Antrag: | Kapitel 2: In die Zukunft wirtschaften |
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Antragsteller*in: | Rasmus Andresen (KV Flensburg) und 22 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 13%) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Modifizierte Übernahme |
Eingereicht: | 04.10.2020, 10:59 |
GSP.W-01-024-3: Kapitel 2: In die Zukunft wirtschaften
Verfahrensvorschlag: Antragstext
Von Zeile 27 bis 28:
setzt neue Kräfte für Kreativität und Innovationen frei. Er sorgt für sozialen Ausgleich und stärkt Geschlechtergerechtigkeit.fördert eine geschlechtergerechte Gesellschaft
Kapitel 2: In die Zukunft wirtschaften
Sozial-Ökologische Marktwirtschaft
(90) Die Wirtschaft dient den Menschen und dem Gemeinwohl, nicht andersherum. Wohlstand im
Sinne von Klimaneutralität, Nachhaltigkeit, Vorsorge und Gerechtigkeit ist Kern eines
zukunftsfähigen Wirtschaftssystems. Ziel ist ein Wirtschafts- und Finanzsystem, das die
planetaren Grenzen einhält. Dafür braucht es den Wandel hin zu einer sozial-ökologischen
Marktwirtschaft, die Wachstum, Effizienz, fairen Wettbewerb und Innovation als Mittel zur
Erreichung von mehr Lebensqualität für alle Menschen nutzt, weltweit und für zukünftige
Generationen.
(91) Viele der strukturellen Anreize zum Produzieren, Handeln und Konsumieren stellen uns
vor ökologische Probleme dramatischen Ausmaßes und befeuern sozial-ökonomische
Verteilungskrisen. Wirtschaftswachstum ist nicht per se das Problem, der damit einhergehende
Verbrauch natürlicher Ressourcen schon. Wachstum in bestimmten Bereichen wird auch in
Zukunft wichtig sein, um die Lebensbedingungen der Menschheit zu verbessern. Es geht dabei
um ein qualitatives Wachstum, das neben ökonomischen Kriterien auch soziale und ökologische
berücksichtigt.
(92) Wohlstand definiert sich nicht allein durch materiellen Reichtum, sondern meint
Lebensqualität. Es geht auch um Sicherheit, Freiheit, Zeitsouveränität, gesunde
Lebensgrundlagen, Gleichberechtigung, kulturelle Teilhabe und ein friedliches Zusammenleben.
Dafür sind ein neuer Wohlstandsbegriff und ein anderes Wirtschaften nötig. Mit einem
umfassenden Wohlstandsindikator können ökologische, soziale und qualitative Merkmale erfasst
werden. Wasser, Luft, Boden und Artenvielfalt sind globale Gemeingüter, die abseits einer
reinen Verwertungslogik allen Menschen zugutekommen.
(93) Den Weg zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft bereitet ein europäischer Green Deal.
Er schafft den neuen Ordnungsrahmen für faires, ökologisches und nachhaltiges Wirtschaften,
indem er auf ein Bündnis aus Arbeit und Umwelt baut. Er investiert mutig in die Zukunft. Er
setzt neue Kräfte für Kreativität und Innovationen frei. Er sorgt für sozialen Ausgleich und
stärkt Geschlechtergerechtigkeit.fördert eine geschlechtergerechte Gesellschaft
(94) Freies und kreatives Handeln von Menschen sowie die Dynamik eines fairen Wettbewerbs
und gesellschaftlicher Kooperation können nachhaltigen Wohlstand, Fortschritt und innovative
Problemlösungen schaffen.
(95) Märkte können ein mächtiges Instrument für ökonomische Effizienz, Innovation und
technologischen Fortschritt sein. Ihre Dynamik und Schaffenskraft sind unverzichtbar, um die
großen Herausforderungen der ökologischen Krisen zu bewältigen. Unregulierte Märkte aber
sind zukunftsblind, krisenanfällig und instabil. Erst klare Regeln stellen sicher, dass
Märkte und Wettbewerb funktionieren und im gesellschaftlichen Interesse wirken. Es ist
Aufgabe des Staates, für Information, Transparenz und Wahlfreiheit zu sorgen und die
Durchsetzung von Verbraucher*innen-Rechten sicherzustellen.
(96) Der Markt ist nicht das alleinige Organisationsprinzip für das Wirtschaften in einer
Gesellschaft. Ein Großteil menschlicher Wirtschaftsbeziehungen erfolgt jenseits von Märkten
über den Staat, in Haushalten oder gemeinschaftlich organisierten Bereichen. Wir wollen den
Weg ebnen für soziales und ökologisches Unternehmer*innentum, für eine Wirtschaft des
Teilens sowie für frei zugängliches Wissen und frei zugängliche Gemeingüter. So wird die
sozial-ökologische Wirtschaft im Sinne des Gemeinwohls gestärkt.
(97) Es gilt das Primat der Politik, auch gegenüber Wirtschaft und Kapital. Wir wollen es
neu begründen und durchsetzen. Dafür braucht es einen starken, effizienten und
handlungsfähigen Staat und klare Leitplanken aus Steuer-, Abgaben- und Ordnungsrecht sowie
intelligenter öffentlicher Forschungs- und Förderpolitik. Im Wettbewerb soll erfolgreich
sein, wer übergeordnete gesellschaftliche Ziele nicht konterkariert, sondern befördert.
(98) Nur wenn Preise die ökologische und soziale Wahrheit sagen, geht der Wettbewerb der
Märkte nicht zulasten von Mensch und Umwelt. Klimafreundliche und soziale Alternativen
können sich dann durchsetzen.
(99) Zukunftsfähige Wirtschaftspolitik orientiert sich an einem neuen Wohlstandsmaß und
einer neuen Form der Wirtschaftsberichterstattung. Diese berücksichtigen neben ökonomischen
auch ökologische, soziale und gesellschaftliche Entwicklungen sowie Sorgearbeit, die zum
größten Teil von Frauen – unbezahlt – geleistet wird.
(100) Zukunftsfähiges Wirtschaften braucht Planungssicherheit. Staatliche Wirtschafts-,
Investitions- und Infrastrukturpolitik muss langfristig und verlässlich stattfinden. Um
erfolgreich zu wirtschaften, brauchen Unternehmen eine moderne und intakte Infrastruktur,
gut ausgebildete Fachkräfte, gute Finanzierungsbedingungen, eine funktionierende öffentliche
Verwaltung sowie soziale Stabilität und Rechtssicherheit. Dazu zählen auch schnellere
Planungsverfahren durch frühzeitige Verfahrensbeteiligung sowie Behörden und Gerichte mit
ausreichendem Personal und einer vollständig elektronischen Abwicklung von Anträgen.
(101) Infrastrukturen sind eine öffentliche Aufgabe. Öffentliche Güter und Institutionen
müssen für alle zugänglich sein. Grundinfrastrukturen der Sicherheit, des Rechts, der
Mobilität und der Verwaltung gehören in öffentliche Hand. Güter und Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse, die kommunale Daseinsvorsorge und die kommunale Selbstverwaltung
müssen in öffentliche Hand und von Marktmechanismen und Wettbewerb ausgenommen bleiben.
Wirtschafts- und Industriepolitik
(102) Wettbewerb unter gleichen Bedingungen ist die Voraussetzung dafür, dass Märkte
effizient funktionieren und Wohlstand und Fortschritt hervorbringen können. Es ist Aufgabe
von Politik, Machtstellungen und Monopole zu verhindern und aufzubrechen sowie jene Bereiche
einer Gesellschaft zu definieren und auszugestalten, die nicht durch Märkte dominiert werden
sollen.
(103) Dumping, Protektionismus und mangelnde Regulierung führen zu unfairem Wettbewerb.
Darunter leiden viele europäische Unternehmen. Der Erwerb von Unternehmensbeteiligungen,
Direktinvestitionen, Marktzutritte und auch die Vergabe öffentlicher Aufträge durch und an
Dritte sollen auf der Basis von Standards und Gegenseitigkeit erfolgen. Außereuropäische
Übernahmen müssen dann, wenn nötig, auch untersagt werden. Kritische Infrastruktur und
Schlüsselindustrien gilt es zu schützen.
(104) Regulierung ist kein Selbstzweck. Sie muss sich an gesellschaftlichen Zielen
orientieren. Sie sollte Individuen und Unternehmen möglichst viel Freiheit in Bezug auf die
gewählten Mittel lassen. Es ist laufend zu überprüfen, ob es bestimmter Vorschriften noch
bedarf und sie ihren Schutzzweck weiterhin erfüllen. Dabei ist zu beachten, dass sowohl
ungeeignete politische Regeln als auch fehlende politische Regulierung Wettbewerb
einschränken und Marktmacht zementieren können. Regulierungen müssen so ausgestaltet sein,
dass sie nicht als Barriere für Gründungen wirken und zum Wettbewerbsnachteil für kleine
Unternehmen und das Handwerk werden. Sie sollen stattdessen bewirken, dass Machtunterschiede
möglichst ausgeglichen werden.
(105) Digitale Plattformen sind Teil der Infrastruktur. Das Teilen, Tauschen und Vermitteln
von Gütern, Dienstleistungen und Informationen auf digitalen Plattformen kann die Teilhabe
der Menschen stärken. Diese Plattformen sollen klar und streng reguliert werden, damit sie
ihre Machtstellung nicht ausnutzen können, damit faire Wettbewerbs- und Arbeitsbedingungen
herrschen sowie Innovation im Sinne des Gemeinwohls stattfindet. In Europa braucht es
öffentlich-rechtliche Alternativen zu den bisherigen privaten Monopolen.
(106) Wirtschaftspolitisch muss der Staat mehr tun, als nur einen Rahmen zu setzen.
Deutschland kann nur in der ökologischen Moderne seine internationale Position als globaler
Industriestandort wahren, mit neuen Wertschöpfungsketten, neuen Produkten, guten
Arbeitsplätzen und zukunftsfähigen Geschäftsmodellen. Dazu braucht es eine aktive
Industriepolitik, die neuen Technologien zum Durchbruch verhilft, gerade da, wo der Markt
das Risiko scheut. Sie muss außerdem Wettbewerbsnachteile ausgleichen, in Forschung und
Digitalisierung investieren und Arbeitsplätze sichern.
(107) Unternehmer*innen dürfen nicht gezwungen werden, sich zwischen einem wirtschaftlich
erfolgreichen Weg oder einer sozialen und ökologischen Ausrichtung des Unternehmens zu
entscheiden. Wirtschaftliche Aktivität muss sich an langfristigen Zielen und
gesamtgesellschaftlichem Wohlstand ausrichten. Die Finanzberichterstattung soll mit
Langfristzielen ergänzt werden sowie mit Indikatoren, welche die sozialen, ökologischen und
gesellschaftlichen Auswirkungen messen.
(108) Schlüsselprojekt einer sozial-ökologischen Industriepolitik ist die vollständige
Dekarbonisierung der Produktionsprozesse in Europa. Automobil- und Chemieindustrie sowie der
Maschinenbau waren die Säulen des Erfolges der deutschen Wirtschaft in den vergangenen
Jahrzehnten, aber diese Branchen müssen sich neu erfinden, um den Herausforderungen des 21.
Jahrhunderts gerecht zu werden. Dabei kann die deutsche Industrie auf das bauen, was sie –
ganz besonders den Mittelstand – stark gemacht hat: ihre Ingenieurskunst, ihre Kreativität,
die Sozialpartnerschaft mit den Gewerkschaften sowie ihre europäische und globale
Orientierung.
(109) Das Handwerk ist einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren in Deutschland. In seiner
Vielfalt ist das Handwerk Voraussetzung für die Stadt der kurzen Wege, für attraktive
Regionen und für die sozial-ökologische Transformation. Das Handwerk muss durch faire
Wettbewerbsbedingungen dabei unterstützt werden, seine Traditionen in die Zukunft zu
übertragen und seine wichtige Rolle bei der Ausbildung von Fachkräften zu stärken und in
strukturschwachen Regionen zu erhalten.
(110) Entscheidend für eine Dekarbonisierung von Produktion und Konsum ist ihre Einbettung
in eine Kreislaufwirtschaft. Produktion und Konsum finden dabei so weit wie möglich in
vollständigen Kreisläufen statt, so dass weniger natürliche Ressourcen verwendet werden
müssen. Zentral dabei ist ein umfassendes Gebot für ressourcensparendes und
kreislauftaugliches Produktdesign. So wird die Zahl der neu produzierten Waren und Güter
minimiert, Produkte werden langlebiger und können repariert oder wiederaufbereitet werden.
(111) Als einer der größten Wirtschaftsräume der Welt kann die Europäische Union mit dem
gemeinsamen Binnenmarkt weltweit Standards setzen. Das gilt es zu nutzen, um die
Transformation voranzubringen, Menschenrechte zu schützen, wettbewerbsfähig zu bleiben,
Innovationen und Wertschöpfung zu fördern, sich weniger abhängig von anderen globalen
Playern zu machen und zugleich in der noch weitestgehend unregulierten digitalen Welt
Bürger*innen-Rechte zu sichern.
(112) Die Grundstoffindustrie wird auch künftig ein zentraler Baustein bleiben. In einem
gemeinsamen Zusammenspiel von ökologischer und technologischer Innovation, Digitalisierung,
branchenübergreifender Kooperation und planungssicherer politischer Rahmensetzung sind die
Grundlagen dafür zu legen, dass Stahl, Aluminium, Glas, Papier oder Chemikalien weiter in
Europa produziert werden. Die dafür nötigen Transformationsschritte müssen
wettbewerbsrechtlich ausgeglichen werden.
(113) Statt einer Abhängigkeit Europas im Bereich technischer Entwicklungen und Erfindungen
brauchen wir ausreichend eigene Produktionskapazitäten für systemrelevante Produkte wie
medizinische Präparate oder Techniken der kritischen Infrastruktur. Die Regionalisierung in
kritischen Bereichen und eine globale Kooperation gehören zusammen. Der Markt allein kann
das nicht richten.
(114) Das freie Unternehmer*innentum, die Gründer*innen in Start-ups sind die Treiber*innen
für Innovation. Grundlage für Neugründungen und Fortschritt sind Wagniskapital und
Investitionen in Forschung. Wirtschaftspolitik begünstigt, fördert und vernetzt neue Ideen
und kleine Unternehmen sowie Start-ups und Ausgründungen aus Universitäten europaweit. Sie
unterstützt bei der Finanzierung, beim Transfer von Grundlagenforschung in die Praxis und
sorgt für attraktive Rahmenbedingungen, um die besten Forscher*innen, Gründer*innen und
Fachkräfte anzuziehen.
Eigentum und Gemeinwohl
(115) Ohne Recht auf Eigentum sind eine freiheitliche Gesellschaft und eine sozial-
ökologische Marktwirtschaft unvorstellbar. Gleichzeitig verpflichtet es gesellschaftlich,
weil eine zu starke Konzentration von Eigentum in den Händen Weniger Demokratie und
Marktwirtschaft bedroht.
(116) Grund und Boden unterliegen einer besonderen Sozialbindung, weil sie unvermehrbar und
unverzichtbar sind. Deshalb müssen Renditen in diesem Bereich begrenzt sein sowie Grund und
Boden verstärkt in öffentliches Eigentum überführt werden. Es gilt zusätzlich, die
Flächeninanspruchnahme zu begrenzen. Der Staat muss für vielfältige Besitzstrukturen sorgen
und sie stärken.
(117) Es braucht neue Formen von gemeinwohlorientiertem Eigentum und eine stärkere
Gemeinwohlbindung. Genossenschaften und soziale Unternehmen leisten einen wichtigen Beitrag
hin zu einer gemeinwohlorientierten Wirtschaft.
(118) Die Weitergabe von bestehendem Wissen ist über Open Source praktisch ohne Kosten
möglich. Der Zugang zu Wissen für alle Menschen erhöht Wohlstand und Gerechtigkeit.
Geistiges Eigentum soll daher auf das Maß begrenzt werden, das erforderlich ist, um
ökonomische Anreize zur Wissensgenerierung zu erhalten. So viel Wissen wie möglich soll
Menschheitswissen werden.
Finanzmärkte und Banken
(119) Finanzmärkte und Banken haben die Aufgabe, realwirtschaftliche Investitionen zu
finanzieren und Sparer*innen attraktive Anlagemöglichkeiten zu bieten. Durch die
Deregulierung der Märkte geriet jedoch die Spekulation mit unproduktiven Finanzprodukten zum
Hauptzweck. Spekulationen müssen eingedämmt werden und wir müssen zurück zum sogenannten
„boring banking“, bei dem die langfristige Finanzierung im Vordergrund steht und nicht die
kurzfristige Spekulation. Dafür muss das Einlagen- und Kreditgeschäft vom riskanten
Investmentbanking abgetrennt werden (Trennbankensystem). Es braucht einen Finanzmarkt, der
sich an der Finanzierung des Gemeinwohls beteiligt, statt ihm zu schaden.
