Veranstaltung: | 46. Bundesdelegiertenkonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | PB-Z Kapitel 5: Zusammen leben |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Bundesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 13.06.2021 |
Eingereicht: | 13.06.2021, 15:01 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Kapitel 5: Zusammen leben
Beschlusstext
Kapitel 5: Zusammen leben
Unsere vielfältige Gesellschaft ist stark. Weil Menschen sich engagieren, beim Sport, bei
der freiwilligen Feuerwehr, in Musikschulen, in religiösen Gemeinden oder am Sorgentelefon,
Junge für Alte, Alte für Junge. Weil es ein breites Kulturangebot gibt, eine vielfältige
Medienlandschaft. Weil die Jugend sich einmischt, weil Menschen in Kommunalparlamenten
Verantwortung übernehmen, sich Bürger*innen in Foren einbringen und das Schicksal ihrer Orte
in die Hand nehmen.
Aber Demokratie ist nie fertig. Unser demokratisches Zusammenleben in Deutschland und Europa
ist ein Versprechen, das wir immer wieder neu erfüllen müssen. Es verspricht gleiche
Entfaltungsmöglichkeiten und Rechte für alle, die hier leben. Für Demokratie, Freiheit und
Toleranz sind mutige Menschen in der Vergangenheit auf die Straße gegangen:
Bürgerrechtler*innen, Umweltbewegte, Friedensaktivist*innen und Frauenrechtler*innen. Und
auch in der Gegenwart kämpfen Menschen für eine vielfältige, offene und tolerante
Gesellschaft. Bündnisgrüne Politik knüpft daran mit einem gesamtdeutschen Blick an, der die
Besonderheiten der Regionen anerkennt. Es ist oft anstrengend, teils eine Zumutung, wenn
andere Ansichten und Werthaltungen akzeptiert und respektiert werden müssen, wenn es den
einen zu schnell und den anderen zu langsam vorangeht. Aber vor allem ist es eine Stärke:
zuhören, den Dialog suchen, inhaltlich ringen. So haben wir als demokratische Gesellschaft
die Herausforderungen der letzten Jahrzehnte gemeistert. Nun gilt es mit voller
Gleichberechtigung und mehr Beteiligung unsere liberale Demokratie zu stärken, in
Deutschland und in Europa, auf den Straßen, in den Parlamenten, und unsere Institutionen fit
zu machen für die Aufgaben dieses Jahrzehnts.
Menschen sind unterschiedlich, aber gleich in ihrer Würde und ihren Rechten. Nur wenn Würde
und gleiche Rechte unverhandelbar sind, wenn alle Menschen in unserer Gesellschaft, in
unserem Europa gleichen Schutz und gleiche Chancen haben und ihre Rechte in Anspruch nehmen
können, kommen Freiheit und Sicherheit – individuelle und gesellschaftliche – heraus und
wird Gerechtigkeit befördert. Dieser Anspruch ist jedoch noch nicht voll verwirklicht. Wenn
mit Frauen die Hälfte der Bevölkerung nicht gleichberechtigt beteiligt, repräsentiert und
bezahlt wird und Menschen noch immer Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus erleben,
ist die Demokratie nicht vollkommen. Nötig sind mehr Zugänge, mehr Teilhabe, mehr
Selbstwirksamkeit und mehr Repräsentanz, zum Beispiel für Menschen in prekären
Lebensverhältnissen, Menschen mit Migrationsgeschichte oder mit Behinderung. Eine
gleichberechtigte Gesellschaft braucht Politik, die Strukturen verändert.
Rassismus trifft uns nicht alle, aber er geht uns alle an. Wenn wir als Gesellschaft lernen,
Vielfalt als kulturellen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Reichtum zu begreifen,
schützen wir uns gegenseitig vor Gewalt, Hetze, Ausgrenzung, Frauenhass, Queerfeindlichkeit
und Rassismus. Aber das reicht noch nicht. Wir wissen, dass aus diskriminierenden Worten
Taten werden. Die Angriffe von Demokratiefeind*innen, insbesondere von rechts, treffen
unsere demokratische Gesellschaft bis ins Mark. Sie zielen auf Menschen beim Beten, beim
ausgelassenen Beisammensein oder in den Institutionen des Staates. Ihnen muss mit einer
antirassistischen und antifaschistischen Haltung klar entgegengetreten werden. Unsere
Demokratie muss wehrhaft dagegenhalten, mit einer starken Zivilgesellschaft, selbstbewussten
Parlamenten, einer gut ausgestatteten und bürger*innennahen Polizei und einer schnell
handlungsfähigen, unabhängigen Justiz. Es ist Aufgabe der Politik, die Voraussetzungen dafür
zu schaffen.
