnungen erfolgen und sie sollten auf
öffentlichem Bauland in Erbpacht gebaut werden.
Mehr Menschen sollen sich Wohneigentum leisten können. Wir wollen die Grunderwerbssteuer für
große Wohnungsunternehmen wirksam machen und erhöhen, im Gegenzug gleichzeitig den Ländern
ermöglichen, die Grunderwerbssteuer für private Besitzer*innen progressiv zu gestalten,
sofern diese den Wohnraum selbst nutzen. Auch die Kosten für die Makler*innen treiben die
Preise in die Höhe. Zum Teil werden mehr als sieben Prozent des Kaufpreises verlangt, was
weit über dem in anderen Ländern üblichen Werten liegt. Daher werden wir das
Bestellerprinzip einführen: Künftig zahlt derjenige die Courtage, der auch die Maklerin
bestellt. In aller Regel ist dies die Verkäufer*in einer Immobilie. Zusätzlich werden wir
die Höhe der Gebühr gesetzlich für die Käufer*in auf maximal zwei Prozent deckeln.
Das Baukindergeld der großen Koalition werden wir abschaffen, weil es einen Mitnahmeeffekt
hat und wir die Mittel effizienter verwenden können. Außerdem werden wir Baugenossenschaften
fördern und die Menschen dabei unterstützen, genossenschaftliches Teileigentum an Wohnungen
zu erwerben. Dafür werden wir zinslose Darlehen und Zuschüsse zur Eigenkapitaleinlage
gewähren. Damit wird auch Menschen geholfen, die sich den vollständigen Kauf einer Immobilie
nicht leisten können.
Schon 1967 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Nutzung von Grund und
Boden nicht dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen
vollständig überlassen werden kann. Demnach sind gerade bei Grund und Boden die Interessen
des Allgemeinwohls höher zu werten als bei anderem Vermögen. Die in Artikel 14 des
Grundgesetzes geregelte Sozialpflichtigkeit des Eigentums ist aber mehr und mehr
verlorengegangen. Wir wollen sie wieder herstellen. Die Möglichkeit zur Vergesellschaftung
gegen Entschädigung ist in unserer Verfassung ausdrücklich vorgesehen. Wir würden uns
wünschen, dass die Umstände die Kommunen nicht zwingen, dieses letzte Mittel anzuwenden, um
das Sozialstaatsgebot zu erfüllen. Wenn Wohnungsunternehmen sich jedoch weigern, ihrer
sozialen Verantwortung nachzukommen, kann die öffentliche Hand diesen Schritt gehen.
Enteignungen im Einzelfall sind nicht nur im Grundgesetz vorgesehen, sondern erfolgen auch
regelmäßig, etwa wenn eine neue Autobahn gebaut werden soll. Der richtige Umgang mit
Enteignungen ist pragmatisch, nicht ideologisch. Wir wollen Enteignungen nur als letztes
Mittel anwenden, wenn es zu einem groben Missbrauch des Eigentumsrechts kommt. Etwa wenn mit
Bauland spekuliert, wertvoller Wohnraum bewusst nicht vermietet (spekulativer Leerstand),
trotz eines ausgesprochenen Baugebots weder gebaut noch verkauft wird oder wenn große
Wohnungsgesellschaften dauerhaft ihren Pflichten nicht nachkommen. Ob eine Enteignung
ökonomisch Sinn macht und das richtige Mittel ist, muss jeweils kommunal entschieden werden
und wird wesentlich von den erwarteten Kosten für die Steuerzahler*innen abhängen.
Antragstext
Von Zeile 506 bis 509:
- Erhöhung der Warmmieten. Mit der sozialen Wohnraumförderung und bei kommunalen Wohnungsunternehmen ermöglichen wir das ebenfalls in den Ländern und Kommunen.
Im Mietrecht senken wir die Modernisierungsumlage, d.h. die Mieterhöhung nach Modernisierung, deutlich ab und kappen sie bei höchstens 1,50 Euro je Quadratmeter.Auch die kürzlich beschlossene Reduktion der Modernisierungsumlage auf 8 Prozent ist nach wie vor unangemessen hoch und heizt das Herausmodernisieren weiter an, wir sind deshalb für die Abschaffung der Modernisierungsumlage. Die Verantwortung, die Klimakatastrophe auch im Wohnungsbereich zu verhindern, ist von allen in der Gesellschaft zu tragen und nicht nur von den Mieter*innen.
„Wenn wir jetzt versagen, werden unsere Kinder uns nicht verzeihen.“[1]
Mit diesen Worten verpflichtete sich die Weltgemeinschaft 2015 in Paris, die Erhitzung des
Planeten bis zum Ende des Jahrhunderts auf „deutlich unter 2 Grad, möglichst 1,5 Grad“ zu
halten und perspektivisch nur noch so viel Treibhausgase auszustoßen, wie das natürliche
Ökosystem aufnehmen kann. Die Industriestaaten sollten voranschreiten und bis Mitte des
Jahrhunderts klimaneutral werden.
Doch das Gegenteil ist passiert. Zu Recht demonstrieren weltweit Millionen Menschen auf der
Straße für den Schutz der Erde. Denn der Ausstoß von Treibhausgasen[2] ist weltweit
ungebrochen. Mehr als 36 Milliarden Tonnen CO2 emittiert unsere noch immer auf fossilen
Energien wie Kohle, Öl und Gas basierende Weltwirtschaft jedes Jahr. Das heizt die
Atmosphäre immer weiter auf. Die Klimakrise spitzt sich dramatisch zu. Die vergangenen vier
Jahre waren weltweit die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Bereits jetzt ist
die globale Durchschnittstemperatur im Vergleich zum vorindustriellen Niveau um etwa 1
Grad[3] angestiegen. Die Eisschilde schmelzen immer schneller und der Anstieg des
Meeresspiegels verdoppelt sich. Werden die für das Weltklimasystem sensiblen Kipppunkte
erreicht, steuert die Erde auf eine Erhitzung von vier und mehr Grad zu. Irreversible
Kipppunkte, wie das Abtauen der Permafrostböden, sind zum Teil schon jetzt erreicht – über
70 Jahre früher als wissenschaftlich angenommen. Landstriche werden überflutet, trocknen aus
und werden unbewohnbar. Am stärksten von der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen
betroffen sind die Ärmsten der Armen. Im Globalen Süden sind viele Menschen aufgrund von
Dürren oder Meeresspiegelanstiegen bereits jetzt gezwungen, ihre Heimat zu verlassen.
Auch in Deutschland ist die Klimakrise angekommen. Auf den Feldern, in den Wäldern. Mehr als
180.000 Hektar Waldfläche, was 250.000 Fußballfeldern entspricht, sind bereits durch die
Klimaveränderung zerstört. Doch statt vier Jahre nach dem Pariser Abkommen endlich zu
reagieren, verabschiedete die Bundesregierung nun ein Klimapaket, was das 1,5-Grad-Limit
endgültig beerdigt und selbst für einen 2-Grad-Pfad viel zu wenig ist. Damit wird
Deutschland seiner internationalen Klimaverantwortung nicht gerecht. Denn gemäß dem
Sachverständigenrat für Umweltfragen[4] ergibt sich aus dem jüngsten Sonderbericht des UN-
Weltklimarats IPCC für uns bei gleichmäßiger Aufteilung auf die Weltbevölkerung ein
verbleibendes nationales Kohlenstoffbudget von 6.600 Millionen Tonnen CO2 ab 2020[5]. Bei
fortdauernden Emissionen auf heutigem Niveau wäre das Budget in weniger als neun Jahren
verbraucht, bei einer linearen Reduktion rund um 2035. Ein längerer Zeitverlauf zur
Treibhausgasneutralität bis 2050, wie auf europäischer Ebene angestrebt, erfordert
überproportionale Reduktionserfolge in den nächsten Jahren.
Daran wird deutlich: Die Uhr tickt und wir müssen schnell und zügig umsteuern. Je rascher
wir die Emissionen senken, desto länger reicht unser CO2-Budget, um den Übergang in die
klimaneutrale Gesellschaft gemeinsam gestalten zu können. Jedes weitere Jahr hingegen, in
dem nichts getan wird, verschärft die Krise, da sich CO2 in der Luft ansammelt und der
Erhitzung der Atmosphäre weiter Vorschub leistet. Wir brauchen eine Radikalität, die sich in
entschlossenem Handeln ausdrückt, und eine Fokussierung der Debatte auf die nächsten fünf
Jahre statt auf Langfristziele.
Jetzt wird über den EU-Haushalt für die kommenden Jahre entschieden. Jetzt wird entschieden,
ob wir die europäische Landwirtschaftspolitik neu justieren. Es geht jetzt darum, den Ausbau
des Schienenverkehrs voranzubringen. Jetzt müssen wir entscheiden, ob öffentliche Mittel für
Infrastruktur auch für Öl- und Gaspipelines ausgegeben werden. Es gilt jetzt zu entscheiden,
wie wir aus Handelsabkommen mit gravierenden Auswirkungen auf das Klima rauskommen. Die EU
muss als eine Hauptverursacherin der Klimakrise ambitioniert vorangehen – jetzt! Europa hat
die historische Verantwortung vorzumachen, wie das Wirtschaften in planetaren Grenzen
demokratisch erreicht werden kann.
Der Aufbruch ins klimaneutrale Zeitalter lohnt sich
Ohne Zweifel sind die Herausforderungen enorm. Wir sehen aber auch nie dagewesene Chancen
für eine neue Lebensqualität und nachhaltigen Wohlstand. Klimaschutz macht unsere Städte
grüner, leiser, sauberer und sicherer. Er hilft, die Artenvielfalt zu bewahren. Er macht uns
unabhängig von russischem Gas und saudischem Öl. Klimaschutz eröffnet unseren Unternehmen
neue Geschäftsfelder. Er schafft neue Arbeitsplätze und sichert bestehende.
Ja, Klimaschutz kostet viel Geld. Aber es ist volkswirtschaftlich völlig klar, dass uns kein
Klimaschutz deutlich mehr kosten wird: Der Stern-Report machte bereits 2006 deutlich, dass
die jährlichen Kosten für Maßnahmen zur Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration bei
etwa einem Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts liegen. Die jährlichen Kosten einer
ungebremsten Klimaerhitzung hingegen werden dem Verlust von mindestens fünf Prozent des
globalen Bruttoinlandsprodukts entsprechen. Wenn man eine breitere Palette von Risiken und
Einflüssen berücksichtigt, könnten die Schäden sogar auf 20 Prozent oder mehr ansteigen.
Zudem wird Klimaschutz enorme neue Werte schaffen: Wirtschaftsstudien sehen ein
Geschäftspotenzial von etwa elf Billionen Euro durch neue, digital-basierte klimafreundliche
Geschäftsmodelle im Jahr 2030. Die sozial-ökologischen Innovationen in allen Sektoren können
Europa zu deutlich mehr Wohlstand verhelfen.
Wir müssen im Hier und Heute eine erhebliche Transformation einleiten. Und wir werden das
nur gemeinsam als Gesellschaft schaffen. Die dafür notwendigen tiefgreifenden Änderungen
werden nicht für alle einfach. Arbeitsplätze werden wegfallen, neue werden entstehen.
Menschen werden neu lernen und sich verändern müssen. Deshalb ist eine aktive politische
Gestaltung dieser Veränderung ebenso wichtig wie ihre kluge soziale Absicherung und Balance.
Klimaschutz erfordert eine aktive Arbeitsmarkt- und Weiterbildungspolitik, eine sozial faire
Rückerstattung der CO2-Bepreisung, eine kluge Regional- und Strukturpolitik. Und schließlich
gilt: Die notwendigen Veränderungen werden nur demokratisch gelingen, also wenn wir es
schaffen, gemeinsam die notwendigen Veränderungen und Handlungskonsequenzen anzugehen, neue
Wege auszuhandeln und so die Menschen mit auf den Weg nehmen.
Am 20. September 2019 haben wir zwei Parallelwelten erlebt: Auf der einen Seite standen
weltweit mehrere Millionen Menschen, die für Klimaschutz auf die Straße gegangen sind. Auf
der anderen Seite sahen wir eine völlig ermüdete Koalition, die nicht in der Lage war, mehr
als Trippelschritte zu liefern.
Für uns bedeutet das: Jetzt erst recht! Die Gesellschaft ist viel weiter als die deutsche
Bundesregierung. Wir starten einen neuen Anlauf in der Klimapolitik: Wir machen ein Angebot
an all jene, die vorangehen wollen, von Fridays for Future über Gewerkschaften, progressive
Unternehmer*innen bis hin zu Klimakommunen, Kulturschaffenden und allen, die sich noch
anschließen wollen. Gemeinsam, im Bündnis mit ihnen wollen wir die Wende in der Klimapolitik
schaffen und die Chancen des Klimaschutzes für mehr Gerechtigkeit und Zusammenhalt nutzen.
Ziel dieses Antrags und unserer Politik ist es, einen radikal realistischen und
sektorenübergreifenden Maßnahmenplan vorzulegen Die entscheidende Messlatte ist dabei für
uns das nationale Klimabudget, also die Menge an Emissionen, die noch ausgestoßen werden
dürfen, um den deutschen Anteil am Pariser Abkommen einzuhalten; wissentlich, dass auch
Budgets nur modellhaft gerechnet sind und dass weder technologische noch gesellschaftliche
Entwicklungen linear verlaufen. Durch soziale und technologische Innovationen, die wir heute
noch gar nicht kennen können, werden unsere momentanen Annahmen selbstverständlich in den
kommenden Jahren angepasst werden müssen. Aber wir widersprechen allen, die daraus ableiten,
eigentlich müssen wir doch in der Gegenwart gar nichts tun, denn irgendwann kommt die
Wundertechnik, die alle unsere Probleme löst. Es ist genau umgekehrt: Positive Innovationen
und Eigeninitiative als Katalysatoren der Veränderung müssen durch Abschied vom alten
überhaupt erst ermöglicht sowie gefördert und angereizt werden. Wir müssen jetzt schnell
loslaufen, damit wir eine Chance haben, auf dem Weg zu lernen.
1. Ein Klimaschutzgesetz für einen verbindlichen planungs- und ordnungsrechtlichen Rahmen
Nur mit klar festgelegten Zielen und Zwischenzielen, verknüpft mit einem verbindlichen
Monitoring der Maßnahmen und Ergebnisse sowie verankerten Korrekturmechanismen bei
Zielverfehlung können wir wieder auf den erforderlichen Zielpfad von Paris beim Klimaschutz
kommen. Durch ein Klimaschutzgesetz müssen endlich Verbindlichkeiten innerhalb der
jeweiligen Sektoren und der zuständigen Ressorts festgeschrieben werden. Denn die
Verantwortung für das Erreichen der Klimaschutzziele kann nicht länger allein beim
Bundesumweltministerium liegen, sondern muss als Querschnitt der Regierung auch die
Ministerien, welche zuständig sind für Verkehr, Landwirtschaft, Bauen und Wirtschaft in die
Pflicht nehmen. Was wir brauchen ist eine Klimaregierung.
Dazu gehört auch, dass wir Klimaschutz ins Grundgesetz schreiben. Wir möchten:
- die international vereinbarten Klimaschutzziele in die Verfassung aufnehmen,
- eine „CO2-Bremse“, mit der jedes neue Gesetz auf seine „Klimawirksamkeit“ überprüft
werden soll („climate mainstreaming“), verbindlich in der Verfassung verankern. Damit
werden alle zukünftigen Gesetzesinitiativen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das
Klima zu überprüfen sein sowie Klimaschutz wird insgesamt besser einklagbar.
Zudem wollen wir ein Klimaschutzgesetz, das den Rahmen für alle Klimaschutzmaßnahmen bildet:
- klare Maßnahmen für alle Sektoren,
- klar festgelegte Ziele, Zwischenziele und CO2-Minderungspfade für alle Sektoren mit
dem verbindlichen Ziel, das Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen,
- dichte Kontrolle, ob die Maßnahmen wirken sowie empfindliche Sanktionen,
- gesetzliche Festlegung einer klimaneutralen öffentlichen Verwaltung.
Klare ordnungsrechtliche Maßnahmen müssen in einem Klimaschutzgesetz die zentrale Rolle
spielen. Alle großen umweltpolitischen Errungenschaften wurden über das Ordnungsrecht
erreicht. Zudem wäre es fatal, allein auf Preissignale zu setzen. Denn wollte man die
Klimaziele allein über die Bepreisung von CO2 erreichen, müsste dieser so hoch sein, dass er
unweigerlich zu erheblichen negativen sozialen Auswirkungen führen würde. Einige könnten
sich rauskaufen, andere nicht mehr teilhaben. Damit Klimaschutz eben nicht zu Lasten der
Menschen mit geringeren Einkommen geht, brauchen wir einen klugen Mix aus CO2-Preis,
Anreizen und Förderung sowie dem Ordnungsrecht. So kann man die jeweiligen Vorteile der
Instrumente nutzen und gleichzeitig Nachteile minimieren. Gut gemacht, wird der ordnende
Rahmen zum notwendigen Innovationstreiber.
Klar gibt es gegen Ordnungsrecht, also auch Verbote, immer Vorbehalte. Aber Regeln zu
setzen, also zu sagen, was geht und was nicht, ist Sinn von Politik und zugleich der beste
Innovationsmotor. Heute stört sich niemand mehr daran, dass Blei im Benzin verboten ist,
Asbest nicht mehr eingebaut werden darf und Weichmacher in Kinderspielzeug verboten sind.
Das gleiche gilt ganz besonders für den Bereich der Chemikalien. Nach Verboten entwickelt
die Branche meist innerhalb kürzester Zeit ungefährlichere Alternativen oder bereits
vorhandene Alternativen bekommen ihre Chance auf dem Markt. Deshalb machen wir Klimaschutz
mit definierten Zwischenzielen in einem nationalen Klimaschutzgesetz planbar und rechtlich
verbindlich.
2. Planungen beschleunigen
Die Energie- und Verkehrswende braucht zügige, bürger*innennahe und effiziente
Planungsprozesse. Zentrale Herausforderung dafür ist die Aufstockung und Qualifizierung von
Personal in den Planungs- und Genehmigungsbehörden. Seit 1990 wurde in den Kommunen knapp
die Hälfte des Bau- und Planungspersonals abgebaut. Daher ist es dringend erforderlich, hier
wieder Personal einzustellen. Wir werden den Kommunen und genehmigenden Behörden das Planen
und Steuern erleichtern. Durch planbare, verlässliche Investitionshilfen, finanzielle
Entlastung der Kommunen sowie leichtere Planungsinstrumente für Klimaschutz.
Zu einem wirkungsvollen ordnungsrechtlichen Rahmen gehört es auch, den Kommunen und
Genehmigungsbehörden das Planen und Steuern von Klimaschutzmaßnahmen zu erleichtern. Ebenso
bedarf es einer Modernisierung des Planungsrechts. Denn die Zeit läuft uns davon und wir
brauchen rasch Baugenehmigungen für Photovoltaik- und Windkraftanlagen,
Übertragungsleitungen wie auch Schienenverbindungen. Planungs- und Genehmigungsverfahren
können deutlich vereinfacht und beschleunigt werden, wenn man im Verkehrswegebau bei
Ersatzneubauten ohne Ausbau bzw. Erweiterung die Maßstäbe für Sanierungen statt für
Neubauten heranzieht.
Die Planungs-, Bau- und Realisierungszeiten sind zu lang und wir wollen sie für alle CO2-
mindernde Infrastruktur halbieren, indem
- wir eine Priorisierung der zu bauenden Infrastrukturprojekte vornehmen, auch, um sich
bei geringen Planungskapazitäten nicht zu verzetteln,
- frühzeitig Bürger*innen und Nichtregierungsorganisationen beteiligt werden und so die
Entwicklung von Optionen und Varianten sowie das frühe Ausräumen von Konflikten
ermöglicht wird,
- wir für Verkehrsprojekte eine bessere Verzahnung von Raumordnungs- und
Planfeststellungsverfahren gewährleisten, etwa indem die Untersuchungsergebnisse des
Raumordnungsverfahrens für das Planfeststellungsverfahren genutzt werden können; sich
wiederholende Verfahrensschritte in beiden Verfahren könnten zusammengeführt werden,
- die Regelungen des Gesetzes zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren
für ÖPNV bei der anstehenden Novelle des Personenbeförderungsgesetzes übernommen
werden,
- Arten- und Naturschutz von vornherein in die Planungen einbezogen werden, um Verfahren
schneller und rechtssicherer zu machen. Für den erforderlichen Ausgleich bei
Eingriffen in die Natur müssen Kompensationsmaßnahmen verstärkt und vereinfacht
werden, auf die dann die Vorhabenträger*innen zurückgreifen können,
- wir die behördlichen Abstimmungsprozesse effizienter gestalten. Beim Artenschutz etwa
gibt es ein großes Potenzial für den Wissensaustausch zwischen Behörden und für
vorgezogene Großmaßnahmen über ein Ökokonto und andere Anrechnungsvereinfachungen,
- eine verbindliche Frist bis zur Eröffnung von Gerichtsverfahren bei gleichzeitiger
personeller Stärkung der Gerichte eingeführt wird.
3. Ökonomische Anreize richtig setzen
Ergänzend zum planungs- und ordnungsrechtlichen Rahmen wollen wir die notwendigen
ökonomischen Anreize setzen, damit der Klimaschutz vorankommt.
Dafür setzen wir auf eine CO2-Preiskomponente auf alle fossilen Brennstoffe über den
bestehenden europäischen Emissionshandel (ETS) hinaus. Dem Preis kommt in einer
Marktwirtschaft eine zentrale Steuerungswirkung zu. Wir brauchen eine ökologisch wirksame,
sozial gerechte und ökonomisch vernünftige CO2-Bepreisung. Das ist eine wesentliche
Voraussetzung dafür, dass erneuerbare Energien, Energieeffizienz und innovative
Klimaschutztechnologien sich durchsetzen. Das Umweltbundesamt schätzt die Kosten der
Schäden, die durch den Ausstoß einer Tonne CO2 entstehen, auf 180 Euro – in Preisen von 2016
gerechnet. Doch die Preiskomponente ist nur ein Hebel für Klimawirksamkeit neben den
ordnungsrechtlichen Maßnahmen wie dem Kohleausstieg.
Wir brauchen also einen Preis, der lenkt, Innovationen schafft und zugleich nicht sozial
verzerrt oder schnellere und wirkungsvollere ordnungsrechtliche Maßnahmen konterkariert. In
der Schweiz liegt der nationale Preis pro Tonne CO2 bei rund 90 Euro für fossile Brennstoffe
wie Heizöl, Erdgas oder Kohle. Globaler Spitzenreiter ist derzeit Schweden mit rund 110 Euro
pro Tonne CO2 für alle fossilen Brennstoffe. Als Sofortmaßnahmen werden wir uns für
Folgendes einsetzen:
- Die Energiesteuern im Bereich Verkehr und Wärme wollen wir mit einer CO2-Komponente
reformieren. Der Einstiegspreis in diesen Sektoren sollte aktuell bei 40 Euro liegen
und 2021 auf 60 Euro steigen, um etwas zu bewirken. Der Preis muss danach weiter
planbar ansteigen. Dafür schlagen wir für Deutschland ein unabhängiges Gremium vor,
das bis zu einer Einigung auf europäischer Ebene die Preissteigerung fortführt.
- Mit den Einnahmen senken wir die Stromsteuer auf das europarechtlich zulässige Minimum
ab und führen als sozialen Ausgleich ein Energiegeld für alle ein.
- Auf europäischer Ebene muss die Bundesregierung dementsprechend bei der Neufassungen
der Energiesteuerdirektive für eine ambitionierte CO2-Mindestbepreisung eintreten. Wir
werden uns dafür einsetzen, dass ein CO2-Preis im Non-ETS-Bereich europaweit
eingeführt wird.
- Im europäischen Emissionshandel, der vor allem Industrieanlagen und Kraftwerke
abdeckt, sollte Deutschland, idealerweise in Abstimmung mit anderen europäischen
Ländern wie Frankreich und die Niederlande, einen gemeinsamen Mindestpreis in Höhe von
40 Euro festlegen. Zeigt sich, dass der Mindestpreis keine Wirkung erzielt, muss hier
nachgesteuert werden.
- Wir wollen die Wirksamkeit der Marktstabilitätsreserve im europäischen
Emissionshandelssystem erhöhen, damit die immer noch vorhandenen überschüssigen
Emissionszertifikate stärker reduziert und schneller vom Markt genommen werden.
- Im Zuge der Stilllegung von Kraftwerksblöcken werden wir entsprechend den vom Netz
gehenden CO2-Emissionen Emissionszertifikate vom Markt nehmen, indem wir dafür das
nationale Versteigerungsbudget entsprechend kürzen. Damit wird vermieden, dass hier
eingesparte Emissionen an anderer Stelle in Europa emittiert werden können.
4. Umweltschädliche Subventionen abbauen
Damit ökonomische Anreize ihr volles Potenzial entfalten können und zusätzliche finanzielle
Spielräume für Zukunftsinvestitionen entstehen, wollen wir umwelt- und klimaschädliche
Subventionen konsequent abbauen. Insgesamt betragen diese in Deutschland über 57 Milliarden
Euro. Staatliche Subventionen, die dem Klima schaden, wollen wir endlich beenden, wie zum
Beispiel
- die Steuerbefreiung von Rohöl zur Plastikherstellung,
- dem immer noch gewährten Beschaffungszuschuss für neue Ölheizungen oder
- die Nichtbesteuerung von Kerosin.
5. Klimafreundlich wirtschaften
Klimaschutz geht nur in einem System, das klimafreundliches Verhalten belohnt und nicht wie
heute strukturell erschwert. Wir beschreiben im Rahmen des Antrags „Anders Wirtschaften für
nachhaltigen Wohlstand“ ausführlich unsere Vision für ein gesamthaftes positiv
transformiertes Wirtschaftssystem. Ausgewählte wesentliche Aspekte, die auch das Klima
betreffen, sind:
- Unseren gesellschaftlichen Erfolg wollen wir nicht mehr nur mit dem
Bruttoinlandsprodukt (BIP) berechnen, sondern darüber hinaus auch unseren Erfolg im
Klimaschutz in die gesellschaftliche Wohlstandsmessung und -steuerung integrieren, wie
etwa den absoluten CO2-Ausstoß. So verändern wir die gesellschaftliche Wahrnehmung und
Prioritätensetzung im Einklang mit den planetaren Grenzen im Sinne des neuen
Wohlstandskonsenses.
- Entsprechend ändern wir auf betriebswirtschaftlicher Ebene die Buchhaltungsregeln und
Erfolgsrechnung hin zu einer nachhaltigen Bilanzierung von Unternehmen, die nicht nur
den finanziellen, sondern auch den ökologischen Wert von Unternehmen misst und
steuert. Hier wollen wir praxisnah mit führenden Wirtschaftsinitiativen
zusammenarbeiten und Konzepte wie das der Gemeinwohlökonomie aufgreifen.
- In der Digitalisierung fördern wir gezielt klimawirksame Innovation, damit sie ihr
Potenzial für die notwendige Suffizienz, Effizienzsteigerungen und Dematerialisierung
entfalten kann und nicht unkontrollierbaren Schaden durch immer mehr Energiehunger
anrichtet. Auch mithilfe der Digitalisierung könnten wir es schaffen, wirtschaftliches
Wachstum von steigenden CO2-Emissionen zu entkoppeln.
- Bei öffentlichen Investitionen und der Vergabe wenden wir auf allen politischen Ebenen
sozial-ökologische Kriterien bei der Entscheidungsfindung und Planung an.
- Wir stärken die kommunalen Ebenen. Gesetzliche Rahmenbedingungen dürfen die
Kreativität und regional spezifische Maßnahmen und Erfordernisse zum Schutz des Klimas
und zur Einhaltung der Klimaziele in den Kommunen nicht blockieren. Kommunen müssen
zum Vorbild anderer voranschreiten können.
- Klimaagenturen mit beratender Funktion geben „Best Practice“-Beispiele weiter,
unterstützen bei Förderanträgen und organisieren Bildungsveranstaltungen und
Bürger*innenforen.
- Wir brauchen eine Kampagne für das Handwerk und Umschulungsangebote, auch für
Unternehmen, und oft in Verbindung mit digitalen Technologien. Der immense Ausbau der
Erneuerbaren, die Sanierung von Gebäuden, das 100.000-Wärmepumpen-Programm oder auch
die intensivere Öko-Landwirtschaft – der Klimaschutz wird zig Tausende neue Jobs
bringen, vor allem in Technologie und Handwerk.
6. Sektorspezifische Maßnahmen zur Umsetzung der Klimaschutzziele
Um die Ziele des Klimaschutzgesetzes in den einzelnen Sektoren zu erreichen, wollen wir die
nachfolgenden Maßnahmen auf den Weg bringen:
6a. Stromerzeugung erneuerbar
Derzeit liegen die ausgestoßenen Mengen CO2 für die Energiewirtschaft bei über 300 Millionen
Tonnen jährlich, das sind über 30 Prozent. Das ist meilenweit von einem Pfad zur Einhaltung
der Pariser Klimaziele entfernt. Schlimmer noch: Deutschland hinkt beim Ausbau der
erneuerbaren Energien weit hinterher. Sie sind jedoch das Herzstück jedes Klimaschutzes. Um
die Pariser Klimaziele zu erreichen, ist der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien nicht
mehr nur entscheidend für wirksamen und erfolgreichen Klimaschutz im Strombereich, sondern
auch der Wärme- und Verkehrssektor werden zukünftig auf elektrischer Basis betrieben und
massiv erneuerbare Energie benötigen. Hinzu kommt der zusätzliche Bedarf an erneuerbarem
Strom, um Wasserstoff und andere Gase (zum Beispiel als Speicher oder für erneuerbare
Treibstoffe) zu produzieren, gerade auch für den Stahl- und den Chemiebereich. Es geht nun
also nicht mehr nur um die 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien zur reinen
Elektrizitätsversorgung, die wir 2030 erreichen wollen, sondern um 100 Prozent erneuerbaren
Strom für eine klimaneutrale Wirtschaft insgesamt.
Der stockende Ausbau und die Politik der Bundesregierung führen dazu, dass wir uns derzeit
aber nur auf einem Ausbaupfad von maximal 45 Prozent bewegen. Das ist auch das größte
Hindernis für den Kohleausstieg, den wir sofort beginnen und schnell abschließen müssen. Die
von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission hat nun endlich einen Plan zum
Kohleausstieg vorgelegt. Es ist nicht unser Plan, aber das Einzige, was wir derzeit in einem
gesellschaftlich vereinbarten Kompromiss haben. Gerade mit Blick auf das Enddatum, das nicht
Paris-kompatibel ist, gibt es Korrekturbedarf – deshalb haben die am Ergebnis beteiligten
Umweltverbände und Wissenschaftler*innen Revisionsklauseln verankert und ein Sondervotum
abgegeben. Entscheidend ist jetzt, das verbleibende CO2-Budget für den Stromsektor deutlich
zu reduzieren. Das heißt viele Kraftwerke schnell und zeitnah abzuschalten, um 2030 auch aus
der Kohle aussteigen zu können. Wir machen uns daher dafür stark:
- über ein Kohleausstiegsgesetz in den nächsten drei Jahren mindestens rund ein Viertel
der Braunkohlekapazitäten und ein Drittel der Steinkohlekapazitäten abzuschalten,
- einen verbindlichen und möglichst entschädigungsfreien Abschaltplan für
Kohlekraftwerke für die Zeit nach 2022,
- die Strukturförderung an konkrete Abschaltungen und den Ausbau erneuerbarer Energien
sowie weiterer Energiewende-Infrastruktur vor Ort zu koppeln.
Zentral dafür wird sein, ob wir den Ausbau der Erneuerbaren und des Energiesystems umgehend
und massiv voranbringen.
Das Missmanagement der Bundesregierung hat den Ausbau der erneuerbaren Energien fast zum
Erliegen gebracht. Durch die letzten Novellen ist aus dem extrem erfolgreichen Erneuerbare-
Energien-Gesetz, dem am häufigsten kopierten Gesetz der Welt, mittlerweile eher ein Anti-
Erneuerbare-Energien-Gesetz geworden: Den Erneuerbaren wurden Deckel und andere Hindernisse
zur Verhinderung von schnellem Wachstum vorgegeben. Das ist der eigentliche Skandal.
Wir wollen den Ausbau der Erneuerbaren mit großer Geschwindigkeit wieder in Gang bringen.
Konkret soll die installierte Leistung von Wind onshore in den nächsten zehn Jahren
mindestens verdoppelt, die für offshore verfünffacht und die für PV (Dach, Fassaden und
Freiflächen) auf 250 Gigawatt (GW) angehoben werden. Damit sowie mit massiver
Energieeinsparung kann Deutschland seinen Stromverbrauch komplett erneuerbar decken und auch
noch einen Teil der Sektorenkopplung. Klar ist: Die Energiewende mit 100 Prozent
Erneuerbaren kann nur gelingen, wenn wir sie endlich umfassend europäisch denken und
zugleich die Potenzial der Bürger*innen-Energiewende wieder heben.
Für die erneuerbaren Energien in den Bereichen Industrie, Wärme, Verkehr wollen wir
Energiepartnerschaften mit den Nachbarstaaten der Europäischen Union aus dem Sonnengürtel
zur Produktion von solarem Wasserstoff schließen. Solche Energiepartnerschaften müssen auf
Augenhöhe und unter Einbeziehung der Bürger*innen in der Region verhandelt werden. Die
Vorteile müssen vor allem der Region zugutekommen, aus welcher die Energie geliefert wird.
Weder ist es nötig noch erstrebenswert, dass wir dezentrale Energieerzeugung zu kleinteilig
denken. Europa soll zu einem gemeinsamen Strommarkt auf der Basis von Erneuerbaren
zusammenwachsen. Dafür brauchen wir eine zu 100 Prozent erneuerbare und energieeffiziente
Europäische Union als Treiberin für die internationale Energiewende und ambitioniertere
europäische Klimaziele. Die Förderung von nachhaltiger Landwirtschaft, klimafreundlicher
Mobilität, Photovoltaik, Windenergie, Biomasse und anderen regenerativen Stromquellen auch
auf europäischer Ebene muss noch stärker vorangetrieben werden. Die Vernetzung der
verschiedenen erneuerbaren Quellen senkt den Bedarf am Ausbau erheblich. Je größer der Raum
und je vernetzter die Quellen, desto günstiger wird es und desto geringer ist der Bedarf am
Ausbau.
Im Sektor Strom müssen Effizienzgewinne schnell realisiert werden:
- strikte Effizienzvorgaben und Förderung von Effizienzgewinnen und Stromeinsparungen
für Energieversorger, Produktion, Industrie, Datenzentren, Gewerbe, bei Handel und
Dienstleistungen,
- eine „Langes Leben“-Produktoffensive (zum Beispiel Garantiehaftung von zwei auf fünf
Jahre anheben) sowie ein Förderprogramm „Dekarbonisierung für die Industrie“,
- Förderung von Stromeinsparungen im Haushaltsbereich durch kontinuierlich steigende
Effizienzvorgaben für Haushaltsgeräte, Umstellung auf LED-Beleuchtung und sparsamere
Rechnerleistungen.
Die Ausbau-Offensive im Bereich der erneuerbaren Stromerzeugung umfasst folgende Maßnahmen:
- Die Verhinderungs-Deckel beim Ausbau von Ökostrom müssen unverzüglich gestrichen
werden. Nur den Solardeckel aufzuheben, reicht nicht aus. Entsprechend des
Ausbaupfades müssen die planbaren Flächen deutlich erhöht werden. Der Europäische
Gerichtshof hat entschieden, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) keine Beihilfe
darstellt und deshalb nicht unter die Beschränkungen der Beihilferichtlinie der
Europäischen Union fällt.
- Vorrangregelung und Abnahmepflicht des erneuerbaren Stroms muss gesichert werden.
- Jährlicher Zubau von mindestens 5-6 GW Wind auf dem Land, ab Mitte der 2020er Jahre
von 7-8 GW.
- Eine Repowering-Offensive durch planungsrechtliche Verbesserungen und gesonderte
Ausschreibungen.
- Festlegung eines nationalen Flächenziels Windkraft von zwei Prozent der Landesfläche
und Verpflichtung der Länder, entsprechende Flächen auszuweisen, auf denen
Windenergieanlagen errichtet werden können.
- Wenn Windparks gebaut oder erweitert werden, sollen die anliegenden Gemeinden und
damit ihre Bürger*innen über eine Windpark-Abgabe finanziell an den Erträgen
teilhaben.
- Erhebliche Erleichterungen bei den Genehmigungen für Windenergieanlagen durch
Überprüfung bestehender Regelungen im Bereich Flugsicherung, Denkmal- und Naturschutz
sowie bei Abstandsregelungen und im Planungsrecht mit der Maßgabe, den Ausbau von
Erneuerbaren zu fördern. Im Artenschutz wollen wir bei guter Bestandsentwicklung die
Ausnahmegenehmigungen besser nutzen.
- Das Ausbauziel für Windenergie auf See ist auf 35 GW bis 2030 anzuheben. Dazu brauchen
wir im Durchschnitt einen jährlichen Zubau von etwa drei GW pro Jahr.
- Um bei Wind offshore schneller voranzukommen, wollen wir mit anderen Nord- und Ostsee-
Anrainerstaaten eine gemeinsame Raumplanung machen, die dann auch die Räume außerhalb
der einzelnen Hoheitsgebiete enthält und eine koordinierte Planung zur
Berücksichtigung des Artenschutzes, insbesondere den Vogelzug, erlaubt.
- Bei Photovoltaik akuter jährlicher Zubau von 10-12 GW pro Jahr als Dachanlagen, für
Gebäudefassaden und Freiflächen; ab Mitte der 2020er Anstieg auf 18-20 GW pro Jahr.
- Einführung einer Solarpflicht für Photovoltaik oder Solarthermie bei Neubauten.
- Ausbildungsprogramm für Fachkräfte für Solarenergie und Facharbeiter*innen in der
Solarzellenproduktion.
- Aufbau einer Multi-Gigawatt-Solarfabrik, unterstützt durch staatliche Bürgschaften.
Flächen effizient nutzen. Der immense Ausbau der Erneuerbaren, den wir brauchen, benötigt
Fläche. Für Windenergie an Land benötigen wir nicht mehr als zwei Prozent der Landesfläche.
Hinzu kommen gut drei Prozent der Ackerfläche für Photovoltaik. Dafür können wir nicht für
Lebensmittel genutzte Ackerfläche umwidmen: Potenzial bieten Ackerflächen in einer
Größenordnung von ca. acht Prozent, die heute noch für Kraftstoffproduktion genutzt werden,
zudem kann der Bedarf an Biogas-Mais verringert werden, da die Energieerzeugung durch
Photovoltaik fünfzig- bis hundertfach flächeneffizienter ist. Landwirtinnen und Landwirte,
die in den bestehenden Energiepflanzen-Programmen ökonomisch gebunden sind, fördern wir
einkommensneutral, sodass sie auf Photovoltaik umsteigen können. Durch die Verbindung von
Agro-PV-Anlagen mit Permakultur können sogar höhere Erträge als heute erzielt werden.
Insgesamt streben wir für den Energiesektor an:
- Der bis ins Unermessliche gestiegene bürokratische Aufwand für eine eigene
Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und sonstige eigene Erneuerbaren-Anlagen zur
Stromlieferung an Dritte sowie die damit verbundenen, mittlerweile kaum mehr zu
verstehenden steuerrechtlichen Regelungen müssen harmonisiert, deutlich reduziert und
vereinfacht werden.
- Den Ausbau von PV-Strom vom Dach als Mieterstrom wollen wir insbesondere im
Mieterstromgesetz radikal vereinfachen und steuerliche Hemmnisse und Bürokratie
abbauen. Die Vermarktung und Verwendung auch über das Herstellungsgebäude hinaus im
Quartier muss lohnend und einfach werden. Die Verpachtung von Dächern und die
Vermarktung von PV-Strom vom Dach im Quartier muss einfach und lohnend werden, für
Erzeuger*innen und Nutzer*innen.
- Auflegen eines Förderprogramms für 100.000 Stromspeicher, um die dezentrale
Ökostromversorgung zu erleichtern.
- Anreize für Investor*innen, Anwohner*innen und Anliegergemeinden von Wind- und
Solarenergieanlagen schaffen, u.a. durch Forschungs- und Förderprogramme für
Agrophotovoltaik zur gleichzeitigen Nutzung von Fläche für Landwirtschaft und
Energieproduktion sowie Pflichtanteile erneuerbarer Wärme wie Solarthermie bei der
Modernisierung von Altbauten.
- Länder und Kommunen bei der Lösung von Konflikten, zum Beispiel zwischen Windanlagen
und Naturschutz unterstützen, anstatt sie wie bisher alleine zu lassen.
- Die Sektorkopplung voranbringen, den Strommarkt gemäß den europäischen Vorgaben
reformieren und die Digitalisierung der Stromversorgung vorantreiben.
- Eine Anschlussfinanzierung für bestehende Biomasseanlagen, um die Stromerzeugung aus
Bioenergie zu erhalten. Die Anschlussfinanzierung soll daran geknüpft sein, dass die
Bioenergieanlagen flexibilisiert werden und dann Strom erzeugen, wenn wenig Wind- und
Solarenergie zur Verfügung steht, und sie möglichst weitgehend auf Rest- und
Abfallstoffe sowie Gülle umgestellt werden.
- Fairere Gestaltung der Umlagen und Entgelte zwischen Verbraucher*innen, der Industrie
und kleineren und mittleren Unternehmen.
- Europarechtliche Vorgaben im Energiemarktdesign so schnell wie möglich in nationales
Recht umsetzen, um der Bürgerenergie Flügel zu verleihen: So kann jede*r auf Dach oder
Balkon Strom erzeugen und abgabenfrei selbst verbrauchen oder an Nachbar*innen
verkaufen.
- Deutschland muss den Vertrag über die Energiecharta kündigen, damit fossile
Infrastruktur ausländischer Eigentümer*innen entschädigungsfrei stillgelegt werden
kann.
Parallel dazu setzen wir auf:
- eine Förderung der inländischen, nachhaltigen Batteriezellenproduktion und einer damit
verbundenen Kreislaufwirtschaft,
- die konsequente Umstrukturierung des Energiemarktdesigns und der energiebezogenen
Abgaben, Entgelte und Umlagen mit der Zielvorgabe 100 Prozent Erneuerbare bis 2030.
Dazu gehören starke Anreize für Sektorkopplung und Speicherung,
- Forschungsunterstützung für die Wasserstoff-Industrie über ein Investitionsprogramm
„Grüner Wasserstoff“. Gefördert werden sollen u.a. die erneuerbare
Wasserstofferzeugung und Speicherung, Wasserstoff-Dunkelflautenspeicher in Gaskavernen
und der Einsatz in Industrieprozessen.
6b. Energiewende im Wärmesektor und bei Gebäuden
Die Energiewende in Gebäuden kommt seit Jahren nicht schnell genug voran. Die Sanierungsrate
zur Energieeinsparung und der Anteil an Wärme aus erneuerbaren Energien reichen bei Weitem
nicht aus und stagnieren auf niedrigstem Niveau. Mit einem „Weiter so“ würde es hundert
Jahre dauern, einen klimaneutralen Gebäudebereich zu schaffen – wir brauchen ihn aber
viermal so schnell, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Daher müssen wir jetzt gemeinsam
mit allen Eigentümerinnen und Eigentümern, die in der Regel keine Bau- oder
Planungsexpert*innen sind, allen Mieterinnen und Mietern einen Aufbruch hin zu ökologisch
modernen Gebäuden schaffen. Mit Zuschüssen und zinslosen staatlichen Sanierungskrediten mit
wahlweise langen Laufzeiten unterstützen wir Eigenheimbesitzer*innen bei der energetischen
Gebäudemodernisierung. Ein CO2-Preis auf Heizstoffe macht Klima-Modernisierung
wirtschaftlicher als bisher. Damit alle Eigentümer*innen und Mieter*innen bei der
Energiewende in Gebäuden mitmachen und partizipieren können, braucht es zusätzlich passende
Regeln, Anreize und Informationen. Dazu gehört auch die steuerliche Förderung als Anreiz für
energetische Sanierung. Gerade private Eigenheimbesitzer*innen benötigen steuerliche Anreize
zur Gebäudemodernisierung. Der Steuerbonus muss klimapolitisch wirksam ausgestaltet sein. Es
dürfen darum nur Maßnahmen gefördert werden, die nachweislich auf dem vom Pariser Abkommen
vorgegebenen Minderungspfad liegen. Durch eine progressionsunabhängige Abschreibung müssen
alle gleichermaßen davon profitieren, und die Sonderabschreibung muss analog zur KfW-
Förderung ausgestaltet sein.
Wie im Stromsektor gehört auch beim Heizen und Kühlen die Zukunft den erneuerbaren Energien.
Wir wollen
- einen Systemwechsel erreichen: Dort, wo es die Besiedlungsstruktur ermöglicht, weg von
der Einzelbefeuerungsanlage und der Einzelhausbetrachtung hin zu einer
Quartiersbetrachtung und zu Nah- bzw. Fernwärmenetzen, die dann aus verschiedenen
erneuerbaren Quellen gespeist werden können,
- dass alle Kommunen ein Energiemanagement durchführen müssen und einen Energiebericht
verfassen, damit überhaupt Daten erhoben, Maßnahmen umgesetzt und nachgesteuert werden
kann. Kommunen haben sich zukünftig nicht nur um ihren eigenen Gebäudebestand zu
kümmern. Kommunen werden wir dabei finanziell unterstützen, eine datenbasierte
Wärmeplanung für einen klimaverträglichen Umbau der Wärmeversorgung in den einzelnen
Quartieren aufzulegen. Diese Wärmeplanung wird Grundlage für eine Förderung der
nötigen Investitionen sein,
- den vorgeschriebenen Anteil an erneuerbaren Energien bei Neubau und Bestand deutlich
anheben,
- den Passivhausstandard für alle Neubauten sowie Fassaden- oder Dachbegrünung sowie
Plus-Energiegebäude fördern,
- eine Ausbildungsoffensive im Handwerk und Baugewerbe, um die notwendige Sanierungsrate
überhaupt zu ermöglichen.
Ein Austauschprogramm „Sonne statt Öl“ und Klima-Service für Eigentümer*innen. 16 der 19
Millionen Wohngebäude in Deutschland sind Ein- und Zweifamilienhäuser. Viele davon sind noch
vor der ersten Wärmeschutzverordnung im Jahr 1978 entstanden und bisher nicht energetisch
modernisiert. Die Eigentümer*innen und Mieter*innen dieser Gebäude sind in der Regel keine
Bauexperten. Sie brauchen daher einen einfachen Zugang zu den besten Klimainformationen und
Modernisierungen. Zentral ist für uns daher:
- ein Austauschprogramm „Sonne statt Öl“: ein Förderprogramm für den Tausch der
Ölheizung gegen eine moderne Heizung mit Sonnenwärme, Wärmepumpe oder Holz,
- dass Ölheizungen ab sofort und fossile Gasheizungen ab 2025 nicht mehr eingebaut
werden,
- der Ersatz der fossilen Erdgasversorgung,
- das Auflegen eines 100.000-Wärmepumpen-Programms. Mit Wärmepumpen können wir aus einer
Kilowattstunde (kWh) Strom rund vier kWh Wärme machen. Der Austausch von fossilen
Heizungen zu Wärmepumpen stellt mit Solarwärme und PV sowie saisonalen Speichern und
Wärmenetzen in der drängenden, kurzen Zeit eine große Chance auf rasche
Klimaneutralität des Gebäudebestands dar,
- ein kostenloser Klima-Service für Eigentümer*innen von Ein- und Zweifamilienhäusern:
Qualifizierte Energieberater*innen nehmen eine Vor-Ort-Analyse vor und erstellen einen
kostenlosen Sanierungsfahrplan fürs Haus. Ein solcher Klima-Fahrplan schlägt geeignete
Schritte vor, mit denen das Haus zum Niedrig-Energie-Gebäude mit erneuerbarer Wärme
werden kann,
- einen finanziellen Zuschuss für eine fachkundige Energie-Bauleitung: Die
Energieberater*in wird dazu als Bauleiter*in zur Umsetzung einzelner Schritte des
Klima-Fahrplans für das Haus tätig. Sie beauftragt alle Handwerkerinnen und Handwerker
und prüft deren Arbeit.
Klima-Check und Mieterschutz für Mieter*innen. Jeder Mieter, jede Mieterin soll wissen, wie
es um die eigene Wohnung bezüglich der Klimaziele und Heizkosten steht. Außerdem wollen wir
Mieterinnen und Mieter vor hohen Heiz- und Modernisierungskosten schützen. Dafür wollen wir:
- jeder Mieterin und jedem Mieter einen Gutschein für einen Klima-Check für ihre/seine
Wohnung geben, um ein kostenloses Heizgutachten auf Basis der aktuellen
Heizkostenabrechnung zu erstellen,
- klimagerechte Modernisierungen von Gebäuden und Wohnungen, die sich jede*r leisten
kann, möglichst ohne Erhöhung der Warmmiete. Für energetisch modernisierte Wohnungen
wollen wir einen Klimazuschuss zum Wohngeld einführen, damit sich auch Haushalte mit
kleinen Einkommen diese Wohnungen leisten können. Mit dem Förderprogramm „Gutes Klima
im Quartier“ fördern wir energetische Modernisierungen ganzer Stadtviertel ohne
Erhöhung der Warmmieten. Mit der sozialen Wohnraumförderung und bei kommunalen
Wohnungsunternehmen ermöglichen wir das ebenfalls in den Ländern und Kommunen. Im
Mietrecht senken wir die Modernisierungsumlage, d.h. die Mieterhöhung nach
Modernisierung, deutlich ab und kappen sie bei höchstens 1,50 Euro je Quadratmeter.Auch die kürzlich beschlossene Reduktion der Modernisierungsumlage auf 8 Prozent ist nach wie vor unangemessen hoch und heizt das Herausmodernisieren weiter an, wir sind deshalb für die Abschaffung der Modernisierungsumlage. Die Verantwortung, die Klimakatastrophe auch im Wohnungsbereich zu verhindern, ist von allen in der Gesellschaft zu tragen und nicht nur von den Mieter*innen.
Aktionsplan Faire Wärme. Unser umfassender Aktionsplan Faire Wärme denkt die Bausteine der
Energiewende im Wärmesektor und in Gebäuden zusammen, für Wohnhäuser und Quartiere, Stadt
und Land. Dazu gehören:
- eine erhebliche Aufstockung der Mittel für erneuerbare Wärme, energetische
Modernisierung und saubere Wärmenetze – um Heizen ohne Klimaschaden zu ermöglichen,
- das Programm „Gutes Klima im Quartier“: ein Förderprogramm für die Quartierssanierung
ohne Erhöhung der Warmmieten, zur Klima-Modernisierung ganzer Stadtviertel und Dörfer
und ihrer Gebäude, gemeinsam geplant mit den Menschen und Unternehmen vor Ort,
- ein Steuerbonus für selbst nutzende Eigentümer*innen, die ihr Haus oder ihre Wohnung
klimafreundlich modernisieren wollen,
- endlich konsequenter Klimaschutz bei Bundesimmobilien: Klima-Fahrplan für die
bundeseigenen Liegenschaften und ein Aktionsprogramm klimaneutrale Bundesverwaltung;
Ziel: sämtliche Bundesliegenschaften werden bis zum Jahr 2030 klimaneutral,
- 200 Millionen Euro jährlich für qualifizierte Energieberatung wie Klima-Service und
Klima-Check.
