Antrag Kapitel: | Kapitel 1: Lebensgrundlagen schützen |
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Antragsteller*in: | André Tront (KV Göttingen) und 19 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 40%) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Erledigt durch: PB.I-01-083 |
Eingereicht: | 18.04.2021, 20:00 |
PB.L-01-654: Kapitel 1: Lebensgrundlagen schützen
Verfahrensvorschlag zu PB.I-01-083: Antragstext
Von Zeile 87 bis 97 (PB.I-01: Kapitel 6: International zusammenarbeiten):
die sich weltweit stark auf Klima, Artenschutz und globale Gerechtigkeit auswirken. Wir wollen alle Politikbereiche in Deutschland auf die Transformation ausrichten und für ein strategisches und kohärentes Handeln in allen Ressorts und Politikbereichen einen Nationalen Rat für Frieden, Nachhaltigkeit und Menschenrechte einrichten sowie einen Nachhaltigkeits- und Menschenrechts-TÜV einführen., mit dem relevante Gesetzesentwürfe auf Vereinbarkeit mit den UN Nachhaltigkeits- Es gilt unsere internationalen Zusagen einzuhalten und die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen der ODA-QuoteKlimazielen sowie der internationalen Klimafinanzierung und Biodiversität zu erfüllenMenschenrechtsabkommen überprüft werden. Auch international wollen wir neuen Schwung in die sozial-ökologische Transformation bringen, indem wir auf eine verbindliche Transformationsquote hinwirken und insbesondere die Länder des globalen Südens in diesem Prozess unterstützen. Wir bündeln die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit, internationale Klimafinanzierung und Teile der humanitären Hilfe, um eine globale Transformation entlang den Nachhaltigkeitszielender Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und dender Pariser Klimazielen zu finanzieren. Dabei halten wir unsere internationalen Zusagen für Entwicklungszusammenarbeit, Klimafinanzierung und Biodiversität ein. Deutschlands Beitrag solldazu ist, die ODA-Quote erfüllen undvon 0,7% des Bruttonationaleinkommens bis 2025 8zu erreichen und weitere 10 Milliarden Euro zur internationalen Klimafinanzierung bereitzustellen.
Die großen Herausforderungen unserer Zeit sind global: Pandemien, die Klimakrise, Hunger,
Migration und die sozial-ökologische Transformation als besondere Aufgabe. Wir können sie
nur gemeinsam meistern. Jahrelang hat Deutschland in Europa und der Welt aber allenfalls
moderiert, oft gezögert, ist abgetaucht. Es ist Zeit, wieder eine aktive Außenpolitik zu
betreiben und als gestaltende Kraft voranzugehen im Sinne einer multilateralen und
vorsorgenden, einer kohärenten und wertegeleiteten Politik – stets europäisch und entlang
einer verlässlichen deutsch-französischen Zusammenarbeit, transatlantisch und im Rahmen der
Vereinten Nationen.
Gestützt auf die Agenda der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, das Pariser
Klimaabkommen und die rechtebasierte internationale Ordnung setzen wir uns für eine globale
Strukturpolitik ein, die den Schutz öffentlicher Güter, eine gerechte Ressourcenverteilung
sowie Entwicklungschancen für alle als beste Vorsorge gegen Konflikte, Gewalt oder das
unermessliche Leid von Flucht und Vertreibung begreift.
Ausgangspunkt unserer Politik ist eine gestärkte und handlungsfähige Europäische Union. Die
Werte, auf denen sie gründet, wollen wir nach innen verteidigen und nach außen beherzt
vertreten: Menschenrechte, Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Die EU als
Friedensmacht ist nicht nur Antwort auf eine lange und schmerzvolle Geschichte von Kriegen
und Feindseligkeiten auf unserem Kontinent, exportiert in die ganze Welt, sondern vor allem
ein Zukunftsversprechen, das es einzulösen gilt. Sie ist unser schützenswertes und
einmaliges Zuhause. Gerade weil wir überzeugte Europäer*innen sind, streiten wir für ihre
stetige Fortentwicklung. Wir arbeiten für eine europäische Wertegemeinschaft, die ihre
Abhängigkeit von Dritten in kritischen Bereichen ab- und ihre strategische Souveränität
ausbaut – in einem Gleichgewicht von Kooperation, wo möglich, und Eigenständigkeit, wo
nötig. Nur eine handlungsfähige und krisenfeste EU ist in der Lage, kritische Infrastruktur
und öffentliche Güter zu schützen, global für das Völkerrecht und die universalen
Menschenrechte einzustehen. Mit dem größten Binnenmarkt der Welt hat die EU wirtschaftlich
erheblichen Einfluss. Diesen Hebel wollen wir nutzen, um die globale Transformation gerecht
zu gestalten und ambitionierte Standards zu setzen.
Der erheblichen Widerstände und Dilemmata, die das bedeutet, sind wir uns bewusst. Das
autoritäre Hegemonialstreben einer chinesischen Regierung, das Menschen- und
Bürger*innenrechte systematisch aushebelt, zwingt Staaten nicht nur in wirtschaftliche und
politische Abhängigkeit, sondern spaltet auch Europa. Zugleich wird eine globale sozial-
ökologische Transformation ohne China, auch ohne Russland oder Brasilien, nicht möglich
sein. Das allein zeigt: Der Systemwettbewerb mit autoritären Staaten und Diktaturen ist
real, lässt bisweilen nur die Wahl zwischen Regen oder Traufe – und stellt uns vor derart
beachtliche Aufgaben, dass jede Form des Alleingangs zum Scheitern verurteilt wäre.
Wir können die vielen Widersprüche und Grenzen außen-, entwicklungs- und
sicherheitspolitischen Handelns nicht auflösen. Die Verteidigung von Menschenrechten,
Demokratie und das klare Bekenntnis zu Freiheitsbewegungen führen an die Grenzen politischer
Handlungsfähigkeit. Wir können uns aber dieser Verantwortung nicht entziehen. Umso zentraler
ist europäische Kohärenz und sind politische Bündnisse mit allen anderen Staaten, aber
gerade auch Regionen und zivilgesellschaftlichen oder zwischenstaatlichen Akteuren, für die
der Wert von Kooperation und die Stärke des Rechts ebenfalls Grundlage internationaler
Beziehungen sind. Diese Bündnisse wollen wir selbstbewusst mitgestalten. Souverän sind wir
nur gemeinsam.
Wir setzen auf den ehrlichen Interessensausgleich, die Achtung der Rechte marginalisierter
Gruppen, auf Zusammenarbeit und Rechtsstaatlichkeit, auf Konfliktprävention und
regelbasierte Konfliktbearbeitung in einer eng vernetzten Welt. Unser Ziel ist eine
Weltordnung, in der Konflikte nicht über das Recht des Stärkeren, sondern am
Verhandlungstisch gelöst werden. Und wir reichen allen die Hand, die daran teilhaben wollen.
All das tun wir im Wissen um Deutschlands Verantwortung in der Welt und im Bewusstsein um
die Verbrechen des Nationalsozialismus.
Als hochentwickelter und exportorientierter Industriestaat gehört Deutschland zu den
Hauptverursachern globaler Erwärmung und agiert als entscheidender Player einer
Globalisierung, die eben nicht nur Wohlstand und Entwicklung bedeutet, sondern auch zu
Ausbeutung von Mensch und Umwelt führt. Diese Verantwortung verstehen wir als Antrieb für
ambitionierte Veränderung und entschiedenes Handeln mit dem Ziel globaler Gerechtigkeit und
setzen dafür bei uns selbst an.
Das bedeutet auch: Wir fordern die Einhaltung und den Schutz der Menschenrechte nicht nur
von anderen ein, sondern messen uns selbst daran. Menschenrechte sind völkerrechtliche
Pflicht und unverrückbare Grundlage einer wertegeleiteten internationalen Politik. „Alle
Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“: Artikel 1 der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte ist Leitbild unseres Engagements – auch in der europäischen
Flüchtlingspolitik. Sie ist das große Versagen Europas. In keinem anderen Bereich scheitern
die europäischen Regierungen derart an den eigenen Ansprüchen von Moral, Menschenrechten und
internationalem Recht.
Das Versagen ist zugleich global: Nirgends auf der Welt wird Flucht angemessen und nach
klaren, menschenrechtsbasierten Prinzipien begegnet. Diese Regeln aber gibt es, ebenso wie
es immer wieder Momente in unserer Geschichte gab, da nach ihnen gehandelt wurde. Hier
wollen wir anknüpfen und – wenn nicht gesamteuropäisch, dann in einer humanitären Koalition
der Willigen innerhalb und außerhalb der EU – einen Paradigmenwechsel hin zur konsequenten
Vorbeugung gegen Fluchtursachen und zu einem menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten
vorantreiben. Wir setzen auf Rationalität und Handlungswillen, auf Humanität und
Verantwortung – und auf den unerlässlichen Pragmatismus der Nothilfe.
Die Größe und Komplexität der internationalen Herausforderungen, die da vor uns liegen,
sollte Messlatte unseres außenpolitischen Handelns sein. Die globalen Aufgaben sind
erheblich. Wagen wir die entsprechenden Antworten.
Wir treiben die sozial-ökologische Transformation voran
Schubkraft für globale Transformation
Mehr denn je bedrohen Klimaveränderungen und der Verlust von Artenvielfalt menschliche
Sicherheit und Freiheit sowie die nachhaltige Entwicklung – überall auf der Welt. Die Zeit
drängt. Darum braucht es in den nächsten Jahren einen energischen Schub für eine sozial-
ökologische Transformation. Die nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 und des
Klimaabkommens von Paris waren ein Aufbruch. Alle Länder sind seitdem verpflichtet, bei sich
zu Hause anzufangen und ihren Beitrag für die gemeinsame Aufgabe zu leisten – schließlich
sind es unsere Entscheidungen in Wirtschaft und Handel, bei Agrar- oder Rüstungsexporten,
die sich weltweit stark auf Klima, Artenschutz und globale Gerechtigkeit auswirken. Wir
wollen alle Politikbereiche in Deutschland auf die Transformation ausrichten und für ein strategisches und kohärentes Handeln in allen Ressorts und Politikbereichen einen Nationalen Rat für Frieden, Nachhaltigkeit und Menschenrechte einrichten sowie einen
Nachhaltigkeits- und Menschenrechts-TÜV einführen., mit dem relevante Gesetzesentwürfe auf Vereinbarkeit mit den UN Nachhaltigkeits- Es gilt unsere internationalen Zusagen
einzuhalten und die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen der ODA-
QuoteKlimazielen sowie der internationalen Klimafinanzierung und Biodiversität zu erfüllenMenschenrechtsabkommen überprüft werden. Auch
international wollen wir neuen Schwung in die sozial-ökologische Transformation bringen,
indem wir auf eine verbindliche Transformationsquote hinwirken und insbesondere die Länder des globalen Südens in diesem Prozess unterstützen. Wir bündeln die Ausgaben für
Entwicklungszusammenarbeit, internationale Klimafinanzierung und Teile der humanitären
Hilfe, um eine globale Transformation entlang den Nachhaltigkeitszielender Nachhaltigkeitsziele der Vereinten
Nationen und dender Pariser Klimazielen zu finanzieren. Dabei halten wir unsere internationalen Zusagen für Entwicklungszusammenarbeit, Klimafinanzierung und Biodiversität ein. Deutschlands Beitrag solldazu ist, die ODA-Quote
erfüllen undvon 0,7% des Bruttonationaleinkommens bis 2025 8zu erreichen und weitere 10 Milliarden Euro zur internationalen Klimafinanzierung bereitzustellen.
Klimaaußenpolitik
Wir verfolgen eine ambitionierte, nachhaltige und menschenrechtskonforme Klimaaußenpolitik.
Sie ist klimapolitisch notwendig, kann nachhaltige Entwicklung fördern, Ressourcenkonflikten
vorbeugen und Frieden sichern. Klimaaußenpolitik kann zu einer Win-win-Situation für Europa,
seine Nachbarn und die Länder des globalen Sonnengürtels führen. Sie bedeutet zum einen,
dass wir Europäer*innen unseren Bedarf an grüner Energie durch Klimapartnerschaften decken
helfen: grüner Wasserstoff statt Öl- und Gasimporte. Andererseits werden wir so endlich
unserer historischen Verantwortung gerecht, indem wir Elektrifizierung und
Technologietransfers insbesondere in afrikanischen Ländern vorantreiben und den massiven
Ausbau der erneuerbaren Energien in diesen Ländern unterstützen. Nur so können wir es
schaffen, global auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen. Wir stärken die bestehenden Fonds für
Klimaanpassung und Klimaschutz („Adaptation and Mitigation“) und setzen uns dafür ein, dass
es auch einen Fonds zum Ausgleich von Schäden und Verlusten („Loss and Damage“) gibt. Daraus
können zum Beispiel Klimarisikoversicherungen finanziert werden. Entwicklungs- und
Investitionsbanken wie die Weltbank sollten zu Transformationsbanken umgebaut werden.
Klima- und Umweltschutz schützt Menschenrechte
Der Schutz der Menschenrechte verpflichtet zum Klima- und Umweltschutz, umgekehrt schützt
Klima- und Umweltschutz Menschenrechte. Wir treten für verbindliche Mechanismen zum Schutz
von Menschen ein, die aufgrund von Extremwetterereignissen oder schleichender
Umweltveränderung ihre Heimat verlassen müssen. Regionale Ansätze, die den Betroffenen eine
selbstbestimmte und würdevolle Migration ermöglichen, unterstützen wir. Zugleich wollen wir
jene Staaten in die Pflicht nehmen, die historisch am meisten zur Erderwärmung beigetragen
haben. Die „Task Force on Displacement“ wollen wir strukturell stärken und setzen uns dafür
ein, dass ihre Empfehlungen ebenso umgesetzt werden wie der Globale Pakt für eine sichere,
geordnete und reguläre Migration sowie der Globale Pakt für Flüchtlinge. Initiativen zur
Stärkung des Rechtswegs und das Instrument der Klimaklagen unterstützen wir. Die
französische Initiative, das Umweltvölkerrecht zu kodifizieren und zu konsolidieren, greifen
wir auf und machen uns dafür stark, in einem ersten Schritt das Recht auf saubere Umwelt in
einer Resolution der VN-Generalversammlung zu verbriefen.
Armut weltweit bekämpfen
Durch die Corona-Pandemie ist die Armut weltweit dramatisch angestiegen. Armutsbekämpfung
ist zentrales Ziel unseres internationalen Engagements. Darum setzen wir uns dafür ein, dass
Menschen weltweit sozial abgesichert werden und wollen – gemeinsam mit lokalen
Organisationen und Expert*innen – zum Aufbau und einer nachhaltigen Stärkung von sozialen
Sicherungssystemen beitragen. In einem ersten Schritt können Menschen in besonders von Armut
betroffenen Regionen durch finanzielle Direkthilfen („social cash transfers“) im Rahmen der
ODA-Mittel abgesichert werden. Grundsätzlich wollen wir, dass soziale Sicherungsprogramme
die vulnerabelsten Gruppen erreichen – und Geschlechtergerechtigkeit und sozialen
Zusammenhalt fördern.
Wir stärken die multilaterale Zusammenarbeit
Vereinte Nationen reformieren
Ohne die Vereinten Nationen ist die multilaterale Zusammenarbeit an der sozial-ökologischen
Transformation nicht zu meistern. Ihre Institutionen versorgen überall auf der Welt
Millionen von Geflüchteten, stellen Bildung, Nahrung und Gesundheit zur Verfügung. Sie
vermitteln in unzähligen Kriegen und Konflikten und sind der Rahmen, in dem die beiden
wichtigsten multilateralen Abkommen der vergangenen Jahre ausgehandelt worden sind: die
2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung und das Pariser Klimaschutzabkommen. Das Engagement
Deutschlands und der EU für die Vereinten Nationen werden wir finanziell, personell und
diplomatisch substanziell verstärken, besser koordinieren und internationale Vereinbarungen
konsequent in nationale und europäische Politik umsetzen. So schaffen wir die
Voraussetzungen für notwendige Reformen des VN-Systems. Der Sicherheitsrat und andere Organe
der Vereinten Nationen sollten an die Realitäten des 21. Jahrhunderts angepasst werden.
Dabei geht es um eine gerechtere Repräsentation der Regionen im Sicherheitsrat. Das Konzept
der Vetomächte ist nicht mehr zeitgemäß. Wir zielen darauf, dass das Vetorecht langfristig
abgeschafft wird. Als Zwischenschritt sollte im Falle von schwersten Verbrechen gegen die
Menschlichkeit ein Veto im Sicherheitsrat mit einer Begründung und einem Alternativvorschlag
versehen werden. Wenn der Sicherheitsrat im Falle von schwersten Menschenrechtsverletzungen
anhaltend blockiert ist, soll die Generalversammlung an seiner Stelle über
friedenserzwingende Maßnahmen mit qualifizierter Mehrheit beschließen.
Resilienz gegen Epidemien erhöhen – WHO stärken
Zum Schutz vor neuen und zur Bekämpfung der alten Krankheiten setzen wir auf verstärkte
internationale Zusammenarbeit und Solidarität unter dem Dach der zu reformierenden
Weltgesundheitsorganisation als Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Wir wollen die
WHO in ihrer Ausstattung mit deutlich höheren Beiträgen und einem klaren Mandat als
koordinierende Organisation der globalen Gesundheit stärken. In der Gruppe der G20 werden
wir uns dafür einsetzen, ihr einen formellen Sitz einzuräumen. Medikamente und Impfstoffe
müssen in allen Ländern erschwinglich und zugänglich sein, das Patentrecht muss entsprechend
flexibel sein. Monopole auf geistiges Eigentum zur Bekämpfung von Krankheiten dürfen den
Zugang zu überlebenswichtigen Schutzmaterialien, Impfstoffen und Arzneimitteln nicht
versperren.
50 Prozent Frauen in internationalen Verhandlungen
Wir wollen dem Multilateralismus neue Impulse für mehr Zusammenarbeit geben. Transformation
gelingt nur mit Kooperation, und die gelingt nur durch Einbeziehung der betroffenen
gesellschaftlichen Gruppen. Nach wie vor ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen der
stärkste Indikator dafür. Wir wollen schrittweise für Deutschland und Europa eine 50-
Prozent-Quote in allen diplomatischen und multilateralen Verhandlungen, für die Entsendung
in internationale Organisationen sowie auf den Umsetzungsebenen durchsetzen. Um das zu
ermöglichen, ist eine 50-Prozent-Quote für Frauen im Auswahlverfahren für das Personal in
internationalen Einsätzen, in den international arbeitenden Ministerien sowie im gehobenen
und höheren Europäischen Auswärtigen Dienst notwendig. Es braucht vergleichbare Kriterien,
Standards, Indikatoren und Zeitrahmen für die Gleichstellungspläne der Ministerien,
vergleichbar mit dem „Gender Equality Plan“ nach dem Vorbild der schwedischen Regierung.
Wir arbeiten an guten Beziehungen in einer multipolaren
Welt
Für eine aktive europäische Nachbarschaftspolitik
Die EU muss vor allem in ihrer direkten Nachbarschaft mehr Verantwortung übernehmen. Die EU-
Erweiterungspolitik ist dabei eine Erfolgsgeschichte, die wir fortschreiben wollen. Deshalb
treten wir für konkrete Fortschritte bei der europäischen Integration des westlichen Balkans
und eine Aufnahme der Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien auf Grundlage der
Kopenhagener Kriterien ein. In Osteuropa streiten viele mutige Menschen in Ländern wie
Armenien, Georgien, der Ukraine oder Belarus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte. Wir unterstützen die demokratische Zivilgesellschaft und unabhängige Medien
in den östlichen Nachbarländern, wollen mehr Austausch zwischen Ost und West ermöglichen und
über die Östliche Partnerschaft der EU Justizreformen vorantreiben. Den EU-assoziierten
Ländern der Östlichen Partnerschaft wollen wir den Weg zu einem EU-Beitritt offenhalten. Im
Süden braucht es eine neue Mittelmeerpolitik, die gemeinsam Entwicklungspotenziale für die
Region realisiert und sich zugleich den enormen Herausforderungen stellt: Terrorismus,
autoritäre Regime, Staatszerfall. Gemeinsam wollen wir im Rahmen ambitionierter
Energiepartnerschaften den Mittelmeerraum zu einer Plus-Energie-Region machen. Derweil hat
zu unserem großen Bedauern mit Großbritannien erstmals ein Land das gemeinsame Haus der EU
verlassen. Es ist gut, dass mit dem Handels- und Kooperationsabkommen die Grundlage für
einen Neubeginn geschaffen wurde. Es bedarf aber weiterer Anstrengungen, um zu verhindern,
dass europäische Standards ausgehöhlt werden. Der Frieden auf der irischen Insel ohne harte
Grenze hat weiter Priorität.
USA
Die transatlantische Partnerschaft bleibt ein Stützpfeiler der deutschen Außenpolitik,
jedoch muss sie erneuert, europäisch gefasst, multilateral und an klaren gemeinsamen Werten
und demokratischen Zielen ausgerichtet werden. Als Kern einer erneuerten transatlantischen
Agenda der EU schlagen wir vor, einen gemeinsamen starken Impuls für die weltweite
Klimapolitik, ausgehend von den Pariser Klimazielen, zu geben. Wir setzen auch bei
Digitalisierung, der Stärkung des Multilateralismus, in Handelsfragen sowie bei der
Gesundheit auf eine gute Kooperation mit den USA. Wir wollen uns gemeinsam für den
weltweiten Menschenrechtsschutz und eine regelbasierte Weltordnung einsetzen. Das schließt
eine Verständigung über den Umgang mit autoritären Staaten wie China und Russland mit ein.
Der sicherheitspolitische Fokus der USA wird sich auch mit der neuen US-Regierung nicht
wieder zuvorderst auf Europa richten. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen selbst mehr
außen- und sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen. Das gilt insbesondere für die
Sicherheit der östlichen Nachbarländer der EU wie auch der baltischen Staaten und Polens.
Wir wollen die transatlantische Debatte auf vielen Ebenen führen, auch auf den jeweiligen
föderalen und lokalen, und damit nachhaltige, diverse gesellschaftliche Netzwerke knüpfen.
China
China ist Europas Wettbewerber, Partner, systemischer Rivale. Wir verlangen von China ein
Ende seiner eklatanten Menschenrechtsverletzungen etwa in Xinjiang und Tibet und zunehmend
auch in Hongkong. Es braucht dennoch einen konstruktiven Klima-Dialog mit China und wir
streben gemeinsame politische, wirtschaftliche und technologische Anstrengungen zur
Bekämpfung der Klimakrise an. Die Kooperation mit China darf nicht zu Lasten von
Drittstaaten oder von Menschen- und Bürger*innenrechten gehen. Wir halten uns an Europas
„Ein-China-Politik“ und betonen, dass Chinas Vereinigung nicht gegen den Willen der
Bevölkerung Taiwans erzwungen werden darf. Unsere Handelsbeziehungen mit China wollen wir
nutzen, um fairen Marktzugang für ausländische Investitionen, Rechtssicherheit und gleiche
Wettbewerbsbedingungen einzufordern. Wir erwarten, dass China die entscheidenden Kernnormen
der Internationalen Arbeitsorganisation ILO ratifiziert und die Zwangsarbeit beendet. Das
europäische Lieferkettengesetz muss angesichts der Menschenrechtsverletzung – etwa in
Xinjiang – Waren aus Zwangsarbeit den Zugang zum Binnenmarkt ebenso verwehren, wie es
Unternehmen für ihre Produkte in Haftung nimmt. Wir werden an einer engen europäischen und
transatlantischen Koordinierung gegenüber China arbeiten, besonders auch in den Bereichen
5G-Ausbau und Schutz kritischer Infrastruktur.
Russland
Russland hat sich zunehmend in einen autoritären Staat gewandelt und untergräbt immer
offensiver Demokratie und Stabilität in der EU und in der gemeinsamen Nachbarschaft.
Gleichzeitig erstarkt die Demokratiebewegung in Russland. Die mutige Zivilgesellschaft, die
der immer härteren Repression durch den Kreml die Stirn bietet und für Menschenrechte,
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kämpft, wollen wir unterstützen und den Austausch mit ihr
intensivieren. Für eine Lockerung der Sanktionen, die wegen der völkerrechtswidrigen
Annexion der Krim und des militärischen Vorgehens gegen die Ukraine gegen Russland verhängt
wurden, hat die EU klare Bedingungen formuliert. An diesen werden wir festhalten und die
Sanktionen bei Bedarf verschärfen. Wir verlangen, dass die russische Regierung ihre Zusagen
aus dem Minsker Abkommen umsetzt. Das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 ist nicht nur klima-
und energiepolitisch, sondern auch geostrategisch schädlich – insbesondere für die Situation
der Ukraine – und muss daher gestoppt werden.
Türkei
Wir stehen an der Seite all derer, die in der Türkei für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte kämpfen. Wir verurteilen die Menschenrechts- und Rechtsstaatsverletzungen,
fordern eine Freilassung aller politischen Gefangenen und die Rückkehr zu einem politischen
Dialog- und Friedensprozess in der kurdischen Frage. Wir weisen die aggressive Außenpolitik
der türkischen Regierung entschieden zurück und fordern sie auf, zu einer multilateralen
Außen- und Sicherheitspolitik zurückzukehren – das gilt es auch in der NATO zu
thematisieren. Die Wiederaufnahme der Gespräche über einen EU-Beitritt kann es erst geben,
wenn die Türkei eine Kehrtwende zurück zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vollzieht. Der
bestehende EU-Türkei-Deal untergräbt internationales Asylrecht, ist gescheitert und muss
daher beendet werden. Dafür braucht es ein neues, völkerrechts- und rechtsstaatskonformes
Abkommen, das aus den Fehlern der Vergangenheit lernt, die notwendige finanzielle und
logistische Unterstützung vor Ort garantiert und eine verbindliche Kontingentzusage zur
Umsiedlung besonders schutzbedürftiger Geflüchteter in die EU enthält. Wir lehnen es
entschieden ab, dass Menschen in Deutschland mit familiären Bindungen in die Türkei von der
türkischen Regierung politisch und religiös instrumentalisiert werden, unter anderem durch
in Deutschland tätige Vereine und Staatsmedien.
Israel und Palästina
Deutschland hat eine historische Verantwortung gegenüber Israel. Die Existenz und die
Sicherheit Israels als nationale Heimstätte des jüdischen Volkes mit gleichen Rechten für
all seine Bürger*innen sind unverhandelbar. Die Fortsetzung der engen Beziehungen sowie
Frieden und Stabilität im Nahen Osten sind ein zentrales Anliegen deutscher Außen- und
Sicherheitspolitik. Die zunehmende Bedrohung Israels in seiner Nachbarschaft verurteilen
wir. Die Sicherheitslage in der Region ist fragil und darf nicht weiter eskaliert werden.
Einseitige Maßnahmen wie eine Annexion von besetzten Gebieten oder der fortschreitende
völkerrechtswidrige Siedlungsbau laufen dem Ziel einer friedlichen und politischen Lösung
des Konflikts entgegen. Für Frieden und Sicherheit braucht es eine Zweistaatenregelung mit
zwei souveränen, lebensfähigen und demokratischen Staaten für Israelis und
Palästinenser*innen. Die angekündigten Wahlen in den palästinensischen Gebieten sind ein
positives Zeichen. Die Chance der politischen und wirtschaftlichen Abkommen Israels mit
arabischen Staaten wollen wir nutzen, um einen multilateralen Friedensprozess wieder
aufleben zu lassen und einen langfristigen Frieden in der Region zu schaffen. Europa soll
sich hierfür eng mit der neuen US-Regierung koordinieren.
Nachbarschaft und Partnerschaft mit Afrika
Die afrikanischen Staaten und die Europäische Union sind regional wie historisch eng
verbunden und teilen gemeinsame Interessen. Die afrikanischen Gesellschaften sind divers und
vielfältig mit über 3.000 Sprachen in 54 Staaten. In den Beziehungen mit den afrikanischen
Staaten setzen wir uns – auf Basis einer gemeinsamen, globalen Verantwortung für Frieden,
nachhaltige Entwicklung und Gerechtigkeit – für eine in der Bundesregierung und der EU
abgestimmte und differenzierte Politik ein. Die Zukunft liegt in einer Afrikapolitik, die
sich von kolonialen und patriarchalen Denkmustern freimacht und gleichzeitig die europäische
Verantwortung gegenüber dem Kontinent ernst nimmt. Die Fortsetzung einer einseitigen
Politik, die in weiten Teilen auf Fluchtabwehr, unfairen Handelsbeziehungen und der
Ausbeutung von Rohstoffen fußt, lehnen wir ab. Anstatt für sich ewig konterkarierende
Ansätze machen wir uns für eine gemeinsame und kohärente EU-Afrika-Strategie stark, die
Zukunftsthemen wie Klimaschutz und Digitalisierung ebenso ins Zentrum rückt wie die globale
sozial-ökologische Transformation und zivile Krisenprävention. Der Afrikanischen Union
stehen wir bei der Umsetzung ihrer Agenda 2063 und der regionalen Entwicklungsagenden nach
Kräften zur Seite.
Wir verteidigen die Menschenrechte
Menschenrechtsverteidiger*innen schützen
Menschenrechtsverteidiger*innen sind Held*innen. Sie verteidigen überall auf der Welt oft
unter Lebensgefahr für sich und ihre Familien die Einhaltung der Menschenrechte an
vorderster Front. Sie bedürfen unseres Schutzes, unserer Solidarität und aktiven
Unterstützung – auf allen Ebenen. An den besonders betroffenen deutschen
Auslandsvertretungen sollten deshalb Menschenrechtsreferent*innen als extra Anlaufstelle
etabliert und sollte eine ressortübergreifende systematische Berichterstattung über die
Menschenrechtslage im Land eingeführt werden. Für Menschenrechtsverteidiger*innen, die nicht
in ihrem Land bleiben können, weil sie dort akut gefährdet sind, wollen wir schneller und
häufiger als bisher humanitäre Visa bereitstellen und die neu eingerichtete Elisabeth-
Selbert-Initiative zu ihrer temporären Aufnahme ausbauen. Auf internationaler Ebene setzen
wir uns für den Ausbau von Förderungsmöglichkeiten für zivilgesellschaftliche Initiativen
und die finanzielle Stärkung der entsprechenden Schutzinstrumente und Institutionen, wie
beispielsweise Sonderberichterstatter*innen, ein.
Kriegsverbrecher*innen zur Rechenschaft ziehen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Kriegsverbrechen dürfen nicht ungestraft
bleiben – als Zeichen der Gerechtigkeit an die Opfer, als Signal der Abschreckung, als
Voraussetzung für Frieden und Versöhnung. Das deutsche Völkerstrafrecht bietet die
Möglichkeit der Verurteilung auch hier in Deutschland. Dazu werden wir die Kapazitäten beim
Bundeskriminalamt und der Generalbundesanwaltschaft ausbauen. Die Ermittlungen in Fällen
sexualisierter Gewalt sollten verbessert und die Strafprozessordnung sollte dort reformiert
werden, wo sie den Besonderheiten von Völkerstrafrechtsverfahren noch nicht Rechnung trägt.
International setzen wir uns für die Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofes und des
Mechanismus der Vereinten Nationen für die Untersuchung und Verfolgung von schwersten
Kriegsverbrechen in Syrien (IIIM) ein – politisch wie finanziell. Gerade Kinder und
Jugendliche, die sexualisierte und geschlechtsbasierte Gewalt, Entführungen, Rekrutierung
als Kindersoldat*innen erlebt haben, leiden unter schweren Traumata. Wird dieses Leid nicht
aufgearbeitet, beeinträchtigt es das Leben dieser Menschen und ihrer Familien sowie den
gesellschaftlichen Zusammenhalt über Generationen. Die individuelle Traumabearbeitung wollen
wir durch mehr qualifiziertes Personal und sichere Traumazentren vor Ort auch mit unseren
internationalen Partnern und in Deutschland deutlich ausbauen.
Keine Überwachungstechnologie für Diktaturen
Verschlüsselte Kommunikation rettet tagtäglich Menschenleben. In den sozialen Medien werden
Menschenrechtsverletzungen, die ansonsten unentdeckt geblieben wären, für alle sichtbar. Und
ohne Satellitenbilder ließe sich etwa die Vertreibung ganzer Dorfgemeinschaften in
Kriegsgebieten gar nicht erst nachvollziehen. Zugleich sind es oft europäische
Überwachungstools, die es autokratischen Regierungen ermöglichen, unliebsame Aktivist*innen
zu verfolgen. Wir zielen auf ein europäisches Moratorium für die Ausfuhr, den Verkauf und
die Weitergabe von Überwachungsinstrumenten an repressive Regime. Entsprechende
Schutzklauseln wollen wir in der deutschen wie europäischen Exportkontrolle verankern. Wir
fördern die Entkriminalisierung verschlüsselter Kommunikation und stärken die Multi-
Stakeholder-Governance des Internets auf internationaler Ebene. Im Rahmen unserer
internationalen Zusammenarbeit setzen wir uns für den Zugang aller zu digitaler Technologie
ein. Den freien Zugang zu Informationen als einem globalen öffentlichen Gut gilt es zu
fördern und zu schützen. Durch die Unterstützung von Trainings stärken wir die sichere
digitale Vernetzung zivilgesellschaftlicher Organisationen weltweit.
Für Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen weltweit
Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein Menschenrecht. Ohne Geschlechtergerechtigkeit
kann auch Armut nicht wirksam bekämpft werden. In vielen der ärmsten oder
konfliktgebeutelten Länder sind Frauen und Mädchen besonders von Armut, Hunger und Gewalt
betroffen. Wir setzen uns konsequent für die Rechte von Frauen und Mädchen weltweit ein, für
ein selbstbestimmtes Leben. Bildung und Gesundheit sind dafür die Schlüssel. Wir engagieren
uns dafür, Frauen und Mädchen den uneingeschränkten Zugang zu gleichwertiger Bildung zu
sichern sowie ihre sexuellen und reproduktiven Rechte zu schützen. Es braucht innovative
Bildungsangebote wie kompakte nachholende Grundbildung für Frauen oder Berufsbildung in
Krisen- und Post-Konfliktkontexten. Unsere internationale Zusammenarbeit werden wir darum
finanziell und konzeptionell auf diese Aufgabe hin ausrichten, die Erreichung der
Geschlechtergerechtigkeit als Querschnittsaufgabe sowie reproduktive Gesundheit und das
Recht auf Bildung in allen Projekten verankern.
Menschenrechtskonventionen umsetzen, Institutionen stärken
Um Menschenrechte tatsächlich und rechtlich durchsetzen zu können, müssen internationale
Menschenrechtskonventionen ratifiziert und Menschenrechtsinstitutionen gestärkt werden. Es
gilt insbesondere die ILO-Konvention für die Rechte indigener Völker, das
Fakultativprotokoll zum Sozialpakt und die Wanderarbeiterkonvention der Vereinten Nationen
zu ratifizieren. Das ist für Deutschland seit vielen Jahren überfällig. Auf europäischer
Ebene setzen wir uns für die Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte ein. Das Instrument der gezielten EU-Sanktionen gegen
Menschenrechtsverbrecher*innen befürworten wir. Die Beauftragte der Bundesregierung für
Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter
und das Deutsche Institut für Menschenrechte wollen wir besser ausstatten, damit sie ihre
Aufgaben planbar erfüllen können. Menschenrechte und Demokratieförderung sind Grundpfeiler
unserer entwicklungspolitischen Arbeit.
Rechte von Minderheiten schützen
Der Umgang mit Minderheiten ist der Gradmesser für den Menschenrechtsschutz in einer
Gesellschaft. Wir setzen uns dafür ein, die Rechte von Minderheiten auf internationaler
Ebene zu stärken – auch innerhalb der EU. Nach wie vor setzen die einzelnen Staaten den
durch die Vereinten Nationen vorgegebenen Minderheitenschutz in nationales Recht um, ohne
dass einheitlich kontrolliert wird, ob das umfassend genug ist. Damit ist der Schutz
lückenhaft. Wir werden außenpolitisch für die weltweite Umsetzung der Yogyakarta-Prinzipien
zum Schutz von LSBTIQ* eintreten. In der Entwicklungspolitik wollen wir hier einen neuen
Fokus setzen und unser Engagement deutlich steigern. Selbst innerhalb der EU gibt es große
Unterschiede: Es existieren keine gemeinsamen EU-Mindeststandards, kein einheitlicher
Rechtsrahmen, der den Schutz und die Förderung von Minderheiten gewährt. Das wollen wir
ändern. In der EU werden wir uns für die Verabschiedung der 5.
Antidiskriminierungsrichtlinie einsetzen, damit international anerkannte Menschenrechte in
der EU eine Rechtsgrundlage erhalten und die VN-Konvention über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen auf europäischer Ebene rechtlich umgesetzt wird. Den EU-Aktionsplan gegen
Rassismus treiben wir national und international voran.
Wir schützen Geflüchtete
Eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik in Europa umsetzen
Wir treten für eine Europäische Union ein, die ihre humanitäre Verantwortung, das Grundrecht
auf Asyl und die Notwendigkeit, Verfahren nach völkerrechtlichen Standards fair und zügig
durchzuführen, zusammenbringt. So schwer das derzeit in der EU der 27 auch ist. Zustände wie
in den Lagern auf den griechischen Inseln oder an der Grenze zu Kroatien bedeuten einen
Bruch mit europäischen Werten und Menschenrechten. Der Blockade einer gemeinsamen und
humanen Flüchtlingspolitik zwischen den Mitgliedstaaten begegnen wir mit folgendem Plan: In
gemeinschaftlichen von den europäischen Partnern geführten Einrichtungen innerhalb der EU an
den rechtsstaatlich und europäisch kontrollierten EU-Außengrenzen sollen die Geflüchteten
registriert werden und einen ersten Sicherheitscheck durchlaufen. So wissen wir, wer zu uns
kommt, und werden zugleich unserer humanitären Verantwortung gerecht. Die Menschen, die nach
Europa kommen, müssen medizinisch und psychologisch erstversorgt und menschenwürdig
untergebracht werden. Unter Berücksichtigung persönlicher Umstände wie familiärer Bindungen
oder der Sprachkenntnisse bestimmt die EU-Agentur für Asylfragen den Aufnahme-Mitgliedstaat.
Der zugrunde liegende Verteilmechanismus stützt sich zunächst auf die Bereitschaft von
Regionen und Städten, Geflüchtete freiwillig aufzunehmen. Wer das tut, erhält Hilfe aus
einem EU-Integrationsfonds. Reichen die Aufnahmeplätze nicht aus, weiten alle
Mitgliedstaaten im Verhältnis von Bruttoinlandsprodukt und Bevölkerungsgröße verpflichtend
ihr Angebot aus oder leisten einen mindestens gleichwertigen Beitrag zu den Gesamtkosten.
Das Asylverfahren findet im aufnehmenden Mitgliedstaat statt. Die Kommission stellt sicher,
dass die gemeinsamen Regeln und Mindeststandards eingehalten werden. Wir werden mit
handlungswilligen Ländern und Regionen vorangehen, um die derzeitige katastrophale Situation
an den Außengrenzen zu beenden. Geschlossene Lager, Transitzonen oder europäische Außenlager
in Drittstaaten lehnen wir ab.
Familien zusammenführen
Niemand sollte für das völkerrechtlich verbriefte Recht, um Asyl zu ersuchen, das eigene
Leben oder das der Familie riskieren müssen. Genau das ist aber bittere Realität: Immer noch
reichen die Möglichkeiten für sichere Zugangswege bei weitem nicht aus und Geflüchtete sind
deshalb gezwungen, auf lebensgefährliche Routen durch die Wüste oder über das Meer
auszuweichen. Wir wollen sichere und geordnete Zugangswege schaffen – und so verhindern,
dass Schlepper aus der Not und dem Leid der Geflüchteten Profit schlagen können. Dabei sind
wir dem besonderen Schutz der Familie gemäß Grundgesetz, VN-Kinderrechtskonvention und
Europäischer Menschenrechtskonvention verpflichtet und treten dafür ein, die Einschränkungen
beim Familiennachzug wieder aufzuheben. Familien gehören zusammen und das Kindeswohl hat
oberste Priorität. Auch Menschen mit subsidiärem Schutzstatus müssen deshalb ihre
Kernfamilien ohne die bisherigen Einschränkungen nachholen können und mit Geflüchteten
gleichgestellt werden. Wir wollen den Geschwisternachzug wieder ermöglichen. An deutschen
und europäischen Botschaften braucht es mehr Personal und die Möglichkeit, digital Anträge
zu stellen, um die Wartezeiten für Visa von Familienangehörigen zu verkürzen. Auch mit
humanitären Visa möchten wir Schutzbedürftigen die Möglichkeit geben, sicher nach Europa zu
kommen und hier um Asyl zu ersuchen.
Sichere Zugangswege durch humanitäre Aufnahmepartnerschaft
Im Rahmen des Resettlement-Programms des UNHCR werden durch die Vereinten Nationen
anerkannte, besonders schutzbedürftige Geflüchtete solidarisch und geordnet auf die
Aufnahmeländer verteilt, statt sie ihrem Schicksal auf gefährlichen Fluchtrouten zu
überlassen. Das rettet Leben, nimmt Schleppern die Geschäftsgrundlage und folgt einem
bewährten, planbaren Verfahren. Im Globalen Pakt für Flüchtlinge ist die Weltgemeinschaft
übereingekommen, das Resettlement zu verstärken. Doch faktisch sinkt die Zahl der
Aufnahmeplätze seit Jahren. Wir schlagen vor, zusammen mit der neuen US-Administration und
Kanada sowie anderen in einer globalen humanitären Partnerschaft die Aufnahme besonders
schutzbedürftiger Geflüchteter aus dem Resettlement-Programm deutlich auszubauen. So stärken
wir die Vereinten Nationen, schaffen Planbarkeit auf allen Seiten, gehen mit gutem Beispiel
voran und regen andere Staaten an, dem internationalen Bündnis beizutreten. Das individuelle
Asylrecht bleibt durch das Resettlement unangetastet.
Landesaufnahmeprogramme ermöglichen
Mehrere Bundesländer und über 200 Kommunen in Deutschland sind bereit, mehr Geflüchtete als
von der Bundesregierung zugesagt bei sich aufzunehmen. Dass diese weiteren Aufnahmeplätze
dringend gebraucht werden, ist angesichts der elenden Zustände in den Lagern an den EU-
Außengrenzen, etwa auf den griechischen Inseln oder an der bosnisch-kroatischen Grenze,
offensichtlich. Wir wollen eine humanitäre Aufnahmepolitik, bei der der Bund und die Länder
kooperativ zusammenarbeiten und die die Aufnahmebereitschaft von Kommunen und Ländern nicht
mehr ignoriert. Länder und Kommunen sollen mehr Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten
erhalten, wenn es um die humanitäre Aufnahme Geflüchteter geht. Mit einer Änderung der
Zustimmungsregel zwischen dem Bundesinnenministerium und den Ländern von Einvernehmen in
Benehmen wollen wir klarstellen, dass sich Bundesländer künftig über den Königsteiner
Schlüssel hinaus selbständig und frei für die Aufnahme von Geflüchteten entscheiden können.
Der Bund soll weiter die finanziellen und infrastrukturellen Aufgaben erfüllen.
Menschenrechte einhalten, Außengrenzen sichern
Ein gemeinsamer Raum der Freizügigkeit und ohne Binnengrenzen braucht kontrollierte
Außengrenzen. Eine Außengrenze muss aber auch legale Zugangswege haben. Dass tausende
Menschen jährlich im Mittelmeer ertrinken, weil europäische Regierungen ihnen nicht
ausreichend sichere Zugangswege ermöglichen und auch die Rettung aus Seenot verweigern, ist
eine Schande. Wir streiten weiter für eine zivile und flächendeckende, europäisch
koordinierte und finanzierte Seenotrettung. Da ein gemeinsames Vorgehen aller europäischen
Mitgliedstaaten derzeit nicht möglich erscheint, wollen wir mit jenen vorangehen, die die
Seenotrettung als völkerrechtliche Pflicht ernst nehmen: Gerettete müssen zum nächsten
sicheren Hafen gebracht werden. Wir stehen fest an der Seite zivilgesellschaftlicher
Rettungsinitiativen und treten dafür ein, dass die Kriminalisierung und behördliche
Behinderung ihrer Arbeit beendet wird. Wir wollen, dass die Seenotrettung explizit ins
Aufgabenprofil von Frontex aufgenommen wird, und setzen auf eine europäische Grenzkontrolle,
die den gemeinsamen Schutz der Menschenrechte zur Grundlage hat und wichtige
grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnimmt, ohne sie zur Fluchtabwehr zu missbrauchen. Das moderne
Asylrecht beruht auf der Einzelfallprüfung, das völker- und europarechtlich verbriefte
Nichtzurückweisungsgebot gilt immer und überall. Die Genfer Flüchtlingskonvention gilt
uneingeschränkt. Ihre Aushöhlung führt weder zu mehr Sicherheit noch zu mehr europäischer
Handlungsfähigkeit in der Flüchtlingspolitik. Völkerrechtswidrige Pushbacks, von nationalen
Grenzpolizeien oder Frontex begangen, müssen geahndet werden. Das entsprechende Monitoring
durch die EU-Grundrechteagentur wollen wir ausbauen. Es bedarf einer engen parlamentarischen
Kontrolle von Frontex-Einsätzen sowie einer systematischen Menschenrechtsbeobachtung vor
Ort.