(120) Gute Banken sind Grundpfeiler moderner Volkswirtschaften. Werden sie zu groß, werden
sie zur Gefahr. Deshalb sollte keine Bank so groß sein, dass sie eine ganze Volkswirtschaft
in den Abgrund reißen kann. Eine Abwicklung muss ohne Rückgriff auf Steuermittel jederzeit
möglich sein. Außerdem brauchen Banken eine gute Eigenkapitalausstattung und wirksame
Haftungsregeln.
(121) Deutschlands bestehendes Drei-Säulen-Bankwesen mit seinen vielen kleinen, lokalen
Banken hat sich bewährt. Der Finanzmarkt braucht eine effektive Aufsicht sowie einfache,
glasklare Regeln ohne Lücken, die für alle gelten – egal ob Banken, Hedgefonds oder
FinTechs. Kleine Banken, von denen keine Gefahr für das Finanzsystem ausgeht, müssen nicht
so umfassend reguliert und beaufsichtigt werden wie Großbanken.
(122) Finanzmärkte haben eine wichtige Funktion für den Klimaschutz, wenn Anlagegelder in
den ökologischen Umbau gelenkt werden und nicht mehr in die alte, von fossilen Energien
getragene Wirtschaft fließen. Die öffentliche Hand muss vorangehen und sich vollständig aus
Investitionen Unternehmen zurückziehen, die auf fossile Energien bauen. Für Anleger*innen
muss zu jeder Zeit transparent sein, welche ökologischen und sozialen Folgen mit ihren
Investitionen oder Einlagen verbunden sind. Es gilt, die Klima- und Nachhaltigkeitsrisiken
im Finanzsektor offenzulegen und einzupreisen. Das macht die Finanzierung von Investitionen
in Klimaschutz und Nachhaltigkeit günstiger als die Bereitstellung von Kapital für andere
Zwecke.
Geld- und Fiskalpolitik
(123) Aufgabe der Geldpolitik von Zentralbanken sowie der Fiskalpolitik ist es, ökonomischen
Krisen entgegenzuwirken. Denn sie vernichten Arbeitsplätze und Existenzen und können
Gesellschaften ins Chaos stürzen.
(124) Die Zentralbanken allein stoßen an Grenzen, wenn es um die Stabilisierung der
Wirtschaft in Krisenzeiten geht. Insbesondere die Haushaltspolitik muss einen Beitrag
leisten, das Auf und Ab der Konjunktur auszugleichen und tiefe wirtschaftliche Krisen zu
verhindern. Deshalb gilt es, stets die Auswirkung von Staatsausgaben auf die
Gesamtwirtschaft zu berücksichtigen. Es ist sinnvoll, sowohl auf nationaler als auch auf
europäischer Ebene die Spielräume zur Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben zu nutzen und
auszubauen, um Wirtschaftskrisen und deren soziale Folgen zu vermeiden. Langfristige
Schuldentragfähigkeit ist dabei stets zu gewährleisten und gerade mit Blick auf die
Handlungsspielräume künftiger Generationen gesetzlich zu verankern.
(125) Unsere gemeinsame europäische Währung trägt zu einem starken gemeinsamen Europa bei.
Die Währungsunion ist allerdings ein unvollendetes Projekt geblieben. So verschärfen sich
wirtschaftliche Unterschiede und Ungleichgewichte bei Wettbewerbsfähigkeit und Handel, ohne
dass es dagegen europäische Instrumente gibt. Daher gilt es, die europäische Währungsunion
zu vollenden und die dafür notwendigen Vertragsveränderungen auf den Weg zu bringen.
(126) Die Zentralbanken sollten eigene Standards für digitale Währungen schaffen. Private
Währungen sollen im Euro-Raum nicht zugelassen werden. Digitale Zahlungen, Kryptowährungen
und die Personen hinter den Accounts müssen nachvollziehbar sein. Zur Bekämpfung von
Verbrechen wie Geldwäsche, die Darstellung sexualisierter Gewalt gegen Kinder,
Steuerhinterziehung und Terror-Finanzierung braucht es eine staatliche Infrastruktur.
(127) Die EU braucht eine eigene Zuständigkeit für die Wirtschafts- und Fiskalpolitik. Sie
braucht einen Haushalt, der groß genug ist, um makroökonomisch zu stabilisieren und in
schweren Krisen Zuschüsse für die nationalen Haushalte leisten zu können. Dieser Haushalt
muss über eigene Steuereinnahmen verfügen. Um langfristige Investitionen zu finanzieren und
schwere Konjunktureinbrüche abzuwehren und zu bekämpfen, muss sich dieser Haushalt auch über
Kredite finanzieren können. Um den Euro zu stärken, müssen Staatsanleihen der Europäischen
Union und ihrer Mitgliedstaaten eine absolut sichere Geldanlage darstellen. Ein
Zahlungsausfall muss in jedem Fall ausgeschlossen sein.
(128) Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank ist ein hohes Gut. Sie gilt es zu
bewahren. Krisen haben jedoch gezeigt, dass eine alleinige Ausrichtung auf das Ziel der
Preisniveaustabilität ein zu enges Mandat für die Geldpolitik ist. Daher sollte die EZB, wie
andere Zentralbanken auch, gleichberechtigt das Ziel der Wohlstandsmehrung und eines hohen
Beschäftigungsstands verfolgen. Solange die Unabhängigkeit der Zentralbank gesichert ist,
sollte es zulässig sein, dass die Notenbank in schweren Krisen die Liquidität der Staaten
garantiert.
(129) Auf europäischer Ebene ist eine stärkere Harmonisierung und Vergemeinschaftung von
wettbewerbssensiblen Steuern notwendig, wie etwa der Besteuerung von Unternehmensgewinnen.
Lohn- und Tarifpolitik sollten schrittweise stärker aufeinander abgestimmt werden. Im Fall
von hohen und dauerhaften Handelsungleichgewichten innerhalb der Währungsunion müssen die
Empfehlungen der Europäischen Kommission eine stärkere Verbindlichkeit haben, etwa den
Defizit- wie auch den Überschussländern symmetrische Verpflichtungen zum Abbau aufzuerlegen.
Haushalts- und Steuerpolitik
(130) Haushaltsmittel gehören allen Bürger*innen. Mit ihnen ist stets sorgsam umzugehen und
es ist zu überprüfen, ob die angestrebten gesellschaftlichen Ziele auf effizientem Weg
erreicht werden. Die öffentlichen Haushalte sollten in einer Demokratie klar, transparent
und nachvollziehbar sein. Gender Budgeting ist für einen gerechten Haushalt unerlässlich.
(131) Wir stehen zu langfristig nachhaltigen Staatsfinanzen und zu gesetzlichen Regeln für
die Begrenzung der Kreditaufnahme. Dabei gilt es, nicht nur die Verbindlichkeiten zu
betrachten, sondern auch das Vermögen der öffentlichen Hand zu erhalten und auszubauen.
Investitionen in Infrastruktur und Nachhaltigkeit sichern die Handlungsspielräume künftiger
Generationen. In diesem Sinne ist der Anteil der öffentlichen Investitionen an der
Wirtschaftsleistung auszubauen. Für den Ausbau des öffentlichen Vermögens und die
langfristige Sicherung unseres Wohlstands kann eine Kreditfinanzierung sinnvoll und
pragmatisch geboten sein, insbesondere wenn sie eine gute Rendite verspricht.
(132) Infrastruktur ist öffentliche Aufgabe. Öffentlich-Private Partnerschaften kommen nur
dann in Betracht, wenn sich durch sie ein Mehrwert bzw. geringere Kosten für die
Steuerzahler*innen ergeben.
(133) Unser Steuersystem stellt die Finanzierung öffentlicher Aufgaben sicher. Es braucht
ein gerechtes Steuersystem, das verständlich und effizient ist. Das ist Grundlage für
Akzeptanz und reduziert soziale Ungleichheit.
(134) Ein Steuersystem, das wirtschaftliche Dynamik schaffen will, begünstigt neue
Aktivitäten und Investitionen und besteuert Vermögen sowie leistungslose Einkommen. Das
Aufkommen der Steuern aus Kapitaleinkommen, aus großen Vermögen und Erbschaften muss wieder
erhöht werden. Die Besteuerung von Kapitaleinkommen muss mindestens dem Maß der Besteuerung
der Erwerbstätigkeit entsprechen. Der Vermögensaufbau von einkommensschwachen Gruppen soll
gezielt gefördert werden, unter anderem über Wohnerwerbsförderung oder Mitarbeiter*innen-
Beteiligungsprogramme.
(135) Steuern lenken. Steuersysteme sollen gesellschaftliche Ziele abbilden. Nicht am
Gemeinwohl orientierte und ökologisch schädliche Tätigkeiten und Produkte sollen stärker
besteuert und damit verteuert werden. Im Gegenzug werden der ökologische Umbau und soziales
Engagement begünstigt.
(136) Steuerdumping schadet Volkswirtschaften. Unternehmensgewinne und digitale Umsätze
müssen stärker am Ort des Konsums besteuert und eine gemeinsame europäische
Bemessungsgrundlage muss eingeführt werden.
(137) Alle sollen sich ihrer finanziellen Lage entsprechend am Gemeinwohl beteiligen. Die
Besteuerung soll progressiver werden. Dafür braucht es Transparenz über wirtschaftliche
Verhältnisse und eine Verwaltung, die in der Lage ist, das Recht durchzusetzen.
Steuerhinterziehung und -umgehung, Schwarzarbeit, Geldwäsche und Sozialbetrug sind mit allen
Mitteln zu bekämpfen.
Antragstext
Von Zeile 24 bis 28:
(93) Den Weg zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft bereitet ein europäischer Green New Deal. Er schafft den neuen Ordnungsrahmen für faires, ökologisches und nachhaltiges Wirtschaften, indem er auf ein Bündnis aus Arbeit und Umwelt baut. Er investiert mutig in dieeine klimagerechte Zukunft. Er setzt neue Kräfte für Kreativität und Innovationen frei. Er sorgt für sozialen Ausgleichüberwindet die soziale Spaltung in Europa und stärkt Geschlechtergerechtigkeit.schafft eine geschlechtergerechte Gesellschaft
Kapitel 2: In die Zukunft wirtschaften
Sozial-Ökologische Marktwirtschaft
(90) Die Wirtschaft dient den Menschen und dem Gemeinwohl, nicht andersherum. Wohlstand im
Sinne von Klimaneutralität, Nachhaltigkeit, Vorsorge und Gerechtigkeit ist Kern eines
zukunftsfähigen Wirtschaftssystems. Ziel ist ein Wirtschafts- und Finanzsystem, das die
planetaren Grenzen einhält. Dafür braucht es den Wandel hin zu einer sozial-ökologischen
Marktwirtschaft, die Wachstum, Effizienz, fairen Wettbewerb und Innovation als Mittel zur
Erreichung von mehr Lebensqualität für alle Menschen nutzt, weltweit und für zukünftige
Generationen.
(91) Viele der strukturellen Anreize zum Produzieren, Handeln und Konsumieren stellen uns
vor ökologische Probleme dramatischen Ausmaßes und befeuern sozial-ökonomische
Verteilungskrisen. Wirtschaftswachstum ist nicht per se das Problem, der damit einhergehende
Verbrauch natürlicher Ressourcen schon. Wachstum in bestimmten Bereichen wird auch in
Zukunft wichtig sein, um die Lebensbedingungen der Menschheit zu verbessern. Es geht dabei
um ein qualitatives Wachstum, das neben ökonomischen Kriterien auch soziale und ökologische
berücksichtigt.
(92) Wohlstand definiert sich nicht allein durch materiellen Reichtum, sondern meint
Lebensqualität. Es geht auch um Sicherheit, Freiheit, Zeitsouveränität, gesunde
Lebensgrundlagen, Gleichberechtigung, kulturelle Teilhabe und ein friedliches Zusammenleben.
Dafür sind ein neuer Wohlstandsbegriff und ein anderes Wirtschaften nötig. Mit einem
umfassenden Wohlstandsindikator können ökologische, soziale und qualitative Merkmale erfasst
werden. Wasser, Luft, Boden und Artenvielfalt sind globale Gemeingüter, die abseits einer
reinen Verwertungslogik allen Menschen zugutekommen.
(93) Den Weg zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft bereitet ein europäischer Green New Deal.
Er schafft den neuen Ordnungsrahmen für faires, ökologisches und nachhaltiges Wirtschaften,
indem er auf ein Bündnis aus Arbeit und Umwelt baut. Er investiert mutig in dieeine klimagerechte Zukunft. Er
setzt neue Kräfte für Kreativität und Innovationen frei. Er sorgt für sozialen Ausgleichüberwindet die soziale Spaltung in Europa und
stärkt Geschlechtergerechtigkeit.schafft eine geschlechtergerechte Gesellschaft
(94) Freies und kreatives Handeln von Menschen sowie die Dynamik eines fairen Wettbewerbs
und gesellschaftlicher Kooperation können nachhaltigen Wohlstand, Fortschritt und innovative
Problemlösungen schaffen.
(95) Märkte können ein mächtiges Instrument für ökonomische Effizienz, Innovation und
technologischen Fortschritt sein. Ihre Dynamik und Schaffenskraft sind unverzichtbar, um die
großen Herausforderungen der ökologischen Krisen zu bewältigen. Unregulierte Märkte aber
sind zukunftsblind, krisenanfällig und instabil. Erst klare Regeln stellen sicher, dass
Märkte und Wettbewerb funktionieren und im gesellschaftlichen Interesse wirken. Es ist
Aufgabe des Staates, für Information, Transparenz und Wahlfreiheit zu sorgen und die
Durchsetzung von Verbraucher*innen-Rechten sicherzustellen.
(96) Der Markt ist nicht das alleinige Organisationsprinzip für das Wirtschaften in einer
Gesellschaft. Ein Großteil menschlicher Wirtschaftsbeziehungen erfolgt jenseits von Märkten
über den Staat, in Haushalten oder gemeinschaftlich organisierten Bereichen. Wir wollen den
Weg ebnen für soziales und ökologisches Unternehmer*innentum, für eine Wirtschaft des
Teilens sowie für frei zugängliches Wissen und frei zugängliche Gemeingüter. So wird die
sozial-ökologische Wirtschaft im Sinne des Gemeinwohls gestärkt.
(97) Es gilt das Primat der Politik, auch gegenüber Wirtschaft und Kapital. Wir wollen es
neu begründen und durchsetzen. Dafür braucht es einen starken, effizienten und
handlungsfähigen Staat und klare Leitplanken aus Steuer-, Abgaben- und Ordnungsrecht sowie
intelligenter öffentlicher Forschungs- und Förderpolitik. Im Wettbewerb soll erfolgreich
sein, wer übergeordnete gesellschaftliche Ziele nicht konterkariert, sondern befördert.
(98) Nur wenn Preise die ökologische und soziale Wahrheit sagen, geht der Wettbewerb der
Märkte nicht zulasten von Mensch und Umwelt. Klimafreundliche und soziale Alternativen
können sich dann durchsetzen.
(99) Zukunftsfähige Wirtschaftspolitik orientiert sich an einem neuen Wohlstandsmaß und
einer neuen Form der Wirtschaftsberichterstattung. Diese berücksichtigen neben ökonomischen
auch ökologische, soziale und gesellschaftliche Entwicklungen sowie Sorgearbeit, die zum
größten Teil von Frauen – unbezahlt – geleistet wird.
(100) Zukunftsfähiges Wirtschaften braucht Planungssicherheit. Staatliche Wirtschafts-,
Investitions- und Infrastrukturpolitik muss langfristig und verlässlich stattfinden. Um
erfolgreich zu wirtschaften, brauchen Unternehmen eine moderne und intakte Infrastruktur,
gut ausgebildete Fachkräfte, gute Finanzierungsbedingungen, eine funktionierende öffentliche
Verwaltung sowie soziale Stabilität und Rechtssicherheit. Dazu zählen auch schnellere
Planungsverfahren durch frühzeitige Verfahrensbeteiligung sowie Behörden und Gerichte mit
ausreichendem Personal und einer vollständig elektronischen Abwicklung von Anträgen.
(101) Infrastrukturen sind eine öffentliche Aufgabe. Öffentliche Güter und Institutionen
müssen für alle zugänglich sein. Grundinfrastrukturen der Sicherheit, des Rechts, der
Mobilität und der Verwaltung gehören in öffentliche Hand. Güter und Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse, die kommunale Daseinsvorsorge und die kommunale Selbstverwaltung
müssen in öffentliche Hand und von Marktmechanismen und Wettbewerb ausgenommen bleiben.
Wirtschafts- und Industriepolitik
(102) Wettbewerb unter gleichen Bedingungen ist die Voraussetzung dafür, dass Märkte
effizient funktionieren und Wohlstand und Fortschritt hervorbringen können. Es ist Aufgabe
von Politik, Machtstellungen und Monopole zu verhindern und aufzubrechen sowie jene Bereiche
einer Gesellschaft zu definieren und auszugestalten, die nicht durch Märkte dominiert werden
sollen.
