Der gefundene Kompromiss, der von uns GRÜNE im Bundesrat durchgewunken wurde, ist laut Tierschützern ein fauler.
Die Tierärzte für eine verantwortliche Landwirtschaft bestätigen: "Die neue Verordnung konterkariert und unterläuft ebenso wie die alte das Tierschutzgesetz und ist nach wie vor ein Rechtsbruch".
Eine Verordnung diene der Konkretisierung von Gesetzen und dürfe diesen nicht zuwiderlaufen. Tierärztin Dr. Ines Advena sagt, dass diesem wird schamlos und ungeniert zuwidergehandelt werde, da die Paragrafen 1 und 2 des Tierschutzgesetzes klar regeln, dass ein Tier verhaltensgerecht untergebracht werden muss und ihm nicht ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden, Schäden zugefügt werden dürfen.
Mit dem "Kompromiss" haben wir einen auf weitere acht Jahre existenten Rechtsbruch durchgewunken.
Die Motive sind klar: Lieber in acht Jahren ganz raus als gar nicht. Aber das kann nicht unsere, das kann keine grüne Politik sein. Wie viele andere Grüne haben wir massiv enttäuschte Anrufe und E-Mails erhalten und wurden immer wieder darauf angesprochen, dass es der Anspruch der Grünen in einem Wahlkampf sein muss, die Kastenstandhaltung im Falle einer Regierungsbeteiligung sofort - und das heißt mit einer technischen Übergangszeit von höchstens sechs Monaten - zu beenden. Die Landwirte haben lange genug Zeit gehabt, rechtlich einwandfrei zu wirtschaften, sie haben lange genug Rechtsbruch begangen.
Sie nun auf weitere acht Jahre darin zu legitimieren, kann und darf keine Grüne Politik sein - genauso wenig wie ihnen auch noch staatliche Zuschüsse dafür zu garantieren, dass sie - endlich - Gesetze einhalten.
Ein Zusammenschluss aus über 20 Tierschutzverbänden, darunter TASSO, Tierärzte für Tiere, Tierärzte für eine verantwortbare Landwirtschaft, Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht, ANIMALS UNITED, Ärzte gegen Massentierhaltung, Bund gegen Missbrauch der Tiere, Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht, PETA und Politischer AK Tierrechte in Europa erklären in einem offenen Brief:
Schmerzen und Leiden i.S.v. § 17 TierSchG werden den Tieren also nicht nur durch Missachtung von Normen, sondern auch und vor allem innerhalb des Rahmens von Normen zugefügt. Die per Verordnung normierten Haltungsformen bergen offenkundig vielfältige Potentiale, Schmerzen, Leiden und Schäden bei den Tieren zu verursachen.
Und wie es aussieht, soll sich das auch in Zukunft nicht verändern. Die im Focus der jetzigen Änderung stehende Sauenhaltung in Kästen ist, obwohl nach § 30 Abs.4 TierSchNutztV offenbar als Ausnahme konzipiert, die meistgenutzte Haltungsform beim Abferkeln.
In welch hohem Maße diese Haltungsform die Tiere physisch und psychisch traumatisiert, haben wir bereits an anderer Stelle dargelegt.
Das Prinzip Kastenstand ist die Grundlage einer Schweineproduktion in industrieller Form. Es hat die Entwicklung zu Anlagen mit 200, 300, 500, 1000, 5000 und mehr Sauen erst ermöglicht und in der Folge einerseits zu einem massiven Verdrängungs- und Konzentrationsprozess in der Ferkelerzeugung und andererseits zu massiven tierschutzrechtlichen und ökologischen Problemen geführt.
Und selbst in der Empfehlung des Bundesratsausschussesfür Agrar und Verbraucherschutz (Drucksache 587/1/19) steht:
„In Kastenständen entstehen den Tieren Schmerzen und Leiden (Moritz et al., 2016). Aus dieser Tatsache ergeben sich Konsequenzen für die Anwendung v on § 2 Tierschutzgesetz. Eine Kastenstandhaltung, die über ein kurzzeitiges Fixieren hinausgeht, verstößt gegen § 2 Nummer 2 Tierschutzgesetz (Hirt et al. 2016).