Aufnahme- und Transitländer unterstützen
Die humanitäre Versorgung von Geflüchteten außerhalb der Europäischen Union ist Bestandteil
unserer globalen Verantwortung. Wir wollen die finanzielle und logistische Unterstützung von
Erstaufnahme- und Transitländern wie der Türkei, dem Libanon, dem Sudan, Pakistan oder
Uganda sowie der dort tätigen Hilfsorganisationen ausbauen. Die deutsche und europäische
Zusammenarbeit mit Drittstaaten muss stets so erfolgen, dass Menschen- und Grundrechte sowie
internationale Asylstandards eingehalten werden. „Migrationspartnerschaften“ mit repressiven
Regimen lehnen wir ab, genauso wie die Kooperation mit der libyschen Küstenwache. Statt
„sichere Herkunftsländer“ zu definieren, brauchen wir für Rückführungen
menschenrechtskonforme Rückübernahmeabkommen. Wir wollen denjenigen Ländern, die ihren
Staatsbürger*innen nach einer Rückkehr Sicherheit garantieren, im Gegenzug über
Visaerleichterungen oder Ausbildungspartnerschaften verlässliche Aussicht auf eine geordnete
Migration eröffnen. Rückübernahmeabkommen dürfen aber nicht zur Bedingung in anderen
Politikbereichen, etwa entwicklungspolitischer oder rechtsstaatlicher Unterstützung, gemacht
werden und nicht für Drittstaatsangehörige gelten.
Fluchtursachen strukturell angehen
Wir wollen verhindern, dass Menschen überhaupt fliehen und ihre bisherige Heimat
unfreiwillig verlassen müssen. Deshalb rücken wir die strukturellen Ursachen von Vertreibung
und unsere dahingehende Verantwortung ins Zentrum unserer Politik. Denn viele politische
Entscheidungen, die wir in Deutschland und Europa treffen, haben direkte Auswirkungen auf
die Lebensbedingungen in anderen Weltregionen. Wir machen uns stark für zivile
Krisenprävention und wollen mit einer restriktiven Ausfuhrkontrolle europäische
Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete sowie an Autokraten beenden. Wir setzen uns für
ein gerechtes Handelssystem ein, das auch den Interessen des globalen Südens dient. Wir
treiben die sozial-ökologische Transformation unserer Wirtschaft voran. Uns ist bewusst:
Nicht alle Ursachen von Vertreibung können wir beeinflussen. Viele Menschen fliehen, weil
sie verfolgt oder ihnen grundlegende Rechte vorenthalten werden. Umso entscheidender ist
konsequentes Handeln überall dort, wo auch unser Wirtschaften und Konsumieren andernorts zu
Ausbeutung oder Perspektivlosigkeit führen.
Wir streiten für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung
Globale Krisenprävention
Die Corona-Krise führt in vielen Entwicklungsländern zu Kapitalflucht und Währungskrisen und
offenbart so die Schwächen der Währungsordnung. Unser Ziel bleibt langfristig der Aufbau
eines kooperativen Weltwährungssystems. Der IWF muss in Krisensituationen sehr viel mehr
Liquidität unkonditioniert bereitstellen können. Dafür werden wir uns für eine deutliche
Aufstockung der Sonderziehungsrechte einsetzen. Deutschland und Europa könnten vorangehen
und nicht genutzte Sonderziehungsrechte Entwicklungsländern zur Verfügung stellen, wie
Kanada es bereits getan hat. Der IWF sollte Entwicklungsländern auch bei der Einführung und
Durchführung von Kapitalverkehrskontrollen helfen und dafür mit den Staaten mit globalen
Finanzzentren zusammenarbeiten. Das Stimmengewicht muss sich zugunsten von
Entwicklungsländern verschieben. Die EU-Staaten sollten ihre Stimmrechte zusammenlegen.
Entwicklung ermöglichen, Schulden streichen
Viele Entwicklungsländer sind überschuldet. Beispielsweise gibt Pakistan 40 Prozent seines
Etats für den Schuldendienst, aber nur 2 Prozent für Gesundheit aus. Das derzeitige
Schuldenmoratorium ist richtig, verschiebt das Problem aber in die Zukunft. Wir brauchen
einen echten Schuldenerlass. Dafür muss ein international transparentes und unabhängiges
Staateninsolvenzverfahren für die Länder geschaffen werden, die nicht in ihrer eigenen
Währung verschuldet sind. Private Gläubiger müssen rechtlich dazu verpflichtet werden, an
einem Insolvenzverfahren teilzunehmen. So können wir den Zustand beenden, dass einzelne
Gläubiger eine Entschuldung blockieren, und verhindern, dass einzelne private Gläubiger wie
Geierfonds auf Kosten anderer profitieren. Damit wollen wir den zu hoch verschuldeten
Staaten im globalen Süden auch ermöglichen, ihre Gesundheitssysteme zu verbessen, sie für
alle zugänglich zu machen sowie Ansätze zum Schutz von Wasser-, Sanitärversorgung und
Hygiene voranzutreiben. Schuldenerlasse und -umwandlungen soll es für Maßnahmen im
Gesundheitsbereich sowie im Kampf gegen die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-
Krise geben. Zudem werden wir uns für ein langfristiges globales Corona-Hilfspaket für
strukturschwache Länder, Krisenregionen sowie Flüchtlingslager engagieren.
Spekulation mit Nahrungsmitteln verbieten
Nahrungsmittelpreise sind oft starken Schwankungen unterworfen. Verantwortlich dafür sind
nicht nur Wetter und Ernten, sondern auch skrupellose Spekulant*innen, die fette Profite
machen, wenn Menschen hungern. Wir werden uns in der EU für striktere Regulierungen
einsetzen, um Nahrungsmittelspekulation zu unterbinden. Dafür braucht es strenge
Berichtspflichten für Händler*innen. Konsequente Preis- und Positionslimits müssen an allen
europäischen Börsen eingeführt werden. Ziel ist es, dass Derivate nur noch zur Absicherung
bestehender Risiken und nicht mehr spekulativ eingesetzt werden können.
Wir treten ein für Frieden und Sicherheit
Vorausschauend für den Frieden
Unsere Außen- und Sicherheitspolitik zielt darauf, Konflikte zu verhindern, und setzt
deshalb auf Vorausschau gemäß der VN-Agenda für nachhaltige Entwicklung. Wir ergänzen den
traditionellen Sicherheitsbegriff um die menschliche Sicherheit und rücken damit die
Bedürfnisse von Menschen in den Fokus. Den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und die
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) gilt es zu stärken. Die personellen und
finanziellen Mittel für zivile Krisenprävention sollten gezielt erhöht und langfristig
planbarer werden. Wir wollen eine permanente und schnell einsatzbereite Reserve an EU-
Mediator*innen und Expert*innen für Konfliktverhütung, Friedenskonsolidierung und Mediation
aufbauen. Die Bereiche Polizei, Justiz und Friedensförderung wollen wir mit 1.000
Fachkräften ausstatten. Wir setzen uns dafür ein, die Deutsche Stiftung Friedensforschung,
den neu eingerichteten Fachbereich an der Deutschen Hochschule der Polizei und andere
wissenschaftliche Einrichtungen zu stärken und die Bedeutung von Friedensarbeit
gesamtgesellschaftlich noch sichtbarer zu machen. Die finanzielle Förderung des Zivilen
Friedensdienstes (ZFD) wollen wir deutlich erhöhen und den kontinuierlichen Ausbau
bedarfsgerecht fördern. Darüber hinaus ist ein ressortgemeinsamer Fonds „Krisenprävention,
Konfliktbewältigung und Friedensförderung“ nötig, der angemessen ausgestattet sein muss. Es
gilt Instrumente der Krisenfrüherkennung und Analysekapazitäten zu stärken, um auch die
langfristigen Folgen der Pandemie abwenden zu können.
Internationale Politik feministisch gestalten
Wir gestalten unsere Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik feministisch. Frauen,
Mädchen und marginalisierte Gruppen sind in besonderem Maße von Kriegen, Konflikten und
Armut betroffen. Die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Rolle als Gestalter*innen in der
internationalen Politik fördert Frieden, Entwicklung, Stabilität und Sicherheit. Es geht
darum, die Perspektiven von Frauen, Mädchen und marginalisierten Gruppen zu stärken, zu
schützen und bei allen bi- oder multilateralen Verhandlungen immer mindestens
gleichberechtigt einzubeziehen. Dazu braucht es auch Genderanalysen für einzelne
Länderkontexte in regelmäßigen Abständen und bedarfsgerechte Strategien und Genderbudgeting.
Es gilt die Umsetzung der VN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden, Sicherheit“ voranzutreiben,
sexualisierte und genderbasierte Gewalt entschieden einzudämmen, die reproduktiven Rechte
von Frauen zu schützen und die Sicherheit und Partizipation von Frauen und Mädchen in der
Prävention, bei der Transformation von Konflikten und in Stabilisierungsprozessen in den
Fokus zu nehmen.
Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik stärken
Gerade vor dem Hintergrund des zunehmenden Autoritarismus und der weltweiten Angriffe auf
Kunst- und Wissenschaftsfreiheit wollen wir die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik
stärken. Sie sichert Zugänge zur Zivilgesellschaft vor allem in Krisenzeiten, stärkt
demokratischen Austausch und baut neue Partnerschaften auf. Auch die Aufarbeitung der
Verbrechen des Nationalsozialismus werden wir durch internationale Kultur- und
Jugendbegegnungen und durch zivilgesellschaftlichen Austausch stärken. Die Verantwortung für
die koloniale Vergangenheit Deutschlands wollen wir zum Beispiel in gemeinsamen
Geschichtsbuchkommissionen mit ehemaligen kolonialisierten Staaten aufarbeiten.
Kulturmittlerorganisationen, wie etwa Goethe-Institute, und die deutschen Schulen im Ausland
sollen finanziell besser ausgestattet und digital fit gemacht werden, die Programme für
verfolgte Künstler*innen und Wissenschaftler*innen sowie Maßnahmen gegen
Desinformationskampagnen wollen wir verstärken.
Europarat und OSZE stärken
Frieden in Europa bedeutet mehr als Frieden, Sicherheit und Stabilität in der EU. Damit die
Vision einer friedlichen Zukunft für alle Europäer*innen Wirklichkeit werden kann, wollen
wir die gemeinsamen, über die EU hinausreichenden europäischen Institutionen wie den
Europarat und die OSZE stärken und weiterentwickeln, um alle europäischen Staaten
einzubinden. Nur so können wir tatsächlich ein effektives und starkes System kollektiver
Sicherheit in ganz Europa schaffen. Es bleibt unser Ziel, die östlichen Nachbarn Europas auf
der Basis gemeinsamer Werte für eine solche Perspektive zu gewinnen, was gerade angesichts
der nationalistischen und rückwärtsgewandten Politik Russlands, die Europas Sicherheit und
die Selbstbestimmung der Nachbarn Russlands untergräbt, nötig ist.
Neuer Schub für Abrüstung
Abrüstung und Rüstungskontrolle bedeuten global mehr Sicherheit für alle. Unser Anspruch ist
noch immer nichts Geringeres als eine atomwaffenfreie Welt. Nach der Aufkündigung des
Vertrags über nukleare Mittelstreckensysteme (INF-Vertrag) zwischen den USA und Russland ist
eine neue Vertragsinitiative nötig. Wir wollen den transatlantischen Neustart nach der US-
Präsidentschaftswahl und das Wiederbeleben des New-START-Vertrags nutzen, um mit den USA
über Barack Obamas „Global Zero“ ins Gespräch zu kommen. Eine Welt ohne Atomwaffen gibt es
nur über Zwischenschritte: internationale Initiativen zur Reduzierung der Zahl von
Atomwaffen, einen Verzicht der NATO auf jeden Erstschlag und eine breite öffentliche Debatte
über veraltete Abschreckungsdoktrinen des Kalten Krieges. Dazu gehören ein Deutschland frei
von Atomwaffen und ein Beitritt Deutschlands zum VN-Atomwaffenverbotsvertrag. Wir wissen,
dass dafür zahlreiche Gespräche im Bündnis notwendig sind, auch mit unseren europäischen
Partnerstaaten, und vor allem die Stärkung der Sicherheit und Rückversicherung unserer
polnischen und baltischen Bündnispartner.
Keine deutschen Waffen in Kriegsgebiete und Diktaturen
Exporte von Waffen und Rüstungsgütern an Diktatoren, menschenrechtsverachtende Regime und in
Kriegsgebiete verbieten sich. Für die Reduktion von Rüstungsexporten wollen wir eine
gemeinsame restriktive Rüstungsexportkontrolle der EU mit einklagbaren strengen Regeln und
Sanktionsmöglichkeiten. Kooperationen mit dem Sicherheitssektor anderer Staaten müssen an
die Einhaltung demokratischer, rechtsstaatlicher und menschenrechtlicher Kriterien geknüpft
werden. Für Deutschland werden wir ein Rüstungsexportkontrollgesetz vorlegen und ein
Verbandsklagerecht bei Verstößen gegen das neue Gesetz einführen und für eine wirksame
Endverbleibskontrolle sorgen. Hermesbürgschaften für Rüstungsexporte darf es nicht geben.
Den Einsatz von Sicherheitsfirmen in internationalen Konflikten wollen wir streng regulieren
und private Militärfirmen verbieten.
Autonome tödliche Waffensysteme international ächten
Autonome tödliche Waffensysteme, die keiner wirksamen Steuerung mehr durch den Menschen bei
Auswahl und Bekämpfung von Zielen unterliegen, stellen eine unberechenbare Bedrohung dar. Im
Sinne von Frieden und Stabilität wollen wir Autonomie in Waffensystemen international
verbindlich regulieren und Anwendungen, die gegen ethische und völkerrechtliche Grundsätze
verstoßen, ächten und verbieten. Das gilt auch für digitale Waffen wie Angriffs- und
Spionagesoftware. Hierbei müssen Deutschland und die EU eine globale Führungsrolle
einnehmen. Um eine Militarisierung des Weltraumes zu verhindern, wollen wir
weiterentwickelte, international verbindliche Regeln auf den Weg bringen.
Sicherheit im Cyber-Raum schaffen
Digitalisierung und neue Technologien verändern die moderne Kriegsführung. Wir wollen den
Einsatz von militärischen Cyberfähigkeiten durch die Bundeswehr ausnahmslos der
parlamentarischen Kontrolle des Deutschen Bundestages unterstellen. Es braucht Leitlinien
für das Vorgehen der Bundeswehr im Cyberraum. Gleichzeitig muss die Bundeswehr
kontinuierlich an der Stärkung ihres Eigenschutzes arbeiten, ohne ihr defensives
Selbstverständnis aufzugeben. Es braucht dringend eine internationale Initiative, um
Rüstungskontrolle zu regulieren, und vertrauensbildende Maßnahmen für den Cyberraum. Wir
setzen uns für weltweit anerkannte Regeln im Cyberraum sowie eine Selbstverpflichtung ein,
zivile Infrastruktur nicht militärisch anzugreifen. Auch sollte die europäische
Zusammenarbeit im Bereich Cyberabwehr ausgebaut werden, wozu Deutschland einen Beitrag
leisten sollte.
Internationale Schutzverantwortung wahrnehmen
Es ist wichtig, frühzeitig auf Konflikte einzuwirken und zu verhindern, dass sie zu
bewaffneten Auseinandersetzungen eskalieren. Uns leitet das Konzept der Responsibility to
Prepare, Protect and Rebuild der Vereinten Nationen, das die Staatengemeinschaft
verpflichtet, Menschen vor schwersten Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und Völkermord zu schützen. Die Staaten sind gleichermaßen verpflichtet, ihre
Instrumente für Prävention, Krisenreaktion und Nachsorge bzw. Wiederaufbau kriegszerstörter
Gesellschaften auszubauen. Wir bekennen uns zu internationalen Friedenseinsätzen im Rahmen
der Vereinten Nationen, die zu Stabilität, Sicherheit und Frieden beitragen. Die Anwendung
militärischer Gewalt als Ultima Ratio kann in manchen Situationen nötig sein, um Völkermord
zu verhindern und die Möglichkeit für eine politische Lösung eines Konflikts zu schaffen.
Ein Militäreinsatz braucht einen klaren und erfüllbaren Auftrag, ausgewogene zivile und
militärische Fähigkeiten und unabhängige (Zwischen‑)Evaluierungen. Bewaffnete Einsätze der
Bundeswehr im Ausland sind in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit – das heißt
nicht in verfassungswidrige Koalitionen der Willigen – und in ein politisches Gesamtkonzept
einzubetten, basierend auf dem Grundgesetz und dem Völkerrecht. Bei Eingriffen in die
Souveränität eines Staates oder dort, wo staatliche Souveränität fehlt, braucht es ein
Mandat der Vereinten Nationen. Wenn das Vetorecht im Sicherheitsrat missbraucht wird, um
schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu decken, steht die Weltgemeinschaft vor
einem Dilemma, weil Nichthandeln genauso Menschenrechte und Völkerrecht schädigt wie
Handeln.
Moderne Bundeswehr
Der Auftrag und die Aufgaben der Bundeswehr müssen sich an den realen und strategisch
bedeutsamen Herausforderungen für Sicherheit und Friedenssicherung orientieren. Wir wollen
die Bundeswehr entsprechend ihrem Auftrag und ihren Aufgaben personell und materiell sicher
ausstatten. Dass Soldat*innen mit nicht ausreichender Schutzausrüstung in Einsätze gehen,
ist nicht hinnehmbar. Deutschland soll sich auf seine Bündnispartner verlassen können und
genauso sollen sich die Bündnispartner auf Deutschland verlassen können. Die
Gesamtverantwortung für den Einsatz muss begründet, Informationen über alle Operationen im
Einsatz der Verbündeten müssen vollständig zugänglich sein. Die Bundeswehr soll die Vielfalt
unserer Gesellschaft abbilden. Menschenfeindliche Ideologien und rechtsextremistische
Strukturen in der Bundeswehr werden wir konsequent verfolgen und zerschlagen. Neben der
umfassenden Aufklärung ist die Prävention entscheidend. Präventive Maßnahmen wie
verantwortungsbewusste Personalgewinnung und zeitgemäße politische Bildung sind überfällig.
Den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Inneren lehnen wir ab.
NATO strategisch neu ausrichten
Die NATO leidet unter divergierenden sicherheitspolitischen Interessen innerhalb der Allianz
bis hin zur gegenseitigen militärischen Bedrohung. Ihr fehlt in dieser tiefen Krise eine
klare strategische Perspektive. Trotzdem bleibt sie aus europäischer Sicht neben der EU
unverzichtbarer Akteur, der die gemeinsame Sicherheit Europas garantieren kann und der als
Staatenbündnis einer Renationalisierung der Sicherheitspolitik entgegenwirkt. Wir brauchen
eine strategische Neuaufstellung der NATO, eine gemeinsame Bedrohungsanalyse und darauf
aufbauend eine Debatte über eine faire Lastenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten. Das
willkürliche NATO-2-Prozent-Ziel, das vor fast 20 Jahren verabschiedet wurde, gibt darauf
keine Antwort und wir lehnen es deshalb ab. Wir setzen uns für eine neue Zielbestimmung ein,
die nicht abstrakt und statisch ist, sondern von den Aufgaben ausgeht, und werden mit den
NATO-Partnern darüber das Gespräch suchen. Durch eine stärkere militärische Zusammenarbeit
und Koordinierung innerhalb der EU und mit den europäischen NATO-Partnern wie Großbritannien
und Norwegen wollen wir erreichen, dass strategische Interessen auf Grundlage von
europäischen Werten wie Multilateralismus, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gemeinsam
entwickelt und geschlossen und überzeugender vertreten werden.
Die EU-Sicherheitsunion vorantreiben
Gemeinsam mit den internationalen Partnern muss die Europäische Union ihrer Verantwortung
für die eigene Sicherheit und Verteidigung gerecht werden. Die gemeinsame Sicherheits- und
Verteidigungspolitik (GSVP) setzt eine gemeinsame EU-Außenpolitik voraus. Wir wollen eine
EU-Sicherheitsunion etablieren mit einer starken parlamentarischen Kontrolle und einer
gemeinsamen restriktiven Rüstungsexportpolitik. Anstatt immer mehr Geld in nationale,
militärische Parallelstrukturen zu leiten, sollte die verstärkte Zusammenarbeit der
Streitkräfte in der EU ausgebaut, sollten militärische Fähigkeiten gebündelt und allgemein
anerkannte Fähigkeitslücken geschlossen werden. Dafür ist eine geeignete Ausstattung, der
Ausbau von EU-Einheiten sowie eine Stärkung und Konsolidierung der gemeinsamen EU-
Kommandostruktur nötig. Die Umwidmung ziviler Gelder aus dem EU-Haushalt für militärische
Zwecke lehnen wir ab.
Antragstext
Von Zeile 653 bis 655:
Nahrung muss garantiert sein, kleinbäuerliche Strukturen sollten gestärkt werden. Dafür unterstützensetzen wir uns mit unserer Agrar- und Entwicklungspolitik für eine globale sozial-ökologische Agrarwende im Sinne der planetaren Grenzen und des 1,5 Grad Ziels von Paris ein.
Die Klimakrise ist die Existenzfrage unserer Zeit. Daher ist Klimaschutz keine
Zukunftsaufgabe, sondern Klimaschutz ist jetzt. Wenn wir zu Beginn dieses Jahrzehnts
konsequent handeln und die sozial-ökologische Transformation einläuten, können wir die Krise
noch stemmen. Klimaneutralität ist dabei eine große Chance für höhere Lebensqualität, mehr
soziale Gerechtigkeit und einen klimagerechten Wohlstand. Sie gilt es zu ergreifen.
Wir haben in den vergangenen Jahren mit Hitzesommern, Waldsterben und Dürren die Vorboten
der Krise gespürt. Sie haben dramatische Konsequenzen: etwa für die Gesundheit der Menschen
– und es sind vor allem die mit den geringsten Einkommen, die den Preis dafür zahlen, dass
der ökologische Fußabdruck der Reichsten am größten ist. Oder für die Bäuerinnen und Bauern,
denen zunehmend die Grundlage entzogen wird. Und für den Zusammenhalt in unserer
Gesellschaft. Alle diese Folgen werden sich vervielfachen, wenn wir jetzt nicht umsteuern.
Je entschiedener wir handeln, desto mehr Freiheiten und Alternativen sichern wir für jetzige
und künftige Generationen. Wir werden deshalb konsequent den Weg zur Klimaneutralität gehen.
Das verlangt Können, Mut und Machen. Wir stellen in einer künftigen Regierung das Pariser
Klimaabkommen in den Mittelpunkt und richten das Handeln aller Ministerien danach aus. Wir
lenken all unsere Kraft darauf, Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die uns auf den 1,5-Grad-
Pfad führen. Klimaschutz ist eine Frage des politischen Kanons. Wir begreifen es als unsere
Aufgabe, bessere Regeln zu schaffen, nicht den besseren Menschen. Solch klare politische
Ordnungsrahmen entlasten auch uns als Menschen im Alltag und schaffen Freiheit.
Natürlich bedeutet Klimaneutralität Veränderung, aber diese Veränderung schafft Halt in der
Zukunft. Wir bringen Energie, Wärme, Verkehr und Industrie zusammen und sorgen so für eine
effiziente Verzahnung dieser Bereiche. Statt auf Kohle, Öl und fossilem Gas wird das
Energiesystem auf Sonnen- und Windenergie basieren. Statt an fossilen Verbrennungsmotoren
festzuhalten, schaffen wir eine neue Mobilität mit E-Autos, der Bahn oder dem Rad. Statt
Ölheizungen werden Wärmepumpen, Power-to-Heat und Strom aus erneuerbaren Energien die
Heizquellen der Zukunft. Die Zukunft wird damit leiser, sauberer und gesünder. Weniger Autos
in der Stadt bedeuten mehr Platz für uns Menschen. Leisere Straßen und saubere Luft dienen
besonders jenen, die sich nicht die Villa am ruhigen Stadtrand leisten können. Mehr Angebote
an klima- und umweltfreundlichen Verkehrsmitteln, zum Beispiel Rufbusse oder Carsharing,
erleichtern zu pendeln und befördern ein gutes Leben auf dem Land.
Mit dieser großen Veränderung entstehen neue Geschäftsfelder, neue Industriezweige, neue
Arbeitsplätze. Andere Bereiche werden sich wandeln, einige völlig neu entstehen, wieder
andere verschwinden. Für viele Menschen ist das auch eine große Herausforderung, ja
Zumutung. Die sozial-ökologische Transformation gelingt nur, wenn wir gemeinsam alles dafür
tun, Verluste zu verringern und Brücken zu bauen. So müssen diejenigen, die neue Chancen
oder Weiterbildung brauchen, sie auch bekommen. Und es ist unsere Aufgabe, Sorge dafür zu
tragen, dass die Kosten und Belastungen dieser Veränderung gerecht verteilt sind.
Klimagerechter Wohlstand bedeutet Ökologie und Soziales zusammenzudenken und den Übergang
gut zu gestalten: für Menschen in der Stadt und auf dem Land. Für die Handwerkerin wie für
den Stahlarbeiter.
Wenn wir unsere Lebensgrundlagen schützen wollen, wenn wir auch die zweite große ökologische
Krise, das Artensterben, eindämmen wollen, dann bedarf es mehr als einer Kurskorrektur, dann
brauchen wir einen neuen Kurs. Wir machen die planetaren Grenzen zum Leitprinzip unserer
Politik und verändern entsprechend die Wirtschaftsweise. Wir setzen Prioritäten. Von jetzt
an wird belohnt und gefördert, was Mensch und Tier, Klima und Natur schützt. Und was
zerstörerisch wirkt, muss dafür auch die Kosten tragen und Schritt für Schritt überwunden
werden. Indem wir den Schutz der Meere und Gewässer, des Klimas und der Böden, der Tiere und
der Pflanzen zum Bestandteil unseres Wirtschaftssystems machen, kann es gelingen, die
Stabilität der Ökosysteme und unserer Lebensgrundlagen zu gewährleisten. Und damit auch
unsere Grundlagen für ein gutes und friedliches Zusammenleben.
Wir schaffen klimagerechten Wohlstand
Mehr Lebensqualität durch Klimaneutralität
Der Weg in die Klimaneutralität bietet riesige Chancen auf mehr Lebensqualität: Städte mit
weniger Staus und Abgasen, mit Platz, um sicher Rad zu fahren und zu Fuß zu gehen, zu
spielen und zu leben. Dörfer, die endlich angebunden sind an den öffentlichen Nahverkehr.
Wälder, in denen auch unsere Kinder noch die Schönheit der Natur entdecken können. Gesundes
Essen, hergestellt unter Wahrung von Tier- und Umweltschutz. Klimaschutz ist so viel mehr
als reine Technik, er ist der Weg in eine bessere Zukunft. Überall in Deutschland haben sich
Kommunen, Unternehmen, Initiativen und Bewegungen längst auf diesen Weg begeben. Sie
brauchen endlich Rückenwind von der Politik. Wir wollen Kommunen befähigen, bei sich die
Mobilitätswende voranzubringen. Die Bahn und den ÖPNV machen wir fit für dieses Jahrhundert.
Wir sorgen für den Erhalt unserer wertvollen Wälder, Moore und Flüsse. Und wir begründen
einen Gesellschaftsvertrag zwischen Politik, Landwirt*innen und Verbraucher*innen.
Die Energierevolution: erneuerbar heizen, wohnen, wirtschaften
Klimaneutralität heißt: raus aus den fossilen Energien. Nicht nur der Strom, auch das Benzin
in unseren Autos, das Kerosin im Flugzeugtank, das Öl für die Heizung und das Gas im
Industriebetrieb müssen auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Das ist nichts weniger
als eine Energierevolution. Dazu braucht es zuallererst eine massive Ausbauoffensive für die
Erneuerbaren. Daran hängt die Zukunft unseres Industriestandortes und unsere
Versorgungssicherheit. Mit einer umfassenden Steuer- und Abgabenreform wollen wir dafür
sorgen, dass die Sektorenkoppelung vorankommt und Strom zu verlässlichen und
wettbewerbsfähigen Preisen vorhanden ist. Das Energiemarktdesign ändern wir, sodass
erneuerbarer Strom nicht länger ausgebremst und doppelt belastet wird, sondern für Speicher
und die Produktion von Wärme oder Wasserstoff nutzbar gemacht wird – nach dem Prinzip
„nutzen statt abschalten“. Verteilnetze und Verbraucher*innen statten wir mit intelligenter
Technik aus, damit sie flexibel reagieren können, wenn gerade viel erneuerbarer Strom
produziert wird.
Ein Ordnungsrahmen für eine sozial-ökologische Marktwirtschaft
Wir müssen unsere Wirtschaft auf die Ziele der Klimaneutralität ausrichten und eine
Kreislaufwirtschaft etablieren. Den wirtschaftlichen Aufbruch nach der Corona-Krise und die
ökologische Modernisierung wollen wir zusammenbringen. Dazu braucht es eine sozial-
ökologische Neubegründung unserer Marktwirtschaft. Wir wollen mit ehrgeizigen Vorgaben in
Form von Grenzwerten, CO2-Reduktionszielen und Produktstandards der deutschen und
europäischen Wirtschaft Planungssicherheit geben und Impulse für neue Investitionen setzen.
Faire Preise sorgen dafür, dass sich klimagerechtes Handeln lohnt. Forschung und
Innovationen für klimagerechtes Wirtschaften wollen wir stärker fördern. Die öffentliche
Beschaffung richten wir konsequent auf die ressourcenschonendsten Produkte und
Dienstleistungen aus. So machen wir unsere Wirtschaft zum Spitzenreiter bei den modernsten
Technologien und schützen unsere natürlichen Lebensgrundlagen.
Grüne Digitalisierung
Ob vernetzte Fahrzeuge, effiziente Industrie, punktgenaue Verteilung regenerativer Energie
oder intelligente Bewässerung auf Feldern: Mit digitalen und datengetriebenen Innovationen
können wir den Energie- und Ressourcenverbrauch besser reduzieren und bei
Zukunftstechnologien führend werden. Hierzu fördern und priorisieren wir digitale
Anwendungen und Lösungen, die einen Beitrag zur Ressourcenschonung leisten oder nachhaltiger
sind als analoge. Rebound-Effekte gilt es zu vermeiden, Suffizienz zu unterstützen.
Ausschreibungs- und Beschaffungskriterien sind so anzupassen, dass möglichst ökologisch
nachhaltige Technologien vorrangig zum Einsatz kommen. Bei IT-Beschaffungen des Bundes
müssen Faktoren wie Herstellerabhängigkeit, Folgebeschaffung, technische Offenheit,
Reparaturfähigkeit und Nachhaltigkeit zwingend in die Bewertungen einfließen und
Zertifizierungen wie der Blaue Engel für IT-Produkte zum Standard werden. Wir wollen alle
Rechen- und Datencenter des Bundes nachhaltig umstellen, mit erneuerbarer Energie betreiben
und zertifizierte umweltfreundliche Hardware einsetzen.
Neue Arbeitsplätze mit guten Bedingungen
Eine ambitionierte Klimaschutzpolitik und der klimaneutrale Umbau der Wirtschaft sind die
beste Chance, um bestehende Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten und neue zu schaffen.
Die ökologische Modernisierung stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Unternehmen und
kann zur einer Renaissance von Industriearbeitsplätzen führen. Auf dem Weg zur
Klimaneutralität werden in den kommenden Jahren Hunderttausende neue Jobs entstehen – Green
Jobs. Sie entstehen im Handwerk und der Bauwirtschaft, in neuen Industriebereichen und der
Kreislaufwirtschaft, in der Batteriezellenproduktion und der Wasserstoffindustrie sowie in
neuen Dienstleistungsfeldern. Unser Anspruch ist, dass die neuen Jobs gut bezahlt und
tarifvertraglich organisiert sind sowie der betrieblichen Mitbestimmung unterliegen. Darauf
werden wir auch bei der Förderung von neuen Wirtschaftsfeldern achten.
Sicher im Wandel mit einem Qualifizierungs-Kurzarbeitergeld
Wir sehen es als unsere Verpflichtung, Unternehmen und ihre Beschäftigten auf dem Weg hin zu
einem klimaneutralen Wirtschaftssystem zu unterstützen. Gerade auch dort, wo sich Jobprofile
grundlegend verändern oder Arbeitsplätze verloren gehen. Es braucht in der ökologischen
Transformation ein noch viel besseres Angebot an Weiterbildung und Qualifizierung. Dazu
wollen wir ein Recht auf Weiterbildung einführen und mit einem Weiterbildungsgeld auch für
Erwerbstätige in Qualifizierungsphasen eine soziale Absicherung schaffen. Mit einem
Qualifizierungs-Kurzarbeitergeld ermöglichen wir Unternehmen, in Phasen der Transformation
ihre Beschäftigten im Betrieb zu halten und nachhaltig zu qualifizieren. Die
Qualifizierungs-Kurzarbeit koppeln wir eng an die Sozialpartnerschaft. Zudem wollen wir die
betriebliche Mitbestimmung bei Entscheidungen über die ökologische Transformation stärken.
Unternehmen, Gewerkschaften und Betriebsräte wissen gemeinsam am besten, wie die
Transformation zu gestalten ist.
Transformationsfonds für die Regionen
Die ökologische Modernisierung ist gerade für viele industriell geprägte Regionen eine große
Herausforderung. Um Regionen und insbesondere die dort ansässigen kleinen und mittleren
Unternehmen zu unterstützen, wollen wir regionale Transformationsfonds auflegen. Die
Förderung richtet sich an Unternehmen, die aus eigener Kraft den ökologischen Strukturwandel
nicht bewältigen können, mit ihrem Standort aber fest in der Region verankert sind und dort
bleiben wollen. Regionale Akteure aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften
sollen eingebunden werden und gemeinsame Visionen erarbeiten, wo die Region sozial und
wirtschaftlich in Zukunft stehen sollte. Gleichzeitig wollen wir neue Formate wie Reallabore
und Experimentierräume fördern, in denen Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft und
Kommunen gemeinsam an Lösungen für Herausforderungen vor Ort arbeiten und forschen.
Klimaschutz-Sofortprogramm auflegen
Zentrale Grundlagen unserer Politik sind das Klimaabkommen von Paris sowie der Bericht des
Weltklimarates zum 1,5-Grad-Limit, der verdeutlicht, dass jedes Zehntelgrad zählt, um das
Überschreiten von relevanten Kipppunkten im Klimasystem zu verhindern. Es ist daher
notwendig, auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen. Dafür ist unmittelbares und substanzielles
Handeln in den nächsten Jahren entscheidend. Doch aktuell lahmt der Ausbau der erneuerbaren
Energien, der Kohleausstieg kommt zu spät, im Verkehrs- und Gebäudesektor geht es kaum
voran. Wir werden ein Klimaschutz-Sofortprogramm auf den Weg bringen, das in allen Sektoren
sofort wirksame Maßnahmen anstößt, bestehende Ausbauhindernisse beseitigt, naheliegende
Einsparmöglichkeiten umsetzt. Wir werden das ungenügende Klimaschutzgesetz und den
Klimaschutzplan überarbeiten und – im Einklang mit dem höheren neuen europäischen Klimaziel
– das deutsche Klimaziel 2030 auf -70 Prozent anheben. Nur so kann es gelingen, dass wir
Europäer*innen deutlich vor Mitte des Jahrhunderts klimaneutral werden.
Klimagerechtes Wirtschaften belohnen
Effektiver und sozial gerechter Klimaschutz muss sich auch ökonomisch lohnen. Da derzeit die
Kosten der Schäden, die durch den Ausstoß einer Tonne CO2 entstehen, nur sehr gering
eingepreist werden, sind klimafreundlichere Alternativen oftmals noch nicht
wettbewerbsfähig. Das wollen wir durch einen klugen Mix aus CO2-Preisen, Anreizen und
Förderung sowie Ordnungsrecht ändern. Wollte man die Klimaziele allein über die Bepreisung
von CO2 erreichen, müsste der Preis 180 Euro betragen, was unweigerlich zu erheblichen
sozialen Unwuchten führen würde. Einige könnten sich rauskaufen, andere nicht mehr
teilhaben. Wir sehen in der CO2-Bepreisung also ein Instrument von vielen, das wir wirksam
und sozial gerecht einsetzen wollen. Das Europäische Emissionshandelssystem (ETS) ist im
Lichte des neuen EU-Klimaziels für 2030 zu reformieren, um seine Lenkungswirkung endlich
voll und ganz zu erfüllen. Mit einer deutlichen Reduzierung von Emissionszertifikaten und
der Löschung überschüssiger Zertifikate vom Markt erreichen wir einen CO2-Preis im Bereich
Strom und Industrie, der dafür sorgt, dass erneuerbare Energie statt Kohlestrom zu Einsatz
kommt. Sollte das auf europäischer Ebene nicht schnell genug gelingen, setzen wir auf einen
nationalen CO2-Mindestpreis im ETS für Industrie und Strom. Für die Bereiche Verkehr und
Wärme wurde in Deutschland auf Druck der Klimabewegung und von uns Grünen zudem ein CO2-
Preis eingeführt, dessen Lenkungswirkung aber weiter verbessert werden muss. Wir wollen die
Erhöhung des CO2-Preises auf 60 Euro auf das Jahr 2023 vorziehen. Danach soll der CO2-Preis
so ansteigen, dass er im Konzert mit den Fördermaßnahmen und ordnungsrechtlichen Vorgaben
die Erfüllung des neuen Klimaziels 2030 absichert.
Energiegeld einführen
Damit Klimaschutz sozial gerecht ist, wollen wir die Einnahmen aus dem CO2-Preis direkt an
die Bürger*innen zurückgeben. Dazu streben wir neben der Senkung der EEG-Umlage ein
Energiegeld an, das jede*r Bürger*in erhält. Über das Energiegeld geben wir alle
zusätzlichen CO2-Einnahmen an die Menschen zurück, und zwar fair aufgeteilt pro Kopf. So
kann man mit Klimaschutz Geld verdienen und es findet ein sozialer Ausgleich im System
statt. Unterm Strich werden so Geringverdiener*innen und Familien entlastet und vor allem
Menschen mit hohen Einkommen belastet. Bezieher*innen von Transferleistungen wie
Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe profitieren ebenfalls, da das Energiegeld nicht auf die
Grundsicherung angerechnet werden soll. Um zum Beispiel Pendler*innen mit niedrigen
Einkommen bei der Anpassung zu unterstützen, legen wir einen Fonds für
Transformationszuschüsse auf, der mit großzügigen Hilfen unterstützt, etwa beim Umstieg auf
ein emissionsfreies Auto.
CO2-Bremse für alle Gesetze
Wir wollen Klimaschutz systematisch in unserer Rechtsordnung aufnehmen. Die Vorgaben des
Pariser Klimavertrages wollen wir im Grundgesetz verankern und dem Staat mehr Möglichkeiten
geben, durch eine intelligente Steuergesetzgebung klimaschonendes Verhalten zu belohnen und
die fossilen Energieträger den wahren Preis zahlen zu lassen. Für Genehmigungsprozesse
führen wir eine Klimaverträglichkeitsprüfung ein. Mit einer CO2-Bremse machen wir
Klimaschutz zur Querschnittsaufgabe, indem wir Gesetze an ihrer Vereinbarkeit mit den
nationalen Klimaschutzzielen messen und ihre Klimawirkung entsprechend prüfen.
Wir schaffen Versorgungssicherheit mit Erneuerbaren
Schneller raus aus der Kohle
Nach dem Willen der Großen Koalition werden in Deutschland Kohlekraftwerke noch bis 2038 dem
Klima und unserer Gesundheit schaden. Das ist mit den Klimazielen nicht vereinbar. Wir
setzen uns dafür ein, den Kohleausstieg bis 2030 zu vollenden. Um nicht erneut den
Kohlekonzernen Milliarden an Steuergeldern zu schenken, wollen wir die massiven Klimaschäden
der Kohleverstromung einpreisen. Das ist am sinnvollsten über den EU-Emissionshandel zu
regeln – mit einem lenkenden CO2-Preis, der dem neuen EU-Klimaziel entspricht. Ein
beschleunigter Kohleausstieg bedarf im Sinne der Versorgungssicherheit eines massiven
Ausbaus der erneuerbaren Energien. Zugleich wollen wir für den Gesundheitsschutz die
Grenzwerte für Immissionen, insbesondere Quecksilber, aus Großfeuerungsanlagen anheben.
Niemand soll mehr für einen Tagebau sein Zuhause verlassen müssen.
Auf jedes neue Dach eine Solaranlage
Wir wollen eine Energiewende, bei der alle mitmachen können – Mieter*innen wie
Hausbesitzer*innen. Unsere Dächer können zu Kraftwerken werden – jedes Dach mit Solaranlage
hilft dem Klimaschutz. Die eigene Strom- und Wärmeenergie wird dezentral und vor Ort erzeugt
und genutzt. Unser Ziel sind 1 Million neue Solardächer in den kommenden vier Jahren.
Deshalb werden wir Solardächer fördern und zum Standard machen. Beginnend mit Neubauten,
öffentlichen und Gewerbegebäuden sowie Dachsanierungen wollen wir diesen Standard
perspektivisch auf den Bestand ausweiten. Leasing- und Pachtmodelle können hier
unterstützend wirken. Die Mieterstrom-Regeln werden wir deutlich vereinfachen. Mit allen
diesen Maßnahmen schaffen wir eine Verdoppelung der derzeitigen Photovoltaik-Zubaurate.
Photovoltaik in die Fläche bringen
Die Photovoltaik wollen wir nicht nur auf die Dächer, sondern auch in die Fläche bringen.
Neue Flächenkonkurrenzen wollen wir dabei vermeiden. Der Ausbau soll neben Autobahnen und
Schienen auf versiegelten Flächen, etwa über Parkplätzen und Brachen und auf Konversions-
oder Bergbauflächen, erfolgen und nicht auf wertvollem Ackerland. Agri-Photovoltaikanlagen,
d. h. Stromproduktion und landwirtschaftliche bzw. gartenbauliche Nutzung auf einer Fläche,
können einen wichtigen Beitrag für Klimaschutz und Ökologie leisten. Wenn man es richtig
anstellt, können Freiflächen-Anlagen zu kleinen Biotopen werden. Landwirtschaftsbetriebe
sollen für ökologische Leistungen Geld erhalten und so zusätzliche Erträge erzielen. Wichtig
zudem ist die Möglichkeit, direkte langfristige Stromlieferverträge abschließen zu können.
Bei der Planung gilt es die Bürger*innen frühzeitig einzubeziehen und zu beteiligen, von den
Erlösen müssen die Kommunen profitieren.
Mit Windenergieausbau den Wirtschaftsstandort Deutschland sichern
Auch beim Ausbau der Windkraft müssen wir schneller vorankommen. Unser Ziel ist ein
jährlicher Zubau von 5 bis 6 GW Wind an Land, bei Wind auf See wollen wir 35 GW bis 2035
erreichen. Beim Windausbau gilt es den Konflikt mit Natur- und Artenschutz zu minimieren,
Anwohner*innen zu schützen und die Verfahren zur Genehmigung zu beschleunigen. In einem
ersten Schritt wollen wir die erneuerbaren Energien als zwingend für die
Versorgungssicherheit definieren und dafür 2 Prozent der Fläche bundesweit nutzen. Alle
Bundesländer haben hierfür ihre entsprechenden Beiträge zu leisten. Verhinderungsplanungen,
etwa über exzessive Mindestabstände zu Siedlungen, müssen der Vergangenheit angehören. Mit
frühzeitiger Bürger*innenbeteiligung, klaren Vorrang- bzw. Eignungsgebieten für Wind sowie
mit Ausschlussgebieten sorgen wir für eine anwohner*innenfreundliche und naturverträgliche
Standortwahl und stärken den Populationsschutz bei Vögeln. Wir werden die Planungs- und
Genehmigungsverfahren durch vereinfachte Verfahren, mehr Personal und einheitliche
Bewertungsmaßstäbe beschleunigen. Repowering wollen wir erleichtern, sodass alte
Windenergieanlagen am gleichen Standort zügig durch leistungsstärkere ersetzt werden können.