(103) Dumping, Protektionismus und mangelnde Regulierung führen zu unfairem Wettbewerb.
Darunter leiden viele europäische Unternehmen. Der Erwerb von Unternehmensbeteiligungen,
Direktinvestitionen, Marktzutritte und auch die Vergabe öffentlicher Aufträge durch und an
Dritte sollen auf der Basis von Standards und Gegenseitigkeit erfolgen. Außereuropäische
Übernahmen müssen dann, wenn nötig, auch untersagt werden. Kritische Infrastruktur und
Schlüsselindustrien gilt es zu schützen.
(104) Regulierung ist kein Selbstzweck. Sie muss sich an gesellschaftlichen Zielen
orientieren. Sie sollte Individuen und Unternehmen möglichst viel Freiheit in Bezug auf die
gewählten Mittel lassen. Es ist laufend zu überprüfen, ob es bestimmter Vorschriften noch
bedarf und sie ihren Schutzzweck weiterhin erfüllen. Dabei ist zu beachten, dass sowohl
ungeeignete politische Regeln als auch fehlende politische Regulierung Wettbewerb
einschränken und Marktmacht zementieren können. Regulierungen müssen so ausgestaltet sein,
dass sie nicht als Barriere für Gründungen wirken und zum Wettbewerbsnachteil für kleine
Unternehmen und das Handwerk werden. Sie sollen stattdessen bewirken, dass Machtunterschiede
möglichst ausgeglichen werden.
(105) Digitale Plattformen sind Teil der Infrastruktur. Das Teilen, Tauschen und Vermitteln
von Gütern, Dienstleistungen und Informationen auf digitalen Plattformen kann die Teilhabe
der Menschen stärken. Diese Plattformen sollen klar und streng reguliert werden, damit sie
ihre Machtstellung nicht ausnutzen können, damit faire Wettbewerbs- und Arbeitsbedingungen
herrschen sowie Innovation im Sinne des Gemeinwohls stattfindet. In Europa braucht es
öffentlich-rechtliche Alternativen zu den bisherigen privaten Monopolen.
(106) Wirtschaftspolitisch muss der Staat mehr tun, als nur einen Rahmen zu setzen.
Deutschland kann nur in der ökologischen Moderne seine internationale Position als globaler
Industriestandort wahren, mit neuen Wertschöpfungsketten, neuen Produkten, guten
Arbeitsplätzen und zukunftsfähigen Geschäftsmodellen. Dazu braucht es eine aktive
Industriepolitik, die neuen Technologien zum Durchbruch verhilft, gerade da, wo der Markt
das Risiko scheut. Sie muss außerdem Wettbewerbsnachteile ausgleichen, in Forschung und
Digitalisierung investieren und Arbeitsplätze sichern.
(107) Unternehmer*innen dürfen nicht gezwungen werden, sich zwischen einem wirtschaftlich
erfolgreichen Weg oder einer sozialen und ökologischen Ausrichtung des Unternehmens zu
entscheiden. Wirtschaftliche Aktivität muss sich an langfristigen Zielen und
gesamtgesellschaftlichem Wohlstand ausrichten. Die Finanzberichterstattung soll mit
Langfristzielen ergänzt werden sowie mit Indikatoren, welche die sozialen, ökologischen und
gesellschaftlichen Auswirkungen messen.
(108) Schlüsselprojekt einer sozial-ökologischen Industriepolitik ist die vollständige
Dekarbonisierung der Produktionsprozesse in Europa. Automobil- und Chemieindustrie sowie der
Maschinenbau waren die Säulen des Erfolges der deutschen Wirtschaft in den vergangenen
Jahrzehnten, aber diese Branchen müssen sich neu erfinden, um den Herausforderungen des 21.
Jahrhunderts gerecht zu werden. Dabei kann die deutsche Industrie auf das bauen, was sie –
ganz besonders den Mittelstand – stark gemacht hat: ihre Ingenieurskunst, ihre Kreativität,
die Sozialpartnerschaft mit den Gewerkschaften sowie ihre europäische und globale
Orientierung.
(109) Das Handwerk ist einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren in Deutschland. In seiner
Vielfalt ist das Handwerk Voraussetzung für die Stadt der kurzen Wege, für attraktive
Regionen und für die sozial-ökologische Transformation. Das Handwerk muss durch faire
Wettbewerbsbedingungen dabei unterstützt werden, seine Traditionen in die Zukunft zu
übertragen und seine wichtige Rolle bei der Ausbildung von Fachkräften zu stärken und in
strukturschwachen Regionen zu erhalten.
(110) Entscheidend für eine Dekarbonisierung von Produktion und Konsum ist ihre Einbettung
in eine Kreislaufwirtschaft. Produktion und Konsum finden dabei so weit wie möglich in
vollständigen Kreisläufen statt, so dass weniger natürliche Ressourcen verwendet werden
müssen. Zentral dabei ist ein umfassendes Gebot für ressourcensparendes und
kreislauftaugliches Produktdesign. So wird die Zahl der neu produzierten Waren und Güter
minimiert, Produkte werden langlebiger und können repariert oder wiederaufbereitet werden.
(111) Als einer der größten Wirtschaftsräume der Welt kann die Europäische Union mit dem
gemeinsamen Binnenmarkt weltweit Standards setzen. Das gilt es zu nutzen, um die
Transformation voranzubringen, Menschenrechte zu schützen, wettbewerbsfähig zu bleiben,
Innovationen und Wertschöpfung zu fördern, sich weniger abhängig von anderen globalen
Playern zu machen und zugleich in der noch weitestgehend unregulierten digitalen Welt
Bürger*innen-Rechte zu sichern.
(112) Die Grundstoffindustrie wird auch künftig ein zentraler Baustein bleiben. In einem
gemeinsamen Zusammenspiel von ökologischer und technologischer Innovation, Digitalisierung,
branchenübergreifender Kooperation und planungssicherer politischer Rahmensetzung sind die
Grundlagen dafür zu legen, dass Stahl, Aluminium, Glas, Papier oder Chemikalien weiter in
Europa produziert werden. Die dafür nötigen Transformationsschritte müssen
wettbewerbsrechtlich ausgeglichen werden.
(113) Statt einer Abhängigkeit Europas im Bereich technischer Entwicklungen und Erfindungen
brauchen wir ausreichend eigene Produktionskapazitäten für systemrelevante Produkte wie
medizinische Präparate oder Techniken der kritischen Infrastruktur. Die Regionalisierung in
kritischen Bereichen und eine globale Kooperation gehören zusammen. Der Markt allein kann
das nicht richten.
(114) Das freie Unternehmer*innentum, die Gründer*innen in Start-ups sind die Treiber*innen
für Innovation. Grundlage für Neugründungen und Fortschritt sind Wagniskapital und
Investitionen in Forschung. Wirtschaftspolitik begünstigt, fördert und vernetzt neue Ideen
und kleine Unternehmen sowie Start-ups und Ausgründungen aus Universitäten europaweit. Sie
unterstützt bei der Finanzierung, beim Transfer von Grundlagenforschung in die Praxis und
sorgt für attraktive Rahmenbedingungen, um die besten Forscher*innen, Gründer*innen und
Fachkräfte anzuziehen.
Eigentum und Gemeinwohl
(115) Ohne Recht auf Eigentum sind eine freiheitliche Gesellschaft und eine sozial-
ökologische Marktwirtschaft unvorstellbar. Gleichzeitig verpflichtet es gesellschaftlich,
weil eine zu starke Konzentration von Eigentum in den Händen Weniger Demokratie und
Marktwirtschaft bedroht.
(116) Grund und Boden unterliegen einer besonderen Sozialbindung, weil sie unvermehrbar und
unverzichtbar sind. Deshalb müssen Renditen in diesem Bereich begrenzt sein sowie Grund und
Boden verstärkt in öffentliches Eigentum überführt werden. Es gilt zusätzlich, die
Flächeninanspruchnahme zu begrenzen. Der Staat muss für vielfältige Besitzstrukturen sorgen
und sie stärken.
(117) Es braucht neue Formen von gemeinwohlorientiertem Eigentum und eine stärkere
Gemeinwohlbindung. Genossenschaften und soziale Unternehmen leisten einen wichtigen Beitrag
hin zu einer gemeinwohlorientierten Wirtschaft.
(118) Die Weitergabe von bestehendem Wissen ist über Open Source praktisch ohne Kosten
möglich. Der Zugang zu Wissen für alle Menschen erhöht Wohlstand und Gerechtigkeit.
Geistiges Eigentum soll daher auf das Maß begrenzt werden, das erforderlich ist, um
ökonomische Anreize zur Wissensgenerierung zu erhalten. So viel Wissen wie möglich soll
Menschheitswissen werden.
Finanzmärkte und Banken
(119) Finanzmärkte und Banken haben die Aufgabe, realwirtschaftliche Investitionen zu
finanzieren und Sparer*innen attraktive Anlagemöglichkeiten zu bieten. Durch die
Deregulierung der Märkte geriet jedoch die Spekulation mit unproduktiven Finanzprodukten zum
Hauptzweck. Spekulationen müssen eingedämmt werden und wir müssen zurück zum sogenannten
„boring banking“, bei dem die langfristige Finanzierung im Vordergrund steht und nicht die
kurzfristige Spekulation. Dafür muss das Einlagen- und Kreditgeschäft vom riskanten
Investmentbanking abgetrennt werden (Trennbankensystem). Es braucht einen Finanzmarkt, der
sich an der Finanzierung des Gemeinwohls beteiligt, statt ihm zu schaden.
(120) Gute Banken sind Grundpfeiler moderner Volkswirtschaften. Werden sie zu groß, werden
sie zur Gefahr. Deshalb sollte keine Bank so groß sein, dass sie eine ganze Volkswirtschaft
in den Abgrund reißen kann. Eine Abwicklung muss ohne Rückgriff auf Steuermittel jederzeit
möglich sein. Außerdem brauchen Banken eine gute Eigenkapitalausstattung und wirksame
Haftungsregeln.
(121) Deutschlands bestehendes Drei-Säulen-Bankwesen mit seinen vielen kleinen, lokalen
Banken hat sich bewährt. Der Finanzmarkt braucht eine effektive Aufsicht sowie einfache,
glasklare Regeln ohne Lücken, die für alle gelten – egal ob Banken, Hedgefonds oder
FinTechs. Kleine Banken, von denen keine Gefahr für das Finanzsystem ausgeht, müssen nicht
so umfassend reguliert und beaufsichtigt werden wie Großbanken.
(122) Finanzmärkte haben eine wichtige Funktion für den Klimaschutz, wenn Anlagegelder in
den ökologischen Umbau gelenkt werden und nicht mehr in die alte, von fossilen Energien
getragene Wirtschaft fließen. Die öffentliche Hand muss vorangehen und sich vollständig aus
Investitionen Unternehmen zurückziehen, die auf fossile Energien bauen. Für Anleger*innen
muss zu jeder Zeit transparent sein, welche ökologischen und sozialen Folgen mit ihren
Investitionen oder Einlagen verbunden sind. Es gilt, die Klima- und Nachhaltigkeitsrisiken
im Finanzsektor offenzulegen und einzupreisen. Das macht die Finanzierung von Investitionen
in Klimaschutz und Nachhaltigkeit günstiger als die Bereitstellung von Kapital für andere
Zwecke.
Geld- und Fiskalpolitik
(123) Aufgabe der Geldpolitik von Zentralbanken sowie der Fiskalpolitik ist es, ökonomischen
Krisen entgegenzuwirken. Denn sie vernichten Arbeitsplätze und Existenzen und können
Gesellschaften ins Chaos stürzen.
(124) Die Zentralbanken allein stoßen an Grenzen, wenn es um die Stabilisierung der
Wirtschaft in Krisenzeiten geht. Insbesondere die Haushaltspolitik muss einen Beitrag
leisten, das Auf und Ab der Konjunktur auszugleichen und tiefe wirtschaftliche Krisen zu
verhindern. Deshalb gilt es, stets die Auswirkung von Staatsausgaben auf die
Gesamtwirtschaft zu berücksichtigen. Es ist sinnvoll, sowohl auf nationaler als auch auf
europäischer Ebene die Spielräume zur Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben zu nutzen und
auszubauen, um Wirtschaftskrisen und deren soziale Folgen zu vermeiden. Langfristige
Schuldentragfähigkeit ist dabei stets zu gewährleisten und gerade mit Blick auf die
Handlungsspielräume künftiger Generationen gesetzlich zu verankern.
(125) Unsere gemeinsame europäische Währung trägt zu einem starken gemeinsamen Europa bei.
Die Währungsunion ist allerdings ein unvollendetes Projekt geblieben. So verschärfen sich
wirtschaftliche Unterschiede und Ungleichgewichte bei Wettbewerbsfähigkeit und Handel, ohne
dass es dagegen europäische Instrumente gibt. Daher gilt es, die europäische Währungsunion
zu vollenden und die dafür notwendigen Vertragsveränderungen auf den Weg zu bringen.
(126) Die Zentralbanken sollten eigene Standards für digitale Währungen schaffen. Private
Währungen sollen im Euro-Raum nicht zugelassen werden. Digitale Zahlungen, Kryptowährungen
und die Personen hinter den Accounts müssen nachvollziehbar sein. Zur Bekämpfung von
Verbrechen wie Geldwäsche, die Darstellung sexualisierter Gewalt gegen Kinder,
Steuerhinterziehung und Terror-Finanzierung braucht es eine staatliche Infrastruktur.
(127) Die EU braucht eine eigene Zuständigkeit für die Wirtschafts- und Fiskalpolitik. Sie
braucht einen Haushalt, der groß genug ist, um makroökonomisch zu stabilisieren und in
schweren Krisen Zuschüsse für die nationalen Haushalte leisten zu können. Dieser Haushalt
muss über eigene Steuereinnahmen verfügen. Um langfristige Investitionen zu finanzieren und
schwere Konjunktureinbrüche abzuwehren und zu bekämpfen, muss sich dieser Haushalt auch über
Kredite finanzieren können. Um den Euro zu stärken, müssen Staatsanleihen der Europäischen
Union und ihrer Mitgliedstaaten eine absolut sichere Geldanlage darstellen. Ein
Zahlungsausfall muss in jedem Fall ausgeschlossen sein.
(128) Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank ist ein hohes Gut. Sie gilt es zu
bewahren. Krisen haben jedoch gezeigt, dass eine alleinige Ausrichtung auf das Ziel der
Preisniveaustabilität ein zu enges Mandat für die Geldpolitik ist. Daher sollte die EZB, wie
andere Zentralbanken auch, gleichberechtigt das Ziel der Wohlstandsmehrung und eines hohen
Beschäftigungsstands verfolgen. Solange die Unabhängigkeit der Zentralbank gesichert ist,
sollte es zulässig sein, dass die Notenbank in schweren Krisen die Liquidität der Staaten
garantiert.
(129) Auf europäischer Ebene ist eine stärkere Harmonisierung und Vergemeinschaftung von
wettbewerbssensiblen Steuern notwendig, wie etwa der Besteuerung von Unternehmensgewinnen.
Lohn- und Tarifpolitik sollten schrittweise stärker aufeinander abgestimmt werden. Im Fall
von hohen und dauerhaften Handelsungleichgewichten innerhalb der Währungsunion müssen die
Empfehlungen der Europäischen Kommission eine stärkere Verbindlichkeit haben, etwa den
Defizit- wie auch den Überschussländern symmetrische Verpflichtungen zum Abbau aufzuerlegen.
Haushalts- und Steuerpolitik
(130) Haushaltsmittel gehören allen Bürger*innen. Mit ihnen ist stets sorgsam umzugehen und
es ist zu überprüfen, ob die angestrebten gesellschaftlichen Ziele auf effizientem Weg
erreicht werden. Die öffentlichen Haushalte sollten in einer Demokratie klar, transparent
und nachvollziehbar sein. Gender Budgeting ist für einen gerechten Haushalt unerlässlich.
(131) Wir stehen zu langfristig nachhaltigen Staatsfinanzen und zu gesetzlichen Regeln für
die Begrenzung der Kreditaufnahme. Dabei gilt es, nicht nur die Verbindlichkeiten zu
betrachten, sondern auch das Vermögen der öffentlichen Hand zu erhalten und auszubauen.
Investitionen in Infrastruktur und Nachhaltigkeit sichern die Handlungsspielräume künftiger
Generationen. In diesem Sinne ist der Anteil der öffentlichen Investitionen an der
Wirtschaftsleistung auszubauen. Für den Ausbau des öffentlichen Vermögens und die
langfristige Sicherung unseres Wohlstands kann eine Kreditfinanzierung sinnvoll und
pragmatisch geboten sein, insbesondere wenn sie eine gute Rendite verspricht.