Mehr Energieeffizienz. Die beste Energie ist diejenige, die gar nicht erst verbraucht wird.
Hier reichen die heutigen politischen Rahmenbedingungen für mehr Energiesparen und bessere
Energieeffizienz bei weitem nicht aus. Wir brauchen:
- Förderprogramme für die Nutzung ökologischer Bau- und Dämmstoffe,
- die Umsetzung des gültigen EU-Rechts in ein modernes Gebäudeenergiegesetz, das an
Energieeffizienz und dem CO2-Ausstoß ausgerichtet ist,
- Niedrigenergiehäuser als verpflichtenden Standard: das Passivhaus bei Neubauten, und
bei umfassender Modernisierung sowie Sanierung bestehender Altbauten soll das KfW-
Effizienzhaus 55 der Zielstandard sein,
- für energetische Modernisierungen staatliche Nullzins-Darlehen mit langen
Rücklaufzeiten, denn eine bessere Investition als Energieeinsparung gibt es nicht.
Wärmenetze dekarbonisieren und ausbauen. Ein relevanter Teil der Wärmeversorgung erfolgt
über Nah- und Fernwärmenetze. Doch derzeit wird das Potenzial der leitungsgebundenen Wärme
für den Klimaschutz nicht ausreichend genutzt. Das gilt hinsichtlich der Integration von
erneuerbaren Energien ebenso wie für die Nutzung von gewerblicher und industrieller Abwärme.
Wir wollen:
- Nahwärmenetze zielgerichtet ausbauen und die entsprechenden Förderprogramme erhöhen,
- ein Förderprogramm in Höhe von 400 Millionen Euro für 10.000 Wärmespeicher auflegen,
damit insbesondere Gemeinden oder Stadtteile mit Wärmenetzen mindestens einen großen
Wärmespeicher errichten können und so die Flexibilität im Wärme- und
Stromversorgungssystem erhöht wird,
- verpflichtende Emissionsminderungsziele für Fernwärmebetreiber,
- Wärmenetze für die Einspeisung erneuerbarer Wärme sowie industrieller und gewerblicher
Abwärme durch gesetzliche Regelungen öffnen, um auch die Nah- und Fernwärmeversorgung
so schnell wie möglich zu dekarbonisieren.
6c. Verkehrswende – mehr Mobilität mit weniger Verkehr
Rund 20 Prozent der deutschen Treibhausgase kommen aus dem Verkehrssektor. Von einem
Minderungspfad, der mit den Klimazielen von Paris vereinbar wäre, sind wir meilenweit
entfernt. Die Emissionen sind derzeit immer noch genauso hoch wie 1990, alle Klimaziele im
Verkehrssektor werden krachend verfehlt. Die zunehmenden Emissionen des von Deutschland
ausgehenden internationalen Luftverkehrs sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Allein
die durch unseren Verkehr verursachten Folgekosten liegen pro Jahr bei 149 Milliarden Euro.
Mobilität und Lebensqualität zusammenzubringen heißt: Verkehr vermeiden, verlagern und
klimafreundliche Verkehrsmittel miteinander vernetzen. Ein „Weiter so“ wäre nicht nur
ökologischer, sondern auch volkswirtschaftlicher Irrsinn. Um Klimaschädigung und
Verkehrsbelastungen wirksam zu vermindern, müssen wir eine umfassende Verkehrswende auf den
Weg bringen. Mit ihr geht die Ära des fossilen Verbrennungsmotors und eine einseitig auf
immer mehr Pkw- und Lkw-Verkehr ausgerichtete Infrastrukturentwicklung zu Ende.
Mit dem Ausbau von Schiene, ÖPNV und Radverkehr, der Vernetzung von Verkehrsangeboten, mit
neuen Sharing-Formen und der Antriebswende können wir den Energiebedarf des Verkehrs
vermindern, eine für alle Menschen bezahlbare Mobilität schaffen und die Klimaziele im
Verkehr erreichen. Wir können die Anzahl der Autos verringern, die heute Tag für Tag im Stau
stehen oder in Städten wertvolle Flächen vollstellen, und so Verkehrssicherheit und
Lebensqualität erhöhen, ohne unsere Mobilität zu vermindern.
Unsere Schwerpunkte für eine klimafreundliche Mobilität sind:
Überarbeitung des ordnungs-, finanz- und steuerpolitischen Rahmens der Verkehrspolitik.
Diesen Rahmen zu überarbeiten mit dem Ziel der Förderung sozialverträglicher, ökologischer
und technischer Maßnahmen heißt:
- den Bundesverkehrswegeplan komplett zu überarbeiten und als Bundesnetzplan für
Mobilität neu aufzustellen,
- den Kommunen das Recht zu geben, innerorts eigenständig und unbürokratisch über die
Einführung von Maßnahmen zur Einhaltung der Klimaziele zu entscheiden: zum Beispiel
autofreie Innenstädte innerhalb ihrer Stadtgrenzen und/oder in Kooperation mit
benachbarten Kommunen gestalten, Fahrradstraßen und Fußwegenetze oder auch Tempolimits
einführen,
- den steuer- und finanzpolitischen Rahmen u.a. mit dem Ziel auszuschöpfen, den Kauf von
Autos mit fossilem Verbrennungsmotor auslaufen zu lassen und die Nutzung öffentlicher
Verkehrsangebote preiswert zu gestalten.
Die Bahn flott machen. In den letzten Jahrzehnten wurde einseitig in den Straßenbau
investiert, während Schieneninfrastruktur in großem Ausmaß zurückgebaut wurde. Jetzt ist die
Schiene dran! Zur Finanzierung wollen wir den bisherigen „Finanzierungskreislauf Straße“
auflösen, wonach Einnahmen aus der Lkw-Maut allergrößtenteils in den Straßenbau fließen.
Mauteinnahmen müssen auch der Bahn zugutekommen. Ab 2025 wollen wir keine neuen
Bundesstraßen mehr in Angriff nehmen, da Deutschland mit Straßen ausreichend erschlossen
ist, während bei den Schienenwegen erhebliche Nachholbedarfe aufzuarbeiten sind. Die Bahn
ist das Verkehrsmittel, das sich am einfachsten und mit der höchsten Energieeffizient
elektrifizieren lässt. Sie ist das Rückgrat der Verkehrswende. Es braucht jedoch erhebliche
Anstrengungen, damit sie diese Rolle endlich übernehmen kann:
- Innerdeutschen und grenzüberschreitenden Schienenverkehr stärken: fehlende
Verbindungen im Schienennetz herstellen, Elektrifizierungslücken schließen,
Passagierrechte europaweit stärken, Nachtzugverbindungen ausbauen.
- Um auch bei der Bahn das fossile Zeitalter auslaufen zu lassen, sind bis zum Jahr 2030
mindestens 75 Prozent der Bahnstrecken zu elektrifizieren. Die verbleibenden Strecken
sind entweder ebenfalls zu elektrifizieren oder die Züge werden auf alternative
Antriebe umgestellt.
- Bundesweiten Deutschlandtakt einführen: garantierte Anschlüsse, dichter Takt,
Abstimmung Fern- und Nahverkehr.
- Regionalisierungsmittel erhöhen mit dem Ziel, die Fahrgastzahlen in Zügen zu
verdoppeln.
- Technische Möglichkeiten ausschöpfen zur intelligenten Steuerung des Schienenverkehrs
sowie zur Steigerung der Nutzung, bspw. Taktverdichtung.
- Bessere Harmonisierung und Verstärkung des internationalen Bahnverkehrs zur
Beseitigung technischer Hemmnisse und für verbesserte Verbindungen; damit einhergehend
Anschlussgarantien und grenzüberschreitender Verbraucherschutz.
- Erstellung eines Reaktivierungskonzeptes für ungenutzte und stillgelegte
Schienenstrecken inklusive der Chance, bereits entwidmete, aber notwendige Trassen
wieder zu ertüchtigen.
Den öffentlichen Personenverkehr stärken. Damit alle bezahlbar, verlässlich und
klimaschonend von A nach B kommen, muss der Öffentliche Personenverkehr besser ausgebaut und
die Angebote verbessert werden. Dazu braucht es:
- ein Förderprogramm „Mobilität im ländlichen Raum“ mit eindeutigen Kriterien zugunsten
des Ausbaus von vernetzten Mobilitäts- und Fahrzeugangeboten,
- die deutliche Erhöhung der Mittel für den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs,
um die Kapazitäten und das Preis-Leistungs-Verhältnis zu verbessern,
- einen Mobilpass, um aus einer Hand mit allen Verkehrsmitteln – Busse, Bahnen, Share-
Bikes und -Cars – in ganz Deutschland unterwegs sein zu können,
- eine Mobilitätsgarantie für alle Menschen in Deutschland: durch gezielte Förderung
strukturschwacher Regionen allen Menschen Zugang zu einem regelmäßigen und
verlässlichen Nahverkehrsangebot ermöglichen,
- die Förderung von bundesweit zehn Kommunen im Rahmen von Modellprojekten , die auf
einen umlagefinanzierten und kostenfreien ÖPNV umsteigen wollen, indem wir die
rechtlichen Hürden für Kommunen abbauen,
- das Nutzen der Digitalisierung, um weitere Kapazitätserhöhungen und Flexibilisierungen
im ÖPNV zu erreichen,
- ein Investitionsprogramm für Oberleitungs- und Schienenfahrzeuge in den Städten
zugunsten eines engmaschigen Nahverkehrsnetzes (Trams, Trolleybusse, Straßenbahnen),
- die Erstellung eines bundesweiten Mobilitätskonzeptes, das den Umweltverbund auch im
Umland stärkt, inklusive eines bundesweiten Rad- und Fußwegekonzepts in Zusammenarbeit
mit den Bundesländern zugunsten einer sicheren Rad- und Fußwegeinfrastruktur mit allen
notwendigen technischen Nebenanlagen wie Servicestationen oder Notrufe.
Vorrang für Rad- und Fußverkehr. Schwer zu glauben, aber wahr: Einen großen Teil ihrer
täglichen Wege legen die Menschen zu Fuß oder mit dem Rad zurück. Und vier von zehn
Autofahrten in der Stadt sind unter fünf Kilometer – Distanzen, die leicht mit dem Fahrrad
oder sogar zu Fuß zurückgelegt werden können. Dem Fuß- und Radverkehr wird bislang aber
meist nur so viel Platz zugestanden, dass der Auto- und Lastwagenverkehr ungehindert rollen
kann. Höchste Zeit, dass diese klimafreundlichsten Fortbewegungen endlich nicht mehr
behindert, sondern gefördert und sicher gestaltet werden. Dazu braucht es:
- eine gerechte Verteilung und mehr Raum für Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen in
den Städten und Gemeinden sowie neue Möglichkeiten des Parkraummanagements durch
Änderung des Straßenverkehrsrechts,
- Modellprojekte für autofreie Innenstädte und die Förderung von City-Maut-Zonen,
- gemeinsame Bund-Länder-Kommunen-Programme zur Förderung von Rad- und Fußverkehr,
- eine Erhöhung der Mittel: Die Finanzierung fahrrad- und fußgängerfreundlicher Kommunen
muss sich an 100 Euro pro Einwohner*in pro Jahr orientieren,
- eine Rad- und fußverkehrsfreundliche Überarbeitung des Straßenverkehrsrechts, um
Radfahren und zu Fuß gehen als gleichberechtigte Verkehrsarten zu fördern und deutlich
sicherer und bequemer zu machen. Außerdem müssen Bußgelder für verkehrsgefährdendes
und fuß- und radverkehrsbehinderndes Verhalten erhöht werden,
- das Nutzen der Digitalisierung, um Sicherheit und Vorfahrt für Rad- und Fußverkehr
umzusetzen.
Tempolimits. In erster Linie helfen Tempolimits, den Verkehr sicherer zu machen, und
Unfälle, Tote und Verletzte zu vermeiden. Aber sie tragen auch zu Lärm-, Umwelt- und zum
Klimaschutz bei. Sehr schnell umsetzbar sind:
- die Einführung eines allgemeines Sicherheitstempo von 130 km/h auf Autobahnen,
- die Einführung von Tempo 30 innerorts auf allen Straßen, indem Kommunen ermöglicht
wird, leichter darüber zu entscheiden,
- ein automatisiertes Verlangsamen vor besonderen Gefahrenzonen wie Kreuzungsbereichen,
Schulen oder Krankenhäusern,
- das Anschärfen des Bußgeldkatalogs für Falschparken und zu schnelles Fahren.
Emissionsfreie Mobilität voranbringen. Trotz Bahnausbaus und gut funktionierendem
Personennahverkehr wird in naher Zukunft das Auto weiterhin eine wichtige Rolle spielen –
insbesondere in ländlichen Räumen. Jetzt muss die Bundesregierung endlich die richtigen
politischen Rahmenbedingungen setzen, damit der Sprung in die Zukunft klimafreundlicher
Antriebe schnell und reibungslos gelingt und es neue Ideen für gemeinschaftliche
Nutzungskonzepte gibt:
- Spätestens ab 2030 sollen nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden.
- Die Förderung emissionsfreier Fahrzeuge soll durch eine Bonus-Malus-Regelung in der
Kfz-Steuer wirken, die kleine und energiearme Fahrzeuge belohnt und CO2-intensive
Fahrzeuge teurer macht, sowie durch Quoten für E-Autos. Diese Quoten sollen ab 2021
exponentiell ansteigen, damit bereits Mitte der 2020er Jahre drastisch weniger Autos
mit fossilem Verbrennungsmotor auf den Markt kommen.
- Die öffentliche Hand muss bei emissionsfreien Fahrzeugen mit gutem Beispiel vorangehen
und bspw. Dienstwagenflotten und Nutzfahrzeugparks schnell umstellen.
- Wir wollen den Ausbau und die Standardisierung der Ladeinfrastruktur für
Elektromobilität im öffentlichen und privaten Raum, die Entwicklung eines
flächendeckenden, engmaschigen öffentlichen Netzes von Ladestellen mit unkomplizierter
Handhabung und Abrechnung sowie mit transparenten Preisen, genauso wie den Abbau
bürokratischer Hürden für Ladestellen in Wohnhäusern.
- Wir wollen den Abbau von Subventionen für fossil betriebene Autos sowie steuerliche
Anreize für die Nutzung von Rad, Bus, Bahn und abgasarmer Autos statt die
Subventionierung schwerer Dienstwagen.
Flugverkehr vermeiden und die Subventionierung des Flugverkehrs beenden. Wir wollen nahezu
alle innerdeutschen Flüge und Kurzstreckenflüge ins benachbarte Ausland durch schnelle und
bezahlbare Alternativen mit der Bahn bis 2030 überflüssig machen. Dazu muss massiv in die
Schieneninfrastruktur und das Zugmaterial investiert und zugleich die Subventionierung des
Flugverkehrs beendet werden. Insgesamt muss der Flugverkehr klimafreundlicher gemacht
werden. Wir wollen:
- die Befreiung des Kerosins von der Energiesteuer beenden,
- die Mehrwertsteuer für alle Flugreisen einführen und eine Vervierfachung der Steuern
auf Flugreisen, solange Kerosin- und Mehrwertsteuer nicht im vollen Umfang erhoben
werden, dabei soll es eine Differenzierung nach Streckenlänge, Klasse und
Lärmbelastung geben sowie die Ausweitung auf Frachtflüge,
- die Subventionierung von Flughäfen stoppen,
- keine weiteren Start- und Landebahnen mehr genehmigen, sondern entsprechend des
wegfallenden Inlandsverkehrs reduzieren,
- die Start- und Landegebühren für besonders klimazerstörende, schadstoffreiche und
laute Flieger erhöhen,
- eine Initiative zur Festlegung ambitionierter CO2-Grenzwerte für Flugzeuge
international vorantreiben,
- die Forschung und Förderung von emissionsneutralen Flugzeugen und Kraftstoffen
fördern,
- Flüge mit Start und Ziel außerhalb der EU schnellstmöglich wieder in den Europäischen
Emissionshandel einbeziehen – ohne kostenlose Zuteilung von Zertifikaten,
- europäische und bilaterale Abkommen zur Erhebung einer Kerosinsteuer.
Den Güterverkehr dekarbonisieren. Der Güterverkehr nimmt immer weiter zu. Gleichzeitig
wächst der Anteil des Gütertransports auf der Straße, nicht aber auf der Schiene. Das wollen
wir umdrehen. Eine klimafreundliche Verkehrspolitik muss:
- die Lkw-Maut reformieren: Staffelung der Maut nach CO2-Ausstoß sowie Ausdehnung der
Lkw-Maut auf alle Straßen und alle Lkw über 3,5 Tonnen,
- schnell Güter von der Straße auf die Schiene bringen: dauerhafte Halbierung der
Trassenpreise, Ausbau der Schieneninfrastruktur,
- den Güterverkehr reduzieren durch regionale Wirtschaftskreisläufe und Verlagerung des
Restverkehrs auf umweltfreundliche Verkehrsträger,
- den gesamten Güterverkehr – auf Straße, Schiene, Wasser und in der Luft – auf
erneuerbare Energien umstellen; dazu bedarf es umfangreicher Forschungs- und
Markteinführungsförderung,
- es mehr Pilotprojekte für oberleitungsgebundene E-Lkw geben. So wollen wir
klimafreundliche Alternativen im Güterverkehr stärken.
Mit der Binnen- und Seeschifffahrt die Klimaziele einhalten. Wir wollen:
- die Koordinierung und Konzeptionierung der Schifffahrt und der Häfen endlich in eine
verantwortliche zentrale Aufgabe des Bundes überführen, um die Klimaziele und die
Kapazitätsauslastung aller Häfen einzuhalten,
- klimafreundliche Antriebe zunächst auf EU-Ebene zum Standard machen,
- die Kreuzschifffahrt Auflagen und Bedingungen unterwerfen,
- mehr Güter von der Straße auf das Binnenschiff bringen, in dem wir zügig marode
Wasserstraßen umweltverträglich sanieren und ihren Erhalt und Modernisierung
langfristig sichern,
- schnell eine flächendeckende und verpflichtende Landstromversorgung in Häfen aufbauen,
- die Flottenerneuerung und Modernisierung der Binnenschifffahrt unterstützen, um
schnell zu emissionsfreien Antrieben zu kommen,
- den Seeschiffsverkehr in den EU-Emissionshandel einbeziehen,
- verbindliche Emissionsminderungsziele für die Seeschifffahrt – möglichst global, in
einem ersten Schritt jedoch von und zu Häfen in der Europäischen Union. Diese
Forderung hat Luxemburg bereits in den Rat der Mitgliedsstaaten eingebracht.
Ausbildungs- und Forschungsoffensive. Wir wollen:
- Die Forschung in Vernetzung und Digitalisierung von Verkehr darf nicht länger
vernachlässigt werden. Für neue Antriebe sowohl für Kraftfahrzeuge, für Schiffe und
vor allem für Flugzeuge brauchen wir innovativen Forschungsgeist. Deutschland hat die
Möglichkeit, zum globalen Spitzenreiter in diesem Sektor zu werden. Auch die Forschung
in die Vermeidung von Ultrafeinstaub muss höhere Priorität genießen.
- Die Bundesregierung hat dafür Sorge zu tragen, dass die Ausbildung von Verkehrs- und
Stadtplaner*innen der klimafreundlichen Mobilität Rechnung trägt. Vorbilder sind hier
unsere europäischen Nachbarn Niederlande und Dänemark.
6d. Zukunftsfähige Industriepolitik
Auch die Industrie muss einen deutlich stärkeren Beitrag zum Klimaschutz leisten als bisher.
Die CO2-Emissionen sind gerade hier in den vergangenen Jahren nicht gesunken – trotz
europäischem Emissionshandel. Digitalisierung und andere neue Technologien wie der Einsatz
Künstlicher Intelligenz können helfen, ökologische Effizienz zu heben und die für eine
ökologische Wende der Wirtschaft dringend benötigten Innovationen auszulösen. Gleichzeitig
birgt gerade der immense Energiehunger der digitalen Transformation das Risiko, zum
Brandbeschleuniger der Klimakrise zu werden. Deshalb braucht es verbindliche
Energiestandards für Datenzentren, zum Beispiel über einen Top-Runner-Ansatz.
Die wichtigsten industriepolitischen Rahmenbedingungen und innovationspolitischen
Förderinstrumente sind vor diesem Hintergrund:
- Investitionen in CO2-freie Industrieprozesse tätigen: Stärkung des Emissionshandels,
bessere Abschreibungsmöglichkeiten, Fördergelder für Modellprojekte, gezielte
Forschungsförderung,
- erneuerbare Energien zur Eigennutzung günstiger machen: Verlängerung der
entsprechenden Regelungen im Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz,
- Anreize setzen: die bestehenden Regeln zum Schutz der Wettbewerbsfähigkeit der
energieintensiven Industrie zielgenauer ausrichten und Grenzausgleichsmaßnahmen
einführen, damit die Industrie vor möglichen Nachteilen im internationalen Wettbewerb
mit Staaten ohne vergleichbare Klimaschutzpolitik geschützt bleibt. Gleichzeitig soll
damit ein stärkerer Anreiz für die Industrie gegeben werden, in CO2-freie Technologien
zu investieren und CO2-sparsame Werkstoffe einzusetzen,
- Investitionen in CO2-freie Industrieprozesse ermöglichen: insbesondere in den
Bereichen Stahl, Chemie und Zement lohnen sich Investitionen in CO2-freie
Industrieprozesse meist erst bei sehr hohen CO2-Preisen, die das europäische
Emissionshandelssystem derzeit noch nicht abbildet. Damit sich solche Investitionen
für Unternehmen schon heute rechnen, wollen wir den Unternehmen die Differenz zwischen
dem aktuellen CO2-Preis und den tatsächlichen CO2-Vermeidungskosten erstatten, die
ihnen durch die Investitionen in neue Verfahren und Technologien entstehen („Carbon
Contract for Difference“),
- Klimafreundliche Leitmärkte schaffen: Umstellung der gesamten öffentlichen Beschaffung
auf klimafreundliche Produkte, Produktionsverfahren, Fahrzeuge, Immobilien; Einsatz
recycelter Werkstoffe; europaweite klimaschützende Produktstandards einführen,
- Quoten festlegen: Um den Umbau der energieintensiven Unternehmen planungssicherer zu
gestalten und perspektivisch finanzielle Förderung zu reduzieren, unterstützen wir die
Vorschläge auf europäischer Ebene im Zuge des angekündigten Klimapaketes, ansteigende
Quoten für klimaneutralen Stahl, Kunststoffe oder Zement in Autos oder auch Windrädern
und Gebäuden festzulegen,
- die zentralen innovationspolitischen Förderinstrumente gezielt auf die Bekämpfung der
Klimakrise ausrichten: Explizit klimafreundliche Innovationen werden bevorzugt
gefördert. Dies betrifft etwa die Startup-Förderung, die Forschungs- und
Entwicklungsförderung, die wir sozial-ökologisch ausrichten möchten, die Hightech-
Strategie, die KI-Strategie oder die neue Agentur für Sprunginnovationen,
- Systeminnovationen für eine klimaneutrale Wirtschaft identifizieren und fördern, zum
Beispiel durch die Ausdehnung von Förderformaten wie den Kopernikus-Projekten (z.B.
Power-to-Gas) auf weitere Politikfelder wie Landwirtschaft und Verkehr,
- die Vorgaben auf europäischer Ebene zur Kreislaufwirtschaft ausbauen: Durch eine
verstärkte Kreislaufwirtschaft können die CO2-Emissionen der vier wichtigsten
Industriesektoren (Kunststoff, Stahl, Aluminium und Zement) in Europa um die Hälfte
reduziert werden,
- klimaneutrale Kreislaufwirtschaft verankern: u.a. durch ein gesetzliches
Abfallvermeidungsziel für Verpackungsmüll von 110 Kilogramm pro Kopf bis 2030, durch
Ressourcenschonung und Recyclingfähigkeit von Produkten in der Ökodesign-Richtlinie,
durch die Einrichtung eines Forschungsinstituts zur Förderung der Kreislaufwirtschaft,
durch zunehmende Verpflichtung und Förderung zur Wiedereinspeisung von Plastik in die
Kunststoffproduktion.
6e. Landwirtschaft klimafreundlich und klimafest machen
Kein anderer Bereich ist so unmittelbar auf den Erhalt unserer Lebensgrundlagen angewiesen
wie die Land- und Forstwirtschaft. Dieser Sommer hat erneut deutlich gemacht: Die
Landwirtschaft ist schon heute sowohl Leidtragende als auch Mitverursacherin der Klimakrise
– und für uns auch ein Teil der Lösung. Unser Ziel ist ein klimaneutrales
Landwirtschaftssystem, in dem nicht nur klimaschädliche Gase reduziert werden, sondern es zu
einer langfristigen Kohlenstoffbindung in Boden und Bäumen kommt.
Die Landwirtschaft produziert heute größtenteils nach Bedingungen, die in eine Sackgasse für
Bäuerinnen und Bauern, für Umwelt und Klima führen. Das Motto ist „Wachse oder weiche!“,
produziere also intensiver und billiger. Wir müssen dieses System grundsätzlich ändern, so
dass ein umwelt-, tier- und klimafreundliches Wirtschaften sich eher lohnt als
industrialisierte Landwirtschaft. Die Agrarpolitik der Bundesregierung wie auch die EU-
Agrarpolitik tun aber genau das nicht und leisten so ihren Beitrag, die Klimakrise
anzuheizen. Immer mehr Landwirt*innen erkennen, dass dieser Weg in die Sackgasse führt.
Gemeinsam mit den Bäuer*innen wollen wir zu einer standortangepassten Tierhaltung kommen.
Auch beim Ackerbau ist spätestens seit der Dürre 2018 klar, dass wir eine Strategieänderung
brauchen. Wir wollen, dass Böden so bewirtschaftet werden, dass sie CO2 speichern und
Wetterextreme abpuffern. Und wir wollen darauf hinwirken, dass widerstandsfähigere Kulturen
und Sorten angebaut werden, um den Extremsommern – die in der Zukunft Normalität sein
könnten – besser trotzen zu können.
Unsere Ernährung trägt zu einem Fünftel zu unserer schlechten Klimabilanz bei. Vor allem der
übermäßige Fleischkonsum ist hierfür verantwortlich. Global betrachtet verursacht die
Erzeugung tierischer Lebensmittel mehr Klimagase als der gesamte Verkehrsbereich. Heute
wandert ein Drittel der weltweiten Getreideernte in die Futtertröge. Klar ist: Die
Produktion und der Konsum von Fleisch müssen sinken, Dumpingpreise der Vergangenheit
angehören.
Maßnahmen für eine klimagerechte Landwirtschafts- und Ernährungspolitik:
- Radikaler Umbau der EU-Agrarförderung (GAP) und Qualifizierung der Gelder der
Europäischen Agrarpolitik: Öffentliche Gelder sollen qualifiziert und spätestens ab
2027 nur in öffentliche Leistung investiert werden. Gefördert werden soll dann nur
noch eine klima- und tiergerechte, arten- und umweltschützende Landwirtschaft.
Deutschland hat über den Europäischen Rat Einfluss und Möglichkeit, diesen
Systemwechsel in der EU-Agrarpolitik einzufordern. Wir müssen alle bestehenden und
sich durch die GAP-Reform ergebenden Möglichkeiten nutzen, um eine klimagerechtere
Landwirtschaft voranzubringen.
- Ausweitung des Ökolandbaus bis 2025 auf mindestens 25 Prozent der Fläche: Dafür wollen
wir in den nächsten sieben Jahren eine Milliarde Euro Bundesmittel in den Ökolandbau
investieren.
- Umbau der industriellen Tierhaltung in tiergerechte Haltung: Die Landwirtschaft soll
ihre Tierhaltung art- und klimagerecht umbauen. Die Bestände sollen dabei reduziert
werden, der Tierbestand soll flächengebunden sein und maximal bei zwei
Großvieheinheiten pro Hektar liegen, perspektivisch noch darunter. Im Gegenzug soll es
eine Förderung für den Stallumbau geben. Damit reduzieren wir Methan- und Lachgas-
Emissionen und schützen Regenwälder vor Abholzung für europäischen Fleischkonsum und -
export. Diese Maßnahmen werden dazu führen, dass Fleisch teurer wird.
- Auflegen eines Brachflächenprogramms als Kurzfristmaßnahme: Landwirtinnen und
Landwirte, die ihren tierhaltenden Betrieb aufgeben wollen, sollen diesen an einen
staatlichen Fonds verkaufen können, der die Flächen in eine extensive Nutzung oder
Brache überführt.
- Verbot von Importen von Futtermitteln und Palmöl von gerodeten Flächen bzw. von
Flächen, für die natürliche Ökosysteme zerstört wurden durch gesetzliche Regelungen im
Rahmen des Waldaktionsplans auf EU-Ebene.
- Anpassung des deutschen Düngerechts an die Anforderungen der EU-Kommission für Klima-,
Natur- und Wasserschutz: Wir wollen vor allem für ohnehin belastete Gebiete neben
einem verbesserten Düngemanagement die Menge an Düngemitteln, die ausgebracht werden
darf, deutlich begrenzen. Wenn das Ordnungsrecht nicht zeitnah Erfolge erzielt, soll
ab 2022 eine Stickstoffabgabe erhoben werden.
- Fördern von Permakultur: Sie bietet höchste Produktivität auf minimalem Raum und ist
gut für Böden und Humus.
- Reduzierung der Fleischproduktion: Wir wollen über die Konsequenzen des Fleischkonsums
aufklären und setzen uns für mehr Selbstverständlichkeit von vegetarischer und veganer
Ernährung ein. Darum fördern wir ein größeres Angebot an vegetarischen und veganen
Speisen in Schulen, Mensen und Kantinen.
- Entwickeln von Alternativen zu Fleisch: Fleischersatz aus pflanzlichen Zutaten sowie
künstlich hergestelltes Fleisch werden zukünftig eine größere Rolle spielen. Die
Erforschung solcher Alternativen halten wir für richtig und wichtig, denn sie eröffnen
eine Perspektive, tierisches Eiweiß ohne Tierleid, Nitrat und mit deutlich geringerer
Klimabelastung herzustellen. Auch wenn sie noch nicht marktfähig sind, unterstützen
wir sie. Dies ist zudem ein Weg, um die Tierbestände zu reduzieren und die
Landwirtschaft zu extensiveren. Er sollte weiter gegangen werden.
- Förderung regionaler Produktion: Bei der Art und Weise, wie wir uns ernähren, setzen
wir auf regionale Versorgungsstrukturen und Wertschöpfungsketten in der Stadt, auf dem
Land und in der Gemeinschaftsverpflegung. Zugleich entwickeln wir nachhaltige
Ernährungsstrategien, worüber auch der Ausbau des Ökolandbaus unterstützt wird.
- Eindämmen von Lebensmittelverschwendung: Bis 2030 muss die Lebensmittelverschwendung
halbiert werden – das ist eins der internationalen Nachhaltigkeitsziele. Um das zu
erreichen, brauchen wir verbindliche Reduktionsziele für alle Stufen der
Wertschöpfungskette und einen gesetzlichen Wegwerfstopp für Supermärkte und
Lebensmittelproduzent*innen. Für lang haltbare Lebensmittel wie Nudeln oder
Hülsenfrüchte wollen wir das Mindesthaltbarkeitsdatum aufheben. Handels- oder EU-
Normen, die dazu führen, dass zu kleines oder unförmiges Obst und Gemüse gar nicht
erst die Supermarktregale erreicht, wollen wir abschaffen, Lebensmittelspenden
erleichtern und Containern straffrei machen.
Wälder schützen...
Wir brauchen Wälder, die der Klimakrise besser trotzen und dabei aktiven Klimaschutz
betreiben. Sie sind unverzichtbar für den Klimaschutz. Der Aufbau eines naturnahen, gesunden
Waldes kann viele Millionen Tonnen CO2 binden, bei nachhaltiger Nutzung des Holzes auch
dauerhaft. Aktuell ist der Wald von der Klimakrise bedroht, das liegt auch an den Fehlern
der Vergangenheit. Statt auf schnell wachsende Nadelholzplantagen zu setzen, brauchen wir
jetzt naturnahe Laubmischwälder mit standortheimischen Baumarten. Durch den Dürresommer 2018
und die Hitzeperioden dieses Jahres droht jetzt ein neues Waldsterben. Die Waldpolitik muss
daher auf allen Ebenen umsteuern:
- Umwandlung von Holzplantagen in naturnahe Wälder und ökologische Bewirtschaftung
gesetzlich festlegen und fördern; alte Wälder dauerhaft schützen und mit einem
Moratorium den Einschlag alter Bäume stoppen,
- Waldzukunftsfonds von einer Milliarde Euro für die nächsten Jahre als erste
Finanzspritze für den kranken Wald einführen; Förderung immer nach dem Prinzip
„öffentliches Geld nur für öffentliche Leistungen“ ausgeben,
- Wiederbewaldung mit standortheimischen Baumarten auf zerstörten Waldflächen, in Auen
und Niederungen fördern,
- fünf Prozent, perspektivisch zehn Prozent Urwaldflächen bundesweit festschreiben, in
öffentlichen Wäldern bereits heute zehn Prozent Urwaldfläche verbindlich machen,
- Holzverbrauch senken: Die wertvolle Ressource Holz muss effizient und nachhaltig
genutzt werden. Dafür wollen wir die Kaskadennutzung fördern, in der Holznutzung für
langlebige Produkte wie für den Bau und für Möbel an erster Stelle steht. Erst ganz am
Ende einer Nutzungskette sollten kurzlebige Holz- und Papierprodukte entstehen oder
Holz als Energieträger verbrannt werden. Die Nutzung von landbasierter Biomasse für
energetische Zwecke darf nicht weiter ausgebaut werden. Die direkte Verbrennung von
Frisch-Holz muss zurückgehen,
- Kohlenstoffsenke des Waldes durch Ausweisung von Naturwäldern verbunden mit einer
Reduktion des jährlichen Holzeinschlags und der Förderung von Waldflächen mit
natürlicher Waldentwicklung erhalten, um Anpassungsprozesse an die Klimakrise zu
ermöglichen,
- die Nutzung von landbasierter Biomasse für energetische Zwecke nicht weiter ausbauen,
die direkte Verbrennung von Frisch-Holz verringern, stattdessen durch Kaskadennutzung
aus weniger Holz mehr machen.
...und Moore auch.
Entwässerte Moore setzen Klimagase frei. Besonders landwirtschaftlich genutzte Moorböden,
die zwar nur sieben Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Deutschlands ausmachen,
emittieren 37 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft. Moorschutz
würde daher auf die Fläche gerechnet überproportional hohe Einsparungen in den
Treibhausgasen bedeuten. Daher ist Moorschutz wichtig und notwendig.
- Moore renaturieren: Die schnelle Wiedervernässung von Mooren ist von
überproportionalem Nutzen zur Einsparung von Treibhausgasen. Deshalb starten wir ein
gemeinsames großflächig wirksames Moorrenaturierungsprogramm von Bund und Ländern und
stoppen den Umbruch, die Entwässerung und die Zahlung von Agrarsubventionen für die
Bewirtschaftung entwässerter Moorböden ab 2021.
- 50 Prozent des entwässerten Waldes sollen bis 2030 wiedervernässt werden.
- Für alle bundeseigenen Moorflächen muss die Entwässerung bis 2030 gestoppt werden.
- Paludikultur, also die landwirtschaftliche Nutzung nasser Hoch- und Niedermoore,
wollen wir als Landwirtschaft anerkennen und in die Agrarförderung aufnehmen. Dazu
starten wir ein Investitionsprogramm und eine Klimaschutz-Flächenprämie.
- Aus der Gewinnung von Torf wollen wir aussteigen und Torf durch erneuerbare
Alternativen ersetzen.
6f. Green Finance
Der Finanzsektor ist entscheidend für mehr Klimaschutz. Mit einer breit angelegten Strategie
sorgen wir dafür, dass Anlagekapital in Zukunft Klimaschutz statt Klimazerstörung
finanziert:
- Alle Akteure – Banken, Versicherungsunternehmen und Rating-Agenturen – müssen Risiken,
die sich aus nicht nachhaltigen Investitionen ergeben, konsequent berücksichtigen. So
können Unternehmen, die Menschenrechte verletzen oder den Klimazielen von Paris
zuwider arbeiten, von den Anleger*innen auf den Finanzmärkten abgestraft werden. Das
heißt für sie höhere Zinsen und schlechterer Zugang zu Kapital.
Nachhaltigkeitskennziffern müssen in der Berichterstattung regelmäßig offengelegt
werden.
- Klimarisiken, die in Konzern- und Bankbilanzen schlummern, sollten bei der Bewertung
durch Rating-Agenturen und die Finanzmarktaufsicht berücksichtigt werden, zum Beispiel
durch Klima-Stresstests für Banken und Versicherungen oder durch Aufschläge bei
Eigenkapitalanforderungen zu Finanzierungen, die hohe Klima- und Umweltrisiken bergen.
- Damit Kleinanleger*innen von der grünen Finanzwende profitieren und ihr Geld mit gutem
Gewissen anlegen können, brauchen wir ein EU-Label für nachhaltige Finanzprodukte mit
starken ökologischen und sozialen Standards. Anhand eines einfachen
Klassifizierungssystems und klarer Standards für Grüne Anleihen können Anleger*innen
sich einfach über den Grad der Nachhaltigkeit ihrer Geldanlage informieren. Auch
werden sie bei jedem Beratungsgespräch verpflichtend gefragt, wie
Nachhaltigkeitskriterien in ihren Anlagen berücksichtigt werden sollen.
- Die Europäische Zentralbank muss ebenfalls ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Als
Sicherheiten sollte sie nur noch Vermögenswerte akzeptieren, die mit unseren
Klimaschutzzielen konform sind.
- Auch für die öffentliche Hand brauchen wir endlich neue Anlagerichtlinien, denn die
Pensionen für die Beamten oder auch für die Beschäftigten der Bundesagentur für Arbeit
müssen nach Klimaschutz- und Nachhaltigkeitskriterien angelegt werden. Der Bund kann
dem Markt für nachhaltige Geldanlagen wichtige Impulse geben. Dafür muss er seine
Investitionen in Kohle-, Öl- und Gas-Konzerne, die Geschäfte auf Kosten des Klimas
machen, beenden (Divestment).
7. Klimaschutz in Bildung und Wissenschaft
Wissenschaftliche Erkenntnisse sind für uns Grundlage politischer Entscheidungen. Sie zeigen
Lösungsansätze und Entscheidungsalternativen für große gesellschaftliche Probleme, wie zum
Beispiel den menschengemachten Klimawandel, auf. Aktuelle Studien, wie zum Beispiel zum
Schmelzen der Permafrostböden, zeigen, dass die Klimakrise bereits weiter fortgeschritten
ist als bisher angenommen. Der notwendige Weg, die globale Erhitzung zu begrenzen, erfordert
gesellschaftliche Auseinandersetzung, deren wissenschaftliche Begleitung sowie eine „Bildung
für nachhaltige Entwicklung" (BNE).
Die Pariser Klimaziele sowie wissenschaftliche Erkenntnisse umzusetzen, bedeutet auch
negative Emissionen – also das Rückholen von Kohlendioxid aus der Atmosphäre – bis Ende des
Jahrhunderts in erheblichem Umfang zu erreichen. Das kann zumindest teilweise gelingen,
indem CO2 in Wäldern oder Böden dauerhaft gebunden wird. Wir wollen deshalb Forschung und
Erprobung von Technologien für negative Emissionen unterstützen.
Gleichzeitig entbindet die Dringlichkeit der ökologischen Krisen uns nicht davon, genau
hinzuschauen und mögliche Risiken und Konsequenzen im Blick zu haben, wie schon bei der
Atomenergie, deren Gefahren und lange Strahlung jedes verantwortbare Maß menschlicher
Verantwortung überschreiten, oder bei der Freisetzung von gentechnisch veränderten
Organismen. Das gilt auch für technische Maßnahmen des „Geoengineerings“, mit denen in die
biogeochemischen Prozesse der Erde eingegriffen werden soll, etwa indem Meere gedüngt oder
Schwefelaerosole in der Stratosphäre ausgebracht werden, um die Wolken aufzuhellen und die
Sonneneinstrahlung zu reflektieren. Dem übergeordneten Ziel einer nachhaltigen Politik
entspricht das nicht. Wir werden alle Optionen am Vorsorgeprinzip und dem Prinzip der
Umkehrbarkeit messen: Was kurzfristig hilfreich erscheint, ist untauglich, wenn es in der
Folge neue Probleme schafft. Was Folgen mit sich bringt, die nicht wieder rückgängig gemacht
werden können, ist nicht der richtige Weg, denn er nimmt zukünftigen Generationen die
Freiheit. Daraus leiten wir die folgenden Forderungen ab:
- Klimagerechtigkeit muss in allen Bildungsinstitutionen (Kitas, Schulen,
Volkshochschulen, Hochschulen etc.) und non-formalen Bildungsorten auf allen Ebenen
besser verankert werden. Ausgehend von der zeitlich bedingten Notwendigkeit, muss
Bildung für nachhaltige Entwicklung im gesamten Bildungs- und Wissenschaftssystem
maßgeblich das Grundverständnis, die Strukturen, Inhalte und Ziele bestimmen.
- Für ein noch besseres Verständnis der ökologischen Herausforderungen braucht es unter
anderem Klima-, Energie- und Akzeptanzforschung, Forschung zur Zukunft der Arbeit und
(Agrar-)Wirtschaft, Überwindung der „Wissens-Verhaltens-Lücke" und Innovationen in der
Klimafolgenanpassung.
- Wir brauchen insgesamt mehr Vielfalt in allen Wissenschaftsbereichen. Dabei ist es für
uns zentral, dass die Wissenschaft frei und unabhängig von Verwertungsinteressen
bleibt. So müssen zum Beispiel einige Bundeszuwendungen verstetigt werden.
Anderenfalls werden unvorhersehbare, kreative Ideen und interessanter Dialog verloren
gehen.
- Wir wollen bestehende Grenzen zwischen den Wissenschaftsfeldern aufbrechen und trans-
und interdisziplinäre Zusammenarbeit unterstützen, auch in Zusammenarbeit mit der
Zivilgesellschaft. Deshalb setzen wir uns auch dafür ein, Forschung mit Anwohner*innen
sowie lokalen Initiativen in Reallaboren zu ermöglichen.
- Öffentlich finanzierte Hochschulen und Forschungseinrichtungen haben schon immer einen
Vorbildcharakter gehabt, was nachhaltige Entwicklung betrifft. Sie müssen durch
klimagerechte Maßnahmen insbesondere bei Mobilität, eigenem Energiekonsum, Gebäude und
Beschaffung bis spätestens 2030 klimaneutral sein.
8. Soziale Maßnahmen für gerechten Klimaschutz
Unter den Auswirkungen der Klimakrise leiden Menschen mit geringen Einkommen mehr als
Menschen mit hohen. Daher ist Klimapolitik immer auch Sozialpolitik. Zugleich ist klar, dass
Preiserhöhungen sozial ausgewogen sein müssen. Wir wollen den Klimaschutz als Gesellschaft
gemeinsam und fair miteinander gestalten. Die notwendige Transformation der Wirtschaft kann
nur gelingen, wenn sie ökologisch und gleichzeitig sozial ist. Die ökologische Frage ist
auch immer eine soziale Frage.
Wir stellen sicher, dass die Menschen von ökologisch-sozialer Modernisierung profitieren:
- Aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung finanzieren wir ein Energiegeld von zunächst 100
Euro, das jede Bürgerin und jeder Bürger erhält. Da Menschen mit niedrigem Einkommen
in der Regel weniger CO2 produzieren, profitieren sie überdurchschnittlich davon.
- Kaufpreisprämien müssen in niedrigeren Preissegmenten höher sein als in teureren
Preissegmenten.
- Wir wollen Energiearmut in Deutschland bekämpfen und Stromsperren verhindern, von
denen besonders häufig Menschen mit geringem Einkommen oder in schwierigen Lebenslagen
betroffen sind.
- Bei der Gebäudesanierung wollen wir ein Klimawohngeld einführen und so für Mieterinnen
und Mieter mit kleinem Einkommen warmmietneutrale Modernisierungen ermöglichen.
- Gute Bezahlung und gerechte Entlohnung bilden mit die Basis für ökologische
Kaufentscheidungen. Wir wollen das Tarifvertragssystem stärken, den Mindestlohn
erhöhen, Wege aus den Minijobs und dem Niedriglohnsektor ebnen und eine bessere
Bezahlung der sozialen Berufe durchsetzen.
- Der Klimaschutz wird in zahlreichen Branchen zu einem Strukturwandel führen. Dabei
wollen wir die Beschäftigten unterstützen. Weiterbildung und Qualifizierung sind dabei
entscheidend. Wir wollen ein Recht auf Weiterbildung einführen, die Beratung vor Ort
verbessern und vernetzen, eine sozial gerechte Weiterbildungsförderung schaffen, die
Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung weiterentwickeln und besonders
betroffene Branchen zielgenau unterstützen.
- Um Beschäftigte zu unterstützen, die aufgrund eines klimaschutzbedingten
technologischen Wandels absehbar neue Qualifikationen benötigen, schlagen wir ein
Klimaqualifizierungsgeld vor. Dies kommt insbesondere solchen Unternehmen zugute, die
auf Grund ihrer Größe und ihres Umsatzes nicht ohne weiteres einen eigenen
Qualifizierungsfonds einrichten können. Voraussetzung für den Bezug des
Klimaqualifizierungsgeldes ist ein gemeinsam zwischen den Betriebspartnern erstellter
Business- und Qualifizierungsplan, der klar regelt, welche Maßnahmen für den
Klimaschutz getroffen und welche Qualifikationen durch die Beschäftigten erworben
werden müssen.
- Für Regionen, die besonders von der Transformation betroffen sind, braucht es gezielte
Hilfe. Daher unterstützen wir den „Just Transition Fund“ auf EU-Ebene und wollen die
beihilferechtlichen Vorgaben in Sinne gerechter Transformation weiter entwickeln.
- Um soziale Härten im Zuge des Kohleausstieges zu vermeiden, müssen im
Kohleausstiegsgesetz bzw. im Strukturstärkungsgesetz arbeitsmarkt- und
qualifizierungspolitische Maßnahmen sowohl für die direkt als auch für die in der
Zuliefererindustrie indirekt vom Braunkohleausstieg betroffenen Beschäftigten
enthalten und mit entsprechenden Finanzmitteln hinterlegt sein. Zugleich müssen die
Vorbereitungen zur nachhaltigen sozialen Absicherung älterer Beschäftigter,
insbesondere in Form des Anpassungsgeldes, gerade auch im Haushalt unverzüglich
eingeleitet werden.
- Wir müssen sicherstellen, dass Menschen nicht zum Arbeiten verpflichtet werden, wenn
sie durch extreme Hitze ihre Gesundheit und ihr Leben gefährden. Deswegen wollen wir
für hitzebedingte Arbeitsausfälle ein Hitzegeld einführen, welches den Beschäftigten
60 Prozent ihres Nettogehaltes garantiert.
- Alle Menschen sollen Zugang zu bezahlbarer Mobilität haben. Über Sozialtickets und
unseren Mobilpass sorgen wir dafür, dass Bahnfahren und ÖPNV gerade für Menschen mit
niedrigen Einkommen bezahlbar sind.
- Wir wollen die Stromkostenpauschale aus dem Hartz-IV-Regelsatz herauslösen und
jährlich dynamisieren, sodass Kostensteigerungen beim Strompreis nicht zu einer
Unterdeckung des Regelsatzes führen. Weitere Kostensteigerungen, die sich aus dem
Klimaschutz ergeben, müssen in die Anpassung der Sätze miteinbezogen werden. Menschen,
die keine weitere Belastung schultern können, dürfen auch nicht stärker belastet
werden.
9. Anpassung an das Unvermeidbare
Anpassung ist keine Alternative zur Minderung von Treibhausgasen. Jedes Zehntel Grad
Erderwärmung macht einen Unterschied, wie heftig die Auswirkungen der Klimakrise in den
nächsten Jahrzehnten sein werden. Daher kommt es auch auf jede eingesparte Tonne CO2 an.
Doch auch bei einer Begrenzung der globalen Erhitzung auf deutlich unter 2 Grad, selbst bei
1,5 Grad werden die Auswirkungen der Klimakrise deutlich spürbar sein. Eine Anpassung daran
ist unvermeidlich. Die Zunahme der Extremwetterereignisse wie Dürren oder die
Extremniederschläge der vergangenen Jahre haben gezeigt, worauf wir uns einstellen müssen.
Zur Abmilderung der Auswirkungen der Klimakrise und zur Bewältigung des Unvermeidbaren
braucht Deutschland einen Aktionsplan, der Klimaschutz und Klimaanpassung miteinander
verbindet. Damit werden Menschen, Städte, Umwelt und Natur widerstandsfähiger gegen die
Folgen der Klimakrise gemacht und können einen größeren Beitrag zur Minimierung der
Klimakrise leisten. Im Zentrum dabei steht für uns ein nationaler Klimafolgenanpassungsfonds
in Höhe von zwei Milliarden Euro, mit denen wir die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise
begrenzen wollen. Folgende Schritte sind aus unserer Sicht schon jetzt unerlässlich:
- Beim Städte- und Wohnungsbau müssen wir für Hitzeschutz sorgen. Schon heute liegen die
Temperaturen in Großstädten wie Köln, Stuttgart oder Berlin im Sommer teilweise zehn
Grad über denen des Umlandes. Menschen können nächtelang nicht schlafen und arbeiten
in klimatisierten Räumen. Wir brauchen einen Städte- und Wohnungsbau, der die
Entwicklungen der Klimakrise berücksichtigt. Statt Betonwüsten braucht es mehr Bäume,
Wasser- und Grünflächen sowie Frischluftschneisen in unseren Städten, denn sie wirken
wie Klimaanlagen. Mit finanziellen Mitteln müssen Projekte für mehr Stadt- und
Fassadenbegrünung, Schattenflächen, Häuserdämmung sowie Kühlung durch Kältespeicher
und erneuerbar betriebene Wärmepumpen in den Wohnungen, aber auch hellere Fassaden und
hellerer Straßenbelag gefördert werden. Das ist gut für die Gesundheit der Menschen,
die Luft und das Klima.
- Wir wollen Betroffene entschädigen. Derzeit sind nur 40 Prozent der Häuser in
Deutschland gegen Elementarschäden versichert und gerade in den von Hochwasser
gefährdeten Gebieten werden Versicherungen gar nicht mehr angeboten oder sind kaum
finanzierbar. Neben angemessenen Versicherungslösungen für die Betroffenen ist ein
zusätzlicher Fonds für unbürokratische und zügige Entschädigungszahlungen aufzulegen
für Menschen, deren Existenz bedroht ist. Zudem sollen regionale Landkarten erstellt
werden, auf denen absehbare Gefährdungslagen kartiert sind. Ausweisungen von
Neubaugebieten in Überschwemmungsgebieten wollen wir einschränken.