Wir bauen unsere Offshore-Parks weiter aus und verbinden sie in der Europäischen
Energieunion mit den Solarparks der Mittelmeerstaaten, mit der Wasserkraft Skandinaviens und
der Alpen. Je vernetzter, desto stärker. Ein Kontinent ist für die Energiewende eine gute
Größe.
Unsere Energieinfrastruktur klimaneutral machen
Klimaneutralität in weniger als 30 Jahren heißt, dass die eine fossile Infrastruktur nicht
einfach durch eine andere fossile Infrastruktur ersetzt werden darf. Die Planung unserer
Infrastruktur für Strom, Wärme und Wasserstoff braucht daher ein Update und muss
Klimaneutralität in den Mittelpunkt stellen. Neue Gaskraftwerke oder Infrastrukturen, die
wir für den Kohleausstieg brauchen, darf es deshalb nur geben, wenn sie bereits Wasserstoff-
ready geplant und gebaut werden. Denn auch Erdgas ist ein klimaschädlicher Brennstoff,
insbesondere wenn man die zusätzlichen Emissionen bei seiner Förderung und dem Transport mit
einrechnet. Öffentliche Gelder für neue Import-Infrastruktur wollen wir daran binden, dass
die fossilen Energieträger darüber nur noch in einem begrenzten Zeitrahmen transportiert
werden. Neue Erdgas-Pipelines wie Nord Stream 2 zementieren auf Jahrzehnte Abhängigkeiten
von klimaschädlichen Ressourcen und konterkarieren die Energiewende. Sie sollten daher – im
konkreten Fall von Nord Stream 2 – auch aus geopolitischen Gründen gestoppt werden. Damit
stärken wir unsere energiepolitische Souveränität.
Eine grüne Wasserstoffstrategie
Wasserstoff aus erneuerbaren Energien ist zentral für eine klimaneutrale Welt. Deutschland
ist bei den Technologien zur Erzeugung von Wasserstoff vorne, diese Führungsrolle wollen wir
weiter ausbauen. Mit einer klaren Priorisierung und einem umfassenden Förderprogramm werden
wir die Kapazitäten zur Wasserstoffherstellung in Deutschland schaffen. Die Infrastruktur
für Wasserstoffimporte müssen wir jetzt etablieren. Wir werden faire Kooperationen mit wind-
und sonnenreichen Ländern anstoßen und ausbauen, um zusätzlich Wasserstoff zu importieren.
Für den Erfolg dieser Kooperationen ist es unabdingbar, die lokale Bevölkerung
einzubeziehen, Menschenrechte zu schützen und sich an den nachhaltigen Entwicklungszielen zu
orientieren. Damit Wasserstoff zur Klimaneutralität beiträgt, muss er aus erneuerbaren
Energien hergestellt werden. Das gilt auch für Wasserstoffimporte. Die Vorstellung, alte
fossile Technologien wie Verbrennungsmotoren mit Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen
zu betreiben, ist bestenfalls eine Illusion, schlimmstenfalls eine Verzögerungstaktik. Die
Herstellung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen ist extrem energieintensiv und
teuer, die direkte Nutzung von Strom durch Batterien oder Wärmepumpen viel effizienter. Es
gilt daher Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe dort zum Einsatz zu bringen, wo sie
wirklich gebraucht werden: etwa in der Industrie oder beim Flugverkehr.
Einen Markt für Ökostrom schaffen
Die Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vor über 20 Jahren war der
Startschuss für die Energiewende in Deutschland. Doch jetzt, bei einem Erneuerbaren-Anteil
von fast 50 Prozent im Strombereich, brauchen wir ein Energiemarktdesign, das Ökostrom in
den Mittelpunkt rückt und zugleich die Sektorenkopplung unterstützt. Unser Ziel ist, dass
erneuerbarer Strom künftig stärker marktgetrieben und systemdienlich vergütet wird. In einem
ersten Schritt werden wir dafür sorgen, dass auch außerhalb des EEG langfristige
Lieferverträge zwischen Ökostromerzeugern und Verbraucher*innen geschlossen werden können.
Zudem wollen wir den Ökostrommarkt für neue EEG-Anlagen öffnen, sodass Endkund*innen deren
Strom direkt kaufen können. In einem zweiten Schritt geht es darum, nicht die Arbeit,
sondern die zur Verfügung gestellte Leistung zu entlohnen. Damit stärken wir
Sektorenkopplung und Versorgungssicherheit. Wenn bei fossilen Energien die CO2-Kosten
stärker eingepreist und neue Instrumente etwa für Refinanzierung und Mietermodelle
geschaffen sind, kann in einem dritten Schritt die EEG-Umlage für Neuanlagen auslaufen.
Die Bürger*innen an der Energiewende beteiligen
Wir wollen, dass von der Energiewende möglichst viele profitieren. Deshalb werden wir
Bürger*innen-Projekte bei Wind- und Solarparks besonders fördern und die Kommunen
verbindlich an den Einnahmen aus den Erneuerbaren-Anlagen beteiligen. Gerade der ländliche
Raum kann so von den Gewinnen profitieren. Bürger*innen-Energieprojekte wollen wir mit einer
Ausnahmeregelung bei den Ausschreibungen wieder stärken. Zudem wollen wir Mieterstrom
fördern und entbürokratisieren, damit Mieter*innen stärker die Möglichkeit bekommen, vom
Ausbau der Erneuerbaren zu profitieren.
Netzausbau beschleunigen
Um die Energiewende zum Erfolg führen zu können, müssen wir auch die Stromleitungen
schneller ausbauen. Sie sorgen dafür, dass der Strom von dort, wo er erzeugt wird, so
schnell wie möglich dorthin gelangt, wo er benötigt wird. Voraussetzung für einen weiteren
Netzausbau ist, dass er systemdienlich erfolgt und alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden,
die bestehenden Netze optimal auszunutzen. Zentral ist eine frühzeitige
Bürger*innenbeteiligung. Sie erhöht die Qualität der Planung und trägt nachweislich dazu
bei, dass potenzielle Klagegründe bereits zu Beginn gemeinsam ausgeräumt statt am Ende vor
Gericht geklärt werden. Klar ist auch: Die Erneuerbaren genießen Vorrang im Netz. Da
Stromübertragungsnetze natürliche Monopole und zugleich kritische Infrastruktur darstellen,
wollen wir den öffentlichen Einfluss darauf stärken. Dazu wollen wir nach Möglichkeit die
staatlichen Anteile an den vier Übertragungsnetzbetreibern in Deutschland erhöhen und sie in
eine Bundesnetzgesellschaft in Bundeshand überführen. Wir treiben außerdem eine Reform der
Netzentgelte voran, um über einheitliche Netzentgelte zu mehr Fairness zwischen Stadt und
Land und Nord und Süd beizutragen.
Klima-Sanierungsoffensive bei Gebäuden
Es ist höchste Zeit, dass alle Neubauten und umfassende Sanierungen klimaneutral erfolgen.
Dreh- und Angelpunkt sind hohe Baustandards: bei Neubauten KfW 40, was in etwa dem
Passivhausstandard entspricht, im Gebäudebestand nach Sanierung KfW 55 – mit Ausnahmen für
denkmalgeschützte Gebäude. Die Sanierungsquote muss deutlich gesteigert werden. Für den
Bestand muss gelten: Sobald ein Eigentümerwechsel erfolgt, wird ein Sanierungsfahrplan
erstellt. Wenn im Gebäudebestand ein Heizungsaustausch ansteht oder umfassend saniert wird,
sollen Erneuerbare, wo immer möglich, verbindlich zum Einsatz kommen. Wir legen dazu ein
Investitionsprogramm für 2.000.000 Wärmepumpen bis 2025 auf. Auch die Fern- und Nahwärme
wollen wir dekarbonisieren. Dabei ist es für die Energieeffizienz maßgeblich, von der
Einzelbefeuerung weg und hin zu verknüpften Systemen zu kommen, in denen aus verschiedenen
Erneuerbaren-Quellen wie Abwärme, Solarthermie oder Power-to-Heat Wärme eingespeist wird.
Solche verbundenen Energiesysteme werden wir fördern, besonders in städtischen Gebieten.
Wärmewende fair gestalten
Die Wärmewende muss mit wirksamem Mieter*innenschutz und gezielter Förderung einhergehen.
Wir wollen mit dem sogenannten Drittelmodell die Kosten für klimafreundliche
Modernisierungen fair zwischen Vermieter*innen, Staat und Mieter*innen verteilen, sodass sie
für alle bezahlbar und für die Vermieter*innen angemessen wirtschaftlich werden. Die
Modernisierungsumlage wollen wir strikt begrenzen, damit Kosten nicht einfach auf die
Mieter*innen abgewälzt werden können. Mit einem Zuschuss zum Wohngeld, dem Klimawohngeld,
ermöglichen wir auch Empfänger*innen von Wohngeld, in klimafreundlichen Wohnungen zu leben.
Eigenheimbesitzer*innen werden wir mit Steuervergünstigungen und zielgerichteten
Förderprogrammen helfen.
Atomausstieg vollenden – Endlagersuche zum Erfolg führen
Wir werden Ende 2022 den Atomausstieg in Deutschland vollenden. Doch obwohl Atomkraft eine
Hochrisikotechnologie ist, wird bei uns immer noch Uran angereichert, werden Brennstäbe
hergestellt und exportiert. Unser Ziel ist es, die Atomfabriken in Gronau und Lingen durch
eine restriktivere Exportpolitik stark einzuschränken und perspektivisch zu schließen. Zum
Atomausstieg gehört auch, einen Endlagerstandort für den hochradioaktiven Atommüll zu
finden. Wir bekennen uns zum verabredeten Pfad der Endlagersuche. Entscheidend für den
Endlagerstandort sind höchste Sicherheitsstandards bei bestmöglichen geologischen
Bedingungen und Rückholbarkeit; die Suche hat auf Basis von wissenschaftlichen Kriterien und
mit größtmöglicher Transparenz und Beteiligung der Bevölkerung zu erfolgen. Auch in der EU
wollen wir den Einstieg in den Ausstieg vorantreiben. Wir setzen uns dafür ein, den Euratom-
Vertrag zu reformieren. Gemeinsam mit anderen engagierten Mitgliedstaaten wollen wir dafür
sorgen, dass nicht mehr die Atomkraft privilegiert wird, sondern die erneuerbaren Energien
stärker gefördert werden.
Wir sorgen für nachhaltige Mobilität
Investitionen für starke Bahnen in Stadt und Land
Die Bahn ist ein öffentliches, soziales Gut und das Rückgrat einer nachhaltigen
Mobilitätswende. Wir wollen den Bahnverkehr ausbauen, alle deutschen Großstädte mit
regelmäßigen Verbindungen an den Fernverkehr anschließen und in ländlichen Räumen in
größerem Umfang Anschlüsse an das Schienennetz reaktivieren. Entwidmung von Bahnstrecken
soll es nicht mehr geben. Auch den grenzüberschreitenden Zugverkehr gilt es im Rahmen eines
Europatakts deutlich zu stärken, ein attraktives europäisches Schnell- und Nachtzugnetz
aufzubauen und die Lücken in regionalen, grenzüberschreitenden Nahverkehrsverbindungen zu
schließen. Bahnhöfe wollen wir zu modernen Mobilitätsstationen aufwerten und die Kombination
von Fahrrad und öffentlichem Verkehr stark verbessern. Die Investitionsmittel für die Bahn
werden wir dafür massiv anheben. Den Deutsche-Bahn-Konzern wollen wir transparenter und
effizienter machen, die Strukturen für mehr Schienenverkehr neu ordnen und in neuer
staatlicher Verantwortung am Gemeinwohl ausrichten. Der Bund muss zudem mehr Verantwortung
für das Schienennetz und die Koordinierung des Zugverkehrs im Deutschlandtakt übernehmen.
Wir setzen auf ein Wachstum der Schiene und sichere Arbeitsplätze im Bahnbereich.
ÖPNV ausbauen
Busse und Bahnen sind für alle da, bieten preiswerte Mobilität und verringern den
Autoverkehr. Wir wollen die Fahrgastzahlen im ÖPNV bis 2030 verdoppeln. Dazu muss der
öffentliche Personennahverkehr attraktiver und innovativer und mit dem Fernverkehr verknüpft
werden. Zusammen mit den Ländern werden wir eine Zukunfts- und Ausbauoffensive starten,
Investitionen in Fahrzeuge und das ÖPNV-Netz erhöhen, die Mittel für den Betrieb von
Regionalbahnen ausweiten und die Finanzierungsinstrumente an das Ausbauziel anpassen. Auch
die Beschaffung von emissionsfreien Bussen wollen wir durch attraktive Konditionen für die
Kommunen vorantreiben. In Modellprojekten sind Kommunen dabei zu unterstützen, auf einen
umlagefinanzierten preiswerten ÖPNV umzusteigen.
Fahrradnetz für ganz Deutschland
Das Fahrrad hat für die Mobilitätswende riesiges Potenzial. Um es auszuschöpfen, wollen wir
Deutschland zum Fahrradland machen. Radfahren muss sicher und attraktiv sein – überall.
Radwege in Städten, Pendelstrecken oder Verbindungen von Dorf zu Dorf wie auch touristische
Radwege sollen sich durch hohe Qualität und eine gute Beschilderung auszeichnen. Unsere
Vision ist ein lückenloses Fahrradnetz in ganz Deutschland. Wir richten die Verkehrspolitik
an den Zielen und Empfehlungen des Nationalen Radverkehrsplans aus, erhöhen die
Förderprogramme für Ausbau und Modernisierung der Radinfrastruktur und reformieren das
Straßenverkehrsrecht, damit Radfahrer*innen besser geschützt sind und mehr Platz im
Straßenraum bekommen.
Mobilpass einführen
Autonomes Fahren, vernetzte Mobilitätsangebote, nutzen statt besitzen – der digitale
Fortschritt wird unseren Alltag in den nächsten Jahren grundlegend verändern. Wir wollen die
deutsche Mobilitätswirtschaft zum Vorreiter für neue Mobilitätslösungen machen und die
Chancen der Digitalisierung für eine Verkehrswende nutzen. Echtzeitinformationen und ein
einheitliches Ticketsystem müssen im ÖPNV Standard werden. Damit man problemlos überall von
A nach B kommt, wollen wir mit dem Mobilpass die Angebote von 120 Verkehrs- und
Tarifverbünden in Deutschland verknüpfen und Sharing- und Ridepooling-Dienste so
integrieren, dass Sozial- und Umwelt-Dumping ausgeschlossen sind. Wir wollen den Wechsel zu
Fahrrad, Bus und Bahn für alle möglich machen und auch finanziell fördern. Deshalb wollen
wir mit dem Mobilpass auch attraktive Tarife und Sozialtarife fördern. Ein Haushalt, der
sein Auto dauerhaft abmeldet, soll zudem für ein Jahr eine Mobilitätsprämie für die Nutzung
umweltfreundlicher Verkehrsmittel bekommen. Für autonomes Fahren schaffen wir einen
Rechtsrahmen mit Schwerpunkt auf dem öffentlichen Verkehr.
Mehr Sicherheit im Straßenverkehr
Alle Menschen sollen sich in ihrem Alltag angstfrei fortbewegen und unversehrt ihre Ziele
erreichen können. Damit mehr Menschen auf das Fahrrad steigen, öfter zu Fuß gehen – sei es
zur nächsten Haltestelle oder S-Bahn-Station – und auf diese Weise Städte vom Autoverkehr
entlasten, sind zeitgemäße Verkehrsregeln, die folgenschwere Verkehrsunfälle verhindern,
entscheidend. Unser Ziel ist die Vision Zero, d. h. keine Toten und Schwerverletzten mehr im
Straßenverkehr. Wir wollen Kommunen ermöglichen, in geschlossenen Ortschaften das Regel-
Ausnahme-Verhältnis beim Tempolimit umzukehren. Für die Autobahnen wollen wir ein
Sicherheitstempo von 130 Stundenkilometern. Um die vielen Unfälle von Fahrradfahrer*innen
und Fußgänger*innen in Innenstädten durch abbiegende Schwerlasttransporter zu verhindern,
wollen wir verpflichtende Vorgaben für Lkw-Abbiegeassistenzsysteme einführen.
Autos der Zukunft bauen
Das Auto der Zukunft wird im Sinne der Lebensqualität aller leiser, digitaler und
klimaneutral sein. Der technologische Wettlauf ist in vollem Gange. Damit das Auto der
Zukunft weiter in Deutschland entwickelt und produziert wird, braucht es klare politische
Leitplanken. Ab 2030 sollen deshalb nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden, zum
Beispiel durch eine ansteigende nationale Quote für emissionsfreie Autos. So sorgen wir für
saubere Luft in Innenstädten, erfüllen unsere Klima- und Umweltziele, und die
Automobilindustrie kann ihre Entwicklungsarbeit verlässlich auf Elektromobilität ausrichten.
Das sichert zukunftsfähige Arbeitsplätze und neue Geschäftsmodelle. Wir setzen uns für
schärfere europäische CO2-Flottengrenzwerte ein. Den Kauf emissionsfreier Autos wollen wir
über ein Bonus-Malus-System in der Kfz-Steuer fördern. Saubere Autos werden billiger,
klimaschädliche teurer. Wir beenden die Dieselsubvention und gestalten die
Dienstwagenbesteuerung ökologisch um. Wir beschleunigen den flächendeckenden Ausbau einer
einheitlichen Ladeinfrastruktur, inklusive Schnellladesäulen und öffentlicher Ladepunkte im
ländlichen Raum. Laden muss flächendeckend in Deutschland und Europa schnell und bequem
möglich sein.
Moderne Verkehrsinfrastruktur
Die Verkehrspolitik hat jahrzehntelang einseitig Straßenbau und Pkw-Verkehr gefördert. Sie
reißt damit alle Klima- und Nachhaltigkeitsziele und führt doch tagtäglich zu Staus. Das hat
keine Zukunft – moderne Mobilität für dieses Jahrhundert verlangt neue Prioritäten.
Deutschland braucht eine Infrastrukturentwicklung, die an den Zielen der Mobilität für alle
und an Klimaneutralität ausgerichtet ist und den Fokus auf den Ausbau von Schienen, Radwegen
und auf eine intelligente Vernetzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel legt. Auch die
Vermeidung von Verkehr, unter anderem durch bessere Bedingungen für Homeoffice und die
Wiederkehr der Nahversorgung in Orte und Stadtviertel, werden wir unterstützen. Wir werden
einen Bundesnetzplan 2050 erarbeiten, in dem der Neu- und Ausbau der Verkehrsträger Straße,
Schiene und Wasserstraßen im Hinblick auf die Erreichung der Klimaziele neu bewertet wird.
Die anstehende Überprüfung des aktuellen Bundesverkehrswegeplans werden wir nutzen, um nicht
planfestgestellte Straßenneubauprojekte, insbesondere Autobahnabschnitte, noch einmal auf
den Prüfstand zu stellen und mit einem Klima- und Umweltcheck neu zu bewerten. Die
Investitionen werden wir umschichten zugunsten der Sanierung maroder Infrastruktur und des
Ausbaus der Schienen- und Radwegeinfrastruktur.
Mobil auf dem Land durch eine Mobilitätsgarantie
Das Auto ist für viele Menschen im ländlichen Raum unverzichtbar und gerade für viele
Familien im ländlichen Raum kaum wegzudenken. Dort setzen wir deshalb an erster Stelle auf
die Chancen der Antriebswende. Das E-Auto ist insbesondere im Paket mit Solaranlagen auf dem
Dach, einem Stromspeicher im Keller und einer Wallbox in der Garage eine zukunftsfähige
Lösung, die wir gerade im ländlichen Raum ausbauen wollen. Doch auch auf dem Land muss
Mobilität ohne Auto möglich sein, das Angebot muss wachsen, gerade für Pendler*innen,
Jugendliche und ältere Menschen. Wir wollen die Länder dabei unterstützen, eine
Mobilitätsgarantie mit Standards für Erreichbarkeit und Erschließung einzuführen, erweiterte
Angebote an öffentlicher Mobilität in ländlichen Räumen zu entwickeln und Radwege
auszubauen. Gerade in strukturschwachen Regionen braucht es eine regelmäßige und
verlässliche Anbindung an den ÖPNV, an Mobilitätsdienstleistungen wie Ridepooling- und On-
Demand-Verkehre sowie öffentliche Stromtankstellen.
Mobilitätswende in der Stadt
Nirgendwo wird die Mobilitätswende sehnlicher erwartet als in den Innenstädten: Unfälle,
Staus, Abgase, Lärm, zu wenig Platz für Kinder zum Spielen – die autozentrierte Stadt ist
nicht nur klimaschädlich, sondern auch kein schöner Ort zum Leben. Wir wollen die Städte bei
der Mobilitätswende gezielt unterstützen, es ihnen erleichtern, sichere Radwege und
attraktive Fußwege anzulegen und verkehrsberuhigte oder autofreie Innenstädte und
Stadtviertel zu schaffen. Die Städte sollen mehr Möglichkeiten bekommen, regulierend in den
Autoverkehr einzugreifen und öffentlichen Raum neu aufzuteilen, zum Beispiel indem Autos
nicht mehr überall, sondern nur noch auf gekennzeichneten Plätzen parken dürfen. Die
Ausweitung von umweltfreundlichem Carsharing werden wir fördern, damit der Pkw-Bestand in
den Städten abnimmt.
Flugverkehr klimaneutral ausrichten
Fliegen hat unsere Welt näher zusammengebracht. Zugleich ist es wegen seines immensen
Kerosinverbrauchs die klimaschädlichste Fortbewegungsart. Nach der Pandemie wollen wir kein
Zurück zum blinden Wachstum des Luftverkehrs, sondern diesen am Ziel der Klimaneutralität
ausrichten. Kurzstreckenflüge wollen wir bis 2030 überflüssig machen, indem wir die Bahn
massiv ausbauen. Die Zahl von Langstreckenflügen gilt es zu vermindern und das Fliegen
gleichzeitig zu dekarbonisieren. Um Kerosin durch klimaneutrale Treibstoffe zu ersetzen,
wollen wir die bestehende Beimischungsquote erhöhen und einen Anstiegspfad festschreiben.
Den Aufbau von Produktionsanlagen und moderner Flugzeugtechnologie fördern wir.
Umweltschädliche Subventionen im Flugverkehr sind abzubauen und Finanzhilfen für
unwirtschaftliche Regionalflughäfen zu beenden. Neben einer Reduktion des Fluglärms durch
weniger und bessere Flugzeuge braucht es ein echtes Nachtflugverbot.
Zukunftsfähiger Güterverkehr
Jeden Tag werden durch Deutschland Millionen Tonnen an Gütern transportiert, heute zumeist
in Form endloser Lkw-Karawanen auf unseren Straßen. In einem klimaneutralen Deutschland muss
auch der Güterverkehr zukunftsfähig sein. Wir setzen auf regionale Wirtschaftskreisläufe,
die Chancen der Digitalisierung und Vernetzung bei der Organisation der Logistik und wollen
mehr Güter mit der Bahn transportieren. Dazu wollen wir die Kombination von Straße und
Schiene ertüchtigen und dafür sorgen, dass Industrie und Gewerbe wieder ans Bahnnetz
angeschlossen werden. In der Schifffahrt heißt es: weg vom Schweröl und stattdessen den
Einsatz alternativer Kraftstoffe und Antriebe forcieren. Den ausufernden Lkw-Verkehr wollen
wir durch eine CO2-orientierte Maut regulieren. Zusammen mit ambitionierten CO2-
Flottengrenzwerten und der Förderung klimafreundlicher Antriebe werden auch Lkw absehbar
emissionsfrei. Für mehr Sicherheit im Lkw-Bereich braucht es eine bessere Durchsetzung von
Arbeitszeitvorschriften. Auch die Arbeitsbedingungen der Lkw-Fahrer*innen müssen erheblich
verbessert werden. In der städtischen Logistik wollen wir den Einsatz von Lastenrädern und
neue Verteilkonzepte wie Cityhubs oder Güterbeförderung auf Schienen fördern.
Wir schützen Natur und Umwelt für ein gutes Leben
Artensterben stoppen
Biologische Vielfalt sichert das Leben auf der Erde. Ökologische Leitplanken müssen daher
unser Handeln definieren – als „Barometer des Lebens“. Um die Krise der Artenvielfalt zu
überwinden und das massenhafte Artensterben zu beenden, brauchen wir vor allem eine andere
Landnutzung. Wie beim Klimaschutz zählt beim Naturschutz jeder Tag. Deshalb werden wir hier
ein Sofortprogramm Artenschutz auflegen, mit dem wir den Pestizideinsatz verringern, den
Einsatz von Glyphosat untersagen, den Verkauf von naturwertvollen bundeseigenen Flächen zur
Bebauung und die Entwässerung von moorigen Standorten im Bundesbesitz stoppen. Wir werden
Naturschutzkorridore schaffen, Natura-2000-Gebiete gemeinsam mit den Ländern verteidigen und
verbessern sowie Schutzgebiete, wo möglich, vergrößern bzw. neue schaffen. 10 Prozent der
Gelder aus dem Energie- und Klimafonds sollen für Klimaschutz durch Naturschutzmaßnahmen
eingesetzt werden. Mit einem Wildnisfonds wollen wir dafür sorgen, dass sich auf mindestens
2 Prozent der Landesfläche wieder echte Wildnis entwickeln kann. Um Natur zu retten, gilt es
bis 2030 den Flächenverbrauch zu halbieren. Bei neuer Straßenverkehrsinfrastruktur sowie
Siedlungs- und Industriegebieten muss mehr auf den Naturschutz geachtet werden. Das werden
wir bei Bundesinfrastrukturprojekten umsetzen und zugleich Landes- und Kommunalverwaltungen
dabei unterstützen, nicht mehr benötigte versiegelte Flächen der Natur zurückzugeben oder im
Innenbereich zu verdichten.
Unseren Wald retten
Unser Wald ist durch die Klimakrise stark bedroht. Wir erleben heute schon ein Waldsterben,
das weitaus größere Schäden anrichtet, als in den 80er Jahren durch den sauren Regen
entstanden sind. Naturnahe, artenreiche und klimastabile Waldökosysteme sind
widerstandsfähiger als Monokulturen. Wir wollen gesetzliche Mindeststandards für eine
naturnahe Waldbewirtschaftung festlegen und den Umbau und die Wiederbewaldung nach
ökologischen Bewirtschaftungsvorgaben unterstützen. Das dient auch dem ökonomischen
Mehrwert. Die Bewirtschaftung von Flächen der öffentlichen Hand soll an ökologische
Kriterien – im Wald nach FSC, in der Landwirtschaft nach Ökolandbau zertifiziert – geknüpft
werden. Wir wollen 5 Prozent unserer Wälder komplett aus der Nutzung nehmen. Dazu weisen wir
Naturwälder aus und machen sie zu Urwäldern von morgen. Weitere Dürrejahre vergrößern die
Waldbrandgefahr. Gemeinsam mit Kommunen und Ländern wollen wir eine bundesweite Präventions-
und Bekämpfungsstrategie erarbeiten.
Biologische Vielfalt an Land und im Meer schützen
Der Artenrückgang und die Zerstörung natürlicher Lebensräume schreiten auch global weiter
voran. Wir werden uns für ein ambitioniertes Abkommen der Vereinten Nationen zum Erhalt der
biologischen Vielfalt einsetzen. Es sollen entsprechend der Biodiversitätsstrategie der
Europäischen Union mindestens 30 Prozent der Landfläche und 30 Prozent der Meere geschützt
werden, davon 10 Prozent der EU-Landflächen und 10 Prozent der EU-Meeresgebiete mit strengen
Schutzvorgaben, nötig ist außerdem ein Entwaldungsstopp für die Schutzgebiete an Land. Die
UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung wollen wir in einem solchen Abkommen als neue
Leitprinzipien verankern und für eine kohärente Politik sorgen. Insbesondere im
Meeresbereich verfolgen wir eine gemeinsame internationale Meeresstrategie. Wir werden uns
dafür einsetzen, den Schutz der Meere über verbindliche Abkommen zu schärfen,
Vollzugsdefizite und Regellücken zu schließen und damit den Schutz des Meeres in den Fokus
zu rücken, damit legale Verschmutzung, wie zum Beispiel Tankwäschen auf hoher See, verboten
und Übernutzung verhindert wird.
Flüsse und Moore schützen
Die Renaturierung von Flüssen und Wäldern und die Wiedervernässung von Mooren – all das
schützt nicht nur seltene Lebensräume und die Biodiversität, sondern auch das Klima.
Naturnahe Bäche und die letzten frei fließenden Flüsse wie die Elbe müssen erhalten bleiben,
einen Ausbau der Oder lehnen wir ab. Flüsse mit weiten Auen und Überschwemmungsgebieten sind
auch der beste Schutz gegen Hochwasser. Daher werden wir die Aufgaben der
Bundeswasserstraßenverwaltungen stärker ökologisch ausrichten. Spezifische Programme für
wilde Bäche, naturnahe Flüsse, Seen, Auen und Feuchtgebiete wie das Blaue Band wollen wir
stärken und die EU-Wasserrahmen-Richtlinie konsequent umsetzen. Moorschutz ist Klimaschutz.
Daher wollen wir unsere Moore so schnell wie möglich wiedervernässen. Dazu legen wir
gemeinsam mit den Ländern ein großflächig wirksames Moor-Renaturierungsprogramm auf.
Wiedervernässte Moore müssen zu einem Teil Schutzgebiete werden, ein anderer Teil sollte
nachhaltig genutzt werden. Daher wollen wir Paludikultur stärken, also die
landwirtschaftliche Nutzung von nassen Hoch- und Niedermooren.
Sauberes Wasser ist Leben
Wasser ist unser wichtigstes Lebensmittel. Nitrat, Waschmittelrückstände und
Medikamentenreste, die Grundwasser, Seen und Flüsse belasten, gehören nicht ins Abwasser.
Deshalb wollen wir klare gesetzliche Vorgaben etwa zur Flächenbindung der Tierhaltung und
des Pestizideinsatzes verankern. Ein Verursacherfonds und eine Reform der Abwasserabgabe
sollen so zu einer fairen Verteilung der Kosten von Abwasser- und Trinkwasseraufbereitung
führen. Durch eine Stärkung der Produktverantwortung von Herstellern und genaue
Genehmigungs- und Entsorgungsvorschriften für Medikamente können wir die Gefahren von
Arzneimittelrückständen im Wasser und Resistenzen von Keimen verringern. Setzen wir das EU-
Recht konsequent um, reduzieren wir den Eintrag von hormonverändernden Stoffen und
Mikroplastik im Wasser. Den Vorrang der öffentlichen Wasserversorgung gegenüber gewerblicher
Nutzung gilt es sicherzustellen, Wiederverwendung von Abwässern und Speicherung von
Regenwasser wollen wir regeln und Anreize zum Wassersparen schaffen.
Meere schützen, Plastikmüllflut stoppen
Die Meere befinden sich in einem katastrophalen Zustand – und dieser droht sich durch
weitere Versauerung, Überdüngung, Verschmutzung und Plastikmüll noch zu verschlechtern. Um
die Plastikmüllflut zu stoppen, wollen wir ein Sofortprogramm mit verbindlichen
Müllvermeidungszielen auflegen. Wir wollen Technik und Maschinen fördern, die eine Bergung
der Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee ermöglichen. Um die Fischbestände zu
stabilisieren und Fischer*innen eine nachhaltige Perspektive zu geben, wollen wir eine
regionale, umwelt- und artenschonende Fischerei unterstützen und die Betriebe fördern, die
Fangmengen und Netzlängen reduzieren, die neue bzw. althergebrachte Fanggeräte erproben oder
einsetzen und sich für touristische Angebote öffnen. In Meeresschutzgebieten regulieren wir
die Schleppnetz- und Stellnetzfischerei sowie die touristische Nutzung. Aus den
Erdölförderanlagen in der Nordsee treten durch Unfälle, ölhaltigen Bohrschlamm mit
Bohrabfällen und auch durch die Abfackelung von Gas giftige Stoffe aus. Wir setzen uns für
ein Ende der Förderung fossiler Energieträger ein. In der deutschen Ausschließlichen
Wirtschaftszone (AWZ) wollen wir einen sofortigen Stopp neuer Öl- und Gasbohrungen umsetzen
sowie ein Förderende bis 2025. Auf europäischer und internationaler Ebene setzen wir uns für
ein Ende der Öl- und Gasförderung in der gesamten Nord- und Ostsee ein. Wir wollen auch den
Ausstieg aus dem Kies- und Sandabbau vorantreiben. Für lebendige Weltmeere sind die
Umsetzung der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie und verbindliche Abkommen über Fangquoten,
ein Ende der Fischereisubventionen, ein Tiefseebergbaumoratorium sowie die Ausweisung von
großflächigen Meeresschutzgebieten überlebensnotwendig.
Das Ende des Mülls
Der Mehrweganteil bei Getränken sinkt seit Jahren. To-go-Becher werden nur für wenige
Minuten genutzt, bevor sie zu Müll werden. Ausgediente Handys und Tablets verstauben in
Schubladen, obwohl sie wiederverwendet oder recycelt werden könnten. Unser Ziel ist Zero
Waste. Es soll kein Müll mehr verursacht und die Ressourcenverschwendung gestoppt werden.
Dafür wollen wir das komplizierte Pfandsystem entwirren. Jede Flasche soll in jeden
Pfandautomaten passen, den To-go-Mehrwegbecher machen wir bis 2025 zum Standard. Auf
europäischer Ebene treten wir für ein EU-weites Pfandsystem ein. Damit Ressourcenschätze aus
alten Elektrogeräten zurück in den Kreislauf finden, schaffen wir ein Pfand auf Handys,
Tablets und energieintensive Akkus. Das Verpackungsgesetz entwickeln wir zu einem
Wertstoffgesetz weiter, das Mehrwegquoten und Pfand auf alle Einweg-Plastikflaschen
vorsieht. Die Kreislaufwirtschaft wird das neue Normal. Im Kreislaufwirtschaftsgesetz räumen
wir allen ökologisch vorteilhaften Mehrwegprodukten Vorrang ein. Wir setzen uns für ein
Verbot des Exports von Plastikmüll in Länder außerhalb der EU ein.
Giftfreie Produkte im Alltag
Plastikrückstände befinden sich bereits in den Körpern von Kindern und Jugendlichen. Die
Weltgesundheitsorganisation sieht in hormonstörenden Chemikalien eine globale
Gesundheitsbedrohung. Wir wollen giftige Chemikalien, die Erkrankungen wie Krebs, Diabetes
oder ungewollte Kinderlosigkeit auslösen können, aus allen Alltagsprodukten verbannen, indem
wir das EU-Recht im Chemikalienbereich schnell und konsequent umsetzen. Im Rahmen der
Chemikalienverordnung REACH wollen wir weitere Einschränkungen für gefährliche Stoffe und
werden entsprechende Vorschläge machen. Besonderes Augenmerk richten wir auf Spielzeug,
Kinderpflegeprodukte und andere Alltagsprodukte wie Textilien, Möbel oder Elektronik.
Deutschland sollte dem Beispiel Frankreichs folgen und nachgewiesen giftige Chemikalien wie
Bisphenol A in Kochgeschirr und Lebensmittelverpackungen oder per- und polyfluorierte
Kohlenwasserstoffe in Papier und Pappe verbieten. Unser Ziel ist, dass die Menschen gesund
in einer gesunden Umwelt leben können.
Saubere Luft zum Atmen
Wir alle brauchen saubere Luft zum Atmen. Doch Abgase aus dem Verkehr, aus Kohlekraftwerken
oder alten Ölheizungen machen krank. Schlimmer noch: Nach Berechnung der Europäischen
Umweltagentur sterben allein in Deutschland pro Jahr 70.000 Menschen vorzeitig durch von
Luftverschmutzung verursachte Krankheiten. Um die Luft zu verbessern, bietet die ökologische
Modernisierung riesige Chancen. E-Autos, Solar- und Windenergie schützen unsere Luft. Wir
wollen diese Entwicklung beschleunigen und die Minderungsziele für Luftschadstoffe und die
Grenzwert-Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation schnellstmöglich umsetzen.
Klimaanpassung und mehr Natur in der Stadt
Schon heute hat sich die Erde um 1,2 Grad erhitzt. Die Folgen sind mit Hitzesommern,
Waldsterben und Dürren längst auch in unserem Land spürbar und treffen oft die am härtesten,
die in schwierigeren Umständen leben. Während wir um jedes Zehntelgrad weniger an
Erderhitzung kämpfen, müssen wir uns zugleich an diese Veränderungen anpassen. Unsere Städte
wollen wir besser gegen Hitzewellen wappnen – mit mehr Stadtgrün, Fassadenbegrünung und
Trinkbrunnen. Es gilt unsere Städte so umzugestalten, dass sie mehr Wasser aufnehmen und
speichern und im Sommer kühlend wirken. Öffentliche Trinkwasserversorgung muss Vorrang vor
einer Privatnutzung haben. Auch für Tiere und Pflanzen sind unsere Städte immer wichtigere
Lebensräume. Wir wollen die Natur in der Stadt ausweiten und dafür zum Beispiel die
Lichtverschmutzung eindämmen, die sich negativ auf Menschen und Tiere auswirkt.
Wir stärken Bäuer*innen, Tiere und Natur
Landwirtschaft fit für die Zukunft machen
Wir wollen Umwelt-, Tier-, Klima- und Gewässerschutz und landwirtschaftliche Erzeugung
miteinander versöhnen. Die Landwirtschaft fit für die Zukunft zu machen – das begreifen wir
als Aufgabe für die nächsten Jahre. Das geht nur mit der Natur zusammen und mit einem
Verständnis von Natur, das sich an Kreisläufen orientiert und sich dem Ressourcenschutz
verpflichtet sieht. Das bedeutet fruchtbare Böden, sauberes Wasser und intakte Ökosysteme,
aber auch faire Bezahlung von Landwirt*innen und ein geändertes Ernährungssystem. Wir werden
vielfältige Fruchtfolgen und widerstandsfähige Anbausysteme wie Agroforst ebenso stärken wie
die Nutzung von robusten Pflanzensorten und Tierrassen. Digitale Anwendungen können bei
entsprechender Ausrichtung die Landwirtschaft umwelt- und klimafreundlicher machen, müssen
aber auch – zum Beispiel über Sharing-Konzepte – kleineren Betrieben offenstehen und
bezahlbar sein. Den Ökolandbau wollen wir umfangreich fördern und die Voraussetzungen dafür
schaffen, dass künftig immer mehr Bäuer*innen und Lebensmittelhersteller umstellen.
Monokulturen und chemische Dünger führen auch im globalen Süden zu erheblichen Schäden für
Gesundheit und Umwelt, während Kleinbäuer*innen durch europäische Dumpingexporte,
patentiertes Saatgut und Landraub weiter in die Abhängigkeit getrieben werden. Das Recht auf
Nahrung muss garantiert sein, kleinbäuerliche Strukturen sollten gestärkt werden. Dafür
unterstützensetzen wir uns mit unserer Agrar- und Entwicklungspolitik für eine globale sozial-ökologische
Agrarwende im Sinne der planetaren Grenzen und des 1,5 Grad Ziels von Paris ein.
Öffentliches Geld für öffentliche Leistung
Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU sollte zu einem Instrument für eine ökologische
Agrarpolitik werden – und nicht wie bisher für die Industrialisierung der Landwirtschaft.
Das muss der Ausgangspunkt für einen Gesellschaftsvertrag zwischen Bäuer*innen,
Verbraucher*innen und Politik für Klima- und Naturschutz sein. Wir wollen eine Reform, damit
die Milliarden an öffentlichen Geldern künftig für öffentliche Leistungen wie Klima-,
Umwelt- und Tierschutz eingesetzt werden. Um den nachhaltigen Umbau der Landwirtschaft
gemeinsam mit den Bäuer*innen voranzutreiben, gilt es die nationalen Spielräume für die
bevorstehende Förderperiode bestmöglich zu nutzen. Dazu gehören ein Ökolandbau-Anteil von 30
Prozent sowie eine Halbierung des Pestizid- und Antibiotika-Einsatzes bis 2030. Wir wollen
das System der Direktzahlungen schrittweise durch eine Gemeinwohlprämie ablösen, die
konsequent gesellschaftliche Leistungen honoriert. Bis zum Jahr 2028 wollen wir für die
Hälfte der Gelder eine ökologische Zweckbindung erreicht haben.
Pestizide reduzieren
Es gibt viele Gründe, den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft deutlich
herunterzufahren. Der Schutz der menschlichen Gesundheit gehört dazu. Vor allem sind weniger
Pestizide der wichtigste Hebel, um den Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen. Wir wollen den
Ausstieg aus der Pestizidabhängigkeit unserer Landwirtschaft schnell und machbar gestalten:
durch eine systematische Pestizidreduktionsstrategie, ein Sofortverbot für besonders
umwelttoxische Wirkstoffe und das besonders häufig eingesetzte Pestizid Glyphosat. Um den
Einsatz von Pestiziden insgesamt zu reduzieren, führen wir eine Pestizidabgabe ein. Um
wirksamen Artenschutz zu betreiben und unser Trinkwasser zu schützen, wollen wir die
Ausbringung von Pestiziden in Naturschutzgebieten und Trinkwasserschutzgebieten untersagen.
Die Landwirt*innen werden durch Gelder der Pestizidabgabe dafür entschädigt. Wir werden
außerdem den Export von Pestiziden beenden, die in Deutschland oder der EU aufgrund von
Umwelt- und Gesundheitsrisiken nicht zugelassen oder verboten sind. Wir wollen die
Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel verbessern und so Transparenz und
Unabhängigkeit stärken sowie ein kombiniertes Forschungs-, Umsetzungs- und Beratungsprogramm
für nicht synthetischen Pflanzenschutz auflegen.
Vielfältiges Saatgut ohne Patente
Eine vielfältige, gerechte und nachhaltige Landwirtschaft beginnt beim Saatgut. Es ist
nötig, die Zucht von robusten Sorten voranzutreiben. Angesichts der Klima- und
Biodiversitätskrise wollen wir sowohl die Forschung für ökologisches Saatgut stärken als
auch neue Ansätze fördern. Gentechnikfreie Produktion muss durch vorsorgeorientierte
Zulassungsverfahren und Kennzeichnungspflicht geschützt bleiben. Die Opt-out-Richtlinie der
EU setzen wir vollständig in nationales Recht um. Die Risiko- und Nachweisforschung sowie
innovative Ansätze, die auf traditionelle und ökologische Züchtungsverfahren setzen, werden
wir stärken. Wir wollen das Patentrecht so ausrichten, dass es keine Patente auf Pflanzen
und Tiere sowie deren genetische Anlagen mehr gibt.
Gerechte Einkommen und Arbeitsbedingungen für Bäuer*innen
Bäuerinnen und Bauern müssen von ihrer Arbeit leben können. Wir werden daher mit Hilfe des
Wettbewerbsrechts gegen Dumpingpreise im Lebensmittelhandel vorgehen. Wir wollen
Junglandwirt*innen und Neueinsteiger*innen unterstützen und Maßnahmen gegen Bodenspekulation
und den Ausverkauf ländlicher Fläche ergreifen. Dazu gehört, dass wir die Flächen der
bundeseigenen BVVG in eine Bundesstiftung überführen, die die Flächen vorzugsweise an
kleinere Betriebe statt an große Investoren verpachtet. Auch in der Lebensmittelerzeugung
und ‑verarbeitung müssen faire Bedingungen herrschen. Ein besserer Arbeits- und
Gesundheitsschutz für Beschäftigte in Landwirtschaft und Fleischindustrie ebenso wie mehr
Rechte für die Arbeitnehmer*innen, tarifliche Löhne und starke Gewerkschaften sind
notwendig.
Regionale Vermarktung stärken
Der Wunsch, wieder mehr regional und handwerklich erzeugte Lebensmittel zu kaufen, beim
Bäcker, in der Metzgerei, auf dem Bauernhof, wächst stetig. Wir wollen die regionale
Erzeugung und Vermarktung stärken und so dem Betriebssterben der letzten Jahre
entgegentreten. Wir unterstützen Regionalsiegel und Direktvermarktungen der Betriebe durch
lokale Einkaufs-Apps und Regionalwerbung und sorgen mit einer klaren Definition von
regionalen Produkten für Schutz vor Betrug. Öffentliche Fördergelder sollen vorrangig den
kleinen und mittleren bäuerlichen Betrieben und Handwerker*innen zugutekommen. Forschung und
Beratung zur Regionalvermarktung, innovative und partizipative Ansätze wie solidarische
Landwirtschaft oder Ernährungsräte unterstützen wir.