(132) Infrastruktur ist öffentliche Aufgabe. Öffentlich-Private Partnerschaften kommen nur
dann in Betracht, wenn sich durch sie ein Mehrwert bzw. geringere Kosten für die
Steuerzahler*innen ergeben.
(133) Unser Steuersystem stellt die Finanzierung öffentlicher Aufgaben sicher. Es braucht
ein gerechtes Steuersystem, das verständlich und effizient ist. Das ist Grundlage für
Akzeptanz und reduziert soziale Ungleichheit.
(134) Ein Steuersystem, das wirtschaftliche Dynamik schaffen will, begünstigt neue
Aktivitäten und Investitionen und besteuert Vermögen sowie leistungslose Einkommen. Das
Aufkommen der Steuern aus Kapitaleinkommen, aus großen Vermögen und Erbschaften muss wieder
erhöht werden. Die Besteuerung von Kapitaleinkommen muss mindestens dem Maß der Besteuerung
der Erwerbstätigkeit entsprechen. Der Vermögensaufbau von einkommensschwachen Gruppen soll
gezielt gefördert werden, unter anderem über Wohnerwerbsförderung oder Mitarbeiter*innen-
Beteiligungsprogramme.
(135) Steuern lenken. Steuersysteme sollen gesellschaftliche Ziele abbilden. Nicht am
Gemeinwohl orientierte und ökologisch schädliche Tätigkeiten und Produkte sollen stärker
besteuert und damit verteuert werden. Im Gegenzug werden der ökologische Umbau und soziales
Engagement begünstigt.
(136) Steuerdumping schadet Volkswirtschaften. Unternehmensgewinne und digitale Umsätze
müssen stärker am Ort des Konsums besteuert und eine gemeinsame europäische
Bemessungsgrundlage muss eingeführt werden.
(137) Alle sollen sich ihrer finanziellen Lage entsprechend am Gemeinwohl beteiligen. Die
Besteuerung soll progressiver werden. Dafür braucht es Transparenz über wirtschaftliche
Verhältnisse und eine Verwaltung, die in der Lage ist, das Recht durchzusetzen.
Steuerhinterziehung und -umgehung, Schwarzarbeit, Geldwäsche und Sozialbetrug sind mit allen
Mitteln zu bekämpfen.
weitere Antragsteller*innen
- Sven Lehmann (KV Köln)
- Tobias Balke (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf)
- Dorothee Schulte-Basta (KV Berlin-Neukölln)
- Karl-Martin Hentschel (KV Plön)
- Susanne Hilbrecht (KV Dithmarschen)
- Ulrich Gundert (KV Reutlingen)
- Thomas Reimeier (KV Lippe)
- Jens Polster (KV Celle)
- Gerrit Alino Prange (KV Potsdam)
- Achim Jooß (KV Ortenau)
- Jan Wienken (KV Vechta)
- Katharina Beck (KV Hamburg-Eimsbüttel)
- Ralf Bohr (KV Bremen-Ost)
- Johannes Mihram (KV Berlin-Mitte)
- Kajo Aicher (KV Bodenseekreis)
- Helge Limburg (KV Nienburg)
- Klemens Griesehop (KV Berlin-Pankow)
- Timm Schulze (KV Bamberg-Stadt)
- Jakob Ache (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Bernd Rohde (KV Stormarn)
- Harald Rech (KV Saarbrücken)
- Marcus Schmitt (KV Main-Taunus)
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Von Zeile 27 bis 28:
setzt neue Kräfte für Kreativität und Innovationen frei. Er sorgt für sozialen Ausgleich und stärkt Geschlechtergerechtigkeit.fördert eine geschlechtergerechte Gesellschaft
Kapitel 2: In die Zukunft wirtschaften
Sozial-Ökologische Marktwirtschaft
(90) Die Wirtschaft dient den Menschen und dem Gemeinwohl, nicht andersherum. Wohlstand im
Sinne von Klimaneutralität, Nachhaltigkeit, Vorsorge und Gerechtigkeit ist Kern eines
zukunftsfähigen Wirtschaftssystems. Ziel ist ein Wirtschafts- und Finanzsystem, das die
planetaren Grenzen einhält. Dafür braucht es den Wandel hin zu einer sozial-ökologischen
Marktwirtschaft, die Wachstum, Effizienz, fairen Wettbewerb und Innovation als Mittel zur
Erreichung von mehr Lebensqualität für alle Menschen nutzt, weltweit und für zukünftige
Generationen.
(91) Viele der strukturellen Anreize zum Produzieren, Handeln und Konsumieren stellen uns
vor ökologische Probleme dramatischen Ausmaßes und befeuern sozial-ökonomische
Verteilungskrisen. Wirtschaftswachstum ist nicht per se das Problem, der damit einhergehende
Verbrauch natürlicher Ressourcen schon. Wachstum in bestimmten Bereichen wird auch in
Zukunft wichtig sein, um die Lebensbedingungen der Menschheit zu verbessern. Es geht dabei
um ein qualitatives Wachstum, das neben ökonomischen Kriterien auch soziale und ökologische
berücksichtigt.
(92) Wohlstand definiert sich nicht allein durch materiellen Reichtum, sondern meint
Lebensqualität. Es geht auch um Sicherheit, Freiheit, Zeitsouveränität, gesunde
Lebensgrundlagen, Gleichberechtigung, kulturelle Teilhabe und ein friedliches Zusammenleben.
Dafür sind ein neuer Wohlstandsbegriff und ein anderes Wirtschaften nötig. Mit einem
umfassenden Wohlstandsindikator können ökologische, soziale und qualitative Merkmale erfasst
werden. Wasser, Luft, Boden und Artenvielfalt sind globale Gemeingüter, die abseits einer
reinen Verwertungslogik allen Menschen zugutekommen.
(93) Den Weg zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft bereitet ein europäischer Green Deal.
Er schafft den neuen Ordnungsrahmen für faires, ökologisches und nachhaltiges Wirtschaften,
indem er auf ein Bündnis aus Arbeit und Umwelt baut. Er investiert mutig in die Zukunft. Er
setzt neue Kräfte für Kreativität und Innovationen frei. Er sorgt für sozialen Ausgleich und stärkt Geschlechtergerechtigkeit.fördert eine geschlechtergerechte Gesellschaft
(94) Freies und kreatives Handeln von Menschen sowie die Dynamik eines fairen Wettbewerbs
und gesellschaftlicher Kooperation können nachhaltigen Wohlstand, Fortschritt und innovative
Problemlösungen schaffen.
(95) Märkte können ein mächtiges Instrument für ökonomische Effizienz, Innovation und
technologischen Fortschritt sein. Ihre Dynamik und Schaffenskraft sind unverzichtbar, um die
großen Herausforderungen der ökologischen Krisen zu bewältigen. Unregulierte Märkte aber
sind zukunftsblind, krisenanfällig und instabil. Erst klare Regeln stellen sicher, dass
Märkte und Wettbewerb funktionieren und im gesellschaftlichen Interesse wirken. Es ist
Aufgabe des Staates, für Information, Transparenz und Wahlfreiheit zu sorgen und die
Durchsetzung von Verbraucher*innen-Rechten sicherzustellen.
(96) Der Markt ist nicht das alleinige Organisationsprinzip für das Wirtschaften in einer
Gesellschaft. Ein Großteil menschlicher Wirtschaftsbeziehungen erfolgt jenseits von Märkten
über den Staat, in Haushalten oder gemeinschaftlich organisierten Bereichen. Wir wollen den
Weg ebnen für soziales und ökologisches Unternehmer*innentum, für eine Wirtschaft des
Teilens sowie für frei zugängliches Wissen und frei zugängliche Gemeingüter. So wird die
sozial-ökologische Wirtschaft im Sinne des Gemeinwohls gestärkt.
(97) Es gilt das Primat der Politik, auch gegenüber Wirtschaft und Kapital. Wir wollen es
neu begründen und durchsetzen. Dafür braucht es einen starken, effizienten und
handlungsfähigen Staat und klare Leitplanken aus Steuer-, Abgaben- und Ordnungsrecht sowie
intelligenter öffentlicher Forschungs- und Förderpolitik. Im Wettbewerb soll erfolgreich
sein, wer übergeordnete gesellschaftliche Ziele nicht konterkariert, sondern befördert.
(98) Nur wenn Preise die ökologische und soziale Wahrheit sagen, geht der Wettbewerb der
Märkte nicht zulasten von Mensch und Umwelt. Klimafreundliche und soziale Alternativen
können sich dann durchsetzen.
(99) Zukunftsfähige Wirtschaftspolitik orientiert sich an einem neuen Wohlstandsmaß und
einer neuen Form der Wirtschaftsberichterstattung. Diese berücksichtigen neben ökonomischen
auch ökologische, soziale und gesellschaftliche Entwicklungen sowie Sorgearbeit, die zum
größten Teil von Frauen – unbezahlt – geleistet wird.
(100) Zukunftsfähiges Wirtschaften braucht Planungssicherheit. Staatliche Wirtschafts-,
Investitions- und Infrastrukturpolitik muss langfristig und verlässlich stattfinden. Um
erfolgreich zu wirtschaften, brauchen Unternehmen eine moderne und intakte Infrastruktur,
gut ausgebildete Fachkräfte, gute Finanzierungsbedingungen, eine funktionierende öffentliche
Verwaltung sowie soziale Stabilität und Rechtssicherheit. Dazu zählen auch schnellere
Planungsverfahren durch frühzeitige Verfahrensbeteiligung sowie Behörden und Gerichte mit
ausreichendem Personal und einer vollständig elektronischen Abwicklung von Anträgen.
(101) Infrastrukturen sind eine öffentliche Aufgabe. Öffentliche Güter und Institutionen
müssen für alle zugänglich sein. Grundinfrastrukturen der Sicherheit, des Rechts, der
Mobilität und der Verwaltung gehören in öffentliche Hand. Güter und Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse, die kommunale Daseinsvorsorge und die kommunale Selbstverwaltung
müssen in öffentliche Hand und von Marktmechanismen und Wettbewerb ausgenommen bleiben.
Wirtschafts- und Industriepolitik
(102) Wettbewerb unter gleichen Bedingungen ist die Voraussetzung dafür, dass Märkte
effizient funktionieren und Wohlstand und Fortschritt hervorbringen können. Es ist Aufgabe
von Politik, Machtstellungen und Monopole zu verhindern und aufzubrechen sowie jene Bereiche
einer Gesellschaft zu definieren und auszugestalten, die nicht durch Märkte dominiert werden
sollen.
(103) Dumping, Protektionismus und mangelnde Regulierung führen zu unfairem Wettbewerb.
Darunter leiden viele europäische Unternehmen. Der Erwerb von Unternehmensbeteiligungen,
Direktinvestitionen, Marktzutritte und auch die Vergabe öffentlicher Aufträge durch und an
Dritte sollen auf der Basis von Standards und Gegenseitigkeit erfolgen. Außereuropäische
Übernahmen müssen dann, wenn nötig, auch untersagt werden. Kritische Infrastruktur und
Schlüsselindustrien gilt es zu schützen.
(104) Regulierung ist kein Selbstzweck. Sie muss sich an gesellschaftlichen Zielen
orientieren. Sie sollte Individuen und Unternehmen möglichst viel Freiheit in Bezug auf die
gewählten Mittel lassen. Es ist laufend zu überprüfen, ob es bestimmter Vorschriften noch
bedarf und sie ihren Schutzzweck weiterhin erfüllen. Dabei ist zu beachten, dass sowohl
ungeeignete politische Regeln als auch fehlende politische Regulierung Wettbewerb
einschränken und Marktmacht zementieren können. Regulierungen müssen so ausgestaltet sein,
dass sie nicht als Barriere für Gründungen wirken und zum Wettbewerbsnachteil für kleine
Unternehmen und das Handwerk werden. Sie sollen stattdessen bewirken, dass Machtunterschiede
möglichst ausgeglichen werden.
(105) Digitale Plattformen sind Teil der Infrastruktur. Das Teilen, Tauschen und Vermitteln
von Gütern, Dienstleistungen und Informationen auf digitalen Plattformen kann die Teilhabe
der Menschen stärken. Diese Plattformen sollen klar und streng reguliert werden, damit sie
ihre Machtstellung nicht ausnutzen können, damit faire Wettbewerbs- und Arbeitsbedingungen
herrschen sowie Innovation im Sinne des Gemeinwohls stattfindet. In Europa braucht es
öffentlich-rechtliche Alternativen zu den bisherigen privaten Monopolen.
(106) Wirtschaftspolitisch muss der Staat mehr tun, als nur einen Rahmen zu setzen.
Deutschland kann nur in der ökologischen Moderne seine internationale Position als globaler
Industriestandort wahren, mit neuen Wertschöpfungsketten, neuen Produkten, guten
Arbeitsplätzen und zukunftsfähigen Geschäftsmodellen. Dazu braucht es eine aktive
Industriepolitik, die neuen Technologien zum Durchbruch verhilft, gerade da, wo der Markt
das Risiko scheut. Sie muss außerdem Wettbewerbsnachteile ausgleichen, in Forschung und
Digitalisierung investieren und Arbeitsplätze sichern.
(107) Unternehmer*innen dürfen nicht gezwungen werden, sich zwischen einem wirtschaftlich
erfolgreichen Weg oder einer sozialen und ökologischen Ausrichtung des Unternehmens zu
entscheiden. Wirtschaftliche Aktivität muss sich an langfristigen Zielen und
gesamtgesellschaftlichem Wohlstand ausrichten. Die Finanzberichterstattung soll mit
Langfristzielen ergänzt werden sowie mit Indikatoren, welche die sozialen, ökologischen und
gesellschaftlichen Auswirkungen messen.
(108) Schlüsselprojekt einer sozial-ökologischen Industriepolitik ist die vollständige
Dekarbonisierung der Produktionsprozesse in Europa. Automobil- und Chemieindustrie sowie der
Maschinenbau waren die Säulen des Erfolges der deutschen Wirtschaft in den vergangenen
Jahrzehnten, aber diese Branchen müssen sich neu erfinden, um den Herausforderungen des 21.
Jahrhunderts gerecht zu werden. Dabei kann die deutsche Industrie auf das bauen, was sie –
ganz besonders den Mittelstand – stark gemacht hat: ihre Ingenieurskunst, ihre Kreativität,
die Sozialpartnerschaft mit den Gewerkschaften sowie ihre europäische und globale
Orientierung.
(109) Das Handwerk ist einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren in Deutschland. In seiner
Vielfalt ist das Handwerk Voraussetzung für die Stadt der kurzen Wege, für attraktive
Regionen und für die sozial-ökologische Transformation. Das Handwerk muss durch faire
Wettbewerbsbedingungen dabei unterstützt werden, seine Traditionen in die Zukunft zu
übertragen und seine wichtige Rolle bei der Ausbildung von Fachkräften zu stärken und in
strukturschwachen Regionen zu erhalten.
(110) Entscheidend für eine Dekarbonisierung von Produktion und Konsum ist ihre Einbettung
in eine Kreislaufwirtschaft. Produktion und Konsum finden dabei so weit wie möglich in
vollständigen Kreisläufen statt, so dass weniger natürliche Ressourcen verwendet werden
müssen. Zentral dabei ist ein umfassendes Gebot für ressourcensparendes und
kreislauftaugliches Produktdesign. So wird die Zahl der neu produzierten Waren und Güter
minimiert, Produkte werden langlebiger und können repariert oder wiederaufbereitet werden.
(111) Als einer der größten Wirtschaftsräume der Welt kann die Europäische Union mit dem
gemeinsamen Binnenmarkt weltweit Standards setzen. Das gilt es zu nutzen, um die
Transformation voranzubringen, Menschenrechte zu schützen, wettbewerbsfähig zu bleiben,
Innovationen und Wertschöpfung zu fördern, sich weniger abhängig von anderen globalen
Playern zu machen und zugleich in der noch weitestgehend unregulierten digitalen Welt
Bürger*innen-Rechte zu sichern.
(112) Die Grundstoffindustrie wird auch künftig ein zentraler Baustein bleiben. In einem
gemeinsamen Zusammenspiel von ökologischer und technologischer Innovation, Digitalisierung,
branchenübergreifender Kooperation und planungssicherer politischer Rahmensetzung sind die
Grundlagen dafür zu legen, dass Stahl, Aluminium, Glas, Papier oder Chemikalien weiter in
Europa produziert werden. Die dafür nötigen Transformationsschritte müssen
wettbewerbsrechtlich ausgeglichen werden.
(113) Statt einer Abhängigkeit Europas im Bereich technischer Entwicklungen und Erfindungen
brauchen wir ausreichend eigene Produktionskapazitäten für systemrelevante Produkte wie
medizinische Präparate oder Techniken der kritischen Infrastruktur. Die Regionalisierung in
kritischen Bereichen und eine globale Kooperation gehören zusammen. Der Markt allein kann
das nicht richten.