- Wir wollen den Gesundheitsschutz erhöhen. Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts ist
die Zahl von Todesfällen aufgrund von Herzkrankheiten während der Hitzewellen deutlich
angestiegen. Besonders betroffen sind Säuglinge, Kleinkinder und ältere Menschen. Das
Bundesgesundheitsministerium rechnet bis zum Ende des Jahrhunderts mit einer um den
Faktor drei bis fünf erhöhten Todesrate durch Hitzewellen. Hinzu kommen Folgeprobleme
wie eine massive Zunahme von Allergien, da sich etwa die Pollenflugsaison in den
vergangenen 30 Jahren bereits um zehn bis zwölf Tage verlängert hat. Für Warnsysteme,
bessere Behandlungsmöglichkeiten von klimabedingten Krankheiten sowie Hitze-
Aktionspläne muss Geld bereitgestellt werden. Die Aktionspläne sollten eine
koordinierte Kommunikation von Tipps und Verhaltensweisen für die Bevölkerung bei
Extremwetterereignissen beinhalten. Über eine bundesweite Beratungstelefonnummer
sollen Informationen zur Vermeidung hitzebedingter Gesundheitsschäden abgerufen werden
können.
- Wir wollen einen bundesweiten Hitzeaktionsplan verabschieden. Damit schützen wir die
Bevölkerung vor hitzebedingten Gesundheitsschäden.
- Wir wollen die Landwirtschaft anpassen und die Forschung für robuste Pflanzen
intensivieren, damit Landwirt*innen die Herausforderungen der Klimakrise meistern
können. Entschädigungen sowie Förderprogramme für technische Lösungen bekämpfen nur
die Symptome, sparen aber die erforderlichen Änderungen im System sowohl auf dem Acker
als auch in der Tierhaltung aus. Vielfältige Fruchtfolgen, angepasste Sorten und
humusreiche Böden können Trockenstress und Klimawandel besser trotzen als
Monokulturen. Alternative Forschung und Anbaumethoden müssen deutlich stärker
gefördert werden.
- Wir wollen gesunde Böden fördern: Viele Regionen werden in den nächsten Jahren mit
Trockenheit zu kämpfen haben. Umso wichtiger, dass der Boden gesund und geschützt ist
– mit genügend Humus, um ausreichend Wasser zu speichern. Wir werden den Humuserhalt
und -aufbau von Böden durch Umwandlung ungeeigneter Äcker in Grünland sowie die
Ausweitung agrarökologischer Methoden wie Agroforstsysteme, Mischkulturen, weite
Fruchtfolgen und eine ganzjährige Bodenbedeckung fördern.
- Wir wollen Flächen entsiegeln. Versiegelte Flächen heizen die Umgebung nicht nur
unnötig auf, sondern können auch kein Regenwasser aufnehmen. Letzteres führt zu
Überschwemmungen. Deshalb braucht es ein Programm zur Wiederherstellung geschädigter
und versiegelter Böden in ihre natürliche Funktion als CO2- und Wasserspeicher.
- Bäume stellen Kohlenstoffsenken dar. Deshalb sind Agroforstsysteme unabdingbar für
eine klimagerechte Landwirtschaft. Auch wollen wir den Baumstand pro Festmeter im Wald
festschreiben und ihn durch Begrünung städtischer Umgebungen steigern. Bei der
Aufforstung wollen wir zum Vorreiter werden. Dazu setzen wir im Rahmen eines
Waldaufforstungsprogramm auf gesunde Mischwälder und klimarobuste Arten.
- Wir wollen Wälder vor Bränden schützen. Für den Fall großer Waldbrände braucht es
bundesländerübergreifende Katastrophenpläne, ausreichende Spezialisten und eine gute
Ausrüstung zum Beispiel mit Löschflugzeugen. Doch genauso wichtig wie eine
Waldbrandstrategie ist Waldbrand-Prävention: Dazu gehören Vorsorgemaßnahmen wie
Schutzstreifen und Waldbrandriegel sowie den nachhaltigen Umbau der Wälder
insbesondere nach Sturmschäden von Monokultur-Nadelwäldern hin zu artenreichen
Mischwäldern. Diese sind weniger brandgefährdet und zudem ein Gewinn für die
Artenvielfalt.
- Wir wollen vor Hochwasser schützen. Hochwasserschutz ist mehr als Deiche bauen. Mit
Blick auf die mittlerweile alle paar Jahre hereinbrechenden Jahrhunderthochwasser ist
eine prioritäre Finanzierung des ökologischen Hochwasserschutzes überfällig. Dazu
gehört, den Flüssen wieder mehr Raum zu geben sowie eine Reaktivierung von Auen
entlang von Flüssen. Auch braucht es Hochwasserkonzepte für Städte, die aufgrund ihrer
massiven Versiegelung nicht für extreme Niederschläge gerüstet sind.
10. Klimaschutz kennt keine Grenzen
Auch wenn sich dieser Maßnahmenplan vor allem auf die national notwendigen Anstrengungen
konzentriert, so ist doch völlig klar: Klimaschutz kennt keine Grenzen und muss europäisch
und global gedacht werden.
Von der Klimakrise betroffen sind weltweit zuerst jene, die die Klimakrise nicht verursacht
haben und sich am wenigsten vor den Auswirkungen schützen können: Menschen, besonders
Frauen, in den Ländern des Globalen Südens. Wir unterstützen die ärmsten Staaten beim
Klimaschutz und bei der Anpassung an Klimaveränderungen. Insbesondere mit Schwellen- und
Entwicklungsländern bauen wir Klimapartnerschaften auf und verstärken die klimapolitische
Zusammenarbeit. Wir setzen uns dafür ein, dass die Menschen in Entwicklungs- und
Schwellenländern, die besonders von der Klimakrise betroffen sind, solidarische und
koordinierte Hilfe der Staatengemeinschaft erhalten. Dafür fördern wir systematisch
Klimarisikoanalysen und ein Klimarisikomanagement. Ansätze auf internationaler Ebene müssen
die Umsetzung der Menschenrechte, etwa der Rechte auf Nahrung, Wasser oder Gesundheit,
befördern und die Bevölkerung vor Ort miteinbeziehen. Lokal Betroffenen muss die notwendige
Umsiedlung in Würde garantiert werden, Menschen, die ihre Heimat aufgrund der Klimakrise
verlassen, brauchen internationalen Schutz.
- Wir werden uns in den internationalen Klimaverhandlungen dafür einsetzen, das Pariser
Klimaabkommen zu einem internationalen Regime weiterzuentwickeln, das von den Staaten
möglichst verbindliche Ziele einfordert, Vergleichbarkeit und Transparenz der
Zieleinhaltung sicherstellt und die Nichteinhaltung sanktioniert.
- Wir werden uns dafür einsetzen, dass die im Rahmen des Pariser Klimaabkommens
anstehenden regelmäßigen fünfjährlichen Überprüfungen („global stocktakes“) der
nationalen Klimaschutzbeiträge (NDCs) tatsächlich dazu führen, dass die Klimaziele
aller Staaten angemessen erhöht werden. Dafür muss sich der Überprüfungsprozess am
aktuellen Stand der Wissenschaft zur Begrenzung der Erderhitzung auf deutlich unter 2
Grad, möglichst 1,5 Grad und an Kriterien der globalen Klimagerechtigkeit orientieren.
Gleichzeitig werden wir die Unterstützung von Ländern für die Umsetzung und
Verbesserung von NDCs in Foren wie der NDC-Partnerschaft deutlich ausbauen.
- Die Industrieländer haben zugesagt, die Entwicklungsländer ab 2020 mit jährlich 100
Milliarden US-Dollar bei Klimaschutz und Anpassung an die Folgen der Klimakrise zu
unterstützen; der gerechte Anteil Deutschlands daran wären etwa 10 Milliarden Dollar.
Doch wir wissen bereits heute, dass diese Summen nicht reichen werden. Wir werden uns
daher dafür einsetzen, dass Deutschland in einem ersten Schritt jährlich 10 Milliarden
Euro aus öffentlichen Mitteln für internationale Klimafinanzierung bereitstellt, mit
denen dann auch weitere private Mittel mobilisiert werden können. Zusätzlich soll
Deutschland auch seine Zahlungen erhöhen, um die anderen nachhaltigen
Entwicklungsziele zu erreichen.
- Die ambitionierte Koalition der Finanzminister*innen für Klimaschutz soll bis Mitte
2020 ein ambitioniertes Programm für die Ausrichtung der globalen Finanzströme an den
Zielen des Pariser Klimaabkommens vorlegen. Das heißt zu Beispiel, dass
klimaschädliche Subventionen abgebaut und alle klimabedingten Geschäftsrisiken
konsequent offengelegt werden.
- Deutschland sollte die strategische Klima-Allianz mit den 48 von der Klimakrise
besonders betroffenen Entwicklungsländern, die sich zu 100 Prozent erneuerbaren
Energien und Netto-Nullemissionen verpflichtet haben, ausbauen, damit sie diese Ziele
sobald wie möglich erreichen.
- Internationale Allianzen der Regionen, wie zum Beispiel die „Under2Coalition“, werden
wir stärken und ausbauen, um auch in jenen Staaten den Klimaschutz voranzubringen, die
derzeit Schlusslicht in der internationalen Klimapolitik sind. Dadurch stärken wir
auch die Zusammenarbeit mit subnationalen Akteuren in allen Ländern und halten die Tür
für Länder wie die USA offen, wenn sie sich zur Rückkehr zum Pariser Abkommen
entscheiden.
- Wir setzen uns für ressortübergreifende strategische Partnerschaften mit den großen
Schwellenländern für klimafreundliche Investitionsoffensiven in Mobilität, Energie,
Digitalisierung, nachhaltige Stadtentwicklung und Schlüsselindustrien wie Stahl oder
Zement ein.
- Wir werden die Kriterien für die internationale Zusammenarbeit zugunsten
klimaneutraler Investitionen ändern und dafür sorgen, dass jede Art fossiler
Technologie nicht mehr über Exportkredite oder Bürgschaften abgesichert werden kann,
wenn sie nicht im Einklang mit den Zielen von Paris steht.
- Für das Jahr 2050 werden 100 bis 150 Millionen Menschen auf der Flucht prognostiziert
– allein aufgrund der Klimakrise, wenn sie ungebremst fortschreitet. Wir müssen unsere
humanitäre Hilfe massiv erhöhen, uns auf Katastrophen bedingt durch die Klimakrise
einrichten und uns intensiver mit dem Recht auf Klimaflucht auseinandersetzen. Wir
unterstützen Entwicklungsländer im Rahmen der Agenda 2030 dabei, der Klimakrise
entgegenzuwirken, damit die Menschen ihre Lebensgrundlagen nicht verlieren. Und wir
helfen ihnen dabei, nötige Umsiedlungen durch Klimakatastrophen bewältigen zu können.
[1] Laurent Fabius, Chefverhandler der Klimakonferenz in Paris und damaliger französischer
Außenminister
[2] Im weiteren Text verkürzt als CO2.
[3]https://www.scientists4future.org/stellungnahme/fakten/
[4]https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2016_2020/2019_09_Brie-
f_Klimakabinett.pdf?__blob=publicationFile&v=5
[5] Annahme: Bei einem Temperaturanstieg von maximal 1,75° C und einer Wahrscheinlichkeit
der Zielerreichung von 67 Prozent; mit einer Wahrscheinlichkeit von 40 Prozent sogar 1,5° C
Erderhitzung.
weitere Antragsteller*innen
Fehler:Du musst dich einloggen, um Änderungsanträge stellen zu können.
Von Zeile 608 bis 609 einfügen (W-01: Recht auf Wohnen):
Wohnungsunternehmen, daher muss es für sie attraktiver werden, an öffentliche Fördermittel zu gelangen.
Für die Soziale Wärmewende brauchen wir daher eine gerechte Kostenverteilung zwischen Vermieter*innen, Mieter*innen, sowie der öffentlichen Hand. Die von uns vorgesehene Absenkung der Modernisieurngsumlage ist ein wichtiger Schritt, um als Sofortmaßnahme die einseitige Kostenverteilung zulasten der Mieter*innen zu beenden. Darüber hinaus werden wir alternative Vorschläge, die Modernisierungsumlage durch ein anderes Instrument zu ersetzen, prüfen und ggfls. in einem zweiten Schritt umsetzen.
Wohnen ist eine soziale Frage. Mieten und Kaufpreise haben sich in den letzten Jahren stark
erhöht. Gestiegene Wohnkosten stellen Familien und Menschen bis weit in die Mitte unserer
Gesellschaft hinein vor große Probleme. Bezahlbare Wohnungen mitten in der Stadt, im
gewachsenen Wohnvierteln, in der Nachbarschaft guter Schulen und Kitas werden für Menschen
mit kleinen und mittleren Einkommen unerreichbar. Viele haben Angst davor, ihre Wohnung zu
verlieren oder müssen ihre angestammten Wohnviertel verlassen. Das schlägt einen Spalt in
unsere Gesellschaft. Der soziale Zusammenhalt geht verloren. Wachsende räumliche Barrieren,
zunehmend getrennte Wohnorte und Lebensbereiche von Alten und Jungen, Armen und Reichen,
Familien und Singles verstärken die Spaltung.
Die Mieten in deutschen Großstädten steigen seit Jahren rasant. Allein in Berlin stiegen die
Neuvertragsmieten binnen fünf Jahren um etwa 50 Prozent. In München sind Quadratmeterpreise
von über 20 Euro inzwischen keine Seltenheit mehr. Aber das Problem betrifft schon lange
nicht mehr nur die Metropolen. Auch in Städten wie Lübeck, Potsdam oder Reutlingen haben
immer mehr Menschen Probleme, eine Wohnung zu finden, die sie auch bezahlen können. Noch
extremer ist der Anstieg der Kaufpreise von Immobilien. In den sieben größten deutschen
Städten haben sie sich seit 2010 verdoppelt.
Jede fünfte Mieterin, jeder fünfte Mieter gilt inzwischen als überlastet. Für immer mehr
Unternehmen wird es zu einem Problem, dass ihre Mitarbeiter*innen in der Stadt keine Wohnung
mehr finden. Auch bei vielen kleinen Gewerbetreibenden oder beim jungen, innovativen Start-
Ups werden die Gewinne von steigenden Mieten aufgefressen. Diese Entwicklungen stellen eine
Gefahr für den Frieden und für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft dar und verschärfen
die soziale Spaltung.
Besonders betroffen von der Wohnungsnot sind Menschen mit geringerem Einkommen, Familien mit
Kindern, Alleinerziehende, Menschen mit Behinderung sowie Migrant*innen. Gerade sie werden
bei der Vergabe von Wohnungen diskriminiert. Oft entscheidet die Tatsache, ob jemand Mayer
oder Haddad heißt, alleinerziehend ist oder nicht darüber, ob die Person zu einer
Wohnungsbesichtigung eingeladen wird. Menschen werden aus ihren angestammten Wohnquartieren
vertrieben, wenn ihre Vermieter*innen die Mieten immer stärker erhöhen. Modernisierungen,
die wir für die Rettung des Klimas dringend brauchen, werden dafür missbraucht, Rendite zu
maximieren. Mieter*innen werden so aus ihren Wohnungen verdrängt und dann durch
besserverdienende Mieter*innen ersetzt. Es steigt auch die Zahl der Wohnungslosen. In einem
reichen Land wie unserem fehlt es inzwischen 650.000 Menschen am Allernötigsten: an der
eigenen Wohnung.
Der Wohnungsmarkt liegt wesentlich in kommunaler Verantwortung. Die Wohnungsbaupolitik ist
überwiegend Ländersache. Probleme sollen da gelöst werden, wo sie entstehen. Mit
Öffnungsklauseln im Miet- und Baurecht sowie im Wohnungswirtschaftsrecht für Länder und
Kommunen wollen wir berücksichtigen, dass sich die Lebensverhältnisse und die Wohnsituation
in Deutschland stark unterscheiden.
Es gibt aber auch ganz andere Problemlagen. In Deutschland gibt es zahlreiche Regionen mit
schrumpfender Bevölkerung, Wohnungsleerstand und Herausforderungen durch einen raschen
demographischen Wandel. Dieses Problem werden wir aber weniger mit wohnungspolitischen,
sondern vielmehr eher mit regionalen, strukturpolitischen Instrumenten lösen.
Die Ursachen für die Wohnungskrise sind vielfältig. Es gibt hunderttausende private
Vermieter*innen, die eine Mietwohnung oder ein Miethaus zur Altersvorsorge erworben haben,
und dabei häufig auf maximale Rendite verzichten. Und es gibt sehr gute und sozial
verantwortliche Wohnungsunternehmen in Deutschland, die mit ihrem Bestand stabilisierend auf
den Wohnungsmarkt wirken. Doch es fehlt schlicht an genügend Wohnraum. Der Wohnungsneubau
wurde in Deutschland seit vielen Jahren massiv vernachlässigt. Nach unterschiedlichen
Schätzungen liegt der Bedarf an Neubau in Deutschland bei 350.000 bis 400.000 Wohnungen pro
Jahr. Diese Zahl wäre mindestens nötig, damit sich die Situation zumindest nicht weiter
verschärft. Tatsächlich wurden im vergangenen Jahr aber nur 285.000 Wohnungen gebaut. Wenn
wir jetzt keine Bauoffensive starten, werden sich die Mietsteigerungen der letzten Jahre
auch in Zukunft fortsetzen und wird sich die Krise immer weiter zuspitzen.
„Bauen, Bauen, Bauen“ reicht jedoch allein nicht aus. Es kommt entscheidend darauf an, was,
wo, wie und für wen gebaut wird. Mit Luxus-Apartments ist weder der jungen Familie noch dem
alleinerziehenden Krankenpfleger geholfen.
Ursache des Fehlens von preisgünstigem Wohnraum ist der Rückzug der öffentlichen Hand aus
dem sozialen Wohnungsbau. Die Folgen spüren wir heute: Von damals 3,6 Millionen
Sozialwohnungen sind heute weniger als 1,2 Millionen übrig. Es sind diese Fehler der
Vergangenheit, die sich heute rächen. Eine Studie gibt den bundesweiten Bedarf an günstigen
Sozialmietwohnungen mit 1,6 Millionen an. Überteuerte Modernisierungen oder die Umwandlung
von Miet- in Eigentumswohnungen treiben die Entwicklung weiter an.
Verschärft wird die Situation durch Finanzspekulationen. Sie nutzen gezielt bestehende
Lücken in den Steuergesetzen, um Gewinne am Allgemeinwohl vorbei zu schleusen und
missbrauchen das Mietrecht zur Renditemaximierung. Der Wohnungsmarkt droht in einigen
Großstädten bereits zum Finanzmarkt zu werden. Doch Wohnen ist keine Ware, sondern ein
soziales Recht. Was gebaut wird, muss lebenswert und nachhaltig sein. Gutes Wohnen bedeutet
auch Ruhe und gesunde Luft – Wohnen soll nicht krank machen. Quartiere mit einem geballten
sozialen Wohnraum, wie in Großstädten seit den 1960er Jahren entstanden, sind nicht
nachhaltig. Andererseits wirkt so manches Quartier wie ausgestorben anstatt quirlig und
lebendig: leere Zweitwohnungen, kaum Menschen auf der Straße. Wir wollen stattdessen sozial
gemischte, grüne und ästhetisch ansprechende Quartiere erhalten und neu schaffen, in denen
auch altersgerechtes Leben und barrierefreien Wohnen möglich sind.
Auch der Klimawandel stellt uns in der Wohnfrage vor neue Herausforderungen. Besonders dicht
bebaute innerstädtische Quartiere heizen sich im Sommer besonders stark auf. Wir müssen
verhindern, dass sich unsere Innenstädte für kranke oder alte Menschen im Zuge der
fortschreitenden Erderhitzung zu Zonen entwickeln, in denen sie weder schlafen noch sich im
Freien aufhalten können. Deswegen werden grüne Lungen für unsere Städte immer wichtiger. Wir
wollen die Anzahl von Bäumen in Städten drastisch erhöhen, um Schatten und Sauerstoff in die
Stadt zu bringen sowie die Wasseraufnahme zu verbessern. Außerdem wollen wir die Dächer und
Fassaden nutzen, um Natur in die Stadt zu bringen.
Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist Wohnen ein Grundrecht. Wir wollen es als einen Bestandteil von
neuen sozialen Grundrechten in unser Grundgesetz aufnehmen.
Mit dem vorliegenden wohnungspolitischen Programm buchstabieren wir aus, mit welchen
Maßnahmen wir dieses Grundrecht auf Wohnen einlösen können.
1. Neuen Wohnraum schaffen – sozial und gemeinwohlorientiert
Beim sozialen Wohnungsbau stehen wir vor einer Herkulesaufgabe. Wir müssen die Fehler und
Versäumnisse der vergangenen 30 Jahre innerhalb eines Zeitraums von fünf bis zehn Jahren
korrigieren. Schon seit den 1990er Jahren haben sich viele Kommunen mehr und mehr aus dem
Wohnungsmarkt zurückgezogen. In Folge eines Skandals bei dem Gemeinnützigen
Wohnungsunternehmen „Neuen Heimat“ entschied sich die damalige schwarz-gelbe
Bundesregierung, die Wohngemeinnützigkeit in Deutschland insgesamt abzuschaffen, statt sie
zu reformieren. Anstatt Transparenz herzustellen und gegen Korruption entschlossen
vorzugehen zog sich die Politik weitgehend aus dem Wohnungsmarkt zurück und überließ ihn dem
freien Spiel des Marktes.
Die vom Bund in den vergangenen Jahren ergriffenen Maßnahmen reichen angesichts der
Herausforderung hinten und vorne nicht. Ein Beispiel ist der soziale Wohnungsbau: 2020 wird
der Bund seine Mittel um ein Drittel auf nur noch eine Milliarde Euro kürzen. Und das,
obwohl seit Jahren zwischen 40.000 und 60.000 Sozialwohnungen pro Jahr verloren gehen. Der
Bedarf liegt aber mindestens bei 80.000 zusätzlichen Sozialwohnungen jährlich.
Den geringen Ausgaben des Bundes für den Wohnungsbau stehen Aufwendungen für Kosten der
Unterkunft und Wohngeld in Höhe von 17 Milliarden Euro gegenüber. Anstatt Wohnraum zu
schaffen, alimentieren wir die teuren Mieten der privaten Eigentümer*innen für diejenigen,
die sich das Wohnen nicht mehr leisten können. So subventionieren wir mit Steuergeldern
letztlich die Gewinne von Vermieter*innen und Wohnungskonzernen. Neue Wohnungen entstehen so
nicht.
Wir wollen deswegen eine Kehrtwende in der deutschen Wohnungspolitik. Wir wollen neuen
Wohnraum schaffen – und zwar vor allem öffentlich und gemeinwohlorientiert.
Gemeinnützig Bauen und Wohnen
Die Mittel für den sozialen Wohnungsbau müssen wieder deutlich erhöht und verstetigt werden.
Dafür müssen bestehende kommunale Wohnungsgesellschaften gestärkt werden und es braucht eine
Gründungsoffensive für neue Gesellschaften. Dabei wollen wir die Kommunen dabei umfassend
unterstützen. Genauso stehen wir an der Seite der Zivilgesellschaft und unterstützen das
Aktionsbündnis „Wohnen ist Menschenrecht“.
Wir werden eine neue Wohngemeinnützigkeit einführen. Insgesamt wollen wir in den nächsten
zehn Jahren den Bestand an dauerhaft gebundenen Sozialwohnungen um mindestens eine Million
erhöhen. Dafür setzen wir auf Neubau, aber auch auf Zukauf von bestehenden Wohnungen.
Entsprechend braucht es ein öffentliches Investitionsprogramm des Bundes von zusätzlich drei
Milliarden Euro jährlich. Wir finanzieren das teilweise durch die Abschaffung von unsinnigen
Subventionen wie dem Baukindergeld.
Für die Wohngemeinnützigkeit soll das Prinzip „öffentliches Geld für öffentliche Güter“
gelten. Vermieter*innen, die sich dazu verpflichten, dauerhaft an Menschen mit geringerem
Einkommen und zu günstigen Mieten zu vermieten, erhalten eine öffentliche Förderung. Die
Wohngemeinnützigkeit steht allen Akteur*innen offen: der kommunalen Wohnungsgesellschaft,
der Genossenschaft, aber auch dem privaten Wohnungsunternehmen und der privaten
Kleinvermieter*in. Wir gewähren einen Investitionszuschuss von bis zu 20 Prozent der
Anschaffungs- und Herstellungskosten. Der Erwerb wird von der Grunderwerbsteuer befreit.
Außerdem werden die Gewinne von der Ertragsbesteuerung befreit. Im Gegenzug und zur
Finanzierung schaffen wir die Gewerbesteuerbefreiung für nicht gemeinnützige
Wohnungsgesellschaften ab. Wir konzentrieren die Förderung auf die angespannten
Wohnungsmärkte und beenden so die Gießkannenpolitik der Bundesregierung. Um den dauerhaften
Erhalt der Sozialwohnungen doppelt abzusichern, setzen wir zusätzlich auf öffentliches
Eigentum an Grund und Boden und setzen das Erbbaurecht ein.
Im sozialen Wohnungsbau früherer Jahre wurden viele Fehler gemacht. Aus diesen Fehlern
wollen wir lernen. Wir werden für ein ausgewogenes Verhältnis von Sozialwohnungen,
Genossenschaften, Wohnprojekten, privatem Mietwohnungsbau und selbstgenutztem Wohneigentum
Sorge tragen, um soziale Segregation zu verhindern. Unser Ziel sind vielfältige gemischte
Quartiere, wo Menschen mit geringem und Menschen mit hohem Einkommen Nachbar*innen sein
können. Bei neuen Baugenehmigungen sollen immer auch Vorgaben für eine verbindliche Quote an
Sozialwohnungen erfolgen, wie dies bereits in zahlreichen Städten üblich ist. Wir wollen
bezahlbaren Wohnraum auch für mehr Menschen zur Verfügung stellen, wir wollen die
Einkommensgrenzen für Sozialwohnungen erhöhen und eine neue Kategorie für Menschen schaffen,
deren Einkommen die Einkommensgrenzen um nicht mehr als 50 Prozent übersteigt. Bei diesen
Sozialwohnungen gelten dann entsprechend weniger strenge Kriterien bei der Miethöhe und es
wird eine Teilförderung gewährt.
Unser langfristiges Vorbild bei der Sozialwohnungspolitik ist die Stadt Wien mit ihrem
großen Anteil gemeinnütziger Wohnungen, die für jeden attraktiv sind. In einer Sozialwohnung
zu wohnen wird dort nicht gleichgesetzt mit Armut, weil die Mehrheit der Wienerinnen und
Wiener in Sozialwohnungen lebt. Menschen, deren Einkommen über die Einkommensgrenzen
hinauswächst, werden deswegen nicht zum Umzug gezwungen, aber für sie soll eine
einkommensabhängige Fehlbelegungsabgabe eingeführt werden, deren Einnahmen für den Bau neuer
Sozialwohnungen verwendet wird.
Wir werden für die Wohngemeinnützigkeit eine unabhängige Aufsicht schaffen, welche die
Einhaltung der Kriterien kontrolliert. Zu Unrecht bezogene Fördergelder werden
zurückgefordert und Verstöße auch mit Bußgeldern belegt. Gemeinnützige Wohnungsunternehmen
müssen vollständig transparent wirtschaften. Unser Leitbild ist nicht der große, zentral
verwaltete staatliche Wohnungskonzern, sondern dezentral verwaltete und selbstbestimmte
Wohnprojekte und überschaubare Wohnungsunternehmen. Deshalb werden wir eine
Mietermitbestimmung einführen, so dass die Menschen, die in den Wohnungen leben, ein
Mitspracherecht und Einfluss auf wichtige Entscheidungen erhalten.
Barrierefreies Wohnen in jedem Alter
Ab dem Jahr 2030 braucht jede* Dritte in Deutschland voraussichtlich eine altersgerechte
Wohnung. Doch es fehlen nicht nur Wohnungen ohne Barrieren, sondern es gibt auch zu wenig
preiswerte Wohnungen für Menschen mit Einschränkungen. Hier wollen wir ansetzen und das KfW-
Programm „Altersgerechter Umbau“ mit Mitteln aufstocken, um den großen Bedarf zu decken.
Darüber hinaus werden wir die Städtebauförderung um einen Teil für inklusive Quartiere und
Dörfer ergänzen.
Verdichten, aber nicht Erdrücken
Boden ist ein begrenztes Gut. Wir müssen Bauland schaffen und gleichzeitig den Flächenfraß
reduzieren. Was wie ein Widerspruch klingt, muss durch eine innovative Bauflächenoffensive
aufgelöst werden, die behutsam verdichtet und höher baut, dafür aber die Stadt konsequent
begrünt.
Besonders in unseren Städten erleben wir vielfältige Nutzungskonflikte. Was hat Vorrang?
Parkplatz oder Spielplatz? Wohnung oder Einkaufszentrum? Solche Fragen werden in Kommunen
täglich diskutiert und sind heißt umkämpft. Um mehr Wohnraum in Städten zu schaffen wollen
wir nachverdichten. Bestehende Gebäude sollen aufgestockt werden, um Flächen zu sparen.
Etwa, indem Wohnungen über dem Supermarkt entstehen oder indem Stockwerke hinzukommen, wo
dies sinnvoll ist. Wir erleichtern die behutsame Nachverdichtung durch Dachausbauten
finanziell. Die Möglichkeit zur Aufstockung von einstöckigen Gewerbeimmobilien mit Wohnungen
soll im Baurecht verankert werden. Statt einer Sonderabschreibung, welche die Preise weiter
in die Höhe treibt, wollen wir eine Investitionszulage im Rahmen einer „Grünen
Bauflächenoffensive“ schaffen. Wir fördern damit finanziell die Dachaufstockung mit
Wohnungen sowie das Aktivieren von Brachen – davon gibt es im Umland vielerorts noch viel.
In Deutschland stehen etwa zwei Millionen Wohnungen leer. Wir fördern die Wiederbelebung
leerstehender Häuser und Wohnungen finanziell mit der grünen Bauflächenoffensive. Vielerorts
lässt sich so Naturverlust und Flächenversiegelung an Ortsrändern und im Umland verhindern
und vorhandene Häuser und Grundstücke in den Ortskernen wieder beleben. Das schafft und
sichert Werte, statt Natur und das Klima zu zerstören und Ortskerne auszuhöhlen.
Die Bewohnerinnen und Bewohner müssen bei der Planung beteiligt werden. Mangelnde
Beteiligung führt zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten und Bauverzögerungen und oft
entstehen so wenig lebenswerte Quartiere. Deswegen stehen wir für moderne
Beteiligungsprozesse im Rahmen einer zu verwirklichenden Baukultur. Wir wollen
Beteiligungsprozesse organisieren, in denen Menschen frühzeitig mitentscheiden können, was
gebaut, aber nicht verhindern können, dass gebaut wird.
Viele bestehende Bebauungspläne sind veraltet und entsprechen nicht mehr den modernen
Anforderungen. Wir wollen die Kommunen dabei unterstützen, sie im Sinne einer vertikalen
Siedlungsentwicklung anzupassen, so dass höher gebaut werden kann und Natur in der Stadt und
Umland geschont und bereits versiegelte Flächen besser genutzt werden.
Bisher ungenutzte Brachen, die eine ökologische Funktion haben, sollten wir schon aus
Klimaschutzgründen nicht vollständig bebauen, sondern auch für neue grüne Lungen,
Erholungsgebiete und soziale Begegnungsräume nutzen. Ziel der Innenentwicklung ist auch,
neue öffentliche Räume zu erschließen und unsere Städte lebenswerter zu gestalten.
Soviel, wie neu gebaut wird, so viel an neuem Grün wollen wir schaffen – auch und vor allem
auf Dächern und Fassaden, die heute dafür weitgehend ungenutzt bleiben. So wollen wir das
Stadtgrün schützen und erweitern, nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes und als
Anpassungsmaßnahme an die Klimakrise, sondern auch, weil es für die Lebensqualität in den
Städten, gerade für Menschen ohne Zugang zu Gärten und Freiflächen, von hoher Bedeutung ist.
Wir setzen auf die Senkung der Flächeninanspruchnahme auf maximal 30 Hektar pro Tag.
Spätestens ab 2030 wollen wir erreichen, dass für jede neue Versiegelung von Fläche eine
gleich große, nicht mehr benötigte Siedlungsfläche renaturiert wird.
Im ländlichen Raum stellt sich das Problem oft umgekehrt dar. Es gibt Leerstand und Dörfer
mit Einwohnerschwund. Gut ausgebaute ÖPNV-Verbindungen sind nicht nur eine klimafreundliche
Verkehrsalternative, sondern auch ein Mittel gegen Wohnungsnot, wenn so der ländliche Raum
mit attraktiven Reisezeiten an die Ballungszentren angeschlossen und angebunden wird.
Der Baulandspekulation den Boden entziehen
Der stärkste Kostentreiber beim Wohnen sind Grundstücks- und Baulandpreise. Die Preise für
Bauland sind seit 2010 um über 60 Prozent gestiegen, in den Großstädten noch deutlich
stärker. Mit 870 Prozent Bodenwertsteigerung in weniger als zehn Jahren musste Berlin den
größten Anstieg weltweit verkraften. Grund und Boden ist zum Spekulationsobjekt geworden und
die explodierenden Bodenpreise schlagen auf die Immobilienpreise und Mieten durch. Wenn
davon gesprochen wird, dass günstiges Bauen kaum mehr möglich ist, liegt dies zuvorderst an
den inzwischen für sehr viele Menschen unbezahlbaren Grundstückspreisen. Aber Boden ist ein
Allgemeingut, unvermehrbar, unentbehrlich und sozial gebunden.
In Deutschland hat die öffentliche Hand viele ihrer Grundstücke verkauft. Die Bundesanstalt
für Immobilienaufgaben (BImA) hat ihre Grundstücke lange Zeit meistbietend versteigert und
wurde damit selbst zu einem Treiber der Spekulation. Eine Bodenvorratspolitik, die Vorsorge
für die Zukunft betreibt, haben deutsche Städte und Gemeinden fast nirgends gemacht. Daraus
resultiert, dass die wertvollen Baugrundstücke in unseren Städten heute größtenteils in
privater Hand sind und die Kommunen horrende Preise zahlen müssten, um sie zurück zu kaufen.
Wir wollen Kommunen dabei unterstützen, wieder eine aktive Bodenpolitik zu betreiben und
verstärkt Grund und Boden für öffentliche Aufgaben wie gemeinnützigen Wohnungsbau zu
erwerben. Der Bund muss das durch eine langfristige gemeinwohlorientierte Bodenpolitik
unterstützen.
Die noch vorhandenen bundeseigenen Bestände sollen nicht mehr an private Investoren
veräußert, sondern verbilligt an Kommunen mit einer dauerhaften Sozialbindung abgegeben
werden. An private Investor*innen sollte hingegen nur noch Erbbaurechte vergeben werden,
damit die Flächen nach Ablauf einer Frist an die öffentliche Hand zurückfallen. Heute laufen
Sozialbindungen nach 15 bis 30 Jahren aus. Über die Vergabe im Erbbaurecht können wir
vertraglich sicherstellen, dass künftig Sozialwohnungen dauerhaft erhalten bleiben. Wir
werden die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) zu einem Gemeinnützigen
Bundesbodenfonds weiter entwickeln. Der Bundesbodenfonds soll für gemeinwohlorientiere und
öffentliche Akteure des Wohnungsbaus Grundstücke ankaufen und diesen Akteuren Grundstücke
übertragen bzw. verpachten.
Viele Investor*innen sind im Besitz von Bauland, spekulieren aber lieber auf steigende
Bodenpreise als zu bauen. Das kommunale Bau- und Planungsrecht sieht heute schon eine
Baupflicht (Baugebot) vor. Wird nicht gebaut, kann in letzter Konsequenz eine Enteignung
gegen Entschädigung stehen. Das Bundesverfassungsgericht sieht gerade bei Grund und Boden
eine besondere und weitgehend soziale Verpflichtung des Eigentums. Wer der Aufforderung zu
bauen nicht nachkommt, kann zum Verkauf gezwungen beziehungsweise gegen Entschädigung
enteignet werden. Wir unterstützen die Kommunen, die von dieser Möglichkeit bei besonders
angespannten Wohnungsmärkten Gebrauch machen. Bei solchen Lagen sollen Kommunen das Baugebot
nicht nur für einzelne Grundstücke, sondern für bestimmte Gebiete aussprechen können. Falls
dem Baugebot nicht entsprochen wird und die öffentliche Hand daraufhin als ultima ratio
enteignet, sollte die Entschädigung einem realistischen Ertragswert entsprechen. Länder
sollen in die Lage versetzt werden, durch eine erhöhte Grundsteuer für unbebaute Grundstücke
einen Anreiz zum Bauen zu schaffen. Ebenso sollen alle Länder über ihre Bauordnungen die
Gültigkeit von Baugenehmigungen zeitlich befristen können, um die Spekulation mit Baurechten
zu unterbinden.
Es gibt weitere Möglichkeiten, die Rechte von Mieterinnen und Mietern zu stärken.
Vorbildcharakter hat für uns die betriebliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer*innen. Durch
sie ist sichergestellt, dass nicht nur die Eigentümer*innen eines Unternehmens, sondern auch
die dort beschäftigen Arbeitnehmer*innen einen Einfluss auf die Entscheidungen haben, die
sie direkt betreffen. Wir wollen dieses Prinzip vom Arbeitsverhältnis auf das Mietverhältnis
übertragen. Unser Ziel ist, der Gemeinschaft der Mieter*innen Mitbestimmungsrechte zu
einzuräumen, etwa wenn es um Umbauten oder Modernisierungen geht. Wir wollen so eine echte
Mietermitbestimmung entwickeln, um die Gemeinwohlorientierung des Eigentums auch auf dem
Wohnungsmarkt durchzusetzen. Diese Mietermitbestimmung soll – analog zur
Arbeitnehmermitbestimmung – für Wohnungsgesellschaften ab einer bestimmten Größe gelten.
Die Preise für Grund und Boden steigen nicht, weil die Eigentümer*innen die Qualität des
Bodens verbessern, sondern wegen der Lage, also einer Umgebung mit öffentlicher
Infrastruktur, attraktiven Arbeitsplätzen, Kultureinrichtungen oder Universitäten. Aufgrund
dieser Faktoren werden bestimmte Gegenden beliebter und stärker nachgefragt. Die Ernte
dieser Leistungen anderer sollte nicht über eine Bodenrente privatisiert werden. Für die
Eigentümer*in stellen sie einen leistungslosen Vermögenszuwachs dar. Im Planungsrecht gibt
es bereits Instrumente, solche windfall profits, also Wertsteigerung von privatem Grund und
Boden, durch einen kommunalen Bebauungsplan zu berücksichtigen.Wir wollen es für Kommunen
ermöglichen, planungsbedingte Wertsteigerungen teilweise abzuschöpfen und für kommunale
Infrastrukturen, soziales Wohnen und Umwelt einzusetzen.
Mit dem Vorkaufsrecht solidarisches Eigentum begründen
Das im Baurecht verankerte Vorkaufsrecht der Kommunen für Wohnungen und Bauland stellt für
uns ein wichtiges Instrument dar, um das Ziel von mehr öffentlichem und solidarischem
Eigentum zu verwirklichen. Es wird aber viel zu selten genutzt. Daher braucht es eine aktive
Ankaufstrategie. Akteure wie zum Beispiel Genossenschaften oder Stiftungen, die
gemeinwohlorientiert agieren, können die kommunale öffentliche Strategie ergänzen. Das
kommunale Vorkaufsrecht soll auf alle Gebiete der Stadt ausgeweitet werden. Die
Ausübungsfrist von zwei Monaten soll auch bei Share Deals und Zwangsversteigerungen gelten.
Um die kommunalen Bauämter zu unterstützen, wollen wir beim Bund (BBSR) eine
Rechtberatungsstelle einrichten und diese darin unterstützen, mit Online-Katastern eine
Übersicht über brachliegende und verfallende Grundstücke zu schaffen. Oft haben Kommunen
oder Genossenschaften Schwierigkeiten, den Ankauf zu finanzieren. Deswegen wollen wir
Allianzen zur Ausübung des Vorkaufsrechts unterstützen. Beispielsweise könnte die
Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) ein Teileigentum des Bundes begründen, sich so
am Kauf beteiligen und damit der Kommune den Ankauf ermöglichen. Genossenschaften und andere
gemeinwohlorientierte Erwerber*innen könnten eine Förderung durch günstige Kredite oder
Zuschüsse der öffentlichen Hand erhalten, um die Finanzierung zu ermöglichen.
Nachhaltig und digital bauen – und damit Kosten sparen
Mit einer Innovationsoffensive für die besten Klima-Investitionen in Gebäude und Wohnungen
unterstützen wir selbstnutzende Eigentümerinnen, Vermieter sowie Mieter*innen. Wir helfen
ihnen, zu tragbaren Kosten Zukunft zu gestalten und Klimaschutzmaßnahmen gemäß der Ziele von
Paris umzusetzen. Dafür stellen wir im Aktionsplan „Faire Wärme“ sieben Milliarden Euro im
Jahr für Planung, Investitionen und bezahlbaren Wohnraum und für ressourcenschonendes Bauen,
zum Beispiel durch modularen Holzbau, bereit. Hemmnisse im Baurecht für serielles und
modulares Bauen wollen wir in der Musterbauordnung reduzieren und so Kostensenkungen
ermöglichen. Wir schaffen ein Gebäuderessourcengesetz, das die ganzheitliche
Lebenszyklusbetrachtung für ein Gebäude in den Blick nimmt.
Damit die erheblichen Investitionen für Neubau sowie klima- und altersgerechten Umbau
überhaupt geleistet werden können, wollen wir die Innovationskraft und Produktivität im
Bauwesen stärken. In Ländern wie China, Dubai und den Niederlanden wird bereits mit dem
Einsatz von 3D-Druckern beim Bau experimentiert. Wir wollen die Forschung auf diesem Gebiet
unterstützen und Pilotprojekte auch in Deutschland fördern.
Der nachwachsende Baustoff Holz bietet gleich mehrfach Potenzial für eine höhere
Produktivität durch digitale Unterstützung: Er speichert CO2 und schützt damit das Klima.
Ganze Gebäudeteile lassen sich im Werk mit digitaler Technik vorfertigen und auf der
Baustelle rasch und damit kostengünstig aufbauen. Holz ist leichter als Stahl und Beton und
damit statisch für Dachausbauten gut geeignet. Building Information Models (BIM), also
digitale Abbilder der Neubauten, haben das Potenzial, das Bauen zu erleichtern: Die
Schnittstellen zwischen den einzelnen Baugewerken werden sicht- und damit definierbar, das
macht heute Abstimmungen und Kosten transparenter und erleichtert später Modernisierung und
Instandsetzung sowie Recycling. Mit einem Marktanreizprogramm für das Bauen mit
nachwachsenden Baustoffen regen wir den verstärkten Einsatz von Holz aus nachhaltigen
Quellen als Baustoff an. Die Kapazität nachwachsender Baustoffe als CO2-Speicher wollen wir
im Gebäudeenergiegesetz honorieren und als Beitrag zum klimaneutralen Gebäudebestand auch
anrechnen.
Die Möglichkeiten der Digitalisierung müssen für ressourcenschonende Infrastrukturen und
lebenswerte Städte genutzt und im Sinne der Bürger*innen und des Gemeinwohls eingesetzt
werden. Der Schutz vor Risiken, etwa bei der Datensicherheit und kritischen Infrastrukturen,
muss dabei immer berücksichtigt werden. Dies ist eine primäre öffentliche Aufgabe. Schon
heute geben Städte und Gemeinden wertvolle IT-Infrastrukturen aus der Hand. Städte und
Gemeinden müssen durch ein Bundesprogramm mehr Mittel an die Hand bekommen, um ihre
Verwaltung, das Management der Energiekreisläufe sowie die Infrastrukturen digital zu
ertüchtigen.
Wohnraum nutzen – Leerstand und Fehlnutzung verhindern
Nicht immer fehlt Wohnraum: Manchmal ist er vorhanden, wird aber nicht oder falsch genutzt.
Wir wollen gegen Fehlnutzungen und spekulativen Leerstand von Wohnraum vorgehen. In
beliebten Großstädten verschwindet Wohnraum auch dadurch, dass er als Ferienwohnung genutzt
und so für dauerhafte Bewohner*innen unzugänglich wird. Nicht selten findet man in den
beliebten Lagen von Städten wie Berlin und Hamburg viele Inserate bei Airbnb und Co., aber
kaum Mietwohnungsangebote mehr. Wir unterstützen die Kommunen dabei, gegen Zweckentfremdung
und Fehlnutzungen vorzugehen und diese zu verbieten. Die Verfolgung muss verbessert und die
Bußgelder müssen erhöht werden. Die EU-Kommission steht in der Pflicht, die Länder und
Kommunen bei der Schaffung von verbindlichen Auskunftspflichten von Online-Plattformen zu
unterstützen.
Seit 1987 ist die durchschnittliche Wohnfläche pro Einwohner*in um über ein Drittel
gestiegen. Der Grund dafür ist oft, dass immer mehr Menschen in Wohnungen leben, die für sie
zu groß geworden sind. Paare etwa, die nicht in eine kleinere Wohnung ziehen, wenn die
Kinder aus dem Haus sind, oder Menschen, die nach einer Trennung oder dem Versterben der
Partner*in in ihrer Wohnung verbleiben. Ein Umzug kommt für sie oft aus Kostengründen nicht
in Betracht, weil sie dann einen älteren und sehr günstigen Mietvertrag verlieren würden.
Und eine neue Wohnung wäre nicht nur kleiner, sondern voraussichtlich auch noch teurer.
Oftmals ist das auch der Grund, weshalb Menschen ihre Wohnung nicht aufgeben, wenn sie eine
andere, weiter entfernte Arbeit antreten. Die weiten Arbeitswege verschärfen wiederrum
zusätzlich die Verkehrsprobleme in unseren Städten. Diese Probleme wollen wir angehen, indem
wir den Mieter*innen ein Recht geben, ihre bestehenden Mietverträge untereinander zu
tauschen. So können alleinstehende ältere Menschen ihre als zu groß empfundene Wohnung mit
der jungen Familie tauschen, die dringend mehr Platz benötigt. Und das ohne steigende
Kosten, weil sie einfach in den Mietvertrag der Anderen als neue Mietpartei einsteigen.
Bisher wird dies nur innerhalb von Wohnungsgesellschaften und auf freiwilliger Basis
praktiziert. Wir werden dafür einen allgemeinen Rechtsanspruch einführen. Er soll zunächst
nur für Wohnungsgesellschaften gelten, private Kleinvermieter*innen bleiben davon
ausgenommen. Außerdem werden wir der Vermieter*in ein Recht einräumen, aus guten Gründen der
Übertragung des Mietvertrags zu widersprechen, etwa wenn die neuen Mieter*innen nicht über
das Einkommen verfügen, um die Miete zahlen zu können. Zusätzlich wollen wir den Umzug in
solchen Fällen finanziell fördern.Kommunen und Baubranche für mehr Wohnungsneubau stärken
Das in den Bereichen Bau und Planung tätige Personal in den Kommunen ist seit 1991 um 35
Prozent zurückgegangen. In den mit Baufragen befassten Stellen arbeitete 2010 bereits ein
gutes Drittel der Beschäftigten weniger, bis 2015 waren es noch einmal zehn Prozent weniger
Beschäftigte als zuvor. Und heute sind es diese wenigen Beschäftigten, die den aufgelaufenen
kommunalen Investitionsstau bei maroden Schulen und Brücken lösen und zusätzlich
Wohnungsneubau und Klimaschutz organisieren sollen.
Ganz ähnlich sieht es in der privaten Bauwirtschaft aus: Trotz Einstellungen in den
vergangenen Jahren arbeiten heute in der Bauwirtschaft fast 800.000 Menschen weniger als
noch Mitte der 1990er Jahre. Wenn wir beim Bauen wieder aufholen wollen, muss sich das
schnell ändern.
Denn in dieser schwierigen Situation brauchen wir die Kommunen bei der Planung und beim Bau
mehr als je zuvor. Die Steuerung der Bautätigkeit, des Klimaschutzes in Stadtvierteln und in
Gebäuden sehen wir als kommunale Aufgabe. Daher wollen wir den Kommunen das Planen und
Steuern erleichtern durch planbare, verlässliche Investitionshilfen, finanzielle Entlastung
der Kommunen sowie leichtere Planungsinstrumente im Baurecht für dringende Belange:
Vorkaufsrechte, Klimamodernisierung oder Neubauplanung im Ortskern. Wir stärken die Kommunen
und sorgen für planbare und verlässliche Investitionshilfen, und zwar mit dem „Aktionsplan
Faire Wärme“, der Bauflächenoffensive, einem Bundesprogramm für grüne Infrastrukturen und
der Neuen Wohngemeinnützigkeit. So können Kommunen wieder eigenes Planungspersonal
einstellen, ihre Wohnungsämter und Grünflächenämter stärken und bei Bedarf
Wohnungsunternehmen gründen, und zwar mit demokratisch legitimierter Planung in kommunaler
Hand, nicht durch Finanzinvestoren. Überschuldete Kommunen wollen wir durch Altschuldenhilfe
und Entlastung bei den Sozialkosten wieder auf die Füße helfen.
Wir wollen es Kommunen ermöglichen, mit machbarem Aufwand Bauland für öffentliche und
private Investitionen zu aktivieren, und gleichzeitig grüne Freiräume, Mobilität, Schulen
und Sozialwohnungen einzuplanen. Dazu geben wir ihnen da, wo Wohnraummangel und Belange der
Stadtentwicklung es erfordern, die Möglichkeit, ein „Innenentwicklungsgebiet“ festzulegen.
Darin können sie Baulücken, Brachflächen und andere Flächen zügig einer baulichen Nutzung
oder Freiraumnutzung zuführen, auch auf Flächen, die nach dem Grundsatz des „Einfügens in
die Umgebung“ (§34 Baugesetzbuch) bebaut werden können. Damit erleichtern wir kommunale
Vorkaufsrechte erheblich. So können die Kommunen zum Beispiel im Umland der Ballungszentren
und Metropolen Baupotenziale in den Ortskernen erschließen, bevor sie Bauland auf der grünen
Wiese entwickeln. Die Erschließung durch Stadtbahnen und Radschnellwege ist genauso wie die
durch Pflegedienste, Jugendzentren und Kitas einfacher in kompakteren Orten.
Früher waren öffentliche Bauinvestitionen häufig von der Kassenlage abhängig. Fehlte es an
Steuereinnahmen, wurde auch nicht mehr gebaut. Damit war es für die private Bauwirtschaft
nie sicher, ob die aktuelle Auftragslage auch in Zukunft Bestand haben würde. In dieser
Situation erhöhen Unternehmen eher die Preise, als dass sie ihre Kapazitäten ausweiten.
Durch die Erhöhung und Verstetigung der Mittel für den öffentlichen Wohnungsbau und für
Klimaschutz in Gebäuden wollen wir das ändern und geben dem Baugewerbe das Signal, dass es
sich lohnt zu investieren und neue Beschäftigte einzustellen. Die Bauwirtschaft verzeichnet
kaum Produktivitätszuwachse. Sie ist im Branchenvergleich bei der Produktivitätsentwicklung
immer noch unter den Schlusslichtern zu finden. Firmen finden angesichts des Baubooms kaum
noch Mitarbeiter*innen und Fachkräfte. Wir werden alles tun, um die Bauwirtschaft dabei zu
unterstützen, Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben. Dafür braucht es ein modernes
Einwanderungsrecht, das die bestehenden Regelungen liberalisiert, systematisiert und
vereinfacht. Für Asylsuchende und Geduldete, die sich bereits in Deutschland befinden,
wollen wir einen Zugang in Ausbildung, Studium und Erwerbstätigkeit schaffen.