Lebensmittel retten
Gesunde und ökologisch wertvolle Lebensmittel sollen allen Menschen in Deutschland leicht
zugänglich sein. Ernährungsbedingte Krankheiten aufgrund von Fehlernährung wollen wir
gezielt eindämmen. Kitas, Schulen, Krankenhäuser, Pflegeheime, Mensen und Kantinen
unterstützen wir dabei, mehr nachhaltiges, gesundes und regionales Essen anzubieten. Gutes
Essen scheitert allzu oft an mangelndem Angebot und Transparenz. Um das zu ändern, wollen
wir die Ernährungsindustrie in die Pflicht nehmen. Wir brauchen verbindliche
Reduktionsstrategien für Zucker, Salz und Fett. Für Lebensmittelwerbung, die sich an Kinder
richtet, wollen wir klare Regeln, die sich an den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation
orientieren. Klimaschutz heißt auch, dass wir als Gesellschaft weniger tierische Produkte
produzieren und konsumieren werden. Wir wollen vegetarische und vegane Ernährung attraktiver
und zugänglich für alle Menschen machen. Pflanzliche Milchalternativen sollen steuerlich mit
Milchprodukten gleichgestellt und mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz verkauft werden.
Auch gegen die Lebensmittelverschwendung gehen wir vor. Wir wollen mit einem Rettet-die-
Lebensmittel-Gesetz verbindliche Reduktionsziele einführen, Lebensmittelhandel und -
produzenten verpflichten, genusstaugliche Lebensmittel weiterzugeben statt wegzuwerfen.
Lebensmittel aus dem Müll zu retten – das sogenannte Containern – muss entkriminalisiert
werden.
Klare Lebensmittelkennzeichnung
Gutes, nachhaltiges und gesundes Essen soll leicht zu erkennen sein. Mit verständlichen
Informationen über Zutaten, Herkunft und Herstellung wollen wir für die nötige Transparenz
sorgen. Wir werden daher eine verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung für Fleisch und
andere tierische Produkte einführen. Die Nährwertkennzeichnung Nutriscore wollen wir
ausbauen und europaweit für alle Fertigprodukte anwenden. Außerdem wollen wir die
Transparenz über die Herkunft von Lebensmitteln verbessern. Transparenz muss auch bei der
Lebensmittelhygiene gelten, deshalb sollen die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen in Form
eines Hygienebarometers für alle erkennbar sein.
Wir ermöglichen Tieren ein besseres Leben
Tierhaltung mit mehr Platz für weniger Tiere
Das System des „Immer billiger, immer mehr“ hat die Landwirtschaft in einen Teufelskreis
getrieben: Bäuerinnen und Bauern werden von Dumpingpreisen erdrückt und müssen immer mehr
produzieren, um zu überleben, die Tiere werden immer mehr auf Leistung gezüchtet und leben
immer kürzer, die ökologischen und gesellschaftlichen Probleme wachsen. Es braucht einen
Ausweg. Ein Teil der Lösung ist, dass deutlich weniger Tiere gehalten werden als bisher und
diesen Tieren ein wesentlich besseres Leben ermöglicht wird. Damit Tierschutz wirtschaftlich
machbar ist, wollen wir die Landwirt*innen durch eine Umbauförderung, faire Preise für ihre
Arbeit und verpflichtende Haltungskennzeichnungen auf den Produkten für alle Tierarten
unterstützen. Die Tierhaltung soll an die Fläche – nicht mehr als zwei Großvieheinheiten pro
Hektar – und Obergrenzen pro Stall gebunden werden. Den Umbau in tiergerechte Ställe werden
wir durch einen Tierschutz-Cent auf tierische Produkte ebenso gezielt fördern wie die
Weidetierhaltung, die ökologisch wertvolles Grünland erhält und sinnvoll nutzt. Qualzucht,
Amputationen, Eingriffe ohne Betäubung und Anbindehaltung wollen wir beenden, den Einsatz
von Antibiotika senken und Tiertransporte auf vier Stunden begrenzen. Lebendtiertransporte
in Drittstaaten außerhalb der EU gehören ganz verboten.
Tiere schützen und respektieren
Tiere brauchen Schutz, deshalb werden wir die gesetzlichen Regelungen zur Tierhaltung
verbessern. Für alle Tiere, die wir Menschen halten, haben wir eine besondere Verantwortung.
Wir wollen ihnen ein würdevolles, gutes und gesundes Leben frei von Schmerzen, Angst und
Stress ermöglichen. Dafür gilt es gemeinsam mit den Ländern und Kommunen auf einen
effektiveren Vollzug hinzuwirken und wirkungsvollere Sanktionen bei Tierschutzvergehen im
Tierschutzgesetz zu verankern. Wir werden ein Verbandsklagerecht für anerkannte
Tierschutzorganisationen einführen. Die anerkannten Tierschutzorganisationen und ein*e
Bundestierschutzbeauftragte*r sollen Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte wahrnehmen, die für
den Tierschutz zuständigen Behörden kontrollieren und Rechtsverstöße beanstanden. Die
Haltung von Wildtieren in Zirkussen gehört nicht mehr in unsere Zeit. Den Online-Handel mit
Tieren wollen wir strikt regulieren. Wir streben die weitere konsequente Reduktion von
Tierversuchen in der Wissenschaft an und wollen Tierversuche mit einer klaren
Ausstiegsstrategie und innovativen Forschungsmethoden schnellstmöglich überflüssig machen.
Deswegen muss die zukunftsorientierte Forschung sichergestellt sein, genauso wie auch
tierfreie Modelle für verbesserte Medikamenten- und Sicherheitsprüfungen weiterentwickelt
und gefördert werden müssen.
Wildtierhandel an die Leine legen
Die Covid-19-Pandemie muss eine Lehre sein, die Gesundheit von Umwelt, Tier und Mensch
zusammenzudenken. Sie basiert auf einer Zoonose, einer vom Tier zum Menschen übertragenen
Infektionskrankheit. Solche neuartigen Krankheiten werden durch die fortschreitende
Zerstörung der Natur und das Vordringen der Menschen in die letzten natürlichen Lebensräume
begünstigt. Dem gilt es entgegenzuwirken. Wildtiere gehören in die Wildnis, der Handel mit
ihnen muss strenger reguliert, Importe von Wildfängen, die Trophäenjagd, ihr Handel auf
Online-Portalen und Wildtierbörsen müssen ganz verboten werden. Auch die industrielle
Tierhaltung kann zu Pandemien beitragen, wie sich an coronainfizierten Nerzen gezeigt hat.
Die Tierhaltung ist deshalb auch an den Notwendigkeiten zur Eindämmung möglicher Zoonosen
auszurichten. Wir werden uns dafür einsetzen, dass Pelztierfarmen nicht mehr erlaubt sind.
weitere Antragsteller*innen
- Christof Martin (KV Rendsburg-Eckernförde)
- Jennifer Herbert (KV Schleswig-Flensburg)
- Henrike Rieken (KV Barnim)
- Katrin Reuter (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Rainer Borcherding (KV Schleswig-Flensburg)
- Björn Stockhausen (KV Aachen)
- Jörg Klapproth (KV Göttingen)
- Erwin Bartels (KV Göttingen)
- Nathalie Behrens (KV Göttingen)
- Friedhelm Schubert (KV Göttingen)
- Peter Schwarz (KV Göttingen)
- Antje Schierholt (KV Göttingen)
- Bernhard Ziegler (KV Frankfurt-Oder)
- Felix Reyhl (KV Reutlingen)
- Heike Albrecht (KV Göttingen)
- Julian Schlumberger (KV Göttingen)
- Fabian Hesse (KV Göttingen)
- Carolin Fornaçon (KV Göttingen)
- Heike Nüsperling (KV Göttingen)
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Von Zeile 87 bis 97 (PB.I-01: Kapitel 6: International zusammenarbeiten):
die sich weltweit stark auf Klima, Artenschutz und globale Gerechtigkeit auswirken. Wir wollen alle Politikbereiche in Deutschland auf die Transformation ausrichten und für ein strategisches und kohärentes Handeln in allen Ressorts und Politikbereichen einen Nationalen Rat für Frieden, Nachhaltigkeit und Menschenrechte einrichten sowie einen Nachhaltigkeits- und Menschenrechts-TÜV einführen., mit dem relevante Gesetzesentwürfe auf Vereinbarkeit mit den UN Nachhaltigkeits- Es gilt unsere internationalen Zusagen einzuhalten und die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen der ODA-QuoteKlimazielen sowie der internationalen Klimafinanzierung und Biodiversität zu erfüllenMenschenrechtsabkommen überprüft werden. Auch international wollen wir neuen Schwung in die sozial-ökologische Transformation bringen, indem wir auf eine verbindliche Transformationsquote hinwirken und insbesondere die Länder des globalen Südens in diesem Prozess unterstützen. Wir bündeln die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit, internationale Klimafinanzierung und Teile der humanitären Hilfe, um eine globale Transformation entlang den Nachhaltigkeitszielender Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und dender Pariser Klimazielen zu finanzieren. Dabei halten wir unsere internationalen Zusagen für Entwicklungszusammenarbeit, Klimafinanzierung und Biodiversität ein. Deutschlands Beitrag solldazu ist, die ODA-Quote erfüllen undvon 0,7% des Bruttonationaleinkommens bis 2025 8zu erreichen und weitere 10 Milliarden Euro zur internationalen Klimafinanzierung bereitzustellen.
Die großen Herausforderungen unserer Zeit sind global: Pandemien, die Klimakrise, Hunger,
Migration und die sozial-ökologische Transformation als besondere Aufgabe. Wir können sie
nur gemeinsam meistern. Jahrelang hat Deutschland in Europa und der Welt aber allenfalls
moderiert, oft gezögert, ist abgetaucht. Es ist Zeit, wieder eine aktive Außenpolitik zu
betreiben und als gestaltende Kraft voranzugehen im Sinne einer multilateralen und
vorsorgenden, einer kohärenten und wertegeleiteten Politik – stets europäisch und entlang
einer verlässlichen deutsch-französischen Zusammenarbeit, transatlantisch und im Rahmen der
Vereinten Nationen.
Gestützt auf die Agenda der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, das Pariser
Klimaabkommen und die rechtebasierte internationale Ordnung setzen wir uns für eine globale
Strukturpolitik ein, die den Schutz öffentlicher Güter, eine gerechte Ressourcenverteilung
sowie Entwicklungschancen für alle als beste Vorsorge gegen Konflikte, Gewalt oder das
unermessliche Leid von Flucht und Vertreibung begreift.
Ausgangspunkt unserer Politik ist eine gestärkte und handlungsfähige Europäische Union. Die
Werte, auf denen sie gründet, wollen wir nach innen verteidigen und nach außen beherzt
vertreten: Menschenrechte, Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Die EU als
Friedensmacht ist nicht nur Antwort auf eine lange und schmerzvolle Geschichte von Kriegen
und Feindseligkeiten auf unserem Kontinent, exportiert in die ganze Welt, sondern vor allem
ein Zukunftsversprechen, das es einzulösen gilt. Sie ist unser schützenswertes und
einmaliges Zuhause. Gerade weil wir überzeugte Europäer*innen sind, streiten wir für ihre
stetige Fortentwicklung. Wir arbeiten für eine europäische Wertegemeinschaft, die ihre
Abhängigkeit von Dritten in kritischen Bereichen ab- und ihre strategische Souveränität
ausbaut – in einem Gleichgewicht von Kooperation, wo möglich, und Eigenständigkeit, wo
nötig. Nur eine handlungsfähige und krisenfeste EU ist in der Lage, kritische Infrastruktur
und öffentliche Güter zu schützen, global für das Völkerrecht und die universalen
Menschenrechte einzustehen. Mit dem größten Binnenmarkt der Welt hat die EU wirtschaftlich
erheblichen Einfluss. Diesen Hebel wollen wir nutzen, um die globale Transformation gerecht
zu gestalten und ambitionierte Standards zu setzen.
Der erheblichen Widerstände und Dilemmata, die das bedeutet, sind wir uns bewusst. Das
autoritäre Hegemonialstreben einer chinesischen Regierung, das Menschen- und
Bürger*innenrechte systematisch aushebelt, zwingt Staaten nicht nur in wirtschaftliche und
politische Abhängigkeit, sondern spaltet auch Europa. Zugleich wird eine globale sozial-
ökologische Transformation ohne China, auch ohne Russland oder Brasilien, nicht möglich
sein. Das allein zeigt: Der Systemwettbewerb mit autoritären Staaten und Diktaturen ist
real, lässt bisweilen nur die Wahl zwischen Regen oder Traufe – und stellt uns vor derart
beachtliche Aufgaben, dass jede Form des Alleingangs zum Scheitern verurteilt wäre.
Wir können die vielen Widersprüche und Grenzen außen-, entwicklungs- und
sicherheitspolitischen Handelns nicht auflösen. Die Verteidigung von Menschenrechten,
Demokratie und das klare Bekenntnis zu Freiheitsbewegungen führen an die Grenzen politischer
Handlungsfähigkeit. Wir können uns aber dieser Verantwortung nicht entziehen. Umso zentraler
ist europäische Kohärenz und sind politische Bündnisse mit allen anderen Staaten, aber
gerade auch Regionen und zivilgesellschaftlichen oder zwischenstaatlichen Akteuren, für die
der Wert von Kooperation und die Stärke des Rechts ebenfalls Grundlage internationaler
Beziehungen sind. Diese Bündnisse wollen wir selbstbewusst mitgestalten. Souverän sind wir
nur gemeinsam.
Wir setzen auf den ehrlichen Interessensausgleich, die Achtung der Rechte marginalisierter
Gruppen, auf Zusammenarbeit und Rechtsstaatlichkeit, auf Konfliktprävention und
regelbasierte Konfliktbearbeitung in einer eng vernetzten Welt. Unser Ziel ist eine
Weltordnung, in der Konflikte nicht über das Recht des Stärkeren, sondern am
Verhandlungstisch gelöst werden. Und wir reichen allen die Hand, die daran teilhaben wollen.
All das tun wir im Wissen um Deutschlands Verantwortung in der Welt und im Bewusstsein um
die Verbrechen des Nationalsozialismus.
Als hochentwickelter und exportorientierter Industriestaat gehört Deutschland zu den
Hauptverursachern globaler Erwärmung und agiert als entscheidender Player einer
Globalisierung, die eben nicht nur Wohlstand und Entwicklung bedeutet, sondern auch zu
Ausbeutung von Mensch und Umwelt führt. Diese Verantwortung verstehen wir als Antrieb für
ambitionierte Veränderung und entschiedenes Handeln mit dem Ziel globaler Gerechtigkeit und
setzen dafür bei uns selbst an.
Das bedeutet auch: Wir fordern die Einhaltung und den Schutz der Menschenrechte nicht nur
von anderen ein, sondern messen uns selbst daran. Menschenrechte sind völkerrechtliche
Pflicht und unverrückbare Grundlage einer wertegeleiteten internationalen Politik. „Alle
Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“: Artikel 1 der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte ist Leitbild unseres Engagements – auch in der europäischen
Flüchtlingspolitik. Sie ist das große Versagen Europas. In keinem anderen Bereich scheitern
die europäischen Regierungen derart an den eigenen Ansprüchen von Moral, Menschenrechten und
internationalem Recht.
Das Versagen ist zugleich global: Nirgends auf der Welt wird Flucht angemessen und nach
klaren, menschenrechtsbasierten Prinzipien begegnet. Diese Regeln aber gibt es, ebenso wie
es immer wieder Momente in unserer Geschichte gab, da nach ihnen gehandelt wurde. Hier
wollen wir anknüpfen und – wenn nicht gesamteuropäisch, dann in einer humanitären Koalition
der Willigen innerhalb und außerhalb der EU – einen Paradigmenwechsel hin zur konsequenten
Vorbeugung gegen Fluchtursachen und zu einem menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten
vorantreiben. Wir setzen auf Rationalität und Handlungswillen, auf Humanität und
Verantwortung – und auf den unerlässlichen Pragmatismus der Nothilfe.
Die Größe und Komplexität der internationalen Herausforderungen, die da vor uns liegen,
sollte Messlatte unseres außenpolitischen Handelns sein. Die globalen Aufgaben sind
erheblich. Wagen wir die entsprechenden Antworten.
Wir treiben die sozial-ökologische Transformation voran
Schubkraft für globale Transformation
Mehr denn je bedrohen Klimaveränderungen und der Verlust von Artenvielfalt menschliche
Sicherheit und Freiheit sowie die nachhaltige Entwicklung – überall auf der Welt. Die Zeit
drängt. Darum braucht es in den nächsten Jahren einen energischen Schub für eine sozial-
ökologische Transformation. Die nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 und des
Klimaabkommens von Paris waren ein Aufbruch. Alle Länder sind seitdem verpflichtet, bei sich
zu Hause anzufangen und ihren Beitrag für die gemeinsame Aufgabe zu leisten – schließlich
sind es unsere Entscheidungen in Wirtschaft und Handel, bei Agrar- oder Rüstungsexporten,
die sich weltweit stark auf Klima, Artenschutz und globale Gerechtigkeit auswirken. Wir
wollen alle Politikbereiche in Deutschland auf die Transformation ausrichten und für ein strategisches und kohärentes Handeln in allen Ressorts und Politikbereichen einen Nationalen Rat für Frieden, Nachhaltigkeit und Menschenrechte einrichten sowie einen
Nachhaltigkeits- und Menschenrechts-TÜV einführen., mit dem relevante Gesetzesentwürfe auf Vereinbarkeit mit den UN Nachhaltigkeits- Es gilt unsere internationalen Zusagen und
einzuhalten die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen der ODA-Klimazielen sowie
Quoteder internationalen Klimafinanzierung und Biodiversität zu erfüllenMenschenrechtsabkommen überprüft werden. Auch
international wollen wir neuen Schwung in die sozial-ökologische Transformation bringen,
indem wir auf eine verbindliche Transformationsquote hinwirken und insbesondere die Länder des globalen Südens in diesem Prozess unterstützen. Wir bündeln die Ausgaben für
Entwicklungszusammenarbeit, internationale Klimafinanzierung und Teile der humanitären
Hilfe, um eine globale Transformation entlang den Nachhaltigkeitszielender Nachhaltigkeitsziele der Vereinten
Nationen und dender Pariser Klimazielen zu finanzieren. Dabei halten wir unsere internationalen Zusagen für Entwicklungszusammenarbeit, Klimafinanzierung und Biodiversität ein. Deutschlands Beitrag solldazu ist, die ODA-Quote erfüllen undvon 0,7% des Bruttonationaleinkommens bis 2025 8zu erreichen und weitere 10 Milliarden Euro zur internationalen Klimafinanzierung bereitzustellen.
Klimaaußenpolitik
Wir verfolgen eine ambitionierte, nachhaltige und menschenrechtskonforme Klimaaußenpolitik.
Sie ist klimapolitisch notwendig, kann nachhaltige Entwicklung fördern, Ressourcenkonflikten
vorbeugen und Frieden sichern. Klimaaußenpolitik kann zu einer Win-win-Situation für Europa,
seine Nachbarn und die Länder des globalen Sonnengürtels führen. Sie bedeutet zum einen,
dass wir Europäer*innen unseren Bedarf an grüner Energie durch Klimapartnerschaften decken
helfen: grüner Wasserstoff statt Öl- und Gasimporte. Andererseits werden wir so endlich
unserer historischen Verantwortung gerecht, indem wir Elektrifizierung und
Technologietransfers insbesondere in afrikanischen Ländern vorantreiben und den massiven
Ausbau der erneuerbaren Energien in diesen Ländern unterstützen. Nur so können wir es
schaffen, global auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen. Wir stärken die bestehenden Fonds für
Klimaanpassung und Klimaschutz („Adaptation and Mitigation“) und setzen uns dafür ein, dass
es auch einen Fonds zum Ausgleich von Schäden und Verlusten („Loss and Damage“) gibt. Daraus
können zum Beispiel Klimarisikoversicherungen finanziert werden. Entwicklungs- und
Investitionsbanken wie die Weltbank sollten zu Transformationsbanken umgebaut werden.
Klima- und Umweltschutz schützt Menschenrechte
Der Schutz der Menschenrechte verpflichtet zum Klima- und Umweltschutz, umgekehrt schützt
Klima- und Umweltschutz Menschenrechte. Wir treten für verbindliche Mechanismen zum Schutz
von Menschen ein, die aufgrund von Extremwetterereignissen oder schleichender
Umweltveränderung ihre Heimat verlassen müssen. Regionale Ansätze, die den Betroffenen eine
selbstbestimmte und würdevolle Migration ermöglichen, unterstützen wir. Zugleich wollen wir
jene Staaten in die Pflicht nehmen, die historisch am meisten zur Erderwärmung beigetragen
haben. Die „Task Force on Displacement“ wollen wir strukturell stärken und setzen uns dafür
ein, dass ihre Empfehlungen ebenso umgesetzt werden wie der Globale Pakt für eine sichere,
geordnete und reguläre Migration sowie der Globale Pakt für Flüchtlinge. Initiativen zur
Stärkung des Rechtswegs und das Instrument der Klimaklagen unterstützen wir. Die
französische Initiative, das Umweltvölkerrecht zu kodifizieren und zu konsolidieren, greifen
wir auf und machen uns dafür stark, in einem ersten Schritt das Recht auf saubere Umwelt in
einer Resolution der VN-Generalversammlung zu verbriefen.
Armut weltweit bekämpfen
Durch die Corona-Pandemie ist die Armut weltweit dramatisch angestiegen. Armutsbekämpfung
ist zentrales Ziel unseres internationalen Engagements. Darum setzen wir uns dafür ein, dass
Menschen weltweit sozial abgesichert werden und wollen – gemeinsam mit lokalen
Organisationen und Expert*innen – zum Aufbau und einer nachhaltigen Stärkung von sozialen
Sicherungssystemen beitragen. In einem ersten Schritt können Menschen in besonders von Armut
betroffenen Regionen durch finanzielle Direkthilfen („social cash transfers“) im Rahmen der
ODA-Mittel abgesichert werden. Grundsätzlich wollen wir, dass soziale Sicherungsprogramme
die vulnerabelsten Gruppen erreichen – und Geschlechtergerechtigkeit und sozialen
Zusammenhalt fördern.
Wir stärken die multilaterale Zusammenarbeit
Vereinte Nationen reformieren
Ohne die Vereinten Nationen ist die multilaterale Zusammenarbeit an der sozial-ökologischen
Transformation nicht zu meistern. Ihre Institutionen versorgen überall auf der Welt
Millionen von Geflüchteten, stellen Bildung, Nahrung und Gesundheit zur Verfügung. Sie
vermitteln in unzähligen Kriegen und Konflikten und sind der Rahmen, in dem die beiden
wichtigsten multilateralen Abkommen der vergangenen Jahre ausgehandelt worden sind: die
2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung und das Pariser Klimaschutzabkommen. Das Engagement
Deutschlands und der EU für die Vereinten Nationen werden wir finanziell, personell und
diplomatisch substanziell verstärken, besser koordinieren und internationale Vereinbarungen
konsequent in nationale und europäische Politik umsetzen. So schaffen wir die
Voraussetzungen für notwendige Reformen des VN-Systems. Der Sicherheitsrat und andere Organe
der Vereinten Nationen sollten an die Realitäten des 21. Jahrhunderts angepasst werden.
Dabei geht es um eine gerechtere Repräsentation der Regionen im Sicherheitsrat. Das Konzept
der Vetomächte ist nicht mehr zeitgemäß. Wir zielen darauf, dass das Vetorecht langfristig
abgeschafft wird. Als Zwischenschritt sollte im Falle von schwersten Verbrechen gegen die
Menschlichkeit ein Veto im Sicherheitsrat mit einer Begründung und einem Alternativvorschlag
versehen werden. Wenn der Sicherheitsrat im Falle von schwersten Menschenrechtsverletzungen
anhaltend blockiert ist, soll die Generalversammlung an seiner Stelle über
friedenserzwingende Maßnahmen mit qualifizierter Mehrheit beschließen.
Resilienz gegen Epidemien erhöhen – WHO stärken
Zum Schutz vor neuen und zur Bekämpfung der alten Krankheiten setzen wir auf verstärkte
internationale Zusammenarbeit und Solidarität unter dem Dach der zu reformierenden
Weltgesundheitsorganisation als Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Wir wollen die
WHO in ihrer Ausstattung mit deutlich höheren Beiträgen und einem klaren Mandat als
koordinierende Organisation der globalen Gesundheit stärken. In der Gruppe der G20 werden
wir uns dafür einsetzen, ihr einen formellen Sitz einzuräumen. Medikamente und Impfstoffe
müssen in allen Ländern erschwinglich und zugänglich sein, das Patentrecht muss entsprechend
flexibel sein. Monopole auf geistiges Eigentum zur Bekämpfung von Krankheiten dürfen den
Zugang zu überlebenswichtigen Schutzmaterialien, Impfstoffen und Arzneimitteln nicht
versperren.
50 Prozent Frauen in internationalen Verhandlungen
Wir wollen dem Multilateralismus neue Impulse für mehr Zusammenarbeit geben. Transformation
gelingt nur mit Kooperation, und die gelingt nur durch Einbeziehung der betroffenen
gesellschaftlichen Gruppen. Nach wie vor ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen der
stärkste Indikator dafür. Wir wollen schrittweise für Deutschland und Europa eine 50-
Prozent-Quote in allen diplomatischen und multilateralen Verhandlungen, für die Entsendung
in internationale Organisationen sowie auf den Umsetzungsebenen durchsetzen. Um das zu
ermöglichen, ist eine 50-Prozent-Quote für Frauen im Auswahlverfahren für das Personal in
internationalen Einsätzen, in den international arbeitenden Ministerien sowie im gehobenen
und höheren Europäischen Auswärtigen Dienst notwendig. Es braucht vergleichbare Kriterien,
Standards, Indikatoren und Zeitrahmen für die Gleichstellungspläne der Ministerien,
vergleichbar mit dem „Gender Equality Plan“ nach dem Vorbild der schwedischen Regierung.
Wir arbeiten an guten Beziehungen in einer multipolaren
Welt
Für eine aktive europäische Nachbarschaftspolitik
Die EU muss vor allem in ihrer direkten Nachbarschaft mehr Verantwortung übernehmen. Die EU-
Erweiterungspolitik ist dabei eine Erfolgsgeschichte, die wir fortschreiben wollen. Deshalb
treten wir für konkrete Fortschritte bei der europäischen Integration des westlichen Balkans
und eine Aufnahme der Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien auf Grundlage der
Kopenhagener Kriterien ein. In Osteuropa streiten viele mutige Menschen in Ländern wie
Armenien, Georgien, der Ukraine oder Belarus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte. Wir unterstützen die demokratische Zivilgesellschaft und unabhängige Medien
in den östlichen Nachbarländern, wollen mehr Austausch zwischen Ost und West ermöglichen und
über die Östliche Partnerschaft der EU Justizreformen vorantreiben. Den EU-assoziierten
Ländern der Östlichen Partnerschaft wollen wir den Weg zu einem EU-Beitritt offenhalten. Im
Süden braucht es eine neue Mittelmeerpolitik, die gemeinsam Entwicklungspotenziale für die
Region realisiert und sich zugleich den enormen Herausforderungen stellt: Terrorismus,
autoritäre Regime, Staatszerfall. Gemeinsam wollen wir im Rahmen ambitionierter
Energiepartnerschaften den Mittelmeerraum zu einer Plus-Energie-Region machen. Derweil hat
zu unserem großen Bedauern mit Großbritannien erstmals ein Land das gemeinsame Haus der EU
verlassen. Es ist gut, dass mit dem Handels- und Kooperationsabkommen die Grundlage für
einen Neubeginn geschaffen wurde. Es bedarf aber weiterer Anstrengungen, um zu verhindern,
dass europäische Standards ausgehöhlt werden. Der Frieden auf der irischen Insel ohne harte
Grenze hat weiter Priorität.
USA
Die transatlantische Partnerschaft bleibt ein Stützpfeiler der deutschen Außenpolitik,
jedoch muss sie erneuert, europäisch gefasst, multilateral und an klaren gemeinsamen Werten
und demokratischen Zielen ausgerichtet werden. Als Kern einer erneuerten transatlantischen
Agenda der EU schlagen wir vor, einen gemeinsamen starken Impuls für die weltweite
Klimapolitik, ausgehend von den Pariser Klimazielen, zu geben. Wir setzen auch bei
Digitalisierung, der Stärkung des Multilateralismus, in Handelsfragen sowie bei der
Gesundheit auf eine gute Kooperation mit den USA. Wir wollen uns gemeinsam für den
weltweiten Menschenrechtsschutz und eine regelbasierte Weltordnung einsetzen. Das schließt
eine Verständigung über den Umgang mit autoritären Staaten wie China und Russland mit ein.
Der sicherheitspolitische Fokus der USA wird sich auch mit der neuen US-Regierung nicht
wieder zuvorderst auf Europa richten. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen selbst mehr
außen- und sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen. Das gilt insbesondere für die
Sicherheit der östlichen Nachbarländer der EU wie auch der baltischen Staaten und Polens.
Wir wollen die transatlantische Debatte auf vielen Ebenen führen, auch auf den jeweiligen
föderalen und lokalen, und damit nachhaltige, diverse gesellschaftliche Netzwerke knüpfen.
China
China ist Europas Wettbewerber, Partner, systemischer Rivale. Wir verlangen von China ein
Ende seiner eklatanten Menschenrechtsverletzungen etwa in Xinjiang und Tibet und zunehmend
auch in Hongkong. Es braucht dennoch einen konstruktiven Klima-Dialog mit China und wir
streben gemeinsame politische, wirtschaftliche und technologische Anstrengungen zur
Bekämpfung der Klimakrise an. Die Kooperation mit China darf nicht zu Lasten von
Drittstaaten oder von Menschen- und Bürger*innenrechten gehen. Wir halten uns an Europas
„Ein-China-Politik“ und betonen, dass Chinas Vereinigung nicht gegen den Willen der
Bevölkerung Taiwans erzwungen werden darf. Unsere Handelsbeziehungen mit China wollen wir
nutzen, um fairen Marktzugang für ausländische Investitionen, Rechtssicherheit und gleiche
Wettbewerbsbedingungen einzufordern. Wir erwarten, dass China die entscheidenden Kernnormen
der Internationalen Arbeitsorganisation ILO ratifiziert und die Zwangsarbeit beendet. Das
europäische Lieferkettengesetz muss angesichts der Menschenrechtsverletzung – etwa in
Xinjiang – Waren aus Zwangsarbeit den Zugang zum Binnenmarkt ebenso verwehren, wie es
Unternehmen für ihre Produkte in Haftung nimmt. Wir werden an einer engen europäischen und
transatlantischen Koordinierung gegenüber China arbeiten, besonders auch in den Bereichen
5G-Ausbau und Schutz kritischer Infrastruktur.
Russland
Russland hat sich zunehmend in einen autoritären Staat gewandelt und untergräbt immer
offensiver Demokratie und Stabilität in der EU und in der gemeinsamen Nachbarschaft.
Gleichzeitig erstarkt die Demokratiebewegung in Russland. Die mutige Zivilgesellschaft, die
der immer härteren Repression durch den Kreml die Stirn bietet und für Menschenrechte,
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kämpft, wollen wir unterstützen und den Austausch mit ihr
intensivieren. Für eine Lockerung der Sanktionen, die wegen der völkerrechtswidrigen
Annexion der Krim und des militärischen Vorgehens gegen die Ukraine gegen Russland verhängt
wurden, hat die EU klare Bedingungen formuliert. An diesen werden wir festhalten und die
Sanktionen bei Bedarf verschärfen. Wir verlangen, dass die russische Regierung ihre Zusagen
aus dem Minsker Abkommen umsetzt. Das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 ist nicht nur klima-
und energiepolitisch, sondern auch geostrategisch schädlich – insbesondere für die Situation
der Ukraine – und muss daher gestoppt werden.
Türkei
Wir stehen an der Seite all derer, die in der Türkei für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte kämpfen. Wir verurteilen die Menschenrechts- und Rechtsstaatsverletzungen,
fordern eine Freilassung aller politischen Gefangenen und die Rückkehr zu einem politischen
Dialog- und Friedensprozess in der kurdischen Frage. Wir weisen die aggressive Außenpolitik
der türkischen Regierung entschieden zurück und fordern sie auf, zu einer multilateralen
Außen- und Sicherheitspolitik zurückzukehren – das gilt es auch in der NATO zu
thematisieren. Die Wiederaufnahme der Gespräche über einen EU-Beitritt kann es erst geben,
wenn die Türkei eine Kehrtwende zurück zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vollzieht. Der
bestehende EU-Türkei-Deal untergräbt internationales Asylrecht, ist gescheitert und muss
daher beendet werden. Dafür braucht es ein neues, völkerrechts- und rechtsstaatskonformes
Abkommen, das aus den Fehlern der Vergangenheit lernt, die notwendige finanzielle und
logistische Unterstützung vor Ort garantiert und eine verbindliche Kontingentzusage zur
Umsiedlung besonders schutzbedürftiger Geflüchteter in die EU enthält. Wir lehnen es
entschieden ab, dass Menschen in Deutschland mit familiären Bindungen in die Türkei von der
türkischen Regierung politisch und religiös instrumentalisiert werden, unter anderem durch
in Deutschland tätige Vereine und Staatsmedien.
Israel und Palästina
Deutschland hat eine historische Verantwortung gegenüber Israel. Die Existenz und die
Sicherheit Israels als nationale Heimstätte des jüdischen Volkes mit gleichen Rechten für
all seine Bürger*innen sind unverhandelbar. Die Fortsetzung der engen Beziehungen sowie
Frieden und Stabilität im Nahen Osten sind ein zentrales Anliegen deutscher Außen- und
Sicherheitspolitik. Die zunehmende Bedrohung Israels in seiner Nachbarschaft verurteilen
wir. Die Sicherheitslage in der Region ist fragil und darf nicht weiter eskaliert werden.
Einseitige Maßnahmen wie eine Annexion von besetzten Gebieten oder der fortschreitende
völkerrechtswidrige Siedlungsbau laufen dem Ziel einer friedlichen und politischen Lösung
des Konflikts entgegen. Für Frieden und Sicherheit braucht es eine Zweistaatenregelung mit
zwei souveränen, lebensfähigen und demokratischen Staaten für Israelis und
Palästinenser*innen. Die angekündigten Wahlen in den palästinensischen Gebieten sind ein
positives Zeichen. Die Chance der politischen und wirtschaftlichen Abkommen Israels mit
arabischen Staaten wollen wir nutzen, um einen multilateralen Friedensprozess wieder
aufleben zu lassen und einen langfristigen Frieden in der Region zu schaffen. Europa soll
sich hierfür eng mit der neuen US-Regierung koordinieren.
Nachbarschaft und Partnerschaft mit Afrika
Die afrikanischen Staaten und die Europäische Union sind regional wie historisch eng
verbunden und teilen gemeinsame Interessen. Die afrikanischen Gesellschaften sind divers und
vielfältig mit über 3.000 Sprachen in 54 Staaten. In den Beziehungen mit den afrikanischen
Staaten setzen wir uns – auf Basis einer gemeinsamen, globalen Verantwortung für Frieden,
nachhaltige Entwicklung und Gerechtigkeit – für eine in der Bundesregierung und der EU
abgestimmte und differenzierte Politik ein. Die Zukunft liegt in einer Afrikapolitik, die
sich von kolonialen und patriarchalen Denkmustern freimacht und gleichzeitig die europäische
Verantwortung gegenüber dem Kontinent ernst nimmt. Die Fortsetzung einer einseitigen
Politik, die in weiten Teilen auf Fluchtabwehr, unfairen Handelsbeziehungen und der
Ausbeutung von Rohstoffen fußt, lehnen wir ab. Anstatt für sich ewig konterkarierende
Ansätze machen wir uns für eine gemeinsame und kohärente EU-Afrika-Strategie stark, die
Zukunftsthemen wie Klimaschutz und Digitalisierung ebenso ins Zentrum rückt wie die globale
sozial-ökologische Transformation und zivile Krisenprävention. Der Afrikanischen Union
stehen wir bei der Umsetzung ihrer Agenda 2063 und der regionalen Entwicklungsagenden nach
Kräften zur Seite.
Wir verteidigen die Menschenrechte
Menschenrechtsverteidiger*innen schützen
Menschenrechtsverteidiger*innen sind Held*innen. Sie verteidigen überall auf der Welt oft
unter Lebensgefahr für sich und ihre Familien die Einhaltung der Menschenrechte an
vorderster Front. Sie bedürfen unseres Schutzes, unserer Solidarität und aktiven
Unterstützung – auf allen Ebenen. An den besonders betroffenen deutschen
Auslandsvertretungen sollten deshalb Menschenrechtsreferent*innen als extra Anlaufstelle
etabliert und sollte eine ressortübergreifende systematische Berichterstattung über die
Menschenrechtslage im Land eingeführt werden. Für Menschenrechtsverteidiger*innen, die nicht
in ihrem Land bleiben können, weil sie dort akut gefährdet sind, wollen wir schneller und
häufiger als bisher humanitäre Visa bereitstellen und die neu eingerichtete Elisabeth-
Selbert-Initiative zu ihrer temporären Aufnahme ausbauen. Auf internationaler Ebene setzen
wir uns für den Ausbau von Förderungsmöglichkeiten für zivilgesellschaftliche Initiativen
und die finanzielle Stärkung der entsprechenden Schutzinstrumente und Institutionen, wie
beispielsweise Sonderberichterstatter*innen, ein.
Kriegsverbrecher*innen zur Rechenschaft ziehen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Kriegsverbrechen dürfen nicht ungestraft
bleiben – als Zeichen der Gerechtigkeit an die Opfer, als Signal der Abschreckung, als
Voraussetzung für Frieden und Versöhnung. Das deutsche Völkerstrafrecht bietet die
Möglichkeit der Verurteilung auch hier in Deutschland. Dazu werden wir die Kapazitäten beim
Bundeskriminalamt und der Generalbundesanwaltschaft ausbauen. Die Ermittlungen in Fällen
sexualisierter Gewalt sollten verbessert und die Strafprozessordnung sollte dort reformiert
werden, wo sie den Besonderheiten von Völkerstrafrechtsverfahren noch nicht Rechnung trägt.
International setzen wir uns für die Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofes und des
Mechanismus der Vereinten Nationen für die Untersuchung und Verfolgung von schwersten
Kriegsverbrechen in Syrien (IIIM) ein – politisch wie finanziell. Gerade Kinder und
Jugendliche, die sexualisierte und geschlechtsbasierte Gewalt, Entführungen, Rekrutierung
als Kindersoldat*innen erlebt haben, leiden unter schweren Traumata. Wird dieses Leid nicht
aufgearbeitet, beeinträchtigt es das Leben dieser Menschen und ihrer Familien sowie den
gesellschaftlichen Zusammenhalt über Generationen. Die individuelle Traumabearbeitung wollen
wir durch mehr qualifiziertes Personal und sichere Traumazentren vor Ort auch mit unseren
internationalen Partnern und in Deutschland deutlich ausbauen.
Keine Überwachungstechnologie für Diktaturen
Verschlüsselte Kommunikation rettet tagtäglich Menschenleben. In den sozialen Medien werden
Menschenrechtsverletzungen, die ansonsten unentdeckt geblieben wären, für alle sichtbar. Und
ohne Satellitenbilder ließe sich etwa die Vertreibung ganzer Dorfgemeinschaften in
Kriegsgebieten gar nicht erst nachvollziehen. Zugleich sind es oft europäische
Überwachungstools, die es autokratischen Regierungen ermöglichen, unliebsame Aktivist*innen
zu verfolgen. Wir zielen auf ein europäisches Moratorium für die Ausfuhr, den Verkauf und
die Weitergabe von Überwachungsinstrumenten an repressive Regime. Entsprechende
Schutzklauseln wollen wir in der deutschen wie europäischen Exportkontrolle verankern. Wir
fördern die Entkriminalisierung verschlüsselter Kommunikation und stärken die Multi-
Stakeholder-Governance des Internets auf internationaler Ebene. Im Rahmen unserer
internationalen Zusammenarbeit setzen wir uns für den Zugang aller zu digitaler Technologie
ein. Den freien Zugang zu Informationen als einem globalen öffentlichen Gut gilt es zu
fördern und zu schützen. Durch die Unterstützung von Trainings stärken wir die sichere
digitale Vernetzung zivilgesellschaftlicher Organisationen weltweit.
Für Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen weltweit
Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein Menschenrecht. Ohne Geschlechtergerechtigkeit
kann auch Armut nicht wirksam bekämpft werden. In vielen der ärmsten oder
konfliktgebeutelten Länder sind Frauen und Mädchen besonders von Armut, Hunger und Gewalt
betroffen. Wir setzen uns konsequent für die Rechte von Frauen und Mädchen weltweit ein, für
ein selbstbestimmtes Leben. Bildung und Gesundheit sind dafür die Schlüssel. Wir engagieren
uns dafür, Frauen und Mädchen den uneingeschränkten Zugang zu gleichwertiger Bildung zu
sichern sowie ihre sexuellen und reproduktiven Rechte zu schützen. Es braucht innovative
Bildungsangebote wie kompakte nachholende Grundbildung für Frauen oder Berufsbildung in
Krisen- und Post-Konfliktkontexten. Unsere internationale Zusammenarbeit werden wir darum
finanziell und konzeptionell auf diese Aufgabe hin ausrichten, die Erreichung der
Geschlechtergerechtigkeit als Querschnittsaufgabe sowie reproduktive Gesundheit und das
Recht auf Bildung in allen Projekten verankern.
Menschenrechtskonventionen umsetzen, Institutionen stärken
Um Menschenrechte tatsächlich und rechtlich durchsetzen zu können, müssen internationale
Menschenrechtskonventionen ratifiziert und Menschenrechtsinstitutionen gestärkt werden. Es
gilt insbesondere die ILO-Konvention für die Rechte indigener Völker, das
Fakultativprotokoll zum Sozialpakt und die Wanderarbeiterkonvention der Vereinten Nationen
zu ratifizieren. Das ist für Deutschland seit vielen Jahren überfällig. Auf europäischer
Ebene setzen wir uns für die Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte ein. Das Instrument der gezielten EU-Sanktionen gegen
Menschenrechtsverbrecher*innen befürworten wir. Die Beauftragte der Bundesregierung für
Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter
und das Deutsche Institut für Menschenrechte wollen wir besser ausstatten, damit sie ihre
Aufgaben planbar erfüllen können. Menschenrechte und Demokratieförderung sind Grundpfeiler
unserer entwicklungspolitischen Arbeit.
Rechte von Minderheiten schützen
Der Umgang mit Minderheiten ist der Gradmesser für den Menschenrechtsschutz in einer
Gesellschaft. Wir setzen uns dafür ein, die Rechte von Minderheiten auf internationaler
Ebene zu stärken – auch innerhalb der EU. Nach wie vor setzen die einzelnen Staaten den
durch die Vereinten Nationen vorgegebenen Minderheitenschutz in nationales Recht um, ohne
dass einheitlich kontrolliert wird, ob das umfassend genug ist. Damit ist der Schutz
lückenhaft. Wir werden außenpolitisch für die weltweite Umsetzung der Yogyakarta-Prinzipien
zum Schutz von LSBTIQ* eintreten. In der Entwicklungspolitik wollen wir hier einen neuen
Fokus setzen und unser Engagement deutlich steigern. Selbst innerhalb der EU gibt es große
Unterschiede: Es existieren keine gemeinsamen EU-Mindeststandards, kein einheitlicher
Rechtsrahmen, der den Schutz und die Förderung von Minderheiten gewährt. Das wollen wir
ändern. In der EU werden wir uns für die Verabschiedung der 5.
Antidiskriminierungsrichtlinie einsetzen, damit international anerkannte Menschenrechte in
der EU eine Rechtsgrundlage erhalten und die VN-Konvention über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen auf europäischer Ebene rechtlich umgesetzt wird. Den EU-Aktionsplan gegen
Rassismus treiben wir national und international voran.
Wir schützen Geflüchtete
Eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik in Europa umsetzen
Wir treten für eine Europäische Union ein, die ihre humanitäre Verantwortung, das Grundrecht
auf Asyl und die Notwendigkeit, Verfahren nach völkerrechtlichen Standards fair und zügig
durchzuführen, zusammenbringt. So schwer das derzeit in der EU der 27 auch ist. Zustände wie
in den Lagern auf den griechischen Inseln oder an der Grenze zu Kroatien bedeuten einen
Bruch mit europäischen Werten und Menschenrechten. Der Blockade einer gemeinsamen und
humanen Flüchtlingspolitik zwischen den Mitgliedstaaten begegnen wir mit folgendem Plan: In
gemeinschaftlichen von den europäischen Partnern geführten Einrichtungen innerhalb der EU an
den rechtsstaatlich und europäisch kontrollierten EU-Außengrenzen sollen die Geflüchteten
registriert werden und einen ersten Sicherheitscheck durchlaufen. So wissen wir, wer zu uns
kommt, und werden zugleich unserer humanitären Verantwortung gerecht. Die Menschen, die nach
Europa kommen, müssen medizinisch und psychologisch erstversorgt und menschenwürdig
untergebracht werden. Unter Berücksichtigung persönlicher Umstände wie familiärer Bindungen
oder der Sprachkenntnisse bestimmt die EU-Agentur für Asylfragen den Aufnahme-Mitgliedstaat.