(114) Das freie Unternehmer*innentum, die Gründer*innen in Start-ups sind die Treiber*innen
für Innovation. Grundlage für Neugründungen und Fortschritt sind Wagniskapital und
Investitionen in Forschung. Wirtschaftspolitik begünstigt, fördert und vernetzt neue Ideen
und kleine Unternehmen sowie Start-ups und Ausgründungen aus Universitäten europaweit. Sie
unterstützt bei der Finanzierung, beim Transfer von Grundlagenforschung in die Praxis und
sorgt für attraktive Rahmenbedingungen, um die besten Forscher*innen, Gründer*innen und
Fachkräfte anzuziehen.
Eigentum und Gemeinwohl
(115) Ohne Recht auf Eigentum sind eine freiheitliche Gesellschaft und eine sozial-
ökologische Marktwirtschaft unvorstellbar. Gleichzeitig verpflichtet es gesellschaftlich,
weil eine zu starke Konzentration von Eigentum in den Händen Weniger Demokratie und
Marktwirtschaft bedroht.
(116) Grund und Boden unterliegen einer besonderen Sozialbindung, weil sie unvermehrbar und
unverzichtbar sind. Deshalb müssen Renditen in diesem Bereich begrenzt sein sowie Grund und
Boden verstärkt in öffentliches Eigentum überführt werden. Es gilt zusätzlich, die
Flächeninanspruchnahme zu begrenzen. Der Staat muss für vielfältige Besitzstrukturen sorgen
und sie stärken.
(117) Es braucht neue Formen von gemeinwohlorientiertem Eigentum und eine stärkere
Gemeinwohlbindung. Genossenschaften und soziale Unternehmen leisten einen wichtigen Beitrag
hin zu einer gemeinwohlorientierten Wirtschaft.
(118) Die Weitergabe von bestehendem Wissen ist über Open Source praktisch ohne Kosten
möglich. Der Zugang zu Wissen für alle Menschen erhöht Wohlstand und Gerechtigkeit.
Geistiges Eigentum soll daher auf das Maß begrenzt werden, das erforderlich ist, um
ökonomische Anreize zur Wissensgenerierung zu erhalten. So viel Wissen wie möglich soll
Menschheitswissen werden.
Finanzmärkte und Banken
(119) Finanzmärkte und Banken haben die Aufgabe, realwirtschaftliche Investitionen zu
finanzieren und Sparer*innen attraktive Anlagemöglichkeiten zu bieten. Durch die
Deregulierung der Märkte geriet jedoch die Spekulation mit unproduktiven Finanzprodukten zum
Hauptzweck. Spekulationen müssen eingedämmt werden und wir müssen zurück zum sogenannten
„boring banking“, bei dem die langfristige Finanzierung im Vordergrund steht und nicht die
kurzfristige Spekulation. Dafür muss das Einlagen- und Kreditgeschäft vom riskanten
Investmentbanking abgetrennt werden (Trennbankensystem). Es braucht einen Finanzmarkt, der
sich an der Finanzierung des Gemeinwohls beteiligt, statt ihm zu schaden.
(120) Gute Banken sind Grundpfeiler moderner Volkswirtschaften. Werden sie zu groß, werden
sie zur Gefahr. Deshalb sollte keine Bank so groß sein, dass sie eine ganze Volkswirtschaft
in den Abgrund reißen kann. Eine Abwicklung muss ohne Rückgriff auf Steuermittel jederzeit
möglich sein. Außerdem brauchen Banken eine gute Eigenkapitalausstattung und wirksame
Haftungsregeln.
(121) Deutschlands bestehendes Drei-Säulen-Bankwesen mit seinen vielen kleinen, lokalen
Banken hat sich bewährt. Der Finanzmarkt braucht eine effektive Aufsicht sowie einfache,
glasklare Regeln ohne Lücken, die für alle gelten – egal ob Banken, Hedgefonds oder
FinTechs. Kleine Banken, von denen keine Gefahr für das Finanzsystem ausgeht, müssen nicht
so umfassend reguliert und beaufsichtigt werden wie Großbanken.
(122) Finanzmärkte haben eine wichtige Funktion für den Klimaschutz, wenn Anlagegelder in
den ökologischen Umbau gelenkt werden und nicht mehr in die alte, von fossilen Energien
getragene Wirtschaft fließen. Die öffentliche Hand muss vorangehen und sich vollständig aus
Investitionen Unternehmen zurückziehen, die auf fossile Energien bauen. Für Anleger*innen
muss zu jeder Zeit transparent sein, welche ökologischen und sozialen Folgen mit ihren
Investitionen oder Einlagen verbunden sind. Es gilt, die Klima- und Nachhaltigkeitsrisiken
im Finanzsektor offenzulegen und einzupreisen. Das macht die Finanzierung von Investitionen
in Klimaschutz und Nachhaltigkeit günstiger als die Bereitstellung von Kapital für andere
Zwecke.
Geld- und Fiskalpolitik
(123) Aufgabe der Geldpolitik von Zentralbanken sowie der Fiskalpolitik ist es, ökonomischen
Krisen entgegenzuwirken. Denn sie vernichten Arbeitsplätze und Existenzen und können
Gesellschaften ins Chaos stürzen.
(124) Die Zentralbanken allein stoßen an Grenzen, wenn es um die Stabilisierung der
Wirtschaft in Krisenzeiten geht. Insbesondere die Haushaltspolitik muss einen Beitrag
leisten, das Auf und Ab der Konjunktur auszugleichen und tiefe wirtschaftliche Krisen zu
verhindern. Deshalb gilt es, stets die Auswirkung von Staatsausgaben auf die
Gesamtwirtschaft zu berücksichtigen. Es ist sinnvoll, sowohl auf nationaler als auch auf
europäischer Ebene die Spielräume zur Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben zu nutzen und
auszubauen, um Wirtschaftskrisen und deren soziale Folgen zu vermeiden. Langfristige
Schuldentragfähigkeit ist dabei stets zu gewährleisten und gerade mit Blick auf die
Handlungsspielräume künftiger Generationen gesetzlich zu verankern.
(125) Unsere gemeinsame europäische Währung trägt zu einem starken gemeinsamen Europa bei.
Die Währungsunion ist allerdings ein unvollendetes Projekt geblieben. So verschärfen sich
wirtschaftliche Unterschiede und Ungleichgewichte bei Wettbewerbsfähigkeit und Handel, ohne
dass es dagegen europäische Instrumente gibt. Daher gilt es, die europäische Währungsunion
zu vollenden und die dafür notwendigen Vertragsveränderungen auf den Weg zu bringen.
(126) Die Zentralbanken sollten eigene Standards für digitale Währungen schaffen. Private
Währungen sollen im Euro-Raum nicht zugelassen werden. Digitale Zahlungen, Kryptowährungen
und die Personen hinter den Accounts müssen nachvollziehbar sein. Zur Bekämpfung von
Verbrechen wie Geldwäsche, die Darstellung sexualisierter Gewalt gegen Kinder,
Steuerhinterziehung und Terror-Finanzierung braucht es eine staatliche Infrastruktur.
(127) Die EU braucht eine eigene Zuständigkeit für die Wirtschafts- und Fiskalpolitik. Sie
braucht einen Haushalt, der groß genug ist, um makroökonomisch zu stabilisieren und in
schweren Krisen Zuschüsse für die nationalen Haushalte leisten zu können. Dieser Haushalt
muss über eigene Steuereinnahmen verfügen. Um langfristige Investitionen zu finanzieren und
schwere Konjunktureinbrüche abzuwehren und zu bekämpfen, muss sich dieser Haushalt auch über
Kredite finanzieren können. Um den Euro zu stärken, müssen Staatsanleihen der Europäischen
Union und ihrer Mitgliedstaaten eine absolut sichere Geldanlage darstellen. Ein
Zahlungsausfall muss in jedem Fall ausgeschlossen sein.
(128) Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank ist ein hohes Gut. Sie gilt es zu
bewahren. Krisen haben jedoch gezeigt, dass eine alleinige Ausrichtung auf das Ziel der
Preisniveaustabilität ein zu enges Mandat für die Geldpolitik ist. Daher sollte die EZB, wie
andere Zentralbanken auch, gleichberechtigt das Ziel der Wohlstandsmehrung und eines hohen
Beschäftigungsstands verfolgen. Solange die Unabhängigkeit der Zentralbank gesichert ist,
sollte es zulässig sein, dass die Notenbank in schweren Krisen die Liquidität der Staaten
garantiert.
(129) Auf europäischer Ebene ist eine stärkere Harmonisierung und Vergemeinschaftung von
wettbewerbssensiblen Steuern notwendig, wie etwa der Besteuerung von Unternehmensgewinnen.
Lohn- und Tarifpolitik sollten schrittweise stärker aufeinander abgestimmt werden. Im Fall
von hohen und dauerhaften Handelsungleichgewichten innerhalb der Währungsunion müssen die
Empfehlungen der Europäischen Kommission eine stärkere Verbindlichkeit haben, etwa den
Defizit- wie auch den Überschussländern symmetrische Verpflichtungen zum Abbau aufzuerlegen.
Haushalts- und Steuerpolitik
(130) Haushaltsmittel gehören allen Bürger*innen. Mit ihnen ist stets sorgsam umzugehen und
es ist zu überprüfen, ob die angestrebten gesellschaftlichen Ziele auf effizientem Weg
erreicht werden. Die öffentlichen Haushalte sollten in einer Demokratie klar, transparent
und nachvollziehbar sein. Gender Budgeting ist für einen gerechten Haushalt unerlässlich.
(131) Wir stehen zu langfristig nachhaltigen Staatsfinanzen und zu gesetzlichen Regeln für
die Begrenzung der Kreditaufnahme. Dabei gilt es, nicht nur die Verbindlichkeiten zu
betrachten, sondern auch das Vermögen der öffentlichen Hand zu erhalten und auszubauen.
Investitionen in Infrastruktur und Nachhaltigkeit sichern die Handlungsspielräume künftiger
Generationen. In diesem Sinne ist der Anteil der öffentlichen Investitionen an der
Wirtschaftsleistung auszubauen. Für den Ausbau des öffentlichen Vermögens und die
langfristige Sicherung unseres Wohlstands kann eine Kreditfinanzierung sinnvoll und
pragmatisch geboten sein, insbesondere wenn sie eine gute Rendite verspricht.
(132) Infrastruktur ist öffentliche Aufgabe. Öffentlich-Private Partnerschaften kommen nur
dann in Betracht, wenn sich durch sie ein Mehrwert bzw. geringere Kosten für die
Steuerzahler*innen ergeben.
(133) Unser Steuersystem stellt die Finanzierung öffentlicher Aufgaben sicher. Es braucht
ein gerechtes Steuersystem, das verständlich und effizient ist. Das ist Grundlage für
Akzeptanz und reduziert soziale Ungleichheit.
(134) Ein Steuersystem, das wirtschaftliche Dynamik schaffen will, begünstigt neue
Aktivitäten und Investitionen und besteuert Vermögen sowie leistungslose Einkommen. Das
Aufkommen der Steuern aus Kapitaleinkommen, aus großen Vermögen und Erbschaften muss wieder
erhöht werden. Die Besteuerung von Kapitaleinkommen muss mindestens dem Maß der Besteuerung
der Erwerbstätigkeit entsprechen. Der Vermögensaufbau von einkommensschwachen Gruppen soll
gezielt gefördert werden, unter anderem über Wohnerwerbsförderung oder Mitarbeiter*innen-
Beteiligungsprogramme.
(135) Steuern lenken. Steuersysteme sollen gesellschaftliche Ziele abbilden. Nicht am
Gemeinwohl orientierte und ökologisch schädliche Tätigkeiten und Produkte sollen stärker
besteuert und damit verteuert werden. Im Gegenzug werden der ökologische Umbau und soziales
Engagement begünstigt.
(136) Steuerdumping schadet Volkswirtschaften. Unternehmensgewinne und digitale Umsätze
müssen stärker am Ort des Konsums besteuert und eine gemeinsame europäische
Bemessungsgrundlage muss eingeführt werden.
(137) Alle sollen sich ihrer finanziellen Lage entsprechend am Gemeinwohl beteiligen. Die
Besteuerung soll progressiver werden. Dafür braucht es Transparenz über wirtschaftliche
Verhältnisse und eine Verwaltung, die in der Lage ist, das Recht durchzusetzen.
Steuerhinterziehung und -umgehung, Schwarzarbeit, Geldwäsche und Sozialbetrug sind mit allen
Mitteln zu bekämpfen.
Antragstext
Von Zeile 24 bis 28:
(93) Den Weg zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft bereitet ein europäischer Green New Deal. Er schafft den neuen Ordnungsrahmen für faires, ökologisches und nachhaltiges Wirtschaften, indem er auf ein Bündnis aus Arbeit und Umwelt baut. Er investiert mutig in dieeine klimagerechte Zukunft. Er setzt neue Kräfte für Kreativität und Innovationen frei. Er sorgt für sozialen Ausgleichüberwindet die soziale Spaltung in Europa und stärkt Geschlechtergerechtigkeit.schafft eine geschlechtergerechte Gesellschaft
Kapitel 2: In die Zukunft wirtschaften
Sozial-Ökologische Marktwirtschaft
(90) Die Wirtschaft dient den Menschen und dem Gemeinwohl, nicht andersherum. Wohlstand im
Sinne von Klimaneutralität, Nachhaltigkeit, Vorsorge und Gerechtigkeit ist Kern eines
zukunftsfähigen Wirtschaftssystems. Ziel ist ein Wirtschafts- und Finanzsystem, das die
planetaren Grenzen einhält. Dafür braucht es den Wandel hin zu einer sozial-ökologischen
Marktwirtschaft, die Wachstum, Effizienz, fairen Wettbewerb und Innovation als Mittel zur
Erreichung von mehr Lebensqualität für alle Menschen nutzt, weltweit und für zukünftige
Generationen.
(91) Viele der strukturellen Anreize zum Produzieren, Handeln und Konsumieren stellen uns
vor ökologische Probleme dramatischen Ausmaßes und befeuern sozial-ökonomische
Verteilungskrisen. Wirtschaftswachstum ist nicht per se das Problem, der damit einhergehende
Verbrauch natürlicher Ressourcen schon. Wachstum in bestimmten Bereichen wird auch in
Zukunft wichtig sein, um die Lebensbedingungen der Menschheit zu verbessern. Es geht dabei
um ein qualitatives Wachstum, das neben ökonomischen Kriterien auch soziale und ökologische
berücksichtigt.
(92) Wohlstand definiert sich nicht allein durch materiellen Reichtum, sondern meint
Lebensqualität. Es geht auch um Sicherheit, Freiheit, Zeitsouveränität, gesunde
Lebensgrundlagen, Gleichberechtigung, kulturelle Teilhabe und ein friedliches Zusammenleben.
Dafür sind ein neuer Wohlstandsbegriff und ein anderes Wirtschaften nötig. Mit einem
umfassenden Wohlstandsindikator können ökologische, soziale und qualitative Merkmale erfasst
werden. Wasser, Luft, Boden und Artenvielfalt sind globale Gemeingüter, die abseits einer
reinen Verwertungslogik allen Menschen zugutekommen.
(93) Den Weg zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft bereitet ein europäischer Green New Deal.
Er schafft den neuen Ordnungsrahmen für faires, ökologisches und nachhaltiges Wirtschaften,
indem er auf ein Bündnis aus Arbeit und Umwelt baut. Er investiert mutig in dieeine klimagerechte Zukunft. Er
setzt neue Kräfte für Kreativität und Innovationen frei. Er sorgt für sozialen Ausgleichüberwindet die soziale Spaltung in Europa und
stärkt Geschlechtergerechtigkeit.schafft eine geschlechtergerechte Gesellschaft
(94) Freies und kreatives Handeln von Menschen sowie die Dynamik eines fairen Wettbewerbs
und gesellschaftlicher Kooperation können nachhaltigen Wohlstand, Fortschritt und innovative
Problemlösungen schaffen.
(95) Märkte können ein mächtiges Instrument für ökonomische Effizienz, Innovation und
technologischen Fortschritt sein. Ihre Dynamik und Schaffenskraft sind unverzichtbar, um die
großen Herausforderungen der ökologischen Krisen zu bewältigen. Unregulierte Märkte aber
sind zukunftsblind, krisenanfällig und instabil. Erst klare Regeln stellen sicher, dass
Märkte und Wettbewerb funktionieren und im gesellschaftlichen Interesse wirken. Es ist
Aufgabe des Staates, für Information, Transparenz und Wahlfreiheit zu sorgen und die
Durchsetzung von Verbraucher*innen-Rechten sicherzustellen.