Wie wir unser Zusammenleben gestalten, hängt stark vom Zusammenspiel zwischen Bürger*innen
und dem Staat ab. Wenn Menschen beteiligt und gehört werden, geht Planung schneller. Wenn
Jugend mitentscheidet, werden Entscheidungen besser und zukunftsfester. Wenn
Gleichberechtigung und Vielfalt herrschen, werden sie ausgewogener und nachhaltiger. Wir
wollen deshalb mehr Möglichkeiten schaffen, damit Menschen sich einbringen können.
Immer mehr Herausforderungen sind europäisch und global. Sie bewältigen wir nur in einer
starken Europäischen Union, die Handlungswillen und Handlungsfähigkeit zusammenbringt und
die von ihren Bürger*innen aktiv und demokratisch mitgestaltet wird. Darum denken wir unsere
Demokratie konsequent europäisch, wollen diese vertiefen und stärken, lähmende Blockaden
strukturell überwinden – und so Zukunftsfragen beherzt angehen. Unser Fixstern für die
Weiterentwicklung der Europäischen Union ist die Föderale Europäische Republik mit einer
europäischen Verfassung.
Die Pandemie hat etliche Defizite bei ihrer Bekämpfung wie unter dem Brennglas offenbart:
Faxgeräte im Dauerbetrieb, fehlendes Personal und überbordende Bürokratie verhindern ein
effektives staatliches Handeln. Unser Ziel ist ein moderner, engagierter Staat, der mit
einer effizienten, zugänglichen Verwaltung transparent, offen und in der Lage ist, Krisen
effektiv zu managen, digitale Teilhabe zu sichern und es den Bürger*innen insgesamt leicht
macht, ihren Alltag zu bewältigen und ihre Rechte in Anspruch zu nehmen. Gewohnte
Traditionen und Prinzipien müssen überdacht werden, denn eine inklusive digitale
Transformation und die Modernisierung von Verfahren sind zentrale Bausteine, um
Demokratie, Teilhabe und Zusammenarbeit zu stärken. Um diese Aufgabe zu stemmen, ist eine
bessere strukturelle Verankerung der Digitalisierung auf allen Verwaltungsebenen notwendig.
Wir wollen mit Anstand und Transparenz regieren. Gleichberechtigung, Kooperation sowie der
Zusammenhalt in Vielfalt sind Maßstäbe, um einen bürger*innennahen Staat zu verwirklichen.
Wir machen den Staat effektiver und bürger*innennäher
Planungs- und Investitionsbeschleunigung: bessere Qualität für schnellere Umsetzung
Deutschland braucht im nächsten Jahr eine Modernisierungsoffensive. Die
Schieneninfrastruktur, erneuerbare Energien und die Energienetze müssen ausgebaut, Schulen,
Straßen und Brücken saniert, digitale Infrastrukturen aufgebaut werden. Doch derzeit dauert
es oft viel zu lange, solche Projekte zu realisieren, Investitionsmittel fließen nicht ab.
Das wollen wir ändern. Für eine Planungsbeschleunigung schaffen wir mehr öffentliche
Planungskapazitäten. Wir starten auf allen Ebenen eine Personaloffensive in Planungsbehörden
und zuständigen Gerichten. Verfahren werden durch die Bündelung von Genehmigungen
verschlankt und die vorhandenen Ansätze von „konzentrierten Genehmigungen“ auf alle
zentralen Infrastrukturprojekte ausgedehnt. Außerdem führen wir behördeninterne Fristen ein
und achten bei allen Planungen auf Inklusion. Zudem soll der Bundestag mehr Verantwortung
bei Infrastrukturprojekten übernehmen, wenn darüber Konfliktlösungen schneller erreicht
werden können. Auch die frühzeitige Einbindung der Bürger*innen vor Ort führt in der Regel
dazu, dass Projekte schneller und besser abgeschlossen werden können. Ziel ist, alle
Planungs- und Umsetzungszeiten zu halbieren.