Der zugrunde liegende Verteilmechanismus stützt sich zunächst auf die Bereitschaft von
Regionen und Städten, Geflüchtete freiwillig aufzunehmen. Wer das tut, erhält Hilfe aus
einem EU-Integrationsfonds. Reichen die Aufnahmeplätze nicht aus, weiten alle
Mitgliedstaaten im Verhältnis von Bruttoinlandsprodukt und Bevölkerungsgröße verpflichtend
ihr Angebot aus oder leisten einen mindestens gleichwertigen Beitrag zu den Gesamtkosten.
Das Asylverfahren findet im aufnehmenden Mitgliedstaat statt. Die Kommission stellt sicher,
dass die gemeinsamen Regeln und Mindeststandards eingehalten werden. Wir werden mit
handlungswilligen Ländern und Regionen vorangehen, um die derzeitige katastrophale Situation
an den Außengrenzen zu beenden. Geschlossene Lager, Transitzonen oder europäische Außenlager
in Drittstaaten lehnen wir ab.
Familien zusammenführen
Niemand sollte für das völkerrechtlich verbriefte Recht, um Asyl zu ersuchen, das eigene
Leben oder das der Familie riskieren müssen. Genau das ist aber bittere Realität: Immer noch
reichen die Möglichkeiten für sichere Zugangswege bei weitem nicht aus und Geflüchtete sind
deshalb gezwungen, auf lebensgefährliche Routen durch die Wüste oder über das Meer
auszuweichen. Wir wollen sichere und geordnete Zugangswege schaffen – und so verhindern,
dass Schlepper aus der Not und dem Leid der Geflüchteten Profit schlagen können. Dabei sind
wir dem besonderen Schutz der Familie gemäß Grundgesetz, VN-Kinderrechtskonvention und
Europäischer Menschenrechtskonvention verpflichtet und treten dafür ein, die Einschränkungen
beim Familiennachzug wieder aufzuheben. Familien gehören zusammen und das Kindeswohl hat
oberste Priorität. Auch Menschen mit subsidiärem Schutzstatus müssen deshalb ihre
Kernfamilien ohne die bisherigen Einschränkungen nachholen können und mit Geflüchteten
gleichgestellt werden. Wir wollen den Geschwisternachzug wieder ermöglichen. An deutschen
und europäischen Botschaften braucht es mehr Personal und die Möglichkeit, digital Anträge
zu stellen, um die Wartezeiten für Visa von Familienangehörigen zu verkürzen. Auch mit
humanitären Visa möchten wir Schutzbedürftigen die Möglichkeit geben, sicher nach Europa zu
kommen und hier um Asyl zu ersuchen.
Sichere Zugangswege durch humanitäre Aufnahmepartnerschaft
Im Rahmen des Resettlement-Programms des UNHCR werden durch die Vereinten Nationen
anerkannte, besonders schutzbedürftige Geflüchtete solidarisch und geordnet auf die
Aufnahmeländer verteilt, statt sie ihrem Schicksal auf gefährlichen Fluchtrouten zu
überlassen. Das rettet Leben, nimmt Schleppern die Geschäftsgrundlage und folgt einem
bewährten, planbaren Verfahren. Im Globalen Pakt für Flüchtlinge ist die Weltgemeinschaft
übereingekommen, das Resettlement zu verstärken. Doch faktisch sinkt die Zahl der
Aufnahmeplätze seit Jahren. Wir schlagen vor, zusammen mit der neuen US-Administration und
Kanada sowie anderen in einer globalen humanitären Partnerschaft die Aufnahme besonders
schutzbedürftiger Geflüchteter aus dem Resettlement-Programm deutlich auszubauen. So stärken
wir die Vereinten Nationen, schaffen Planbarkeit auf allen Seiten, gehen mit gutem Beispiel
voran und regen andere Staaten an, dem internationalen Bündnis beizutreten. Das individuelle
Asylrecht bleibt durch das Resettlement unangetastet.
Landesaufnahmeprogramme ermöglichen
Mehrere Bundesländer und über 200 Kommunen in Deutschland sind bereit, mehr Geflüchtete als
von der Bundesregierung zugesagt bei sich aufzunehmen. Dass diese weiteren Aufnahmeplätze
dringend gebraucht werden, ist angesichts der elenden Zustände in den Lagern an den EU-
Außengrenzen, etwa auf den griechischen Inseln oder an der bosnisch-kroatischen Grenze,
offensichtlich. Wir wollen eine humanitäre Aufnahmepolitik, bei der der Bund und die Länder
kooperativ zusammenarbeiten und die die Aufnahmebereitschaft von Kommunen und Ländern nicht
mehr ignoriert. Länder und Kommunen sollen mehr Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten
erhalten, wenn es um die humanitäre Aufnahme Geflüchteter geht. Mit einer Änderung der
Zustimmungsregel zwischen dem Bundesinnenministerium und den Ländern von Einvernehmen in
Benehmen wollen wir klarstellen, dass sich Bundesländer künftig über den Königsteiner
Schlüssel hinaus selbständig und frei für die Aufnahme von Geflüchteten entscheiden können.
Der Bund soll weiter die finanziellen und infrastrukturellen Aufgaben erfüllen.
Menschenrechte einhalten, Außengrenzen sichern
Ein gemeinsamer Raum der Freizügigkeit und ohne Binnengrenzen braucht kontrollierte
Außengrenzen. Eine Außengrenze muss aber auch legale Zugangswege haben. Dass tausende
Menschen jährlich im Mittelmeer ertrinken, weil europäische Regierungen ihnen nicht
ausreichend sichere Zugangswege ermöglichen und auch die Rettung aus Seenot verweigern, ist
eine Schande. Wir streiten weiter für eine zivile und flächendeckende, europäisch
koordinierte und finanzierte Seenotrettung. Da ein gemeinsames Vorgehen aller europäischen
Mitgliedstaaten derzeit nicht möglich erscheint, wollen wir mit jenen vorangehen, die die
Seenotrettung als völkerrechtliche Pflicht ernst nehmen: Gerettete müssen zum nächsten
sicheren Hafen gebracht werden. Wir stehen fest an der Seite zivilgesellschaftlicher
Rettungsinitiativen und treten dafür ein, dass die Kriminalisierung und behördliche
Behinderung ihrer Arbeit beendet wird. Wir wollen, dass die Seenotrettung explizit ins
Aufgabenprofil von Frontex aufgenommen wird, und setzen auf eine europäische Grenzkontrolle,
die den gemeinsamen Schutz der Menschenrechte zur Grundlage hat und wichtige
grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnimmt, ohne sie zur Fluchtabwehr zu missbrauchen. Das moderne
Asylrecht beruht auf der Einzelfallprüfung, das völker- und europarechtlich verbriefte
Nichtzurückweisungsgebot gilt immer und überall. Die Genfer Flüchtlingskonvention gilt
uneingeschränkt. Ihre Aushöhlung führt weder zu mehr Sicherheit noch zu mehr europäischer
Handlungsfähigkeit in der Flüchtlingspolitik. Völkerrechtswidrige Pushbacks, von nationalen
Grenzpolizeien oder Frontex begangen, müssen geahndet werden. Das entsprechende Monitoring
durch die EU-Grundrechteagentur wollen wir ausbauen. Es bedarf einer engen parlamentarischen
Kontrolle von Frontex-Einsätzen sowie einer systematischen Menschenrechtsbeobachtung vor
Ort.
Aufnahme- und Transitländer unterstützen
Die humanitäre Versorgung von Geflüchteten außerhalb der Europäischen Union ist Bestandteil
unserer globalen Verantwortung. Wir wollen die finanzielle und logistische Unterstützung von
Erstaufnahme- und Transitländern wie der Türkei, dem Libanon, dem Sudan, Pakistan oder
Uganda sowie der dort tätigen Hilfsorganisationen ausbauen. Die deutsche und europäische
Zusammenarbeit mit Drittstaaten muss stets so erfolgen, dass Menschen- und Grundrechte sowie
internationale Asylstandards eingehalten werden. „Migrationspartnerschaften“ mit repressiven
Regimen lehnen wir ab, genauso wie die Kooperation mit der libyschen Küstenwache. Statt
„sichere Herkunftsländer“ zu definieren, brauchen wir für Rückführungen
menschenrechtskonforme Rückübernahmeabkommen. Wir wollen denjenigen Ländern, die ihren
Staatsbürger*innen nach einer Rückkehr Sicherheit garantieren, im Gegenzug über
Visaerleichterungen oder Ausbildungspartnerschaften verlässliche Aussicht auf eine geordnete
Migration eröffnen. Rückübernahmeabkommen dürfen aber nicht zur Bedingung in anderen
Politikbereichen, etwa entwicklungspolitischer oder rechtsstaatlicher Unterstützung, gemacht
werden und nicht für Drittstaatsangehörige gelten.
Fluchtursachen strukturell angehen
Wir wollen verhindern, dass Menschen überhaupt fliehen und ihre bisherige Heimat
unfreiwillig verlassen müssen. Deshalb rücken wir die strukturellen Ursachen von Vertreibung
und unsere dahingehende Verantwortung ins Zentrum unserer Politik. Denn viele politische
Entscheidungen, die wir in Deutschland und Europa treffen, haben direkte Auswirkungen auf
die Lebensbedingungen in anderen Weltregionen. Wir machen uns stark für zivile
Krisenprävention und wollen mit einer restriktiven Ausfuhrkontrolle europäische
Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete sowie an Autokraten beenden. Wir setzen uns für
ein gerechtes Handelssystem ein, das auch den Interessen des globalen Südens dient. Wir
treiben die sozial-ökologische Transformation unserer Wirtschaft voran. Uns ist bewusst:
Nicht alle Ursachen von Vertreibung können wir beeinflussen. Viele Menschen fliehen, weil
sie verfolgt oder ihnen grundlegende Rechte vorenthalten werden. Umso entscheidender ist
konsequentes Handeln überall dort, wo auch unser Wirtschaften und Konsumieren andernorts zu
Ausbeutung oder Perspektivlosigkeit führen.
Wir streiten für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung
Globale Krisenprävention
Die Corona-Krise führt in vielen Entwicklungsländern zu Kapitalflucht und Währungskrisen und
offenbart so die Schwächen der Währungsordnung. Unser Ziel bleibt langfristig der Aufbau
eines kooperativen Weltwährungssystems. Der IWF muss in Krisensituationen sehr viel mehr
Liquidität unkonditioniert bereitstellen können. Dafür werden wir uns für eine deutliche
Aufstockung der Sonderziehungsrechte einsetzen. Deutschland und Europa könnten vorangehen
und nicht genutzte Sonderziehungsrechte Entwicklungsländern zur Verfügung stellen, wie
Kanada es bereits getan hat. Der IWF sollte Entwicklungsländern auch bei der Einführung und
Durchführung von Kapitalverkehrskontrollen helfen und dafür mit den Staaten mit globalen
Finanzzentren zusammenarbeiten. Das Stimmengewicht muss sich zugunsten von
Entwicklungsländern verschieben. Die EU-Staaten sollten ihre Stimmrechte zusammenlegen.
Entwicklung ermöglichen, Schulden streichen
Viele Entwicklungsländer sind überschuldet. Beispielsweise gibt Pakistan 40 Prozent seines
Etats für den Schuldendienst, aber nur 2 Prozent für Gesundheit aus. Das derzeitige
Schuldenmoratorium ist richtig, verschiebt das Problem aber in die Zukunft. Wir brauchen
einen echten Schuldenerlass. Dafür muss ein international transparentes und unabhängiges
Staateninsolvenzverfahren für die Länder geschaffen werden, die nicht in ihrer eigenen
Währung verschuldet sind. Private Gläubiger müssen rechtlich dazu verpflichtet werden, an
einem Insolvenzverfahren teilzunehmen. So können wir den Zustand beenden, dass einzelne
Gläubiger eine Entschuldung blockieren, und verhindern, dass einzelne private Gläubiger wie
Geierfonds auf Kosten anderer profitieren. Damit wollen wir den zu hoch verschuldeten
Staaten im globalen Süden auch ermöglichen, ihre Gesundheitssysteme zu verbessen, sie für
alle zugänglich zu machen sowie Ansätze zum Schutz von Wasser-, Sanitärversorgung und
Hygiene voranzutreiben. Schuldenerlasse und -umwandlungen soll es für Maßnahmen im
Gesundheitsbereich sowie im Kampf gegen die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-
Krise geben. Zudem werden wir uns für ein langfristiges globales Corona-Hilfspaket für
strukturschwache Länder, Krisenregionen sowie Flüchtlingslager engagieren.
Spekulation mit Nahrungsmitteln verbieten
Nahrungsmittelpreise sind oft starken Schwankungen unterworfen. Verantwortlich dafür sind
nicht nur Wetter und Ernten, sondern auch skrupellose Spekulant*innen, die fette Profite
machen, wenn Menschen hungern. Wir werden uns in der EU für striktere Regulierungen
einsetzen, um Nahrungsmittelspekulation zu unterbinden. Dafür braucht es strenge
Berichtspflichten für Händler*innen. Konsequente Preis- und Positionslimits müssen an allen
europäischen Börsen eingeführt werden. Ziel ist es, dass Derivate nur noch zur Absicherung
bestehender Risiken und nicht mehr spekulativ eingesetzt werden können.
Wir treten ein für Frieden und Sicherheit
Vorausschauend für den Frieden
Unsere Außen- und Sicherheitspolitik zielt darauf, Konflikte zu verhindern, und setzt
deshalb auf Vorausschau gemäß der VN-Agenda für nachhaltige Entwicklung. Wir ergänzen den
traditionellen Sicherheitsbegriff um die menschliche Sicherheit und rücken damit die
Bedürfnisse von Menschen in den Fokus. Den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und die
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) gilt es zu stärken. Die personellen und
finanziellen Mittel für zivile Krisenprävention sollten gezielt erhöht und langfristig
planbarer werden. Wir wollen eine permanente und schnell einsatzbereite Reserve an EU-
Mediator*innen und Expert*innen für Konfliktverhütung, Friedenskonsolidierung und Mediation
aufbauen. Die Bereiche Polizei, Justiz und Friedensförderung wollen wir mit 1.000
Fachkräften ausstatten. Wir setzen uns dafür ein, die Deutsche Stiftung Friedensforschung,
den neu eingerichteten Fachbereich an der Deutschen Hochschule der Polizei und andere
wissenschaftliche Einrichtungen zu stärken und die Bedeutung von Friedensarbeit
gesamtgesellschaftlich noch sichtbarer zu machen. Die finanzielle Förderung des Zivilen
Friedensdienstes (ZFD) wollen wir deutlich erhöhen und den kontinuierlichen Ausbau
bedarfsgerecht fördern. Darüber hinaus ist ein ressortgemeinsamer Fonds „Krisenprävention,
Konfliktbewältigung und Friedensförderung“ nötig, der angemessen ausgestattet sein muss. Es
gilt Instrumente der Krisenfrüherkennung und Analysekapazitäten zu stärken, um auch die
langfristigen Folgen der Pandemie abwenden zu können.
Internationale Politik feministisch gestalten
Wir gestalten unsere Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik feministisch. Frauen,
Mädchen und marginalisierte Gruppen sind in besonderem Maße von Kriegen, Konflikten und
Armut betroffen. Die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Rolle als Gestalter*innen in der
internationalen Politik fördert Frieden, Entwicklung, Stabilität und Sicherheit. Es geht
darum, die Perspektiven von Frauen, Mädchen und marginalisierten Gruppen zu stärken, zu
schützen und bei allen bi- oder multilateralen Verhandlungen immer mindestens
gleichberechtigt einzubeziehen. Dazu braucht es auch Genderanalysen für einzelne
Länderkontexte in regelmäßigen Abständen und bedarfsgerechte Strategien und Genderbudgeting.
Es gilt die Umsetzung der VN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden, Sicherheit“ voranzutreiben,
sexualisierte und genderbasierte Gewalt entschieden einzudämmen, die reproduktiven Rechte
von Frauen zu schützen und die Sicherheit und Partizipation von Frauen und Mädchen in der
Prävention, bei der Transformation von Konflikten und in Stabilisierungsprozessen in den
Fokus zu nehmen.
Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik stärken
Gerade vor dem Hintergrund des zunehmenden Autoritarismus und der weltweiten Angriffe auf
Kunst- und Wissenschaftsfreiheit wollen wir die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik
stärken. Sie sichert Zugänge zur Zivilgesellschaft vor allem in Krisenzeiten, stärkt
demokratischen Austausch und baut neue Partnerschaften auf. Auch die Aufarbeitung der
Verbrechen des Nationalsozialismus werden wir durch internationale Kultur- und
Jugendbegegnungen und durch zivilgesellschaftlichen Austausch stärken. Die Verantwortung für
die koloniale Vergangenheit Deutschlands wollen wir zum Beispiel in gemeinsamen
Geschichtsbuchkommissionen mit ehemaligen kolonialisierten Staaten aufarbeiten.
Kulturmittlerorganisationen, wie etwa Goethe-Institute, und die deutschen Schulen im Ausland
sollen finanziell besser ausgestattet und digital fit gemacht werden, die Programme für
verfolgte Künstler*innen und Wissenschaftler*innen sowie Maßnahmen gegen
Desinformationskampagnen wollen wir verstärken.
Europarat und OSZE stärken
Frieden in Europa bedeutet mehr als Frieden, Sicherheit und Stabilität in der EU. Damit die
Vision einer friedlichen Zukunft für alle Europäer*innen Wirklichkeit werden kann, wollen
wir die gemeinsamen, über die EU hinausreichenden europäischen Institutionen wie den
Europarat und die OSZE stärken und weiterentwickeln, um alle europäischen Staaten
einzubinden. Nur so können wir tatsächlich ein effektives und starkes System kollektiver
Sicherheit in ganz Europa schaffen. Es bleibt unser Ziel, die östlichen Nachbarn Europas auf
der Basis gemeinsamer Werte für eine solche Perspektive zu gewinnen, was gerade angesichts
der nationalistischen und rückwärtsgewandten Politik Russlands, die Europas Sicherheit und
die Selbstbestimmung der Nachbarn Russlands untergräbt, nötig ist.
Neuer Schub für Abrüstung
Abrüstung und Rüstungskontrolle bedeuten global mehr Sicherheit für alle. Unser Anspruch ist
noch immer nichts Geringeres als eine atomwaffenfreie Welt. Nach der Aufkündigung des
Vertrags über nukleare Mittelstreckensysteme (INF-Vertrag) zwischen den USA und Russland ist
eine neue Vertragsinitiative nötig. Wir wollen den transatlantischen Neustart nach der US-
Präsidentschaftswahl und das Wiederbeleben des New-START-Vertrags nutzen, um mit den USA
über Barack Obamas „Global Zero“ ins Gespräch zu kommen. Eine Welt ohne Atomwaffen gibt es
nur über Zwischenschritte: internationale Initiativen zur Reduzierung der Zahl von
Atomwaffen, einen Verzicht der NATO auf jeden Erstschlag und eine breite öffentliche Debatte
über veraltete Abschreckungsdoktrinen des Kalten Krieges. Dazu gehören ein Deutschland frei
von Atomwaffen und ein Beitritt Deutschlands zum VN-Atomwaffenverbotsvertrag. Wir wissen,
dass dafür zahlreiche Gespräche im Bündnis notwendig sind, auch mit unseren europäischen
Partnerstaaten, und vor allem die Stärkung der Sicherheit und Rückversicherung unserer
polnischen und baltischen Bündnispartner.
Keine deutschen Waffen in Kriegsgebiete und Diktaturen
Exporte von Waffen und Rüstungsgütern an Diktatoren, menschenrechtsverachtende Regime und in
Kriegsgebiete verbieten sich. Für die Reduktion von Rüstungsexporten wollen wir eine
gemeinsame restriktive Rüstungsexportkontrolle der EU mit einklagbaren strengen Regeln und
Sanktionsmöglichkeiten. Kooperationen mit dem Sicherheitssektor anderer Staaten müssen an
die Einhaltung demokratischer, rechtsstaatlicher und menschenrechtlicher Kriterien geknüpft
werden. Für Deutschland werden wir ein Rüstungsexportkontrollgesetz vorlegen und ein
Verbandsklagerecht bei Verstößen gegen das neue Gesetz einführen und für eine wirksame
Endverbleibskontrolle sorgen. Hermesbürgschaften für Rüstungsexporte darf es nicht geben.
Den Einsatz von Sicherheitsfirmen in internationalen Konflikten wollen wir streng regulieren
und private Militärfirmen verbieten.
Autonome tödliche Waffensysteme international ächten
Autonome tödliche Waffensysteme, die keiner wirksamen Steuerung mehr durch den Menschen bei
Auswahl und Bekämpfung von Zielen unterliegen, stellen eine unberechenbare Bedrohung dar. Im
Sinne von Frieden und Stabilität wollen wir Autonomie in Waffensystemen international
verbindlich regulieren und Anwendungen, die gegen ethische und völkerrechtliche Grundsätze
verstoßen, ächten und verbieten. Das gilt auch für digitale Waffen wie Angriffs- und
Spionagesoftware. Hierbei müssen Deutschland und die EU eine globale Führungsrolle
einnehmen. Um eine Militarisierung des Weltraumes zu verhindern, wollen wir
weiterentwickelte, international verbindliche Regeln auf den Weg bringen.
Sicherheit im Cyber-Raum schaffen
Digitalisierung und neue Technologien verändern die moderne Kriegsführung. Wir wollen den
Einsatz von militärischen Cyberfähigkeiten durch die Bundeswehr ausnahmslos der
parlamentarischen Kontrolle des Deutschen Bundestages unterstellen. Es braucht Leitlinien
für das Vorgehen der Bundeswehr im Cyberraum. Gleichzeitig muss die Bundeswehr
kontinuierlich an der Stärkung ihres Eigenschutzes arbeiten, ohne ihr defensives
Selbstverständnis aufzugeben. Es braucht dringend eine internationale Initiative, um
Rüstungskontrolle zu regulieren, und vertrauensbildende Maßnahmen für den Cyberraum. Wir
setzen uns für weltweit anerkannte Regeln im Cyberraum sowie eine Selbstverpflichtung ein,
zivile Infrastruktur nicht militärisch anzugreifen. Auch sollte die europäische
Zusammenarbeit im Bereich Cyberabwehr ausgebaut werden, wozu Deutschland einen Beitrag
leisten sollte.
Internationale Schutzverantwortung wahrnehmen
Es ist wichtig, frühzeitig auf Konflikte einzuwirken und zu verhindern, dass sie zu
bewaffneten Auseinandersetzungen eskalieren. Uns leitet das Konzept der Responsibility to
Prepare, Protect and Rebuild der Vereinten Nationen, das die Staatengemeinschaft
verpflichtet, Menschen vor schwersten Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und Völkermord zu schützen. Die Staaten sind gleichermaßen verpflichtet, ihre
Instrumente für Prävention, Krisenreaktion und Nachsorge bzw. Wiederaufbau kriegszerstörter
Gesellschaften auszubauen. Wir bekennen uns zu internationalen Friedenseinsätzen im Rahmen
der Vereinten Nationen, die zu Stabilität, Sicherheit und Frieden beitragen. Die Anwendung
militärischer Gewalt als Ultima Ratio kann in manchen Situationen nötig sein, um Völkermord
zu verhindern und die Möglichkeit für eine politische Lösung eines Konflikts zu schaffen.
Ein Militäreinsatz braucht einen klaren und erfüllbaren Auftrag, ausgewogene zivile und
militärische Fähigkeiten und unabhängige (Zwischen‑)Evaluierungen. Bewaffnete Einsätze der
Bundeswehr im Ausland sind in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit – das heißt
nicht in verfassungswidrige Koalitionen der Willigen – und in ein politisches Gesamtkonzept
einzubetten, basierend auf dem Grundgesetz und dem Völkerrecht. Bei Eingriffen in die
Souveränität eines Staates oder dort, wo staatliche Souveränität fehlt, braucht es ein
Mandat der Vereinten Nationen. Wenn das Vetorecht im Sicherheitsrat missbraucht wird, um
schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu decken, steht die Weltgemeinschaft vor
einem Dilemma, weil Nichthandeln genauso Menschenrechte und Völkerrecht schädigt wie
Handeln.
Moderne Bundeswehr
Der Auftrag und die Aufgaben der Bundeswehr müssen sich an den realen und strategisch
bedeutsamen Herausforderungen für Sicherheit und Friedenssicherung orientieren. Wir wollen
die Bundeswehr entsprechend ihrem Auftrag und ihren Aufgaben personell und materiell sicher
ausstatten. Dass Soldat*innen mit nicht ausreichender Schutzausrüstung in Einsätze gehen,
ist nicht hinnehmbar. Deutschland soll sich auf seine Bündnispartner verlassen können und
genauso sollen sich die Bündnispartner auf Deutschland verlassen können. Die
Gesamtverantwortung für den Einsatz muss begründet, Informationen über alle Operationen im
Einsatz der Verbündeten müssen vollständig zugänglich sein. Die Bundeswehr soll die Vielfalt
unserer Gesellschaft abbilden. Menschenfeindliche Ideologien und rechtsextremistische
Strukturen in der Bundeswehr werden wir konsequent verfolgen und zerschlagen. Neben der
umfassenden Aufklärung ist die Prävention entscheidend. Präventive Maßnahmen wie
verantwortungsbewusste Personalgewinnung und zeitgemäße politische Bildung sind überfällig.
Den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Inneren lehnen wir ab.
NATO strategisch neu ausrichten
Die NATO leidet unter divergierenden sicherheitspolitischen Interessen innerhalb der Allianz
bis hin zur gegenseitigen militärischen Bedrohung. Ihr fehlt in dieser tiefen Krise eine
klare strategische Perspektive. Trotzdem bleibt sie aus europäischer Sicht neben der EU
unverzichtbarer Akteur, der die gemeinsame Sicherheit Europas garantieren kann und der als
Staatenbündnis einer Renationalisierung der Sicherheitspolitik entgegenwirkt. Wir brauchen
eine strategische Neuaufstellung der NATO, eine gemeinsame Bedrohungsanalyse und darauf
aufbauend eine Debatte über eine faire Lastenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten. Das
willkürliche NATO-2-Prozent-Ziel, das vor fast 20 Jahren verabschiedet wurde, gibt darauf
keine Antwort und wir lehnen es deshalb ab. Wir setzen uns für eine neue Zielbestimmung ein,
die nicht abstrakt und statisch ist, sondern von den Aufgaben ausgeht, und werden mit den
NATO-Partnern darüber das Gespräch suchen. Durch eine stärkere militärische Zusammenarbeit
und Koordinierung innerhalb der EU und mit den europäischen NATO-Partnern wie Großbritannien
und Norwegen wollen wir erreichen, dass strategische Interessen auf Grundlage von
europäischen Werten wie Multilateralismus, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gemeinsam
entwickelt und geschlossen und überzeugender vertreten werden.
Die EU-Sicherheitsunion vorantreiben
Gemeinsam mit den internationalen Partnern muss die Europäische Union ihrer Verantwortung
für die eigene Sicherheit und Verteidigung gerecht werden. Die gemeinsame Sicherheits- und
Verteidigungspolitik (GSVP) setzt eine gemeinsame EU-Außenpolitik voraus. Wir wollen eine
EU-Sicherheitsunion etablieren mit einer starken parlamentarischen Kontrolle und einer
gemeinsamen restriktiven Rüstungsexportpolitik. Anstatt immer mehr Geld in nationale,
militärische Parallelstrukturen zu leiten, sollte die verstärkte Zusammenarbeit der
Streitkräfte in der EU ausgebaut, sollten militärische Fähigkeiten gebündelt und allgemein
anerkannte Fähigkeitslücken geschlossen werden. Dafür ist eine geeignete Ausstattung, der
Ausbau von EU-Einheiten sowie eine Stärkung und Konsolidierung der gemeinsamen EU-
Kommandostruktur nötig. Die Umwidmung ziviler Gelder aus dem EU-Haushalt für militärische
Zwecke lehnen wir ab.
Antragstext
Von Zeile 653 bis 655:
Nahrung muss garantiert sein, kleinbäuerliche Strukturen sollten gestärkt werden. Dafür unterstützensetzen wir uns mit unserer Agrar- und Entwicklungspolitik für eine globale sozial-ökologische Agrarwende im Sinne der planetaren Grenzen und des 1,5 Grad Ziels von Paris ein.
Die Klimakrise ist die Existenzfrage unserer Zeit. Daher ist Klimaschutz keine
Zukunftsaufgabe, sondern Klimaschutz ist jetzt. Wenn wir zu Beginn dieses Jahrzehnts
konsequent handeln und die sozial-ökologische Transformation einläuten, können wir die Krise
noch stemmen. Klimaneutralität ist dabei eine große Chance für höhere Lebensqualität, mehr
soziale Gerechtigkeit und einen klimagerechten Wohlstand. Sie gilt es zu ergreifen.
Wir haben in den vergangenen Jahren mit Hitzesommern, Waldsterben und Dürren die Vorboten
der Krise gespürt. Sie haben dramatische Konsequenzen: etwa für die Gesundheit der Menschen
– und es sind vor allem die mit den geringsten Einkommen, die den Preis dafür zahlen, dass
der ökologische Fußabdruck der Reichsten am größten ist. Oder für die Bäuerinnen und Bauern,
denen zunehmend die Grundlage entzogen wird. Und für den Zusammenhalt in unserer
Gesellschaft. Alle diese Folgen werden sich vervielfachen, wenn wir jetzt nicht umsteuern.
Je entschiedener wir handeln, desto mehr Freiheiten und Alternativen sichern wir für jetzige
und künftige Generationen. Wir werden deshalb konsequent den Weg zur Klimaneutralität gehen.
Das verlangt Können, Mut und Machen. Wir stellen in einer künftigen Regierung das Pariser
Klimaabkommen in den Mittelpunkt und richten das Handeln aller Ministerien danach aus. Wir
lenken all unsere Kraft darauf, Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die uns auf den 1,5-Grad-
Pfad führen. Klimaschutz ist eine Frage des politischen Kanons. Wir begreifen es als unsere
Aufgabe, bessere Regeln zu schaffen, nicht den besseren Menschen. Solch klare politische
Ordnungsrahmen entlasten auch uns als Menschen im Alltag und schaffen Freiheit.
Natürlich bedeutet Klimaneutralität Veränderung, aber diese Veränderung schafft Halt in der
Zukunft. Wir bringen Energie, Wärme, Verkehr und Industrie zusammen und sorgen so für eine
effiziente Verzahnung dieser Bereiche. Statt auf Kohle, Öl und fossilem Gas wird das
Energiesystem auf Sonnen- und Windenergie basieren. Statt an fossilen Verbrennungsmotoren
festzuhalten, schaffen wir eine neue Mobilität mit E-Autos, der Bahn oder dem Rad. Statt
Ölheizungen werden Wärmepumpen, Power-to-Heat und Strom aus erneuerbaren Energien die
Heizquellen der Zukunft. Die Zukunft wird damit leiser, sauberer und gesünder. Weniger Autos
in der Stadt bedeuten mehr Platz für uns Menschen. Leisere Straßen und saubere Luft dienen
besonders jenen, die sich nicht die Villa am ruhigen Stadtrand leisten können. Mehr Angebote
an klima- und umweltfreundlichen Verkehrsmitteln, zum Beispiel Rufbusse oder Carsharing,
erleichtern zu pendeln und befördern ein gutes Leben auf dem Land.
Mit dieser großen Veränderung entstehen neue Geschäftsfelder, neue Industriezweige, neue
Arbeitsplätze. Andere Bereiche werden sich wandeln, einige völlig neu entstehen, wieder
andere verschwinden. Für viele Menschen ist das auch eine große Herausforderung, ja
Zumutung. Die sozial-ökologische Transformation gelingt nur, wenn wir gemeinsam alles dafür
tun, Verluste zu verringern und Brücken zu bauen. So müssen diejenigen, die neue Chancen
oder Weiterbildung brauchen, sie auch bekommen. Und es ist unsere Aufgabe, Sorge dafür zu
tragen, dass die Kosten und Belastungen dieser Veränderung gerecht verteilt sind.
Klimagerechter Wohlstand bedeutet Ökologie und Soziales zusammenzudenken und den Übergang
gut zu gestalten: für Menschen in der Stadt und auf dem Land. Für die Handwerkerin wie für
den Stahlarbeiter.
Wenn wir unsere Lebensgrundlagen schützen wollen, wenn wir auch die zweite große ökologische
Krise, das Artensterben, eindämmen wollen, dann bedarf es mehr als einer Kurskorrektur, dann
brauchen wir einen neuen Kurs. Wir machen die planetaren Grenzen zum Leitprinzip unserer
Politik und verändern entsprechend die Wirtschaftsweise. Wir setzen Prioritäten. Von jetzt
an wird belohnt und gefördert, was Mensch und Tier, Klima und Natur schützt. Und was
zerstörerisch wirkt, muss dafür auch die Kosten tragen und Schritt für Schritt überwunden
werden. Indem wir den Schutz der Meere und Gewässer, des Klimas und der Böden, der Tiere und
der Pflanzen zum Bestandteil unseres Wirtschaftssystems machen, kann es gelingen, die
Stabilität der Ökosysteme und unserer Lebensgrundlagen zu gewährleisten. Und damit auch
unsere Grundlagen für ein gutes und friedliches Zusammenleben.
Wir schaffen klimagerechten Wohlstand
Mehr Lebensqualität durch Klimaneutralität
Der Weg in die Klimaneutralität bietet riesige Chancen auf mehr Lebensqualität: Städte mit
weniger Staus und Abgasen, mit Platz, um sicher Rad zu fahren und zu Fuß zu gehen, zu
spielen und zu leben. Dörfer, die endlich angebunden sind an den öffentlichen Nahverkehr.
Wälder, in denen auch unsere Kinder noch die Schönheit der Natur entdecken können. Gesundes
Essen, hergestellt unter Wahrung von Tier- und Umweltschutz. Klimaschutz ist so viel mehr
als reine Technik, er ist der Weg in eine bessere Zukunft. Überall in Deutschland haben sich
Kommunen, Unternehmen, Initiativen und Bewegungen längst auf diesen Weg begeben. Sie
brauchen endlich Rückenwind von der Politik. Wir wollen Kommunen befähigen, bei sich die
Mobilitätswende voranzubringen. Die Bahn und den ÖPNV machen wir fit für dieses Jahrhundert.
Wir sorgen für den Erhalt unserer wertvollen Wälder, Moore und Flüsse. Und wir begründen
einen Gesellschaftsvertrag zwischen Politik, Landwirt*innen und Verbraucher*innen.
Die Energierevolution: erneuerbar heizen, wohnen, wirtschaften
Klimaneutralität heißt: raus aus den fossilen Energien. Nicht nur der Strom, auch das Benzin
in unseren Autos, das Kerosin im Flugzeugtank, das Öl für die Heizung und das Gas im
Industriebetrieb müssen auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Das ist nichts weniger
als eine Energierevolution. Dazu braucht es zuallererst eine massive Ausbauoffensive für die
Erneuerbaren. Daran hängt die Zukunft unseres Industriestandortes und unsere
Versorgungssicherheit. Mit einer umfassenden Steuer- und Abgabenreform wollen wir dafür
sorgen, dass die Sektorenkoppelung vorankommt und Strom zu verlässlichen und
wettbewerbsfähigen Preisen vorhanden ist. Das Energiemarktdesign ändern wir, sodass
erneuerbarer Strom nicht länger ausgebremst und doppelt belastet wird, sondern für Speicher
und die Produktion von Wärme oder Wasserstoff nutzbar gemacht wird – nach dem Prinzip
„nutzen statt abschalten“. Verteilnetze und Verbraucher*innen statten wir mit intelligenter
Technik aus, damit sie flexibel reagieren können, wenn gerade viel erneuerbarer Strom
produziert wird.
Ein Ordnungsrahmen für eine sozial-ökologische Marktwirtschaft
Wir müssen unsere Wirtschaft auf die Ziele der Klimaneutralität ausrichten und eine
Kreislaufwirtschaft etablieren. Den wirtschaftlichen Aufbruch nach der Corona-Krise und die
ökologische Modernisierung wollen wir zusammenbringen. Dazu braucht es eine sozial-
ökologische Neubegründung unserer Marktwirtschaft. Wir wollen mit ehrgeizigen Vorgaben in
Form von Grenzwerten, CO2-Reduktionszielen und Produktstandards der deutschen und
europäischen Wirtschaft Planungssicherheit geben und Impulse für neue Investitionen setzen.
Faire Preise sorgen dafür, dass sich klimagerechtes Handeln lohnt. Forschung und
Innovationen für klimagerechtes Wirtschaften wollen wir stärker fördern. Die öffentliche
Beschaffung richten wir konsequent auf die ressourcenschonendsten Produkte und
Dienstleistungen aus. So machen wir unsere Wirtschaft zum Spitzenreiter bei den modernsten
Technologien und schützen unsere natürlichen Lebensgrundlagen.
Grüne Digitalisierung
Ob vernetzte Fahrzeuge, effiziente Industrie, punktgenaue Verteilung regenerativer Energie
oder intelligente Bewässerung auf Feldern: Mit digitalen und datengetriebenen Innovationen
können wir den Energie- und Ressourcenverbrauch besser reduzieren und bei
Zukunftstechnologien führend werden. Hierzu fördern und priorisieren wir digitale
Anwendungen und Lösungen, die einen Beitrag zur Ressourcenschonung leisten oder nachhaltiger
sind als analoge. Rebound-Effekte gilt es zu vermeiden, Suffizienz zu unterstützen.
Ausschreibungs- und Beschaffungskriterien sind so anzupassen, dass möglichst ökologisch
nachhaltige Technologien vorrangig zum Einsatz kommen. Bei IT-Beschaffungen des Bundes
müssen Faktoren wie Herstellerabhängigkeit, Folgebeschaffung, technische Offenheit,
Reparaturfähigkeit und Nachhaltigkeit zwingend in die Bewertungen einfließen und
Zertifizierungen wie der Blaue Engel für IT-Produkte zum Standard werden. Wir wollen alle
Rechen- und Datencenter des Bundes nachhaltig umstellen, mit erneuerbarer Energie betreiben
und zertifizierte umweltfreundliche Hardware einsetzen.
Neue Arbeitsplätze mit guten Bedingungen
Eine ambitionierte Klimaschutzpolitik und der klimaneutrale Umbau der Wirtschaft sind die
beste Chance, um bestehende Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten und neue zu schaffen.
Die ökologische Modernisierung stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Unternehmen und
kann zur einer Renaissance von Industriearbeitsplätzen führen. Auf dem Weg zur
Klimaneutralität werden in den kommenden Jahren Hunderttausende neue Jobs entstehen – Green
Jobs. Sie entstehen im Handwerk und der Bauwirtschaft, in neuen Industriebereichen und der
Kreislaufwirtschaft, in der Batteriezellenproduktion und der Wasserstoffindustrie sowie in
neuen Dienstleistungsfeldern. Unser Anspruch ist, dass die neuen Jobs gut bezahlt und
tarifvertraglich organisiert sind sowie der betrieblichen Mitbestimmung unterliegen. Darauf
werden wir auch bei der Förderung von neuen Wirtschaftsfeldern achten.
Sicher im Wandel mit einem Qualifizierungs-Kurzarbeitergeld
Wir sehen es als unsere Verpflichtung, Unternehmen und ihre Beschäftigten auf dem Weg hin zu
einem klimaneutralen Wirtschaftssystem zu unterstützen. Gerade auch dort, wo sich Jobprofile
grundlegend verändern oder Arbeitsplätze verloren gehen. Es braucht in der ökologischen
Transformation ein noch viel besseres Angebot an Weiterbildung und Qualifizierung. Dazu
wollen wir ein Recht auf Weiterbildung einführen und mit einem Weiterbildungsgeld auch für
Erwerbstätige in Qualifizierungsphasen eine soziale Absicherung schaffen. Mit einem
Qualifizierungs-Kurzarbeitergeld ermöglichen wir Unternehmen, in Phasen der Transformation
ihre Beschäftigten im Betrieb zu halten und nachhaltig zu qualifizieren. Die
Qualifizierungs-Kurzarbeit koppeln wir eng an die Sozialpartnerschaft. Zudem wollen wir die
betriebliche Mitbestimmung bei Entscheidungen über die ökologische Transformation stärken.
Unternehmen, Gewerkschaften und Betriebsräte wissen gemeinsam am besten, wie die
Transformation zu gestalten ist.
Transformationsfonds für die Regionen
Die ökologische Modernisierung ist gerade für viele industriell geprägte Regionen eine große
Herausforderung. Um Regionen und insbesondere die dort ansässigen kleinen und mittleren
Unternehmen zu unterstützen, wollen wir regionale Transformationsfonds auflegen. Die
Förderung richtet sich an Unternehmen, die aus eigener Kraft den ökologischen Strukturwandel
nicht bewältigen können, mit ihrem Standort aber fest in der Region verankert sind und dort
bleiben wollen. Regionale Akteure aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften
sollen eingebunden werden und gemeinsame Visionen erarbeiten, wo die Region sozial und
wirtschaftlich in Zukunft stehen sollte. Gleichzeitig wollen wir neue Formate wie Reallabore
und Experimentierräume fördern, in denen Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft und
Kommunen gemeinsam an Lösungen für Herausforderungen vor Ort arbeiten und forschen.
Klimaschutz-Sofortprogramm auflegen
Zentrale Grundlagen unserer Politik sind das Klimaabkommen von Paris sowie der Bericht des
Weltklimarates zum 1,5-Grad-Limit, der verdeutlicht, dass jedes Zehntelgrad zählt, um das
Überschreiten von relevanten Kipppunkten im Klimasystem zu verhindern. Es ist daher
notwendig, auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen. Dafür ist unmittelbares und substanzielles
Handeln in den nächsten Jahren entscheidend. Doch aktuell lahmt der Ausbau der erneuerbaren
Energien, der Kohleausstieg kommt zu spät, im Verkehrs- und Gebäudesektor geht es kaum
voran. Wir werden ein Klimaschutz-Sofortprogramm auf den Weg bringen, das in allen Sektoren
sofort wirksame Maßnahmen anstößt, bestehende Ausbauhindernisse beseitigt, naheliegende
Einsparmöglichkeiten umsetzt. Wir werden das ungenügende Klimaschutzgesetz und den
Klimaschutzplan überarbeiten und – im Einklang mit dem höheren neuen europäischen Klimaziel
– das deutsche Klimaziel 2030 auf -70 Prozent anheben. Nur so kann es gelingen, dass wir
Europäer*innen deutlich vor Mitte des Jahrhunderts klimaneutral werden.
Klimagerechtes Wirtschaften belohnen
Effektiver und sozial gerechter Klimaschutz muss sich auch ökonomisch lohnen. Da derzeit die
Kosten der Schäden, die durch den Ausstoß einer Tonne CO2 entstehen, nur sehr gering
eingepreist werden, sind klimafreundlichere Alternativen oftmals noch nicht
wettbewerbsfähig. Das wollen wir durch einen klugen Mix aus CO2-Preisen, Anreizen und
Förderung sowie Ordnungsrecht ändern. Wollte man die Klimaziele allein über die Bepreisung
von CO2 erreichen, müsste der Preis 180 Euro betragen, was unweigerlich zu erheblichen
sozialen Unwuchten führen würde. Einige könnten sich rauskaufen, andere nicht mehr
teilhaben. Wir sehen in der CO2-Bepreisung also ein Instrument von vielen, das wir wirksam
und sozial gerecht einsetzen wollen. Das Europäische Emissionshandelssystem (ETS) ist im
Lichte des neuen EU-Klimaziels für 2030 zu reformieren, um seine Lenkungswirkung endlich
voll und ganz zu erfüllen. Mit einer deutlichen Reduzierung von Emissionszertifikaten und
der Löschung überschüssiger Zertifikate vom Markt erreichen wir einen CO2-Preis im Bereich
Strom und Industrie, der dafür sorgt, dass erneuerbare Energie statt Kohlestrom zu Einsatz
kommt. Sollte das auf europäischer Ebene nicht schnell genug gelingen, setzen wir auf einen
nationalen CO2-Mindestpreis im ETS für Industrie und Strom. Für die Bereiche Verkehr und
Wärme wurde in Deutschland auf Druck der Klimabewegung und von uns Grünen zudem ein CO2-
Preis eingeführt, dessen Lenkungswirkung aber weiter verbessert werden muss. Wir wollen die
Erhöhung des CO2-Preises auf 60 Euro auf das Jahr 2023 vorziehen. Danach soll der CO2-Preis
so ansteigen, dass er im Konzert mit den Fördermaßnahmen und ordnungsrechtlichen Vorgaben
die Erfüllung des neuen Klimaziels 2030 absichert.