2. Faire Mieten: Mieter*innenrechte verbessern
Wir wissen, dass vielerorts heute bereits so viele Wohnungen fehlen, dass man mittels Neubau
nicht zu schnellen Erfolgen kommen kann. Im Gegenteil wird es viele Jahre dauern, bis wir in
den Großstädten wirklich ausreichenden Wohnraum geschaffen haben. Daher braucht es für
Kommunen über die bestehenden bundesgesetzlichen Regelungen hinaus eine Möglichkeit, Mieten
zu begrenzen. Eine spürbare Begrenzung des Mietsanstiegs ist gleichzeitig das wirksamste
Instrument, um die Ertragswerte von Immobilien zu begrenzen und dämpfend auf die
Preisentwicklung einzuwirken.
Die große Koalition hat im Jahr 2015 die sogenannte Mietpreisbremse eingeführt. Gebremst hat
sie allerdings kaum. Zu viele Ausnahmen durchlöchern ihre Wirksamkeit. Mit der Durchsetzung
werden die Mieter*innen allein gelassen. Es liegt an ihnen, gegen ihre neue Vermieter*in zu
klagen. Viele tun das nicht. Die Mietpreisbremse muss endlich angezogen und unnötige
Ausnahmen abgeschafft werden. Sie muss als ein dauerhaftes Instrument im Mietrecht erhalten
bleiben, und nicht wie von der Bundesregierung geplant bereits 2025 wieder auslaufen. Es
sind die Länder, die darüber entscheiden, in welchen Gebieten die Mietpreisbremse überhaupt
gilt. Die Beschränkung, dass sie dies nur für maximal fünf Jahre dürfen, muss fallen. Die
Mietpreisbremse erlaubt heute, bis zu zehn Prozent über die ortsübliche Vergleichsmiete
hinauszugehen. Wir werden diesen Wert auf fünf Prozent senken. Verstöße gegen die
Mietpreisbremse werden wir zu einer Ordnungswidrigkeit machen und mit einer empfindlichen
Geldbuße belegen. Um den Mietanstieg auch bei bestehenden Mietverträgen stärker
einzuschränken, werden wir den Mietanstieg auf maximal drei Prozent pro Jahr bis zur
Obergrenze ortsüblicher Vergleichsmieten beschränken.
Miethöhen orientieren sich in vielen Fällen an der ortsüblichen Vergleichsmiete, die in
Mietspiegeln ermittelt wird. Diese ortsübliche Vergleichsmiete steigt aber vielerorts rasch
an. Der Mietspiegel setzt sich derzeit aus den neuen Mietverträgen der letzten vier Jahre
zusammen. Dies führt dazu, dass bei starken Mietsteigerungen auch die bestehenden
Mietverträge zeitlich verzögert betroffen sind. Wir werden deshalb die Mietverträge der
letzten zehn Jahre für die Berechnung des Mietspiegels berücksichtigen. In einigen Kommunen
gibt es überhaupt keinen qualifizierten Mietspiegel. Aber nur damit können Mieter*innen die
Höhe der ortsüblichen Miete und damit ihre Rechte überhaupt verlässlich bestimmen. Wir
werden die Kommunen finanziell unterstützen, um dies künftig in allen mittleren und großen
Städten Deutschlands abzusichern. Außerdem wollen wir Städte mit angespanntem Wohnungsmarkt
zur Anwendung eines qualifizierten Mietspiegels verpflichten, damit Konzerne künftig nicht
mehr klagen können. Die Heranziehung von Vergleichswohnungen zur Begründung der Mieterhöhung
darf nur dann erfolgen, wenn die Vergleichswohnungen nicht allein aus dem Bestand nur eine*r
Eigentümer*in stammen.
Der Plan der Berliner Landesregierung, einen Mietendeckel einzuführen, gibt der Stadt ein
weiteres Instrument zur preislichen Regulierung des überhitzten Wohnungsmarktes an die Hand.
Weil mit dem Mietendeckel juristisches Neuland betreten wird, ist es richtig, dass
Umsetzbarkeit, Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit sorgsam geprüft werden.
Über die Kündigung bestehender Mietverträge und die Wiedervermietung an wohlhabendere
Mieter*innen findet ein großer Teil der Mietsteigerungen statt. Menschen werden aus ihren
Nachbarschaften verdrängt. Stadtteile werden sozial immer homogener und die Gesellschaft
treibt auseinander. Kündigungen führen in extremen, aber leider immer häufigeren Fällen auch
zu Wohnungs- oder gar Obdachlosigkeit – selbst bei Familien mit Kindern. Unser Ziel ist es,
beim Kündigungsschutz wieder ein Gleichgewicht zwischen Mieter*innen und Vermieter*innen
herzustellen. Gerät ein*e Mieter*in in Zahlungsverzug und erhält deswegen die Kündigung,
soll er oder sie die Möglichkeit haben, die Kündigung durch Nachzahlung abzuwenden.
Mieter*innen sollen keine Angst haben müssen, ihre Wohnung zu verlieren, nur weil sie
berechtigt von ihrem Mietminderungsrecht bei Mängeln in der Wohnung Gebrauch gemacht haben.
Menschenrecht auf Wohnen durchsetzen
Wir wollen ein nationales Aktionsprogramm zur Vermeidung und Bewältigung von Wohnungs- und
Obdachlosigkeit auf den Weg bringen und uns entsprechend der globalen Nachhaltigkeitsziele
vornehmen, dass es bis 2030 keine Obdachlosigkeit mehr in Deutschland gibt. Außerdem braucht
es eine gezielte Förderung des „Housing First“-Ansatzes, bei dem Obdachlose in eine Wohnung
einziehen können, ohne sich zuvor für Hilfe „qualifizieren“ zu müssen. Darüber hinaus müssen
Bürger*innen, unabhängig von ihrem Sozialleistungsbezug, Zugang zu Notunterkünften erhalten.
So soll das Menschenrecht auf Wohnen dauerhaft sichergestellt werden.
Eigenbedarfskündigungen sollen deutlicher als heute auf die tatsächliche Nutzung durch die
Eigentümer*in und die nahen Verwandten beschränkt werden, um Missbrauch zu unterbinden. Die
voranschreitende Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen wollen wir so nicht
hinnehmen. Die Kommunen können heute schon in sogenannten Milieuschutzgebieten die
Umwandlung von Wohnungen in Eigentumswohnungen untersagen. Bedingungen und Befristungen
werden wir weitgehend abschaffen, so dass eine Kommune mit angespanntem Wohnungsmarkt eine
Umwandlung ausnahmslos und stadtweit untersagen kann, wenn sie es für geboten hält. Wir
setzen verstärkt auf das städtebauliche Instrument des Milieuschutzes, um die soziale
Zusammensetzung der Bevölkerung in Gebieten mit hohem Verdrängungsdruck zu erhalten.
Oft scheitert Mietrecht in der Umsetzung. Mieter*innen werden alleine gelassen und müssen
ihre Rechte gegen große Wohnungskonzerne einklagen, die allerdings Heerscharen von Anwälten
beschäftigen, um ihre Interessen durchzusetzen. Um ein Kräftegleichgewicht zwischen großen
Wohnungsunternehmen und Mieter*innen herzustellen, sind mehr kollektive Klagemöglichkeiten
unerlässlich. Hierfür wollen wir Gruppenklagen einführen. Außerdem streben wir an, die
Einhaltung der zulässigen Miethöhen auch öffentlich zu kontrollieren und damit auch Verstöße
aufzudecken, gegen die Mieter*innen nicht klagen. Dazu wollen wir das Wirtschaftsstrafrecht
gegen überhöhte Mieten wieder wirksam machen. Solche Verstöße werden wir wirksam
sanktionieren.
Viele Menschen werden auf dem Wohnungsmarkt aus rassistischen oder anderen Gründen
diskriminiert. Oft werden Menschen allein wegen ihres Namens, ihrer Sprache oder ihres
bisherigen Wohnorts nicht zu Wohnungsbesichtigungen eingeladen oder haben als potentielle
Mieter*innen keine Chance. Wir wollen diese Diskriminierung beenden. Dafür muss das
Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) reformiert und der Merkmalskatalog erweitert
werden. Denn der soziale Status oder auch die Sprache sind Diskriminierungsmerkmale, die auf
dem Wohnungsmarkt eine besonders wichtige Rolle spielen. Außerdem setzen wir uns für die
Einführung des Verbandsklagerechts ein, damit Verbände für Betroffene klagen können. Und wir
wollen, dass Fachstellen zur Beratung, Begleitung und Unterstützung von Menschen, die von
Diskriminierung betroffen sind, gestärkt und ausgebaut werden. Damit wollen wir den
Diskriminierungsschutz auf dem Wohnungsmarkt wirkungsvoller gestalten.
Gewerbemietrecht und Grundsteuer reformieren
Für lebenswerte Städte ist auch ein vielfältiges Angebot an kleinen Läden,
Handwerksbetrieben und Angeboten für Familien im direkten Wohnumfeld entscheidend. Gerade
kleine Gewerbetreibende in den begehrten Lagen können sich die steigenden Mieten vielfach
nicht mehr leisten. Damit wird die Knappheit auch für den Wirtschaftsstandort zu einer
ernsten Bedrohung für Vielfalt. Deshalb muss auch das Gewerbemietrecht reformiert werden.
Auch für Gewerbetreibende braucht es eine Begrenzung von Mieterhöhungen, eine
Mietpreisbremse bei Neuvermietung und einen wirksamen Kündigungsschutz. Die Wirtschaft
braucht Planungssicherheit: Die Praxis, Mietverträge auf kurze Zeiträume von zum Beispiel
einem Jahr zu befristen, muss beendet werden.
Die Reform der Grundsteuer ist überfällig, da sie auf veralteten Werten beruht, die
inzwischen verfassungswidrig sind. Die große Koalition hat die Reform immer wieder
verschleppt und gefährdet so 14 Milliarden Euro, auf welche die Kommunen dringend angewiesen
sind, um neue Sozialwohnungen zu bauen. Wir wollen sicherstellen, dass durch die Reform
nicht die Mieter*innen belastet werden. Deshalb werden wir die Umlagefähigkeit der
Grundsteuer auf die Mieter*innen abschaffen. Für bestehende Vereinbarungen, die dem
entgegenstehen, werden wir eine angemessene Übergangsfrist gewähren. Außerdem müssen Städte
und Gemeinden die Möglichkeit haben, mit der Grundsteuer zu steuern und
Stadtentwicklungspolitik zu betreiben. Dafür sollen sie für unterschiedliche Stadtgebiete
auch unterschiedlich hohe Steuersätze festlegen dürfen.
3. Spekulation, Geldwäsche und Steuerumgehung beenden
Die Explosion der Immobilienpreise zeigt, dass Wohnungen und Grundstücke zum
Spekulationsobjekt auf den Finanzmärkten geworden sind. Nicht nur die Mieter*innen leiden
unter dieser Entwicklung. Mehr und mehr Expert*innen warnen vor einer Immobilienpreisblase
in Deutschland, deren Platzen verheerende Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft hätte.
Wir wollen zu einem Wohnungsmarkt zurückkehren, der nicht vom Spekulationsinteresse
getrieben wird.
Durch die Steuerumgehung mittels sogenannter Share Deals gelingt es großen
Wohnungsgesellschaften, Immobilien zu kaufen, ohne dafür Grunderwerbsteuer zu zahlen. Immer
größere Wohnungsbestände sind in die Hand von börsennotierten Konzernen, internationalen
Gesellschaften und Private Equity Fonds geraten. Auch die deutsche Körperschaftsteuer wird
so umgangen. Wir werden die Praxis der steuerfreien Share Deals beenden, indem wir schon bei
einem Verkauf der Mehrheit einer Gesellschaft zumindest anteilig Grunderwerbsteuer erheben.
Außerdem wollen wir für die Länder die Möglichkeit schaffen, die Grunderwerbsteuer
progressiv auszugestalten. Wenn Wohnungskonzerne große Immobilienbestände aufkaufen, soll
eine höhere Grunderwerbsteuer fällig werden, als wenn Privatpersonen eine Wohnung kaufen, um
selbst darin zu wohnen. So wird die Grunderwerbsteuer zu einer Antispekulationssteuer.
Der deutsche Wohnungsmarkt gilt in Europa als Paradies für Geldwäsche. Mit Geldern aus
kriminellen Geschäften wie Bestechung, Waffenhandel oder Steuerhinterziehung werden deutsche
Immobilien aufgekauft, denn die Gefahr, entdeckt zu werden, ist in Deutschland gering. Der
deutsche Wohnungsmarkt ist bei russischen Oligarchen und der italienischen Mafia ebenso
populär wie bei griechischen, deutschen oder amerikanischen Steuerhinterzieher*innen.
Deutschland gilt für sie als sicherer Hafen. Das von der großen Koalition eingeführte
Transparenzregister hat daran wenig geändert. Noch immer ist es in vielen Fällen nicht klar,
wem eine Immobilie letztlich gehört. Die wahren Eigentümer*innen verstecken sich oftmals
hinter verschachtelten Beteiligungsstrukturen. Transparenz darf deshalb in Zukunft nicht nur
drauf stehen, sondern muss auch drin sein. Für jede Immobilie in Deutschland müssen
wirtschaftlich Berechtigte und die letztlich dahinterstehenden natürlichen Personen benannt
werden – ohne jede Ausnahme. Das Transparenzregister selbst soll öffentlich zugänglich
werden, um seinem Namen auch endlich gerecht zu werden. Mindestens Journalist*innen,
Nichtregierungsorganisationen und den Bewohner*innen der Immobilien selbst muss ein
berechtigtes Interesse daran eingeräumt werden, so dass sie einfach und jederzeit Zugang zu
den Namen haben. Bei Gesellschaften als Eigentümer*in einer Immobilie muss auch im Grundbuch
über eine Identifikationsnummer ersichtlich sein, wer sich konkret dahinter verbirgt.
Gesellschaften, die nicht im Transparenzregister eingetragen sind, werden wir den Kauf von
Immobilien künftig nicht mehr gestatten.
Die Geldwäsche mit deutschen Immobilien wird zur Zeit auch dadurch stark vereinfacht, dass
der Immobilienkauf in Deutschland auch mit Bargeld stattfinden darf. In anderen europäischen
Ländern ist dies meist schon aufgrund von Obergrenzen für die Zahlung mit Bargeld nicht
möglich. Eine solche Obergrenze werden wir beim Kauf von Immobilien ebenfalls einführen.
Makler*innen und Notar*innen werden dazu verpflichtet, die Herkunft der Gelder zu
überprüfen. Bei Verdacht auf Geldwäsche muss immer eine Meldung an die Behörden erfolgen und
in Fällen, bei denen die Herkunft der Gelder nicht identifiziert werden kann, darf der
Kaufvertrag nicht mehr notariell beglaubigt werden. Wir setzen hierbei auch auf
Fortbildungen für Makler*innen und Notar*innen und auf die Zusammenarbeit mit den Kammern
und Berufsverbänden. Außerdem sollen künftig bei jedem Immobilienkauf die Finanzbehörden
informiert werden, auch wenn die Käufer*innen nicht in Deutschland steuerpflichtig sind. In
diesem Fall sollen Meldungen an die zuständigen Finanzbehörden des Landes erfolgen, in dem
die Käufer*in und der wirtschaftlich Berechtigte steuerpflichtig sind. So helfen wir auch
anderen Staaten bei der Verfolgung von Steuerhinterzieher*innen und anderen Kriminellen.
Alle Maßnahmen gegen Geldwäsche helfen aber wenig, wenn die Behörden nicht dazu in der Lage
sind, sie auch durchzusetzen. Wir werden die Ausstattung im Bereich Kontrolle erheblich
verbessern und das Personal deutlich aufstocken.
Auch steuerliche Sonderbehandlungen machen Immobilien als Investitionsobjekt interessant und
treiben damit Preise und Mieten in die Höhe. Diese steuerlichen Vorteile wollen wir abbauen
beziehungsweise nur noch gemeinnützigen Eigentümer*innen gewähren. Für Veräußerungsgewinne
von nicht selbstgenutztem Wohneigentum wollen wir die Spekulationsfrist verlängern und auch
bei der Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften sicherstellen, dass
Wertsteigerungen der Immobilien besteuert werden.
4. Wohnen wird klimaneutral
Klimafreundliche Modernisierung
Wir wollen Fehlentwicklungen bei der energetischen Gebäudesanierung beenden. Energetische
Modernisierung soll klaren Kriterien folgen: mehr Klimaschutz, so warmmietenneutral wie
möglich, ohne Verdrängung sowie in Übereinstimmung mit den Mieterinnen und Mietern. Zusammen
mit einem Energiesparrecht und einer Förderung, die die Modernisierungen auf den nötigen
Klimaschutzpfad bringen, wollen wir so energiesparende Gebäude zu geringstmöglichen Kosten
schaffen und die Klimaschutzziele im Gebäudebereich erreichen. Zentral wird dabei sein, auch
die Wärme erneuerbar zu machen. Ideale Systeme dafür sind die Nah- und Fernwärmenetze, die
sich aus verschiedenen erneuerbaren Energiequellen speisen. Dort, wo die Besiedlungsstruktur
es hergibt, müssen wir weg von der Einzelhausbetrachtung hin zu einer Quartiersbetrachtung.
Durch diese Strategie hat es zum Beispiel Dänemark geschafft, den Anteil der Erneuerbaren im
Wärmebereich auf 65 Prozent zu bringen und sie zielen auf 80 Prozent bis 2030. In
Deutschland beträgt der Anteil 14 Prozent – meist aus Biogas-Anlagen.
Kosten für Luxusmodernisierungen, wie beispielsweise einen neuen Balkon oder schicke
Waschbecken, dürfen nicht weiter gegen den Mieterwillen auf die Miete umgelegt werden, denn
sie führen regelmäßig zu Preissteigerungen. Freiwillige Vereinbarungen zwischen
Vermieter*innen und Mieter*innen sind davon unbenommen. Um jedoch den CO2-Ausstoß wie auch
die Energiekosten zu senken, ermöglichen wir eine, auch angesichts niedriger
Finanzierungskosten angemessene Umlage. Statt heute acht Prozent der Kosten sollen höchstens
vier Prozent im Jahr auf die Miete umgelegt werden dürfen, jedoch nicht mehr als 1,50 Euro
pro Quadratmeter und Monat in acht Jahren. Die Berechnung der Umlage soll dabei die Höhe der
maximal verfügbaren öffentlichen Fördermittel berücksichtigen, um einen Anreiz für die
Vermieter*innen zu schaffen, sie auch in Anspruch zu nehmen. Mieter*innen sollen einen
Gutschein für einen kostenlosen Klima-Check erhalten, um zu ermitteln, wo sie Energie und
Kosten einsparen und das Klima schützen können. Eine Beschwerdestelle für Mieter*innen soll
künftig im Streitfall klären, ob die Modernisierungsmaßnahmen tatsächlich wie angekündigt
Energie und Kosten einsparen und im Einklang mit Energiesparrecht und Sanierungsfahrplan
sind. Selbstnutzende Eigentümer*innen wollen wir mit einem Steuerbonus bei der energetischen
Sanierung ihrer Wohnungen und Häuser unterstützen. Diese Gruppe modernisiert weniger als
Wohnungsunternehmen, daher muss es für sie attraktiver werden, an öffentliche Fördermittel
zu gelangen.
Für die Soziale Wärmewende brauchen wir daher eine gerechte Kostenverteilung zwischen Vermieter*innen, Mieter*innen, sowie der öffentlichen Hand. Die von uns vorgesehene Absenkung der Modernisieurngsumlage ist ein wichtiger Schritt, um als Sofortmaßnahme die einseitige Kostenverteilung zulasten der Mieter*innen zu beenden. Darüber hinaus werden wir alternative Vorschläge, die Modernisierungsumlage durch ein anderes Instrument zu ersetzen, prüfen und ggfls. in einem zweiten Schritt umsetzen.
Wir wollen einen dynamisch angelegten, wirksamen CO2-Preis für den Wärmesektor einführen,
der sich planbar an den Kosten des CO2-Ausstoßes des Energieträgers orientiert. Zudem wollen
wir, dass der CO2-Preisbestandteil auf Wärmebrennstoffe als Investitionsanreiz für die
Vermieter*innen wirkt, den energetischen Zustand ihrer Gebäude zu verbessern.
Unternehmen und Privatpersonen brauchen Planungssicherheit für ihre
Investitionsentscheidungen. Deshalb wollen wir erstens mit einem Energiespargesetz einen
klaren Pfad vorgeben, wie viel Energie in welchen Bereichen bis wann eingespart werden muss.
Im Gebäudebereich wollen wir zweitens das schwer zu durchblickende Regelungsdickicht durch
ein einfaches und transparentes Energiesparrecht ersetzen. Anstatt jedes Bauteil einzeln zu
bewerten, wollen wir die CO2-Emissionen und den realen Wärmebedarf eines Gebäudes zur
maßgeblichen Steuerungsgröße machen.
Den genauen Fahrplan für die Modernisierung älterer Gebäude erstellen sachverständige
Energieberater*innen im Einklang mit der baukulturellen Gestaltung. Eigentümer*innen können
den Fahrplan auf Antrag kostenlos erstellen lassen. Für die einzelnen Stationen im Klima-
Fahrplan des Gebäudes gibt es öffentliche Fördermittel. Bei Neubau muss das Passivhaus zum
verpflichtenden Standard werden, denn die beste Energie ist diejenige, die man gar nicht
erst verbraucht. Für Denkmäler gelten Ausnahmen. Wird die Heizung neu eingebaut oder
getauscht, müssen künftig Anteile erneuerbare Wärmeenergie wie Wärmepumpen, Solarwärme oder
CO2-arme Nahwärme aus einem anliegenden Netz eingesetzt werden. Öffentliche Förderung gibt
es nur ab einem solchen Klimapfad.
Die Potenziale für solare, CO2-freie Wärme werden heute völlig unzureichend genutzt. 2017
wurden nur knapp acht Terawattstunden Solarwärme genutzt. Für eine vollständig erneuerbare
Wärmeversorgung ist mindestens das Zehnfache erforderlich. Doch bisher behindern staatliche
Subventionen in dreistelliger Millionenhöhe für fossile Heizungen sowie fehlende gesetzliche
Vorgaben für erneuerbare Wärme im Gebäudebestand den zügigen Ausbau der Solarthermie. Der
Einbau von Öl- und Gasheizungen wird noch immer in Millionenhöhe vom Bund gefördert. Diese
klimaschädliche Form des Heizens muss ein Ende haben. Ölheizungen dürfen künftig nicht mehr
eingebaut werden. Zusätzlich wollen wir ein Förderprogramm für den Tausch von Öl- und
Gasheizungen gegen moderne Heizungen mit Sonnenwärme, Wärmepumpe oder Holz auflegen. Ebenso
soll der Einsatz von erneuerbarer Wärme ab sofort verpflichtend werden, wenn eine fossile
Heizung sowieso ausgetauscht wird.
Energetische Quartierssanierung
Wir denken energetische Gebäudesanierung nicht länger nur von Haus zu Haus, sondern in
Zusammenhängen von städtischen Quartieren, Gewerbegebieten, Dörfern oder Siedlungen. Dadurch
stärken wir gemeinschaftliche Versorgungslösungen, die energieeffizienter und günstiger sind
als eine Vielzahl von Einzellösungen.
Nahwärmenetze ermöglichen es, örtlich erzeugte Wärme aufzunehmen, mit Speichern zu
verknüpfen und effizient zu verteilen – insbesondere in dicht bebauten Quartieren. Deshalb
wollen wir sie CO2- und energiesparend ausbauen und stärker fördern, wenn sie zur lokalen
Klimastrategie passen. Wir wollen Wärmenetze dazu für die Einspeisung erneuerbarer Wärme
öffnen, etwa von großflächigen Solarthermieanlagen, hocheffizienten Groß-Wärmepumpen und
Power-to-Heat aus temporären Stromüberschüssen. Das Einspeisen besonders effizienter
Wärmeenergie aus Kraft-Wärme-Kopplung oder bisher ungenutzter Wärmequellen wie Abwärme oder
Abwasserwärme aus der Industrie, Rechenzentren oder Kläranlagen wollen wir fördern. Wir
werden eine Solarpflicht für Photovoltaik auf Neubauten einführen. Für die energetische
Quartierssanierung legen wir ein finanzstarkes Förderprogramm auf, um in Gebieten, in denen
viele Gebäude sanierungsreif sind, die Sanierung zu erhöhen und warmmietenneutrale
Sanierungen für Mieterinnen und Mieter mit kleinem Einkommen zu ermöglichen.
Mit dem Quartiersprogramm „Gutes Klima im Quartier“ wollen wir der Verdrängung von Menschen
mit geringem Einkommen entgegenwirken und den Zusammenhalt in den Stadtvierteln erhalten.
Aber auch Kommunen sollen darüber unterstützt werden, damit sie gezielt verbindliche
Klimafahrpläne mit passender Wärmeplanung auflegen und zugleich soziale Fördervereinbarungen
mit den Eigentümer*innen für die Modernisierung der Einzelgebäude treffen können.
Mieter*innen und selbstnutzende Eigentümer*innen mit kleinen Einkommen sollen bei Bedarf
einen Sozialplan mit Modernisierung ohne Erhöhung der Warmmieten bzw. für tragbare
Investitionskosten bekommen können. Hierfür gibt es einen Förderbonus zusätzlich zur
heutigen KfW-Förderung.
Ökologisch bauen und wohnen
Die Klimakrise erfordert, dass wir das Leben in unseren Städten neu denken. Von Hitzewellen
sind die Bewohner*innen von Städten besonders betroffen, da Städte heißer werden als das
Umland und, je nach Bebauung, einen zusätzlichen Hitzeinseleffekt haben. Während einer
Hitzewelle kann es hier noch einmal bis zu acht Grad heißer sein als im Umland. In Berlin
könnte so bald ein Klima wie heute im australischen Canberra herrschen.
Deshalb müssen wir beim Städtebau dringend für Kühlung sorgen. Statt Asphaltwüsten und
Hitzeinseln braucht es grüne Oasen in unseren Städten. Wasserflächen, Bäume, Parks, grüne
Dächer und Fassaden wirken wie natürliche Klimaanlagen. In Grünflächen und -dächern kann
Starkregen-Wasser versickern und gespeichert werden. Das kühlt und entlastet die
Kanalisation immens.
Für das Bauen werden in Deutschland jährlich 250 Millionen Tonnen Sand und Kies sowie 230
Millionen Tonnen Naturstein abgebaut. Das geht mit der Zerstörung von Landschaften und
Lebensräumen einher. Gleichzeitig landen 200 Millionen Tonnen größtenteils
wiederverwertbarer Bauabfälle auf Deponien. Um das Recyceln dieser Baustoffe zu fördern,
wollen wir, dass die Länder auf Primärrohstoffe, entsprechend der Ausbeutung von Öl und Gas,
eine Abgabe nehmen können.
Für die Herstellung der Baustoffe selbst wird ein Vielfaches der Energie verbraucht, die das
entstehende Gebäude später pro Jahr benötigt. Deshalb wollen wir bei der Klassifizierung von
Bau- und Dämmstoffen die Umweltauswirkungen und den Energieeinsatz bei der Herstellung
berücksichtigen, die sogenannte graue Energie. Künftig muss der Bund in seinen Gesetzen und
Förderprogrammen statt Styropor und Co. fossilfreie und CO2-speichernde Materialien aus
nachwachsenden Stoffen wie Holz belohnen.
Damit auf den Dächern von Wohn- und Mietshäusern Solaranlagen entstehen und durch Haushalte
oder E-Mobilität genutzt werden können, müssen auch Solaranlagen aus dem Quartier als
Mieterstrom gefördert werden können, ohne Mengenbegrenzungen. Das neue Mieterstromgesetz ist
dafür jedoch ungeeignet – viel zu bürokratisch und unattraktiv. Deshalb wollen wir die
Anmeldung von Mieterstromanlagen und bestehende Beschränkungen vereinfachen. Und schließlich
ist es unser Ziel, dass bei allen bundeseigenen Gebäuden ab einer Nutzfläche von 500
Quadratmetern möglichst Solarthermie und Photovoltaik genutzt werden.
5. Solidarisches Eigentum sichern und erweitern
Deutschland ist Mieter*innenland. Die Wohnungsmärkte – vor allem in unseren großen Städten –
waren lange geprägt von öffentlichen Wohnungsgesellschaften, großen Beständen an
Sozialwohnungen und sozialen Eigentümern wie Genossenschaften. Dieses Modell hat
sichergestellt, dass Mieter*innen vor drastischen Mieterhöhungen geschützt waren und man in
Deutschland keine Immobilie besitzen musste, um auch in Zukunft bezahlbar wohnen zu können.
Ein funktionierender Wohnungsmarkt braucht neben einem hohen Bestand an öffentlichem und
gemeinwohlorientiertem Eigentum aber auch privates, selbstgenutztes Wohneigentum. Wir wollen
die Länder ermächtigen, die Grunderwerbssteuer für große Wohnungsunternehmen wirksam zu
erhöhen, und im Gegenzug die Grunderwerbssteuer für private Besitzer*innen progressiv zu
gestalten, sofern diese den Wohnraum selbst nutzen. Wo andere auf finanzmarktgetriebene
Wohnungsmärkte oder auf riesige staatliche Wohnungskonzerne setzen, ist das grüne Leitbild
das gemeinschaftliche und solidarische Eigentum.
Wir wollen Menschen auch und gerade beim Wohnen sowie der Gestaltung ihres Wohnumfelds ein
selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Daher werden wir gemeinwohlorientierte Akteur*innen wie
kommunale Wohnungsunternehmen und Genossenschaften ebenso unterstützen wie den
gemeinschaftlichen Erwerb von Immobilien durch die Mieter*innen. Es sind diese Akteur*innen,
die Vorfahrt auf dem Wohnungsmarkt bekommen sollen. Die Erfahrungen zeigen nicht nur, dass
selbstverwaltete Projekte funktionieren und auch langfristig tragen – wie zum Beispiel das
„Mietshäusersyndikat“ eindrücklich zeigt. Das gemeinsame Agieren für den Stadtteil und die
Gemeinschaft schafft echten Mehrwert sowie ein sozialeres und lebendigeres Umfeld: dauerhaft
bezahlbaren Raum zum Wohnen, vielfältige gemeinschaftlich betriebene Gebäude und nicht
kommerzielle, öffentliche Räume für Stadtteilaktivitäten und Kultur sowie die Erfahrung,
wirklich etwas bewegen zu können.
Wo Anonymität und Vereinsamung zum Problem werden, können gemeinschaftliche Formen des
Wohnens dazu beitragen, dass wieder aktive Nachbarschaften entstehen, in denen Menschen
generationenübergreifend füreinander Verantwortung übernehmen und sich gegenseitig helfen.
Deswegen werden wir Arten von gemeinschaftlichem Wohneigentum der direkten Bewohner*innen
öffentlich fördern und dafür den nötigen Grund und Boden bereitstellen. Sie sollen
beispielsweise Vorrang bei Konzeptvergaben erhalten. Und der Immobilienerwerb sollte nicht
an der Finanzierung scheitern. Weil große Konzerne jederzeit Zugang zu günstigen Krediten
haben, wollen wir ein Gegengewicht schaffen. Dafür werden wir verschiedene
Finanzierungsformen wie günstige Kredite von öffentlichen Banken, Garantien und Bürgschaften
prüfen. Außerdem soll das Vorkaufsrecht auf soziale Akteure wie Genossenschaften oder auch
gemeinnützige GmbHs ausgeweitet werden und diese Akteure auch bei der Ausübung des
Vorkaufsrechts unterstützt werden. Hier kommen für uns Mischformen aus öffentlichem und
privatem Eigentum in Betracht. So könnten beispielsweise kommunale oder landeseigene
Wohnungsgesellschaften oder auch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) ein
Teileigentum erwerben. Das verhindert den weiteren Ausverkauf an börsennotierte und
renditeorientierte Kapitalgesellschaften und schafft solidarische Eigentumsformen.
Weiterhin werden wir Mietkauf für selbstgenutztes Wohneigentum fördern. So kann der
Zinsvorteil des Staates an junge Familien weitergegeben werden, denen es ermöglicht wird,
Wohneigentum zu erwerben. Um sicher zu stellen, dass günstig gebaut und verkauft wird,
sollte eine öffentliche Ausschreibung für den Bau der Wohnungen erfolgen und sie sollten auf
öffentlichem Bauland in Erbpacht gebaut werden.
Mehr Menschen sollen sich Wohneigentum leisten können. Wir wollen die Grunderwerbssteuer für
große Wohnungsunternehmen wirksam machen und erhöhen, im Gegenzug gleichzeitig den Ländern
ermöglichen, die Grunderwerbssteuer für private Besitzer*innen progressiv zu gestalten,
sofern diese den Wohnraum selbst nutzen. Auch die Kosten für die Makler*innen treiben die
Preise in die Höhe. Zum Teil werden mehr als sieben Prozent des Kaufpreises verlangt, was
weit über dem in anderen Ländern üblichen Werten liegt. Daher werden wir das
Bestellerprinzip einführen: Künftig zahlt derjenige die Courtage, der auch die Maklerin
bestellt. In aller Regel ist dies die Verkäufer*in einer Immobilie. Zusätzlich werden wir
die Höhe der Gebühr gesetzlich für die Käufer*in auf maximal zwei Prozent deckeln.
Das Baukindergeld der großen Koalition werden wir abschaffen, weil es einen Mitnahmeeffekt
hat und wir die Mittel effizienter verwenden können. Außerdem werden wir Baugenossenschaften
fördern und die Menschen dabei unterstützen, genossenschaftliches Teileigentum an Wohnungen
zu erwerben. Dafür werden wir zinslose Darlehen und Zuschüsse zur Eigenkapitaleinlage
gewähren. Damit wird auch Menschen geholfen, die sich den vollständigen Kauf einer Immobilie
nicht leisten können.
Schon 1967 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Nutzung von Grund und
Boden nicht dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen
vollständig überlassen werden kann. Demnach sind gerade bei Grund und Boden die Interessen
des Allgemeinwohls höher zu werten als bei anderem Vermögen. Die in Artikel 14 des
Grundgesetzes geregelte Sozialpflichtigkeit des Eigentums ist aber mehr und mehr
verlorengegangen. Wir wollen sie wieder herstellen. Die Möglichkeit zur Vergesellschaftung
gegen Entschädigung ist in unserer Verfassung ausdrücklich vorgesehen. Wir würden uns
wünschen, dass die Umstände die Kommunen nicht zwingen, dieses letzte Mittel anzuwenden, um
das Sozialstaatsgebot zu erfüllen. Wenn Wohnungsunternehmen sich jedoch weigern, ihrer
sozialen Verantwortung nachzukommen, kann die öffentliche Hand diesen Schritt gehen.
Enteignungen im Einzelfall sind nicht nur im Grundgesetz vorgesehen, sondern erfolgen auch
regelmäßig, etwa wenn eine neue Autobahn gebaut werden soll. Der richtige Umgang mit
Enteignungen ist pragmatisch, nicht ideologisch. Wir wollen Enteignungen nur als letztes
Mittel anwenden, wenn es zu einem groben Missbrauch des Eigentumsrechts kommt. Etwa wenn mit
Bauland spekuliert, wertvoller Wohnraum bewusst nicht vermietet (spekulativer Leerstand),
trotz eines ausgesprochenen Baugebots weder gebaut noch verkauft wird oder wenn große
Wohnungsgesellschaften dauerhaft ihren Pflichten nicht nachkommen. Ob eine Enteignung
ökonomisch Sinn macht und das richtige Mittel ist, muss jeweils kommunal entschieden werden
und wird wesentlich von den erwarteten Kosten für die Steuerzahler*innen abhängen.
Antragstext
Von Zeile 506 bis 509:
- Erhöhung der Warmmieten. Mit der sozialen Wohnraumförderung und bei kommunalen Wohnungsunternehmen ermöglichen wir das ebenfalls in den Ländern und Kommunen.
Im Mietrecht senken wir die Modernisierungsumlage, d.h. die Mieterhöhung nach Modernisierung, deutlich ab und kappen sie bei höchstens 1,50 Euro je Quadratmeter.Auch die kürzlich beschlossene Reduktion der Modernisierungsumlage auf 8 Prozent ist nach wie vor unangemessen hoch und heizt das Herausmodernisieren weiter an, wir sind deshalb für die Abschaffung der Modernisierungsumlage. Die Verantwortung, die Klimakatastrophe auch im Wohnungsbereich zu verhindern, ist von allen in der Gesellschaft zu tragen und nicht nur von den Mieter*innen.
„Wenn wir jetzt versagen, werden unsere Kinder uns nicht verzeihen.“[1]
Mit diesen Worten verpflichtete sich die Weltgemeinschaft 2015 in Paris, die Erhitzung des
Planeten bis zum Ende des Jahrhunderts auf „deutlich unter 2 Grad, möglichst 1,5 Grad“ zu
halten und perspektivisch nur noch so viel Treibhausgase auszustoßen, wie das natürliche
Ökosystem aufnehmen kann. Die Industriestaaten sollten voranschreiten und bis Mitte des
Jahrhunderts klimaneutral werden.
Doch das Gegenteil ist passiert. Zu Recht demonstrieren weltweit Millionen Menschen auf der
Straße für den Schutz der Erde. Denn der Ausstoß von Treibhausgasen[2] ist weltweit
ungebrochen. Mehr als 36 Milliarden Tonnen CO2 emittiert unsere noch immer auf fossilen
Energien wie Kohle, Öl und Gas basierende Weltwirtschaft jedes Jahr. Das heizt die
Atmosphäre immer weiter auf. Die Klimakrise spitzt sich dramatisch zu. Die vergangenen vier
Jahre waren weltweit die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Bereits jetzt ist
die globale Durchschnittstemperatur im Vergleich zum vorindustriellen Niveau um etwa 1
Grad[3] angestiegen. Die Eisschilde schmelzen immer schneller und der Anstieg des
Meeresspiegels verdoppelt sich. Werden die für das Weltklimasystem sensiblen Kipppunkte
erreicht, steuert die Erde auf eine Erhitzung von vier und mehr Grad zu. Irreversible
Kipppunkte, wie das Abtauen der Permafrostböden, sind zum Teil schon jetzt erreicht – über
70 Jahre früher als wissenschaftlich angenommen. Landstriche werden überflutet, trocknen aus
und werden unbewohnbar. Am stärksten von der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen
betroffen sind die Ärmsten der Armen. Im Globalen Süden sind viele Menschen aufgrund von
Dürren oder Meeresspiegelanstiegen bereits jetzt gezwungen, ihre Heimat zu verlassen.
Auch in Deutschland ist die Klimakrise angekommen. Auf den Feldern, in den Wäldern. Mehr als
180.000 Hektar Waldfläche, was 250.000 Fußballfeldern entspricht, sind bereits durch die
Klimaveränderung zerstört. Doch statt vier Jahre nach dem Pariser Abkommen endlich zu
reagieren, verabschiedete die Bundesregierung nun ein Klimapaket, was das 1,5-Grad-Limit
endgültig beerdigt und selbst für einen 2-Grad-Pfad viel zu wenig ist. Damit wird
Deutschland seiner internationalen Klimaverantwortung nicht gerecht. Denn gemäß dem
Sachverständigenrat für Umweltfragen[4] ergibt sich aus dem jüngsten Sonderbericht des UN-
Weltklimarats IPCC für uns bei gleichmäßiger Aufteilung auf die Weltbevölkerung ein
verbleibendes nationales Kohlenstoffbudget von 6.600 Millionen Tonnen CO2 ab 2020[5]. Bei
fortdauernden Emissionen auf heutigem Niveau wäre das Budget in weniger als neun Jahren
verbraucht, bei einer linearen Reduktion rund um 2035. Ein längerer Zeitverlauf zur
Treibhausgasneutralität bis 2050, wie auf europäischer Ebene angestrebt, erfordert
überproportionale Reduktionserfolge in den nächsten Jahren.
Daran wird deutlich: Die Uhr tickt und wir müssen schnell und zügig umsteuern. Je rascher
wir die Emissionen senken, desto länger reicht unser CO2-Budget, um den Übergang in die
klimaneutrale Gesellschaft gemeinsam gestalten zu können. Jedes weitere Jahr hingegen, in
dem nichts getan wird, verschärft die Krise, da sich CO2 in der Luft ansammelt und der
Erhitzung der Atmosphäre weiter Vorschub leistet. Wir brauchen eine Radikalität, die sich in
entschlossenem Handeln ausdrückt, und eine Fokussierung der Debatte auf die nächsten fünf
Jahre statt auf Langfristziele.
Jetzt wird über den EU-Haushalt für die kommenden Jahre entschieden. Jetzt wird entschieden,
ob wir die europäische Landwirtschaftspolitik neu justieren. Es geht jetzt darum, den Ausbau
des Schienenverkehrs voranzubringen. Jetzt müssen wir entscheiden, ob öffentliche Mittel für
Infrastruktur auch für Öl- und Gaspipelines ausgegeben werden. Es gilt jetzt zu entscheiden,
wie wir aus Handelsabkommen mit gravierenden Auswirkungen auf das Klima rauskommen. Die EU
muss als eine Hauptverursacherin der Klimakrise ambitioniert vorangehen – jetzt! Europa hat
die historische Verantwortung vorzumachen, wie das Wirtschaften in planetaren Grenzen
demokratisch erreicht werden kann.
Der Aufbruch ins klimaneutrale Zeitalter lohnt sich
Ohne Zweifel sind die Herausforderungen enorm. Wir sehen aber auch nie dagewesene Chancen
für eine neue Lebensqualität und nachhaltigen Wohlstand. Klimaschutz macht unsere Städte
grüner, leiser, sauberer und sicherer. Er hilft, die Artenvielfalt zu bewahren. Er macht uns
unabhängig von russischem Gas und saudischem Öl. Klimaschutz eröffnet unseren Unternehmen
neue Geschäftsfelder. Er schafft neue Arbeitsplätze und sichert bestehende.
Ja, Klimaschutz kostet viel Geld. Aber es ist volkswirtschaftlich völlig klar, dass uns kein
Klimaschutz deutlich mehr kosten wird: Der Stern-Report machte bereits 2006 deutlich, dass
die jährlichen Kosten für Maßnahmen zur Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration bei
etwa einem Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts liegen. Die jährlichen Kosten einer
ungebremsten Klimaerhitzung hingegen werden dem Verlust von mindestens fünf Prozent des
globalen Bruttoinlandsprodukts entsprechen. Wenn man eine breitere Palette von Risiken und
Einflüssen berücksichtigt, könnten die Schäden sogar auf 20 Prozent oder mehr ansteigen.
Zudem wird Klimaschutz enorme neue Werte schaffen: Wirtschaftsstudien sehen ein
Geschäftspotenzial von etwa elf Billionen Euro durch neue, digital-basierte klimafreundliche
Geschäftsmodelle im Jahr 2030. Die sozial-ökologischen Innovationen in allen Sektoren können
Europa zu deutlich mehr Wohlstand verhelfen.
Wir müssen im Hier und Heute eine erhebliche Transformation einleiten. Und wir werden das
nur gemeinsam als Gesellschaft schaffen. Die dafür notwendigen tiefgreifenden Änderungen
werden nicht für alle einfach. Arbeitsplätze werden wegfallen, neue werden entstehen.
Menschen werden neu lernen und sich verändern müssen. Deshalb ist eine aktive politische
Gestaltung dieser Veränderung ebenso wichtig wie ihre kluge soziale Absicherung und Balance.
Klimaschutz erfordert eine aktive Arbeitsmarkt- und Weiterbildungspolitik, eine sozial faire
Rückerstattung der CO2-Bepreisung, eine kluge Regional- und Strukturpolitik. Und schließlich
gilt: Die notwendigen Veränderungen werden nur demokratisch gelingen, also wenn wir es
schaffen, gemeinsam die notwendigen Veränderungen und Handlungskonsequenzen anzugehen, neue
Wege auszuhandeln und so die Menschen mit auf den Weg nehmen.
Am 20. September 2019 haben wir zwei Parallelwelten erlebt: Auf der einen Seite standen
weltweit mehrere Millionen Menschen, die für Klimaschutz auf die Straße gegangen sind. Auf
der anderen Seite sahen wir eine völlig ermüdete Koalition, die nicht in der Lage war, mehr
als Trippelschritte zu liefern.
Für uns bedeutet das: Jetzt erst recht! Die Gesellschaft ist viel weiter als die deutsche
Bundesregierung. Wir starten einen neuen Anlauf in der Klimapolitik: Wir machen ein Angebot
an all jene, die vorangehen wollen, von Fridays for Future über Gewerkschaften, progressive
Unternehmer*innen bis hin zu Klimakommunen, Kulturschaffenden und allen, die sich noch
anschließen wollen. Gemeinsam, im Bündnis mit ihnen wollen wir die Wende in der Klimapolitik
schaffen und die Chancen des Klimaschutzes für mehr Gerechtigkeit und Zusammenhalt nutzen.
Ziel dieses Antrags und unserer Politik ist es, einen radikal realistischen und
sektorenübergreifenden Maßnahmenplan vorzulegen Die entscheidende Messlatte ist dabei für
uns das nationale Klimabudget, also die Menge an Emissionen, die noch ausgestoßen werden
dürfen, um den deutschen Anteil am Pariser Abkommen einzuhalten; wissentlich, dass auch
Budgets nur modellhaft gerechnet sind und dass weder technologische noch gesellschaftliche
Entwicklungen linear verlaufen. Durch soziale und technologische Innovationen, die wir heute
noch gar nicht kennen können, werden unsere momentanen Annahmen selbstverständlich in den
kommenden Jahren angepasst werden müssen. Aber wir widersprechen allen, die daraus ableiten,
eigentlich müssen wir doch in der Gegenwart gar nichts tun, denn irgendwann kommt die
Wundertechnik, die alle unsere Probleme löst. Es ist genau umgekehrt: Positive Innovationen
und Eigeninitiative als Katalysatoren der Veränderung müssen durch Abschied vom alten
überhaupt erst ermöglicht sowie gefördert und angereizt werden. Wir müssen jetzt schnell
loslaufen, damit wir eine Chance haben, auf dem Weg zu lernen.
1. Ein Klimaschutzgesetz für einen verbindlichen planungs- und ordnungsrechtlichen Rahmen
Nur mit klar festgelegten Zielen und Zwischenzielen, verknüpft mit einem verbindlichen
Monitoring der Maßnahmen und Ergebnisse sowie verankerten Korrekturmechanismen bei
Zielverfehlung können wir wieder auf den erforderlichen Zielpfad von Paris beim Klimaschutz
kommen. Durch ein Klimaschutzgesetz müssen endlich Verbindlichkeiten innerhalb der
jeweiligen Sektoren und der zuständigen Ressorts festgeschrieben werden. Denn die
Verantwortung für das Erreichen der Klimaschutzziele kann nicht länger allein beim
Bundesumweltministerium liegen, sondern muss als Querschnitt der Regierung auch die
Ministerien, welche zuständig sind für Verkehr, Landwirtschaft, Bauen und Wirtschaft in die
Pflicht nehmen. Was wir brauchen ist eine Klimaregierung.
Dazu gehört auch, dass wir Klimaschutz ins Grundgesetz schreiben. Wir möchten:
- die international vereinbarten Klimaschutzziele in die Verfassung aufnehmen,
- eine „CO2-Bremse“, mit der jedes neue Gesetz auf seine „Klimawirksamkeit“ überprüft
werden soll („climate mainstreaming“), verbindlich in der Verfassung verankern. Damit
werden alle zukünftigen Gesetzesinitiativen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das
Klima zu überprüfen sein sowie Klimaschutz wird insgesamt besser einklagbar.
Zudem wollen wir ein Klimaschutzgesetz, das den Rahmen für alle Klimaschutzmaßnahmen bildet:
- klare Maßnahmen für alle Sektoren,
- klar festgelegte Ziele, Zwischenziele und CO2-Minderungspfade für alle Sektoren mit
dem verbindlichen Ziel, das Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen,
- dichte Kontrolle, ob die Maßnahmen wirken sowie empfindliche Sanktionen,
- gesetzliche Festlegung einer klimaneutralen öffentlichen Verwaltung.
Klare ordnungsrechtliche Maßnahmen müssen in einem Klimaschutzgesetz die zentrale Rolle
spielen. Alle großen umweltpolitischen Errungenschaften wurden über das Ordnungsrecht
erreicht. Zudem wäre es fatal, allein auf Preissignale zu setzen. Denn wollte man die
Klimaziele allein über die Bepreisung von CO2 erreichen, müsste dieser so hoch sein, dass er
unweigerlich zu erheblichen negativen sozialen Auswirkungen führen würde. Einige könnten
sich rauskaufen, andere nicht mehr teilhaben. Damit Klimaschutz eben nicht zu Lasten der
Menschen mit geringeren Einkommen geht, brauchen wir einen klugen Mix aus CO2-Preis,
Anreizen und Förderung sowie dem Ordnungsrecht. So kann man die jeweiligen Vorteile der
Instrumente nutzen und gleichzeitig Nachteile minimieren. Gut gemacht, wird der ordnende
Rahmen zum notwendigen Innovationstreiber.
Klar gibt es gegen Ordnungsrecht, also auch Verbote, immer Vorbehalte. Aber Regeln zu
setzen, also zu sagen, was geht und was nicht, ist Sinn von Politik und zugleich der beste
Innovationsmotor. Heute stört sich niemand mehr daran, dass Blei im Benzin verboten ist,
Asbest nicht mehr eingebaut werden darf und Weichmacher in Kinderspielzeug verboten sind.
Das gleiche gilt ganz besonders für den Bereich der Chemikalien. Nach Verboten entwickelt
die Branche meist innerhalb kürzester Zeit ungefährlichere Alternativen oder bereits
vorhandene Alternativen bekommen ihre Chance auf dem Markt. Deshalb machen wir Klimaschutz
mit definierten Zwischenzielen in einem nationalen Klimaschutzgesetz planbar und rechtlich
verbindlich.
2. Planungen beschleunigen
Die Energie- und Verkehrswende braucht zügige, bürger*innennahe und effiziente
Planungsprozesse. Zentrale Herausforderung dafür ist die Aufstockung und Qualifizierung von
Personal in den Planungs- und Genehmigungsbehörden. Seit 1990 wurde in den Kommunen knapp
die Hälfte des Bau- und Planungspersonals abgebaut. Daher ist es dringend erforderlich, hier
wieder Personal einzustellen. Wir werden den Kommunen und genehmigenden Behörden das Planen
und Steuern erleichtern. Durch planbare, verlässliche Investitionshilfen, finanzielle
Entlastung der Kommunen sowie leichtere Planungsinstrumente für Klimaschutz.
Zu einem wirkungsvollen ordnungsrechtlichen Rahmen gehört es auch, den Kommunen und
Genehmigungsbehörden das Planen und Steuern von Klimaschutzmaßnahmen zu erleichtern. Ebenso
bedarf es einer Modernisierung des Planungsrechts. Denn die Zeit läuft uns davon und wir
brauchen rasch Baugenehmigungen für Photovoltaik- und Windkraftanlagen,
Übertragungsleitungen wie auch Schienenverbindungen. Planungs- und Genehmigungsverfahren
können deutlich vereinfacht und beschleunigt werden, wenn man im Verkehrswegebau bei
Ersatzneubauten ohne Ausbau bzw. Erweiterung die Maßstäbe für Sanierungen statt für
Neubauten heranzieht.