(96) Der Markt ist nicht das alleinige Organisationsprinzip für das Wirtschaften in einer
Gesellschaft. Ein Großteil menschlicher Wirtschaftsbeziehungen erfolgt jenseits von Märkten
über den Staat, in Haushalten oder gemeinschaftlich organisierten Bereichen. Wir wollen den
Weg ebnen für soziales und ökologisches Unternehmer*innentum, für eine Wirtschaft des
Teilens sowie für frei zugängliches Wissen und frei zugängliche Gemeingüter. So wird die
sozial-ökologische Wirtschaft im Sinne des Gemeinwohls gestärkt.
(97) Es gilt das Primat der Politik, auch gegenüber Wirtschaft und Kapital. Wir wollen es
neu begründen und durchsetzen. Dafür braucht es einen starken, effizienten und
handlungsfähigen Staat und klare Leitplanken aus Steuer-, Abgaben- und Ordnungsrecht sowie
intelligenter öffentlicher Forschungs- und Förderpolitik. Im Wettbewerb soll erfolgreich
sein, wer übergeordnete gesellschaftliche Ziele nicht konterkariert, sondern befördert.
(98) Nur wenn Preise die ökologische und soziale Wahrheit sagen, geht der Wettbewerb der
Märkte nicht zulasten von Mensch und Umwelt. Klimafreundliche und soziale Alternativen
können sich dann durchsetzen.
(99) Zukunftsfähige Wirtschaftspolitik orientiert sich an einem neuen Wohlstandsmaß und
einer neuen Form der Wirtschaftsberichterstattung. Diese berücksichtigen neben ökonomischen
auch ökologische, soziale und gesellschaftliche Entwicklungen sowie Sorgearbeit, die zum
größten Teil von Frauen – unbezahlt – geleistet wird.
(100) Zukunftsfähiges Wirtschaften braucht Planungssicherheit. Staatliche Wirtschafts-,
Investitions- und Infrastrukturpolitik muss langfristig und verlässlich stattfinden. Um
erfolgreich zu wirtschaften, brauchen Unternehmen eine moderne und intakte Infrastruktur,
gut ausgebildete Fachkräfte, gute Finanzierungsbedingungen, eine funktionierende öffentliche
Verwaltung sowie soziale Stabilität und Rechtssicherheit. Dazu zählen auch schnellere
Planungsverfahren durch frühzeitige Verfahrensbeteiligung sowie Behörden und Gerichte mit
ausreichendem Personal und einer vollständig elektronischen Abwicklung von Anträgen.
(101) Infrastrukturen sind eine öffentliche Aufgabe. Öffentliche Güter und Institutionen
müssen für alle zugänglich sein. Grundinfrastrukturen der Sicherheit, des Rechts, der
Mobilität und der Verwaltung gehören in öffentliche Hand. Güter und Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse, die kommunale Daseinsvorsorge und die kommunale Selbstverwaltung
müssen in öffentliche Hand und von Marktmechanismen und Wettbewerb ausgenommen bleiben.
Wirtschafts- und Industriepolitik
(102) Wettbewerb unter gleichen Bedingungen ist die Voraussetzung dafür, dass Märkte
effizient funktionieren und Wohlstand und Fortschritt hervorbringen können. Es ist Aufgabe
von Politik, Machtstellungen und Monopole zu verhindern und aufzubrechen sowie jene Bereiche
einer Gesellschaft zu definieren und auszugestalten, die nicht durch Märkte dominiert werden
sollen.
(103) Dumping, Protektionismus und mangelnde Regulierung führen zu unfairem Wettbewerb.
Darunter leiden viele europäische Unternehmen. Der Erwerb von Unternehmensbeteiligungen,
Direktinvestitionen, Marktzutritte und auch die Vergabe öffentlicher Aufträge durch und an
Dritte sollen auf der Basis von Standards und Gegenseitigkeit erfolgen. Außereuropäische
Übernahmen müssen dann, wenn nötig, auch untersagt werden. Kritische Infrastruktur und
Schlüsselindustrien gilt es zu schützen.
(104) Regulierung ist kein Selbstzweck. Sie muss sich an gesellschaftlichen Zielen
orientieren. Sie sollte Individuen und Unternehmen möglichst viel Freiheit in Bezug auf die
gewählten Mittel lassen. Es ist laufend zu überprüfen, ob es bestimmter Vorschriften noch
bedarf und sie ihren Schutzzweck weiterhin erfüllen. Dabei ist zu beachten, dass sowohl
ungeeignete politische Regeln als auch fehlende politische Regulierung Wettbewerb
einschränken und Marktmacht zementieren können. Regulierungen müssen so ausgestaltet sein,
dass sie nicht als Barriere für Gründungen wirken und zum Wettbewerbsnachteil für kleine
Unternehmen und das Handwerk werden. Sie sollen stattdessen bewirken, dass Machtunterschiede
möglichst ausgeglichen werden.
(105) Digitale Plattformen sind Teil der Infrastruktur. Das Teilen, Tauschen und Vermitteln
von Gütern, Dienstleistungen und Informationen auf digitalen Plattformen kann die Teilhabe
der Menschen stärken. Diese Plattformen sollen klar und streng reguliert werden, damit sie
ihre Machtstellung nicht ausnutzen können, damit faire Wettbewerbs- und Arbeitsbedingungen
herrschen sowie Innovation im Sinne des Gemeinwohls stattfindet. In Europa braucht es
öffentlich-rechtliche Alternativen zu den bisherigen privaten Monopolen.
(106) Wirtschaftspolitisch muss der Staat mehr tun, als nur einen Rahmen zu setzen.
Deutschland kann nur in der ökologischen Moderne seine internationale Position als globaler
Industriestandort wahren, mit neuen Wertschöpfungsketten, neuen Produkten, guten
Arbeitsplätzen und zukunftsfähigen Geschäftsmodellen. Dazu braucht es eine aktive
Industriepolitik, die neuen Technologien zum Durchbruch verhilft, gerade da, wo der Markt
das Risiko scheut. Sie muss außerdem Wettbewerbsnachteile ausgleichen, in Forschung und
Digitalisierung investieren und Arbeitsplätze sichern.
(107) Unternehmer*innen dürfen nicht gezwungen werden, sich zwischen einem wirtschaftlich
erfolgreichen Weg oder einer sozialen und ökologischen Ausrichtung des Unternehmens zu
entscheiden. Wirtschaftliche Aktivität muss sich an langfristigen Zielen und
gesamtgesellschaftlichem Wohlstand ausrichten. Die Finanzberichterstattung soll mit
Langfristzielen ergänzt werden sowie mit Indikatoren, welche die sozialen, ökologischen und
gesellschaftlichen Auswirkungen messen.
(108) Schlüsselprojekt einer sozial-ökologischen Industriepolitik ist die vollständige
Dekarbonisierung der Produktionsprozesse in Europa. Automobil- und Chemieindustrie sowie der
Maschinenbau waren die Säulen des Erfolges der deutschen Wirtschaft in den vergangenen
Jahrzehnten, aber diese Branchen müssen sich neu erfinden, um den Herausforderungen des 21.
Jahrhunderts gerecht zu werden. Dabei kann die deutsche Industrie auf das bauen, was sie –
ganz besonders den Mittelstand – stark gemacht hat: ihre Ingenieurskunst, ihre Kreativität,
die Sozialpartnerschaft mit den Gewerkschaften sowie ihre europäische und globale
Orientierung.
(109) Das Handwerk ist einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren in Deutschland. In seiner
Vielfalt ist das Handwerk Voraussetzung für die Stadt der kurzen Wege, für attraktive
Regionen und für die sozial-ökologische Transformation. Das Handwerk muss durch faire
Wettbewerbsbedingungen dabei unterstützt werden, seine Traditionen in die Zukunft zu
übertragen und seine wichtige Rolle bei der Ausbildung von Fachkräften zu stärken und in
strukturschwachen Regionen zu erhalten.
(110) Entscheidend für eine Dekarbonisierung von Produktion und Konsum ist ihre Einbettung
in eine Kreislaufwirtschaft. Produktion und Konsum finden dabei so weit wie möglich in
vollständigen Kreisläufen statt, so dass weniger natürliche Ressourcen verwendet werden
müssen. Zentral dabei ist ein umfassendes Gebot für ressourcensparendes und
kreislauftaugliches Produktdesign. So wird die Zahl der neu produzierten Waren und Güter
minimiert, Produkte werden langlebiger und können repariert oder wiederaufbereitet werden.
(111) Als einer der größten Wirtschaftsräume der Welt kann die Europäische Union mit dem
gemeinsamen Binnenmarkt weltweit Standards setzen. Das gilt es zu nutzen, um die
Transformation voranzubringen, Menschenrechte zu schützen, wettbewerbsfähig zu bleiben,
Innovationen und Wertschöpfung zu fördern, sich weniger abhängig von anderen globalen
Playern zu machen und zugleich in der noch weitestgehend unregulierten digitalen Welt
Bürger*innen-Rechte zu sichern.
(112) Die Grundstoffindustrie wird auch künftig ein zentraler Baustein bleiben. In einem
gemeinsamen Zusammenspiel von ökologischer und technologischer Innovation, Digitalisierung,
branchenübergreifender Kooperation und planungssicherer politischer Rahmensetzung sind die
Grundlagen dafür zu legen, dass Stahl, Aluminium, Glas, Papier oder Chemikalien weiter in
Europa produziert werden. Die dafür nötigen Transformationsschritte müssen
wettbewerbsrechtlich ausgeglichen werden.
(113) Statt einer Abhängigkeit Europas im Bereich technischer Entwicklungen und Erfindungen
brauchen wir ausreichend eigene Produktionskapazitäten für systemrelevante Produkte wie
medizinische Präparate oder Techniken der kritischen Infrastruktur. Die Regionalisierung in
kritischen Bereichen und eine globale Kooperation gehören zusammen. Der Markt allein kann
das nicht richten.
(114) Das freie Unternehmer*innentum, die Gründer*innen in Start-ups sind die Treiber*innen
für Innovation. Grundlage für Neugründungen und Fortschritt sind Wagniskapital und
Investitionen in Forschung. Wirtschaftspolitik begünstigt, fördert und vernetzt neue Ideen
und kleine Unternehmen sowie Start-ups und Ausgründungen aus Universitäten europaweit. Sie
unterstützt bei der Finanzierung, beim Transfer von Grundlagenforschung in die Praxis und
sorgt für attraktive Rahmenbedingungen, um die besten Forscher*innen, Gründer*innen und
Fachkräfte anzuziehen.
Eigentum und Gemeinwohl
(115) Ohne Recht auf Eigentum sind eine freiheitliche Gesellschaft und eine sozial-
ökologische Marktwirtschaft unvorstellbar. Gleichzeitig verpflichtet es gesellschaftlich,
weil eine zu starke Konzentration von Eigentum in den Händen Weniger Demokratie und
Marktwirtschaft bedroht.
(116) Grund und Boden unterliegen einer besonderen Sozialbindung, weil sie unvermehrbar und
unverzichtbar sind. Deshalb müssen Renditen in diesem Bereich begrenzt sein sowie Grund und
Boden verstärkt in öffentliches Eigentum überführt werden. Es gilt zusätzlich, die
Flächeninanspruchnahme zu begrenzen. Der Staat muss für vielfältige Besitzstrukturen sorgen
und sie stärken.
(117) Es braucht neue Formen von gemeinwohlorientiertem Eigentum und eine stärkere
Gemeinwohlbindung. Genossenschaften und soziale Unternehmen leisten einen wichtigen Beitrag
hin zu einer gemeinwohlorientierten Wirtschaft.
(118) Die Weitergabe von bestehendem Wissen ist über Open Source praktisch ohne Kosten
möglich. Der Zugang zu Wissen für alle Menschen erhöht Wohlstand und Gerechtigkeit.
Geistiges Eigentum soll daher auf das Maß begrenzt werden, das erforderlich ist, um
ökonomische Anreize zur Wissensgenerierung zu erhalten. So viel Wissen wie möglich soll
Menschheitswissen werden.
Finanzmärkte und Banken
(119) Finanzmärkte und Banken haben die Aufgabe, realwirtschaftliche Investitionen zu
finanzieren und Sparer*innen attraktive Anlagemöglichkeiten zu bieten. Durch die
Deregulierung der Märkte geriet jedoch die Spekulation mit unproduktiven Finanzprodukten zum
Hauptzweck. Spekulationen müssen eingedämmt werden und wir müssen zurück zum sogenannten
„boring banking“, bei dem die langfristige Finanzierung im Vordergrund steht und nicht die
kurzfristige Spekulation. Dafür muss das Einlagen- und Kreditgeschäft vom riskanten
Investmentbanking abgetrennt werden (Trennbankensystem). Es braucht einen Finanzmarkt, der
sich an der Finanzierung des Gemeinwohls beteiligt, statt ihm zu schaden.
(120) Gute Banken sind Grundpfeiler moderner Volkswirtschaften. Werden sie zu groß, werden
sie zur Gefahr. Deshalb sollte keine Bank so groß sein, dass sie eine ganze Volkswirtschaft
in den Abgrund reißen kann. Eine Abwicklung muss ohne Rückgriff auf Steuermittel jederzeit
möglich sein. Außerdem brauchen Banken eine gute Eigenkapitalausstattung und wirksame
Haftungsregeln.
(121) Deutschlands bestehendes Drei-Säulen-Bankwesen mit seinen vielen kleinen, lokalen
Banken hat sich bewährt. Der Finanzmarkt braucht eine effektive Aufsicht sowie einfache,
glasklare Regeln ohne Lücken, die für alle gelten – egal ob Banken, Hedgefonds oder
FinTechs. Kleine Banken, von denen keine Gefahr für das Finanzsystem ausgeht, müssen nicht
so umfassend reguliert und beaufsichtigt werden wie Großbanken.
(122) Finanzmärkte haben eine wichtige Funktion für den Klimaschutz, wenn Anlagegelder in
den ökologischen Umbau gelenkt werden und nicht mehr in die alte, von fossilen Energien
getragene Wirtschaft fließen. Die öffentliche Hand muss vorangehen und sich vollständig aus
Investitionen Unternehmen zurückziehen, die auf fossile Energien bauen. Für Anleger*innen
muss zu jeder Zeit transparent sein, welche ökologischen und sozialen Folgen mit ihren
Investitionen oder Einlagen verbunden sind. Es gilt, die Klima- und Nachhaltigkeitsrisiken
im Finanzsektor offenzulegen und einzupreisen. Das macht die Finanzierung von Investitionen
in Klimaschutz und Nachhaltigkeit günstiger als die Bereitstellung von Kapital für andere
Zwecke.
Geld- und Fiskalpolitik
(123) Aufgabe der Geldpolitik von Zentralbanken sowie der Fiskalpolitik ist es, ökonomischen
Krisen entgegenzuwirken. Denn sie vernichten Arbeitsplätze und Existenzen und können
Gesellschaften ins Chaos stürzen.
(124) Die Zentralbanken allein stoßen an Grenzen, wenn es um die Stabilisierung der
Wirtschaft in Krisenzeiten geht. Insbesondere die Haushaltspolitik muss einen Beitrag
leisten, das Auf und Ab der Konjunktur auszugleichen und tiefe wirtschaftliche Krisen zu
verhindern. Deshalb gilt es, stets die Auswirkung von Staatsausgaben auf die
Gesamtwirtschaft zu berücksichtigen. Es ist sinnvoll, sowohl auf nationaler als auch auf
europäischer Ebene die Spielräume zur Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben zu nutzen und
auszubauen, um Wirtschaftskrisen und deren soziale Folgen zu vermeiden. Langfristige
Schuldentragfähigkeit ist dabei stets zu gewährleisten und gerade mit Blick auf die
Handlungsspielräume künftiger Generationen gesetzlich zu verankern.
(125) Unsere gemeinsame europäische Währung trägt zu einem starken gemeinsamen Europa bei.
Die Währungsunion ist allerdings ein unvollendetes Projekt geblieben. So verschärfen sich
wirtschaftliche Unterschiede und Ungleichgewichte bei Wettbewerbsfähigkeit und Handel, ohne
dass es dagegen europäische Instrumente gibt. Daher gilt es, die europäische Währungsunion
zu vollenden und die dafür notwendigen Vertragsveränderungen auf den Weg zu bringen.
(126) Die Zentralbanken sollten eigene Standards für digitale Währungen schaffen. Private
Währungen sollen im Euro-Raum nicht zugelassen werden. Digitale Zahlungen, Kryptowährungen
und die Personen hinter den Accounts müssen nachvollziehbar sein. Zur Bekämpfung von
Verbrechen wie Geldwäsche, die Darstellung sexualisierter Gewalt gegen Kinder,
Steuerhinterziehung und Terror-Finanzierung braucht es eine staatliche Infrastruktur.