Energiegeld einführen
Damit Klimaschutz sozial gerecht ist, wollen wir die Einnahmen aus dem CO2-Preis direkt an
die Bürger*innen zurückgeben. Dazu streben wir neben der Senkung der EEG-Umlage ein
Energiegeld an, das jede*r Bürger*in erhält. Über das Energiegeld geben wir alle
zusätzlichen CO2-Einnahmen an die Menschen zurück, und zwar fair aufgeteilt pro Kopf. So
kann man mit Klimaschutz Geld verdienen und es findet ein sozialer Ausgleich im System
statt. Unterm Strich werden so Geringverdiener*innen und Familien entlastet und vor allem
Menschen mit hohen Einkommen belastet. Bezieher*innen von Transferleistungen wie
Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe profitieren ebenfalls, da das Energiegeld nicht auf die
Grundsicherung angerechnet werden soll. Um zum Beispiel Pendler*innen mit niedrigen
Einkommen bei der Anpassung zu unterstützen, legen wir einen Fonds für
Transformationszuschüsse auf, der mit großzügigen Hilfen unterstützt, etwa beim Umstieg auf
ein emissionsfreies Auto.
CO2-Bremse für alle Gesetze
Wir wollen Klimaschutz systematisch in unserer Rechtsordnung aufnehmen. Die Vorgaben des
Pariser Klimavertrages wollen wir im Grundgesetz verankern und dem Staat mehr Möglichkeiten
geben, durch eine intelligente Steuergesetzgebung klimaschonendes Verhalten zu belohnen und
die fossilen Energieträger den wahren Preis zahlen zu lassen. Für Genehmigungsprozesse
führen wir eine Klimaverträglichkeitsprüfung ein. Mit einer CO2-Bremse machen wir
Klimaschutz zur Querschnittsaufgabe, indem wir Gesetze an ihrer Vereinbarkeit mit den
nationalen Klimaschutzzielen messen und ihre Klimawirkung entsprechend prüfen.
Wir schaffen Versorgungssicherheit mit Erneuerbaren
Schneller raus aus der Kohle
Nach dem Willen der Großen Koalition werden in Deutschland Kohlekraftwerke noch bis 2038 dem
Klima und unserer Gesundheit schaden. Das ist mit den Klimazielen nicht vereinbar. Wir
setzen uns dafür ein, den Kohleausstieg bis 2030 zu vollenden. Um nicht erneut den
Kohlekonzernen Milliarden an Steuergeldern zu schenken, wollen wir die massiven Klimaschäden
der Kohleverstromung einpreisen. Das ist am sinnvollsten über den EU-Emissionshandel zu
regeln – mit einem lenkenden CO2-Preis, der dem neuen EU-Klimaziel entspricht. Ein
beschleunigter Kohleausstieg bedarf im Sinne der Versorgungssicherheit eines massiven
Ausbaus der erneuerbaren Energien. Zugleich wollen wir für den Gesundheitsschutz die
Grenzwerte für Immissionen, insbesondere Quecksilber, aus Großfeuerungsanlagen anheben.
Niemand soll mehr für einen Tagebau sein Zuhause verlassen müssen.
Auf jedes neue Dach eine Solaranlage
Wir wollen eine Energiewende, bei der alle mitmachen können – Mieter*innen wie
Hausbesitzer*innen. Unsere Dächer können zu Kraftwerken werden – jedes Dach mit Solaranlage
hilft dem Klimaschutz. Die eigene Strom- und Wärmeenergie wird dezentral und vor Ort erzeugt
und genutzt. Unser Ziel sind 1 Million neue Solardächer in den kommenden vier Jahren.
Deshalb werden wir Solardächer fördern und zum Standard machen. Beginnend mit Neubauten,
öffentlichen und Gewerbegebäuden sowie Dachsanierungen wollen wir diesen Standard
perspektivisch auf den Bestand ausweiten. Leasing- und Pachtmodelle können hier
unterstützend wirken. Die Mieterstrom-Regeln werden wir deutlich vereinfachen. Mit allen
diesen Maßnahmen schaffen wir eine Verdoppelung der derzeitigen Photovoltaik-Zubaurate.
Photovoltaik in die Fläche bringen
Die Photovoltaik wollen wir nicht nur auf die Dächer, sondern auch in die Fläche bringen.
Neue Flächenkonkurrenzen wollen wir dabei vermeiden. Der Ausbau soll neben Autobahnen und
Schienen auf versiegelten Flächen, etwa über Parkplätzen und Brachen und auf Konversions-
oder Bergbauflächen, erfolgen und nicht auf wertvollem Ackerland. Agri-Photovoltaikanlagen,
d. h. Stromproduktion und landwirtschaftliche bzw. gartenbauliche Nutzung auf einer Fläche,
können einen wichtigen Beitrag für Klimaschutz und Ökologie leisten. Wenn man es richtig
anstellt, können Freiflächen-Anlagen zu kleinen Biotopen werden. Landwirtschaftsbetriebe
sollen für ökologische Leistungen Geld erhalten und so zusätzliche Erträge erzielen. Wichtig
zudem ist die Möglichkeit, direkte langfristige Stromlieferverträge abschließen zu können.
Bei der Planung gilt es die Bürger*innen frühzeitig einzubeziehen und zu beteiligen, von den
Erlösen müssen die Kommunen profitieren.
Mit Windenergieausbau den Wirtschaftsstandort Deutschland sichern
Auch beim Ausbau der Windkraft müssen wir schneller vorankommen. Unser Ziel ist ein
jährlicher Zubau von 5 bis 6 GW Wind an Land, bei Wind auf See wollen wir 35 GW bis 2035
erreichen. Beim Windausbau gilt es den Konflikt mit Natur- und Artenschutz zu minimieren,
Anwohner*innen zu schützen und die Verfahren zur Genehmigung zu beschleunigen. In einem
ersten Schritt wollen wir die erneuerbaren Energien als zwingend für die
Versorgungssicherheit definieren und dafür 2 Prozent der Fläche bundesweit nutzen. Alle
Bundesländer haben hierfür ihre entsprechenden Beiträge zu leisten. Verhinderungsplanungen,
etwa über exzessive Mindestabstände zu Siedlungen, müssen der Vergangenheit angehören. Mit
frühzeitiger Bürger*innenbeteiligung, klaren Vorrang- bzw. Eignungsgebieten für Wind sowie
mit Ausschlussgebieten sorgen wir für eine anwohner*innenfreundliche und naturverträgliche
Standortwahl und stärken den Populationsschutz bei Vögeln. Wir werden die Planungs- und
Genehmigungsverfahren durch vereinfachte Verfahren, mehr Personal und einheitliche
Bewertungsmaßstäbe beschleunigen. Repowering wollen wir erleichtern, sodass alte
Windenergieanlagen am gleichen Standort zügig durch leistungsstärkere ersetzt werden können.
Wir bauen unsere Offshore-Parks weiter aus und verbinden sie in der Europäischen
Energieunion mit den Solarparks der Mittelmeerstaaten, mit der Wasserkraft Skandinaviens und
der Alpen. Je vernetzter, desto stärker. Ein Kontinent ist für die Energiewende eine gute
Größe.
Unsere Energieinfrastruktur klimaneutral machen
Klimaneutralität in weniger als 30 Jahren heißt, dass die eine fossile Infrastruktur nicht
einfach durch eine andere fossile Infrastruktur ersetzt werden darf. Die Planung unserer
Infrastruktur für Strom, Wärme und Wasserstoff braucht daher ein Update und muss
Klimaneutralität in den Mittelpunkt stellen. Neue Gaskraftwerke oder Infrastrukturen, die
wir für den Kohleausstieg brauchen, darf es deshalb nur geben, wenn sie bereits Wasserstoff-
ready geplant und gebaut werden. Denn auch Erdgas ist ein klimaschädlicher Brennstoff,
insbesondere wenn man die zusätzlichen Emissionen bei seiner Förderung und dem Transport mit
einrechnet. Öffentliche Gelder für neue Import-Infrastruktur wollen wir daran binden, dass
die fossilen Energieträger darüber nur noch in einem begrenzten Zeitrahmen transportiert
werden. Neue Erdgas-Pipelines wie Nord Stream 2 zementieren auf Jahrzehnte Abhängigkeiten
von klimaschädlichen Ressourcen und konterkarieren die Energiewende. Sie sollten daher – im
konkreten Fall von Nord Stream 2 – auch aus geopolitischen Gründen gestoppt werden. Damit
stärken wir unsere energiepolitische Souveränität.
Eine grüne Wasserstoffstrategie
Wasserstoff aus erneuerbaren Energien ist zentral für eine klimaneutrale Welt. Deutschland
ist bei den Technologien zur Erzeugung von Wasserstoff vorne, diese Führungsrolle wollen wir
weiter ausbauen. Mit einer klaren Priorisierung und einem umfassenden Förderprogramm werden
wir die Kapazitäten zur Wasserstoffherstellung in Deutschland schaffen. Die Infrastruktur
für Wasserstoffimporte müssen wir jetzt etablieren. Wir werden faire Kooperationen mit wind-
und sonnenreichen Ländern anstoßen und ausbauen, um zusätzlich Wasserstoff zu importieren.
Für den Erfolg dieser Kooperationen ist es unabdingbar, die lokale Bevölkerung
einzubeziehen, Menschenrechte zu schützen und sich an den nachhaltigen Entwicklungszielen zu
orientieren. Damit Wasserstoff zur Klimaneutralität beiträgt, muss er aus erneuerbaren
Energien hergestellt werden. Das gilt auch für Wasserstoffimporte. Die Vorstellung, alte
fossile Technologien wie Verbrennungsmotoren mit Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen
zu betreiben, ist bestenfalls eine Illusion, schlimmstenfalls eine Verzögerungstaktik. Die
Herstellung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen ist extrem energieintensiv und
teuer, die direkte Nutzung von Strom durch Batterien oder Wärmepumpen viel effizienter. Es
gilt daher Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe dort zum Einsatz zu bringen, wo sie
wirklich gebraucht werden: etwa in der Industrie oder beim Flugverkehr.
Einen Markt für Ökostrom schaffen
Die Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vor über 20 Jahren war der
Startschuss für die Energiewende in Deutschland. Doch jetzt, bei einem Erneuerbaren-Anteil
von fast 50 Prozent im Strombereich, brauchen wir ein Energiemarktdesign, das Ökostrom in
den Mittelpunkt rückt und zugleich die Sektorenkopplung unterstützt. Unser Ziel ist, dass
erneuerbarer Strom künftig stärker marktgetrieben und systemdienlich vergütet wird. In einem
ersten Schritt werden wir dafür sorgen, dass auch außerhalb des EEG langfristige
Lieferverträge zwischen Ökostromerzeugern und Verbraucher*innen geschlossen werden können.
Zudem wollen wir den Ökostrommarkt für neue EEG-Anlagen öffnen, sodass Endkund*innen deren
Strom direkt kaufen können. In einem zweiten Schritt geht es darum, nicht die Arbeit,
sondern die zur Verfügung gestellte Leistung zu entlohnen. Damit stärken wir
Sektorenkopplung und Versorgungssicherheit. Wenn bei fossilen Energien die CO2-Kosten
stärker eingepreist und neue Instrumente etwa für Refinanzierung und Mietermodelle
geschaffen sind, kann in einem dritten Schritt die EEG-Umlage für Neuanlagen auslaufen.
Die Bürger*innen an der Energiewende beteiligen
Wir wollen, dass von der Energiewende möglichst viele profitieren. Deshalb werden wir
Bürger*innen-Projekte bei Wind- und Solarparks besonders fördern und die Kommunen
verbindlich an den Einnahmen aus den Erneuerbaren-Anlagen beteiligen. Gerade der ländliche
Raum kann so von den Gewinnen profitieren. Bürger*innen-Energieprojekte wollen wir mit einer
Ausnahmeregelung bei den Ausschreibungen wieder stärken. Zudem wollen wir Mieterstrom
fördern und entbürokratisieren, damit Mieter*innen stärker die Möglichkeit bekommen, vom
Ausbau der Erneuerbaren zu profitieren.
Netzausbau beschleunigen
Um die Energiewende zum Erfolg führen zu können, müssen wir auch die Stromleitungen
schneller ausbauen. Sie sorgen dafür, dass der Strom von dort, wo er erzeugt wird, so
schnell wie möglich dorthin gelangt, wo er benötigt wird. Voraussetzung für einen weiteren
Netzausbau ist, dass er systemdienlich erfolgt und alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden,
die bestehenden Netze optimal auszunutzen. Zentral ist eine frühzeitige
Bürger*innenbeteiligung. Sie erhöht die Qualität der Planung und trägt nachweislich dazu
bei, dass potenzielle Klagegründe bereits zu Beginn gemeinsam ausgeräumt statt am Ende vor
Gericht geklärt werden. Klar ist auch: Die Erneuerbaren genießen Vorrang im Netz. Da
Stromübertragungsnetze natürliche Monopole und zugleich kritische Infrastruktur darstellen,
wollen wir den öffentlichen Einfluss darauf stärken. Dazu wollen wir nach Möglichkeit die
staatlichen Anteile an den vier Übertragungsnetzbetreibern in Deutschland erhöhen und sie in
eine Bundesnetzgesellschaft in Bundeshand überführen. Wir treiben außerdem eine Reform der
Netzentgelte voran, um über einheitliche Netzentgelte zu mehr Fairness zwischen Stadt und
Land und Nord und Süd beizutragen.
Klima-Sanierungsoffensive bei Gebäuden
Es ist höchste Zeit, dass alle Neubauten und umfassende Sanierungen klimaneutral erfolgen.
Dreh- und Angelpunkt sind hohe Baustandards: bei Neubauten KfW 40, was in etwa dem
Passivhausstandard entspricht, im Gebäudebestand nach Sanierung KfW 55 – mit Ausnahmen für
denkmalgeschützte Gebäude. Die Sanierungsquote muss deutlich gesteigert werden. Für den
Bestand muss gelten: Sobald ein Eigentümerwechsel erfolgt, wird ein Sanierungsfahrplan
erstellt. Wenn im Gebäudebestand ein Heizungsaustausch ansteht oder umfassend saniert wird,
sollen Erneuerbare, wo immer möglich, verbindlich zum Einsatz kommen. Wir legen dazu ein
Investitionsprogramm für 2.000.000 Wärmepumpen bis 2025 auf. Auch die Fern- und Nahwärme
wollen wir dekarbonisieren. Dabei ist es für die Energieeffizienz maßgeblich, von der
Einzelbefeuerung weg und hin zu verknüpften Systemen zu kommen, in denen aus verschiedenen
Erneuerbaren-Quellen wie Abwärme, Solarthermie oder Power-to-Heat Wärme eingespeist wird.
Solche verbundenen Energiesysteme werden wir fördern, besonders in städtischen Gebieten.
Wärmewende fair gestalten
Die Wärmewende muss mit wirksamem Mieter*innenschutz und gezielter Förderung einhergehen.
Wir wollen mit dem sogenannten Drittelmodell die Kosten für klimafreundliche
Modernisierungen fair zwischen Vermieter*innen, Staat und Mieter*innen verteilen, sodass sie
für alle bezahlbar und für die Vermieter*innen angemessen wirtschaftlich werden. Die
Modernisierungsumlage wollen wir strikt begrenzen, damit Kosten nicht einfach auf die
Mieter*innen abgewälzt werden können. Mit einem Zuschuss zum Wohngeld, dem Klimawohngeld,
ermöglichen wir auch Empfänger*innen von Wohngeld, in klimafreundlichen Wohnungen zu leben.
Eigenheimbesitzer*innen werden wir mit Steuervergünstigungen und zielgerichteten
Förderprogrammen helfen.
Atomausstieg vollenden – Endlagersuche zum Erfolg führen
Wir werden Ende 2022 den Atomausstieg in Deutschland vollenden. Doch obwohl Atomkraft eine
Hochrisikotechnologie ist, wird bei uns immer noch Uran angereichert, werden Brennstäbe
hergestellt und exportiert. Unser Ziel ist es, die Atomfabriken in Gronau und Lingen durch
eine restriktivere Exportpolitik stark einzuschränken und perspektivisch zu schließen. Zum
Atomausstieg gehört auch, einen Endlagerstandort für den hochradioaktiven Atommüll zu
finden. Wir bekennen uns zum verabredeten Pfad der Endlagersuche. Entscheidend für den
Endlagerstandort sind höchste Sicherheitsstandards bei bestmöglichen geologischen
Bedingungen und Rückholbarkeit; die Suche hat auf Basis von wissenschaftlichen Kriterien und
mit größtmöglicher Transparenz und Beteiligung der Bevölkerung zu erfolgen. Auch in der EU
wollen wir den Einstieg in den Ausstieg vorantreiben. Wir setzen uns dafür ein, den Euratom-
Vertrag zu reformieren. Gemeinsam mit anderen engagierten Mitgliedstaaten wollen wir dafür
sorgen, dass nicht mehr die Atomkraft privilegiert wird, sondern die erneuerbaren Energien
stärker gefördert werden.
Wir sorgen für nachhaltige Mobilität
Investitionen für starke Bahnen in Stadt und Land
Die Bahn ist ein öffentliches, soziales Gut und das Rückgrat einer nachhaltigen
Mobilitätswende. Wir wollen den Bahnverkehr ausbauen, alle deutschen Großstädte mit
regelmäßigen Verbindungen an den Fernverkehr anschließen und in ländlichen Räumen in
größerem Umfang Anschlüsse an das Schienennetz reaktivieren. Entwidmung von Bahnstrecken
soll es nicht mehr geben. Auch den grenzüberschreitenden Zugverkehr gilt es im Rahmen eines
Europatakts deutlich zu stärken, ein attraktives europäisches Schnell- und Nachtzugnetz
aufzubauen und die Lücken in regionalen, grenzüberschreitenden Nahverkehrsverbindungen zu
schließen. Bahnhöfe wollen wir zu modernen Mobilitätsstationen aufwerten und die Kombination
von Fahrrad und öffentlichem Verkehr stark verbessern. Die Investitionsmittel für die Bahn
werden wir dafür massiv anheben. Den Deutsche-Bahn-Konzern wollen wir transparenter und
effizienter machen, die Strukturen für mehr Schienenverkehr neu ordnen und in neuer
staatlicher Verantwortung am Gemeinwohl ausrichten. Der Bund muss zudem mehr Verantwortung
für das Schienennetz und die Koordinierung des Zugverkehrs im Deutschlandtakt übernehmen.
Wir setzen auf ein Wachstum der Schiene und sichere Arbeitsplätze im Bahnbereich.
ÖPNV ausbauen
Busse und Bahnen sind für alle da, bieten preiswerte Mobilität und verringern den
Autoverkehr. Wir wollen die Fahrgastzahlen im ÖPNV bis 2030 verdoppeln. Dazu muss der
öffentliche Personennahverkehr attraktiver und innovativer und mit dem Fernverkehr verknüpft
werden. Zusammen mit den Ländern werden wir eine Zukunfts- und Ausbauoffensive starten,
Investitionen in Fahrzeuge und das ÖPNV-Netz erhöhen, die Mittel für den Betrieb von
Regionalbahnen ausweiten und die Finanzierungsinstrumente an das Ausbauziel anpassen. Auch
die Beschaffung von emissionsfreien Bussen wollen wir durch attraktive Konditionen für die
Kommunen vorantreiben. In Modellprojekten sind Kommunen dabei zu unterstützen, auf einen
umlagefinanzierten preiswerten ÖPNV umzusteigen.
Fahrradnetz für ganz Deutschland
Das Fahrrad hat für die Mobilitätswende riesiges Potenzial. Um es auszuschöpfen, wollen wir
Deutschland zum Fahrradland machen. Radfahren muss sicher und attraktiv sein – überall.
Radwege in Städten, Pendelstrecken oder Verbindungen von Dorf zu Dorf wie auch touristische
Radwege sollen sich durch hohe Qualität und eine gute Beschilderung auszeichnen. Unsere
Vision ist ein lückenloses Fahrradnetz in ganz Deutschland. Wir richten die Verkehrspolitik
an den Zielen und Empfehlungen des Nationalen Radverkehrsplans aus, erhöhen die
Förderprogramme für Ausbau und Modernisierung der Radinfrastruktur und reformieren das
Straßenverkehrsrecht, damit Radfahrer*innen besser geschützt sind und mehr Platz im
Straßenraum bekommen.
Mobilpass einführen
Autonomes Fahren, vernetzte Mobilitätsangebote, nutzen statt besitzen – der digitale
Fortschritt wird unseren Alltag in den nächsten Jahren grundlegend verändern. Wir wollen die
deutsche Mobilitätswirtschaft zum Vorreiter für neue Mobilitätslösungen machen und die
Chancen der Digitalisierung für eine Verkehrswende nutzen. Echtzeitinformationen und ein
einheitliches Ticketsystem müssen im ÖPNV Standard werden. Damit man problemlos überall von
A nach B kommt, wollen wir mit dem Mobilpass die Angebote von 120 Verkehrs- und
Tarifverbünden in Deutschland verknüpfen und Sharing- und Ridepooling-Dienste so
integrieren, dass Sozial- und Umwelt-Dumping ausgeschlossen sind. Wir wollen den Wechsel zu
Fahrrad, Bus und Bahn für alle möglich machen und auch finanziell fördern. Deshalb wollen
wir mit dem Mobilpass auch attraktive Tarife und Sozialtarife fördern. Ein Haushalt, der
sein Auto dauerhaft abmeldet, soll zudem für ein Jahr eine Mobilitätsprämie für die Nutzung
umweltfreundlicher Verkehrsmittel bekommen. Für autonomes Fahren schaffen wir einen
Rechtsrahmen mit Schwerpunkt auf dem öffentlichen Verkehr.
Mehr Sicherheit im Straßenverkehr
Alle Menschen sollen sich in ihrem Alltag angstfrei fortbewegen und unversehrt ihre Ziele
erreichen können. Damit mehr Menschen auf das Fahrrad steigen, öfter zu Fuß gehen – sei es
zur nächsten Haltestelle oder S-Bahn-Station – und auf diese Weise Städte vom Autoverkehr
entlasten, sind zeitgemäße Verkehrsregeln, die folgenschwere Verkehrsunfälle verhindern,
entscheidend. Unser Ziel ist die Vision Zero, d. h. keine Toten und Schwerverletzten mehr im
Straßenverkehr. Wir wollen Kommunen ermöglichen, in geschlossenen Ortschaften das Regel-
Ausnahme-Verhältnis beim Tempolimit umzukehren. Für die Autobahnen wollen wir ein
Sicherheitstempo von 130 Stundenkilometern. Um die vielen Unfälle von Fahrradfahrer*innen
und Fußgänger*innen in Innenstädten durch abbiegende Schwerlasttransporter zu verhindern,
wollen wir verpflichtende Vorgaben für Lkw-Abbiegeassistenzsysteme einführen.
Autos der Zukunft bauen
Das Auto der Zukunft wird im Sinne der Lebensqualität aller leiser, digitaler und
klimaneutral sein. Der technologische Wettlauf ist in vollem Gange. Damit das Auto der
Zukunft weiter in Deutschland entwickelt und produziert wird, braucht es klare politische
Leitplanken. Ab 2030 sollen deshalb nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden, zum
Beispiel durch eine ansteigende nationale Quote für emissionsfreie Autos. So sorgen wir für
saubere Luft in Innenstädten, erfüllen unsere Klima- und Umweltziele, und die
Automobilindustrie kann ihre Entwicklungsarbeit verlässlich auf Elektromobilität ausrichten.
Das sichert zukunftsfähige Arbeitsplätze und neue Geschäftsmodelle. Wir setzen uns für
schärfere europäische CO2-Flottengrenzwerte ein. Den Kauf emissionsfreier Autos wollen wir
über ein Bonus-Malus-System in der Kfz-Steuer fördern. Saubere Autos werden billiger,
klimaschädliche teurer. Wir beenden die Dieselsubvention und gestalten die
Dienstwagenbesteuerung ökologisch um. Wir beschleunigen den flächendeckenden Ausbau einer
einheitlichen Ladeinfrastruktur, inklusive Schnellladesäulen und öffentlicher Ladepunkte im
ländlichen Raum. Laden muss flächendeckend in Deutschland und Europa schnell und bequem
möglich sein.
Moderne Verkehrsinfrastruktur
Die Verkehrspolitik hat jahrzehntelang einseitig Straßenbau und Pkw-Verkehr gefördert. Sie
reißt damit alle Klima- und Nachhaltigkeitsziele und führt doch tagtäglich zu Staus. Das hat
keine Zukunft – moderne Mobilität für dieses Jahrhundert verlangt neue Prioritäten.
Deutschland braucht eine Infrastrukturentwicklung, die an den Zielen der Mobilität für alle
und an Klimaneutralität ausgerichtet ist und den Fokus auf den Ausbau von Schienen, Radwegen
und auf eine intelligente Vernetzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel legt. Auch die
Vermeidung von Verkehr, unter anderem durch bessere Bedingungen für Homeoffice und die
Wiederkehr der Nahversorgung in Orte und Stadtviertel, werden wir unterstützen. Wir werden
einen Bundesnetzplan 2050 erarbeiten, in dem der Neu- und Ausbau der Verkehrsträger Straße,
Schiene und Wasserstraßen im Hinblick auf die Erreichung der Klimaziele neu bewertet wird.
Die anstehende Überprüfung des aktuellen Bundesverkehrswegeplans werden wir nutzen, um nicht
planfestgestellte Straßenneubauprojekte, insbesondere Autobahnabschnitte, noch einmal auf
den Prüfstand zu stellen und mit einem Klima- und Umweltcheck neu zu bewerten. Die
Investitionen werden wir umschichten zugunsten der Sanierung maroder Infrastruktur und des
Ausbaus der Schienen- und Radwegeinfrastruktur.
Mobil auf dem Land durch eine Mobilitätsgarantie
Das Auto ist für viele Menschen im ländlichen Raum unverzichtbar und gerade für viele
Familien im ländlichen Raum kaum wegzudenken. Dort setzen wir deshalb an erster Stelle auf
die Chancen der Antriebswende. Das E-Auto ist insbesondere im Paket mit Solaranlagen auf dem
Dach, einem Stromspeicher im Keller und einer Wallbox in der Garage eine zukunftsfähige
Lösung, die wir gerade im ländlichen Raum ausbauen wollen. Doch auch auf dem Land muss
Mobilität ohne Auto möglich sein, das Angebot muss wachsen, gerade für Pendler*innen,
Jugendliche und ältere Menschen. Wir wollen die Länder dabei unterstützen, eine
Mobilitätsgarantie mit Standards für Erreichbarkeit und Erschließung einzuführen, erweiterte
Angebote an öffentlicher Mobilität in ländlichen Räumen zu entwickeln und Radwege
auszubauen. Gerade in strukturschwachen Regionen braucht es eine regelmäßige und
verlässliche Anbindung an den ÖPNV, an Mobilitätsdienstleistungen wie Ridepooling- und On-
Demand-Verkehre sowie öffentliche Stromtankstellen.
Mobilitätswende in der Stadt
Nirgendwo wird die Mobilitätswende sehnlicher erwartet als in den Innenstädten: Unfälle,
Staus, Abgase, Lärm, zu wenig Platz für Kinder zum Spielen – die autozentrierte Stadt ist
nicht nur klimaschädlich, sondern auch kein schöner Ort zum Leben. Wir wollen die Städte bei
der Mobilitätswende gezielt unterstützen, es ihnen erleichtern, sichere Radwege und
attraktive Fußwege anzulegen und verkehrsberuhigte oder autofreie Innenstädte und
Stadtviertel zu schaffen. Die Städte sollen mehr Möglichkeiten bekommen, regulierend in den
Autoverkehr einzugreifen und öffentlichen Raum neu aufzuteilen, zum Beispiel indem Autos
nicht mehr überall, sondern nur noch auf gekennzeichneten Plätzen parken dürfen. Die
Ausweitung von umweltfreundlichem Carsharing werden wir fördern, damit der Pkw-Bestand in
den Städten abnimmt.
Flugverkehr klimaneutral ausrichten
Fliegen hat unsere Welt näher zusammengebracht. Zugleich ist es wegen seines immensen
Kerosinverbrauchs die klimaschädlichste Fortbewegungsart. Nach der Pandemie wollen wir kein
Zurück zum blinden Wachstum des Luftverkehrs, sondern diesen am Ziel der Klimaneutralität
ausrichten. Kurzstreckenflüge wollen wir bis 2030 überflüssig machen, indem wir die Bahn
massiv ausbauen. Die Zahl von Langstreckenflügen gilt es zu vermindern und das Fliegen
gleichzeitig zu dekarbonisieren. Um Kerosin durch klimaneutrale Treibstoffe zu ersetzen,
wollen wir die bestehende Beimischungsquote erhöhen und einen Anstiegspfad festschreiben.
Den Aufbau von Produktionsanlagen und moderner Flugzeugtechnologie fördern wir.
Umweltschädliche Subventionen im Flugverkehr sind abzubauen und Finanzhilfen für
unwirtschaftliche Regionalflughäfen zu beenden. Neben einer Reduktion des Fluglärms durch
weniger und bessere Flugzeuge braucht es ein echtes Nachtflugverbot.
Zukunftsfähiger Güterverkehr
Jeden Tag werden durch Deutschland Millionen Tonnen an Gütern transportiert, heute zumeist
in Form endloser Lkw-Karawanen auf unseren Straßen. In einem klimaneutralen Deutschland muss
auch der Güterverkehr zukunftsfähig sein. Wir setzen auf regionale Wirtschaftskreisläufe,
die Chancen der Digitalisierung und Vernetzung bei der Organisation der Logistik und wollen
mehr Güter mit der Bahn transportieren. Dazu wollen wir die Kombination von Straße und
Schiene ertüchtigen und dafür sorgen, dass Industrie und Gewerbe wieder ans Bahnnetz
angeschlossen werden. In der Schifffahrt heißt es: weg vom Schweröl und stattdessen den
Einsatz alternativer Kraftstoffe und Antriebe forcieren. Den ausufernden Lkw-Verkehr wollen
wir durch eine CO2-orientierte Maut regulieren. Zusammen mit ambitionierten CO2-
Flottengrenzwerten und der Förderung klimafreundlicher Antriebe werden auch Lkw absehbar
emissionsfrei. Für mehr Sicherheit im Lkw-Bereich braucht es eine bessere Durchsetzung von
Arbeitszeitvorschriften. Auch die Arbeitsbedingungen der Lkw-Fahrer*innen müssen erheblich
verbessert werden. In der städtischen Logistik wollen wir den Einsatz von Lastenrädern und
neue Verteilkonzepte wie Cityhubs oder Güterbeförderung auf Schienen fördern.
Wir schützen Natur und Umwelt für ein gutes Leben
Artensterben stoppen
Biologische Vielfalt sichert das Leben auf der Erde. Ökologische Leitplanken müssen daher
unser Handeln definieren – als „Barometer des Lebens“. Um die Krise der Artenvielfalt zu
überwinden und das massenhafte Artensterben zu beenden, brauchen wir vor allem eine andere
Landnutzung. Wie beim Klimaschutz zählt beim Naturschutz jeder Tag. Deshalb werden wir hier
ein Sofortprogramm Artenschutz auflegen, mit dem wir den Pestizideinsatz verringern, den
Einsatz von Glyphosat untersagen, den Verkauf von naturwertvollen bundeseigenen Flächen zur
Bebauung und die Entwässerung von moorigen Standorten im Bundesbesitz stoppen. Wir werden
Naturschutzkorridore schaffen, Natura-2000-Gebiete gemeinsam mit den Ländern verteidigen und
verbessern sowie Schutzgebiete, wo möglich, vergrößern bzw. neue schaffen. 10 Prozent der
Gelder aus dem Energie- und Klimafonds sollen für Klimaschutz durch Naturschutzmaßnahmen
eingesetzt werden. Mit einem Wildnisfonds wollen wir dafür sorgen, dass sich auf mindestens
2 Prozent der Landesfläche wieder echte Wildnis entwickeln kann. Um Natur zu retten, gilt es
bis 2030 den Flächenverbrauch zu halbieren. Bei neuer Straßenverkehrsinfrastruktur sowie
Siedlungs- und Industriegebieten muss mehr auf den Naturschutz geachtet werden. Das werden
wir bei Bundesinfrastrukturprojekten umsetzen und zugleich Landes- und Kommunalverwaltungen
dabei unterstützen, nicht mehr benötigte versiegelte Flächen der Natur zurückzugeben oder im
Innenbereich zu verdichten.
Unseren Wald retten
Unser Wald ist durch die Klimakrise stark bedroht. Wir erleben heute schon ein Waldsterben,
das weitaus größere Schäden anrichtet, als in den 80er Jahren durch den sauren Regen
entstanden sind. Naturnahe, artenreiche und klimastabile Waldökosysteme sind
widerstandsfähiger als Monokulturen. Wir wollen gesetzliche Mindeststandards für eine
naturnahe Waldbewirtschaftung festlegen und den Umbau und die Wiederbewaldung nach
ökologischen Bewirtschaftungsvorgaben unterstützen. Das dient auch dem ökonomischen
Mehrwert. Die Bewirtschaftung von Flächen der öffentlichen Hand soll an ökologische
Kriterien – im Wald nach FSC, in der Landwirtschaft nach Ökolandbau zertifiziert – geknüpft
werden. Wir wollen 5 Prozent unserer Wälder komplett aus der Nutzung nehmen. Dazu weisen wir
Naturwälder aus und machen sie zu Urwäldern von morgen. Weitere Dürrejahre vergrößern die
Waldbrandgefahr. Gemeinsam mit Kommunen und Ländern wollen wir eine bundesweite Präventions-
und Bekämpfungsstrategie erarbeiten.
Biologische Vielfalt an Land und im Meer schützen
Der Artenrückgang und die Zerstörung natürlicher Lebensräume schreiten auch global weiter
voran. Wir werden uns für ein ambitioniertes Abkommen der Vereinten Nationen zum Erhalt der
biologischen Vielfalt einsetzen. Es sollen entsprechend der Biodiversitätsstrategie der
Europäischen Union mindestens 30 Prozent der Landfläche und 30 Prozent der Meere geschützt
werden, davon 10 Prozent der EU-Landflächen und 10 Prozent der EU-Meeresgebiete mit strengen
Schutzvorgaben, nötig ist außerdem ein Entwaldungsstopp für die Schutzgebiete an Land. Die
UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung wollen wir in einem solchen Abkommen als neue
Leitprinzipien verankern und für eine kohärente Politik sorgen. Insbesondere im
Meeresbereich verfolgen wir eine gemeinsame internationale Meeresstrategie. Wir werden uns
dafür einsetzen, den Schutz der Meere über verbindliche Abkommen zu schärfen,
Vollzugsdefizite und Regellücken zu schließen und damit den Schutz des Meeres in den Fokus
zu rücken, damit legale Verschmutzung, wie zum Beispiel Tankwäschen auf hoher See, verboten
und Übernutzung verhindert wird.
Flüsse und Moore schützen
Die Renaturierung von Flüssen und Wäldern und die Wiedervernässung von Mooren – all das
schützt nicht nur seltene Lebensräume und die Biodiversität, sondern auch das Klima.
Naturnahe Bäche und die letzten frei fließenden Flüsse wie die Elbe müssen erhalten bleiben,
einen Ausbau der Oder lehnen wir ab. Flüsse mit weiten Auen und Überschwemmungsgebieten sind
auch der beste Schutz gegen Hochwasser. Daher werden wir die Aufgaben der
Bundeswasserstraßenverwaltungen stärker ökologisch ausrichten. Spezifische Programme für
wilde Bäche, naturnahe Flüsse, Seen, Auen und Feuchtgebiete wie das Blaue Band wollen wir
stärken und die EU-Wasserrahmen-Richtlinie konsequent umsetzen. Moorschutz ist Klimaschutz.
Daher wollen wir unsere Moore so schnell wie möglich wiedervernässen. Dazu legen wir
gemeinsam mit den Ländern ein großflächig wirksames Moor-Renaturierungsprogramm auf.
Wiedervernässte Moore müssen zu einem Teil Schutzgebiete werden, ein anderer Teil sollte
nachhaltig genutzt werden. Daher wollen wir Paludikultur stärken, also die
landwirtschaftliche Nutzung von nassen Hoch- und Niedermooren.
Sauberes Wasser ist Leben
Wasser ist unser wichtigstes Lebensmittel. Nitrat, Waschmittelrückstände und
Medikamentenreste, die Grundwasser, Seen und Flüsse belasten, gehören nicht ins Abwasser.
Deshalb wollen wir klare gesetzliche Vorgaben etwa zur Flächenbindung der Tierhaltung und
des Pestizideinsatzes verankern. Ein Verursacherfonds und eine Reform der Abwasserabgabe
sollen so zu einer fairen Verteilung der Kosten von Abwasser- und Trinkwasseraufbereitung
führen. Durch eine Stärkung der Produktverantwortung von Herstellern und genaue
Genehmigungs- und Entsorgungsvorschriften für Medikamente können wir die Gefahren von
Arzneimittelrückständen im Wasser und Resistenzen von Keimen verringern. Setzen wir das EU-
Recht konsequent um, reduzieren wir den Eintrag von hormonverändernden Stoffen und
Mikroplastik im Wasser. Den Vorrang der öffentlichen Wasserversorgung gegenüber gewerblicher
Nutzung gilt es sicherzustellen, Wiederverwendung von Abwässern und Speicherung von
Regenwasser wollen wir regeln und Anreize zum Wassersparen schaffen.
Meere schützen, Plastikmüllflut stoppen
Die Meere befinden sich in einem katastrophalen Zustand – und dieser droht sich durch
weitere Versauerung, Überdüngung, Verschmutzung und Plastikmüll noch zu verschlechtern. Um
die Plastikmüllflut zu stoppen, wollen wir ein Sofortprogramm mit verbindlichen
Müllvermeidungszielen auflegen. Wir wollen Technik und Maschinen fördern, die eine Bergung
der Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee ermöglichen. Um die Fischbestände zu
stabilisieren und Fischer*innen eine nachhaltige Perspektive zu geben, wollen wir eine
regionale, umwelt- und artenschonende Fischerei unterstützen und die Betriebe fördern, die
Fangmengen und Netzlängen reduzieren, die neue bzw. althergebrachte Fanggeräte erproben oder
einsetzen und sich für touristische Angebote öffnen. In Meeresschutzgebieten regulieren wir
die Schleppnetz- und Stellnetzfischerei sowie die touristische Nutzung. Aus den
Erdölförderanlagen in der Nordsee treten durch Unfälle, ölhaltigen Bohrschlamm mit
Bohrabfällen und auch durch die Abfackelung von Gas giftige Stoffe aus. Wir setzen uns für
ein Ende der Förderung fossiler Energieträger ein. In der deutschen Ausschließlichen
Wirtschaftszone (AWZ) wollen wir einen sofortigen Stopp neuer Öl- und Gasbohrungen umsetzen
sowie ein Förderende bis 2025. Auf europäischer und internationaler Ebene setzen wir uns für
ein Ende der Öl- und Gasförderung in der gesamten Nord- und Ostsee ein. Wir wollen auch den
Ausstieg aus dem Kies- und Sandabbau vorantreiben. Für lebendige Weltmeere sind die
Umsetzung der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie und verbindliche Abkommen über Fangquoten,
ein Ende der Fischereisubventionen, ein Tiefseebergbaumoratorium sowie die Ausweisung von
großflächigen Meeresschutzgebieten überlebensnotwendig.
Das Ende des Mülls
Der Mehrweganteil bei Getränken sinkt seit Jahren. To-go-Becher werden nur für wenige
Minuten genutzt, bevor sie zu Müll werden. Ausgediente Handys und Tablets verstauben in
Schubladen, obwohl sie wiederverwendet oder recycelt werden könnten. Unser Ziel ist Zero
Waste. Es soll kein Müll mehr verursacht und die Ressourcenverschwendung gestoppt werden.
Dafür wollen wir das komplizierte Pfandsystem entwirren. Jede Flasche soll in jeden
Pfandautomaten passen, den To-go-Mehrwegbecher machen wir bis 2025 zum Standard. Auf
europäischer Ebene treten wir für ein EU-weites Pfandsystem ein. Damit Ressourcenschätze aus
alten Elektrogeräten zurück in den Kreislauf finden, schaffen wir ein Pfand auf Handys,
Tablets und energieintensive Akkus. Das Verpackungsgesetz entwickeln wir zu einem
Wertstoffgesetz weiter, das Mehrwegquoten und Pfand auf alle Einweg-Plastikflaschen
vorsieht. Die Kreislaufwirtschaft wird das neue Normal. Im Kreislaufwirtschaftsgesetz räumen
wir allen ökologisch vorteilhaften Mehrwegprodukten Vorrang ein. Wir setzen uns für ein
Verbot des Exports von Plastikmüll in Länder außerhalb der EU ein.
Giftfreie Produkte im Alltag
Plastikrückstände befinden sich bereits in den Körpern von Kindern und Jugendlichen. Die
Weltgesundheitsorganisation sieht in hormonstörenden Chemikalien eine globale
Gesundheitsbedrohung. Wir wollen giftige Chemikalien, die Erkrankungen wie Krebs, Diabetes
oder ungewollte Kinderlosigkeit auslösen können, aus allen Alltagsprodukten verbannen, indem
wir das EU-Recht im Chemikalienbereich schnell und konsequent umsetzen. Im Rahmen der
Chemikalienverordnung REACH wollen wir weitere Einschränkungen für gefährliche Stoffe und
werden entsprechende Vorschläge machen. Besonderes Augenmerk richten wir auf Spielzeug,
Kinderpflegeprodukte und andere Alltagsprodukte wie Textilien, Möbel oder Elektronik.
Deutschland sollte dem Beispiel Frankreichs folgen und nachgewiesen giftige Chemikalien wie
Bisphenol A in Kochgeschirr und Lebensmittelverpackungen oder per- und polyfluorierte
Kohlenwasserstoffe in Papier und Pappe verbieten. Unser Ziel ist, dass die Menschen gesund
in einer gesunden Umwelt leben können.
Saubere Luft zum Atmen
Wir alle brauchen saubere Luft zum Atmen. Doch Abgase aus dem Verkehr, aus Kohlekraftwerken
oder alten Ölheizungen machen krank. Schlimmer noch: Nach Berechnung der Europäischen
Umweltagentur sterben allein in Deutschland pro Jahr 70.000 Menschen vorzeitig durch von
Luftverschmutzung verursachte Krankheiten. Um die Luft zu verbessern, bietet die ökologische
Modernisierung riesige Chancen. E-Autos, Solar- und Windenergie schützen unsere Luft. Wir
wollen diese Entwicklung beschleunigen und die Minderungsziele für Luftschadstoffe und die
Grenzwert-Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation schnellstmöglich umsetzen.
Klimaanpassung und mehr Natur in der Stadt
Schon heute hat sich die Erde um 1,2 Grad erhitzt. Die Folgen sind mit Hitzesommern,
Waldsterben und Dürren längst auch in unserem Land spürbar und treffen oft die am härtesten,
die in schwierigeren Umständen leben. Während wir um jedes Zehntelgrad weniger an
Erderhitzung kämpfen, müssen wir uns zugleich an diese Veränderungen anpassen. Unsere Städte
wollen wir besser gegen Hitzewellen wappnen – mit mehr Stadtgrün, Fassadenbegrünung und
Trinkbrunnen. Es gilt unsere Städte so umzugestalten, dass sie mehr Wasser aufnehmen und
speichern und im Sommer kühlend wirken. Öffentliche Trinkwasserversorgung muss Vorrang vor
einer Privatnutzung haben. Auch für Tiere und Pflanzen sind unsere Städte immer wichtigere
Lebensräume. Wir wollen die Natur in der Stadt ausweiten und dafür zum Beispiel die
Lichtverschmutzung eindämmen, die sich negativ auf Menschen und Tiere auswirkt.
Wir stärken Bäuer*innen, Tiere und Natur
Landwirtschaft fit für die Zukunft machen
Wir wollen Umwelt-, Tier-, Klima- und Gewässerschutz und landwirtschaftliche Erzeugung
miteinander versöhnen. Die Landwirtschaft fit für die Zukunft zu machen – das begreifen wir
als Aufgabe für die nächsten Jahre. Das geht nur mit der Natur zusammen und mit einem
Verständnis von Natur, das sich an Kreisläufen orientiert und sich dem Ressourcenschutz
verpflichtet sieht. Das bedeutet fruchtbare Böden, sauberes Wasser und intakte Ökosysteme,
aber auch faire Bezahlung von Landwirt*innen und ein geändertes Ernährungssystem. Wir werden
vielfältige Fruchtfolgen und widerstandsfähige Anbausysteme wie Agroforst ebenso stärken wie
die Nutzung von robusten Pflanzensorten und Tierrassen. Digitale Anwendungen können bei
entsprechender Ausrichtung die Landwirtschaft umwelt- und klimafreundlicher machen, müssen
aber auch – zum Beispiel über Sharing-Konzepte – kleineren Betrieben offenstehen und
bezahlbar sein. Den Ökolandbau wollen wir umfangreich fördern und die Voraussetzungen dafür
schaffen, dass künftig immer mehr Bäuer*innen und Lebensmittelhersteller umstellen.