Die Planungs-, Bau- und Realisierungszeiten sind zu lang und wir wollen sie für alle CO2-
mindernde Infrastruktur halbieren, indem
- wir eine Priorisierung der zu bauenden Infrastrukturprojekte vornehmen, auch, um sich
bei geringen Planungskapazitäten nicht zu verzetteln,
- frühzeitig Bürger*innen und Nichtregierungsorganisationen beteiligt werden und so die
Entwicklung von Optionen und Varianten sowie das frühe Ausräumen von Konflikten
ermöglicht wird,
- wir für Verkehrsprojekte eine bessere Verzahnung von Raumordnungs- und
Planfeststellungsverfahren gewährleisten, etwa indem die Untersuchungsergebnisse des
Raumordnungsverfahrens für das Planfeststellungsverfahren genutzt werden können; sich
wiederholende Verfahrensschritte in beiden Verfahren könnten zusammengeführt werden,
- die Regelungen des Gesetzes zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren
für ÖPNV bei der anstehenden Novelle des Personenbeförderungsgesetzes übernommen
werden,
- Arten- und Naturschutz von vornherein in die Planungen einbezogen werden, um Verfahren
schneller und rechtssicherer zu machen. Für den erforderlichen Ausgleich bei
Eingriffen in die Natur müssen Kompensationsmaßnahmen verstärkt und vereinfacht
werden, auf die dann die Vorhabenträger*innen zurückgreifen können,
- wir die behördlichen Abstimmungsprozesse effizienter gestalten. Beim Artenschutz etwa
gibt es ein großes Potenzial für den Wissensaustausch zwischen Behörden und für
vorgezogene Großmaßnahmen über ein Ökokonto und andere Anrechnungsvereinfachungen,
- eine verbindliche Frist bis zur Eröffnung von Gerichtsverfahren bei gleichzeitiger
personeller Stärkung der Gerichte eingeführt wird.
3. Ökonomische Anreize richtig setzen
Ergänzend zum planungs- und ordnungsrechtlichen Rahmen wollen wir die notwendigen
ökonomischen Anreize setzen, damit der Klimaschutz vorankommt.
Dafür setzen wir auf eine CO2-Preiskomponente auf alle fossilen Brennstoffe über den
bestehenden europäischen Emissionshandel (ETS) hinaus. Dem Preis kommt in einer
Marktwirtschaft eine zentrale Steuerungswirkung zu. Wir brauchen eine ökologisch wirksame,
sozial gerechte und ökonomisch vernünftige CO2-Bepreisung. Das ist eine wesentliche
Voraussetzung dafür, dass erneuerbare Energien, Energieeffizienz und innovative
Klimaschutztechnologien sich durchsetzen. Das Umweltbundesamt schätzt die Kosten der
Schäden, die durch den Ausstoß einer Tonne CO2 entstehen, auf 180 Euro – in Preisen von 2016
gerechnet. Doch die Preiskomponente ist nur ein Hebel für Klimawirksamkeit neben den
ordnungsrechtlichen Maßnahmen wie dem Kohleausstieg.
Wir brauchen also einen Preis, der lenkt, Innovationen schafft und zugleich nicht sozial
verzerrt oder schnellere und wirkungsvollere ordnungsrechtliche Maßnahmen konterkariert. In
der Schweiz liegt der nationale Preis pro Tonne CO2 bei rund 90 Euro für fossile Brennstoffe
wie Heizöl, Erdgas oder Kohle. Globaler Spitzenreiter ist derzeit Schweden mit rund 110 Euro
pro Tonne CO2 für alle fossilen Brennstoffe. Als Sofortmaßnahmen werden wir uns für
Folgendes einsetzen:
- Die Energiesteuern im Bereich Verkehr und Wärme wollen wir mit einer CO2-Komponente
reformieren. Der Einstiegspreis in diesen Sektoren sollte aktuell bei 40 Euro liegen
und 2021 auf 60 Euro steigen, um etwas zu bewirken. Der Preis muss danach weiter
planbar ansteigen. Dafür schlagen wir für Deutschland ein unabhängiges Gremium vor,
das bis zu einer Einigung auf europäischer Ebene die Preissteigerung fortführt.
- Mit den Einnahmen senken wir die Stromsteuer auf das europarechtlich zulässige Minimum
ab und führen als sozialen Ausgleich ein Energiegeld für alle ein.
- Auf europäischer Ebene muss die Bundesregierung dementsprechend bei der Neufassungen
der Energiesteuerdirektive für eine ambitionierte CO2-Mindestbepreisung eintreten. Wir
werden uns dafür einsetzen, dass ein CO2-Preis im Non-ETS-Bereich europaweit
eingeführt wird.
- Im europäischen Emissionshandel, der vor allem Industrieanlagen und Kraftwerke
abdeckt, sollte Deutschland, idealerweise in Abstimmung mit anderen europäischen
Ländern wie Frankreich und die Niederlande, einen gemeinsamen Mindestpreis in Höhe von
40 Euro festlegen. Zeigt sich, dass der Mindestpreis keine Wirkung erzielt, muss hier
nachgesteuert werden.
- Wir wollen die Wirksamkeit der Marktstabilitätsreserve im europäischen
Emissionshandelssystem erhöhen, damit die immer noch vorhandenen überschüssigen
Emissionszertifikate stärker reduziert und schneller vom Markt genommen werden.
- Im Zuge der Stilllegung von Kraftwerksblöcken werden wir entsprechend den vom Netz
gehenden CO2-Emissionen Emissionszertifikate vom Markt nehmen, indem wir dafür das
nationale Versteigerungsbudget entsprechend kürzen. Damit wird vermieden, dass hier
eingesparte Emissionen an anderer Stelle in Europa emittiert werden können.
4. Umweltschädliche Subventionen abbauen
Damit ökonomische Anreize ihr volles Potenzial entfalten können und zusätzliche finanzielle
Spielräume für Zukunftsinvestitionen entstehen, wollen wir umwelt- und klimaschädliche
Subventionen konsequent abbauen. Insgesamt betragen diese in Deutschland über 57 Milliarden
Euro. Staatliche Subventionen, die dem Klima schaden, wollen wir endlich beenden, wie zum
Beispiel
- die Steuerbefreiung von Rohöl zur Plastikherstellung,
- dem immer noch gewährten Beschaffungszuschuss für neue Ölheizungen oder
- die Nichtbesteuerung von Kerosin.
5. Klimafreundlich wirtschaften
Klimaschutz geht nur in einem System, das klimafreundliches Verhalten belohnt und nicht wie
heute strukturell erschwert. Wir beschreiben im Rahmen des Antrags „Anders Wirtschaften für
nachhaltigen Wohlstand“ ausführlich unsere Vision für ein gesamthaftes positiv
transformiertes Wirtschaftssystem. Ausgewählte wesentliche Aspekte, die auch das Klima
betreffen, sind:
- Unseren gesellschaftlichen Erfolg wollen wir nicht mehr nur mit dem
Bruttoinlandsprodukt (BIP) berechnen, sondern darüber hinaus auch unseren Erfolg im
Klimaschutz in die gesellschaftliche Wohlstandsmessung und -steuerung integrieren, wie
etwa den absoluten CO2-Ausstoß. So verändern wir die gesellschaftliche Wahrnehmung und
Prioritätensetzung im Einklang mit den planetaren Grenzen im Sinne des neuen
Wohlstandskonsenses.
- Entsprechend ändern wir auf betriebswirtschaftlicher Ebene die Buchhaltungsregeln und
Erfolgsrechnung hin zu einer nachhaltigen Bilanzierung von Unternehmen, die nicht nur
den finanziellen, sondern auch den ökologischen Wert von Unternehmen misst und
steuert. Hier wollen wir praxisnah mit führenden Wirtschaftsinitiativen
zusammenarbeiten und Konzepte wie das der Gemeinwohlökonomie aufgreifen.
- In der Digitalisierung fördern wir gezielt klimawirksame Innovation, damit sie ihr
Potenzial für die notwendige Suffizienz, Effizienzsteigerungen und Dematerialisierung
entfalten kann und nicht unkontrollierbaren Schaden durch immer mehr Energiehunger
anrichtet. Auch mithilfe der Digitalisierung könnten wir es schaffen, wirtschaftliches
Wachstum von steigenden CO2-Emissionen zu entkoppeln.
- Bei öffentlichen Investitionen und der Vergabe wenden wir auf allen politischen Ebenen
sozial-ökologische Kriterien bei der Entscheidungsfindung und Planung an.
- Wir stärken die kommunalen Ebenen. Gesetzliche Rahmenbedingungen dürfen die
Kreativität und regional spezifische Maßnahmen und Erfordernisse zum Schutz des Klimas
und zur Einhaltung der Klimaziele in den Kommunen nicht blockieren. Kommunen müssen
zum Vorbild anderer voranschreiten können.
- Klimaagenturen mit beratender Funktion geben „Best Practice“-Beispiele weiter,
unterstützen bei Förderanträgen und organisieren Bildungsveranstaltungen und
Bürger*innenforen.
- Wir brauchen eine Kampagne für das Handwerk und Umschulungsangebote, auch für
Unternehmen, und oft in Verbindung mit digitalen Technologien. Der immense Ausbau der
Erneuerbaren, die Sanierung von Gebäuden, das 100.000-Wärmepumpen-Programm oder auch
die intensivere Öko-Landwirtschaft – der Klimaschutz wird zig Tausende neue Jobs
bringen, vor allem in Technologie und Handwerk.
6. Sektorspezifische Maßnahmen zur Umsetzung der Klimaschutzziele
Um die Ziele des Klimaschutzgesetzes in den einzelnen Sektoren zu erreichen, wollen wir die
nachfolgenden Maßnahmen auf den Weg bringen:
6a. Stromerzeugung erneuerbar
Derzeit liegen die ausgestoßenen Mengen CO2 für die Energiewirtschaft bei über 300 Millionen
Tonnen jährlich, das sind über 30 Prozent. Das ist meilenweit von einem Pfad zur Einhaltung
der Pariser Klimaziele entfernt. Schlimmer noch: Deutschland hinkt beim Ausbau der
erneuerbaren Energien weit hinterher. Sie sind jedoch das Herzstück jedes Klimaschutzes. Um
die Pariser Klimaziele zu erreichen, ist der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien nicht
mehr nur entscheidend für wirksamen und erfolgreichen Klimaschutz im Strombereich, sondern
auch der Wärme- und Verkehrssektor werden zukünftig auf elektrischer Basis betrieben und
massiv erneuerbare Energie benötigen. Hinzu kommt der zusätzliche Bedarf an erneuerbarem
Strom, um Wasserstoff und andere Gase (zum Beispiel als Speicher oder für erneuerbare
Treibstoffe) zu produzieren, gerade auch für den Stahl- und den Chemiebereich. Es geht nun
also nicht mehr nur um die 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien zur reinen
Elektrizitätsversorgung, die wir 2030 erreichen wollen, sondern um 100 Prozent erneuerbaren
Strom für eine klimaneutrale Wirtschaft insgesamt.
Der stockende Ausbau und die Politik der Bundesregierung führen dazu, dass wir uns derzeit
aber nur auf einem Ausbaupfad von maximal 45 Prozent bewegen. Das ist auch das größte
Hindernis für den Kohleausstieg, den wir sofort beginnen und schnell abschließen müssen. Die
von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission hat nun endlich einen Plan zum
Kohleausstieg vorgelegt. Es ist nicht unser Plan, aber das Einzige, was wir derzeit in einem
gesellschaftlich vereinbarten Kompromiss haben. Gerade mit Blick auf das Enddatum, das nicht
Paris-kompatibel ist, gibt es Korrekturbedarf – deshalb haben die am Ergebnis beteiligten
Umweltverbände und Wissenschaftler*innen Revisionsklauseln verankert und ein Sondervotum
abgegeben. Entscheidend ist jetzt, das verbleibende CO2-Budget für den Stromsektor deutlich
zu reduzieren. Das heißt viele Kraftwerke schnell und zeitnah abzuschalten, um 2030 auch aus
der Kohle aussteigen zu können. Wir machen uns daher dafür stark:
- über ein Kohleausstiegsgesetz in den nächsten drei Jahren mindestens rund ein Viertel
der Braunkohlekapazitäten und ein Drittel der Steinkohlekapazitäten abzuschalten,
- einen verbindlichen und möglichst entschädigungsfreien Abschaltplan für
Kohlekraftwerke für die Zeit nach 2022,
- die Strukturförderung an konkrete Abschaltungen und den Ausbau erneuerbarer Energien
sowie weiterer Energiewende-Infrastruktur vor Ort zu koppeln.
Zentral dafür wird sein, ob wir den Ausbau der Erneuerbaren und des Energiesystems umgehend
und massiv voranbringen.
Das Missmanagement der Bundesregierung hat den Ausbau der erneuerbaren Energien fast zum
Erliegen gebracht. Durch die letzten Novellen ist aus dem extrem erfolgreichen Erneuerbare-
Energien-Gesetz, dem am häufigsten kopierten Gesetz der Welt, mittlerweile eher ein Anti-
Erneuerbare-Energien-Gesetz geworden: Den Erneuerbaren wurden Deckel und andere Hindernisse
zur Verhinderung von schnellem Wachstum vorgegeben. Das ist der eigentliche Skandal.
Wir wollen den Ausbau der Erneuerbaren mit großer Geschwindigkeit wieder in Gang bringen.
Konkret soll die installierte Leistung von Wind onshore in den nächsten zehn Jahren
mindestens verdoppelt, die für offshore verfünffacht und die für PV (Dach, Fassaden und
Freiflächen) auf 250 Gigawatt (GW) angehoben werden. Damit sowie mit massiver
Energieeinsparung kann Deutschland seinen Stromverbrauch komplett erneuerbar decken und auch
noch einen Teil der Sektorenkopplung. Klar ist: Die Energiewende mit 100 Prozent
Erneuerbaren kann nur gelingen, wenn wir sie endlich umfassend europäisch denken und
zugleich die Potenzial der Bürger*innen-Energiewende wieder heben.
Für die erneuerbaren Energien in den Bereichen Industrie, Wärme, Verkehr wollen wir
Energiepartnerschaften mit den Nachbarstaaten der Europäischen Union aus dem Sonnengürtel
zur Produktion von solarem Wasserstoff schließen. Solche Energiepartnerschaften müssen auf
Augenhöhe und unter Einbeziehung der Bürger*innen in der Region verhandelt werden. Die
Vorteile müssen vor allem der Region zugutekommen, aus welcher die Energie geliefert wird.
Weder ist es nötig noch erstrebenswert, dass wir dezentrale Energieerzeugung zu kleinteilig
denken. Europa soll zu einem gemeinsamen Strommarkt auf der Basis von Erneuerbaren
zusammenwachsen. Dafür brauchen wir eine zu 100 Prozent erneuerbare und energieeffiziente
Europäische Union als Treiberin für die internationale Energiewende und ambitioniertere
europäische Klimaziele. Die Förderung von nachhaltiger Landwirtschaft, klimafreundlicher
Mobilität, Photovoltaik, Windenergie, Biomasse und anderen regenerativen Stromquellen auch
auf europäischer Ebene muss noch stärker vorangetrieben werden. Die Vernetzung der
verschiedenen erneuerbaren Quellen senkt den Bedarf am Ausbau erheblich. Je größer der Raum
und je vernetzter die Quellen, desto günstiger wird es und desto geringer ist der Bedarf am
Ausbau.
Im Sektor Strom müssen Effizienzgewinne schnell realisiert werden:
- strikte Effizienzvorgaben und Förderung von Effizienzgewinnen und Stromeinsparungen
für Energieversorger, Produktion, Industrie, Datenzentren, Gewerbe, bei Handel und
Dienstleistungen,
- eine „Langes Leben“-Produktoffensive (zum Beispiel Garantiehaftung von zwei auf fünf
Jahre anheben) sowie ein Förderprogramm „Dekarbonisierung für die Industrie“,
- Förderung von Stromeinsparungen im Haushaltsbereich durch kontinuierlich steigende
Effizienzvorgaben für Haushaltsgeräte, Umstellung auf LED-Beleuchtung und sparsamere
Rechnerleistungen.
Die Ausbau-Offensive im Bereich der erneuerbaren Stromerzeugung umfasst folgende Maßnahmen:
- Die Verhinderungs-Deckel beim Ausbau von Ökostrom müssen unverzüglich gestrichen
werden. Nur den Solardeckel aufzuheben, reicht nicht aus. Entsprechend des
Ausbaupfades müssen die planbaren Flächen deutlich erhöht werden. Der Europäische
Gerichtshof hat entschieden, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) keine Beihilfe
darstellt und deshalb nicht unter die Beschränkungen der Beihilferichtlinie der
Europäischen Union fällt.
- Vorrangregelung und Abnahmepflicht des erneuerbaren Stroms muss gesichert werden.
- Jährlicher Zubau von mindestens 5-6 GW Wind auf dem Land, ab Mitte der 2020er Jahre
von 7-8 GW.
- Eine Repowering-Offensive durch planungsrechtliche Verbesserungen und gesonderte
Ausschreibungen.
- Festlegung eines nationalen Flächenziels Windkraft von zwei Prozent der Landesfläche
und Verpflichtung der Länder, entsprechende Flächen auszuweisen, auf denen
Windenergieanlagen errichtet werden können.
- Wenn Windparks gebaut oder erweitert werden, sollen die anliegenden Gemeinden und
damit ihre Bürger*innen über eine Windpark-Abgabe finanziell an den Erträgen
teilhaben.
- Erhebliche Erleichterungen bei den Genehmigungen für Windenergieanlagen durch
Überprüfung bestehender Regelungen im Bereich Flugsicherung, Denkmal- und Naturschutz
sowie bei Abstandsregelungen und im Planungsrecht mit der Maßgabe, den Ausbau von
Erneuerbaren zu fördern. Im Artenschutz wollen wir bei guter Bestandsentwicklung die
Ausnahmegenehmigungen besser nutzen.
- Das Ausbauziel für Windenergie auf See ist auf 35 GW bis 2030 anzuheben. Dazu brauchen
wir im Durchschnitt einen jährlichen Zubau von etwa drei GW pro Jahr.
- Um bei Wind offshore schneller voranzukommen, wollen wir mit anderen Nord- und Ostsee-
Anrainerstaaten eine gemeinsame Raumplanung machen, die dann auch die Räume außerhalb
der einzelnen Hoheitsgebiete enthält und eine koordinierte Planung zur
Berücksichtigung des Artenschutzes, insbesondere den Vogelzug, erlaubt.
- Bei Photovoltaik akuter jährlicher Zubau von 10-12 GW pro Jahr als Dachanlagen, für
Gebäudefassaden und Freiflächen; ab Mitte der 2020er Anstieg auf 18-20 GW pro Jahr.
- Einführung einer Solarpflicht für Photovoltaik oder Solarthermie bei Neubauten.
- Ausbildungsprogramm für Fachkräfte für Solarenergie und Facharbeiter*innen in der
Solarzellenproduktion.
- Aufbau einer Multi-Gigawatt-Solarfabrik, unterstützt durch staatliche Bürgschaften.
Flächen effizient nutzen. Der immense Ausbau der Erneuerbaren, den wir brauchen, benötigt
Fläche. Für Windenergie an Land benötigen wir nicht mehr als zwei Prozent der Landesfläche.
Hinzu kommen gut drei Prozent der Ackerfläche für Photovoltaik. Dafür können wir nicht für
Lebensmittel genutzte Ackerfläche umwidmen: Potenzial bieten Ackerflächen in einer
Größenordnung von ca. acht Prozent, die heute noch für Kraftstoffproduktion genutzt werden,
zudem kann der Bedarf an Biogas-Mais verringert werden, da die Energieerzeugung durch
Photovoltaik fünfzig- bis hundertfach flächeneffizienter ist. Landwirtinnen und Landwirte,
die in den bestehenden Energiepflanzen-Programmen ökonomisch gebunden sind, fördern wir
einkommensneutral, sodass sie auf Photovoltaik umsteigen können. Durch die Verbindung von
Agro-PV-Anlagen mit Permakultur können sogar höhere Erträge als heute erzielt werden.
Insgesamt streben wir für den Energiesektor an:
- Der bis ins Unermessliche gestiegene bürokratische Aufwand für eine eigene
Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und sonstige eigene Erneuerbaren-Anlagen zur
Stromlieferung an Dritte sowie die damit verbundenen, mittlerweile kaum mehr zu
verstehenden steuerrechtlichen Regelungen müssen harmonisiert, deutlich reduziert und
vereinfacht werden.
- Den Ausbau von PV-Strom vom Dach als Mieterstrom wollen wir insbesondere im
Mieterstromgesetz radikal vereinfachen und steuerliche Hemmnisse und Bürokratie
abbauen. Die Vermarktung und Verwendung auch über das Herstellungsgebäude hinaus im
Quartier muss lohnend und einfach werden. Die Verpachtung von Dächern und die
Vermarktung von PV-Strom vom Dach im Quartier muss einfach und lohnend werden, für
Erzeuger*innen und Nutzer*innen.
- Auflegen eines Förderprogramms für 100.000 Stromspeicher, um die dezentrale
Ökostromversorgung zu erleichtern.
- Anreize für Investor*innen, Anwohner*innen und Anliegergemeinden von Wind- und
Solarenergieanlagen schaffen, u.a. durch Forschungs- und Förderprogramme für
Agrophotovoltaik zur gleichzeitigen Nutzung von Fläche für Landwirtschaft und
Energieproduktion sowie Pflichtanteile erneuerbarer Wärme wie Solarthermie bei der
Modernisierung von Altbauten.
- Länder und Kommunen bei der Lösung von Konflikten, zum Beispiel zwischen Windanlagen
und Naturschutz unterstützen, anstatt sie wie bisher alleine zu lassen.
- Die Sektorkopplung voranbringen, den Strommarkt gemäß den europäischen Vorgaben
reformieren und die Digitalisierung der Stromversorgung vorantreiben.
- Eine Anschlussfinanzierung für bestehende Biomasseanlagen, um die Stromerzeugung aus
Bioenergie zu erhalten. Die Anschlussfinanzierung soll daran geknüpft sein, dass die
Bioenergieanlagen flexibilisiert werden und dann Strom erzeugen, wenn wenig Wind- und
Solarenergie zur Verfügung steht, und sie möglichst weitgehend auf Rest- und
Abfallstoffe sowie Gülle umgestellt werden.
- Fairere Gestaltung der Umlagen und Entgelte zwischen Verbraucher*innen, der Industrie
und kleineren und mittleren Unternehmen.
- Europarechtliche Vorgaben im Energiemarktdesign so schnell wie möglich in nationales
Recht umsetzen, um der Bürgerenergie Flügel zu verleihen: So kann jede*r auf Dach oder
Balkon Strom erzeugen und abgabenfrei selbst verbrauchen oder an Nachbar*innen
verkaufen.
- Deutschland muss den Vertrag über die Energiecharta kündigen, damit fossile
Infrastruktur ausländischer Eigentümer*innen entschädigungsfrei stillgelegt werden
kann.
Parallel dazu setzen wir auf:
- eine Förderung der inländischen, nachhaltigen Batteriezellenproduktion und einer damit
verbundenen Kreislaufwirtschaft,
- die konsequente Umstrukturierung des Energiemarktdesigns und der energiebezogenen
Abgaben, Entgelte und Umlagen mit der Zielvorgabe 100 Prozent Erneuerbare bis 2030.
Dazu gehören starke Anreize für Sektorkopplung und Speicherung,
- Forschungsunterstützung für die Wasserstoff-Industrie über ein Investitionsprogramm
„Grüner Wasserstoff“. Gefördert werden sollen u.a. die erneuerbare
Wasserstofferzeugung und Speicherung, Wasserstoff-Dunkelflautenspeicher in Gaskavernen
und der Einsatz in Industrieprozessen.
6b. Energiewende im Wärmesektor und bei Gebäuden
Die Energiewende in Gebäuden kommt seit Jahren nicht schnell genug voran. Die Sanierungsrate
zur Energieeinsparung und der Anteil an Wärme aus erneuerbaren Energien reichen bei Weitem
nicht aus und stagnieren auf niedrigstem Niveau. Mit einem „Weiter so“ würde es hundert
Jahre dauern, einen klimaneutralen Gebäudebereich zu schaffen – wir brauchen ihn aber
viermal so schnell, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Daher müssen wir jetzt gemeinsam
mit allen Eigentümerinnen und Eigentümern, die in der Regel keine Bau- oder
Planungsexpert*innen sind, allen Mieterinnen und Mietern einen Aufbruch hin zu ökologisch
modernen Gebäuden schaffen. Mit Zuschüssen und zinslosen staatlichen Sanierungskrediten mit
wahlweise langen Laufzeiten unterstützen wir Eigenheimbesitzer*innen bei der energetischen
Gebäudemodernisierung. Ein CO2-Preis auf Heizstoffe macht Klima-Modernisierung
wirtschaftlicher als bisher. Damit alle Eigentümer*innen und Mieter*innen bei der
Energiewende in Gebäuden mitmachen und partizipieren können, braucht es zusätzlich passende
Regeln, Anreize und Informationen. Dazu gehört auch die steuerliche Förderung als Anreiz für
energetische Sanierung. Gerade private Eigenheimbesitzer*innen benötigen steuerliche Anreize
zur Gebäudemodernisierung. Der Steuerbonus muss klimapolitisch wirksam ausgestaltet sein. Es
dürfen darum nur Maßnahmen gefördert werden, die nachweislich auf dem vom Pariser Abkommen
vorgegebenen Minderungspfad liegen. Durch eine progressionsunabhängige Abschreibung müssen
alle gleichermaßen davon profitieren, und die Sonderabschreibung muss analog zur KfW-
Förderung ausgestaltet sein.
Wie im Stromsektor gehört auch beim Heizen und Kühlen die Zukunft den erneuerbaren Energien.
Wir wollen
- einen Systemwechsel erreichen: Dort, wo es die Besiedlungsstruktur ermöglicht, weg von
der Einzelbefeuerungsanlage und der Einzelhausbetrachtung hin zu einer
Quartiersbetrachtung und zu Nah- bzw. Fernwärmenetzen, die dann aus verschiedenen
erneuerbaren Quellen gespeist werden können,
- dass alle Kommunen ein Energiemanagement durchführen müssen und einen Energiebericht
verfassen, damit überhaupt Daten erhoben, Maßnahmen umgesetzt und nachgesteuert werden
kann. Kommunen haben sich zukünftig nicht nur um ihren eigenen Gebäudebestand zu
kümmern. Kommunen werden wir dabei finanziell unterstützen, eine datenbasierte
Wärmeplanung für einen klimaverträglichen Umbau der Wärmeversorgung in den einzelnen
Quartieren aufzulegen. Diese Wärmeplanung wird Grundlage für eine Förderung der
nötigen Investitionen sein,
- den vorgeschriebenen Anteil an erneuerbaren Energien bei Neubau und Bestand deutlich
anheben,
- den Passivhausstandard für alle Neubauten sowie Fassaden- oder Dachbegrünung sowie
Plus-Energiegebäude fördern,
- eine Ausbildungsoffensive im Handwerk und Baugewerbe, um die notwendige Sanierungsrate
überhaupt zu ermöglichen.
Ein Austauschprogramm „Sonne statt Öl“ und Klima-Service für Eigentümer*innen. 16 der 19
Millionen Wohngebäude in Deutschland sind Ein- und Zweifamilienhäuser. Viele davon sind noch
vor der ersten Wärmeschutzverordnung im Jahr 1978 entstanden und bisher nicht energetisch
modernisiert. Die Eigentümer*innen und Mieter*innen dieser Gebäude sind in der Regel keine
Bauexperten. Sie brauchen daher einen einfachen Zugang zu den besten Klimainformationen und
Modernisierungen. Zentral ist für uns daher:
- ein Austauschprogramm „Sonne statt Öl“: ein Förderprogramm für den Tausch der
Ölheizung gegen eine moderne Heizung mit Sonnenwärme, Wärmepumpe oder Holz,
- dass Ölheizungen ab sofort und fossile Gasheizungen ab 2025 nicht mehr eingebaut
werden,
- der Ersatz der fossilen Erdgasversorgung,
- das Auflegen eines 100.000-Wärmepumpen-Programms. Mit Wärmepumpen können wir aus einer
Kilowattstunde (kWh) Strom rund vier kWh Wärme machen. Der Austausch von fossilen
Heizungen zu Wärmepumpen stellt mit Solarwärme und PV sowie saisonalen Speichern und
Wärmenetzen in der drängenden, kurzen Zeit eine große Chance auf rasche
Klimaneutralität des Gebäudebestands dar,
- ein kostenloser Klima-Service für Eigentümer*innen von Ein- und Zweifamilienhäusern:
Qualifizierte Energieberater*innen nehmen eine Vor-Ort-Analyse vor und erstellen einen
kostenlosen Sanierungsfahrplan fürs Haus. Ein solcher Klima-Fahrplan schlägt geeignete
Schritte vor, mit denen das Haus zum Niedrig-Energie-Gebäude mit erneuerbarer Wärme
werden kann,
- einen finanziellen Zuschuss für eine fachkundige Energie-Bauleitung: Die
Energieberater*in wird dazu als Bauleiter*in zur Umsetzung einzelner Schritte des
Klima-Fahrplans für das Haus tätig. Sie beauftragt alle Handwerkerinnen und Handwerker
und prüft deren Arbeit.
Klima-Check und Mieterschutz für Mieter*innen. Jeder Mieter, jede Mieterin soll wissen, wie
es um die eigene Wohnung bezüglich der Klimaziele und Heizkosten steht. Außerdem wollen wir
Mieterinnen und Mieter vor hohen Heiz- und Modernisierungskosten schützen. Dafür wollen wir:
- jeder Mieterin und jedem Mieter einen Gutschein für einen Klima-Check für ihre/seine
Wohnung geben, um ein kostenloses Heizgutachten auf Basis der aktuellen
Heizkostenabrechnung zu erstellen,
- klimagerechte Modernisierungen von Gebäuden und Wohnungen, die sich jede*r leisten
kann, möglichst ohne Erhöhung der Warmmiete. Für energetisch modernisierte Wohnungen
wollen wir einen Klimazuschuss zum Wohngeld einführen, damit sich auch Haushalte mit
kleinen Einkommen diese Wohnungen leisten können. Mit dem Förderprogramm „Gutes Klima
im Quartier“ fördern wir energetische Modernisierungen ganzer Stadtviertel ohne
Erhöhung der Warmmieten. Mit der sozialen Wohnraumförderung und bei kommunalen
Wohnungsunternehmen ermöglichen wir das ebenfalls in den Ländern und Kommunen. Im
Mietrecht senken wir die Modernisierungsumlage, d.h. die Mieterhöhung nach
Modernisierung, deutlich ab und kappen sie bei höchstens 1,50 Euro je Quadratmeter.Auch die kürzlich beschlossene Reduktion der Modernisierungsumlage auf 8 Prozent ist nach wie vor unangemessen hoch und heizt das Herausmodernisieren weiter an, wir sind deshalb für die Abschaffung der Modernisierungsumlage. Die Verantwortung, die Klimakatastrophe auch im Wohnungsbereich zu verhindern, ist von allen in der Gesellschaft zu tragen und nicht nur von den Mieter*innen.
Aktionsplan Faire Wärme. Unser umfassender Aktionsplan Faire Wärme denkt die Bausteine der
Energiewende im Wärmesektor und in Gebäuden zusammen, für Wohnhäuser und Quartiere, Stadt
und Land. Dazu gehören:
- eine erhebliche Aufstockung der Mittel für erneuerbare Wärme, energetische
Modernisierung und saubere Wärmenetze – um Heizen ohne Klimaschaden zu ermöglichen,
- das Programm „Gutes Klima im Quartier“: ein Förderprogramm für die Quartierssanierung
ohne Erhöhung der Warmmieten, zur Klima-Modernisierung ganzer Stadtviertel und Dörfer
und ihrer Gebäude, gemeinsam geplant mit den Menschen und Unternehmen vor Ort,
- ein Steuerbonus für selbst nutzende Eigentümer*innen, die ihr Haus oder ihre Wohnung
klimafreundlich modernisieren wollen,
- endlich konsequenter Klimaschutz bei Bundesimmobilien: Klima-Fahrplan für die
bundeseigenen Liegenschaften und ein Aktionsprogramm klimaneutrale Bundesverwaltung;
Ziel: sämtliche Bundesliegenschaften werden bis zum Jahr 2030 klimaneutral,
- 200 Millionen Euro jährlich für qualifizierte Energieberatung wie Klima-Service und
Klima-Check.
Mehr Energieeffizienz. Die beste Energie ist diejenige, die gar nicht erst verbraucht wird.
Hier reichen die heutigen politischen Rahmenbedingungen für mehr Energiesparen und bessere
Energieeffizienz bei weitem nicht aus. Wir brauchen:
- Förderprogramme für die Nutzung ökologischer Bau- und Dämmstoffe,
- die Umsetzung des gültigen EU-Rechts in ein modernes Gebäudeenergiegesetz, das an
Energieeffizienz und dem CO2-Ausstoß ausgerichtet ist,
- Niedrigenergiehäuser als verpflichtenden Standard: das Passivhaus bei Neubauten, und
bei umfassender Modernisierung sowie Sanierung bestehender Altbauten soll das KfW-
Effizienzhaus 55 der Zielstandard sein,
- für energetische Modernisierungen staatliche Nullzins-Darlehen mit langen
Rücklaufzeiten, denn eine bessere Investition als Energieeinsparung gibt es nicht.
Wärmenetze dekarbonisieren und ausbauen. Ein relevanter Teil der Wärmeversorgung erfolgt
über Nah- und Fernwärmenetze. Doch derzeit wird das Potenzial der leitungsgebundenen Wärme
für den Klimaschutz nicht ausreichend genutzt. Das gilt hinsichtlich der Integration von
erneuerbaren Energien ebenso wie für die Nutzung von gewerblicher und industrieller Abwärme.
Wir wollen:
- Nahwärmenetze zielgerichtet ausbauen und die entsprechenden Förderprogramme erhöhen,
- ein Förderprogramm in Höhe von 400 Millionen Euro für 10.000 Wärmespeicher auflegen,
damit insbesondere Gemeinden oder Stadtteile mit Wärmenetzen mindestens einen großen
Wärmespeicher errichten können und so die Flexibilität im Wärme- und
Stromversorgungssystem erhöht wird,
- verpflichtende Emissionsminderungsziele für Fernwärmebetreiber,
- Wärmenetze für die Einspeisung erneuerbarer Wärme sowie industrieller und gewerblicher
Abwärme durch gesetzliche Regelungen öffnen, um auch die Nah- und Fernwärmeversorgung
so schnell wie möglich zu dekarbonisieren.
6c. Verkehrswende – mehr Mobilität mit weniger Verkehr
Rund 20 Prozent der deutschen Treibhausgase kommen aus dem Verkehrssektor. Von einem
Minderungspfad, der mit den Klimazielen von Paris vereinbar wäre, sind wir meilenweit
entfernt. Die Emissionen sind derzeit immer noch genauso hoch wie 1990, alle Klimaziele im
Verkehrssektor werden krachend verfehlt. Die zunehmenden Emissionen des von Deutschland
ausgehenden internationalen Luftverkehrs sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Allein
die durch unseren Verkehr verursachten Folgekosten liegen pro Jahr bei 149 Milliarden Euro.
Mobilität und Lebensqualität zusammenzubringen heißt: Verkehr vermeiden, verlagern und
klimafreundliche Verkehrsmittel miteinander vernetzen. Ein „Weiter so“ wäre nicht nur
ökologischer, sondern auch volkswirtschaftlicher Irrsinn. Um Klimaschädigung und
Verkehrsbelastungen wirksam zu vermindern, müssen wir eine umfassende Verkehrswende auf den
Weg bringen. Mit ihr geht die Ära des fossilen Verbrennungsmotors und eine einseitig auf
immer mehr Pkw- und Lkw-Verkehr ausgerichtete Infrastrukturentwicklung zu Ende.
Mit dem Ausbau von Schiene, ÖPNV und Radverkehr, der Vernetzung von Verkehrsangeboten, mit
neuen Sharing-Formen und der Antriebswende können wir den Energiebedarf des Verkehrs
vermindern, eine für alle Menschen bezahlbare Mobilität schaffen und die Klimaziele im
Verkehr erreichen. Wir können die Anzahl der Autos verringern, die heute Tag für Tag im Stau
stehen oder in Städten wertvolle Flächen vollstellen, und so Verkehrssicherheit und
Lebensqualität erhöhen, ohne unsere Mobilität zu vermindern.
Unsere Schwerpunkte für eine klimafreundliche Mobilität sind:
Überarbeitung des ordnungs-, finanz- und steuerpolitischen Rahmens der Verkehrspolitik.
Diesen Rahmen zu überarbeiten mit dem Ziel der Förderung sozialverträglicher, ökologischer
und technischer Maßnahmen heißt:
- den Bundesverkehrswegeplan komplett zu überarbeiten und als Bundesnetzplan für
Mobilität neu aufzustellen,
- den Kommunen das Recht zu geben, innerorts eigenständig und unbürokratisch über die
Einführung von Maßnahmen zur Einhaltung der Klimaziele zu entscheiden: zum Beispiel
autofreie Innenstädte innerhalb ihrer Stadtgrenzen und/oder in Kooperation mit
benachbarten Kommunen gestalten, Fahrradstraßen und Fußwegenetze oder auch Tempolimits
einführen,
- den steuer- und finanzpolitischen Rahmen u.a. mit dem Ziel auszuschöpfen, den Kauf von
Autos mit fossilem Verbrennungsmotor auslaufen zu lassen und die Nutzung öffentlicher
Verkehrsangebote preiswert zu gestalten.
Die Bahn flott machen. In den letzten Jahrzehnten wurde einseitig in den Straßenbau
investiert, während Schieneninfrastruktur in großem Ausmaß zurückgebaut wurde. Jetzt ist die
Schiene dran! Zur Finanzierung wollen wir den bisherigen „Finanzierungskreislauf Straße“
auflösen, wonach Einnahmen aus der Lkw-Maut allergrößtenteils in den Straßenbau fließen.
Mauteinnahmen müssen auch der Bahn zugutekommen. Ab 2025 wollen wir keine neuen
Bundesstraßen mehr in Angriff nehmen, da Deutschland mit Straßen ausreichend erschlossen
ist, während bei den Schienenwegen erhebliche Nachholbedarfe aufzuarbeiten sind. Die Bahn
ist das Verkehrsmittel, das sich am einfachsten und mit der höchsten Energieeffizient
elektrifizieren lässt. Sie ist das Rückgrat der Verkehrswende. Es braucht jedoch erhebliche
Anstrengungen, damit sie diese Rolle endlich übernehmen kann:
- Innerdeutschen und grenzüberschreitenden Schienenverkehr stärken: fehlende
Verbindungen im Schienennetz herstellen, Elektrifizierungslücken schließen,
Passagierrechte europaweit stärken, Nachtzugverbindungen ausbauen.
- Um auch bei der Bahn das fossile Zeitalter auslaufen zu lassen, sind bis zum Jahr 2030
mindestens 75 Prozent der Bahnstrecken zu elektrifizieren. Die verbleibenden Strecken
sind entweder ebenfalls zu elektrifizieren oder die Züge werden auf alternative
Antriebe umgestellt.
- Bundesweiten Deutschlandtakt einführen: garantierte Anschlüsse, dichter Takt,
Abstimmung Fern- und Nahverkehr.
- Regionalisierungsmittel erhöhen mit dem Ziel, die Fahrgastzahlen in Zügen zu
verdoppeln.
- Technische Möglichkeiten ausschöpfen zur intelligenten Steuerung des Schienenverkehrs
sowie zur Steigerung der Nutzung, bspw. Taktverdichtung.
- Bessere Harmonisierung und Verstärkung des internationalen Bahnverkehrs zur
Beseitigung technischer Hemmnisse und für verbesserte Verbindungen; damit einhergehend
Anschlussgarantien und grenzüberschreitender Verbraucherschutz.
- Erstellung eines Reaktivierungskonzeptes für ungenutzte und stillgelegte
Schienenstrecken inklusive der Chance, bereits entwidmete, aber notwendige Trassen
wieder zu ertüchtigen.
Den öffentlichen Personenverkehr stärken. Damit alle bezahlbar, verlässlich und
klimaschonend von A nach B kommen, muss der Öffentliche Personenverkehr besser ausgebaut und
die Angebote verbessert werden. Dazu braucht es:
- ein Förderprogramm „Mobilität im ländlichen Raum“ mit eindeutigen Kriterien zugunsten
des Ausbaus von vernetzten Mobilitäts- und Fahrzeugangeboten,
- die deutliche Erhöhung der Mittel für den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs,
um die Kapazitäten und das Preis-Leistungs-Verhältnis zu verbessern,
- einen Mobilpass, um aus einer Hand mit allen Verkehrsmitteln – Busse, Bahnen, Share-
Bikes und -Cars – in ganz Deutschland unterwegs sein zu können,
- eine Mobilitätsgarantie für alle Menschen in Deutschland: durch gezielte Förderung
strukturschwacher Regionen allen Menschen Zugang zu einem regelmäßigen und
verlässlichen Nahverkehrsangebot ermöglichen,
- die Förderung von bundesweit zehn Kommunen im Rahmen von Modellprojekten , die auf
einen umlagefinanzierten und kostenfreien ÖPNV umsteigen wollen, indem wir die
rechtlichen Hürden für Kommunen abbauen,
- das Nutzen der Digitalisierung, um weitere Kapazitätserhöhungen und Flexibilisierungen
im ÖPNV zu erreichen,
- ein Investitionsprogramm für Oberleitungs- und Schienenfahrzeuge in den Städten
zugunsten eines engmaschigen Nahverkehrsnetzes (Trams, Trolleybusse, Straßenbahnen),
- die Erstellung eines bundesweiten Mobilitätskonzeptes, das den Umweltverbund auch im
Umland stärkt, inklusive eines bundesweiten Rad- und Fußwegekonzepts in Zusammenarbeit
mit den Bundesländern zugunsten einer sicheren Rad- und Fußwegeinfrastruktur mit allen
notwendigen technischen Nebenanlagen wie Servicestationen oder Notrufe.
Vorrang für Rad- und Fußverkehr. Schwer zu glauben, aber wahr: Einen großen Teil ihrer
täglichen Wege legen die Menschen zu Fuß oder mit dem Rad zurück. Und vier von zehn
Autofahrten in der Stadt sind unter fünf Kilometer – Distanzen, die leicht mit dem Fahrrad
oder sogar zu Fuß zurückgelegt werden können. Dem Fuß- und Radverkehr wird bislang aber
meist nur so viel Platz zugestanden, dass der Auto- und Lastwagenverkehr ungehindert rollen
kann. Höchste Zeit, dass diese klimafreundlichsten Fortbewegungen endlich nicht mehr
behindert, sondern gefördert und sicher gestaltet werden. Dazu braucht es:
- eine gerechte Verteilung und mehr Raum für Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen in
den Städten und Gemeinden sowie neue Möglichkeiten des Parkraummanagements durch
Änderung des Straßenverkehrsrechts,
- Modellprojekte für autofreie Innenstädte und die Förderung von City-Maut-Zonen,
- gemeinsame Bund-Länder-Kommunen-Programme zur Förderung von Rad- und Fußverkehr,
- eine Erhöhung der Mittel: Die Finanzierung fahrrad- und fußgängerfreundlicher Kommunen
muss sich an 100 Euro pro Einwohner*in pro Jahr orientieren,
- eine Rad- und fußverkehrsfreundliche Überarbeitung des Straßenverkehrsrechts, um
Radfahren und zu Fuß gehen als gleichberechtigte Verkehrsarten zu fördern und deutlich
sicherer und bequemer zu machen. Außerdem müssen Bußgelder für verkehrsgefährdendes
und fuß- und radverkehrsbehinderndes Verhalten erhöht werden,
- das Nutzen der Digitalisierung, um Sicherheit und Vorfahrt für Rad- und Fußverkehr
umzusetzen.
Tempolimits. In erster Linie helfen Tempolimits, den Verkehr sicherer zu machen, und
Unfälle, Tote und Verletzte zu vermeiden. Aber sie tragen auch zu Lärm-, Umwelt- und zum
Klimaschutz bei. Sehr schnell umsetzbar sind:
- die Einführung eines allgemeines Sicherheitstempo von 130 km/h auf Autobahnen,
- die Einführung von Tempo 30 innerorts auf allen Straßen, indem Kommunen ermöglicht
wird, leichter darüber zu entscheiden,
- ein automatisiertes Verlangsamen vor besonderen Gefahrenzonen wie Kreuzungsbereichen,
Schulen oder Krankenhäusern,
- das Anschärfen des Bußgeldkatalogs für Falschparken und zu schnelles Fahren.
Emissionsfreie Mobilität voranbringen. Trotz Bahnausbaus und gut funktionierendem
Personennahverkehr wird in naher Zukunft das Auto weiterhin eine wichtige Rolle spielen –
insbesondere in ländlichen Räumen. Jetzt muss die Bundesregierung endlich die richtigen
politischen Rahmenbedingungen setzen, damit der Sprung in die Zukunft klimafreundlicher
Antriebe schnell und reibungslos gelingt und es neue Ideen für gemeinschaftliche
Nutzungskonzepte gibt:
- Spätestens ab 2030 sollen nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden.
- Die Förderung emissionsfreier Fahrzeuge soll durch eine Bonus-Malus-Regelung in der
Kfz-Steuer wirken, die kleine und energiearme Fahrzeuge belohnt und CO2-intensive
Fahrzeuge teurer macht, sowie durch Quoten für E-Autos. Diese Quoten sollen ab 2021
exponentiell ansteigen, damit bereits Mitte der 2020er Jahre drastisch weniger Autos
mit fossilem Verbrennungsmotor auf den Markt kommen.
- Die öffentliche Hand muss bei emissionsfreien Fahrzeugen mit gutem Beispiel vorangehen
und bspw. Dienstwagenflotten und Nutzfahrzeugparks schnell umstellen.
- Wir wollen den Ausbau und die Standardisierung der Ladeinfrastruktur für
Elektromobilität im öffentlichen und privaten Raum, die Entwicklung eines
flächendeckenden, engmaschigen öffentlichen Netzes von Ladestellen mit unkomplizierter
Handhabung und Abrechnung sowie mit transparenten Preisen, genauso wie den Abbau
bürokratischer Hürden für Ladestellen in Wohnhäusern.
- Wir wollen den Abbau von Subventionen für fossil betriebene Autos sowie steuerliche
Anreize für die Nutzung von Rad, Bus, Bahn und abgasarmer Autos statt die
Subventionierung schwerer Dienstwagen.
Flugverkehr vermeiden und die Subventionierung des Flugverkehrs beenden. Wir wollen nahezu
alle innerdeutschen Flüge und Kurzstreckenflüge ins benachbarte Ausland durch schnelle und
bezahlbare Alternativen mit der Bahn bis 2030 überflüssig machen. Dazu muss massiv in die
Schieneninfrastruktur und das Zugmaterial investiert und zugleich die Subventionierung des
Flugverkehrs beendet werden. Insgesamt muss der Flugverkehr klimafreundlicher gemacht
werden. Wir wollen:
- die Befreiung des Kerosins von der Energiesteuer beenden,
- die Mehrwertsteuer für alle Flugreisen einführen und eine Vervierfachung der Steuern
auf Flugreisen, solange Kerosin- und Mehrwertsteuer nicht im vollen Umfang erhoben
werden, dabei soll es eine Differenzierung nach Streckenlänge, Klasse und
Lärmbelastung geben sowie die Ausweitung auf Frachtflüge,
- die Subventionierung von Flughäfen stoppen,
- keine weiteren Start- und Landebahnen mehr genehmigen, sondern entsprechend des
wegfallenden Inlandsverkehrs reduzieren,
- die Start- und Landegebühren für besonders klimazerstörende, schadstoffreiche und
laute Flieger erhöhen,
- eine Initiative zur Festlegung ambitionierter CO2-Grenzwerte für Flugzeuge
international vorantreiben,
- die Forschung und Förderung von emissionsneutralen Flugzeugen und Kraftstoffen
fördern,
- Flüge mit Start und Ziel außerhalb der EU schnellstmöglich wieder in den Europäischen
Emissionshandel einbeziehen – ohne kostenlose Zuteilung von Zertifikaten,
- europäische und bilaterale Abkommen zur Erhebung einer Kerosinsteuer.
Den Güterverkehr dekarbonisieren. Der Güterverkehr nimmt immer weiter zu. Gleichzeitig
wächst der Anteil des Gütertransports auf der Straße, nicht aber auf der Schiene. Das wollen
wir umdrehen. Eine klimafreundliche Verkehrspolitik muss:
- die Lkw-Maut reformieren: Staffelung der Maut nach CO2-Ausstoß sowie Ausdehnung der
Lkw-Maut auf alle Straßen und alle Lkw über 3,5 Tonnen,
- schnell Güter von der Straße auf die Schiene bringen: dauerhafte Halbierung der
Trassenpreise, Ausbau der Schieneninfrastruktur,
- den Güterverkehr reduzieren durch regionale Wirtschaftskreisläufe und Verlagerung des
Restverkehrs auf umweltfreundliche Verkehrsträger,
- den gesamten Güterverkehr – auf Straße, Schiene, Wasser und in der Luft – auf
erneuerbare Energien umstellen; dazu bedarf es umfangreicher Forschungs- und
Markteinführungsförderung,
- es mehr Pilotprojekte für oberleitungsgebundene E-Lkw geben. So wollen wir
klimafreundliche Alternativen im Güterverkehr stärken.
Mit der Binnen- und Seeschifffahrt die Klimaziele einhalten. Wir wollen:
- die Koordinierung und Konzeptionierung der Schifffahrt und der Häfen endlich in eine
verantwortliche zentrale Aufgabe des Bundes überführen, um die Klimaziele und die
Kapazitätsauslastung aller Häfen einzuhalten,
- klimafreundliche Antriebe zunächst auf EU-Ebene zum Standard machen,
- die Kreuzschifffahrt Auflagen und Bedingungen unterwerfen,
- mehr Güter von der Straße auf das Binnenschiff bringen, in dem wir zügig marode
Wasserstraßen umweltverträglich sanieren und ihren Erhalt und Modernisierung
langfristig sichern,
- schnell eine flächendeckende und verpflichtende Landstromversorgung in Häfen aufbauen,
- die Flottenerneuerung und Modernisierung der Binnenschifffahrt unterstützen, um
schnell zu emissionsfreien Antrieben zu kommen,
- den Seeschiffsverkehr in den EU-Emissionshandel einbeziehen,
- verbindliche Emissionsminderungsziele für die Seeschifffahrt – möglichst global, in
einem ersten Schritt jedoch von und zu Häfen in der Europäischen Union. Diese
Forderung hat Luxemburg bereits in den Rat der Mitgliedsstaaten eingebracht.