(127) Die EU braucht eine eigene Zuständigkeit für die Wirtschafts- und Fiskalpolitik. Sie
braucht einen Haushalt, der groß genug ist, um makroökonomisch zu stabilisieren und in
schweren Krisen Zuschüsse für die nationalen Haushalte leisten zu können. Dieser Haushalt
muss über eigene Steuereinnahmen verfügen. Um langfristige Investitionen zu finanzieren und
schwere Konjunktureinbrüche abzuwehren und zu bekämpfen, muss sich dieser Haushalt auch über
Kredite finanzieren können. Um den Euro zu stärken, müssen Staatsanleihen der Europäischen
Union und ihrer Mitgliedstaaten eine absolut sichere Geldanlage darstellen. Ein
Zahlungsausfall muss in jedem Fall ausgeschlossen sein.
(128) Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank ist ein hohes Gut. Sie gilt es zu
bewahren. Krisen haben jedoch gezeigt, dass eine alleinige Ausrichtung auf das Ziel der
Preisniveaustabilität ein zu enges Mandat für die Geldpolitik ist. Daher sollte die EZB, wie
andere Zentralbanken auch, gleichberechtigt das Ziel der Wohlstandsmehrung und eines hohen
Beschäftigungsstands verfolgen. Solange die Unabhängigkeit der Zentralbank gesichert ist,
sollte es zulässig sein, dass die Notenbank in schweren Krisen die Liquidität der Staaten
garantiert.
(129) Auf europäischer Ebene ist eine stärkere Harmonisierung und Vergemeinschaftung von
wettbewerbssensiblen Steuern notwendig, wie etwa der Besteuerung von Unternehmensgewinnen.
Lohn- und Tarifpolitik sollten schrittweise stärker aufeinander abgestimmt werden. Im Fall
von hohen und dauerhaften Handelsungleichgewichten innerhalb der Währungsunion müssen die
Empfehlungen der Europäischen Kommission eine stärkere Verbindlichkeit haben, etwa den
Defizit- wie auch den Überschussländern symmetrische Verpflichtungen zum Abbau aufzuerlegen.
Haushalts- und Steuerpolitik
(130) Haushaltsmittel gehören allen Bürger*innen. Mit ihnen ist stets sorgsam umzugehen und
es ist zu überprüfen, ob die angestrebten gesellschaftlichen Ziele auf effizientem Weg
erreicht werden. Die öffentlichen Haushalte sollten in einer Demokratie klar, transparent
und nachvollziehbar sein. Gender Budgeting ist für einen gerechten Haushalt unerlässlich.
(131) Wir stehen zu langfristig nachhaltigen Staatsfinanzen und zu gesetzlichen Regeln für
die Begrenzung der Kreditaufnahme. Dabei gilt es, nicht nur die Verbindlichkeiten zu
betrachten, sondern auch das Vermögen der öffentlichen Hand zu erhalten und auszubauen.
Investitionen in Infrastruktur und Nachhaltigkeit sichern die Handlungsspielräume künftiger
Generationen. In diesem Sinne ist der Anteil der öffentlichen Investitionen an der
Wirtschaftsleistung auszubauen. Für den Ausbau des öffentlichen Vermögens und die
langfristige Sicherung unseres Wohlstands kann eine Kreditfinanzierung sinnvoll und
pragmatisch geboten sein, insbesondere wenn sie eine gute Rendite verspricht.
(132) Infrastruktur ist öffentliche Aufgabe. Öffentlich-Private Partnerschaften kommen nur
dann in Betracht, wenn sich durch sie ein Mehrwert bzw. geringere Kosten für die
Steuerzahler*innen ergeben.
(133) Unser Steuersystem stellt die Finanzierung öffentlicher Aufgaben sicher. Es braucht
ein gerechtes Steuersystem, das verständlich und effizient ist. Das ist Grundlage für
Akzeptanz und reduziert soziale Ungleichheit.
(134) Ein Steuersystem, das wirtschaftliche Dynamik schaffen will, begünstigt neue
Aktivitäten und Investitionen und besteuert Vermögen sowie leistungslose Einkommen. Das
Aufkommen der Steuern aus Kapitaleinkommen, aus großen Vermögen und Erbschaften muss wieder
erhöht werden. Die Besteuerung von Kapitaleinkommen muss mindestens dem Maß der Besteuerung
der Erwerbstätigkeit entsprechen. Der Vermögensaufbau von einkommensschwachen Gruppen soll
gezielt gefördert werden, unter anderem über Wohnerwerbsförderung oder Mitarbeiter*innen-
Beteiligungsprogramme.
(135) Steuern lenken. Steuersysteme sollen gesellschaftliche Ziele abbilden. Nicht am
Gemeinwohl orientierte und ökologisch schädliche Tätigkeiten und Produkte sollen stärker
besteuert und damit verteuert werden. Im Gegenzug werden der ökologische Umbau und soziales
Engagement begünstigt.
(136) Steuerdumping schadet Volkswirtschaften. Unternehmensgewinne und digitale Umsätze
müssen stärker am Ort des Konsums besteuert und eine gemeinsame europäische
Bemessungsgrundlage muss eingeführt werden.
(137) Alle sollen sich ihrer finanziellen Lage entsprechend am Gemeinwohl beteiligen. Die
Besteuerung soll progressiver werden. Dafür braucht es Transparenz über wirtschaftliche
Verhältnisse und eine Verwaltung, die in der Lage ist, das Recht durchzusetzen.
Steuerhinterziehung und -umgehung, Schwarzarbeit, Geldwäsche und Sozialbetrug sind mit allen
Mitteln zu bekämpfen.
weitere Antragsteller*innen
- Sven Lehmann (KV Köln)
- Tobias Balke (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf)
- Dorothee Schulte-Basta (KV Berlin-Neukölln)
- Karl-Martin Hentschel (KV Plön)
- Susanne Hilbrecht (KV Dithmarschen)
- Ulrich Gundert (KV Reutlingen)
- Thomas Reimeier (KV Lippe)
- Jens Polster (KV Celle)
- Gerrit Alino Prange (KV Potsdam)
- Achim Jooß (KV Ortenau)
- Jan Wienken (KV Vechta)
- Katharina Beck (KV Hamburg-Eimsbüttel)
- Ralf Bohr (KV Bremen-Ost)
- Johannes Mihram (KV Berlin-Mitte)
- Kajo Aicher (KV Bodenseekreis)
- Helge Limburg (KV Nienburg)
- Klemens Griesehop (KV Berlin-Pankow)
- Timm Schulze (KV Bamberg-Stadt)
- Jakob Ache (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Bernd Rohde (KV Stormarn)
- Harald Rech (KV Saarbrücken)
- Marcus Schmitt (KV Main-Taunus)
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(93) Den Weg zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft bereitet ein europäischer Green New Deal. Er schafft den neuen Ordnungsrahmen für faires, ökologisches und nachhaltiges Wirtschaften, indem er auf ein Bündnis aus Arbeit und Umwelt baut. Er investiert mutig in dieeine klimagerechte Zukunft. Er setzt neue Kräfte für Kreativität und Innovationen frei. Er sorgt für sozialen Ausgleichüberwindet die soziale Spaltung in Europa und stärkt Geschlechtergerechtigkeit.schafft eine geschlechtergerechte Gesellschaft
Kapitel 2: In die Zukunft wirtschaften
Sozial-Ökologische Marktwirtschaft
(90) Die Wirtschaft dient den Menschen und dem Gemeinwohl, nicht andersherum. Wohlstand im
Sinne von Klimaneutralität, Nachhaltigkeit, Vorsorge und Gerechtigkeit ist Kern eines
zukunftsfähigen Wirtschaftssystems. Ziel ist ein Wirtschafts- und Finanzsystem, das die
planetaren Grenzen einhält. Dafür braucht es den Wandel hin zu einer sozial-ökologischen
Marktwirtschaft, die Wachstum, Effizienz, fairen Wettbewerb und Innovation als Mittel zur
Erreichung von mehr Lebensqualität für alle Menschen nutzt, weltweit und für zukünftige
Generationen.
(91) Viele der strukturellen Anreize zum Produzieren, Handeln und Konsumieren stellen uns
vor ökologische Probleme dramatischen Ausmaßes und befeuern sozial-ökonomische
Verteilungskrisen. Wirtschaftswachstum ist nicht per se das Problem, der damit einhergehende
Verbrauch natürlicher Ressourcen schon. Wachstum in bestimmten Bereichen wird auch in
Zukunft wichtig sein, um die Lebensbedingungen der Menschheit zu verbessern. Es geht dabei
um ein qualitatives Wachstum, das neben ökonomischen Kriterien auch soziale und ökologische
berücksichtigt.
(92) Wohlstand definiert sich nicht allein durch materiellen Reichtum, sondern meint
Lebensqualität. Es geht auch um Sicherheit, Freiheit, Zeitsouveränität, gesunde
Lebensgrundlagen, Gleichberechtigung, kulturelle Teilhabe und ein friedliches Zusammenleben.
Dafür sind ein neuer Wohlstandsbegriff und ein anderes Wirtschaften nötig. Mit einem
umfassenden Wohlstandsindikator können ökologische, soziale und qualitative Merkmale erfasst
werden. Wasser, Luft, Boden und Artenvielfalt sind globale Gemeingüter, die abseits einer
reinen Verwertungslogik allen Menschen zugutekommen.
(93) Den Weg zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft bereitet ein europäischer Green New Deal.
Er schafft den neuen Ordnungsrahmen für faires, ökologisches und nachhaltiges Wirtschaften,
indem er auf ein Bündnis aus Arbeit und Umwelt baut. Er investiert mutig in dieeine klimagerechte Zukunft. Er
setzt neue Kräfte für Kreativität und Innovationen frei. Er sorgt für sozialen Ausgleichüberwindet die soziale Spaltung in Europa und stärkt Geschlechtergerechtigkeit.schafft eine geschlechtergerechte Gesellschaft
(94) Freies und kreatives Handeln von Menschen sowie die Dynamik eines fairen Wettbewerbs
und gesellschaftlicher Kooperation können nachhaltigen Wohlstand, Fortschritt und innovative
Problemlösungen schaffen.
(95) Märkte können ein mächtiges Instrument für ökonomische Effizienz, Innovation und
technologischen Fortschritt sein. Ihre Dynamik und Schaffenskraft sind unverzichtbar, um die
großen Herausforderungen der ökologischen Krisen zu bewältigen. Unregulierte Märkte aber
sind zukunftsblind, krisenanfällig und instabil. Erst klare Regeln stellen sicher, dass
Märkte und Wettbewerb funktionieren und im gesellschaftlichen Interesse wirken. Es ist
Aufgabe des Staates, für Information, Transparenz und Wahlfreiheit zu sorgen und die
Durchsetzung von Verbraucher*innen-Rechten sicherzustellen.
(96) Der Markt ist nicht das alleinige Organisationsprinzip für das Wirtschaften in einer
Gesellschaft. Ein Großteil menschlicher Wirtschaftsbeziehungen erfolgt jenseits von Märkten
über den Staat, in Haushalten oder gemeinschaftlich organisierten Bereichen. Wir wollen den
Weg ebnen für soziales und ökologisches Unternehmer*innentum, für eine Wirtschaft des
Teilens sowie für frei zugängliches Wissen und frei zugängliche Gemeingüter. So wird die
sozial-ökologische Wirtschaft im Sinne des Gemeinwohls gestärkt.
(97) Es gilt das Primat der Politik, auch gegenüber Wirtschaft und Kapital. Wir wollen es
neu begründen und durchsetzen. Dafür braucht es einen starken, effizienten und
handlungsfähigen Staat und klare Leitplanken aus Steuer-, Abgaben- und Ordnungsrecht sowie
intelligenter öffentlicher Forschungs- und Förderpolitik. Im Wettbewerb soll erfolgreich
sein, wer übergeordnete gesellschaftliche Ziele nicht konterkariert, sondern befördert.
(98) Nur wenn Preise die ökologische und soziale Wahrheit sagen, geht der Wettbewerb der
Märkte nicht zulasten von Mensch und Umwelt. Klimafreundliche und soziale Alternativen
können sich dann durchsetzen.
(99) Zukunftsfähige Wirtschaftspolitik orientiert sich an einem neuen Wohlstandsmaß und
einer neuen Form der Wirtschaftsberichterstattung. Diese berücksichtigen neben ökonomischen
auch ökologische, soziale und gesellschaftliche Entwicklungen sowie Sorgearbeit, die zum
größten Teil von Frauen – unbezahlt – geleistet wird.
(100) Zukunftsfähiges Wirtschaften braucht Planungssicherheit. Staatliche Wirtschafts-,
Investitions- und Infrastrukturpolitik muss langfristig und verlässlich stattfinden. Um
erfolgreich zu wirtschaften, brauchen Unternehmen eine moderne und intakte Infrastruktur,
gut ausgebildete Fachkräfte, gute Finanzierungsbedingungen, eine funktionierende öffentliche
Verwaltung sowie soziale Stabilität und Rechtssicherheit. Dazu zählen auch schnellere
Planungsverfahren durch frühzeitige Verfahrensbeteiligung sowie Behörden und Gerichte mit
ausreichendem Personal und einer vollständig elektronischen Abwicklung von Anträgen.
(101) Infrastrukturen sind eine öffentliche Aufgabe. Öffentliche Güter und Institutionen
müssen für alle zugänglich sein. Grundinfrastrukturen der Sicherheit, des Rechts, der
Mobilität und der Verwaltung gehören in öffentliche Hand. Güter und Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse, die kommunale Daseinsvorsorge und die kommunale Selbstverwaltung
müssen in öffentliche Hand und von Marktmechanismen und Wettbewerb ausgenommen bleiben.
Wirtschafts- und Industriepolitik
(102) Wettbewerb unter gleichen Bedingungen ist die Voraussetzung dafür, dass Märkte
effizient funktionieren und Wohlstand und Fortschritt hervorbringen können. Es ist Aufgabe
von Politik, Machtstellungen und Monopole zu verhindern und aufzubrechen sowie jene Bereiche
einer Gesellschaft zu definieren und auszugestalten, die nicht durch Märkte dominiert werden
sollen.
(103) Dumping, Protektionismus und mangelnde Regulierung führen zu unfairem Wettbewerb.
Darunter leiden viele europäische Unternehmen. Der Erwerb von Unternehmensbeteiligungen,
Direktinvestitionen, Marktzutritte und auch die Vergabe öffentlicher Aufträge durch und an
Dritte sollen auf der Basis von Standards und Gegenseitigkeit erfolgen. Außereuropäische
Übernahmen müssen dann, wenn nötig, auch untersagt werden. Kritische Infrastruktur und
Schlüsselindustrien gilt es zu schützen.
(104) Regulierung ist kein Selbstzweck. Sie muss sich an gesellschaftlichen Zielen
orientieren. Sie sollte Individuen und Unternehmen möglichst viel Freiheit in Bezug auf die
gewählten Mittel lassen. Es ist laufend zu überprüfen, ob es bestimmter Vorschriften noch
bedarf und sie ihren Schutzzweck weiterhin erfüllen. Dabei ist zu beachten, dass sowohl
ungeeignete politische Regeln als auch fehlende politische Regulierung Wettbewerb
einschränken und Marktmacht zementieren können. Regulierungen müssen so ausgestaltet sein,
dass sie nicht als Barriere für Gründungen wirken und zum Wettbewerbsnachteil für kleine
Unternehmen und das Handwerk werden. Sie sollen stattdessen bewirken, dass Machtunterschiede
möglichst ausgeglichen werden.
(105) Digitale Plattformen sind Teil der Infrastruktur. Das Teilen, Tauschen und Vermitteln
von Gütern, Dienstleistungen und Informationen auf digitalen Plattformen kann die Teilhabe
der Menschen stärken. Diese Plattformen sollen klar und streng reguliert werden, damit sie
ihre Machtstellung nicht ausnutzen können, damit faire Wettbewerbs- und Arbeitsbedingungen
herrschen sowie Innovation im Sinne des Gemeinwohls stattfindet. In Europa braucht es
öffentlich-rechtliche Alternativen zu den bisherigen privaten Monopolen.
(106) Wirtschaftspolitisch muss der Staat mehr tun, als nur einen Rahmen zu setzen.
Deutschland kann nur in der ökologischen Moderne seine internationale Position als globaler
Industriestandort wahren, mit neuen Wertschöpfungsketten, neuen Produkten, guten
Arbeitsplätzen und zukunftsfähigen Geschäftsmodellen. Dazu braucht es eine aktive
Industriepolitik, die neuen Technologien zum Durchbruch verhilft, gerade da, wo der Markt
das Risiko scheut. Sie muss außerdem Wettbewerbsnachteile ausgleichen, in Forschung und
Digitalisierung investieren und Arbeitsplätze sichern.
(107) Unternehmer*innen dürfen nicht gezwungen werden, sich zwischen einem wirtschaftlich
erfolgreichen Weg oder einer sozialen und ökologischen Ausrichtung des Unternehmens zu
entscheiden. Wirtschaftliche Aktivität muss sich an langfristigen Zielen und
gesamtgesellschaftlichem Wohlstand ausrichten. Die Finanzberichterstattung soll mit
Langfristzielen ergänzt werden sowie mit Indikatoren, welche die sozialen, ökologischen und
gesellschaftlichen Auswirkungen messen.