…
Der Bundesrat stellt fest, dass die Bundesregierung erst vier Jahre nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen Anhalt (3 L 386/14 vom 24.11.2015) einen Vorschlag zur Änderung der TierSchNutztV vorgelegt hat. Das Magdeburger Verwaltungsgericht hatte darauf hingewiesen, dass die praktizierte Haltung von Schweinen in Kastenständen seit Jahren nicht dem geltenden Recht entspricht. Diese Haltung von Sauen ist erwiesenermaßen nicht verhaltens- und tiergerecht, insbesondere muss die Sau sich hinlegen sowie den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken können.
Aus Sicht des Bundesrates stellt perspektivisch der vollständige Verzicht auf Kastenstände und die schnellstmögliche Entwicklung von tiergerechten Alternativ Systemen bei gleichzeitiger Reduktion möglicher Ferkelverluste den aus Tierschutzsicht besten Weg dar."
Tierärztin Advenamacht unmissverständlich klar: "Einmal mehr geht es bei einem politischen Beschluss im Tierschutz nicht um die Belange der Tiere, sondern um die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Schweineproduktion - eine Missachtung des Bürgerwillens, wie sie deutlicher nicht sein kann."
Dem ist nichts hinzuzufügen. Eine breite Mehrheit der Gesellschaft befürwortet den sofortigen Ausstieg aus der Kastenstandhaltung. Die Tierquälerei muss ein Ende haben. Wir GRÜNE sind es, die damit offensiv Wahlkampf machen und das Versprechen im Falle einer Regierungsbeteiligung umsetzen müssen. Wir sind es, die uns nicht wegducken und als Verräter am Tierwohl dastehen dürfen.
Wir sind die Partei, die Lobby, die Freunde der Tiere. Lasst uns zeigen, dass wir das nicht vergessen haben.
Robert Habeck sagte in seinem Video vor der Abstimmung im Bundestag, dass achte Jahre lang sind. Es hätte von ihm aus schneller gehen können. Da sind wir beieinander. Aber diese acht Jahre mit einem "riesigen Systemwechsel" zu begründen zu wissen, also mit den Sorgen und Nöten der Tierquäler, die Schweine bisher in Kasten ohne Bewegung gepfercht haben, Rechtsbruch begangen haben, ohne mit der Wimper zu zucken, das tut grünen Herzen weh.
Nein, Robert, das rechtfertigt diese "längere Zeit", ein halbes Schweineleben, nicht. Wer nach fünf Jahren nicht in den Umbau einsteigt, soll mit der Schließung seines Betriebes bestraft werden. Das ist keine gute Nachricht, das ist ein Freibrief für Tierquäler, fünf weitere Jahre ungeniert genauso weiterzumachen wie bisher. Hauptsache das Fleisch ist billig.
Und auch eine Förderung für die Betriebe, die "schnell einsteigen" ist nichts anderes als einen Zuschuss für einen Steuersünder, der jahrelang keinen Cent abgeführt hat und jetzt nach andauernder Steuerhinterziehung früher mit dem Zahlen anfängt, als Kollegen, die noch länger - mit dem Segen von Bundestag und Bundesrat - hinterziehen.
Rechtsbruch gehört bestraft, nicht belohnt.
Robert sagt, der Einstieg beginne jetzt. Morgen. Wir finden, dass weder das Jetzt noch das Morgen in 5 Jahren beginnt. Abertausende gequälte Sauen finden das auch nicht.
Und Robert sagt in seinem Video auch, dass der Kompromiss nicht das Ende der Debatte sei. Ganz im Gegenteil. Darin sind wir uns einig. Da nehmen wir ihn beim Wort.
Lasst uns gemeinsam die Stimme der Tiere sein und uns diesen Spuk umgehend beenden, sollten wir regieren.
Kommentare