Ausbildungs- und Forschungsoffensive. Wir wollen:
- Die Forschung in Vernetzung und Digitalisierung von Verkehr darf nicht länger
vernachlässigt werden. Für neue Antriebe sowohl für Kraftfahrzeuge, für Schiffe und
vor allem für Flugzeuge brauchen wir innovativen Forschungsgeist. Deutschland hat die
Möglichkeit, zum globalen Spitzenreiter in diesem Sektor zu werden. Auch die Forschung
in die Vermeidung von Ultrafeinstaub muss höhere Priorität genießen.
- Die Bundesregierung hat dafür Sorge zu tragen, dass die Ausbildung von Verkehrs- und
Stadtplaner*innen der klimafreundlichen Mobilität Rechnung trägt. Vorbilder sind hier
unsere europäischen Nachbarn Niederlande und Dänemark.
6d. Zukunftsfähige Industriepolitik
Auch die Industrie muss einen deutlich stärkeren Beitrag zum Klimaschutz leisten als bisher.
Die CO2-Emissionen sind gerade hier in den vergangenen Jahren nicht gesunken – trotz
europäischem Emissionshandel. Digitalisierung und andere neue Technologien wie der Einsatz
Künstlicher Intelligenz können helfen, ökologische Effizienz zu heben und die für eine
ökologische Wende der Wirtschaft dringend benötigten Innovationen auszulösen. Gleichzeitig
birgt gerade der immense Energiehunger der digitalen Transformation das Risiko, zum
Brandbeschleuniger der Klimakrise zu werden. Deshalb braucht es verbindliche
Energiestandards für Datenzentren, zum Beispiel über einen Top-Runner-Ansatz.
Die wichtigsten industriepolitischen Rahmenbedingungen und innovationspolitischen
Förderinstrumente sind vor diesem Hintergrund:
- Investitionen in CO2-freie Industrieprozesse tätigen: Stärkung des Emissionshandels,
bessere Abschreibungsmöglichkeiten, Fördergelder für Modellprojekte, gezielte
Forschungsförderung,
- erneuerbare Energien zur Eigennutzung günstiger machen: Verlängerung der
entsprechenden Regelungen im Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz,
- Anreize setzen: die bestehenden Regeln zum Schutz der Wettbewerbsfähigkeit der
energieintensiven Industrie zielgenauer ausrichten und Grenzausgleichsmaßnahmen
einführen, damit die Industrie vor möglichen Nachteilen im internationalen Wettbewerb
mit Staaten ohne vergleichbare Klimaschutzpolitik geschützt bleibt. Gleichzeitig soll
damit ein stärkerer Anreiz für die Industrie gegeben werden, in CO2-freie Technologien
zu investieren und CO2-sparsame Werkstoffe einzusetzen,
- Investitionen in CO2-freie Industrieprozesse ermöglichen: insbesondere in den
Bereichen Stahl, Chemie und Zement lohnen sich Investitionen in CO2-freie
Industrieprozesse meist erst bei sehr hohen CO2-Preisen, die das europäische
Emissionshandelssystem derzeit noch nicht abbildet. Damit sich solche Investitionen
für Unternehmen schon heute rechnen, wollen wir den Unternehmen die Differenz zwischen
dem aktuellen CO2-Preis und den tatsächlichen CO2-Vermeidungskosten erstatten, die
ihnen durch die Investitionen in neue Verfahren und Technologien entstehen („Carbon
Contract for Difference“),
- Klimafreundliche Leitmärkte schaffen: Umstellung der gesamten öffentlichen Beschaffung
auf klimafreundliche Produkte, Produktionsverfahren, Fahrzeuge, Immobilien; Einsatz
recycelter Werkstoffe; europaweite klimaschützende Produktstandards einführen,
- Quoten festlegen: Um den Umbau der energieintensiven Unternehmen planungssicherer zu
gestalten und perspektivisch finanzielle Förderung zu reduzieren, unterstützen wir die
Vorschläge auf europäischer Ebene im Zuge des angekündigten Klimapaketes, ansteigende
Quoten für klimaneutralen Stahl, Kunststoffe oder Zement in Autos oder auch Windrädern
und Gebäuden festzulegen,
- die zentralen innovationspolitischen Förderinstrumente gezielt auf die Bekämpfung der
Klimakrise ausrichten: Explizit klimafreundliche Innovationen werden bevorzugt
gefördert. Dies betrifft etwa die Startup-Förderung, die Forschungs- und
Entwicklungsförderung, die wir sozial-ökologisch ausrichten möchten, die Hightech-
Strategie, die KI-Strategie oder die neue Agentur für Sprunginnovationen,
- Systeminnovationen für eine klimaneutrale Wirtschaft identifizieren und fördern, zum
Beispiel durch die Ausdehnung von Förderformaten wie den Kopernikus-Projekten (z.B.
Power-to-Gas) auf weitere Politikfelder wie Landwirtschaft und Verkehr,
- die Vorgaben auf europäischer Ebene zur Kreislaufwirtschaft ausbauen: Durch eine
verstärkte Kreislaufwirtschaft können die CO2-Emissionen der vier wichtigsten
Industriesektoren (Kunststoff, Stahl, Aluminium und Zement) in Europa um die Hälfte
reduziert werden,
- klimaneutrale Kreislaufwirtschaft verankern: u.a. durch ein gesetzliches
Abfallvermeidungsziel für Verpackungsmüll von 110 Kilogramm pro Kopf bis 2030, durch
Ressourcenschonung und Recyclingfähigkeit von Produkten in der Ökodesign-Richtlinie,
durch die Einrichtung eines Forschungsinstituts zur Förderung der Kreislaufwirtschaft,
durch zunehmende Verpflichtung und Förderung zur Wiedereinspeisung von Plastik in die
Kunststoffproduktion.
6e. Landwirtschaft klimafreundlich und klimafest machen
Kein anderer Bereich ist so unmittelbar auf den Erhalt unserer Lebensgrundlagen angewiesen
wie die Land- und Forstwirtschaft. Dieser Sommer hat erneut deutlich gemacht: Die
Landwirtschaft ist schon heute sowohl Leidtragende als auch Mitverursacherin der Klimakrise
– und für uns auch ein Teil der Lösung. Unser Ziel ist ein klimaneutrales
Landwirtschaftssystem, in dem nicht nur klimaschädliche Gase reduziert werden, sondern es zu
einer langfristigen Kohlenstoffbindung in Boden und Bäumen kommt.
Die Landwirtschaft produziert heute größtenteils nach Bedingungen, die in eine Sackgasse für
Bäuerinnen und Bauern, für Umwelt und Klima führen. Das Motto ist „Wachse oder weiche!“,
produziere also intensiver und billiger. Wir müssen dieses System grundsätzlich ändern, so
dass ein umwelt-, tier- und klimafreundliches Wirtschaften sich eher lohnt als
industrialisierte Landwirtschaft. Die Agrarpolitik der Bundesregierung wie auch die EU-
Agrarpolitik tun aber genau das nicht und leisten so ihren Beitrag, die Klimakrise
anzuheizen. Immer mehr Landwirt*innen erkennen, dass dieser Weg in die Sackgasse führt.
Gemeinsam mit den Bäuer*innen wollen wir zu einer standortangepassten Tierhaltung kommen.
Auch beim Ackerbau ist spätestens seit der Dürre 2018 klar, dass wir eine Strategieänderung
brauchen. Wir wollen, dass Böden so bewirtschaftet werden, dass sie CO2 speichern und
Wetterextreme abpuffern. Und wir wollen darauf hinwirken, dass widerstandsfähigere Kulturen
und Sorten angebaut werden, um den Extremsommern – die in der Zukunft Normalität sein
könnten – besser trotzen zu können.
Unsere Ernährung trägt zu einem Fünftel zu unserer schlechten Klimabilanz bei. Vor allem der
übermäßige Fleischkonsum ist hierfür verantwortlich. Global betrachtet verursacht die
Erzeugung tierischer Lebensmittel mehr Klimagase als der gesamte Verkehrsbereich. Heute
wandert ein Drittel der weltweiten Getreideernte in die Futtertröge. Klar ist: Die
Produktion und der Konsum von Fleisch müssen sinken, Dumpingpreise der Vergangenheit
angehören.
Maßnahmen für eine klimagerechte Landwirtschafts- und Ernährungspolitik:
- Radikaler Umbau der EU-Agrarförderung (GAP) und Qualifizierung der Gelder der
Europäischen Agrarpolitik: Öffentliche Gelder sollen qualifiziert und spätestens ab
2027 nur in öffentliche Leistung investiert werden. Gefördert werden soll dann nur
noch eine klima- und tiergerechte, arten- und umweltschützende Landwirtschaft.
Deutschland hat über den Europäischen Rat Einfluss und Möglichkeit, diesen
Systemwechsel in der EU-Agrarpolitik einzufordern. Wir müssen alle bestehenden und
sich durch die GAP-Reform ergebenden Möglichkeiten nutzen, um eine klimagerechtere
Landwirtschaft voranzubringen.
- Ausweitung des Ökolandbaus bis 2025 auf mindestens 25 Prozent der Fläche: Dafür wollen
wir in den nächsten sieben Jahren eine Milliarde Euro Bundesmittel in den Ökolandbau
investieren.
- Umbau der industriellen Tierhaltung in tiergerechte Haltung: Die Landwirtschaft soll
ihre Tierhaltung art- und klimagerecht umbauen. Die Bestände sollen dabei reduziert
werden, der Tierbestand soll flächengebunden sein und maximal bei zwei
Großvieheinheiten pro Hektar liegen, perspektivisch noch darunter. Im Gegenzug soll es
eine Förderung für den Stallumbau geben. Damit reduzieren wir Methan- und Lachgas-
Emissionen und schützen Regenwälder vor Abholzung für europäischen Fleischkonsum und -
export. Diese Maßnahmen werden dazu führen, dass Fleisch teurer wird.
- Auflegen eines Brachflächenprogramms als Kurzfristmaßnahme: Landwirtinnen und
Landwirte, die ihren tierhaltenden Betrieb aufgeben wollen, sollen diesen an einen
staatlichen Fonds verkaufen können, der die Flächen in eine extensive Nutzung oder
Brache überführt.
- Verbot von Importen von Futtermitteln und Palmöl von gerodeten Flächen bzw. von
Flächen, für die natürliche Ökosysteme zerstört wurden durch gesetzliche Regelungen im
Rahmen des Waldaktionsplans auf EU-Ebene.
- Anpassung des deutschen Düngerechts an die Anforderungen der EU-Kommission für Klima-,
Natur- und Wasserschutz: Wir wollen vor allem für ohnehin belastete Gebiete neben
einem verbesserten Düngemanagement die Menge an Düngemitteln, die ausgebracht werden
darf, deutlich begrenzen. Wenn das Ordnungsrecht nicht zeitnah Erfolge erzielt, soll
ab 2022 eine Stickstoffabgabe erhoben werden.
- Fördern von Permakultur: Sie bietet höchste Produktivität auf minimalem Raum und ist
gut für Böden und Humus.
- Reduzierung der Fleischproduktion: Wir wollen über die Konsequenzen des Fleischkonsums
aufklären und setzen uns für mehr Selbstverständlichkeit von vegetarischer und veganer
Ernährung ein. Darum fördern wir ein größeres Angebot an vegetarischen und veganen
Speisen in Schulen, Mensen und Kantinen.
- Entwickeln von Alternativen zu Fleisch: Fleischersatz aus pflanzlichen Zutaten sowie
künstlich hergestelltes Fleisch werden zukünftig eine größere Rolle spielen. Die
Erforschung solcher Alternativen halten wir für richtig und wichtig, denn sie eröffnen
eine Perspektive, tierisches Eiweiß ohne Tierleid, Nitrat und mit deutlich geringerer
Klimabelastung herzustellen. Auch wenn sie noch nicht marktfähig sind, unterstützen
wir sie. Dies ist zudem ein Weg, um die Tierbestände zu reduzieren und die
Landwirtschaft zu extensiveren. Er sollte weiter gegangen werden.
- Förderung regionaler Produktion: Bei der Art und Weise, wie wir uns ernähren, setzen
wir auf regionale Versorgungsstrukturen und Wertschöpfungsketten in der Stadt, auf dem
Land und in der Gemeinschaftsverpflegung. Zugleich entwickeln wir nachhaltige
Ernährungsstrategien, worüber auch der Ausbau des Ökolandbaus unterstützt wird.
- Eindämmen von Lebensmittelverschwendung: Bis 2030 muss die Lebensmittelverschwendung
halbiert werden – das ist eins der internationalen Nachhaltigkeitsziele. Um das zu
erreichen, brauchen wir verbindliche Reduktionsziele für alle Stufen der
Wertschöpfungskette und einen gesetzlichen Wegwerfstopp für Supermärkte und
Lebensmittelproduzent*innen. Für lang haltbare Lebensmittel wie Nudeln oder
Hülsenfrüchte wollen wir das Mindesthaltbarkeitsdatum aufheben. Handels- oder EU-
Normen, die dazu führen, dass zu kleines oder unförmiges Obst und Gemüse gar nicht
erst die Supermarktregale erreicht, wollen wir abschaffen, Lebensmittelspenden
erleichtern und Containern straffrei machen.
Wälder schützen...
Wir brauchen Wälder, die der Klimakrise besser trotzen und dabei aktiven Klimaschutz
betreiben. Sie sind unverzichtbar für den Klimaschutz. Der Aufbau eines naturnahen, gesunden
Waldes kann viele Millionen Tonnen CO2 binden, bei nachhaltiger Nutzung des Holzes auch
dauerhaft. Aktuell ist der Wald von der Klimakrise bedroht, das liegt auch an den Fehlern
der Vergangenheit. Statt auf schnell wachsende Nadelholzplantagen zu setzen, brauchen wir
jetzt naturnahe Laubmischwälder mit standortheimischen Baumarten. Durch den Dürresommer 2018
und die Hitzeperioden dieses Jahres droht jetzt ein neues Waldsterben. Die Waldpolitik muss
daher auf allen Ebenen umsteuern:
- Umwandlung von Holzplantagen in naturnahe Wälder und ökologische Bewirtschaftung
gesetzlich festlegen und fördern; alte Wälder dauerhaft schützen und mit einem
Moratorium den Einschlag alter Bäume stoppen,
- Waldzukunftsfonds von einer Milliarde Euro für die nächsten Jahre als erste
Finanzspritze für den kranken Wald einführen; Förderung immer nach dem Prinzip
„öffentliches Geld nur für öffentliche Leistungen“ ausgeben,
- Wiederbewaldung mit standortheimischen Baumarten auf zerstörten Waldflächen, in Auen
und Niederungen fördern,
- fünf Prozent, perspektivisch zehn Prozent Urwaldflächen bundesweit festschreiben, in
öffentlichen Wäldern bereits heute zehn Prozent Urwaldfläche verbindlich machen,
- Holzverbrauch senken: Die wertvolle Ressource Holz muss effizient und nachhaltig
genutzt werden. Dafür wollen wir die Kaskadennutzung fördern, in der Holznutzung für
langlebige Produkte wie für den Bau und für Möbel an erster Stelle steht. Erst ganz am
Ende einer Nutzungskette sollten kurzlebige Holz- und Papierprodukte entstehen oder
Holz als Energieträger verbrannt werden. Die Nutzung von landbasierter Biomasse für
energetische Zwecke darf nicht weiter ausgebaut werden. Die direkte Verbrennung von
Frisch-Holz muss zurückgehen,
- Kohlenstoffsenke des Waldes durch Ausweisung von Naturwäldern verbunden mit einer
Reduktion des jährlichen Holzeinschlags und der Förderung von Waldflächen mit
natürlicher Waldentwicklung erhalten, um Anpassungsprozesse an die Klimakrise zu
ermöglichen,
- die Nutzung von landbasierter Biomasse für energetische Zwecke nicht weiter ausbauen,
die direkte Verbrennung von Frisch-Holz verringern, stattdessen durch Kaskadennutzung
aus weniger Holz mehr machen.
...und Moore auch.
Entwässerte Moore setzen Klimagase frei. Besonders landwirtschaftlich genutzte Moorböden,
die zwar nur sieben Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Deutschlands ausmachen,
emittieren 37 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft. Moorschutz
würde daher auf die Fläche gerechnet überproportional hohe Einsparungen in den
Treibhausgasen bedeuten. Daher ist Moorschutz wichtig und notwendig.
- Moore renaturieren: Die schnelle Wiedervernässung von Mooren ist von
überproportionalem Nutzen zur Einsparung von Treibhausgasen. Deshalb starten wir ein
gemeinsames großflächig wirksames Moorrenaturierungsprogramm von Bund und Ländern und
stoppen den Umbruch, die Entwässerung und die Zahlung von Agrarsubventionen für die
Bewirtschaftung entwässerter Moorböden ab 2021.
- 50 Prozent des entwässerten Waldes sollen bis 2030 wiedervernässt werden.
- Für alle bundeseigenen Moorflächen muss die Entwässerung bis 2030 gestoppt werden.
- Paludikultur, also die landwirtschaftliche Nutzung nasser Hoch- und Niedermoore,
wollen wir als Landwirtschaft anerkennen und in die Agrarförderung aufnehmen. Dazu
starten wir ein Investitionsprogramm und eine Klimaschutz-Flächenprämie.
- Aus der Gewinnung von Torf wollen wir aussteigen und Torf durch erneuerbare
Alternativen ersetzen.
6f. Green Finance
Der Finanzsektor ist entscheidend für mehr Klimaschutz. Mit einer breit angelegten Strategie
sorgen wir dafür, dass Anlagekapital in Zukunft Klimaschutz statt Klimazerstörung
finanziert:
- Alle Akteure – Banken, Versicherungsunternehmen und Rating-Agenturen – müssen Risiken,
die sich aus nicht nachhaltigen Investitionen ergeben, konsequent berücksichtigen. So
können Unternehmen, die Menschenrechte verletzen oder den Klimazielen von Paris
zuwider arbeiten, von den Anleger*innen auf den Finanzmärkten abgestraft werden. Das
heißt für sie höhere Zinsen und schlechterer Zugang zu Kapital.
Nachhaltigkeitskennziffern müssen in der Berichterstattung regelmäßig offengelegt
werden.
- Klimarisiken, die in Konzern- und Bankbilanzen schlummern, sollten bei der Bewertung
durch Rating-Agenturen und die Finanzmarktaufsicht berücksichtigt werden, zum Beispiel
durch Klima-Stresstests für Banken und Versicherungen oder durch Aufschläge bei
Eigenkapitalanforderungen zu Finanzierungen, die hohe Klima- und Umweltrisiken bergen.
- Damit Kleinanleger*innen von der grünen Finanzwende profitieren und ihr Geld mit gutem
Gewissen anlegen können, brauchen wir ein EU-Label für nachhaltige Finanzprodukte mit
starken ökologischen und sozialen Standards. Anhand eines einfachen
Klassifizierungssystems und klarer Standards für Grüne Anleihen können Anleger*innen
sich einfach über den Grad der Nachhaltigkeit ihrer Geldanlage informieren. Auch
werden sie bei jedem Beratungsgespräch verpflichtend gefragt, wie
Nachhaltigkeitskriterien in ihren Anlagen berücksichtigt werden sollen.
- Die Europäische Zentralbank muss ebenfalls ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Als
Sicherheiten sollte sie nur noch Vermögenswerte akzeptieren, die mit unseren
Klimaschutzzielen konform sind.
- Auch für die öffentliche Hand brauchen wir endlich neue Anlagerichtlinien, denn die
Pensionen für die Beamten oder auch für die Beschäftigten der Bundesagentur für Arbeit
müssen nach Klimaschutz- und Nachhaltigkeitskriterien angelegt werden. Der Bund kann
dem Markt für nachhaltige Geldanlagen wichtige Impulse geben. Dafür muss er seine
Investitionen in Kohle-, Öl- und Gas-Konzerne, die Geschäfte auf Kosten des Klimas
machen, beenden (Divestment).
7. Klimaschutz in Bildung und Wissenschaft
Wissenschaftliche Erkenntnisse sind für uns Grundlage politischer Entscheidungen. Sie zeigen
Lösungsansätze und Entscheidungsalternativen für große gesellschaftliche Probleme, wie zum
Beispiel den menschengemachten Klimawandel, auf. Aktuelle Studien, wie zum Beispiel zum
Schmelzen der Permafrostböden, zeigen, dass die Klimakrise bereits weiter fortgeschritten
ist als bisher angenommen. Der notwendige Weg, die globale Erhitzung zu begrenzen, erfordert
gesellschaftliche Auseinandersetzung, deren wissenschaftliche Begleitung sowie eine „Bildung
für nachhaltige Entwicklung" (BNE).
Die Pariser Klimaziele sowie wissenschaftliche Erkenntnisse umzusetzen, bedeutet auch
negative Emissionen – also das Rückholen von Kohlendioxid aus der Atmosphäre – bis Ende des
Jahrhunderts in erheblichem Umfang zu erreichen. Das kann zumindest teilweise gelingen,
indem CO2 in Wäldern oder Böden dauerhaft gebunden wird. Wir wollen deshalb Forschung und
Erprobung von Technologien für negative Emissionen unterstützen.
Gleichzeitig entbindet die Dringlichkeit der ökologischen Krisen uns nicht davon, genau
hinzuschauen und mögliche Risiken und Konsequenzen im Blick zu haben, wie schon bei der
Atomenergie, deren Gefahren und lange Strahlung jedes verantwortbare Maß menschlicher
Verantwortung überschreiten, oder bei der Freisetzung von gentechnisch veränderten
Organismen. Das gilt auch für technische Maßnahmen des „Geoengineerings“, mit denen in die
biogeochemischen Prozesse der Erde eingegriffen werden soll, etwa indem Meere gedüngt oder
Schwefelaerosole in der Stratosphäre ausgebracht werden, um die Wolken aufzuhellen und die
Sonneneinstrahlung zu reflektieren. Dem übergeordneten Ziel einer nachhaltigen Politik
entspricht das nicht. Wir werden alle Optionen am Vorsorgeprinzip und dem Prinzip der
Umkehrbarkeit messen: Was kurzfristig hilfreich erscheint, ist untauglich, wenn es in der
Folge neue Probleme schafft. Was Folgen mit sich bringt, die nicht wieder rückgängig gemacht
werden können, ist nicht der richtige Weg, denn er nimmt zukünftigen Generationen die
Freiheit. Daraus leiten wir die folgenden Forderungen ab:
- Klimagerechtigkeit muss in allen Bildungsinstitutionen (Kitas, Schulen,
Volkshochschulen, Hochschulen etc.) und non-formalen Bildungsorten auf allen Ebenen
besser verankert werden. Ausgehend von der zeitlich bedingten Notwendigkeit, muss
Bildung für nachhaltige Entwicklung im gesamten Bildungs- und Wissenschaftssystem
maßgeblich das Grundverständnis, die Strukturen, Inhalte und Ziele bestimmen.
- Für ein noch besseres Verständnis der ökologischen Herausforderungen braucht es unter
anderem Klima-, Energie- und Akzeptanzforschung, Forschung zur Zukunft der Arbeit und
(Agrar-)Wirtschaft, Überwindung der „Wissens-Verhaltens-Lücke" und Innovationen in der
Klimafolgenanpassung.
- Wir brauchen insgesamt mehr Vielfalt in allen Wissenschaftsbereichen. Dabei ist es für
uns zentral, dass die Wissenschaft frei und unabhängig von Verwertungsinteressen
bleibt. So müssen zum Beispiel einige Bundeszuwendungen verstetigt werden.
Anderenfalls werden unvorhersehbare, kreative Ideen und interessanter Dialog verloren
gehen.
- Wir wollen bestehende Grenzen zwischen den Wissenschaftsfeldern aufbrechen und trans-
und interdisziplinäre Zusammenarbeit unterstützen, auch in Zusammenarbeit mit der
Zivilgesellschaft. Deshalb setzen wir uns auch dafür ein, Forschung mit Anwohner*innen
sowie lokalen Initiativen in Reallaboren zu ermöglichen.
- Öffentlich finanzierte Hochschulen und Forschungseinrichtungen haben schon immer einen
Vorbildcharakter gehabt, was nachhaltige Entwicklung betrifft. Sie müssen durch
klimagerechte Maßnahmen insbesondere bei Mobilität, eigenem Energiekonsum, Gebäude und
Beschaffung bis spätestens 2030 klimaneutral sein.
8. Soziale Maßnahmen für gerechten Klimaschutz
Unter den Auswirkungen der Klimakrise leiden Menschen mit geringen Einkommen mehr als
Menschen mit hohen. Daher ist Klimapolitik immer auch Sozialpolitik. Zugleich ist klar, dass
Preiserhöhungen sozial ausgewogen sein müssen. Wir wollen den Klimaschutz als Gesellschaft
gemeinsam und fair miteinander gestalten. Die notwendige Transformation der Wirtschaft kann
nur gelingen, wenn sie ökologisch und gleichzeitig sozial ist. Die ökologische Frage ist
auch immer eine soziale Frage.
Wir stellen sicher, dass die Menschen von ökologisch-sozialer Modernisierung profitieren:
- Aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung finanzieren wir ein Energiegeld von zunächst 100
Euro, das jede Bürgerin und jeder Bürger erhält. Da Menschen mit niedrigem Einkommen
in der Regel weniger CO2 produzieren, profitieren sie überdurchschnittlich davon.
- Kaufpreisprämien müssen in niedrigeren Preissegmenten höher sein als in teureren
Preissegmenten.
- Wir wollen Energiearmut in Deutschland bekämpfen und Stromsperren verhindern, von
denen besonders häufig Menschen mit geringem Einkommen oder in schwierigen Lebenslagen
betroffen sind.
- Bei der Gebäudesanierung wollen wir ein Klimawohngeld einführen und so für Mieterinnen
und Mieter mit kleinem Einkommen warmmietneutrale Modernisierungen ermöglichen.
- Gute Bezahlung und gerechte Entlohnung bilden mit die Basis für ökologische
Kaufentscheidungen. Wir wollen das Tarifvertragssystem stärken, den Mindestlohn
erhöhen, Wege aus den Minijobs und dem Niedriglohnsektor ebnen und eine bessere
Bezahlung der sozialen Berufe durchsetzen.
- Der Klimaschutz wird in zahlreichen Branchen zu einem Strukturwandel führen. Dabei
wollen wir die Beschäftigten unterstützen. Weiterbildung und Qualifizierung sind dabei
entscheidend. Wir wollen ein Recht auf Weiterbildung einführen, die Beratung vor Ort
verbessern und vernetzen, eine sozial gerechte Weiterbildungsförderung schaffen, die
Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung weiterentwickeln und besonders
betroffene Branchen zielgenau unterstützen.
- Um Beschäftigte zu unterstützen, die aufgrund eines klimaschutzbedingten
technologischen Wandels absehbar neue Qualifikationen benötigen, schlagen wir ein
Klimaqualifizierungsgeld vor. Dies kommt insbesondere solchen Unternehmen zugute, die
auf Grund ihrer Größe und ihres Umsatzes nicht ohne weiteres einen eigenen
Qualifizierungsfonds einrichten können. Voraussetzung für den Bezug des
Klimaqualifizierungsgeldes ist ein gemeinsam zwischen den Betriebspartnern erstellter
Business- und Qualifizierungsplan, der klar regelt, welche Maßnahmen für den
Klimaschutz getroffen und welche Qualifikationen durch die Beschäftigten erworben
werden müssen.
- Für Regionen, die besonders von der Transformation betroffen sind, braucht es gezielte
Hilfe. Daher unterstützen wir den „Just Transition Fund“ auf EU-Ebene und wollen die
beihilferechtlichen Vorgaben in Sinne gerechter Transformation weiter entwickeln.
- Um soziale Härten im Zuge des Kohleausstieges zu vermeiden, müssen im
Kohleausstiegsgesetz bzw. im Strukturstärkungsgesetz arbeitsmarkt- und
qualifizierungspolitische Maßnahmen sowohl für die direkt als auch für die in der
Zuliefererindustrie indirekt vom Braunkohleausstieg betroffenen Beschäftigten
enthalten und mit entsprechenden Finanzmitteln hinterlegt sein. Zugleich müssen die
Vorbereitungen zur nachhaltigen sozialen Absicherung älterer Beschäftigter,
insbesondere in Form des Anpassungsgeldes, gerade auch im Haushalt unverzüglich
eingeleitet werden.
- Wir müssen sicherstellen, dass Menschen nicht zum Arbeiten verpflichtet werden, wenn
sie durch extreme Hitze ihre Gesundheit und ihr Leben gefährden. Deswegen wollen wir
für hitzebedingte Arbeitsausfälle ein Hitzegeld einführen, welches den Beschäftigten
60 Prozent ihres Nettogehaltes garantiert.
- Alle Menschen sollen Zugang zu bezahlbarer Mobilität haben. Über Sozialtickets und
unseren Mobilpass sorgen wir dafür, dass Bahnfahren und ÖPNV gerade für Menschen mit
niedrigen Einkommen bezahlbar sind.
- Wir wollen die Stromkostenpauschale aus dem Hartz-IV-Regelsatz herauslösen und
jährlich dynamisieren, sodass Kostensteigerungen beim Strompreis nicht zu einer
Unterdeckung des Regelsatzes führen. Weitere Kostensteigerungen, die sich aus dem
Klimaschutz ergeben, müssen in die Anpassung der Sätze miteinbezogen werden. Menschen,
die keine weitere Belastung schultern können, dürfen auch nicht stärker belastet
werden.
9. Anpassung an das Unvermeidbare
Anpassung ist keine Alternative zur Minderung von Treibhausgasen. Jedes Zehntel Grad
Erderwärmung macht einen Unterschied, wie heftig die Auswirkungen der Klimakrise in den
nächsten Jahrzehnten sein werden. Daher kommt es auch auf jede eingesparte Tonne CO2 an.
Doch auch bei einer Begrenzung der globalen Erhitzung auf deutlich unter 2 Grad, selbst bei
1,5 Grad werden die Auswirkungen der Klimakrise deutlich spürbar sein. Eine Anpassung daran
ist unvermeidlich. Die Zunahme der Extremwetterereignisse wie Dürren oder die
Extremniederschläge der vergangenen Jahre haben gezeigt, worauf wir uns einstellen müssen.
Zur Abmilderung der Auswirkungen der Klimakrise und zur Bewältigung des Unvermeidbaren
braucht Deutschland einen Aktionsplan, der Klimaschutz und Klimaanpassung miteinander
verbindet. Damit werden Menschen, Städte, Umwelt und Natur widerstandsfähiger gegen die
Folgen der Klimakrise gemacht und können einen größeren Beitrag zur Minimierung der
Klimakrise leisten. Im Zentrum dabei steht für uns ein nationaler Klimafolgenanpassungsfonds
in Höhe von zwei Milliarden Euro, mit denen wir die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise
begrenzen wollen. Folgende Schritte sind aus unserer Sicht schon jetzt unerlässlich:
- Beim Städte- und Wohnungsbau müssen wir für Hitzeschutz sorgen. Schon heute liegen die
Temperaturen in Großstädten wie Köln, Stuttgart oder Berlin im Sommer teilweise zehn
Grad über denen des Umlandes. Menschen können nächtelang nicht schlafen und arbeiten
in klimatisierten Räumen. Wir brauchen einen Städte- und Wohnungsbau, der die
Entwicklungen der Klimakrise berücksichtigt. Statt Betonwüsten braucht es mehr Bäume,
Wasser- und Grünflächen sowie Frischluftschneisen in unseren Städten, denn sie wirken
wie Klimaanlagen. Mit finanziellen Mitteln müssen Projekte für mehr Stadt- und
Fassadenbegrünung, Schattenflächen, Häuserdämmung sowie Kühlung durch Kältespeicher
und erneuerbar betriebene Wärmepumpen in den Wohnungen, aber auch hellere Fassaden und
hellerer Straßenbelag gefördert werden. Das ist gut für die Gesundheit der Menschen,
die Luft und das Klima.
- Wir wollen Betroffene entschädigen. Derzeit sind nur 40 Prozent der Häuser in
Deutschland gegen Elementarschäden versichert und gerade in den von Hochwasser
gefährdeten Gebieten werden Versicherungen gar nicht mehr angeboten oder sind kaum
finanzierbar. Neben angemessenen Versicherungslösungen für die Betroffenen ist ein
zusätzlicher Fonds für unbürokratische und zügige Entschädigungszahlungen aufzulegen
für Menschen, deren Existenz bedroht ist. Zudem sollen regionale Landkarten erstellt
werden, auf denen absehbare Gefährdungslagen kartiert sind. Ausweisungen von
Neubaugebieten in Überschwemmungsgebieten wollen wir einschränken.
- Wir wollen den Gesundheitsschutz erhöhen. Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts ist
die Zahl von Todesfällen aufgrund von Herzkrankheiten während der Hitzewellen deutlich
angestiegen. Besonders betroffen sind Säuglinge, Kleinkinder und ältere Menschen. Das
Bundesgesundheitsministerium rechnet bis zum Ende des Jahrhunderts mit einer um den
Faktor drei bis fünf erhöhten Todesrate durch Hitzewellen. Hinzu kommen Folgeprobleme
wie eine massive Zunahme von Allergien, da sich etwa die Pollenflugsaison in den
vergangenen 30 Jahren bereits um zehn bis zwölf Tage verlängert hat. Für Warnsysteme,
bessere Behandlungsmöglichkeiten von klimabedingten Krankheiten sowie Hitze-
Aktionspläne muss Geld bereitgestellt werden. Die Aktionspläne sollten eine
koordinierte Kommunikation von Tipps und Verhaltensweisen für die Bevölkerung bei
Extremwetterereignissen beinhalten. Über eine bundesweite Beratungstelefonnummer
sollen Informationen zur Vermeidung hitzebedingter Gesundheitsschäden abgerufen werden
können.
- Wir wollen einen bundesweiten Hitzeaktionsplan verabschieden. Damit schützen wir die
Bevölkerung vor hitzebedingten Gesundheitsschäden.
- Wir wollen die Landwirtschaft anpassen und die Forschung für robuste Pflanzen
intensivieren, damit Landwirt*innen die Herausforderungen der Klimakrise meistern
können. Entschädigungen sowie Förderprogramme für technische Lösungen bekämpfen nur
die Symptome, sparen aber die erforderlichen Änderungen im System sowohl auf dem Acker
als auch in der Tierhaltung aus. Vielfältige Fruchtfolgen, angepasste Sorten und
humusreiche Böden können Trockenstress und Klimawandel besser trotzen als
Monokulturen. Alternative Forschung und Anbaumethoden müssen deutlich stärker
gefördert werden.
- Wir wollen gesunde Böden fördern: Viele Regionen werden in den nächsten Jahren mit
Trockenheit zu kämpfen haben. Umso wichtiger, dass der Boden gesund und geschützt ist
– mit genügend Humus, um ausreichend Wasser zu speichern. Wir werden den Humuserhalt
und -aufbau von Böden durch Umwandlung ungeeigneter Äcker in Grünland sowie die
Ausweitung agrarökologischer Methoden wie Agroforstsysteme, Mischkulturen, weite
Fruchtfolgen und eine ganzjährige Bodenbedeckung fördern.
- Wir wollen Flächen entsiegeln. Versiegelte Flächen heizen die Umgebung nicht nur
unnötig auf, sondern können auch kein Regenwasser aufnehmen. Letzteres führt zu
Überschwemmungen. Deshalb braucht es ein Programm zur Wiederherstellung geschädigter
und versiegelter Böden in ihre natürliche Funktion als CO2- und Wasserspeicher.
- Bäume stellen Kohlenstoffsenken dar. Deshalb sind Agroforstsysteme unabdingbar für
eine klimagerechte Landwirtschaft. Auch wollen wir den Baumstand pro Festmeter im Wald
festschreiben und ihn durch Begrünung städtischer Umgebungen steigern. Bei der
Aufforstung wollen wir zum Vorreiter werden. Dazu setzen wir im Rahmen eines
Waldaufforstungsprogramm auf gesunde Mischwälder und klimarobuste Arten.
- Wir wollen Wälder vor Bränden schützen. Für den Fall großer Waldbrände braucht es
bundesländerübergreifende Katastrophenpläne, ausreichende Spezialisten und eine gute
Ausrüstung zum Beispiel mit Löschflugzeugen. Doch genauso wichtig wie eine
Waldbrandstrategie ist Waldbrand-Prävention: Dazu gehören Vorsorgemaßnahmen wie
Schutzstreifen und Waldbrandriegel sowie den nachhaltigen Umbau der Wälder
insbesondere nach Sturmschäden von Monokultur-Nadelwäldern hin zu artenreichen
Mischwäldern. Diese sind weniger brandgefährdet und zudem ein Gewinn für die
Artenvielfalt.
- Wir wollen vor Hochwasser schützen. Hochwasserschutz ist mehr als Deiche bauen. Mit
Blick auf die mittlerweile alle paar Jahre hereinbrechenden Jahrhunderthochwasser ist
eine prioritäre Finanzierung des ökologischen Hochwasserschutzes überfällig. Dazu
gehört, den Flüssen wieder mehr Raum zu geben sowie eine Reaktivierung von Auen
entlang von Flüssen. Auch braucht es Hochwasserkonzepte für Städte, die aufgrund ihrer
massiven Versiegelung nicht für extreme Niederschläge gerüstet sind.
10. Klimaschutz kennt keine Grenzen
Auch wenn sich dieser Maßnahmenplan vor allem auf die national notwendigen Anstrengungen
konzentriert, so ist doch völlig klar: Klimaschutz kennt keine Grenzen und muss europäisch
und global gedacht werden.
Von der Klimakrise betroffen sind weltweit zuerst jene, die die Klimakrise nicht verursacht
haben und sich am wenigsten vor den Auswirkungen schützen können: Menschen, besonders
Frauen, in den Ländern des Globalen Südens. Wir unterstützen die ärmsten Staaten beim
Klimaschutz und bei der Anpassung an Klimaveränderungen. Insbesondere mit Schwellen- und
Entwicklungsländern bauen wir Klimapartnerschaften auf und verstärken die klimapolitische
Zusammenarbeit. Wir setzen uns dafür ein, dass die Menschen in Entwicklungs- und
Schwellenländern, die besonders von der Klimakrise betroffen sind, solidarische und
koordinierte Hilfe der Staatengemeinschaft erhalten. Dafür fördern wir systematisch
Klimarisikoanalysen und ein Klimarisikomanagement. Ansätze auf internationaler Ebene müssen
die Umsetzung der Menschenrechte, etwa der Rechte auf Nahrung, Wasser oder Gesundheit,
befördern und die Bevölkerung vor Ort miteinbeziehen. Lokal Betroffenen muss die notwendige
Umsiedlung in Würde garantiert werden, Menschen, die ihre Heimat aufgrund der Klimakrise
verlassen, brauchen internationalen Schutz.
- Wir werden uns in den internationalen Klimaverhandlungen dafür einsetzen, das Pariser
Klimaabkommen zu einem internationalen Regime weiterzuentwickeln, das von den Staaten
möglichst verbindliche Ziele einfordert, Vergleichbarkeit und Transparenz der
Zieleinhaltung sicherstellt und die Nichteinhaltung sanktioniert.
- Wir werden uns dafür einsetzen, dass die im Rahmen des Pariser Klimaabkommens
anstehenden regelmäßigen fünfjährlichen Überprüfungen („global stocktakes“) der
nationalen Klimaschutzbeiträge (NDCs) tatsächlich dazu führen, dass die Klimaziele
aller Staaten angemessen erhöht werden. Dafür muss sich der Überprüfungsprozess am
aktuellen Stand der Wissenschaft zur Begrenzung der Erderhitzung auf deutlich unter 2
Grad, möglichst 1,5 Grad und an Kriterien der globalen Klimagerechtigkeit orientieren.
Gleichzeitig werden wir die Unterstützung von Ländern für die Umsetzung und
Verbesserung von NDCs in Foren wie der NDC-Partnerschaft deutlich ausbauen.
- Die Industrieländer haben zugesagt, die Entwicklungsländer ab 2020 mit jährlich 100
Milliarden US-Dollar bei Klimaschutz und Anpassung an die Folgen der Klimakrise zu
unterstützen; der gerechte Anteil Deutschlands daran wären etwa 10 Milliarden Dollar.
Doch wir wissen bereits heute, dass diese Summen nicht reichen werden. Wir werden uns
daher dafür einsetzen, dass Deutschland in einem ersten Schritt jährlich 10 Milliarden
Euro aus öffentlichen Mitteln für internationale Klimafinanzierung bereitstellt, mit
denen dann auch weitere private Mittel mobilisiert werden können. Zusätzlich soll
Deutschland auch seine Zahlungen erhöhen, um die anderen nachhaltigen
Entwicklungsziele zu erreichen.
- Die ambitionierte Koalition der Finanzminister*innen für Klimaschutz soll bis Mitte
2020 ein ambitioniertes Programm für die Ausrichtung der globalen Finanzströme an den
Zielen des Pariser Klimaabkommens vorlegen. Das heißt zu Beispiel, dass
klimaschädliche Subventionen abgebaut und alle klimabedingten Geschäftsrisiken
konsequent offengelegt werden.
- Deutschland sollte die strategische Klima-Allianz mit den 48 von der Klimakrise
besonders betroffenen Entwicklungsländern, die sich zu 100 Prozent erneuerbaren
Energien und Netto-Nullemissionen verpflichtet haben, ausbauen, damit sie diese Ziele
sobald wie möglich erreichen.
- Internationale Allianzen der Regionen, wie zum Beispiel die „Under2Coalition“, werden
wir stärken und ausbauen, um auch in jenen Staaten den Klimaschutz voranzubringen, die
derzeit Schlusslicht in der internationalen Klimapolitik sind. Dadurch stärken wir
auch die Zusammenarbeit mit subnationalen Akteuren in allen Ländern und halten die Tür
für Länder wie die USA offen, wenn sie sich zur Rückkehr zum Pariser Abkommen
entscheiden.
- Wir setzen uns für ressortübergreifende strategische Partnerschaften mit den großen
Schwellenländern für klimafreundliche Investitionsoffensiven in Mobilität, Energie,
Digitalisierung, nachhaltige Stadtentwicklung und Schlüsselindustrien wie Stahl oder
Zement ein.
- Wir werden die Kriterien für die internationale Zusammenarbeit zugunsten
klimaneutraler Investitionen ändern und dafür sorgen, dass jede Art fossiler
Technologie nicht mehr über Exportkredite oder Bürgschaften abgesichert werden kann,
wenn sie nicht im Einklang mit den Zielen von Paris steht.
- Für das Jahr 2050 werden 100 bis 150 Millionen Menschen auf der Flucht prognostiziert
– allein aufgrund der Klimakrise, wenn sie ungebremst fortschreitet. Wir müssen unsere
humanitäre Hilfe massiv erhöhen, uns auf Katastrophen bedingt durch die Klimakrise
einrichten und uns intensiver mit dem Recht auf Klimaflucht auseinandersetzen. Wir
unterstützen Entwicklungsländer im Rahmen der Agenda 2030 dabei, der Klimakrise
entgegenzuwirken, damit die Menschen ihre Lebensgrundlagen nicht verlieren. Und wir
helfen ihnen dabei, nötige Umsiedlungen durch Klimakatastrophen bewältigen zu können.
[1] Laurent Fabius, Chefverhandler der Klimakonferenz in Paris und damaliger französischer
Außenminister
[2] Im weiteren Text verkürzt als CO2.
[3]https://www.scientists4future.org/stellungnahme/fakten/
[4]https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2016_2020/2019_09_Brie-
f_Klimakabinett.pdf?__blob=publicationFile&v=5
[5] Annahme: Bei einem Temperaturanstieg von maximal 1,75° C und einer Wahrscheinlichkeit
der Zielerreichung von 67 Prozent; mit einer Wahrscheinlichkeit von 40 Prozent sogar 1,5° C
Erderhitzung.
weitere Antragsteller*innen
Fehler:Du musst dich einloggen, um Änderungsanträge stellen zu können.
Von Zeile 506 bis 509:
- Erhöhung der Warmmieten. Mit der sozialen Wohnraumförderung und bei kommunalen Wohnungsunternehmen ermöglichen wir das ebenfalls in den Ländern und Kommunen.
Im Mietrecht senken wir die Modernisierungsumlage, d.h. die Mieterhöhung nach Modernisierung, deutlich ab und kappen sie bei höchstens 1,50 Euro je Quadratmeter.Auch die kürzlich beschlossene Reduktion der Modernisierungsumlage auf 8 Prozent ist nach wie vor unangemessen hoch und heizt das Herausmodernisieren weiter an, wir sind deshalb für die Abschaffung der Modernisierungsumlage. Die Verantwortung, die Klimakatastrophe auch im Wohnungsbereich zu verhindern, ist von allen in der Gesellschaft zu tragen und nicht nur von den Mieter*innen.
„Wenn wir jetzt versagen, werden unsere Kinder uns nicht verzeihen.“[1]
Mit diesen Worten verpflichtete sich die Weltgemeinschaft 2015 in Paris, die Erhitzung des
Planeten bis zum Ende des Jahrhunderts auf „deutlich unter 2 Grad, möglichst 1,5 Grad“ zu
halten und perspektivisch nur noch so viel Treibhausgase auszustoßen, wie das natürliche
Ökosystem aufnehmen kann. Die Industriestaaten sollten voranschreiten und bis Mitte des
Jahrhunderts klimaneutral werden.
Doch das Gegenteil ist passiert. Zu Recht demonstrieren weltweit Millionen Menschen auf der
Straße für den Schutz der Erde. Denn der Ausstoß von Treibhausgasen[2] ist weltweit
ungebrochen. Mehr als 36 Milliarden Tonnen CO2 emittiert unsere noch immer auf fossilen
Energien wie Kohle, Öl und Gas basierende Weltwirtschaft jedes Jahr. Das heizt die
Atmosphäre immer weiter auf. Die Klimakrise spitzt sich dramatisch zu. Die vergangenen vier
Jahre waren weltweit die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Bereits jetzt ist
die globale Durchschnittstemperatur im Vergleich zum vorindustriellen Niveau um etwa 1
Grad[3] angestiegen. Die Eisschilde schmelzen immer schneller und der Anstieg des
Meeresspiegels verdoppelt sich. Werden die für das Weltklimasystem sensiblen Kipppunkte
erreicht, steuert die Erde auf eine Erhitzung von vier und mehr Grad zu. Irreversible
Kipppunkte, wie das Abtauen der Permafrostböden, sind zum Teil schon jetzt erreicht – über
70 Jahre früher als wissenschaftlich angenommen. Landstriche werden überflutet, trocknen aus
und werden unbewohnbar. Am stärksten von der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen
betroffen sind die Ärmsten der Armen. Im Globalen Süden sind viele Menschen aufgrund von
Dürren oder Meeresspiegelanstiegen bereits jetzt gezwungen, ihre Heimat zu verlassen.
Auch in Deutschland ist die Klimakrise angekommen. Auf den Feldern, in den Wäldern. Mehr als
180.000 Hektar Waldfläche, was 250.000 Fußballfeldern entspricht, sind bereits durch die
Klimaveränderung zerstört. Doch statt vier Jahre nach dem Pariser Abkommen endlich zu
reagieren, verabschiedete die Bundesregierung nun ein Klimapaket, was das 1,5-Grad-Limit
endgültig beerdigt und selbst für einen 2-Grad-Pfad viel zu wenig ist. Damit wird
Deutschland seiner internationalen Klimaverantwortung nicht gerecht. Denn gemäß dem
Sachverständigenrat für Umweltfragen[4] ergibt sich aus dem jüngsten Sonderbericht des UN-
Weltklimarats IPCC für uns bei gleichmäßiger Aufteilung auf die Weltbevölkerung ein
verbleibendes nationales Kohlenstoffbudget von 6.600 Millionen Tonnen CO2 ab 2020[5]. Bei
fortdauernden Emissionen auf heutigem Niveau wäre das Budget in weniger als neun Jahren
verbraucht, bei einer linearen Reduktion rund um 2035. Ein längerer Zeitverlauf zur
Treibhausgasneutralität bis 2050, wie auf europäischer Ebene angestrebt, erfordert
überproportionale Reduktionserfolge in den nächsten Jahren.
Daran wird deutlich: Die Uhr tickt und wir müssen schnell und zügig umsteuern. Je rascher
wir die Emissionen senken, desto länger reicht unser CO2-Budget, um den Übergang in die
klimaneutrale Gesellschaft gemeinsam gestalten zu können. Jedes weitere Jahr hingegen, in
dem nichts getan wird, verschärft die Krise, da sich CO2 in der Luft ansammelt und der
Erhitzung der Atmosphäre weiter Vorschub leistet. Wir brauchen eine Radikalität, die sich in
entschlossenem Handeln ausdrückt, und eine Fokussierung der Debatte auf die nächsten fünf
Jahre statt auf Langfristziele.
Jetzt wird über den EU-Haushalt für die kommenden Jahre entschieden. Jetzt wird entschieden,
ob wir die europäische Landwirtschaftspolitik neu justieren. Es geht jetzt darum, den Ausbau
des Schienenverkehrs voranzubringen. Jetzt müssen wir entscheiden, ob öffentliche Mittel für
Infrastruktur auch für Öl- und Gaspipelines ausgegeben werden. Es gilt jetzt zu entscheiden,
wie wir aus Handelsabkommen mit gravierenden Auswirkungen auf das Klima rauskommen. Die EU
muss als eine Hauptverursacherin der Klimakrise ambitioniert vorangehen – jetzt! Europa hat
die historische Verantwortung vorzumachen, wie das Wirtschaften in planetaren Grenzen
demokratisch erreicht werden kann.
Der Aufbruch ins klimaneutrale Zeitalter lohnt sich
Ohne Zweifel sind die Herausforderungen enorm. Wir sehen aber auch nie dagewesene Chancen
für eine neue Lebensqualität und nachhaltigen Wohlstand. Klimaschutz macht unsere Städte
grüner, leiser, sauberer und sicherer. Er hilft, die Artenvielfalt zu bewahren. Er macht uns
unabhängig von russischem Gas und saudischem Öl. Klimaschutz eröffnet unseren Unternehmen
neue Geschäftsfelder. Er schafft neue Arbeitsplätze und sichert bestehende.
Ja, Klimaschutz kostet viel Geld. Aber es ist volkswirtschaftlich völlig klar, dass uns kein
Klimaschutz deutlich mehr kosten wird: Der Stern-Report machte bereits 2006 deutlich, dass
die jährlichen Kosten für Maßnahmen zur Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration bei
etwa einem Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts liegen. Die jährlichen Kosten einer
ungebremsten Klimaerhitzung hingegen werden dem Verlust von mindestens fünf Prozent des
globalen Bruttoinlandsprodukts entsprechen. Wenn man eine breitere Palette von Risiken und
Einflüssen berücksichtigt, könnten die Schäden sogar auf 20 Prozent oder mehr ansteigen.
Zudem wird Klimaschutz enorme neue Werte schaffen: Wirtschaftsstudien sehen ein
Geschäftspotenzial von etwa elf Billionen Euro durch neue, digital-basierte klimafreundliche
Geschäftsmodelle im Jahr 2030. Die sozial-ökologischen Innovationen in allen Sektoren können
Europa zu deutlich mehr Wohlstand verhelfen.
Wir müssen im Hier und Heute eine erhebliche Transformation einleiten. Und wir werden das
nur gemeinsam als Gesellschaft schaffen. Die dafür notwendigen tiefgreifenden Änderungen
werden nicht für alle einfach. Arbeitsplätze werden wegfallen, neue werden entstehen.