(108) Schlüsselprojekt einer sozial-ökologischen Industriepolitik ist die vollständige
Dekarbonisierung der Produktionsprozesse in Europa. Automobil- und Chemieindustrie sowie der
Maschinenbau waren die Säulen des Erfolges der deutschen Wirtschaft in den vergangenen
Jahrzehnten, aber diese Branchen müssen sich neu erfinden, um den Herausforderungen des 21.
Jahrhunderts gerecht zu werden. Dabei kann die deutsche Industrie auf das bauen, was sie –
ganz besonders den Mittelstand – stark gemacht hat: ihre Ingenieurskunst, ihre Kreativität,
die Sozialpartnerschaft mit den Gewerkschaften sowie ihre europäische und globale
Orientierung.
(109) Das Handwerk ist einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren in Deutschland. In seiner
Vielfalt ist das Handwerk Voraussetzung für die Stadt der kurzen Wege, für attraktive
Regionen und für die sozial-ökologische Transformation. Das Handwerk muss durch faire
Wettbewerbsbedingungen dabei unterstützt werden, seine Traditionen in die Zukunft zu
übertragen und seine wichtige Rolle bei der Ausbildung von Fachkräften zu stärken und in
strukturschwachen Regionen zu erhalten.
(110) Entscheidend für eine Dekarbonisierung von Produktion und Konsum ist ihre Einbettung
in eine Kreislaufwirtschaft. Produktion und Konsum finden dabei so weit wie möglich in
vollständigen Kreisläufen statt, so dass weniger natürliche Ressourcen verwendet werden
müssen. Zentral dabei ist ein umfassendes Gebot für ressourcensparendes und
kreislauftaugliches Produktdesign. So wird die Zahl der neu produzierten Waren und Güter
minimiert, Produkte werden langlebiger und können repariert oder wiederaufbereitet werden.
(111) Als einer der größten Wirtschaftsräume der Welt kann die Europäische Union mit dem
gemeinsamen Binnenmarkt weltweit Standards setzen. Das gilt es zu nutzen, um die
Transformation voranzubringen, Menschenrechte zu schützen, wettbewerbsfähig zu bleiben,
Innovationen und Wertschöpfung zu fördern, sich weniger abhängig von anderen globalen
Playern zu machen und zugleich in der noch weitestgehend unregulierten digitalen Welt
Bürger*innen-Rechte zu sichern.
(112) Die Grundstoffindustrie wird auch künftig ein zentraler Baustein bleiben. In einem
gemeinsamen Zusammenspiel von ökologischer und technologischer Innovation, Digitalisierung,
branchenübergreifender Kooperation und planungssicherer politischer Rahmensetzung sind die
Grundlagen dafür zu legen, dass Stahl, Aluminium, Glas, Papier oder Chemikalien weiter in
Europa produziert werden. Die dafür nötigen Transformationsschritte müssen
wettbewerbsrechtlich ausgeglichen werden.
(113) Statt einer Abhängigkeit Europas im Bereich technischer Entwicklungen und Erfindungen
brauchen wir ausreichend eigene Produktionskapazitäten für systemrelevante Produkte wie
medizinische Präparate oder Techniken der kritischen Infrastruktur. Die Regionalisierung in
kritischen Bereichen und eine globale Kooperation gehören zusammen. Der Markt allein kann
das nicht richten.
(114) Das freie Unternehmer*innentum, die Gründer*innen in Start-ups sind die Treiber*innen
für Innovation. Grundlage für Neugründungen und Fortschritt sind Wagniskapital und
Investitionen in Forschung. Wirtschaftspolitik begünstigt, fördert und vernetzt neue Ideen
und kleine Unternehmen sowie Start-ups und Ausgründungen aus Universitäten europaweit. Sie
unterstützt bei der Finanzierung, beim Transfer von Grundlagenforschung in die Praxis und
sorgt für attraktive Rahmenbedingungen, um die besten Forscher*innen, Gründer*innen und
Fachkräfte anzuziehen.
Eigentum und Gemeinwohl
(115) Ohne Recht auf Eigentum sind eine freiheitliche Gesellschaft und eine sozial-
ökologische Marktwirtschaft unvorstellbar. Gleichzeitig verpflichtet es gesellschaftlich,
weil eine zu starke Konzentration von Eigentum in den Händen Weniger Demokratie und
Marktwirtschaft bedroht.
(116) Grund und Boden unterliegen einer besonderen Sozialbindung, weil sie unvermehrbar und
unverzichtbar sind. Deshalb müssen Renditen in diesem Bereich begrenzt sein sowie Grund und
Boden verstärkt in öffentliches Eigentum überführt werden. Es gilt zusätzlich, die
Flächeninanspruchnahme zu begrenzen. Der Staat muss für vielfältige Besitzstrukturen sorgen
und sie stärken.
(117) Es braucht neue Formen von gemeinwohlorientiertem Eigentum und eine stärkere
Gemeinwohlbindung. Genossenschaften und soziale Unternehmen leisten einen wichtigen Beitrag
hin zu einer gemeinwohlorientierten Wirtschaft.
(118) Die Weitergabe von bestehendem Wissen ist über Open Source praktisch ohne Kosten
möglich. Der Zugang zu Wissen für alle Menschen erhöht Wohlstand und Gerechtigkeit.
Geistiges Eigentum soll daher auf das Maß begrenzt werden, das erforderlich ist, um
ökonomische Anreize zur Wissensgenerierung zu erhalten. So viel Wissen wie möglich soll
Menschheitswissen werden.
Finanzmärkte und Banken
(119) Finanzmärkte und Banken haben die Aufgabe, realwirtschaftliche Investitionen zu
finanzieren und Sparer*innen attraktive Anlagemöglichkeiten zu bieten. Durch die
Deregulierung der Märkte geriet jedoch die Spekulation mit unproduktiven Finanzprodukten zum
Hauptzweck. Spekulationen müssen eingedämmt werden und wir müssen zurück zum sogenannten
„boring banking“, bei dem die langfristige Finanzierung im Vordergrund steht und nicht die
kurzfristige Spekulation. Dafür muss das Einlagen- und Kreditgeschäft vom riskanten
Investmentbanking abgetrennt werden (Trennbankensystem). Es braucht einen Finanzmarkt, der
sich an der Finanzierung des Gemeinwohls beteiligt, statt ihm zu schaden.
(120) Gute Banken sind Grundpfeiler moderner Volkswirtschaften. Werden sie zu groß, werden
sie zur Gefahr. Deshalb sollte keine Bank so groß sein, dass sie eine ganze Volkswirtschaft
in den Abgrund reißen kann. Eine Abwicklung muss ohne Rückgriff auf Steuermittel jederzeit
möglich sein. Außerdem brauchen Banken eine gute Eigenkapitalausstattung und wirksame
Haftungsregeln.
(121) Deutschlands bestehendes Drei-Säulen-Bankwesen mit seinen vielen kleinen, lokalen
Banken hat sich bewährt. Der Finanzmarkt braucht eine effektive Aufsicht sowie einfache,
glasklare Regeln ohne Lücken, die für alle gelten – egal ob Banken, Hedgefonds oder
FinTechs. Kleine Banken, von denen keine Gefahr für das Finanzsystem ausgeht, müssen nicht
so umfassend reguliert und beaufsichtigt werden wie Großbanken.
(122) Finanzmärkte haben eine wichtige Funktion für den Klimaschutz, wenn Anlagegelder in
den ökologischen Umbau gelenkt werden und nicht mehr in die alte, von fossilen Energien
getragene Wirtschaft fließen. Die öffentliche Hand muss vorangehen und sich vollständig aus
Investitionen Unternehmen zurückziehen, die auf fossile Energien bauen. Für Anleger*innen
muss zu jeder Zeit transparent sein, welche ökologischen und sozialen Folgen mit ihren
Investitionen oder Einlagen verbunden sind. Es gilt, die Klima- und Nachhaltigkeitsrisiken
im Finanzsektor offenzulegen und einzupreisen. Das macht die Finanzierung von Investitionen
in Klimaschutz und Nachhaltigkeit günstiger als die Bereitstellung von Kapital für andere
Zwecke.
Geld- und Fiskalpolitik
(123) Aufgabe der Geldpolitik von Zentralbanken sowie der Fiskalpolitik ist es, ökonomischen
Krisen entgegenzuwirken. Denn sie vernichten Arbeitsplätze und Existenzen und können
Gesellschaften ins Chaos stürzen.
(124) Die Zentralbanken allein stoßen an Grenzen, wenn es um die Stabilisierung der
Wirtschaft in Krisenzeiten geht. Insbesondere die Haushaltspolitik muss einen Beitrag
leisten, das Auf und Ab der Konjunktur auszugleichen und tiefe wirtschaftliche Krisen zu
verhindern. Deshalb gilt es, stets die Auswirkung von Staatsausgaben auf die
Gesamtwirtschaft zu berücksichtigen. Es ist sinnvoll, sowohl auf nationaler als auch auf
europäischer Ebene die Spielräume zur Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben zu nutzen und
auszubauen, um Wirtschaftskrisen und deren soziale Folgen zu vermeiden. Langfristige
Schuldentragfähigkeit ist dabei stets zu gewährleisten und gerade mit Blick auf die
Handlungsspielräume künftiger Generationen gesetzlich zu verankern.
(125) Unsere gemeinsame europäische Währung trägt zu einem starken gemeinsamen Europa bei.
Die Währungsunion ist allerdings ein unvollendetes Projekt geblieben. So verschärfen sich
wirtschaftliche Unterschiede und Ungleichgewichte bei Wettbewerbsfähigkeit und Handel, ohne
dass es dagegen europäische Instrumente gibt. Daher gilt es, die europäische Währungsunion
zu vollenden und die dafür notwendigen Vertragsveränderungen auf den Weg zu bringen.
(126) Die Zentralbanken sollten eigene Standards für digitale Währungen schaffen. Private
Währungen sollen im Euro-Raum nicht zugelassen werden. Digitale Zahlungen, Kryptowährungen
und die Personen hinter den Accounts müssen nachvollziehbar sein. Zur Bekämpfung von
Verbrechen wie Geldwäsche, die Darstellung sexualisierter Gewalt gegen Kinder,
Steuerhinterziehung und Terror-Finanzierung braucht es eine staatliche Infrastruktur.
(127) Die EU braucht eine eigene Zuständigkeit für die Wirtschafts- und Fiskalpolitik. Sie
braucht einen Haushalt, der groß genug ist, um makroökonomisch zu stabilisieren und in
schweren Krisen Zuschüsse für die nationalen Haushalte leisten zu können. Dieser Haushalt
muss über eigene Steuereinnahmen verfügen. Um langfristige Investitionen zu finanzieren und
schwere Konjunktureinbrüche abzuwehren und zu bekämpfen, muss sich dieser Haushalt auch über
Kredite finanzieren können. Um den Euro zu stärken, müssen Staatsanleihen der Europäischen
Union und ihrer Mitgliedstaaten eine absolut sichere Geldanlage darstellen. Ein
Zahlungsausfall muss in jedem Fall ausgeschlossen sein.
(128) Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank ist ein hohes Gut. Sie gilt es zu
bewahren. Krisen haben jedoch gezeigt, dass eine alleinige Ausrichtung auf das Ziel der
Preisniveaustabilität ein zu enges Mandat für die Geldpolitik ist. Daher sollte die EZB, wie
andere Zentralbanken auch, gleichberechtigt das Ziel der Wohlstandsmehrung und eines hohen
Beschäftigungsstands verfolgen. Solange die Unabhängigkeit der Zentralbank gesichert ist,
sollte es zulässig sein, dass die Notenbank in schweren Krisen die Liquidität der Staaten
garantiert.
(129) Auf europäischer Ebene ist eine stärkere Harmonisierung und Vergemeinschaftung von
wettbewerbssensiblen Steuern notwendig, wie etwa der Besteuerung von Unternehmensgewinnen.
Lohn- und Tarifpolitik sollten schrittweise stärker aufeinander abgestimmt werden. Im Fall
von hohen und dauerhaften Handelsungleichgewichten innerhalb der Währungsunion müssen die
Empfehlungen der Europäischen Kommission eine stärkere Verbindlichkeit haben, etwa den
Defizit- wie auch den Überschussländern symmetrische Verpflichtungen zum Abbau aufzuerlegen.
Haushalts- und Steuerpolitik
(130) Haushaltsmittel gehören allen Bürger*innen. Mit ihnen ist stets sorgsam umzugehen und
es ist zu überprüfen, ob die angestrebten gesellschaftlichen Ziele auf effizientem Weg
erreicht werden. Die öffentlichen Haushalte sollten in einer Demokratie klar, transparent
und nachvollziehbar sein. Gender Budgeting ist für einen gerechten Haushalt unerlässlich.
(131) Wir stehen zu langfristig nachhaltigen Staatsfinanzen und zu gesetzlichen Regeln für
die Begrenzung der Kreditaufnahme. Dabei gilt es, nicht nur die Verbindlichkeiten zu
betrachten, sondern auch das Vermögen der öffentlichen Hand zu erhalten und auszubauen.
Investitionen in Infrastruktur und Nachhaltigkeit sichern die Handlungsspielräume künftiger
Generationen. In diesem Sinne ist der Anteil der öffentlichen Investitionen an der
Wirtschaftsleistung auszubauen. Für den Ausbau des öffentlichen Vermögens und die
langfristige Sicherung unseres Wohlstands kann eine Kreditfinanzierung sinnvoll und
pragmatisch geboten sein, insbesondere wenn sie eine gute Rendite verspricht.
(132) Infrastruktur ist öffentliche Aufgabe. Öffentlich-Private Partnerschaften kommen nur
dann in Betracht, wenn sich durch sie ein Mehrwert bzw. geringere Kosten für die
Steuerzahler*innen ergeben.
(133) Unser Steuersystem stellt die Finanzierung öffentlicher Aufgaben sicher. Es braucht
ein gerechtes Steuersystem, das verständlich und effizient ist. Das ist Grundlage für
Akzeptanz und reduziert soziale Ungleichheit.
(134) Ein Steuersystem, das wirtschaftliche Dynamik schaffen will, begünstigt neue
Aktivitäten und Investitionen und besteuert Vermögen sowie leistungslose Einkommen. Das
Aufkommen der Steuern aus Kapitaleinkommen, aus großen Vermögen und Erbschaften muss wieder
erhöht werden. Die Besteuerung von Kapitaleinkommen muss mindestens dem Maß der Besteuerung
der Erwerbstätigkeit entsprechen. Der Vermögensaufbau von einkommensschwachen Gruppen soll
gezielt gefördert werden, unter anderem über Wohnerwerbsförderung oder Mitarbeiter*innen-
Beteiligungsprogramme.
(135) Steuern lenken. Steuersysteme sollen gesellschaftliche Ziele abbilden. Nicht am
Gemeinwohl orientierte und ökologisch schädliche Tätigkeiten und Produkte sollen stärker
besteuert und damit verteuert werden. Im Gegenzug werden der ökologische Umbau und soziales
Engagement begünstigt.
(136) Steuerdumping schadet Volkswirtschaften. Unternehmensgewinne und digitale Umsätze
müssen stärker am Ort des Konsums besteuert und eine gemeinsame europäische
Bemessungsgrundlage muss eingeführt werden.
(137) Alle sollen sich ihrer finanziellen Lage entsprechend am Gemeinwohl beteiligen. Die
Besteuerung soll progressiver werden. Dafür braucht es Transparenz über wirtschaftliche
Verhältnisse und eine Verwaltung, die in der Lage ist, das Recht durchzusetzen.
Steuerhinterziehung und -umgehung, Schwarzarbeit, Geldwäsche und Sozialbetrug sind mit allen
Mitteln zu bekämpfen.
weitere Antragsteller*innen
- Sven Lehmann (KV Köln)
- Tobias Balke (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf)
- Dorothee Schulte-Basta (KV Berlin-Neukölln)
- Karl-Martin Hentschel (KV Plön)
- Susanne Hilbrecht (KV Dithmarschen)
- Ulrich Gundert (KV Reutlingen)
- Thomas Reimeier (KV Lippe)
- Jens Polster (KV Celle)
- Gerrit Alino Prange (KV Potsdam)
- Achim Jooß (KV Ortenau)
- Jan Wienken (KV Vechta)
- Katharina Beck (KV Hamburg-Eimsbüttel)
- Ralf Bohr (KV Bremen-Ost)
- Johannes Mihram (KV Berlin-Mitte)
- Kajo Aicher (KV Bodenseekreis)
- Helge Limburg (KV Nienburg)
- Klemens Griesehop (KV Berlin-Pankow)
- Timm Schulze (KV Bamberg-Stadt)
- Jakob Ache (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Bernd Rohde (KV Stormarn)
- Harald Rech (KV Saarbrücken)
- Marcus Schmitt (KV Main-Taunus)
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