Monokulturen und chemische Dünger führen auch im globalen Süden zu erheblichen Schäden für
Gesundheit und Umwelt, während Kleinbäuer*innen durch europäische Dumpingexporte,
patentiertes Saatgut und Landraub weiter in die Abhängigkeit getrieben werden. Das Recht auf
Nahrung muss garantiert sein, kleinbäuerliche Strukturen sollten gestärkt werden. Dafür
unterstützensetzen wir uns mit unserer Agrar- und Entwicklungspolitik für eine globale sozial-ökologische
Agrarwende im Sinne der planetaren Grenzen und des 1,5 Grad Ziels von Paris ein.
Öffentliches Geld für öffentliche Leistung
Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU sollte zu einem Instrument für eine ökologische
Agrarpolitik werden – und nicht wie bisher für die Industrialisierung der Landwirtschaft.
Das muss der Ausgangspunkt für einen Gesellschaftsvertrag zwischen Bäuer*innen,
Verbraucher*innen und Politik für Klima- und Naturschutz sein. Wir wollen eine Reform, damit
die Milliarden an öffentlichen Geldern künftig für öffentliche Leistungen wie Klima-,
Umwelt- und Tierschutz eingesetzt werden. Um den nachhaltigen Umbau der Landwirtschaft
gemeinsam mit den Bäuer*innen voranzutreiben, gilt es die nationalen Spielräume für die
bevorstehende Förderperiode bestmöglich zu nutzen. Dazu gehören ein Ökolandbau-Anteil von 30
Prozent sowie eine Halbierung des Pestizid- und Antibiotika-Einsatzes bis 2030. Wir wollen
das System der Direktzahlungen schrittweise durch eine Gemeinwohlprämie ablösen, die
konsequent gesellschaftliche Leistungen honoriert. Bis zum Jahr 2028 wollen wir für die
Hälfte der Gelder eine ökologische Zweckbindung erreicht haben.
Pestizide reduzieren
Es gibt viele Gründe, den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft deutlich
herunterzufahren. Der Schutz der menschlichen Gesundheit gehört dazu. Vor allem sind weniger
Pestizide der wichtigste Hebel, um den Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen. Wir wollen den
Ausstieg aus der Pestizidabhängigkeit unserer Landwirtschaft schnell und machbar gestalten:
durch eine systematische Pestizidreduktionsstrategie, ein Sofortverbot für besonders
umwelttoxische Wirkstoffe und das besonders häufig eingesetzte Pestizid Glyphosat. Um den
Einsatz von Pestiziden insgesamt zu reduzieren, führen wir eine Pestizidabgabe ein. Um
wirksamen Artenschutz zu betreiben und unser Trinkwasser zu schützen, wollen wir die
Ausbringung von Pestiziden in Naturschutzgebieten und Trinkwasserschutzgebieten untersagen.
Die Landwirt*innen werden durch Gelder der Pestizidabgabe dafür entschädigt. Wir werden
außerdem den Export von Pestiziden beenden, die in Deutschland oder der EU aufgrund von
Umwelt- und Gesundheitsrisiken nicht zugelassen oder verboten sind. Wir wollen die
Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel verbessern und so Transparenz und
Unabhängigkeit stärken sowie ein kombiniertes Forschungs-, Umsetzungs- und Beratungsprogramm
für nicht synthetischen Pflanzenschutz auflegen.
Vielfältiges Saatgut ohne Patente
Eine vielfältige, gerechte und nachhaltige Landwirtschaft beginnt beim Saatgut. Es ist
nötig, die Zucht von robusten Sorten voranzutreiben. Angesichts der Klima- und
Biodiversitätskrise wollen wir sowohl die Forschung für ökologisches Saatgut stärken als
auch neue Ansätze fördern. Gentechnikfreie Produktion muss durch vorsorgeorientierte
Zulassungsverfahren und Kennzeichnungspflicht geschützt bleiben. Die Opt-out-Richtlinie der
EU setzen wir vollständig in nationales Recht um. Die Risiko- und Nachweisforschung sowie
innovative Ansätze, die auf traditionelle und ökologische Züchtungsverfahren setzen, werden
wir stärken. Wir wollen das Patentrecht so ausrichten, dass es keine Patente auf Pflanzen
und Tiere sowie deren genetische Anlagen mehr gibt.
Gerechte Einkommen und Arbeitsbedingungen für Bäuer*innen
Bäuerinnen und Bauern müssen von ihrer Arbeit leben können. Wir werden daher mit Hilfe des
Wettbewerbsrechts gegen Dumpingpreise im Lebensmittelhandel vorgehen. Wir wollen
Junglandwirt*innen und Neueinsteiger*innen unterstützen und Maßnahmen gegen Bodenspekulation
und den Ausverkauf ländlicher Fläche ergreifen. Dazu gehört, dass wir die Flächen der
bundeseigenen BVVG in eine Bundesstiftung überführen, die die Flächen vorzugsweise an
kleinere Betriebe statt an große Investoren verpachtet. Auch in der Lebensmittelerzeugung
und ‑verarbeitung müssen faire Bedingungen herrschen. Ein besserer Arbeits- und
Gesundheitsschutz für Beschäftigte in Landwirtschaft und Fleischindustrie ebenso wie mehr
Rechte für die Arbeitnehmer*innen, tarifliche Löhne und starke Gewerkschaften sind
notwendig.
Regionale Vermarktung stärken
Der Wunsch, wieder mehr regional und handwerklich erzeugte Lebensmittel zu kaufen, beim
Bäcker, in der Metzgerei, auf dem Bauernhof, wächst stetig. Wir wollen die regionale
Erzeugung und Vermarktung stärken und so dem Betriebssterben der letzten Jahre
entgegentreten. Wir unterstützen Regionalsiegel und Direktvermarktungen der Betriebe durch
lokale Einkaufs-Apps und Regionalwerbung und sorgen mit einer klaren Definition von
regionalen Produkten für Schutz vor Betrug. Öffentliche Fördergelder sollen vorrangig den
kleinen und mittleren bäuerlichen Betrieben und Handwerker*innen zugutekommen. Forschung und
Beratung zur Regionalvermarktung, innovative und partizipative Ansätze wie solidarische
Landwirtschaft oder Ernährungsräte unterstützen wir.
Lebensmittel retten
Gesunde und ökologisch wertvolle Lebensmittel sollen allen Menschen in Deutschland leicht
zugänglich sein. Ernährungsbedingte Krankheiten aufgrund von Fehlernährung wollen wir
gezielt eindämmen. Kitas, Schulen, Krankenhäuser, Pflegeheime, Mensen und Kantinen
unterstützen wir dabei, mehr nachhaltiges, gesundes und regionales Essen anzubieten. Gutes
Essen scheitert allzu oft an mangelndem Angebot und Transparenz. Um das zu ändern, wollen
wir die Ernährungsindustrie in die Pflicht nehmen. Wir brauchen verbindliche
Reduktionsstrategien für Zucker, Salz und Fett. Für Lebensmittelwerbung, die sich an Kinder
richtet, wollen wir klare Regeln, die sich an den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation
orientieren. Klimaschutz heißt auch, dass wir als Gesellschaft weniger tierische Produkte
produzieren und konsumieren werden. Wir wollen vegetarische und vegane Ernährung attraktiver
und zugänglich für alle Menschen machen. Pflanzliche Milchalternativen sollen steuerlich mit
Milchprodukten gleichgestellt und mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz verkauft werden.
Auch gegen die Lebensmittelverschwendung gehen wir vor. Wir wollen mit einem Rettet-die-
Lebensmittel-Gesetz verbindliche Reduktionsziele einführen, Lebensmittelhandel und -
produzenten verpflichten, genusstaugliche Lebensmittel weiterzugeben statt wegzuwerfen.
Lebensmittel aus dem Müll zu retten – das sogenannte Containern – muss entkriminalisiert
werden.
Klare Lebensmittelkennzeichnung
Gutes, nachhaltiges und gesundes Essen soll leicht zu erkennen sein. Mit verständlichen
Informationen über Zutaten, Herkunft und Herstellung wollen wir für die nötige Transparenz
sorgen. Wir werden daher eine verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung für Fleisch und
andere tierische Produkte einführen. Die Nährwertkennzeichnung Nutriscore wollen wir
ausbauen und europaweit für alle Fertigprodukte anwenden. Außerdem wollen wir die
Transparenz über die Herkunft von Lebensmitteln verbessern. Transparenz muss auch bei der
Lebensmittelhygiene gelten, deshalb sollen die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen in Form
eines Hygienebarometers für alle erkennbar sein.
Wir ermöglichen Tieren ein besseres Leben
Tierhaltung mit mehr Platz für weniger Tiere
Das System des „Immer billiger, immer mehr“ hat die Landwirtschaft in einen Teufelskreis
getrieben: Bäuerinnen und Bauern werden von Dumpingpreisen erdrückt und müssen immer mehr
produzieren, um zu überleben, die Tiere werden immer mehr auf Leistung gezüchtet und leben
immer kürzer, die ökologischen und gesellschaftlichen Probleme wachsen. Es braucht einen
Ausweg. Ein Teil der Lösung ist, dass deutlich weniger Tiere gehalten werden als bisher und
diesen Tieren ein wesentlich besseres Leben ermöglicht wird. Damit Tierschutz wirtschaftlich
machbar ist, wollen wir die Landwirt*innen durch eine Umbauförderung, faire Preise für ihre
Arbeit und verpflichtende Haltungskennzeichnungen auf den Produkten für alle Tierarten
unterstützen. Die Tierhaltung soll an die Fläche – nicht mehr als zwei Großvieheinheiten pro
Hektar – und Obergrenzen pro Stall gebunden werden. Den Umbau in tiergerechte Ställe werden
wir durch einen Tierschutz-Cent auf tierische Produkte ebenso gezielt fördern wie die
Weidetierhaltung, die ökologisch wertvolles Grünland erhält und sinnvoll nutzt. Qualzucht,
Amputationen, Eingriffe ohne Betäubung und Anbindehaltung wollen wir beenden, den Einsatz
von Antibiotika senken und Tiertransporte auf vier Stunden begrenzen. Lebendtiertransporte
in Drittstaaten außerhalb der EU gehören ganz verboten.
Tiere schützen und respektieren
Tiere brauchen Schutz, deshalb werden wir die gesetzlichen Regelungen zur Tierhaltung
verbessern. Für alle Tiere, die wir Menschen halten, haben wir eine besondere Verantwortung.
Wir wollen ihnen ein würdevolles, gutes und gesundes Leben frei von Schmerzen, Angst und
Stress ermöglichen. Dafür gilt es gemeinsam mit den Ländern und Kommunen auf einen
effektiveren Vollzug hinzuwirken und wirkungsvollere Sanktionen bei Tierschutzvergehen im
Tierschutzgesetz zu verankern. Wir werden ein Verbandsklagerecht für anerkannte
Tierschutzorganisationen einführen. Die anerkannten Tierschutzorganisationen und ein*e
Bundestierschutzbeauftragte*r sollen Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte wahrnehmen, die für
den Tierschutz zuständigen Behörden kontrollieren und Rechtsverstöße beanstanden. Die
Haltung von Wildtieren in Zirkussen gehört nicht mehr in unsere Zeit. Den Online-Handel mit
Tieren wollen wir strikt regulieren. Wir streben die weitere konsequente Reduktion von
Tierversuchen in der Wissenschaft an und wollen Tierversuche mit einer klaren
Ausstiegsstrategie und innovativen Forschungsmethoden schnellstmöglich überflüssig machen.
Deswegen muss die zukunftsorientierte Forschung sichergestellt sein, genauso wie auch
tierfreie Modelle für verbesserte Medikamenten- und Sicherheitsprüfungen weiterentwickelt
und gefördert werden müssen.
Wildtierhandel an die Leine legen
Die Covid-19-Pandemie muss eine Lehre sein, die Gesundheit von Umwelt, Tier und Mensch
zusammenzudenken. Sie basiert auf einer Zoonose, einer vom Tier zum Menschen übertragenen
Infektionskrankheit. Solche neuartigen Krankheiten werden durch die fortschreitende
Zerstörung der Natur und das Vordringen der Menschen in die letzten natürlichen Lebensräume
begünstigt. Dem gilt es entgegenzuwirken. Wildtiere gehören in die Wildnis, der Handel mit
ihnen muss strenger reguliert, Importe von Wildfängen, die Trophäenjagd, ihr Handel auf
Online-Portalen und Wildtierbörsen müssen ganz verboten werden. Auch die industrielle
Tierhaltung kann zu Pandemien beitragen, wie sich an coronainfizierten Nerzen gezeigt hat.
Die Tierhaltung ist deshalb auch an den Notwendigkeiten zur Eindämmung möglicher Zoonosen
auszurichten. Wir werden uns dafür einsetzen, dass Pelztierfarmen nicht mehr erlaubt sind.
weitere Antragsteller*innen
- Christof Martin (KV Rendsburg-Eckernförde)
- Jennifer Herbert (KV Schleswig-Flensburg)
- Henrike Rieken (KV Barnim)
- Katrin Reuter (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Rainer Borcherding (KV Schleswig-Flensburg)
- Björn Stockhausen (KV Aachen)
- Jörg Klapproth (KV Göttingen)
- Erwin Bartels (KV Göttingen)
- Nathalie Behrens (KV Göttingen)
- Friedhelm Schubert (KV Göttingen)
- Peter Schwarz (KV Göttingen)
- Antje Schierholt (KV Göttingen)
- Bernhard Ziegler (KV Frankfurt-Oder)
- Felix Reyhl (KV Reutlingen)
- Heike Albrecht (KV Göttingen)
- Julian Schlumberger (KV Göttingen)
- Fabian Hesse (KV Göttingen)
- Carolin Fornaçon (KV Göttingen)
- Heike Nüsperling (KV Göttingen)
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Nahrung muss garantiert sein, kleinbäuerliche Strukturen sollten gestärkt werden. Dafür unterstützensetzen wir uns mit unserer Agrar- und Entwicklungspolitik für eine globale sozial-ökologische Agrarwende im Sinne der planetaren Grenzen und des 1,5 Grad Ziels von Paris ein.
Die Klimakrise ist die Existenzfrage unserer Zeit. Daher ist Klimaschutz keine
Zukunftsaufgabe, sondern Klimaschutz ist jetzt. Wenn wir zu Beginn dieses Jahrzehnts
konsequent handeln und die sozial-ökologische Transformation einläuten, können wir die Krise
noch stemmen. Klimaneutralität ist dabei eine große Chance für höhere Lebensqualität, mehr
soziale Gerechtigkeit und einen klimagerechten Wohlstand. Sie gilt es zu ergreifen.
Wir haben in den vergangenen Jahren mit Hitzesommern, Waldsterben und Dürren die Vorboten
der Krise gespürt. Sie haben dramatische Konsequenzen: etwa für die Gesundheit der Menschen
– und es sind vor allem die mit den geringsten Einkommen, die den Preis dafür zahlen, dass
der ökologische Fußabdruck der Reichsten am größten ist. Oder für die Bäuerinnen und Bauern,
denen zunehmend die Grundlage entzogen wird. Und für den Zusammenhalt in unserer
Gesellschaft. Alle diese Folgen werden sich vervielfachen, wenn wir jetzt nicht umsteuern.
Je entschiedener wir handeln, desto mehr Freiheiten und Alternativen sichern wir für jetzige
und künftige Generationen. Wir werden deshalb konsequent den Weg zur Klimaneutralität gehen.
Das verlangt Können, Mut und Machen. Wir stellen in einer künftigen Regierung das Pariser
Klimaabkommen in den Mittelpunkt und richten das Handeln aller Ministerien danach aus. Wir
lenken all unsere Kraft darauf, Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die uns auf den 1,5-Grad-
Pfad führen. Klimaschutz ist eine Frage des politischen Kanons. Wir begreifen es als unsere
Aufgabe, bessere Regeln zu schaffen, nicht den besseren Menschen. Solch klare politische
Ordnungsrahmen entlasten auch uns als Menschen im Alltag und schaffen Freiheit.
Natürlich bedeutet Klimaneutralität Veränderung, aber diese Veränderung schafft Halt in der
Zukunft. Wir bringen Energie, Wärme, Verkehr und Industrie zusammen und sorgen so für eine
effiziente Verzahnung dieser Bereiche. Statt auf Kohle, Öl und fossilem Gas wird das
Energiesystem auf Sonnen- und Windenergie basieren. Statt an fossilen Verbrennungsmotoren
festzuhalten, schaffen wir eine neue Mobilität mit E-Autos, der Bahn oder dem Rad. Statt
Ölheizungen werden Wärmepumpen, Power-to-Heat und Strom aus erneuerbaren Energien die
Heizquellen der Zukunft. Die Zukunft wird damit leiser, sauberer und gesünder. Weniger Autos
in der Stadt bedeuten mehr Platz für uns Menschen. Leisere Straßen und saubere Luft dienen
besonders jenen, die sich nicht die Villa am ruhigen Stadtrand leisten können. Mehr Angebote
an klima- und umweltfreundlichen Verkehrsmitteln, zum Beispiel Rufbusse oder Carsharing,
erleichtern zu pendeln und befördern ein gutes Leben auf dem Land.
Mit dieser großen Veränderung entstehen neue Geschäftsfelder, neue Industriezweige, neue
Arbeitsplätze. Andere Bereiche werden sich wandeln, einige völlig neu entstehen, wieder
andere verschwinden. Für viele Menschen ist das auch eine große Herausforderung, ja
Zumutung. Die sozial-ökologische Transformation gelingt nur, wenn wir gemeinsam alles dafür
tun, Verluste zu verringern und Brücken zu bauen. So müssen diejenigen, die neue Chancen
oder Weiterbildung brauchen, sie auch bekommen. Und es ist unsere Aufgabe, Sorge dafür zu
tragen, dass die Kosten und Belastungen dieser Veränderung gerecht verteilt sind.
Klimagerechter Wohlstand bedeutet Ökologie und Soziales zusammenzudenken und den Übergang
gut zu gestalten: für Menschen in der Stadt und auf dem Land. Für die Handwerkerin wie für
den Stahlarbeiter.
Wenn wir unsere Lebensgrundlagen schützen wollen, wenn wir auch die zweite große ökologische
Krise, das Artensterben, eindämmen wollen, dann bedarf es mehr als einer Kurskorrektur, dann
brauchen wir einen neuen Kurs. Wir machen die planetaren Grenzen zum Leitprinzip unserer
Politik und verändern entsprechend die Wirtschaftsweise. Wir setzen Prioritäten. Von jetzt
an wird belohnt und gefördert, was Mensch und Tier, Klima und Natur schützt. Und was
zerstörerisch wirkt, muss dafür auch die Kosten tragen und Schritt für Schritt überwunden
werden. Indem wir den Schutz der Meere und Gewässer, des Klimas und der Böden, der Tiere und
der Pflanzen zum Bestandteil unseres Wirtschaftssystems machen, kann es gelingen, die
Stabilität der Ökosysteme und unserer Lebensgrundlagen zu gewährleisten. Und damit auch
unsere Grundlagen für ein gutes und friedliches Zusammenleben.
Wir schaffen klimagerechten Wohlstand
Mehr Lebensqualität durch Klimaneutralität
Der Weg in die Klimaneutralität bietet riesige Chancen auf mehr Lebensqualität: Städte mit
weniger Staus und Abgasen, mit Platz, um sicher Rad zu fahren und zu Fuß zu gehen, zu
spielen und zu leben. Dörfer, die endlich angebunden sind an den öffentlichen Nahverkehr.
Wälder, in denen auch unsere Kinder noch die Schönheit der Natur entdecken können. Gesundes
Essen, hergestellt unter Wahrung von Tier- und Umweltschutz. Klimaschutz ist so viel mehr
als reine Technik, er ist der Weg in eine bessere Zukunft. Überall in Deutschland haben sich
Kommunen, Unternehmen, Initiativen und Bewegungen längst auf diesen Weg begeben. Sie
brauchen endlich Rückenwind von der Politik. Wir wollen Kommunen befähigen, bei sich die
Mobilitätswende voranzubringen. Die Bahn und den ÖPNV machen wir fit für dieses Jahrhundert.
Wir sorgen für den Erhalt unserer wertvollen Wälder, Moore und Flüsse. Und wir begründen
einen Gesellschaftsvertrag zwischen Politik, Landwirt*innen und Verbraucher*innen.
Die Energierevolution: erneuerbar heizen, wohnen, wirtschaften
Klimaneutralität heißt: raus aus den fossilen Energien. Nicht nur der Strom, auch das Benzin
in unseren Autos, das Kerosin im Flugzeugtank, das Öl für die Heizung und das Gas im
Industriebetrieb müssen auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Das ist nichts weniger
als eine Energierevolution. Dazu braucht es zuallererst eine massive Ausbauoffensive für die
Erneuerbaren. Daran hängt die Zukunft unseres Industriestandortes und unsere
Versorgungssicherheit. Mit einer umfassenden Steuer- und Abgabenreform wollen wir dafür
sorgen, dass die Sektorenkoppelung vorankommt und Strom zu verlässlichen und
wettbewerbsfähigen Preisen vorhanden ist. Das Energiemarktdesign ändern wir, sodass
erneuerbarer Strom nicht länger ausgebremst und doppelt belastet wird, sondern für Speicher
und die Produktion von Wärme oder Wasserstoff nutzbar gemacht wird – nach dem Prinzip
„nutzen statt abschalten“. Verteilnetze und Verbraucher*innen statten wir mit intelligenter
Technik aus, damit sie flexibel reagieren können, wenn gerade viel erneuerbarer Strom
produziert wird.
Ein Ordnungsrahmen für eine sozial-ökologische Marktwirtschaft
Wir müssen unsere Wirtschaft auf die Ziele der Klimaneutralität ausrichten und eine
Kreislaufwirtschaft etablieren. Den wirtschaftlichen Aufbruch nach der Corona-Krise und die
ökologische Modernisierung wollen wir zusammenbringen. Dazu braucht es eine sozial-
ökologische Neubegründung unserer Marktwirtschaft. Wir wollen mit ehrgeizigen Vorgaben in
Form von Grenzwerten, CO2-Reduktionszielen und Produktstandards der deutschen und
europäischen Wirtschaft Planungssicherheit geben und Impulse für neue Investitionen setzen.
Faire Preise sorgen dafür, dass sich klimagerechtes Handeln lohnt. Forschung und
Innovationen für klimagerechtes Wirtschaften wollen wir stärker fördern. Die öffentliche
Beschaffung richten wir konsequent auf die ressourcenschonendsten Produkte und
Dienstleistungen aus. So machen wir unsere Wirtschaft zum Spitzenreiter bei den modernsten
Technologien und schützen unsere natürlichen Lebensgrundlagen.
Grüne Digitalisierung
Ob vernetzte Fahrzeuge, effiziente Industrie, punktgenaue Verteilung regenerativer Energie
oder intelligente Bewässerung auf Feldern: Mit digitalen und datengetriebenen Innovationen
können wir den Energie- und Ressourcenverbrauch besser reduzieren und bei
Zukunftstechnologien führend werden. Hierzu fördern und priorisieren wir digitale
Anwendungen und Lösungen, die einen Beitrag zur Ressourcenschonung leisten oder nachhaltiger
sind als analoge. Rebound-Effekte gilt es zu vermeiden, Suffizienz zu unterstützen.
Ausschreibungs- und Beschaffungskriterien sind so anzupassen, dass möglichst ökologisch
nachhaltige Technologien vorrangig zum Einsatz kommen. Bei IT-Beschaffungen des Bundes
müssen Faktoren wie Herstellerabhängigkeit, Folgebeschaffung, technische Offenheit,
Reparaturfähigkeit und Nachhaltigkeit zwingend in die Bewertungen einfließen und
Zertifizierungen wie der Blaue Engel für IT-Produkte zum Standard werden. Wir wollen alle
Rechen- und Datencenter des Bundes nachhaltig umstellen, mit erneuerbarer Energie betreiben
und zertifizierte umweltfreundliche Hardware einsetzen.
Neue Arbeitsplätze mit guten Bedingungen
Eine ambitionierte Klimaschutzpolitik und der klimaneutrale Umbau der Wirtschaft sind die
beste Chance, um bestehende Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten und neue zu schaffen.
Die ökologische Modernisierung stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Unternehmen und
kann zur einer Renaissance von Industriearbeitsplätzen führen. Auf dem Weg zur
Klimaneutralität werden in den kommenden Jahren Hunderttausende neue Jobs entstehen – Green
Jobs. Sie entstehen im Handwerk und der Bauwirtschaft, in neuen Industriebereichen und der
Kreislaufwirtschaft, in der Batteriezellenproduktion und der Wasserstoffindustrie sowie in
neuen Dienstleistungsfeldern. Unser Anspruch ist, dass die neuen Jobs gut bezahlt und
tarifvertraglich organisiert sind sowie der betrieblichen Mitbestimmung unterliegen. Darauf
werden wir auch bei der Förderung von neuen Wirtschaftsfeldern achten.
Sicher im Wandel mit einem Qualifizierungs-Kurzarbeitergeld
Wir sehen es als unsere Verpflichtung, Unternehmen und ihre Beschäftigten auf dem Weg hin zu
einem klimaneutralen Wirtschaftssystem zu unterstützen. Gerade auch dort, wo sich Jobprofile
grundlegend verändern oder Arbeitsplätze verloren gehen. Es braucht in der ökologischen
Transformation ein noch viel besseres Angebot an Weiterbildung und Qualifizierung. Dazu
wollen wir ein Recht auf Weiterbildung einführen und mit einem Weiterbildungsgeld auch für
Erwerbstätige in Qualifizierungsphasen eine soziale Absicherung schaffen. Mit einem
Qualifizierungs-Kurzarbeitergeld ermöglichen wir Unternehmen, in Phasen der Transformation
ihre Beschäftigten im Betrieb zu halten und nachhaltig zu qualifizieren. Die
Qualifizierungs-Kurzarbeit koppeln wir eng an die Sozialpartnerschaft. Zudem wollen wir die
betriebliche Mitbestimmung bei Entscheidungen über die ökologische Transformation stärken.
Unternehmen, Gewerkschaften und Betriebsräte wissen gemeinsam am besten, wie die
Transformation zu gestalten ist.
Transformationsfonds für die Regionen
Die ökologische Modernisierung ist gerade für viele industriell geprägte Regionen eine große
Herausforderung. Um Regionen und insbesondere die dort ansässigen kleinen und mittleren
Unternehmen zu unterstützen, wollen wir regionale Transformationsfonds auflegen. Die
Förderung richtet sich an Unternehmen, die aus eigener Kraft den ökologischen Strukturwandel
nicht bewältigen können, mit ihrem Standort aber fest in der Region verankert sind und dort
bleiben wollen. Regionale Akteure aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften
sollen eingebunden werden und gemeinsame Visionen erarbeiten, wo die Region sozial und
wirtschaftlich in Zukunft stehen sollte. Gleichzeitig wollen wir neue Formate wie Reallabore
und Experimentierräume fördern, in denen Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft und
Kommunen gemeinsam an Lösungen für Herausforderungen vor Ort arbeiten und forschen.
Klimaschutz-Sofortprogramm auflegen
Zentrale Grundlagen unserer Politik sind das Klimaabkommen von Paris sowie der Bericht des
Weltklimarates zum 1,5-Grad-Limit, der verdeutlicht, dass jedes Zehntelgrad zählt, um das
Überschreiten von relevanten Kipppunkten im Klimasystem zu verhindern. Es ist daher
notwendig, auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen. Dafür ist unmittelbares und substanzielles
Handeln in den nächsten Jahren entscheidend. Doch aktuell lahmt der Ausbau der erneuerbaren
Energien, der Kohleausstieg kommt zu spät, im Verkehrs- und Gebäudesektor geht es kaum
voran. Wir werden ein Klimaschutz-Sofortprogramm auf den Weg bringen, das in allen Sektoren
sofort wirksame Maßnahmen anstößt, bestehende Ausbauhindernisse beseitigt, naheliegende
Einsparmöglichkeiten umsetzt. Wir werden das ungenügende Klimaschutzgesetz und den
Klimaschutzplan überarbeiten und – im Einklang mit dem höheren neuen europäischen Klimaziel
– das deutsche Klimaziel 2030 auf -70 Prozent anheben. Nur so kann es gelingen, dass wir
Europäer*innen deutlich vor Mitte des Jahrhunderts klimaneutral werden.
Klimagerechtes Wirtschaften belohnen
Effektiver und sozial gerechter Klimaschutz muss sich auch ökonomisch lohnen. Da derzeit die
Kosten der Schäden, die durch den Ausstoß einer Tonne CO2 entstehen, nur sehr gering
eingepreist werden, sind klimafreundlichere Alternativen oftmals noch nicht
wettbewerbsfähig. Das wollen wir durch einen klugen Mix aus CO2-Preisen, Anreizen und
Förderung sowie Ordnungsrecht ändern. Wollte man die Klimaziele allein über die Bepreisung
von CO2 erreichen, müsste der Preis 180 Euro betragen, was unweigerlich zu erheblichen
sozialen Unwuchten führen würde. Einige könnten sich rauskaufen, andere nicht mehr
teilhaben. Wir sehen in der CO2-Bepreisung also ein Instrument von vielen, das wir wirksam
und sozial gerecht einsetzen wollen. Das Europäische Emissionshandelssystem (ETS) ist im
Lichte des neuen EU-Klimaziels für 2030 zu reformieren, um seine Lenkungswirkung endlich
voll und ganz zu erfüllen. Mit einer deutlichen Reduzierung von Emissionszertifikaten und
der Löschung überschüssiger Zertifikate vom Markt erreichen wir einen CO2-Preis im Bereich
Strom und Industrie, der dafür sorgt, dass erneuerbare Energie statt Kohlestrom zu Einsatz
kommt. Sollte das auf europäischer Ebene nicht schnell genug gelingen, setzen wir auf einen
nationalen CO2-Mindestpreis im ETS für Industrie und Strom. Für die Bereiche Verkehr und
Wärme wurde in Deutschland auf Druck der Klimabewegung und von uns Grünen zudem ein CO2-
Preis eingeführt, dessen Lenkungswirkung aber weiter verbessert werden muss. Wir wollen die
Erhöhung des CO2-Preises auf 60 Euro auf das Jahr 2023 vorziehen. Danach soll der CO2-Preis
so ansteigen, dass er im Konzert mit den Fördermaßnahmen und ordnungsrechtlichen Vorgaben
die Erfüllung des neuen Klimaziels 2030 absichert.
Energiegeld einführen
Damit Klimaschutz sozial gerecht ist, wollen wir die Einnahmen aus dem CO2-Preis direkt an
die Bürger*innen zurückgeben. Dazu streben wir neben der Senkung der EEG-Umlage ein
Energiegeld an, das jede*r Bürger*in erhält. Über das Energiegeld geben wir alle
zusätzlichen CO2-Einnahmen an die Menschen zurück, und zwar fair aufgeteilt pro Kopf. So
kann man mit Klimaschutz Geld verdienen und es findet ein sozialer Ausgleich im System
statt. Unterm Strich werden so Geringverdiener*innen und Familien entlastet und vor allem
Menschen mit hohen Einkommen belastet. Bezieher*innen von Transferleistungen wie
Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe profitieren ebenfalls, da das Energiegeld nicht auf die
Grundsicherung angerechnet werden soll. Um zum Beispiel Pendler*innen mit niedrigen
Einkommen bei der Anpassung zu unterstützen, legen wir einen Fonds für
Transformationszuschüsse auf, der mit großzügigen Hilfen unterstützt, etwa beim Umstieg auf
ein emissionsfreies Auto.
CO2-Bremse für alle Gesetze
Wir wollen Klimaschutz systematisch in unserer Rechtsordnung aufnehmen. Die Vorgaben des
Pariser Klimavertrages wollen wir im Grundgesetz verankern und dem Staat mehr Möglichkeiten
geben, durch eine intelligente Steuergesetzgebung klimaschonendes Verhalten zu belohnen und
die fossilen Energieträger den wahren Preis zahlen zu lassen. Für Genehmigungsprozesse
führen wir eine Klimaverträglichkeitsprüfung ein. Mit einer CO2-Bremse machen wir
Klimaschutz zur Querschnittsaufgabe, indem wir Gesetze an ihrer Vereinbarkeit mit den
nationalen Klimaschutzzielen messen und ihre Klimawirkung entsprechend prüfen.
Wir schaffen Versorgungssicherheit mit Erneuerbaren
Schneller raus aus der Kohle
Nach dem Willen der Großen Koalition werden in Deutschland Kohlekraftwerke noch bis 2038 dem
Klima und unserer Gesundheit schaden. Das ist mit den Klimazielen nicht vereinbar. Wir
setzen uns dafür ein, den Kohleausstieg bis 2030 zu vollenden. Um nicht erneut den
Kohlekonzernen Milliarden an Steuergeldern zu schenken, wollen wir die massiven Klimaschäden
der Kohleverstromung einpreisen. Das ist am sinnvollsten über den EU-Emissionshandel zu
regeln – mit einem lenkenden CO2-Preis, der dem neuen EU-Klimaziel entspricht. Ein
beschleunigter Kohleausstieg bedarf im Sinne der Versorgungssicherheit eines massiven
Ausbaus der erneuerbaren Energien. Zugleich wollen wir für den Gesundheitsschutz die
Grenzwerte für Immissionen, insbesondere Quecksilber, aus Großfeuerungsanlagen anheben.
Niemand soll mehr für einen Tagebau sein Zuhause verlassen müssen.
Auf jedes neue Dach eine Solaranlage
Wir wollen eine Energiewende, bei der alle mitmachen können – Mieter*innen wie
Hausbesitzer*innen. Unsere Dächer können zu Kraftwerken werden – jedes Dach mit Solaranlage
hilft dem Klimaschutz. Die eigene Strom- und Wärmeenergie wird dezentral und vor Ort erzeugt
und genutzt. Unser Ziel sind 1 Million neue Solardächer in den kommenden vier Jahren.
Deshalb werden wir Solardächer fördern und zum Standard machen. Beginnend mit Neubauten,
öffentlichen und Gewerbegebäuden sowie Dachsanierungen wollen wir diesen Standard
perspektivisch auf den Bestand ausweiten. Leasing- und Pachtmodelle können hier
unterstützend wirken. Die Mieterstrom-Regeln werden wir deutlich vereinfachen. Mit allen
diesen Maßnahmen schaffen wir eine Verdoppelung der derzeitigen Photovoltaik-Zubaurate.
Photovoltaik in die Fläche bringen
Die Photovoltaik wollen wir nicht nur auf die Dächer, sondern auch in die Fläche bringen.
Neue Flächenkonkurrenzen wollen wir dabei vermeiden. Der Ausbau soll neben Autobahnen und
Schienen auf versiegelten Flächen, etwa über Parkplätzen und Brachen und auf Konversions-
oder Bergbauflächen, erfolgen und nicht auf wertvollem Ackerland. Agri-Photovoltaikanlagen,
d. h. Stromproduktion und landwirtschaftliche bzw. gartenbauliche Nutzung auf einer Fläche,
können einen wichtigen Beitrag für Klimaschutz und Ökologie leisten. Wenn man es richtig
anstellt, können Freiflächen-Anlagen zu kleinen Biotopen werden. Landwirtschaftsbetriebe
sollen für ökologische Leistungen Geld erhalten und so zusätzliche Erträge erzielen. Wichtig
zudem ist die Möglichkeit, direkte langfristige Stromlieferverträge abschließen zu können.
Bei der Planung gilt es die Bürger*innen frühzeitig einzubeziehen und zu beteiligen, von den
Erlösen müssen die Kommunen profitieren.
Mit Windenergieausbau den Wirtschaftsstandort Deutschland sichern
Auch beim Ausbau der Windkraft müssen wir schneller vorankommen. Unser Ziel ist ein
jährlicher Zubau von 5 bis 6 GW Wind an Land, bei Wind auf See wollen wir 35 GW bis 2035
erreichen. Beim Windausbau gilt es den Konflikt mit Natur- und Artenschutz zu minimieren,
Anwohner*innen zu schützen und die Verfahren zur Genehmigung zu beschleunigen. In einem
ersten Schritt wollen wir die erneuerbaren Energien als zwingend für die
Versorgungssicherheit definieren und dafür 2 Prozent der Fläche bundesweit nutzen. Alle
Bundesländer haben hierfür ihre entsprechenden Beiträge zu leisten. Verhinderungsplanungen,
etwa über exzessive Mindestabstände zu Siedlungen, müssen der Vergangenheit angehören. Mit
frühzeitiger Bürger*innenbeteiligung, klaren Vorrang- bzw. Eignungsgebieten für Wind sowie
mit Ausschlussgebieten sorgen wir für eine anwohner*innenfreundliche und naturverträgliche
Standortwahl und stärken den Populationsschutz bei Vögeln. Wir werden die Planungs- und
Genehmigungsverfahren durch vereinfachte Verfahren, mehr Personal und einheitliche
Bewertungsmaßstäbe beschleunigen. Repowering wollen wir erleichtern, sodass alte
Windenergieanlagen am gleichen Standort zügig durch leistungsstärkere ersetzt werden können.
Wir bauen unsere Offshore-Parks weiter aus und verbinden sie in der Europäischen
Energieunion mit den Solarparks der Mittelmeerstaaten, mit der Wasserkraft Skandinaviens und
der Alpen. Je vernetzter, desto stärker. Ein Kontinent ist für die Energiewende eine gute
Größe.
Unsere Energieinfrastruktur klimaneutral machen
Klimaneutralität in weniger als 30 Jahren heißt, dass die eine fossile Infrastruktur nicht
einfach durch eine andere fossile Infrastruktur ersetzt werden darf. Die Planung unserer
Infrastruktur für Strom, Wärme und Wasserstoff braucht daher ein Update und muss
Klimaneutralität in den Mittelpunkt stellen. Neue Gaskraftwerke oder Infrastrukturen, die
wir für den Kohleausstieg brauchen, darf es deshalb nur geben, wenn sie bereits Wasserstoff-
ready geplant und gebaut werden. Denn auch Erdgas ist ein klimaschädlicher Brennstoff,
insbesondere wenn man die zusätzlichen Emissionen bei seiner Förderung und dem Transport mit
einrechnet. Öffentliche Gelder für neue Import-Infrastruktur wollen wir daran binden, dass
die fossilen Energieträger darüber nur noch in einem begrenzten Zeitrahmen transportiert
werden. Neue Erdgas-Pipelines wie Nord Stream 2 zementieren auf Jahrzehnte Abhängigkeiten
von klimaschädlichen Ressourcen und konterkarieren die Energiewende. Sie sollten daher – im
konkreten Fall von Nord Stream 2 – auch aus geopolitischen Gründen gestoppt werden. Damit
stärken wir unsere energiepolitische Souveränität.
Eine grüne Wasserstoffstrategie
Wasserstoff aus erneuerbaren Energien ist zentral für eine klimaneutrale Welt. Deutschland
ist bei den Technologien zur Erzeugung von Wasserstoff vorne, diese Führungsrolle wollen wir
weiter ausbauen. Mit einer klaren Priorisierung und einem umfassenden Förderprogramm werden
wir die Kapazitäten zur Wasserstoffherstellung in Deutschland schaffen. Die Infrastruktur
für Wasserstoffimporte müssen wir jetzt etablieren. Wir werden faire Kooperationen mit wind-
und sonnenreichen Ländern anstoßen und ausbauen, um zusätzlich Wasserstoff zu importieren.
Für den Erfolg dieser Kooperationen ist es unabdingbar, die lokale Bevölkerung
einzubeziehen, Menschenrechte zu schützen und sich an den nachhaltigen Entwicklungszielen zu
orientieren. Damit Wasserstoff zur Klimaneutralität beiträgt, muss er aus erneuerbaren
Energien hergestellt werden. Das gilt auch für Wasserstoffimporte. Die Vorstellung, alte
fossile Technologien wie Verbrennungsmotoren mit Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen
zu betreiben, ist bestenfalls eine Illusion, schlimmstenfalls eine Verzögerungstaktik. Die
Herstellung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen ist extrem energieintensiv und
teuer, die direkte Nutzung von Strom durch Batterien oder Wärmepumpen viel effizienter. Es
gilt daher Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe dort zum Einsatz zu bringen, wo sie
wirklich gebraucht werden: etwa in der Industrie oder beim Flugverkehr.
Einen Markt für Ökostrom schaffen
Die Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vor über 20 Jahren war der
Startschuss für die Energiewende in Deutschland. Doch jetzt, bei einem Erneuerbaren-Anteil
von fast 50 Prozent im Strombereich, brauchen wir ein Energiemarktdesign, das Ökostrom in
den Mittelpunkt rückt und zugleich die Sektorenkopplung unterstützt. Unser Ziel ist, dass
erneuerbarer Strom künftig stärker marktgetrieben und systemdienlich vergütet wird. In einem
ersten Schritt werden wir dafür sorgen, dass auch außerhalb des EEG langfristige
Lieferverträge zwischen Ökostromerzeugern und Verbraucher*innen geschlossen werden können.
Zudem wollen wir den Ökostrommarkt für neue EEG-Anlagen öffnen, sodass Endkund*innen deren
Strom direkt kaufen können. In einem zweiten Schritt geht es darum, nicht die Arbeit,
sondern die zur Verfügung gestellte Leistung zu entlohnen. Damit stärken wir
Sektorenkopplung und Versorgungssicherheit. Wenn bei fossilen Energien die CO2-Kosten
stärker eingepreist und neue Instrumente etwa für Refinanzierung und Mietermodelle
geschaffen sind, kann in einem dritten Schritt die EEG-Umlage für Neuanlagen auslaufen.
Die Bürger*innen an der Energiewende beteiligen
Wir wollen, dass von der Energiewende möglichst viele profitieren. Deshalb werden wir
Bürger*innen-Projekte bei Wind- und Solarparks besonders fördern und die Kommunen
verbindlich an den Einnahmen aus den Erneuerbaren-Anlagen beteiligen. Gerade der ländliche
Raum kann so von den Gewinnen profitieren. Bürger*innen-Energieprojekte wollen wir mit einer
Ausnahmeregelung bei den Ausschreibungen wieder stärken. Zudem wollen wir Mieterstrom
fördern und entbürokratisieren, damit Mieter*innen stärker die Möglichkeit bekommen, vom
Ausbau der Erneuerbaren zu profitieren.
Netzausbau beschleunigen
Um die Energiewende zum Erfolg führen zu können, müssen wir auch die Stromleitungen
schneller ausbauen. Sie sorgen dafür, dass der Strom von dort, wo er erzeugt wird, so
schnell wie möglich dorthin gelangt, wo er benötigt wird. Voraussetzung für einen weiteren
Netzausbau ist, dass er systemdienlich erfolgt und alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden,
die bestehenden Netze optimal auszunutzen. Zentral ist eine frühzeitige
Bürger*innenbeteiligung. Sie erhöht die Qualität der Planung und trägt nachweislich dazu
bei, dass potenzielle Klagegründe bereits zu Beginn gemeinsam ausgeräumt statt am Ende vor
Gericht geklärt werden. Klar ist auch: Die Erneuerbaren genießen Vorrang im Netz. Da
Stromübertragungsnetze natürliche Monopole und zugleich kritische Infrastruktur darstellen,
wollen wir den öffentlichen Einfluss darauf stärken. Dazu wollen wir nach Möglichkeit die
staatlichen Anteile an den vier Übertragungsnetzbetreibern in Deutschland erhöhen und sie in
eine Bundesnetzgesellschaft in Bundeshand überführen. Wir treiben außerdem eine Reform der
Netzentgelte voran, um über einheitliche Netzentgelte zu mehr Fairness zwischen Stadt und
Land und Nord und Süd beizutragen.
Klima-Sanierungsoffensive bei Gebäuden
Es ist höchste Zeit, dass alle Neubauten und umfassende Sanierungen klimaneutral erfolgen.
Dreh- und Angelpunkt sind hohe Baustandards: bei Neubauten KfW 40, was in etwa dem
Passivhausstandard entspricht, im Gebäudebestand nach Sanierung KfW 55 – mit Ausnahmen für
denkmalgeschützte Gebäude. Die Sanierungsquote muss deutlich gesteigert werden. Für den
Bestand muss gelten: Sobald ein Eigentümerwechsel erfolgt, wird ein Sanierungsfahrplan
erstellt. Wenn im Gebäudebestand ein Heizungsaustausch ansteht oder umfassend saniert wird,
sollen Erneuerbare, wo immer möglich, verbindlich zum Einsatz kommen. Wir legen dazu ein
Investitionsprogramm für 2.000.000 Wärmepumpen bis 2025 auf. Auch die Fern- und Nahwärme
wollen wir dekarbonisieren. Dabei ist es für die Energieeffizienz maßgeblich, von der
Einzelbefeuerung weg und hin zu verknüpften Systemen zu kommen, in denen aus verschiedenen
Erneuerbaren-Quellen wie Abwärme, Solarthermie oder Power-to-Heat Wärme eingespeist wird.