Menschen werden neu lernen und sich verändern müssen. Deshalb ist eine aktive politische
Gestaltung dieser Veränderung ebenso wichtig wie ihre kluge soziale Absicherung und Balance.
Klimaschutz erfordert eine aktive Arbeitsmarkt- und Weiterbildungspolitik, eine sozial faire
Rückerstattung der CO2-Bepreisung, eine kluge Regional- und Strukturpolitik. Und schließlich
gilt: Die notwendigen Veränderungen werden nur demokratisch gelingen, also wenn wir es
schaffen, gemeinsam die notwendigen Veränderungen und Handlungskonsequenzen anzugehen, neue
Wege auszuhandeln und so die Menschen mit auf den Weg nehmen.
Am 20. September 2019 haben wir zwei Parallelwelten erlebt: Auf der einen Seite standen
weltweit mehrere Millionen Menschen, die für Klimaschutz auf die Straße gegangen sind. Auf
der anderen Seite sahen wir eine völlig ermüdete Koalition, die nicht in der Lage war, mehr
als Trippelschritte zu liefern.
Für uns bedeutet das: Jetzt erst recht! Die Gesellschaft ist viel weiter als die deutsche
Bundesregierung. Wir starten einen neuen Anlauf in der Klimapolitik: Wir machen ein Angebot
an all jene, die vorangehen wollen, von Fridays for Future über Gewerkschaften, progressive
Unternehmer*innen bis hin zu Klimakommunen, Kulturschaffenden und allen, die sich noch
anschließen wollen. Gemeinsam, im Bündnis mit ihnen wollen wir die Wende in der Klimapolitik
schaffen und die Chancen des Klimaschutzes für mehr Gerechtigkeit und Zusammenhalt nutzen.
Ziel dieses Antrags und unserer Politik ist es, einen radikal realistischen und
sektorenübergreifenden Maßnahmenplan vorzulegen Die entscheidende Messlatte ist dabei für
uns das nationale Klimabudget, also die Menge an Emissionen, die noch ausgestoßen werden
dürfen, um den deutschen Anteil am Pariser Abkommen einzuhalten; wissentlich, dass auch
Budgets nur modellhaft gerechnet sind und dass weder technologische noch gesellschaftliche
Entwicklungen linear verlaufen. Durch soziale und technologische Innovationen, die wir heute
noch gar nicht kennen können, werden unsere momentanen Annahmen selbstverständlich in den
kommenden Jahren angepasst werden müssen. Aber wir widersprechen allen, die daraus ableiten,
eigentlich müssen wir doch in der Gegenwart gar nichts tun, denn irgendwann kommt die
Wundertechnik, die alle unsere Probleme löst. Es ist genau umgekehrt: Positive Innovationen
und Eigeninitiative als Katalysatoren der Veränderung müssen durch Abschied vom alten
überhaupt erst ermöglicht sowie gefördert und angereizt werden. Wir müssen jetzt schnell
loslaufen, damit wir eine Chance haben, auf dem Weg zu lernen.
1. Ein Klimaschutzgesetz für einen verbindlichen planungs- und ordnungsrechtlichen Rahmen
Nur mit klar festgelegten Zielen und Zwischenzielen, verknüpft mit einem verbindlichen
Monitoring der Maßnahmen und Ergebnisse sowie verankerten Korrekturmechanismen bei
Zielverfehlung können wir wieder auf den erforderlichen Zielpfad von Paris beim Klimaschutz
kommen. Durch ein Klimaschutzgesetz müssen endlich Verbindlichkeiten innerhalb der
jeweiligen Sektoren und der zuständigen Ressorts festgeschrieben werden. Denn die
Verantwortung für das Erreichen der Klimaschutzziele kann nicht länger allein beim
Bundesumweltministerium liegen, sondern muss als Querschnitt der Regierung auch die
Ministerien, welche zuständig sind für Verkehr, Landwirtschaft, Bauen und Wirtschaft in die
Pflicht nehmen. Was wir brauchen ist eine Klimaregierung.
Dazu gehört auch, dass wir Klimaschutz ins Grundgesetz schreiben. Wir möchten:
- die international vereinbarten Klimaschutzziele in die Verfassung aufnehmen,
- eine „CO2-Bremse“, mit der jedes neue Gesetz auf seine „Klimawirksamkeit“ überprüft
werden soll („climate mainstreaming“), verbindlich in der Verfassung verankern. Damit
werden alle zukünftigen Gesetzesinitiativen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das
Klima zu überprüfen sein sowie Klimaschutz wird insgesamt besser einklagbar.
Zudem wollen wir ein Klimaschutzgesetz, das den Rahmen für alle Klimaschutzmaßnahmen bildet:
- klare Maßnahmen für alle Sektoren,
- klar festgelegte Ziele, Zwischenziele und CO2-Minderungspfade für alle Sektoren mit
dem verbindlichen Ziel, das Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen,
- dichte Kontrolle, ob die Maßnahmen wirken sowie empfindliche Sanktionen,
- gesetzliche Festlegung einer klimaneutralen öffentlichen Verwaltung.
Klare ordnungsrechtliche Maßnahmen müssen in einem Klimaschutzgesetz die zentrale Rolle
spielen. Alle großen umweltpolitischen Errungenschaften wurden über das Ordnungsrecht
erreicht. Zudem wäre es fatal, allein auf Preissignale zu setzen. Denn wollte man die
Klimaziele allein über die Bepreisung von CO2 erreichen, müsste dieser so hoch sein, dass er
unweigerlich zu erheblichen negativen sozialen Auswirkungen führen würde. Einige könnten
sich rauskaufen, andere nicht mehr teilhaben. Damit Klimaschutz eben nicht zu Lasten der
Menschen mit geringeren Einkommen geht, brauchen wir einen klugen Mix aus CO2-Preis,
Anreizen und Förderung sowie dem Ordnungsrecht. So kann man die jeweiligen Vorteile der
Instrumente nutzen und gleichzeitig Nachteile minimieren. Gut gemacht, wird der ordnende
Rahmen zum notwendigen Innovationstreiber.
Klar gibt es gegen Ordnungsrecht, also auch Verbote, immer Vorbehalte. Aber Regeln zu
setzen, also zu sagen, was geht und was nicht, ist Sinn von Politik und zugleich der beste
Innovationsmotor. Heute stört sich niemand mehr daran, dass Blei im Benzin verboten ist,
Asbest nicht mehr eingebaut werden darf und Weichmacher in Kinderspielzeug verboten sind.
Das gleiche gilt ganz besonders für den Bereich der Chemikalien. Nach Verboten entwickelt
die Branche meist innerhalb kürzester Zeit ungefährlichere Alternativen oder bereits
vorhandene Alternativen bekommen ihre Chance auf dem Markt. Deshalb machen wir Klimaschutz
mit definierten Zwischenzielen in einem nationalen Klimaschutzgesetz planbar und rechtlich
verbindlich.
2. Planungen beschleunigen
Die Energie- und Verkehrswende braucht zügige, bürger*innennahe und effiziente
Planungsprozesse. Zentrale Herausforderung dafür ist die Aufstockung und Qualifizierung von
Personal in den Planungs- und Genehmigungsbehörden. Seit 1990 wurde in den Kommunen knapp
die Hälfte des Bau- und Planungspersonals abgebaut. Daher ist es dringend erforderlich, hier
wieder Personal einzustellen. Wir werden den Kommunen und genehmigenden Behörden das Planen
und Steuern erleichtern. Durch planbare, verlässliche Investitionshilfen, finanzielle
Entlastung der Kommunen sowie leichtere Planungsinstrumente für Klimaschutz.
Zu einem wirkungsvollen ordnungsrechtlichen Rahmen gehört es auch, den Kommunen und
Genehmigungsbehörden das Planen und Steuern von Klimaschutzmaßnahmen zu erleichtern. Ebenso
bedarf es einer Modernisierung des Planungsrechts. Denn die Zeit läuft uns davon und wir
brauchen rasch Baugenehmigungen für Photovoltaik- und Windkraftanlagen,
Übertragungsleitungen wie auch Schienenverbindungen. Planungs- und Genehmigungsverfahren
können deutlich vereinfacht und beschleunigt werden, wenn man im Verkehrswegebau bei
Ersatzneubauten ohne Ausbau bzw. Erweiterung die Maßstäbe für Sanierungen statt für
Neubauten heranzieht.
Die Planungs-, Bau- und Realisierungszeiten sind zu lang und wir wollen sie für alle CO2-
mindernde Infrastruktur halbieren, indem
- wir eine Priorisierung der zu bauenden Infrastrukturprojekte vornehmen, auch, um sich
bei geringen Planungskapazitäten nicht zu verzetteln,
- frühzeitig Bürger*innen und Nichtregierungsorganisationen beteiligt werden und so die
Entwicklung von Optionen und Varianten sowie das frühe Ausräumen von Konflikten
ermöglicht wird,
- wir für Verkehrsprojekte eine bessere Verzahnung von Raumordnungs- und
Planfeststellungsverfahren gewährleisten, etwa indem die Untersuchungsergebnisse des
Raumordnungsverfahrens für das Planfeststellungsverfahren genutzt werden können; sich
wiederholende Verfahrensschritte in beiden Verfahren könnten zusammengeführt werden,
- die Regelungen des Gesetzes zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren
für ÖPNV bei der anstehenden Novelle des Personenbeförderungsgesetzes übernommen
werden,
- Arten- und Naturschutz von vornherein in die Planungen einbezogen werden, um Verfahren
schneller und rechtssicherer zu machen. Für den erforderlichen Ausgleich bei
Eingriffen in die Natur müssen Kompensationsmaßnahmen verstärkt und vereinfacht
werden, auf die dann die Vorhabenträger*innen zurückgreifen können,
- wir die behördlichen Abstimmungsprozesse effizienter gestalten. Beim Artenschutz etwa
gibt es ein großes Potenzial für den Wissensaustausch zwischen Behörden und für
vorgezogene Großmaßnahmen über ein Ökokonto und andere Anrechnungsvereinfachungen,
- eine verbindliche Frist bis zur Eröffnung von Gerichtsverfahren bei gleichzeitiger
personeller Stärkung der Gerichte eingeführt wird.
3. Ökonomische Anreize richtig setzen
Ergänzend zum planungs- und ordnungsrechtlichen Rahmen wollen wir die notwendigen
ökonomischen Anreize setzen, damit der Klimaschutz vorankommt.
Dafür setzen wir auf eine CO2-Preiskomponente auf alle fossilen Brennstoffe über den
bestehenden europäischen Emissionshandel (ETS) hinaus. Dem Preis kommt in einer
Marktwirtschaft eine zentrale Steuerungswirkung zu. Wir brauchen eine ökologisch wirksame,
sozial gerechte und ökonomisch vernünftige CO2-Bepreisung. Das ist eine wesentliche
Voraussetzung dafür, dass erneuerbare Energien, Energieeffizienz und innovative
Klimaschutztechnologien sich durchsetzen. Das Umweltbundesamt schätzt die Kosten der
Schäden, die durch den Ausstoß einer Tonne CO2 entstehen, auf 180 Euro – in Preisen von 2016
gerechnet. Doch die Preiskomponente ist nur ein Hebel für Klimawirksamkeit neben den
ordnungsrechtlichen Maßnahmen wie dem Kohleausstieg.
Wir brauchen also einen Preis, der lenkt, Innovationen schafft und zugleich nicht sozial
verzerrt oder schnellere und wirkungsvollere ordnungsrechtliche Maßnahmen konterkariert. In
der Schweiz liegt der nationale Preis pro Tonne CO2 bei rund 90 Euro für fossile Brennstoffe
wie Heizöl, Erdgas oder Kohle. Globaler Spitzenreiter ist derzeit Schweden mit rund 110 Euro
pro Tonne CO2 für alle fossilen Brennstoffe. Als Sofortmaßnahmen werden wir uns für
Folgendes einsetzen:
- Die Energiesteuern im Bereich Verkehr und Wärme wollen wir mit einer CO2-Komponente
reformieren. Der Einstiegspreis in diesen Sektoren sollte aktuell bei 40 Euro liegen
und 2021 auf 60 Euro steigen, um etwas zu bewirken. Der Preis muss danach weiter
planbar ansteigen. Dafür schlagen wir für Deutschland ein unabhängiges Gremium vor,
das bis zu einer Einigung auf europäischer Ebene die Preissteigerung fortführt.
- Mit den Einnahmen senken wir die Stromsteuer auf das europarechtlich zulässige Minimum
ab und führen als sozialen Ausgleich ein Energiegeld für alle ein.
- Auf europäischer Ebene muss die Bundesregierung dementsprechend bei der Neufassungen
der Energiesteuerdirektive für eine ambitionierte CO2-Mindestbepreisung eintreten. Wir
werden uns dafür einsetzen, dass ein CO2-Preis im Non-ETS-Bereich europaweit
eingeführt wird.
- Im europäischen Emissionshandel, der vor allem Industrieanlagen und Kraftwerke
abdeckt, sollte Deutschland, idealerweise in Abstimmung mit anderen europäischen
Ländern wie Frankreich und die Niederlande, einen gemeinsamen Mindestpreis in Höhe von
40 Euro festlegen. Zeigt sich, dass der Mindestpreis keine Wirkung erzielt, muss hier
nachgesteuert werden.
- Wir wollen die Wirksamkeit der Marktstabilitätsreserve im europäischen
Emissionshandelssystem erhöhen, damit die immer noch vorhandenen überschüssigen
Emissionszertifikate stärker reduziert und schneller vom Markt genommen werden.
- Im Zuge der Stilllegung von Kraftwerksblöcken werden wir entsprechend den vom Netz
gehenden CO2-Emissionen Emissionszertifikate vom Markt nehmen, indem wir dafür das
nationale Versteigerungsbudget entsprechend kürzen. Damit wird vermieden, dass hier
eingesparte Emissionen an anderer Stelle in Europa emittiert werden können.
4. Umweltschädliche Subventionen abbauen
Damit ökonomische Anreize ihr volles Potenzial entfalten können und zusätzliche finanzielle
Spielräume für Zukunftsinvestitionen entstehen, wollen wir umwelt- und klimaschädliche
Subventionen konsequent abbauen. Insgesamt betragen diese in Deutschland über 57 Milliarden
Euro. Staatliche Subventionen, die dem Klima schaden, wollen wir endlich beenden, wie zum
Beispiel
- die Steuerbefreiung von Rohöl zur Plastikherstellung,
- dem immer noch gewährten Beschaffungszuschuss für neue Ölheizungen oder
- die Nichtbesteuerung von Kerosin.
5. Klimafreundlich wirtschaften
Klimaschutz geht nur in einem System, das klimafreundliches Verhalten belohnt und nicht wie
heute strukturell erschwert. Wir beschreiben im Rahmen des Antrags „Anders Wirtschaften für
nachhaltigen Wohlstand“ ausführlich unsere Vision für ein gesamthaftes positiv
transformiertes Wirtschaftssystem. Ausgewählte wesentliche Aspekte, die auch das Klima
betreffen, sind:
- Unseren gesellschaftlichen Erfolg wollen wir nicht mehr nur mit dem
Bruttoinlandsprodukt (BIP) berechnen, sondern darüber hinaus auch unseren Erfolg im
Klimaschutz in die gesellschaftliche Wohlstandsmessung und -steuerung integrieren, wie
etwa den absoluten CO2-Ausstoß. So verändern wir die gesellschaftliche Wahrnehmung und
Prioritätensetzung im Einklang mit den planetaren Grenzen im Sinne des neuen
Wohlstandskonsenses.
- Entsprechend ändern wir auf betriebswirtschaftlicher Ebene die Buchhaltungsregeln und
Erfolgsrechnung hin zu einer nachhaltigen Bilanzierung von Unternehmen, die nicht nur
den finanziellen, sondern auch den ökologischen Wert von Unternehmen misst und
steuert. Hier wollen wir praxisnah mit führenden Wirtschaftsinitiativen
zusammenarbeiten und Konzepte wie das der Gemeinwohlökonomie aufgreifen.
- In der Digitalisierung fördern wir gezielt klimawirksame Innovation, damit sie ihr
Potenzial für die notwendige Suffizienz, Effizienzsteigerungen und Dematerialisierung
entfalten kann und nicht unkontrollierbaren Schaden durch immer mehr Energiehunger
anrichtet. Auch mithilfe der Digitalisierung könnten wir es schaffen, wirtschaftliches
Wachstum von steigenden CO2-Emissionen zu entkoppeln.
- Bei öffentlichen Investitionen und der Vergabe wenden wir auf allen politischen Ebenen
sozial-ökologische Kriterien bei der Entscheidungsfindung und Planung an.
- Wir stärken die kommunalen Ebenen. Gesetzliche Rahmenbedingungen dürfen die
Kreativität und regional spezifische Maßnahmen und Erfordernisse zum Schutz des Klimas
und zur Einhaltung der Klimaziele in den Kommunen nicht blockieren. Kommunen müssen
zum Vorbild anderer voranschreiten können.
- Klimaagenturen mit beratender Funktion geben „Best Practice“-Beispiele weiter,
unterstützen bei Förderanträgen und organisieren Bildungsveranstaltungen und
Bürger*innenforen.
- Wir brauchen eine Kampagne für das Handwerk und Umschulungsangebote, auch für
Unternehmen, und oft in Verbindung mit digitalen Technologien. Der immense Ausbau der
Erneuerbaren, die Sanierung von Gebäuden, das 100.000-Wärmepumpen-Programm oder auch
die intensivere Öko-Landwirtschaft – der Klimaschutz wird zig Tausende neue Jobs
bringen, vor allem in Technologie und Handwerk.
6. Sektorspezifische Maßnahmen zur Umsetzung der Klimaschutzziele
Um die Ziele des Klimaschutzgesetzes in den einzelnen Sektoren zu erreichen, wollen wir die
nachfolgenden Maßnahmen auf den Weg bringen:
6a. Stromerzeugung erneuerbar
Derzeit liegen die ausgestoßenen Mengen CO2 für die Energiewirtschaft bei über 300 Millionen
Tonnen jährlich, das sind über 30 Prozent. Das ist meilenweit von einem Pfad zur Einhaltung
der Pariser Klimaziele entfernt. Schlimmer noch: Deutschland hinkt beim Ausbau der
erneuerbaren Energien weit hinterher. Sie sind jedoch das Herzstück jedes Klimaschutzes. Um
die Pariser Klimaziele zu erreichen, ist der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien nicht
mehr nur entscheidend für wirksamen und erfolgreichen Klimaschutz im Strombereich, sondern
auch der Wärme- und Verkehrssektor werden zukünftig auf elektrischer Basis betrieben und
massiv erneuerbare Energie benötigen. Hinzu kommt der zusätzliche Bedarf an erneuerbarem
Strom, um Wasserstoff und andere Gase (zum Beispiel als Speicher oder für erneuerbare
Treibstoffe) zu produzieren, gerade auch für den Stahl- und den Chemiebereich. Es geht nun
also nicht mehr nur um die 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien zur reinen
Elektrizitätsversorgung, die wir 2030 erreichen wollen, sondern um 100 Prozent erneuerbaren
Strom für eine klimaneutrale Wirtschaft insgesamt.
Der stockende Ausbau und die Politik der Bundesregierung führen dazu, dass wir uns derzeit
aber nur auf einem Ausbaupfad von maximal 45 Prozent bewegen. Das ist auch das größte
Hindernis für den Kohleausstieg, den wir sofort beginnen und schnell abschließen müssen. Die
von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission hat nun endlich einen Plan zum
Kohleausstieg vorgelegt. Es ist nicht unser Plan, aber das Einzige, was wir derzeit in einem
gesellschaftlich vereinbarten Kompromiss haben. Gerade mit Blick auf das Enddatum, das nicht
Paris-kompatibel ist, gibt es Korrekturbedarf – deshalb haben die am Ergebnis beteiligten
Umweltverbände und Wissenschaftler*innen Revisionsklauseln verankert und ein Sondervotum
abgegeben. Entscheidend ist jetzt, das verbleibende CO2-Budget für den Stromsektor deutlich
zu reduzieren. Das heißt viele Kraftwerke schnell und zeitnah abzuschalten, um 2030 auch aus
der Kohle aussteigen zu können. Wir machen uns daher dafür stark:
- über ein Kohleausstiegsgesetz in den nächsten drei Jahren mindestens rund ein Viertel
der Braunkohlekapazitäten und ein Drittel der Steinkohlekapazitäten abzuschalten,
- einen verbindlichen und möglichst entschädigungsfreien Abschaltplan für
Kohlekraftwerke für die Zeit nach 2022,
- die Strukturförderung an konkrete Abschaltungen und den Ausbau erneuerbarer Energien
sowie weiterer Energiewende-Infrastruktur vor Ort zu koppeln.
Zentral dafür wird sein, ob wir den Ausbau der Erneuerbaren und des Energiesystems umgehend
und massiv voranbringen.
Das Missmanagement der Bundesregierung hat den Ausbau der erneuerbaren Energien fast zum
Erliegen gebracht. Durch die letzten Novellen ist aus dem extrem erfolgreichen Erneuerbare-
Energien-Gesetz, dem am häufigsten kopierten Gesetz der Welt, mittlerweile eher ein Anti-
Erneuerbare-Energien-Gesetz geworden: Den Erneuerbaren wurden Deckel und andere Hindernisse
zur Verhinderung von schnellem Wachstum vorgegeben. Das ist der eigentliche Skandal.
Wir wollen den Ausbau der Erneuerbaren mit großer Geschwindigkeit wieder in Gang bringen.
Konkret soll die installierte Leistung von Wind onshore in den nächsten zehn Jahren
mindestens verdoppelt, die für offshore verfünffacht und die für PV (Dach, Fassaden und
Freiflächen) auf 250 Gigawatt (GW) angehoben werden. Damit sowie mit massiver
Energieeinsparung kann Deutschland seinen Stromverbrauch komplett erneuerbar decken und auch
noch einen Teil der Sektorenkopplung. Klar ist: Die Energiewende mit 100 Prozent
Erneuerbaren kann nur gelingen, wenn wir sie endlich umfassend europäisch denken und
zugleich die Potenzial der Bürger*innen-Energiewende wieder heben.
Für die erneuerbaren Energien in den Bereichen Industrie, Wärme, Verkehr wollen wir
Energiepartnerschaften mit den Nachbarstaaten der Europäischen Union aus dem Sonnengürtel
zur Produktion von solarem Wasserstoff schließen. Solche Energiepartnerschaften müssen auf
Augenhöhe und unter Einbeziehung der Bürger*innen in der Region verhandelt werden. Die
Vorteile müssen vor allem der Region zugutekommen, aus welcher die Energie geliefert wird.
Weder ist es nötig noch erstrebenswert, dass wir dezentrale Energieerzeugung zu kleinteilig
denken. Europa soll zu einem gemeinsamen Strommarkt auf der Basis von Erneuerbaren
zusammenwachsen. Dafür brauchen wir eine zu 100 Prozent erneuerbare und energieeffiziente
Europäische Union als Treiberin für die internationale Energiewende und ambitioniertere
europäische Klimaziele. Die Förderung von nachhaltiger Landwirtschaft, klimafreundlicher
Mobilität, Photovoltaik, Windenergie, Biomasse und anderen regenerativen Stromquellen auch
auf europäischer Ebene muss noch stärker vorangetrieben werden. Die Vernetzung der
verschiedenen erneuerbaren Quellen senkt den Bedarf am Ausbau erheblich. Je größer der Raum
und je vernetzter die Quellen, desto günstiger wird es und desto geringer ist der Bedarf am
Ausbau.
Im Sektor Strom müssen Effizienzgewinne schnell realisiert werden:
- strikte Effizienzvorgaben und Förderung von Effizienzgewinnen und Stromeinsparungen
für Energieversorger, Produktion, Industrie, Datenzentren, Gewerbe, bei Handel und
Dienstleistungen,
- eine „Langes Leben“-Produktoffensive (zum Beispiel Garantiehaftung von zwei auf fünf
Jahre anheben) sowie ein Förderprogramm „Dekarbonisierung für die Industrie“,
- Förderung von Stromeinsparungen im Haushaltsbereich durch kontinuierlich steigende
Effizienzvorgaben für Haushaltsgeräte, Umstellung auf LED-Beleuchtung und sparsamere
Rechnerleistungen.
Die Ausbau-Offensive im Bereich der erneuerbaren Stromerzeugung umfasst folgende Maßnahmen:
- Die Verhinderungs-Deckel beim Ausbau von Ökostrom müssen unverzüglich gestrichen
werden. Nur den Solardeckel aufzuheben, reicht nicht aus. Entsprechend des
Ausbaupfades müssen die planbaren Flächen deutlich erhöht werden. Der Europäische
Gerichtshof hat entschieden, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) keine Beihilfe
darstellt und deshalb nicht unter die Beschränkungen der Beihilferichtlinie der
Europäischen Union fällt.
- Vorrangregelung und Abnahmepflicht des erneuerbaren Stroms muss gesichert werden.
- Jährlicher Zubau von mindestens 5-6 GW Wind auf dem Land, ab Mitte der 2020er Jahre
von 7-8 GW.
- Eine Repowering-Offensive durch planungsrechtliche Verbesserungen und gesonderte
Ausschreibungen.
- Festlegung eines nationalen Flächenziels Windkraft von zwei Prozent der Landesfläche
und Verpflichtung der Länder, entsprechende Flächen auszuweisen, auf denen
Windenergieanlagen errichtet werden können.
- Wenn Windparks gebaut oder erweitert werden, sollen die anliegenden Gemeinden und
damit ihre Bürger*innen über eine Windpark-Abgabe finanziell an den Erträgen
teilhaben.
- Erhebliche Erleichterungen bei den Genehmigungen für Windenergieanlagen durch
Überprüfung bestehender Regelungen im Bereich Flugsicherung, Denkmal- und Naturschutz
sowie bei Abstandsregelungen und im Planungsrecht mit der Maßgabe, den Ausbau von
Erneuerbaren zu fördern. Im Artenschutz wollen wir bei guter Bestandsentwicklung die
Ausnahmegenehmigungen besser nutzen.
- Das Ausbauziel für Windenergie auf See ist auf 35 GW bis 2030 anzuheben. Dazu brauchen
wir im Durchschnitt einen jährlichen Zubau von etwa drei GW pro Jahr.
- Um bei Wind offshore schneller voranzukommen, wollen wir mit anderen Nord- und Ostsee-
Anrainerstaaten eine gemeinsame Raumplanung machen, die dann auch die Räume außerhalb
der einzelnen Hoheitsgebiete enthält und eine koordinierte Planung zur
Berücksichtigung des Artenschutzes, insbesondere den Vogelzug, erlaubt.
- Bei Photovoltaik akuter jährlicher Zubau von 10-12 GW pro Jahr als Dachanlagen, für
Gebäudefassaden und Freiflächen; ab Mitte der 2020er Anstieg auf 18-20 GW pro Jahr.
- Einführung einer Solarpflicht für Photovoltaik oder Solarthermie bei Neubauten.
- Ausbildungsprogramm für Fachkräfte für Solarenergie und Facharbeiter*innen in der
Solarzellenproduktion.
- Aufbau einer Multi-Gigawatt-Solarfabrik, unterstützt durch staatliche Bürgschaften.
Flächen effizient nutzen. Der immense Ausbau der Erneuerbaren, den wir brauchen, benötigt
Fläche. Für Windenergie an Land benötigen wir nicht mehr als zwei Prozent der Landesfläche.
Hinzu kommen gut drei Prozent der Ackerfläche für Photovoltaik. Dafür können wir nicht für
Lebensmittel genutzte Ackerfläche umwidmen: Potenzial bieten Ackerflächen in einer
Größenordnung von ca. acht Prozent, die heute noch für Kraftstoffproduktion genutzt werden,
zudem kann der Bedarf an Biogas-Mais verringert werden, da die Energieerzeugung durch
Photovoltaik fünfzig- bis hundertfach flächeneffizienter ist. Landwirtinnen und Landwirte,
die in den bestehenden Energiepflanzen-Programmen ökonomisch gebunden sind, fördern wir
einkommensneutral, sodass sie auf Photovoltaik umsteigen können. Durch die Verbindung von
Agro-PV-Anlagen mit Permakultur können sogar höhere Erträge als heute erzielt werden.
Insgesamt streben wir für den Energiesektor an:
- Der bis ins Unermessliche gestiegene bürokratische Aufwand für eine eigene
Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und sonstige eigene Erneuerbaren-Anlagen zur
Stromlieferung an Dritte sowie die damit verbundenen, mittlerweile kaum mehr zu
verstehenden steuerrechtlichen Regelungen müssen harmonisiert, deutlich reduziert und
vereinfacht werden.
- Den Ausbau von PV-Strom vom Dach als Mieterstrom wollen wir insbesondere im
Mieterstromgesetz radikal vereinfachen und steuerliche Hemmnisse und Bürokratie
abbauen. Die Vermarktung und Verwendung auch über das Herstellungsgebäude hinaus im
Quartier muss lohnend und einfach werden. Die Verpachtung von Dächern und die
Vermarktung von PV-Strom vom Dach im Quartier muss einfach und lohnend werden, für
Erzeuger*innen und Nutzer*innen.
- Auflegen eines Förderprogramms für 100.000 Stromspeicher, um die dezentrale
Ökostromversorgung zu erleichtern.
- Anreize für Investor*innen, Anwohner*innen und Anliegergemeinden von Wind- und
Solarenergieanlagen schaffen, u.a. durch Forschungs- und Förderprogramme für
Agrophotovoltaik zur gleichzeitigen Nutzung von Fläche für Landwirtschaft und
Energieproduktion sowie Pflichtanteile erneuerbarer Wärme wie Solarthermie bei der
Modernisierung von Altbauten.
- Länder und Kommunen bei der Lösung von Konflikten, zum Beispiel zwischen Windanlagen
und Naturschutz unterstützen, anstatt sie wie bisher alleine zu lassen.
- Die Sektorkopplung voranbringen, den Strommarkt gemäß den europäischen Vorgaben
reformieren und die Digitalisierung der Stromversorgung vorantreiben.
- Eine Anschlussfinanzierung für bestehende Biomasseanlagen, um die Stromerzeugung aus
Bioenergie zu erhalten. Die Anschlussfinanzierung soll daran geknüpft sein, dass die
Bioenergieanlagen flexibilisiert werden und dann Strom erzeugen, wenn wenig Wind- und
Solarenergie zur Verfügung steht, und sie möglichst weitgehend auf Rest- und
Abfallstoffe sowie Gülle umgestellt werden.
- Fairere Gestaltung der Umlagen und Entgelte zwischen Verbraucher*innen, der Industrie
und kleineren und mittleren Unternehmen.
- Europarechtliche Vorgaben im Energiemarktdesign so schnell wie möglich in nationales
Recht umsetzen, um der Bürgerenergie Flügel zu verleihen: So kann jede*r auf Dach oder
Balkon Strom erzeugen und abgabenfrei selbst verbrauchen oder an Nachbar*innen
verkaufen.
- Deutschland muss den Vertrag über die Energiecharta kündigen, damit fossile
Infrastruktur ausländischer Eigentümer*innen entschädigungsfrei stillgelegt werden
kann.
Parallel dazu setzen wir auf:
- eine Förderung der inländischen, nachhaltigen Batteriezellenproduktion und einer damit
verbundenen Kreislaufwirtschaft,
- die konsequente Umstrukturierung des Energiemarktdesigns und der energiebezogenen
Abgaben, Entgelte und Umlagen mit der Zielvorgabe 100 Prozent Erneuerbare bis 2030.
Dazu gehören starke Anreize für Sektorkopplung und Speicherung,
- Forschungsunterstützung für die Wasserstoff-Industrie über ein Investitionsprogramm
„Grüner Wasserstoff“. Gefördert werden sollen u.a. die erneuerbare
Wasserstofferzeugung und Speicherung, Wasserstoff-Dunkelflautenspeicher in Gaskavernen
und der Einsatz in Industrieprozessen.
6b. Energiewende im Wärmesektor und bei Gebäuden
Die Energiewende in Gebäuden kommt seit Jahren nicht schnell genug voran. Die Sanierungsrate
zur Energieeinsparung und der Anteil an Wärme aus erneuerbaren Energien reichen bei Weitem
nicht aus und stagnieren auf niedrigstem Niveau. Mit einem „Weiter so“ würde es hundert
Jahre dauern, einen klimaneutralen Gebäudebereich zu schaffen – wir brauchen ihn aber
viermal so schnell, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Daher müssen wir jetzt gemeinsam
mit allen Eigentümerinnen und Eigentümern, die in der Regel keine Bau- oder
Planungsexpert*innen sind, allen Mieterinnen und Mietern einen Aufbruch hin zu ökologisch
modernen Gebäuden schaffen. Mit Zuschüssen und zinslosen staatlichen Sanierungskrediten mit
wahlweise langen Laufzeiten unterstützen wir Eigenheimbesitzer*innen bei der energetischen
Gebäudemodernisierung. Ein CO2-Preis auf Heizstoffe macht Klima-Modernisierung
wirtschaftlicher als bisher. Damit alle Eigentümer*innen und Mieter*innen bei der
Energiewende in Gebäuden mitmachen und partizipieren können, braucht es zusätzlich passende
Regeln, Anreize und Informationen. Dazu gehört auch die steuerliche Förderung als Anreiz für
energetische Sanierung. Gerade private Eigenheimbesitzer*innen benötigen steuerliche Anreize
zur Gebäudemodernisierung. Der Steuerbonus muss klimapolitisch wirksam ausgestaltet sein. Es
dürfen darum nur Maßnahmen gefördert werden, die nachweislich auf dem vom Pariser Abkommen
vorgegebenen Minderungspfad liegen. Durch eine progressionsunabhängige Abschreibung müssen
alle gleichermaßen davon profitieren, und die Sonderabschreibung muss analog zur KfW-
Förderung ausgestaltet sein.
Wie im Stromsektor gehört auch beim Heizen und Kühlen die Zukunft den erneuerbaren Energien.
Wir wollen
- einen Systemwechsel erreichen: Dort, wo es die Besiedlungsstruktur ermöglicht, weg von
der Einzelbefeuerungsanlage und der Einzelhausbetrachtung hin zu einer
Quartiersbetrachtung und zu Nah- bzw. Fernwärmenetzen, die dann aus verschiedenen
erneuerbaren Quellen gespeist werden können,
- dass alle Kommunen ein Energiemanagement durchführen müssen und einen Energiebericht
verfassen, damit überhaupt Daten erhoben, Maßnahmen umgesetzt und nachgesteuert werden
kann. Kommunen haben sich zukünftig nicht nur um ihren eigenen Gebäudebestand zu
kümmern. Kommunen werden wir dabei finanziell unterstützen, eine datenbasierte
Wärmeplanung für einen klimaverträglichen Umbau der Wärmeversorgung in den einzelnen
Quartieren aufzulegen. Diese Wärmeplanung wird Grundlage für eine Förderung der
nötigen Investitionen sein,
- den vorgeschriebenen Anteil an erneuerbaren Energien bei Neubau und Bestand deutlich
anheben,
- den Passivhausstandard für alle Neubauten sowie Fassaden- oder Dachbegrünung sowie
Plus-Energiegebäude fördern,
- eine Ausbildungsoffensive im Handwerk und Baugewerbe, um die notwendige Sanierungsrate
überhaupt zu ermöglichen.
Ein Austauschprogramm „Sonne statt Öl“ und Klima-Service für Eigentümer*innen. 16 der 19
Millionen Wohngebäude in Deutschland sind Ein- und Zweifamilienhäuser. Viele davon sind noch
vor der ersten Wärmeschutzverordnung im Jahr 1978 entstanden und bisher nicht energetisch
modernisiert. Die Eigentümer*innen und Mieter*innen dieser Gebäude sind in der Regel keine
Bauexperten. Sie brauchen daher einen einfachen Zugang zu den besten Klimainformationen und
Modernisierungen. Zentral ist für uns daher:
- ein Austauschprogramm „Sonne statt Öl“: ein Förderprogramm für den Tausch der
Ölheizung gegen eine moderne Heizung mit Sonnenwärme, Wärmepumpe oder Holz,
- dass Ölheizungen ab sofort und fossile Gasheizungen ab 2025 nicht mehr eingebaut
werden,
- der Ersatz der fossilen Erdgasversorgung,
- das Auflegen eines 100.000-Wärmepumpen-Programms. Mit Wärmepumpen können wir aus einer
Kilowattstunde (kWh) Strom rund vier kWh Wärme machen. Der Austausch von fossilen
Heizungen zu Wärmepumpen stellt mit Solarwärme und PV sowie saisonalen Speichern und
Wärmenetzen in der drängenden, kurzen Zeit eine große Chance auf rasche
Klimaneutralität des Gebäudebestands dar,
- ein kostenloser Klima-Service für Eigentümer*innen von Ein- und Zweifamilienhäusern:
Qualifizierte Energieberater*innen nehmen eine Vor-Ort-Analyse vor und erstellen einen
kostenlosen Sanierungsfahrplan fürs Haus. Ein solcher Klima-Fahrplan schlägt geeignete
Schritte vor, mit denen das Haus zum Niedrig-Energie-Gebäude mit erneuerbarer Wärme
werden kann,
- einen finanziellen Zuschuss für eine fachkundige Energie-Bauleitung: Die
Energieberater*in wird dazu als Bauleiter*in zur Umsetzung einzelner Schritte des
Klima-Fahrplans für das Haus tätig. Sie beauftragt alle Handwerkerinnen und Handwerker
und prüft deren Arbeit.
Klima-Check und Mieterschutz für Mieter*innen. Jeder Mieter, jede Mieterin soll wissen, wie
es um die eigene Wohnung bezüglich der Klimaziele und Heizkosten steht. Außerdem wollen wir
Mieterinnen und Mieter vor hohen Heiz- und Modernisierungskosten schützen. Dafür wollen wir:
- jeder Mieterin und jedem Mieter einen Gutschein für einen Klima-Check für ihre/seine
Wohnung geben, um ein kostenloses Heizgutachten auf Basis der aktuellen
Heizkostenabrechnung zu erstellen,
- klimagerechte Modernisierungen von Gebäuden und Wohnungen, die sich jede*r leisten
kann, möglichst ohne Erhöhung der Warmmiete. Für energetisch modernisierte Wohnungen
wollen wir einen Klimazuschuss zum Wohngeld einführen, damit sich auch Haushalte mit
kleinen Einkommen diese Wohnungen leisten können. Mit dem Förderprogramm „Gutes Klima
im Quartier“ fördern wir energetische Modernisierungen ganzer Stadtviertel ohne
Erhöhung der Warmmieten. Mit der sozialen Wohnraumförderung und bei kommunalen
Wohnungsunternehmen ermöglichen wir das ebenfalls in den Ländern und Kommunen.ImAuch die kürzlich beschlossene Reduktion der Modernisierungsumlage auf 8 Prozent ist nach wie vor unangemessen hoch und heizt das Herausmodernisieren weiter an, wir sind deshalb für die Abschaffung der Modernisierungsumlage. Die Verantwortung, die Klimakatastrophe auch im Wohnungsbereich zu verhindern, ist von allen in der Gesellschaft zu tragen und nicht nur von den Mieter*innen.
Mietrecht senken wir die Modernisierungsumlage, d.h. die Mieterhöhung nach
Modernisierung, deutlich ab und kappen sie bei höchstens 1,50 Euro je Quadratmeter.
Aktionsplan Faire Wärme. Unser umfassender Aktionsplan Faire Wärme denkt die Bausteine der
Energiewende im Wärmesektor und in Gebäuden zusammen, für Wohnhäuser und Quartiere, Stadt
und Land. Dazu gehören:
- eine erhebliche Aufstockung der Mittel für erneuerbare Wärme, energetische
Modernisierung und saubere Wärmenetze – um Heizen ohne Klimaschaden zu ermöglichen,
- das Programm „Gutes Klima im Quartier“: ein Förderprogramm für die Quartierssanierung
ohne Erhöhung der Warmmieten, zur Klima-Modernisierung ganzer Stadtviertel und Dörfer
und ihrer Gebäude, gemeinsam geplant mit den Menschen und Unternehmen vor Ort,
- ein Steuerbonus für selbst nutzende Eigentümer*innen, die ihr Haus oder ihre Wohnung
klimafreundlich modernisieren wollen,
- endlich konsequenter Klimaschutz bei Bundesimmobilien: Klima-Fahrplan für die
bundeseigenen Liegenschaften und ein Aktionsprogramm klimaneutrale Bundesverwaltung;
Ziel: sämtliche Bundesliegenschaften werden bis zum Jahr 2030 klimaneutral,
- 200 Millionen Euro jährlich für qualifizierte Energieberatung wie Klima-Service und
Klima-Check.
Mehr Energieeffizienz. Die beste Energie ist diejenige, die gar nicht erst verbraucht wird.
Hier reichen die heutigen politischen Rahmenbedingungen für mehr Energiesparen und bessere
Energieeffizienz bei weitem nicht aus. Wir brauchen:
- Förderprogramme für die Nutzung ökologischer Bau- und Dämmstoffe,
- die Umsetzung des gültigen EU-Rechts in ein modernes Gebäudeenergiegesetz, das an
Energieeffizienz und dem CO2-Ausstoß ausgerichtet ist,
- Niedrigenergiehäuser als verpflichtenden Standard: das Passivhaus bei Neubauten, und
bei umfassender Modernisierung sowie Sanierung bestehender Altbauten soll das KfW-
Effizienzhaus 55 der Zielstandard sein,
- für energetische Modernisierungen staatliche Nullzins-Darlehen mit langen
Rücklaufzeiten, denn eine bessere Investition als Energieeinsparung gibt es nicht.
Wärmenetze dekarbonisieren und ausbauen. Ein relevanter Teil der Wärmeversorgung erfolgt
über Nah- und Fernwärmenetze. Doch derzeit wird das Potenzial der leitungsgebundenen Wärme
für den Klimaschutz nicht ausreichend genutzt. Das gilt hinsichtlich der Integration von
erneuerbaren Energien ebenso wie für die Nutzung von gewerblicher und industrieller Abwärme.
Wir wollen:
- Nahwärmenetze zielgerichtet ausbauen und die entsprechenden Förderprogramme erhöhen,
- ein Förderprogramm in Höhe von 400 Millionen Euro für 10.000 Wärmespeicher auflegen,
damit insbesondere Gemeinden oder Stadtteile mit Wärmenetzen mindestens einen großen
Wärmespeicher errichten können und so die Flexibilität im Wärme- und
Stromversorgungssystem erhöht wird,
- verpflichtende Emissionsminderungsziele für Fernwärmebetreiber,
- Wärmenetze für die Einspeisung erneuerbarer Wärme sowie industrieller und gewerblicher
Abwärme durch gesetzliche Regelungen öffnen, um auch die Nah- und Fernwärmeversorgung
so schnell wie möglich zu dekarbonisieren.
6c. Verkehrswende – mehr Mobilität mit weniger Verkehr
Rund 20 Prozent der deutschen Treibhausgase kommen aus dem Verkehrssektor. Von einem
Minderungspfad, der mit den Klimazielen von Paris vereinbar wäre, sind wir meilenweit
entfernt. Die Emissionen sind derzeit immer noch genauso hoch wie 1990, alle Klimaziele im
Verkehrssektor werden krachend verfehlt. Die zunehmenden Emissionen des von Deutschland
ausgehenden internationalen Luftverkehrs sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Allein
die durch unseren Verkehr verursachten Folgekosten liegen pro Jahr bei 149 Milliarden Euro.
Mobilität und Lebensqualität zusammenzubringen heißt: Verkehr vermeiden, verlagern und
klimafreundliche Verkehrsmittel miteinander vernetzen. Ein „Weiter so“ wäre nicht nur
ökologischer, sondern auch volkswirtschaftlicher Irrsinn. Um Klimaschädigung und
Verkehrsbelastungen wirksam zu vermindern, müssen wir eine umfassende Verkehrswende auf den
Weg bringen. Mit ihr geht die Ära des fossilen Verbrennungsmotors und eine einseitig auf
immer mehr Pkw- und Lkw-Verkehr ausgerichtete Infrastrukturentwicklung zu Ende.
Mit dem Ausbau von Schiene, ÖPNV und Radverkehr, der Vernetzung von Verkehrsangeboten, mit
neuen Sharing-Formen und der Antriebswende können wir den Energiebedarf des Verkehrs
vermindern, eine für alle Menschen bezahlbare Mobilität schaffen und die Klimaziele im
Verkehr erreichen. Wir können die Anzahl der Autos verringern, die heute Tag für Tag im Stau
stehen oder in Städten wertvolle Flächen vollstellen, und so Verkehrssicherheit und
Lebensqualität erhöhen, ohne unsere Mobilität zu vermindern.
Unsere Schwerpunkte für eine klimafreundliche Mobilität sind:
Überarbeitung des ordnungs-, finanz- und steuerpolitischen Rahmens der Verkehrspolitik.
Diesen Rahmen zu überarbeiten mit dem Ziel der Förderung sozialverträglicher, ökologischer
und technischer Maßnahmen heißt:
- den Bundesverkehrswegeplan komplett zu überarbeiten und als Bundesnetzplan für
Mobilität neu aufzustellen,
- den Kommunen das Recht zu geben, innerorts eigenständig und unbürokratisch über die
Einführung von Maßnahmen zur Einhaltung der Klimaziele zu entscheiden: zum Beispiel
autofreie Innenstädte innerhalb ihrer Stadtgrenzen und/oder in Kooperation mit
benachbarten Kommunen gestalten, Fahrradstraßen und Fußwegenetze oder auch Tempolimits
einführen,
- den steuer- und finanzpolitischen Rahmen u.a. mit dem Ziel auszuschöpfen, den Kauf von
Autos mit fossilem Verbrennungsmotor auslaufen zu lassen und die Nutzung öffentlicher
Verkehrsangebote preiswert zu gestalten.
Die Bahn flott machen. In den letzten Jahrzehnten wurde einseitig in den Straßenbau
investiert, während Schieneninfrastruktur in großem Ausmaß zurückgebaut wurde. Jetzt ist die
Schiene dran! Zur Finanzierung wollen wir den bisherigen „Finanzierungskreislauf Straße“
auflösen, wonach Einnahmen aus der Lkw-Maut allergrößtenteils in den Straßenbau fließen.
Mauteinnahmen müssen auch der Bahn zugutekommen. Ab 2025 wollen wir keine neuen
Bundesstraßen mehr in Angriff nehmen, da Deutschland mit Straßen ausreichend erschlossen
ist, während bei den Schienenwegen erhebliche Nachholbedarfe aufzuarbeiten sind. Die Bahn
ist das Verkehrsmittel, das sich am einfachsten und mit der höchsten Energieeffizient
elektrifizieren lässt. Sie ist das Rückgrat der Verkehrswende. Es braucht jedoch erhebliche
Anstrengungen, damit sie diese Rolle endlich übernehmen kann:
- Innerdeutschen und grenzüberschreitenden Schienenverkehr stärken: fehlende
Verbindungen im Schienennetz herstellen, Elektrifizierungslücken schließen,
Passagierrechte europaweit stärken, Nachtzugverbindungen ausbauen.
- Um auch bei der Bahn das fossile Zeitalter auslaufen zu lassen, sind bis zum Jahr 2030
mindestens 75 Prozent der Bahnstrecken zu elektrifizieren. Die verbleibenden Strecken
sind entweder ebenfalls zu elektrifizieren oder die Züge werden auf alternative
Antriebe umgestellt.
- Bundesweiten Deutschlandtakt einführen: garantierte Anschlüsse, dichter Takt,
Abstimmung Fern- und Nahverkehr.
- Regionalisierungsmittel erhöhen mit dem Ziel, die Fahrgastzahlen in Zügen zu
verdoppeln.
- Technische Möglichkeiten ausschöpfen zur intelligenten Steuerung des Schienenverkehrs
sowie zur Steigerung der Nutzung, bspw. Taktverdichtung.
- Bessere Harmonisierung und Verstärkung des internationalen Bahnverkehrs zur
Beseitigung technischer Hemmnisse und für verbesserte Verbindungen; damit einhergehend
Anschlussgarantien und grenzüberschreitender Verbraucherschutz.
- Erstellung eines Reaktivierungskonzeptes für ungenutzte und stillgelegte
Schienenstrecken inklusive der Chance, bereits entwidmete, aber notwendige Trassen
wieder zu ertüchtigen.
Den öffentlichen Personenverkehr stärken. Damit alle bezahlbar, verlässlich und
klimaschonend von A nach B kommen, muss der Öffentliche Personenverkehr besser ausgebaut und
die Angebote verbessert werden. Dazu braucht es:
- ein Förderprogramm „Mobilität im ländlichen Raum“ mit eindeutigen Kriterien zugunsten
des Ausbaus von vernetzten Mobilitäts- und Fahrzeugangeboten,
- die deutliche Erhöhung der Mittel für den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs,
um die Kapazitäten und das Preis-Leistungs-Verhältnis zu verbessern,
- einen Mobilpass, um aus einer Hand mit allen Verkehrsmitteln – Busse, Bahnen, Share-
Bikes und -Cars – in ganz Deutschland unterwegs sein zu können,
- eine Mobilitätsgarantie für alle Menschen in Deutschland: durch gezielte Förderung
strukturschwacher Regionen allen Menschen Zugang zu einem regelmäßigen und
verlässlichen Nahverkehrsangebot ermöglichen,
- die Förderung von bundesweit zehn Kommunen im Rahmen von Modellprojekten , die auf
einen umlagefinanzierten und kostenfreien ÖPNV umsteigen wollen, indem wir die
rechtlichen Hürden für Kommunen abbauen,
- das Nutzen der Digitalisierung, um weitere Kapazitätserhöhungen und Flexibilisierungen
im ÖPNV zu erreichen,
- ein Investitionsprogramm für Oberleitungs- und Schienenfahrzeuge in den Städten
zugunsten eines engmaschigen Nahverkehrsnetzes (Trams, Trolleybusse, Straßenbahnen),
- die Erstellung eines bundesweiten Mobilitätskonzeptes, das den Umweltverbund auch im
Umland stärkt, inklusive eines bundesweiten Rad- und Fußwegekonzepts in Zusammenarbeit
mit den Bundesländern zugunsten einer sicheren Rad- und Fußwegeinfrastruktur mit allen
notwendigen technischen Nebenanlagen wie Servicestationen oder Notrufe.
Vorrang für Rad- und Fußverkehr. Schwer zu glauben, aber wahr: Einen großen Teil ihrer
täglichen Wege legen die Menschen zu Fuß oder mit dem Rad zurück. Und vier von zehn
Autofahrten in der Stadt sind unter fünf Kilometer – Distanzen, die leicht mit dem Fahrrad
oder sogar zu Fuß zurückgelegt werden können. Dem Fuß- und Radverkehr wird bislang aber
meist nur so viel Platz zugestanden, dass der Auto- und Lastwagenverkehr ungehindert rollen
kann. Höchste Zeit, dass diese klimafreundlichsten Fortbewegungen endlich nicht mehr
behindert, sondern gefördert und sicher gestaltet werden. Dazu braucht es:
- eine gerechte Verteilung und mehr Raum für Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen in
den Städten und Gemeinden sowie neue Möglichkeiten des Parkraummanagements durch
Änderung des Straßenverkehrsrechts,
- Modellprojekte für autofreie Innenstädte und die Förderung von City-Maut-Zonen,
- gemeinsame Bund-Länder-Kommunen-Programme zur Förderung von Rad- und Fußverkehr,
- eine Erhöhung der Mittel: Die Finanzierung fahrrad- und fußgängerfreundlicher Kommunen
muss sich an 100 Euro pro Einwohner*in pro Jahr orientieren,
- eine Rad- und fußverkehrsfreundliche Überarbeitung des Straßenverkehrsrechts, um
Radfahren und zu Fuß gehen als gleichberechtigte Verkehrsarten zu fördern und deutlich
sicherer und bequemer zu machen. Außerdem müssen Bußgelder für verkehrsgefährdendes
und fuß- und radverkehrsbehinderndes Verhalten erhöht werden,
- das Nutzen der Digitalisierung, um Sicherheit und Vorfahrt für Rad- und Fußverkehr
umzusetzen.