Solche verbundenen Energiesysteme werden wir fördern, besonders in städtischen Gebieten.
Wärmewende fair gestalten
Die Wärmewende muss mit wirksamem Mieter*innenschutz und gezielter Förderung einhergehen.
Wir wollen mit dem sogenannten Drittelmodell die Kosten für klimafreundliche
Modernisierungen fair zwischen Vermieter*innen, Staat und Mieter*innen verteilen, sodass sie
für alle bezahlbar und für die Vermieter*innen angemessen wirtschaftlich werden. Die
Modernisierungsumlage wollen wir strikt begrenzen, damit Kosten nicht einfach auf die
Mieter*innen abgewälzt werden können. Mit einem Zuschuss zum Wohngeld, dem Klimawohngeld,
ermöglichen wir auch Empfänger*innen von Wohngeld, in klimafreundlichen Wohnungen zu leben.
Eigenheimbesitzer*innen werden wir mit Steuervergünstigungen und zielgerichteten
Förderprogrammen helfen.
Atomausstieg vollenden – Endlagersuche zum Erfolg führen
Wir werden Ende 2022 den Atomausstieg in Deutschland vollenden. Doch obwohl Atomkraft eine
Hochrisikotechnologie ist, wird bei uns immer noch Uran angereichert, werden Brennstäbe
hergestellt und exportiert. Unser Ziel ist es, die Atomfabriken in Gronau und Lingen durch
eine restriktivere Exportpolitik stark einzuschränken und perspektivisch zu schließen. Zum
Atomausstieg gehört auch, einen Endlagerstandort für den hochradioaktiven Atommüll zu
finden. Wir bekennen uns zum verabredeten Pfad der Endlagersuche. Entscheidend für den
Endlagerstandort sind höchste Sicherheitsstandards bei bestmöglichen geologischen
Bedingungen und Rückholbarkeit; die Suche hat auf Basis von wissenschaftlichen Kriterien und
mit größtmöglicher Transparenz und Beteiligung der Bevölkerung zu erfolgen. Auch in der EU
wollen wir den Einstieg in den Ausstieg vorantreiben. Wir setzen uns dafür ein, den Euratom-
Vertrag zu reformieren. Gemeinsam mit anderen engagierten Mitgliedstaaten wollen wir dafür
sorgen, dass nicht mehr die Atomkraft privilegiert wird, sondern die erneuerbaren Energien
stärker gefördert werden.
Wir sorgen für nachhaltige Mobilität
Investitionen für starke Bahnen in Stadt und Land
Die Bahn ist ein öffentliches, soziales Gut und das Rückgrat einer nachhaltigen
Mobilitätswende. Wir wollen den Bahnverkehr ausbauen, alle deutschen Großstädte mit
regelmäßigen Verbindungen an den Fernverkehr anschließen und in ländlichen Räumen in
größerem Umfang Anschlüsse an das Schienennetz reaktivieren. Entwidmung von Bahnstrecken
soll es nicht mehr geben. Auch den grenzüberschreitenden Zugverkehr gilt es im Rahmen eines
Europatakts deutlich zu stärken, ein attraktives europäisches Schnell- und Nachtzugnetz
aufzubauen und die Lücken in regionalen, grenzüberschreitenden Nahverkehrsverbindungen zu
schließen. Bahnhöfe wollen wir zu modernen Mobilitätsstationen aufwerten und die Kombination
von Fahrrad und öffentlichem Verkehr stark verbessern. Die Investitionsmittel für die Bahn
werden wir dafür massiv anheben. Den Deutsche-Bahn-Konzern wollen wir transparenter und
effizienter machen, die Strukturen für mehr Schienenverkehr neu ordnen und in neuer
staatlicher Verantwortung am Gemeinwohl ausrichten. Der Bund muss zudem mehr Verantwortung
für das Schienennetz und die Koordinierung des Zugverkehrs im Deutschlandtakt übernehmen.
Wir setzen auf ein Wachstum der Schiene und sichere Arbeitsplätze im Bahnbereich.
ÖPNV ausbauen
Busse und Bahnen sind für alle da, bieten preiswerte Mobilität und verringern den
Autoverkehr. Wir wollen die Fahrgastzahlen im ÖPNV bis 2030 verdoppeln. Dazu muss der
öffentliche Personennahverkehr attraktiver und innovativer und mit dem Fernverkehr verknüpft
werden. Zusammen mit den Ländern werden wir eine Zukunfts- und Ausbauoffensive starten,
Investitionen in Fahrzeuge und das ÖPNV-Netz erhöhen, die Mittel für den Betrieb von
Regionalbahnen ausweiten und die Finanzierungsinstrumente an das Ausbauziel anpassen. Auch
die Beschaffung von emissionsfreien Bussen wollen wir durch attraktive Konditionen für die
Kommunen vorantreiben. In Modellprojekten sind Kommunen dabei zu unterstützen, auf einen
umlagefinanzierten preiswerten ÖPNV umzusteigen.
Fahrradnetz für ganz Deutschland
Das Fahrrad hat für die Mobilitätswende riesiges Potenzial. Um es auszuschöpfen, wollen wir
Deutschland zum Fahrradland machen. Radfahren muss sicher und attraktiv sein – überall.
Radwege in Städten, Pendelstrecken oder Verbindungen von Dorf zu Dorf wie auch touristische
Radwege sollen sich durch hohe Qualität und eine gute Beschilderung auszeichnen. Unsere
Vision ist ein lückenloses Fahrradnetz in ganz Deutschland. Wir richten die Verkehrspolitik
an den Zielen und Empfehlungen des Nationalen Radverkehrsplans aus, erhöhen die
Förderprogramme für Ausbau und Modernisierung der Radinfrastruktur und reformieren das
Straßenverkehrsrecht, damit Radfahrer*innen besser geschützt sind und mehr Platz im
Straßenraum bekommen.
Mobilpass einführen
Autonomes Fahren, vernetzte Mobilitätsangebote, nutzen statt besitzen – der digitale
Fortschritt wird unseren Alltag in den nächsten Jahren grundlegend verändern. Wir wollen die
deutsche Mobilitätswirtschaft zum Vorreiter für neue Mobilitätslösungen machen und die
Chancen der Digitalisierung für eine Verkehrswende nutzen. Echtzeitinformationen und ein
einheitliches Ticketsystem müssen im ÖPNV Standard werden. Damit man problemlos überall von
A nach B kommt, wollen wir mit dem Mobilpass die Angebote von 120 Verkehrs- und
Tarifverbünden in Deutschland verknüpfen und Sharing- und Ridepooling-Dienste so
integrieren, dass Sozial- und Umwelt-Dumping ausgeschlossen sind. Wir wollen den Wechsel zu
Fahrrad, Bus und Bahn für alle möglich machen und auch finanziell fördern. Deshalb wollen
wir mit dem Mobilpass auch attraktive Tarife und Sozialtarife fördern. Ein Haushalt, der
sein Auto dauerhaft abmeldet, soll zudem für ein Jahr eine Mobilitätsprämie für die Nutzung
umweltfreundlicher Verkehrsmittel bekommen. Für autonomes Fahren schaffen wir einen
Rechtsrahmen mit Schwerpunkt auf dem öffentlichen Verkehr.
Mehr Sicherheit im Straßenverkehr
Alle Menschen sollen sich in ihrem Alltag angstfrei fortbewegen und unversehrt ihre Ziele
erreichen können. Damit mehr Menschen auf das Fahrrad steigen, öfter zu Fuß gehen – sei es
zur nächsten Haltestelle oder S-Bahn-Station – und auf diese Weise Städte vom Autoverkehr
entlasten, sind zeitgemäße Verkehrsregeln, die folgenschwere Verkehrsunfälle verhindern,
entscheidend. Unser Ziel ist die Vision Zero, d. h. keine Toten und Schwerverletzten mehr im
Straßenverkehr. Wir wollen Kommunen ermöglichen, in geschlossenen Ortschaften das Regel-
Ausnahme-Verhältnis beim Tempolimit umzukehren. Für die Autobahnen wollen wir ein
Sicherheitstempo von 130 Stundenkilometern. Um die vielen Unfälle von Fahrradfahrer*innen
und Fußgänger*innen in Innenstädten durch abbiegende Schwerlasttransporter zu verhindern,
wollen wir verpflichtende Vorgaben für Lkw-Abbiegeassistenzsysteme einführen.
Autos der Zukunft bauen
Das Auto der Zukunft wird im Sinne der Lebensqualität aller leiser, digitaler und
klimaneutral sein. Der technologische Wettlauf ist in vollem Gange. Damit das Auto der
Zukunft weiter in Deutschland entwickelt und produziert wird, braucht es klare politische
Leitplanken. Ab 2030 sollen deshalb nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden, zum
Beispiel durch eine ansteigende nationale Quote für emissionsfreie Autos. So sorgen wir für
saubere Luft in Innenstädten, erfüllen unsere Klima- und Umweltziele, und die
Automobilindustrie kann ihre Entwicklungsarbeit verlässlich auf Elektromobilität ausrichten.
Das sichert zukunftsfähige Arbeitsplätze und neue Geschäftsmodelle. Wir setzen uns für
schärfere europäische CO2-Flottengrenzwerte ein. Den Kauf emissionsfreier Autos wollen wir
über ein Bonus-Malus-System in der Kfz-Steuer fördern. Saubere Autos werden billiger,
klimaschädliche teurer. Wir beenden die Dieselsubvention und gestalten die
Dienstwagenbesteuerung ökologisch um. Wir beschleunigen den flächendeckenden Ausbau einer
einheitlichen Ladeinfrastruktur, inklusive Schnellladesäulen und öffentlicher Ladepunkte im
ländlichen Raum. Laden muss flächendeckend in Deutschland und Europa schnell und bequem
möglich sein.
Moderne Verkehrsinfrastruktur
Die Verkehrspolitik hat jahrzehntelang einseitig Straßenbau und Pkw-Verkehr gefördert. Sie
reißt damit alle Klima- und Nachhaltigkeitsziele und führt doch tagtäglich zu Staus. Das hat
keine Zukunft – moderne Mobilität für dieses Jahrhundert verlangt neue Prioritäten.
Deutschland braucht eine Infrastrukturentwicklung, die an den Zielen der Mobilität für alle
und an Klimaneutralität ausgerichtet ist und den Fokus auf den Ausbau von Schienen, Radwegen
und auf eine intelligente Vernetzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel legt. Auch die
Vermeidung von Verkehr, unter anderem durch bessere Bedingungen für Homeoffice und die
Wiederkehr der Nahversorgung in Orte und Stadtviertel, werden wir unterstützen. Wir werden
einen Bundesnetzplan 2050 erarbeiten, in dem der Neu- und Ausbau der Verkehrsträger Straße,
Schiene und Wasserstraßen im Hinblick auf die Erreichung der Klimaziele neu bewertet wird.
Die anstehende Überprüfung des aktuellen Bundesverkehrswegeplans werden wir nutzen, um nicht
planfestgestellte Straßenneubauprojekte, insbesondere Autobahnabschnitte, noch einmal auf
den Prüfstand zu stellen und mit einem Klima- und Umweltcheck neu zu bewerten. Die
Investitionen werden wir umschichten zugunsten der Sanierung maroder Infrastruktur und des
Ausbaus der Schienen- und Radwegeinfrastruktur.
Mobil auf dem Land durch eine Mobilitätsgarantie
Das Auto ist für viele Menschen im ländlichen Raum unverzichtbar und gerade für viele
Familien im ländlichen Raum kaum wegzudenken. Dort setzen wir deshalb an erster Stelle auf
die Chancen der Antriebswende. Das E-Auto ist insbesondere im Paket mit Solaranlagen auf dem
Dach, einem Stromspeicher im Keller und einer Wallbox in der Garage eine zukunftsfähige
Lösung, die wir gerade im ländlichen Raum ausbauen wollen. Doch auch auf dem Land muss
Mobilität ohne Auto möglich sein, das Angebot muss wachsen, gerade für Pendler*innen,
Jugendliche und ältere Menschen. Wir wollen die Länder dabei unterstützen, eine
Mobilitätsgarantie mit Standards für Erreichbarkeit und Erschließung einzuführen, erweiterte
Angebote an öffentlicher Mobilität in ländlichen Räumen zu entwickeln und Radwege
auszubauen. Gerade in strukturschwachen Regionen braucht es eine regelmäßige und
verlässliche Anbindung an den ÖPNV, an Mobilitätsdienstleistungen wie Ridepooling- und On-
Demand-Verkehre sowie öffentliche Stromtankstellen.
Mobilitätswende in der Stadt
Nirgendwo wird die Mobilitätswende sehnlicher erwartet als in den Innenstädten: Unfälle,
Staus, Abgase, Lärm, zu wenig Platz für Kinder zum Spielen – die autozentrierte Stadt ist
nicht nur klimaschädlich, sondern auch kein schöner Ort zum Leben. Wir wollen die Städte bei
der Mobilitätswende gezielt unterstützen, es ihnen erleichtern, sichere Radwege und
attraktive Fußwege anzulegen und verkehrsberuhigte oder autofreie Innenstädte und
Stadtviertel zu schaffen. Die Städte sollen mehr Möglichkeiten bekommen, regulierend in den
Autoverkehr einzugreifen und öffentlichen Raum neu aufzuteilen, zum Beispiel indem Autos
nicht mehr überall, sondern nur noch auf gekennzeichneten Plätzen parken dürfen. Die
Ausweitung von umweltfreundlichem Carsharing werden wir fördern, damit der Pkw-Bestand in
den Städten abnimmt.
Flugverkehr klimaneutral ausrichten
Fliegen hat unsere Welt näher zusammengebracht. Zugleich ist es wegen seines immensen
Kerosinverbrauchs die klimaschädlichste Fortbewegungsart. Nach der Pandemie wollen wir kein
Zurück zum blinden Wachstum des Luftverkehrs, sondern diesen am Ziel der Klimaneutralität
ausrichten. Kurzstreckenflüge wollen wir bis 2030 überflüssig machen, indem wir die Bahn
massiv ausbauen. Die Zahl von Langstreckenflügen gilt es zu vermindern und das Fliegen
gleichzeitig zu dekarbonisieren. Um Kerosin durch klimaneutrale Treibstoffe zu ersetzen,
wollen wir die bestehende Beimischungsquote erhöhen und einen Anstiegspfad festschreiben.
Den Aufbau von Produktionsanlagen und moderner Flugzeugtechnologie fördern wir.
Umweltschädliche Subventionen im Flugverkehr sind abzubauen und Finanzhilfen für
unwirtschaftliche Regionalflughäfen zu beenden. Neben einer Reduktion des Fluglärms durch
weniger und bessere Flugzeuge braucht es ein echtes Nachtflugverbot.
Zukunftsfähiger Güterverkehr
Jeden Tag werden durch Deutschland Millionen Tonnen an Gütern transportiert, heute zumeist
in Form endloser Lkw-Karawanen auf unseren Straßen. In einem klimaneutralen Deutschland muss
auch der Güterverkehr zukunftsfähig sein. Wir setzen auf regionale Wirtschaftskreisläufe,
die Chancen der Digitalisierung und Vernetzung bei der Organisation der Logistik und wollen
mehr Güter mit der Bahn transportieren. Dazu wollen wir die Kombination von Straße und
Schiene ertüchtigen und dafür sorgen, dass Industrie und Gewerbe wieder ans Bahnnetz
angeschlossen werden. In der Schifffahrt heißt es: weg vom Schweröl und stattdessen den
Einsatz alternativer Kraftstoffe und Antriebe forcieren. Den ausufernden Lkw-Verkehr wollen
wir durch eine CO2-orientierte Maut regulieren. Zusammen mit ambitionierten CO2-
Flottengrenzwerten und der Förderung klimafreundlicher Antriebe werden auch Lkw absehbar
emissionsfrei. Für mehr Sicherheit im Lkw-Bereich braucht es eine bessere Durchsetzung von
Arbeitszeitvorschriften. Auch die Arbeitsbedingungen der Lkw-Fahrer*innen müssen erheblich
verbessert werden. In der städtischen Logistik wollen wir den Einsatz von Lastenrädern und
neue Verteilkonzepte wie Cityhubs oder Güterbeförderung auf Schienen fördern.
Wir schützen Natur und Umwelt für ein gutes Leben
Artensterben stoppen
Biologische Vielfalt sichert das Leben auf der Erde. Ökologische Leitplanken müssen daher
unser Handeln definieren – als „Barometer des Lebens“. Um die Krise der Artenvielfalt zu
überwinden und das massenhafte Artensterben zu beenden, brauchen wir vor allem eine andere
Landnutzung. Wie beim Klimaschutz zählt beim Naturschutz jeder Tag. Deshalb werden wir hier
ein Sofortprogramm Artenschutz auflegen, mit dem wir den Pestizideinsatz verringern, den
Einsatz von Glyphosat untersagen, den Verkauf von naturwertvollen bundeseigenen Flächen zur
Bebauung und die Entwässerung von moorigen Standorten im Bundesbesitz stoppen. Wir werden
Naturschutzkorridore schaffen, Natura-2000-Gebiete gemeinsam mit den Ländern verteidigen und
verbessern sowie Schutzgebiete, wo möglich, vergrößern bzw. neue schaffen. 10 Prozent der
Gelder aus dem Energie- und Klimafonds sollen für Klimaschutz durch Naturschutzmaßnahmen
eingesetzt werden. Mit einem Wildnisfonds wollen wir dafür sorgen, dass sich auf mindestens
2 Prozent der Landesfläche wieder echte Wildnis entwickeln kann. Um Natur zu retten, gilt es
bis 2030 den Flächenverbrauch zu halbieren. Bei neuer Straßenverkehrsinfrastruktur sowie
Siedlungs- und Industriegebieten muss mehr auf den Naturschutz geachtet werden. Das werden
wir bei Bundesinfrastrukturprojekten umsetzen und zugleich Landes- und Kommunalverwaltungen
dabei unterstützen, nicht mehr benötigte versiegelte Flächen der Natur zurückzugeben oder im
Innenbereich zu verdichten.
Unseren Wald retten
Unser Wald ist durch die Klimakrise stark bedroht. Wir erleben heute schon ein Waldsterben,
das weitaus größere Schäden anrichtet, als in den 80er Jahren durch den sauren Regen
entstanden sind. Naturnahe, artenreiche und klimastabile Waldökosysteme sind
widerstandsfähiger als Monokulturen. Wir wollen gesetzliche Mindeststandards für eine
naturnahe Waldbewirtschaftung festlegen und den Umbau und die Wiederbewaldung nach
ökologischen Bewirtschaftungsvorgaben unterstützen. Das dient auch dem ökonomischen
Mehrwert. Die Bewirtschaftung von Flächen der öffentlichen Hand soll an ökologische
Kriterien – im Wald nach FSC, in der Landwirtschaft nach Ökolandbau zertifiziert – geknüpft
werden. Wir wollen 5 Prozent unserer Wälder komplett aus der Nutzung nehmen. Dazu weisen wir
Naturwälder aus und machen sie zu Urwäldern von morgen. Weitere Dürrejahre vergrößern die
Waldbrandgefahr. Gemeinsam mit Kommunen und Ländern wollen wir eine bundesweite Präventions-
und Bekämpfungsstrategie erarbeiten.
Biologische Vielfalt an Land und im Meer schützen
Der Artenrückgang und die Zerstörung natürlicher Lebensräume schreiten auch global weiter
voran. Wir werden uns für ein ambitioniertes Abkommen der Vereinten Nationen zum Erhalt der
biologischen Vielfalt einsetzen. Es sollen entsprechend der Biodiversitätsstrategie der
Europäischen Union mindestens 30 Prozent der Landfläche und 30 Prozent der Meere geschützt
werden, davon 10 Prozent der EU-Landflächen und 10 Prozent der EU-Meeresgebiete mit strengen
Schutzvorgaben, nötig ist außerdem ein Entwaldungsstopp für die Schutzgebiete an Land. Die
UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung wollen wir in einem solchen Abkommen als neue
Leitprinzipien verankern und für eine kohärente Politik sorgen. Insbesondere im
Meeresbereich verfolgen wir eine gemeinsame internationale Meeresstrategie. Wir werden uns
dafür einsetzen, den Schutz der Meere über verbindliche Abkommen zu schärfen,
Vollzugsdefizite und Regellücken zu schließen und damit den Schutz des Meeres in den Fokus
zu rücken, damit legale Verschmutzung, wie zum Beispiel Tankwäschen auf hoher See, verboten
und Übernutzung verhindert wird.
Flüsse und Moore schützen
Die Renaturierung von Flüssen und Wäldern und die Wiedervernässung von Mooren – all das
schützt nicht nur seltene Lebensräume und die Biodiversität, sondern auch das Klima.
Naturnahe Bäche und die letzten frei fließenden Flüsse wie die Elbe müssen erhalten bleiben,
einen Ausbau der Oder lehnen wir ab. Flüsse mit weiten Auen und Überschwemmungsgebieten sind
auch der beste Schutz gegen Hochwasser. Daher werden wir die Aufgaben der
Bundeswasserstraßenverwaltungen stärker ökologisch ausrichten. Spezifische Programme für
wilde Bäche, naturnahe Flüsse, Seen, Auen und Feuchtgebiete wie das Blaue Band wollen wir
stärken und die EU-Wasserrahmen-Richtlinie konsequent umsetzen. Moorschutz ist Klimaschutz.
Daher wollen wir unsere Moore so schnell wie möglich wiedervernässen. Dazu legen wir
gemeinsam mit den Ländern ein großflächig wirksames Moor-Renaturierungsprogramm auf.
Wiedervernässte Moore müssen zu einem Teil Schutzgebiete werden, ein anderer Teil sollte
nachhaltig genutzt werden. Daher wollen wir Paludikultur stärken, also die
landwirtschaftliche Nutzung von nassen Hoch- und Niedermooren.
Sauberes Wasser ist Leben
Wasser ist unser wichtigstes Lebensmittel. Nitrat, Waschmittelrückstände und
Medikamentenreste, die Grundwasser, Seen und Flüsse belasten, gehören nicht ins Abwasser.
Deshalb wollen wir klare gesetzliche Vorgaben etwa zur Flächenbindung der Tierhaltung und
des Pestizideinsatzes verankern. Ein Verursacherfonds und eine Reform der Abwasserabgabe
sollen so zu einer fairen Verteilung der Kosten von Abwasser- und Trinkwasseraufbereitung
führen. Durch eine Stärkung der Produktverantwortung von Herstellern und genaue
Genehmigungs- und Entsorgungsvorschriften für Medikamente können wir die Gefahren von
Arzneimittelrückständen im Wasser und Resistenzen von Keimen verringern. Setzen wir das EU-
Recht konsequent um, reduzieren wir den Eintrag von hormonverändernden Stoffen und
Mikroplastik im Wasser. Den Vorrang der öffentlichen Wasserversorgung gegenüber gewerblicher
Nutzung gilt es sicherzustellen, Wiederverwendung von Abwässern und Speicherung von
Regenwasser wollen wir regeln und Anreize zum Wassersparen schaffen.
Meere schützen, Plastikmüllflut stoppen
Die Meere befinden sich in einem katastrophalen Zustand – und dieser droht sich durch
weitere Versauerung, Überdüngung, Verschmutzung und Plastikmüll noch zu verschlechtern. Um
die Plastikmüllflut zu stoppen, wollen wir ein Sofortprogramm mit verbindlichen
Müllvermeidungszielen auflegen. Wir wollen Technik und Maschinen fördern, die eine Bergung
der Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee ermöglichen. Um die Fischbestände zu
stabilisieren und Fischer*innen eine nachhaltige Perspektive zu geben, wollen wir eine
regionale, umwelt- und artenschonende Fischerei unterstützen und die Betriebe fördern, die
Fangmengen und Netzlängen reduzieren, die neue bzw. althergebrachte Fanggeräte erproben oder
einsetzen und sich für touristische Angebote öffnen. In Meeresschutzgebieten regulieren wir
die Schleppnetz- und Stellnetzfischerei sowie die touristische Nutzung. Aus den
Erdölförderanlagen in der Nordsee treten durch Unfälle, ölhaltigen Bohrschlamm mit
Bohrabfällen und auch durch die Abfackelung von Gas giftige Stoffe aus. Wir setzen uns für
ein Ende der Förderung fossiler Energieträger ein. In der deutschen Ausschließlichen
Wirtschaftszone (AWZ) wollen wir einen sofortigen Stopp neuer Öl- und Gasbohrungen umsetzen
sowie ein Förderende bis 2025. Auf europäischer und internationaler Ebene setzen wir uns für
ein Ende der Öl- und Gasförderung in der gesamten Nord- und Ostsee ein. Wir wollen auch den
Ausstieg aus dem Kies- und Sandabbau vorantreiben. Für lebendige Weltmeere sind die
Umsetzung der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie und verbindliche Abkommen über Fangquoten,
ein Ende der Fischereisubventionen, ein Tiefseebergbaumoratorium sowie die Ausweisung von
großflächigen Meeresschutzgebieten überlebensnotwendig.
Das Ende des Mülls
Der Mehrweganteil bei Getränken sinkt seit Jahren. To-go-Becher werden nur für wenige
Minuten genutzt, bevor sie zu Müll werden. Ausgediente Handys und Tablets verstauben in
Schubladen, obwohl sie wiederverwendet oder recycelt werden könnten. Unser Ziel ist Zero
Waste. Es soll kein Müll mehr verursacht und die Ressourcenverschwendung gestoppt werden.
Dafür wollen wir das komplizierte Pfandsystem entwirren. Jede Flasche soll in jeden
Pfandautomaten passen, den To-go-Mehrwegbecher machen wir bis 2025 zum Standard. Auf
europäischer Ebene treten wir für ein EU-weites Pfandsystem ein. Damit Ressourcenschätze aus
alten Elektrogeräten zurück in den Kreislauf finden, schaffen wir ein Pfand auf Handys,
Tablets und energieintensive Akkus. Das Verpackungsgesetz entwickeln wir zu einem
Wertstoffgesetz weiter, das Mehrwegquoten und Pfand auf alle Einweg-Plastikflaschen
vorsieht. Die Kreislaufwirtschaft wird das neue Normal. Im Kreislaufwirtschaftsgesetz räumen
wir allen ökologisch vorteilhaften Mehrwegprodukten Vorrang ein. Wir setzen uns für ein
Verbot des Exports von Plastikmüll in Länder außerhalb der EU ein.
Giftfreie Produkte im Alltag
Plastikrückstände befinden sich bereits in den Körpern von Kindern und Jugendlichen. Die
Weltgesundheitsorganisation sieht in hormonstörenden Chemikalien eine globale
Gesundheitsbedrohung. Wir wollen giftige Chemikalien, die Erkrankungen wie Krebs, Diabetes
oder ungewollte Kinderlosigkeit auslösen können, aus allen Alltagsprodukten verbannen, indem
wir das EU-Recht im Chemikalienbereich schnell und konsequent umsetzen. Im Rahmen der
Chemikalienverordnung REACH wollen wir weitere Einschränkungen für gefährliche Stoffe und
werden entsprechende Vorschläge machen. Besonderes Augenmerk richten wir auf Spielzeug,
Kinderpflegeprodukte und andere Alltagsprodukte wie Textilien, Möbel oder Elektronik.
Deutschland sollte dem Beispiel Frankreichs folgen und nachgewiesen giftige Chemikalien wie
Bisphenol A in Kochgeschirr und Lebensmittelverpackungen oder per- und polyfluorierte
Kohlenwasserstoffe in Papier und Pappe verbieten. Unser Ziel ist, dass die Menschen gesund
in einer gesunden Umwelt leben können.
Saubere Luft zum Atmen
Wir alle brauchen saubere Luft zum Atmen. Doch Abgase aus dem Verkehr, aus Kohlekraftwerken
oder alten Ölheizungen machen krank. Schlimmer noch: Nach Berechnung der Europäischen
Umweltagentur sterben allein in Deutschland pro Jahr 70.000 Menschen vorzeitig durch von
Luftverschmutzung verursachte Krankheiten. Um die Luft zu verbessern, bietet die ökologische
Modernisierung riesige Chancen. E-Autos, Solar- und Windenergie schützen unsere Luft. Wir
wollen diese Entwicklung beschleunigen und die Minderungsziele für Luftschadstoffe und die
Grenzwert-Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation schnellstmöglich umsetzen.
Klimaanpassung und mehr Natur in der Stadt
Schon heute hat sich die Erde um 1,2 Grad erhitzt. Die Folgen sind mit Hitzesommern,
Waldsterben und Dürren längst auch in unserem Land spürbar und treffen oft die am härtesten,
die in schwierigeren Umständen leben. Während wir um jedes Zehntelgrad weniger an
Erderhitzung kämpfen, müssen wir uns zugleich an diese Veränderungen anpassen. Unsere Städte
wollen wir besser gegen Hitzewellen wappnen – mit mehr Stadtgrün, Fassadenbegrünung und
Trinkbrunnen. Es gilt unsere Städte so umzugestalten, dass sie mehr Wasser aufnehmen und
speichern und im Sommer kühlend wirken. Öffentliche Trinkwasserversorgung muss Vorrang vor
einer Privatnutzung haben. Auch für Tiere und Pflanzen sind unsere Städte immer wichtigere
Lebensräume. Wir wollen die Natur in der Stadt ausweiten und dafür zum Beispiel die
Lichtverschmutzung eindämmen, die sich negativ auf Menschen und Tiere auswirkt.
Wir stärken Bäuer*innen, Tiere und Natur
Landwirtschaft fit für die Zukunft machen
Wir wollen Umwelt-, Tier-, Klima- und Gewässerschutz und landwirtschaftliche Erzeugung
miteinander versöhnen. Die Landwirtschaft fit für die Zukunft zu machen – das begreifen wir
als Aufgabe für die nächsten Jahre. Das geht nur mit der Natur zusammen und mit einem
Verständnis von Natur, das sich an Kreisläufen orientiert und sich dem Ressourcenschutz
verpflichtet sieht. Das bedeutet fruchtbare Böden, sauberes Wasser und intakte Ökosysteme,
aber auch faire Bezahlung von Landwirt*innen und ein geändertes Ernährungssystem. Wir werden
vielfältige Fruchtfolgen und widerstandsfähige Anbausysteme wie Agroforst ebenso stärken wie
die Nutzung von robusten Pflanzensorten und Tierrassen. Digitale Anwendungen können bei
entsprechender Ausrichtung die Landwirtschaft umwelt- und klimafreundlicher machen, müssen
aber auch – zum Beispiel über Sharing-Konzepte – kleineren Betrieben offenstehen und
bezahlbar sein. Den Ökolandbau wollen wir umfangreich fördern und die Voraussetzungen dafür
schaffen, dass künftig immer mehr Bäuer*innen und Lebensmittelhersteller umstellen.
Monokulturen und chemische Dünger führen auch im globalen Süden zu erheblichen Schäden für
Gesundheit und Umwelt, während Kleinbäuer*innen durch europäische Dumpingexporte,
patentiertes Saatgut und Landraub weiter in die Abhängigkeit getrieben werden. Das Recht auf
Nahrung muss garantiert sein, kleinbäuerliche Strukturen sollten gestärkt werden. Dafür unterstützensetzen wir uns mit unserer Agrar- und Entwicklungspolitik für eine globale sozial-ökologische
Agrarwende im Sinne der planetaren Grenzen und des 1,5 Grad Ziels von Paris ein.
Öffentliches Geld für öffentliche Leistung
Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU sollte zu einem Instrument für eine ökologische
Agrarpolitik werden – und nicht wie bisher für die Industrialisierung der Landwirtschaft.
Das muss der Ausgangspunkt für einen Gesellschaftsvertrag zwischen Bäuer*innen,
Verbraucher*innen und Politik für Klima- und Naturschutz sein. Wir wollen eine Reform, damit
die Milliarden an öffentlichen Geldern künftig für öffentliche Leistungen wie Klima-,
Umwelt- und Tierschutz eingesetzt werden. Um den nachhaltigen Umbau der Landwirtschaft
gemeinsam mit den Bäuer*innen voranzutreiben, gilt es die nationalen Spielräume für die
bevorstehende Förderperiode bestmöglich zu nutzen. Dazu gehören ein Ökolandbau-Anteil von 30
Prozent sowie eine Halbierung des Pestizid- und Antibiotika-Einsatzes bis 2030. Wir wollen
das System der Direktzahlungen schrittweise durch eine Gemeinwohlprämie ablösen, die
konsequent gesellschaftliche Leistungen honoriert. Bis zum Jahr 2028 wollen wir für die
Hälfte der Gelder eine ökologische Zweckbindung erreicht haben.
Pestizide reduzieren
Es gibt viele Gründe, den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft deutlich
herunterzufahren. Der Schutz der menschlichen Gesundheit gehört dazu. Vor allem sind weniger
Pestizide der wichtigste Hebel, um den Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen. Wir wollen den
Ausstieg aus der Pestizidabhängigkeit unserer Landwirtschaft schnell und machbar gestalten:
durch eine systematische Pestizidreduktionsstrategie, ein Sofortverbot für besonders
umwelttoxische Wirkstoffe und das besonders häufig eingesetzte Pestizid Glyphosat. Um den
Einsatz von Pestiziden insgesamt zu reduzieren, führen wir eine Pestizidabgabe ein. Um
wirksamen Artenschutz zu betreiben und unser Trinkwasser zu schützen, wollen wir die
Ausbringung von Pestiziden in Naturschutzgebieten und Trinkwasserschutzgebieten untersagen.
Die Landwirt*innen werden durch Gelder der Pestizidabgabe dafür entschädigt. Wir werden
außerdem den Export von Pestiziden beenden, die in Deutschland oder der EU aufgrund von
Umwelt- und Gesundheitsrisiken nicht zugelassen oder verboten sind. Wir wollen die
Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel verbessern und so Transparenz und
Unabhängigkeit stärken sowie ein kombiniertes Forschungs-, Umsetzungs- und Beratungsprogramm
für nicht synthetischen Pflanzenschutz auflegen.
Vielfältiges Saatgut ohne Patente
Eine vielfältige, gerechte und nachhaltige Landwirtschaft beginnt beim Saatgut. Es ist
nötig, die Zucht von robusten Sorten voranzutreiben. Angesichts der Klima- und
Biodiversitätskrise wollen wir sowohl die Forschung für ökologisches Saatgut stärken als
auch neue Ansätze fördern. Gentechnikfreie Produktion muss durch vorsorgeorientierte
Zulassungsverfahren und Kennzeichnungspflicht geschützt bleiben. Die Opt-out-Richtlinie der
EU setzen wir vollständig in nationales Recht um. Die Risiko- und Nachweisforschung sowie
innovative Ansätze, die auf traditionelle und ökologische Züchtungsverfahren setzen, werden
wir stärken. Wir wollen das Patentrecht so ausrichten, dass es keine Patente auf Pflanzen
und Tiere sowie deren genetische Anlagen mehr gibt.
Gerechte Einkommen und Arbeitsbedingungen für Bäuer*innen
Bäuerinnen und Bauern müssen von ihrer Arbeit leben können. Wir werden daher mit Hilfe des
Wettbewerbsrechts gegen Dumpingpreise im Lebensmittelhandel vorgehen. Wir wollen
Junglandwirt*innen und Neueinsteiger*innen unterstützen und Maßnahmen gegen Bodenspekulation
und den Ausverkauf ländlicher Fläche ergreifen. Dazu gehört, dass wir die Flächen der
bundeseigenen BVVG in eine Bundesstiftung überführen, die die Flächen vorzugsweise an
kleinere Betriebe statt an große Investoren verpachtet. Auch in der Lebensmittelerzeugung
und ‑verarbeitung müssen faire Bedingungen herrschen. Ein besserer Arbeits- und
Gesundheitsschutz für Beschäftigte in Landwirtschaft und Fleischindustrie ebenso wie mehr
Rechte für die Arbeitnehmer*innen, tarifliche Löhne und starke Gewerkschaften sind
notwendig.
Regionale Vermarktung stärken
Der Wunsch, wieder mehr regional und handwerklich erzeugte Lebensmittel zu kaufen, beim
Bäcker, in der Metzgerei, auf dem Bauernhof, wächst stetig. Wir wollen die regionale
Erzeugung und Vermarktung stärken und so dem Betriebssterben der letzten Jahre
entgegentreten. Wir unterstützen Regionalsiegel und Direktvermarktungen der Betriebe durch
lokale Einkaufs-Apps und Regionalwerbung und sorgen mit einer klaren Definition von
regionalen Produkten für Schutz vor Betrug. Öffentliche Fördergelder sollen vorrangig den
kleinen und mittleren bäuerlichen Betrieben und Handwerker*innen zugutekommen. Forschung und
Beratung zur Regionalvermarktung, innovative und partizipative Ansätze wie solidarische
Landwirtschaft oder Ernährungsräte unterstützen wir.
Lebensmittel retten
Gesunde und ökologisch wertvolle Lebensmittel sollen allen Menschen in Deutschland leicht
zugänglich sein. Ernährungsbedingte Krankheiten aufgrund von Fehlernährung wollen wir
gezielt eindämmen. Kitas, Schulen, Krankenhäuser, Pflegeheime, Mensen und Kantinen
unterstützen wir dabei, mehr nachhaltiges, gesundes und regionales Essen anzubieten. Gutes
Essen scheitert allzu oft an mangelndem Angebot und Transparenz. Um das zu ändern, wollen
wir die Ernährungsindustrie in die Pflicht nehmen. Wir brauchen verbindliche
Reduktionsstrategien für Zucker, Salz und Fett. Für Lebensmittelwerbung, die sich an Kinder
richtet, wollen wir klare Regeln, die sich an den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation
orientieren. Klimaschutz heißt auch, dass wir als Gesellschaft weniger tierische Produkte
produzieren und konsumieren werden. Wir wollen vegetarische und vegane Ernährung attraktiver
und zugänglich für alle Menschen machen. Pflanzliche Milchalternativen sollen steuerlich mit
Milchprodukten gleichgestellt und mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz verkauft werden.
Auch gegen die Lebensmittelverschwendung gehen wir vor. Wir wollen mit einem Rettet-die-
Lebensmittel-Gesetz verbindliche Reduktionsziele einführen, Lebensmittelhandel und -
produzenten verpflichten, genusstaugliche Lebensmittel weiterzugeben statt wegzuwerfen.
Lebensmittel aus dem Müll zu retten – das sogenannte Containern – muss entkriminalisiert
werden.
Klare Lebensmittelkennzeichnung
Gutes, nachhaltiges und gesundes Essen soll leicht zu erkennen sein. Mit verständlichen
Informationen über Zutaten, Herkunft und Herstellung wollen wir für die nötige Transparenz
sorgen. Wir werden daher eine verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung für Fleisch und
andere tierische Produkte einführen. Die Nährwertkennzeichnung Nutriscore wollen wir
ausbauen und europaweit für alle Fertigprodukte anwenden. Außerdem wollen wir die
Transparenz über die Herkunft von Lebensmitteln verbessern. Transparenz muss auch bei der
Lebensmittelhygiene gelten, deshalb sollen die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen in Form
eines Hygienebarometers für alle erkennbar sein.
Wir ermöglichen Tieren ein besseres Leben
Tierhaltung mit mehr Platz für weniger Tiere
Das System des „Immer billiger, immer mehr“ hat die Landwirtschaft in einen Teufelskreis
getrieben: Bäuerinnen und Bauern werden von Dumpingpreisen erdrückt und müssen immer mehr
produzieren, um zu überleben, die Tiere werden immer mehr auf Leistung gezüchtet und leben
immer kürzer, die ökologischen und gesellschaftlichen Probleme wachsen. Es braucht einen
Ausweg. Ein Teil der Lösung ist, dass deutlich weniger Tiere gehalten werden als bisher und
diesen Tieren ein wesentlich besseres Leben ermöglicht wird. Damit Tierschutz wirtschaftlich
machbar ist, wollen wir die Landwirt*innen durch eine Umbauförderung, faire Preise für ihre
Arbeit und verpflichtende Haltungskennzeichnungen auf den Produkten für alle Tierarten
unterstützen. Die Tierhaltung soll an die Fläche – nicht mehr als zwei Großvieheinheiten pro
Hektar – und Obergrenzen pro Stall gebunden werden. Den Umbau in tiergerechte Ställe werden
wir durch einen Tierschutz-Cent auf tierische Produkte ebenso gezielt fördern wie die
Weidetierhaltung, die ökologisch wertvolles Grünland erhält und sinnvoll nutzt. Qualzucht,
Amputationen, Eingriffe ohne Betäubung und Anbindehaltung wollen wir beenden, den Einsatz
von Antibiotika senken und Tiertransporte auf vier Stunden begrenzen. Lebendtiertransporte
in Drittstaaten außerhalb der EU gehören ganz verboten.
Tiere schützen und respektieren
Tiere brauchen Schutz, deshalb werden wir die gesetzlichen Regelungen zur Tierhaltung
verbessern. Für alle Tiere, die wir Menschen halten, haben wir eine besondere Verantwortung.
Wir wollen ihnen ein würdevolles, gutes und gesundes Leben frei von Schmerzen, Angst und
Stress ermöglichen. Dafür gilt es gemeinsam mit den Ländern und Kommunen auf einen
effektiveren Vollzug hinzuwirken und wirkungsvollere Sanktionen bei Tierschutzvergehen im
Tierschutzgesetz zu verankern. Wir werden ein Verbandsklagerecht für anerkannte
Tierschutzorganisationen einführen. Die anerkannten Tierschutzorganisationen und ein*e
Bundestierschutzbeauftragte*r sollen Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte wahrnehmen, die für
den Tierschutz zuständigen Behörden kontrollieren und Rechtsverstöße beanstanden. Die
Haltung von Wildtieren in Zirkussen gehört nicht mehr in unsere Zeit. Den Online-Handel mit
Tieren wollen wir strikt regulieren. Wir streben die weitere konsequente Reduktion von
Tierversuchen in der Wissenschaft an und wollen Tierversuche mit einer klaren
Ausstiegsstrategie und innovativen Forschungsmethoden schnellstmöglich überflüssig machen.
Deswegen muss die zukunftsorientierte Forschung sichergestellt sein, genauso wie auch
tierfreie Modelle für verbesserte Medikamenten- und Sicherheitsprüfungen weiterentwickelt
und gefördert werden müssen.
Wildtierhandel an die Leine legen
Die Covid-19-Pandemie muss eine Lehre sein, die Gesundheit von Umwelt, Tier und Mensch
zusammenzudenken. Sie basiert auf einer Zoonose, einer vom Tier zum Menschen übertragenen
Infektionskrankheit. Solche neuartigen Krankheiten werden durch die fortschreitende
Zerstörung der Natur und das Vordringen der Menschen in die letzten natürlichen Lebensräume
begünstigt. Dem gilt es entgegenzuwirken. Wildtiere gehören in die Wildnis, der Handel mit
ihnen muss strenger reguliert, Importe von Wildfängen, die Trophäenjagd, ihr Handel auf
Online-Portalen und Wildtierbörsen müssen ganz verboten werden. Auch die industrielle
Tierhaltung kann zu Pandemien beitragen, wie sich an coronainfizierten Nerzen gezeigt hat.
Die Tierhaltung ist deshalb auch an den Notwendigkeiten zur Eindämmung möglicher Zoonosen
auszurichten. Wir werden uns dafür einsetzen, dass Pelztierfarmen nicht mehr erlaubt sind.
weitere Antragsteller*innen
- Christof Martin (KV Rendsburg-Eckernförde)
- Jennifer Herbert (KV Schleswig-Flensburg)
- Henrike Rieken (KV Barnim)
- Katrin Reuter (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Rainer Borcherding (KV Schleswig-Flensburg)
- Björn Stockhausen (KV Aachen)
- Jörg Klapproth (KV Göttingen)
- Erwin Bartels (KV Göttingen)
- Nathalie Behrens (KV Göttingen)
- Friedhelm Schubert (KV Göttingen)
- Peter Schwarz (KV Göttingen)
- Antje Schierholt (KV Göttingen)
- Bernhard Ziegler (KV Frankfurt-Oder)
- Felix Reyhl (KV Reutlingen)
- Heike Albrecht (KV Göttingen)
- Julian Schlumberger (KV Göttingen)
- Fabian Hesse (KV Göttingen)
- Carolin Fornaçon (KV Göttingen)
- Heike Nüsperling (KV Göttingen)
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