Tempolimits. In erster Linie helfen Tempolimits, den Verkehr sicherer zu machen, und
Unfälle, Tote und Verletzte zu vermeiden. Aber sie tragen auch zu Lärm-, Umwelt- und zum
Klimaschutz bei. Sehr schnell umsetzbar sind:
- die Einführung eines allgemeines Sicherheitstempo von 130 km/h auf Autobahnen,
- die Einführung von Tempo 30 innerorts auf allen Straßen, indem Kommunen ermöglicht
wird, leichter darüber zu entscheiden,
- ein automatisiertes Verlangsamen vor besonderen Gefahrenzonen wie Kreuzungsbereichen,
Schulen oder Krankenhäusern,
- das Anschärfen des Bußgeldkatalogs für Falschparken und zu schnelles Fahren.
Emissionsfreie Mobilität voranbringen. Trotz Bahnausbaus und gut funktionierendem
Personennahverkehr wird in naher Zukunft das Auto weiterhin eine wichtige Rolle spielen –
insbesondere in ländlichen Räumen. Jetzt muss die Bundesregierung endlich die richtigen
politischen Rahmenbedingungen setzen, damit der Sprung in die Zukunft klimafreundlicher
Antriebe schnell und reibungslos gelingt und es neue Ideen für gemeinschaftliche
Nutzungskonzepte gibt:
- Spätestens ab 2030 sollen nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden.
- Die Förderung emissionsfreier Fahrzeuge soll durch eine Bonus-Malus-Regelung in der
Kfz-Steuer wirken, die kleine und energiearme Fahrzeuge belohnt und CO2-intensive
Fahrzeuge teurer macht, sowie durch Quoten für E-Autos. Diese Quoten sollen ab 2021
exponentiell ansteigen, damit bereits Mitte der 2020er Jahre drastisch weniger Autos
mit fossilem Verbrennungsmotor auf den Markt kommen.
- Die öffentliche Hand muss bei emissionsfreien Fahrzeugen mit gutem Beispiel vorangehen
und bspw. Dienstwagenflotten und Nutzfahrzeugparks schnell umstellen.
- Wir wollen den Ausbau und die Standardisierung der Ladeinfrastruktur für
Elektromobilität im öffentlichen und privaten Raum, die Entwicklung eines
flächendeckenden, engmaschigen öffentlichen Netzes von Ladestellen mit unkomplizierter
Handhabung und Abrechnung sowie mit transparenten Preisen, genauso wie den Abbau
bürokratischer Hürden für Ladestellen in Wohnhäusern.
- Wir wollen den Abbau von Subventionen für fossil betriebene Autos sowie steuerliche
Anreize für die Nutzung von Rad, Bus, Bahn und abgasarmer Autos statt die
Subventionierung schwerer Dienstwagen.
Flugverkehr vermeiden und die Subventionierung des Flugverkehrs beenden. Wir wollen nahezu
alle innerdeutschen Flüge und Kurzstreckenflüge ins benachbarte Ausland durch schnelle und
bezahlbare Alternativen mit der Bahn bis 2030 überflüssig machen. Dazu muss massiv in die
Schieneninfrastruktur und das Zugmaterial investiert und zugleich die Subventionierung des
Flugverkehrs beendet werden. Insgesamt muss der Flugverkehr klimafreundlicher gemacht
werden. Wir wollen:
- die Befreiung des Kerosins von der Energiesteuer beenden,
- die Mehrwertsteuer für alle Flugreisen einführen und eine Vervierfachung der Steuern
auf Flugreisen, solange Kerosin- und Mehrwertsteuer nicht im vollen Umfang erhoben
werden, dabei soll es eine Differenzierung nach Streckenlänge, Klasse und
Lärmbelastung geben sowie die Ausweitung auf Frachtflüge,
- die Subventionierung von Flughäfen stoppen,
- keine weiteren Start- und Landebahnen mehr genehmigen, sondern entsprechend des
wegfallenden Inlandsverkehrs reduzieren,
- die Start- und Landegebühren für besonders klimazerstörende, schadstoffreiche und
laute Flieger erhöhen,
- eine Initiative zur Festlegung ambitionierter CO2-Grenzwerte für Flugzeuge
international vorantreiben,
- die Forschung und Förderung von emissionsneutralen Flugzeugen und Kraftstoffen
fördern,
- Flüge mit Start und Ziel außerhalb der EU schnellstmöglich wieder in den Europäischen
Emissionshandel einbeziehen – ohne kostenlose Zuteilung von Zertifikaten,
- europäische und bilaterale Abkommen zur Erhebung einer Kerosinsteuer.
Den Güterverkehr dekarbonisieren. Der Güterverkehr nimmt immer weiter zu. Gleichzeitig
wächst der Anteil des Gütertransports auf der Straße, nicht aber auf der Schiene. Das wollen
wir umdrehen. Eine klimafreundliche Verkehrspolitik muss:
- die Lkw-Maut reformieren: Staffelung der Maut nach CO2-Ausstoß sowie Ausdehnung der
Lkw-Maut auf alle Straßen und alle Lkw über 3,5 Tonnen,
- schnell Güter von der Straße auf die Schiene bringen: dauerhafte Halbierung der
Trassenpreise, Ausbau der Schieneninfrastruktur,
- den Güterverkehr reduzieren durch regionale Wirtschaftskreisläufe und Verlagerung des
Restverkehrs auf umweltfreundliche Verkehrsträger,
- den gesamten Güterverkehr – auf Straße, Schiene, Wasser und in der Luft – auf
erneuerbare Energien umstellen; dazu bedarf es umfangreicher Forschungs- und
Markteinführungsförderung,
- es mehr Pilotprojekte für oberleitungsgebundene E-Lkw geben. So wollen wir
klimafreundliche Alternativen im Güterverkehr stärken.
Mit der Binnen- und Seeschifffahrt die Klimaziele einhalten. Wir wollen:
- die Koordinierung und Konzeptionierung der Schifffahrt und der Häfen endlich in eine
verantwortliche zentrale Aufgabe des Bundes überführen, um die Klimaziele und die
Kapazitätsauslastung aller Häfen einzuhalten,
- klimafreundliche Antriebe zunächst auf EU-Ebene zum Standard machen,
- die Kreuzschifffahrt Auflagen und Bedingungen unterwerfen,
- mehr Güter von der Straße auf das Binnenschiff bringen, in dem wir zügig marode
Wasserstraßen umweltverträglich sanieren und ihren Erhalt und Modernisierung
langfristig sichern,
- schnell eine flächendeckende und verpflichtende Landstromversorgung in Häfen aufbauen,
- die Flottenerneuerung und Modernisierung der Binnenschifffahrt unterstützen, um
schnell zu emissionsfreien Antrieben zu kommen,
- den Seeschiffsverkehr in den EU-Emissionshandel einbeziehen,
- verbindliche Emissionsminderungsziele für die Seeschifffahrt – möglichst global, in
einem ersten Schritt jedoch von und zu Häfen in der Europäischen Union. Diese
Forderung hat Luxemburg bereits in den Rat der Mitgliedsstaaten eingebracht.
Ausbildungs- und Forschungsoffensive. Wir wollen:
- Die Forschung in Vernetzung und Digitalisierung von Verkehr darf nicht länger
vernachlässigt werden. Für neue Antriebe sowohl für Kraftfahrzeuge, für Schiffe und
vor allem für Flugzeuge brauchen wir innovativen Forschungsgeist. Deutschland hat die
Möglichkeit, zum globalen Spitzenreiter in diesem Sektor zu werden. Auch die Forschung
in die Vermeidung von Ultrafeinstaub muss höhere Priorität genießen.
- Die Bundesregierung hat dafür Sorge zu tragen, dass die Ausbildung von Verkehrs- und
Stadtplaner*innen der klimafreundlichen Mobilität Rechnung trägt. Vorbilder sind hier
unsere europäischen Nachbarn Niederlande und Dänemark.
6d. Zukunftsfähige Industriepolitik
Auch die Industrie muss einen deutlich stärkeren Beitrag zum Klimaschutz leisten als bisher.
Die CO2-Emissionen sind gerade hier in den vergangenen Jahren nicht gesunken – trotz
europäischem Emissionshandel. Digitalisierung und andere neue Technologien wie der Einsatz
Künstlicher Intelligenz können helfen, ökologische Effizienz zu heben und die für eine
ökologische Wende der Wirtschaft dringend benötigten Innovationen auszulösen. Gleichzeitig
birgt gerade der immense Energiehunger der digitalen Transformation das Risiko, zum
Brandbeschleuniger der Klimakrise zu werden. Deshalb braucht es verbindliche
Energiestandards für Datenzentren, zum Beispiel über einen Top-Runner-Ansatz.
Die wichtigsten industriepolitischen Rahmenbedingungen und innovationspolitischen
Förderinstrumente sind vor diesem Hintergrund:
- Investitionen in CO2-freie Industrieprozesse tätigen: Stärkung des Emissionshandels,
bessere Abschreibungsmöglichkeiten, Fördergelder für Modellprojekte, gezielte
Forschungsförderung,
- erneuerbare Energien zur Eigennutzung günstiger machen: Verlängerung der
entsprechenden Regelungen im Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz,
- Anreize setzen: die bestehenden Regeln zum Schutz der Wettbewerbsfähigkeit der
energieintensiven Industrie zielgenauer ausrichten und Grenzausgleichsmaßnahmen
einführen, damit die Industrie vor möglichen Nachteilen im internationalen Wettbewerb
mit Staaten ohne vergleichbare Klimaschutzpolitik geschützt bleibt. Gleichzeitig soll
damit ein stärkerer Anreiz für die Industrie gegeben werden, in CO2-freie Technologien
zu investieren und CO2-sparsame Werkstoffe einzusetzen,
- Investitionen in CO2-freie Industrieprozesse ermöglichen: insbesondere in den
Bereichen Stahl, Chemie und Zement lohnen sich Investitionen in CO2-freie
Industrieprozesse meist erst bei sehr hohen CO2-Preisen, die das europäische
Emissionshandelssystem derzeit noch nicht abbildet. Damit sich solche Investitionen
für Unternehmen schon heute rechnen, wollen wir den Unternehmen die Differenz zwischen
dem aktuellen CO2-Preis und den tatsächlichen CO2-Vermeidungskosten erstatten, die
ihnen durch die Investitionen in neue Verfahren und Technologien entstehen („Carbon
Contract for Difference“),
- Klimafreundliche Leitmärkte schaffen: Umstellung der gesamten öffentlichen Beschaffung
auf klimafreundliche Produkte, Produktionsverfahren, Fahrzeuge, Immobilien; Einsatz
recycelter Werkstoffe; europaweite klimaschützende Produktstandards einführen,
- Quoten festlegen: Um den Umbau der energieintensiven Unternehmen planungssicherer zu
gestalten und perspektivisch finanzielle Förderung zu reduzieren, unterstützen wir die
Vorschläge auf europäischer Ebene im Zuge des angekündigten Klimapaketes, ansteigende
Quoten für klimaneutralen Stahl, Kunststoffe oder Zement in Autos oder auch Windrädern
und Gebäuden festzulegen,
- die zentralen innovationspolitischen Förderinstrumente gezielt auf die Bekämpfung der
Klimakrise ausrichten: Explizit klimafreundliche Innovationen werden bevorzugt
gefördert. Dies betrifft etwa die Startup-Förderung, die Forschungs- und
Entwicklungsförderung, die wir sozial-ökologisch ausrichten möchten, die Hightech-
Strategie, die KI-Strategie oder die neue Agentur für Sprunginnovationen,
- Systeminnovationen für eine klimaneutrale Wirtschaft identifizieren und fördern, zum
Beispiel durch die Ausdehnung von Förderformaten wie den Kopernikus-Projekten (z.B.
Power-to-Gas) auf weitere Politikfelder wie Landwirtschaft und Verkehr,
- die Vorgaben auf europäischer Ebene zur Kreislaufwirtschaft ausbauen: Durch eine
verstärkte Kreislaufwirtschaft können die CO2-Emissionen der vier wichtigsten
Industriesektoren (Kunststoff, Stahl, Aluminium und Zement) in Europa um die Hälfte
reduziert werden,
- klimaneutrale Kreislaufwirtschaft verankern: u.a. durch ein gesetzliches
Abfallvermeidungsziel für Verpackungsmüll von 110 Kilogramm pro Kopf bis 2030, durch
Ressourcenschonung und Recyclingfähigkeit von Produkten in der Ökodesign-Richtlinie,
durch die Einrichtung eines Forschungsinstituts zur Förderung der Kreislaufwirtschaft,
durch zunehmende Verpflichtung und Förderung zur Wiedereinspeisung von Plastik in die
Kunststoffproduktion.
6e. Landwirtschaft klimafreundlich und klimafest machen
Kein anderer Bereich ist so unmittelbar auf den Erhalt unserer Lebensgrundlagen angewiesen
wie die Land- und Forstwirtschaft. Dieser Sommer hat erneut deutlich gemacht: Die
Landwirtschaft ist schon heute sowohl Leidtragende als auch Mitverursacherin der Klimakrise
– und für uns auch ein Teil der Lösung. Unser Ziel ist ein klimaneutrales
Landwirtschaftssystem, in dem nicht nur klimaschädliche Gase reduziert werden, sondern es zu
einer langfristigen Kohlenstoffbindung in Boden und Bäumen kommt.
Die Landwirtschaft produziert heute größtenteils nach Bedingungen, die in eine Sackgasse für
Bäuerinnen und Bauern, für Umwelt und Klima führen. Das Motto ist „Wachse oder weiche!“,
produziere also intensiver und billiger. Wir müssen dieses System grundsätzlich ändern, so
dass ein umwelt-, tier- und klimafreundliches Wirtschaften sich eher lohnt als
industrialisierte Landwirtschaft. Die Agrarpolitik der Bundesregierung wie auch die EU-
Agrarpolitik tun aber genau das nicht und leisten so ihren Beitrag, die Klimakrise
anzuheizen. Immer mehr Landwirt*innen erkennen, dass dieser Weg in die Sackgasse führt.
Gemeinsam mit den Bäuer*innen wollen wir zu einer standortangepassten Tierhaltung kommen.
Auch beim Ackerbau ist spätestens seit der Dürre 2018 klar, dass wir eine Strategieänderung
brauchen. Wir wollen, dass Böden so bewirtschaftet werden, dass sie CO2 speichern und
Wetterextreme abpuffern. Und wir wollen darauf hinwirken, dass widerstandsfähigere Kulturen
und Sorten angebaut werden, um den Extremsommern – die in der Zukunft Normalität sein
könnten – besser trotzen zu können.
Unsere Ernährung trägt zu einem Fünftel zu unserer schlechten Klimabilanz bei. Vor allem der
übermäßige Fleischkonsum ist hierfür verantwortlich. Global betrachtet verursacht die
Erzeugung tierischer Lebensmittel mehr Klimagase als der gesamte Verkehrsbereich. Heute
wandert ein Drittel der weltweiten Getreideernte in die Futtertröge. Klar ist: Die
Produktion und der Konsum von Fleisch müssen sinken, Dumpingpreise der Vergangenheit
angehören.
Maßnahmen für eine klimagerechte Landwirtschafts- und Ernährungspolitik:
- Radikaler Umbau der EU-Agrarförderung (GAP) und Qualifizierung der Gelder der
Europäischen Agrarpolitik: Öffentliche Gelder sollen qualifiziert und spätestens ab
2027 nur in öffentliche Leistung investiert werden. Gefördert werden soll dann nur
noch eine klima- und tiergerechte, arten- und umweltschützende Landwirtschaft.
Deutschland hat über den Europäischen Rat Einfluss und Möglichkeit, diesen
Systemwechsel in der EU-Agrarpolitik einzufordern. Wir müssen alle bestehenden und
sich durch die GAP-Reform ergebenden Möglichkeiten nutzen, um eine klimagerechtere
Landwirtschaft voranzubringen.
- Ausweitung des Ökolandbaus bis 2025 auf mindestens 25 Prozent der Fläche: Dafür wollen
wir in den nächsten sieben Jahren eine Milliarde Euro Bundesmittel in den Ökolandbau
investieren.
- Umbau der industriellen Tierhaltung in tiergerechte Haltung: Die Landwirtschaft soll
ihre Tierhaltung art- und klimagerecht umbauen. Die Bestände sollen dabei reduziert
werden, der Tierbestand soll flächengebunden sein und maximal bei zwei
Großvieheinheiten pro Hektar liegen, perspektivisch noch darunter. Im Gegenzug soll es
eine Förderung für den Stallumbau geben. Damit reduzieren wir Methan- und Lachgas-
Emissionen und schützen Regenwälder vor Abholzung für europäischen Fleischkonsum und -
export. Diese Maßnahmen werden dazu führen, dass Fleisch teurer wird.
- Auflegen eines Brachflächenprogramms als Kurzfristmaßnahme: Landwirtinnen und
Landwirte, die ihren tierhaltenden Betrieb aufgeben wollen, sollen diesen an einen
staatlichen Fonds verkaufen können, der die Flächen in eine extensive Nutzung oder
Brache überführt.
- Verbot von Importen von Futtermitteln und Palmöl von gerodeten Flächen bzw. von
Flächen, für die natürliche Ökosysteme zerstört wurden durch gesetzliche Regelungen im
Rahmen des Waldaktionsplans auf EU-Ebene.
- Anpassung des deutschen Düngerechts an die Anforderungen der EU-Kommission für Klima-,
Natur- und Wasserschutz: Wir wollen vor allem für ohnehin belastete Gebiete neben
einem verbesserten Düngemanagement die Menge an Düngemitteln, die ausgebracht werden
darf, deutlich begrenzen. Wenn das Ordnungsrecht nicht zeitnah Erfolge erzielt, soll
ab 2022 eine Stickstoffabgabe erhoben werden.
- Fördern von Permakultur: Sie bietet höchste Produktivität auf minimalem Raum und ist
gut für Böden und Humus.
- Reduzierung der Fleischproduktion: Wir wollen über die Konsequenzen des Fleischkonsums
aufklären und setzen uns für mehr Selbstverständlichkeit von vegetarischer und veganer
Ernährung ein. Darum fördern wir ein größeres Angebot an vegetarischen und veganen
Speisen in Schulen, Mensen und Kantinen.
- Entwickeln von Alternativen zu Fleisch: Fleischersatz aus pflanzlichen Zutaten sowie
künstlich hergestelltes Fleisch werden zukünftig eine größere Rolle spielen. Die
Erforschung solcher Alternativen halten wir für richtig und wichtig, denn sie eröffnen
eine Perspektive, tierisches Eiweiß ohne Tierleid, Nitrat und mit deutlich geringerer
Klimabelastung herzustellen. Auch wenn sie noch nicht marktfähig sind, unterstützen
wir sie. Dies ist zudem ein Weg, um die Tierbestände zu reduzieren und die
Landwirtschaft zu extensiveren. Er sollte weiter gegangen werden.
- Förderung regionaler Produktion: Bei der Art und Weise, wie wir uns ernähren, setzen
wir auf regionale Versorgungsstrukturen und Wertschöpfungsketten in der Stadt, auf dem
Land und in der Gemeinschaftsverpflegung. Zugleich entwickeln wir nachhaltige
Ernährungsstrategien, worüber auch der Ausbau des Ökolandbaus unterstützt wird.
- Eindämmen von Lebensmittelverschwendung: Bis 2030 muss die Lebensmittelverschwendung
halbiert werden – das ist eins der internationalen Nachhaltigkeitsziele. Um das zu
erreichen, brauchen wir verbindliche Reduktionsziele für alle Stufen der
Wertschöpfungskette und einen gesetzlichen Wegwerfstopp für Supermärkte und
Lebensmittelproduzent*innen. Für lang haltbare Lebensmittel wie Nudeln oder
Hülsenfrüchte wollen wir das Mindesthaltbarkeitsdatum aufheben. Handels- oder EU-
Normen, die dazu führen, dass zu kleines oder unförmiges Obst und Gemüse gar nicht
erst die Supermarktregale erreicht, wollen wir abschaffen, Lebensmittelspenden
erleichtern und Containern straffrei machen.
Wälder schützen...
Wir brauchen Wälder, die der Klimakrise besser trotzen und dabei aktiven Klimaschutz
betreiben. Sie sind unverzichtbar für den Klimaschutz. Der Aufbau eines naturnahen, gesunden
Waldes kann viele Millionen Tonnen CO2 binden, bei nachhaltiger Nutzung des Holzes auch
dauerhaft. Aktuell ist der Wald von der Klimakrise bedroht, das liegt auch an den Fehlern
der Vergangenheit. Statt auf schnell wachsende Nadelholzplantagen zu setzen, brauchen wir
jetzt naturnahe Laubmischwälder mit standortheimischen Baumarten. Durch den Dürresommer 2018
und die Hitzeperioden dieses Jahres droht jetzt ein neues Waldsterben. Die Waldpolitik muss
daher auf allen Ebenen umsteuern:
- Umwandlung von Holzplantagen in naturnahe Wälder und ökologische Bewirtschaftung
gesetzlich festlegen und fördern; alte Wälder dauerhaft schützen und mit einem
Moratorium den Einschlag alter Bäume stoppen,
- Waldzukunftsfonds von einer Milliarde Euro für die nächsten Jahre als erste
Finanzspritze für den kranken Wald einführen; Förderung immer nach dem Prinzip
„öffentliches Geld nur für öffentliche Leistungen“ ausgeben,
- Wiederbewaldung mit standortheimischen Baumarten auf zerstörten Waldflächen, in Auen
und Niederungen fördern,
- fünf Prozent, perspektivisch zehn Prozent Urwaldflächen bundesweit festschreiben, in
öffentlichen Wäldern bereits heute zehn Prozent Urwaldfläche verbindlich machen,
- Holzverbrauch senken: Die wertvolle Ressource Holz muss effizient und nachhaltig
genutzt werden. Dafür wollen wir die Kaskadennutzung fördern, in der Holznutzung für
langlebige Produkte wie für den Bau und für Möbel an erster Stelle steht. Erst ganz am
Ende einer Nutzungskette sollten kurzlebige Holz- und Papierprodukte entstehen oder
Holz als Energieträger verbrannt werden. Die Nutzung von landbasierter Biomasse für
energetische Zwecke darf nicht weiter ausgebaut werden. Die direkte Verbrennung von
Frisch-Holz muss zurückgehen,
- Kohlenstoffsenke des Waldes durch Ausweisung von Naturwäldern verbunden mit einer
Reduktion des jährlichen Holzeinschlags und der Förderung von Waldflächen mit
natürlicher Waldentwicklung erhalten, um Anpassungsprozesse an die Klimakrise zu
ermöglichen,
- die Nutzung von landbasierter Biomasse für energetische Zwecke nicht weiter ausbauen,
die direkte Verbrennung von Frisch-Holz verringern, stattdessen durch Kaskadennutzung
aus weniger Holz mehr machen.
...und Moore auch.
Entwässerte Moore setzen Klimagase frei. Besonders landwirtschaftlich genutzte Moorböden,
die zwar nur sieben Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Deutschlands ausmachen,
emittieren 37 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft. Moorschutz
würde daher auf die Fläche gerechnet überproportional hohe Einsparungen in den
Treibhausgasen bedeuten. Daher ist Moorschutz wichtig und notwendig.
- Moore renaturieren: Die schnelle Wiedervernässung von Mooren ist von
überproportionalem Nutzen zur Einsparung von Treibhausgasen. Deshalb starten wir ein
gemeinsames großflächig wirksames Moorrenaturierungsprogramm von Bund und Ländern und
stoppen den Umbruch, die Entwässerung und die Zahlung von Agrarsubventionen für die
Bewirtschaftung entwässerter Moorböden ab 2021.
- 50 Prozent des entwässerten Waldes sollen bis 2030 wiedervernässt werden.
- Für alle bundeseigenen Moorflächen muss die Entwässerung bis 2030 gestoppt werden.
- Paludikultur, also die landwirtschaftliche Nutzung nasser Hoch- und Niedermoore,
wollen wir als Landwirtschaft anerkennen und in die Agrarförderung aufnehmen. Dazu
starten wir ein Investitionsprogramm und eine Klimaschutz-Flächenprämie.
- Aus der Gewinnung von Torf wollen wir aussteigen und Torf durch erneuerbare
Alternativen ersetzen.
6f. Green Finance
Der Finanzsektor ist entscheidend für mehr Klimaschutz. Mit einer breit angelegten Strategie
sorgen wir dafür, dass Anlagekapital in Zukunft Klimaschutz statt Klimazerstörung
finanziert:
- Alle Akteure – Banken, Versicherungsunternehmen und Rating-Agenturen – müssen Risiken,
die sich aus nicht nachhaltigen Investitionen ergeben, konsequent berücksichtigen. So
können Unternehmen, die Menschenrechte verletzen oder den Klimazielen von Paris
zuwider arbeiten, von den Anleger*innen auf den Finanzmärkten abgestraft werden. Das
heißt für sie höhere Zinsen und schlechterer Zugang zu Kapital.
Nachhaltigkeitskennziffern müssen in der Berichterstattung regelmäßig offengelegt
werden.
- Klimarisiken, die in Konzern- und Bankbilanzen schlummern, sollten bei der Bewertung
durch Rating-Agenturen und die Finanzmarktaufsicht berücksichtigt werden, zum Beispiel
durch Klima-Stresstests für Banken und Versicherungen oder durch Aufschläge bei
Eigenkapitalanforderungen zu Finanzierungen, die hohe Klima- und Umweltrisiken bergen.
- Damit Kleinanleger*innen von der grünen Finanzwende profitieren und ihr Geld mit gutem
Gewissen anlegen können, brauchen wir ein EU-Label für nachhaltige Finanzprodukte mit
starken ökologischen und sozialen Standards. Anhand eines einfachen
Klassifizierungssystems und klarer Standards für Grüne Anleihen können Anleger*innen
sich einfach über den Grad der Nachhaltigkeit ihrer Geldanlage informieren. Auch
werden sie bei jedem Beratungsgespräch verpflichtend gefragt, wie
Nachhaltigkeitskriterien in ihren Anlagen berücksichtigt werden sollen.
- Die Europäische Zentralbank muss ebenfalls ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Als
Sicherheiten sollte sie nur noch Vermögenswerte akzeptieren, die mit unseren
Klimaschutzzielen konform sind.
- Auch für die öffentliche Hand brauchen wir endlich neue Anlagerichtlinien, denn die
Pensionen für die Beamten oder auch für die Beschäftigten der Bundesagentur für Arbeit
müssen nach Klimaschutz- und Nachhaltigkeitskriterien angelegt werden. Der Bund kann
dem Markt für nachhaltige Geldanlagen wichtige Impulse geben. Dafür muss er seine
Investitionen in Kohle-, Öl- und Gas-Konzerne, die Geschäfte auf Kosten des Klimas
machen, beenden (Divestment).
7. Klimaschutz in Bildung und Wissenschaft
Wissenschaftliche Erkenntnisse sind für uns Grundlage politischer Entscheidungen. Sie zeigen
Lösungsansätze und Entscheidungsalternativen für große gesellschaftliche Probleme, wie zum
Beispiel den menschengemachten Klimawandel, auf. Aktuelle Studien, wie zum Beispiel zum
Schmelzen der Permafrostböden, zeigen, dass die Klimakrise bereits weiter fortgeschritten
ist als bisher angenommen. Der notwendige Weg, die globale Erhitzung zu begrenzen, erfordert
gesellschaftliche Auseinandersetzung, deren wissenschaftliche Begleitung sowie eine „Bildung
für nachhaltige Entwicklung" (BNE).
Die Pariser Klimaziele sowie wissenschaftliche Erkenntnisse umzusetzen, bedeutet auch
negative Emissionen – also das Rückholen von Kohlendioxid aus der Atmosphäre – bis Ende des
Jahrhunderts in erheblichem Umfang zu erreichen. Das kann zumindest teilweise gelingen,
indem CO2 in Wäldern oder Böden dauerhaft gebunden wird. Wir wollen deshalb Forschung und
Erprobung von Technologien für negative Emissionen unterstützen.
Gleichzeitig entbindet die Dringlichkeit der ökologischen Krisen uns nicht davon, genau
hinzuschauen und mögliche Risiken und Konsequenzen im Blick zu haben, wie schon bei der
Atomenergie, deren Gefahren und lange Strahlung jedes verantwortbare Maß menschlicher
Verantwortung überschreiten, oder bei der Freisetzung von gentechnisch veränderten
Organismen. Das gilt auch für technische Maßnahmen des „Geoengineerings“, mit denen in die
biogeochemischen Prozesse der Erde eingegriffen werden soll, etwa indem Meere gedüngt oder
Schwefelaerosole in der Stratosphäre ausgebracht werden, um die Wolken aufzuhellen und die
Sonneneinstrahlung zu reflektieren. Dem übergeordneten Ziel einer nachhaltigen Politik
entspricht das nicht. Wir werden alle Optionen am Vorsorgeprinzip und dem Prinzip der
Umkehrbarkeit messen: Was kurzfristig hilfreich erscheint, ist untauglich, wenn es in der
Folge neue Probleme schafft. Was Folgen mit sich bringt, die nicht wieder rückgängig gemacht
werden können, ist nicht der richtige Weg, denn er nimmt zukünftigen Generationen die
Freiheit. Daraus leiten wir die folgenden Forderungen ab:
- Klimagerechtigkeit muss in allen Bildungsinstitutionen (Kitas, Schulen,
Volkshochschulen, Hochschulen etc.) und non-formalen Bildungsorten auf allen Ebenen
besser verankert werden. Ausgehend von der zeitlich bedingten Notwendigkeit, muss
Bildung für nachhaltige Entwicklung im gesamten Bildungs- und Wissenschaftssystem
maßgeblich das Grundverständnis, die Strukturen, Inhalte und Ziele bestimmen.
- Für ein noch besseres Verständnis der ökologischen Herausforderungen braucht es unter
anderem Klima-, Energie- und Akzeptanzforschung, Forschung zur Zukunft der Arbeit und
(Agrar-)Wirtschaft, Überwindung der „Wissens-Verhaltens-Lücke" und Innovationen in der
Klimafolgenanpassung.
- Wir brauchen insgesamt mehr Vielfalt in allen Wissenschaftsbereichen. Dabei ist es für
uns zentral, dass die Wissenschaft frei und unabhängig von Verwertungsinteressen
bleibt. So müssen zum Beispiel einige Bundeszuwendungen verstetigt werden.
Anderenfalls werden unvorhersehbare, kreative Ideen und interessanter Dialog verloren
gehen.
- Wir wollen bestehende Grenzen zwischen den Wissenschaftsfeldern aufbrechen und trans-
und interdisziplinäre Zusammenarbeit unterstützen, auch in Zusammenarbeit mit der
Zivilgesellschaft. Deshalb setzen wir uns auch dafür ein, Forschung mit Anwohner*innen
sowie lokalen Initiativen in Reallaboren zu ermöglichen.
- Öffentlich finanzierte Hochschulen und Forschungseinrichtungen haben schon immer einen
Vorbildcharakter gehabt, was nachhaltige Entwicklung betrifft. Sie müssen durch
klimagerechte Maßnahmen insbesondere bei Mobilität, eigenem Energiekonsum, Gebäude und
Beschaffung bis spätestens 2030 klimaneutral sein.
8. Soziale Maßnahmen für gerechten Klimaschutz
Unter den Auswirkungen der Klimakrise leiden Menschen mit geringen Einkommen mehr als
Menschen mit hohen. Daher ist Klimapolitik immer auch Sozialpolitik. Zugleich ist klar, dass
Preiserhöhungen sozial ausgewogen sein müssen. Wir wollen den Klimaschutz als Gesellschaft
gemeinsam und fair miteinander gestalten. Die notwendige Transformation der Wirtschaft kann
nur gelingen, wenn sie ökologisch und gleichzeitig sozial ist. Die ökologische Frage ist
auch immer eine soziale Frage.
Wir stellen sicher, dass die Menschen von ökologisch-sozialer Modernisierung profitieren:
- Aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung finanzieren wir ein Energiegeld von zunächst 100
Euro, das jede Bürgerin und jeder Bürger erhält. Da Menschen mit niedrigem Einkommen
in der Regel weniger CO2 produzieren, profitieren sie überdurchschnittlich davon.
- Kaufpreisprämien müssen in niedrigeren Preissegmenten höher sein als in teureren
Preissegmenten.
- Wir wollen Energiearmut in Deutschland bekämpfen und Stromsperren verhindern, von
denen besonders häufig Menschen mit geringem Einkommen oder in schwierigen Lebenslagen
betroffen sind.
- Bei der Gebäudesanierung wollen wir ein Klimawohngeld einführen und so für Mieterinnen
und Mieter mit kleinem Einkommen warmmietneutrale Modernisierungen ermöglichen.
- Gute Bezahlung und gerechte Entlohnung bilden mit die Basis für ökologische
Kaufentscheidungen. Wir wollen das Tarifvertragssystem stärken, den Mindestlohn
erhöhen, Wege aus den Minijobs und dem Niedriglohnsektor ebnen und eine bessere
Bezahlung der sozialen Berufe durchsetzen.
- Der Klimaschutz wird in zahlreichen Branchen zu einem Strukturwandel führen. Dabei
wollen wir die Beschäftigten unterstützen. Weiterbildung und Qualifizierung sind dabei
entscheidend. Wir wollen ein Recht auf Weiterbildung einführen, die Beratung vor Ort
verbessern und vernetzen, eine sozial gerechte Weiterbildungsförderung schaffen, die
Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung weiterentwickeln und besonders
betroffene Branchen zielgenau unterstützen.
- Um Beschäftigte zu unterstützen, die aufgrund eines klimaschutzbedingten
technologischen Wandels absehbar neue Qualifikationen benötigen, schlagen wir ein
Klimaqualifizierungsgeld vor. Dies kommt insbesondere solchen Unternehmen zugute, die
auf Grund ihrer Größe und ihres Umsatzes nicht ohne weiteres einen eigenen
Qualifizierungsfonds einrichten können. Voraussetzung für den Bezug des
Klimaqualifizierungsgeldes ist ein gemeinsam zwischen den Betriebspartnern erstellter
Business- und Qualifizierungsplan, der klar regelt, welche Maßnahmen für den
Klimaschutz getroffen und welche Qualifikationen durch die Beschäftigten erworben
werden müssen.
- Für Regionen, die besonders von der Transformation betroffen sind, braucht es gezielte
Hilfe. Daher unterstützen wir den „Just Transition Fund“ auf EU-Ebene und wollen die
beihilferechtlichen Vorgaben in Sinne gerechter Transformation weiter entwickeln.
- Um soziale Härten im Zuge des Kohleausstieges zu vermeiden, müssen im
Kohleausstiegsgesetz bzw. im Strukturstärkungsgesetz arbeitsmarkt- und
qualifizierungspolitische Maßnahmen sowohl für die direkt als auch für die in der
Zuliefererindustrie indirekt vom Braunkohleausstieg betroffenen Beschäftigten
enthalten und mit entsprechenden Finanzmitteln hinterlegt sein. Zugleich müssen die
Vorbereitungen zur nachhaltigen sozialen Absicherung älterer Beschäftigter,
insbesondere in Form des Anpassungsgeldes, gerade auch im Haushalt unverzüglich
eingeleitet werden.
- Wir müssen sicherstellen, dass Menschen nicht zum Arbeiten verpflichtet werden, wenn
sie durch extreme Hitze ihre Gesundheit und ihr Leben gefährden. Deswegen wollen wir
für hitzebedingte Arbeitsausfälle ein Hitzegeld einführen, welches den Beschäftigten
60 Prozent ihres Nettogehaltes garantiert.
- Alle Menschen sollen Zugang zu bezahlbarer Mobilität haben. Über Sozialtickets und
unseren Mobilpass sorgen wir dafür, dass Bahnfahren und ÖPNV gerade für Menschen mit
niedrigen Einkommen bezahlbar sind.
- Wir wollen die Stromkostenpauschale aus dem Hartz-IV-Regelsatz herauslösen und
jährlich dynamisieren, sodass Kostensteigerungen beim Strompreis nicht zu einer
Unterdeckung des Regelsatzes führen. Weitere Kostensteigerungen, die sich aus dem
Klimaschutz ergeben, müssen in die Anpassung der Sätze miteinbezogen werden. Menschen,
die keine weitere Belastung schultern können, dürfen auch nicht stärker belastet
werden.
9. Anpassung an das Unvermeidbare
Anpassung ist keine Alternative zur Minderung von Treibhausgasen. Jedes Zehntel Grad
Erderwärmung macht einen Unterschied, wie heftig die Auswirkungen der Klimakrise in den
nächsten Jahrzehnten sein werden. Daher kommt es auch auf jede eingesparte Tonne CO2 an.
Doch auch bei einer Begrenzung der globalen Erhitzung auf deutlich unter 2 Grad, selbst bei
1,5 Grad werden die Auswirkungen der Klimakrise deutlich spürbar sein. Eine Anpassung daran
ist unvermeidlich. Die Zunahme der Extremwetterereignisse wie Dürren oder die
Extremniederschläge der vergangenen Jahre haben gezeigt, worauf wir uns einstellen müssen.
Zur Abmilderung der Auswirkungen der Klimakrise und zur Bewältigung des Unvermeidbaren
braucht Deutschland einen Aktionsplan, der Klimaschutz und Klimaanpassung miteinander
verbindet. Damit werden Menschen, Städte, Umwelt und Natur widerstandsfähiger gegen die
Folgen der Klimakrise gemacht und können einen größeren Beitrag zur Minimierung der
Klimakrise leisten. Im Zentrum dabei steht für uns ein nationaler Klimafolgenanpassungsfonds
in Höhe von zwei Milliarden Euro, mit denen wir die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise
begrenzen wollen. Folgende Schritte sind aus unserer Sicht schon jetzt unerlässlich:
- Beim Städte- und Wohnungsbau müssen wir für Hitzeschutz sorgen. Schon heute liegen die
Temperaturen in Großstädten wie Köln, Stuttgart oder Berlin im Sommer teilweise zehn
Grad über denen des Umlandes. Menschen können nächtelang nicht schlafen und arbeiten
in klimatisierten Räumen. Wir brauchen einen Städte- und Wohnungsbau, der die
Entwicklungen der Klimakrise berücksichtigt. Statt Betonwüsten braucht es mehr Bäume,
Wasser- und Grünflächen sowie Frischluftschneisen in unseren Städten, denn sie wirken
wie Klimaanlagen. Mit finanziellen Mitteln müssen Projekte für mehr Stadt- und
Fassadenbegrünung, Schattenflächen, Häuserdämmung sowie Kühlung durch Kältespeicher
und erneuerbar betriebene Wärmepumpen in den Wohnungen, aber auch hellere Fassaden und
hellerer Straßenbelag gefördert werden. Das ist gut für die Gesundheit der Menschen,
die Luft und das Klima.
- Wir wollen Betroffene entschädigen. Derzeit sind nur 40 Prozent der Häuser in
Deutschland gegen Elementarschäden versichert und gerade in den von Hochwasser
gefährdeten Gebieten werden Versicherungen gar nicht mehr angeboten oder sind kaum
finanzierbar. Neben angemessenen Versicherungslösungen für die Betroffenen ist ein
zusätzlicher Fonds für unbürokratische und zügige Entschädigungszahlungen aufzulegen
für Menschen, deren Existenz bedroht ist. Zudem sollen regionale Landkarten erstellt
werden, auf denen absehbare Gefährdungslagen kartiert sind. Ausweisungen von
Neubaugebieten in Überschwemmungsgebieten wollen wir einschränken.
- Wir wollen den Gesundheitsschutz erhöhen. Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts ist
die Zahl von Todesfällen aufgrund von Herzkrankheiten während der Hitzewellen deutlich
angestiegen. Besonders betroffen sind Säuglinge, Kleinkinder und ältere Menschen. Das
Bundesgesundheitsministerium rechnet bis zum Ende des Jahrhunderts mit einer um den
Faktor drei bis fünf erhöhten Todesrate durch Hitzewellen. Hinzu kommen Folgeprobleme
wie eine massive Zunahme von Allergien, da sich etwa die Pollenflugsaison in den
vergangenen 30 Jahren bereits um zehn bis zwölf Tage verlängert hat. Für Warnsysteme,
bessere Behandlungsmöglichkeiten von klimabedingten Krankheiten sowie Hitze-
Aktionspläne muss Geld bereitgestellt werden. Die Aktionspläne sollten eine
koordinierte Kommunikation von Tipps und Verhaltensweisen für die Bevölkerung bei
Extremwetterereignissen beinhalten. Über eine bundesweite Beratungstelefonnummer
sollen Informationen zur Vermeidung hitzebedingter Gesundheitsschäden abgerufen werden
können.
- Wir wollen einen bundesweiten Hitzeaktionsplan verabschieden. Damit schützen wir die
Bevölkerung vor hitzebedingten Gesundheitsschäden.
- Wir wollen die Landwirtschaft anpassen und die Forschung für robuste Pflanzen
intensivieren, damit Landwirt*innen die Herausforderungen der Klimakrise meistern
können. Entschädigungen sowie Förderprogramme für technische Lösungen bekämpfen nur
die Symptome, sparen aber die erforderlichen Änderungen im System sowohl auf dem Acker
als auch in der Tierhaltung aus. Vielfältige Fruchtfolgen, angepasste Sorten und
humusreiche Böden können Trockenstress und Klimawandel besser trotzen als
Monokulturen. Alternative Forschung und Anbaumethoden müssen deutlich stärker
gefördert werden.
- Wir wollen gesunde Böden fördern: Viele Regionen werden in den nächsten Jahren mit
Trockenheit zu kämpfen haben. Umso wichtiger, dass der Boden gesund und geschützt ist
– mit genügend Humus, um ausreichend Wasser zu speichern. Wir werden den Humuserhalt
und -aufbau von Böden durch Umwandlung ungeeigneter Äcker in Grünland sowie die
Ausweitung agrarökologischer Methoden wie Agroforstsysteme, Mischkulturen, weite
Fruchtfolgen und eine ganzjährige Bodenbedeckung fördern.
- Wir wollen Flächen entsiegeln. Versiegelte Flächen heizen die Umgebung nicht nur
unnötig auf, sondern können auch kein Regenwasser aufnehmen. Letzteres führt zu
Überschwemmungen. Deshalb braucht es ein Programm zur Wiederherstellung geschädigter
und versiegelter Böden in ihre natürliche Funktion als CO2- und Wasserspeicher.
- Bäume stellen Kohlenstoffsenken dar. Deshalb sind Agroforstsysteme unabdingbar für
eine klimagerechte Landwirtschaft. Auch wollen wir den Baumstand pro Festmeter im Wald
festschreiben und ihn durch Begrünung städtischer Umgebungen steigern. Bei der
Aufforstung wollen wir zum Vorreiter werden. Dazu setzen wir im Rahmen eines
Waldaufforstungsprogramm auf gesunde Mischwälder und klimarobuste Arten.
- Wir wollen Wälder vor Bränden schützen. Für den Fall großer Waldbrände braucht es
bundesländerübergreifende Katastrophenpläne, ausreichende Spezialisten und eine gute
Ausrüstung zum Beispiel mit Löschflugzeugen. Doch genauso wichtig wie eine
Waldbrandstrategie ist Waldbrand-Prävention: Dazu gehören Vorsorgemaßnahmen wie
Schutzstreifen und Waldbrandriegel sowie den nachhaltigen Umbau der Wälder
insbesondere nach Sturmschäden von Monokultur-Nadelwäldern hin zu artenreichen
Mischwäldern. Diese sind weniger brandgefährdet und zudem ein Gewinn für die
Artenvielfalt.
- Wir wollen vor Hochwasser schützen. Hochwasserschutz ist mehr als Deiche bauen. Mit
Blick auf die mittlerweile alle paar Jahre hereinbrechenden Jahrhunderthochwasser ist
eine prioritäre Finanzierung des ökologischen Hochwasserschutzes überfällig. Dazu
gehört, den Flüssen wieder mehr Raum zu geben sowie eine Reaktivierung von Auen
entlang von Flüssen. Auch braucht es Hochwasserkonzepte für Städte, die aufgrund ihrer
massiven Versiegelung nicht für extreme Niederschläge gerüstet sind.
10. Klimaschutz kennt keine Grenzen
Auch wenn sich dieser Maßnahmenplan vor allem auf die national notwendigen Anstrengungen
konzentriert, so ist doch völlig klar: Klimaschutz kennt keine Grenzen und muss europäisch
und global gedacht werden.
Von der Klimakrise betroffen sind weltweit zuerst jene, die die Klimakrise nicht verursacht
haben und sich am wenigsten vor den Auswirkungen schützen können: Menschen, besonders
Frauen, in den Ländern des Globalen Südens. Wir unterstützen die ärmsten Staaten beim
Klimaschutz und bei der Anpassung an Klimaveränderungen. Insbesondere mit Schwellen- und
Entwicklungsländern bauen wir Klimapartnerschaften auf und verstärken die klimapolitische
Zusammenarbeit. Wir setzen uns dafür ein, dass die Menschen in Entwicklungs- und
Schwellenländern, die besonders von der Klimakrise betroffen sind, solidarische und
koordinierte Hilfe der Staatengemeinschaft erhalten. Dafür fördern wir systematisch
Klimarisikoanalysen und ein Klimarisikomanagement. Ansätze auf internationaler Ebene müssen
die Umsetzung der Menschenrechte, etwa der Rechte auf Nahrung, Wasser oder Gesundheit,
befördern und die Bevölkerung vor Ort miteinbeziehen. Lokal Betroffenen muss die notwendige
Umsiedlung in Würde garantiert werden, Menschen, die ihre Heimat aufgrund der Klimakrise
verlassen, brauchen internationalen Schutz.
- Wir werden uns in den internationalen Klimaverhandlungen dafür einsetzen, das Pariser
Klimaabkommen zu einem internationalen Regime weiterzuentwickeln, das von den Staaten
möglichst verbindliche Ziele einfordert, Vergleichbarkeit und Transparenz der
Zieleinhaltung sicherstellt und die Nichteinhaltung sanktioniert.
- Wir werden uns dafür einsetzen, dass die im Rahmen des Pariser Klimaabkommens
anstehenden regelmäßigen fünfjährlichen Überprüfungen („global stocktakes“) der
nationalen Klimaschutzbeiträge (NDCs) tatsächlich dazu führen, dass die Klimaziele
aller Staaten angemessen erhöht werden. Dafür muss sich der Überprüfungsprozess am
aktuellen Stand der Wissenschaft zur Begrenzung der Erderhitzung auf deutlich unter 2
Grad, möglichst 1,5 Grad und an Kriterien der globalen Klimagerechtigkeit orientieren.
Gleichzeitig werden wir die Unterstützung von Ländern für die Umsetzung und
Verbesserung von NDCs in Foren wie der NDC-Partnerschaft deutlich ausbauen.
- Die Industrieländer haben zugesagt, die Entwicklungsländer ab 2020 mit jährlich 100
Milliarden US-Dollar bei Klimaschutz und Anpassung an die Folgen der Klimakrise zu
unterstützen; der gerechte Anteil Deutschlands daran wären etwa 10 Milliarden Dollar.
Doch wir wissen bereits heute, dass diese Summen nicht reichen werden. Wir werden uns
daher dafür einsetzen, dass Deutschland in einem ersten Schritt jährlich 10 Milliarden
Euro aus öffentlichen Mitteln für internationale Klimafinanzierung bereitstellt, mit
denen dann auch weitere private Mittel mobilisiert werden können. Zusätzlich soll
Deutschland auch seine Zahlungen erhöhen, um die anderen nachhaltigen
Entwicklungsziele zu erreichen.
- Die ambitionierte Koalition der Finanzminister*innen für Klimaschutz soll bis Mitte
2020 ein ambitioniertes Programm für die Ausrichtung der globalen Finanzströme an den
Zielen des Pariser Klimaabkommens vorlegen. Das heißt zu Beispiel, dass
klimaschädliche Subventionen abgebaut und alle klimabedingten Geschäftsrisiken
konsequent offengelegt werden.
- Deutschland sollte die strategische Klima-Allianz mit den 48 von der Klimakrise
besonders betroffenen Entwicklungsländern, die sich zu 100 Prozent erneuerbaren
Energien und Netto-Nullemissionen verpflichtet haben, ausbauen, damit sie diese Ziele
sobald wie möglich erreichen.
- Internationale Allianzen der Regionen, wie zum Beispiel die „Under2Coalition“, werden
wir stärken und ausbauen, um auch in jenen Staaten den Klimaschutz voranzubringen, die
derzeit Schlusslicht in der internationalen Klimapolitik sind. Dadurch stärken wir
auch die Zusammenarbeit mit subnationalen Akteuren in allen Ländern und halten die Tür
für Länder wie die USA offen, wenn sie sich zur Rückkehr zum Pariser Abkommen
entscheiden.
- Wir setzen uns für ressortübergreifende strategische Partnerschaften mit den großen
Schwellenländern für klimafreundliche Investitionsoffensiven in Mobilität, Energie,
Digitalisierung, nachhaltige Stadtentwicklung und Schlüsselindustrien wie Stahl oder
Zement ein.
- Wir werden die Kriterien für die internationale Zusammenarbeit zugunsten
klimaneutraler Investitionen ändern und dafür sorgen, dass jede Art fossiler
Technologie nicht mehr über Exportkredite oder Bürgschaften abgesichert werden kann,
wenn sie nicht im Einklang mit den Zielen von Paris steht.
- Für das Jahr 2050 werden 100 bis 150 Millionen Menschen auf der Flucht prognostiziert
– allein aufgrund der Klimakrise, wenn sie ungebremst fortschreitet. Wir müssen unsere
humanitäre Hilfe massiv erhöhen, uns auf Katastrophen bedingt durch die Klimakrise
einrichten und uns intensiver mit dem Recht auf Klimaflucht auseinandersetzen. Wir
unterstützen Entwicklungsländer im Rahmen der Agenda 2030 dabei, der Klimakrise
entgegenzuwirken, damit die Menschen ihre Lebensgrundlagen nicht verlieren. Und wir
helfen ihnen dabei, nötige Umsiedlungen durch Klimakatastrophen bewältigen zu können.
[1] Laurent Fabius, Chefverhandler der Klimakonferenz in Paris und damaliger französischer
Außenminister
[2] Im weiteren Text verkürzt als CO2.
[3]https://www.scientists4future.org/stellungnahme/fakten/
[4]https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2016_2020/2019_09_Brie-
f_Klimakabinett.pdf?__blob=publicationFile&v=5
[5] Annahme: Bei einem Temperaturanstieg von maximal 1,75° C und einer Wahrscheinlichkeit
der Zielerreichung von 67 Prozent; mit einer Wahrscheinlichkeit von 40 Prozent sogar 1,5° C
Erderhitzung.
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