Digitale Ämter – serviceorientiert, schnell und zuvorkommend
Jeden Tag verrichten gut ausgebildete Fachleute in den Behörden ihre Arbeit, um das Land am
Laufen zu halten. Dennoch ist für viele Menschen der Kontakt zu deutschen Behörden
unkomfortabel und unzeitgemäß. Ein Grund dafür sind unzureichende Technik und veraltete und
überkommene Abläufe. Mit barrierefreien E-Government-Dienstleistungen, sicheren digitalen
Beteiligungsformaten und Open Government wollen wir unsere Verwaltung modernisieren und
unnötige Bürokratie wie Schriftformerfordernisse abbauen. Verwaltungsverfahren sollen stets
digital gedacht und gestaltet werden, vor allem auch in der Zusammenarbeit mit Unternehmen.
Gleichzeitig muss gewährleistet sein, dass die Türen des Staates auch für den persönlichen
Kontakt mit den Bürger*innen geöffnet bleiben und durch mobile Angebote ergänzt werden. Die
Nutzung der digitalen Verwaltungsleistungen soll über einen zentralen Zugang erfolgen. Der
Austausch von Unterlagen unter den Behörden muss nach Zustimmung und unter Beachtung des
Datenschutzes möglich sein. Damit die Verwaltung all dies leisten kann, muss sie selbst
digitalisiert werden. Wir setzen uns gemeinsam mit den Ländern dafür ein, dass
die Verwaltung flächendeckend mit der modernsten Technik ausgestattet wird, vom Gesundheits-
bis zum Bürger*innenamt. Digitalisierung wird das Verhältnis von Staat und Bürger*innen auf
eine neue Basis stellen. Wir verfolgen dabei die Vision eines digitalen, antragslosen und
proaktiven Sozialstaats. In diesem werden Leistungen des Staates ohne komplizierte Anträge
geprüft und automatisch den Berechtigten bereitgestellt.
Der Personalausweis auf dem Smartphone
Wer mit einer digitalen Identität ausgestattet ist, kann sich bequem authentifizieren und
sicher kommunizieren. Was in skandinavischen Ländern schon lange Praxis ist – Behördengänge
einfach mit dem Smartphone erledigen zu können –, wollen wir auch hier erreichen und dabei
auch von Anfang an Möglichkeiten für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft ganzheitlich denken.
Wir wollen digitale Serviceangebote der Verwaltung als Plattform für Staat, Wirtschaft und
Zivilgesellschaft begreifen und durch modulare sowie sichere Komponenten einen Mehrwert für
alle schaffen. Bestehende Systeme wollen wir zusätzlich öffnen und ermöglichen, dass
öffentliche Stellen auch Identitätsmerkmale bestätigen können. So wollen wir eine
Identitätsinfrastruktur schaffen, die es natürlichen und juristischen Personen erlaubt, ihre
digitale Identität mit Hilfe von Smartphones, Onlinediensten oder Ausweisdokumenten zu
nutzen. Mit Offenheit und Technologieneutralität wollen wir EU-weit interoperable digitale
Identitäten zu einer Basisinfrastruktur unseres digitalen Gemeinwesens machen. Für die
Kommunikation mit der öffentlichen Hand wollen wir ein offenes System schaffen, das einen
Ende-zu-Ende-verschlüsselten Austausch von Nachrichten ermöglicht. Bürger*innen sollen einen
Anspruch auf die digitale Zustellung von Behördendokumenten erhalten. Dabei benötigen
Menschen, die nur analog unterwegs sind, Unterstützung durch Weiterbildung und Hilfe. Jede
Person soll mit einer kostenfreien digitalen Identität ausgestattet sein, um sich digital
ausweisen und digital unterschreiben zu können. Ein solches Smartphone-Wallet kann in allen
Sektoren verwendet werden. Im Rahmen einer ganzheitlichen E-Government-Strategie wollen wir
einen Mobilpass für unterschiedlichste Mobilitätsangebote, Serviceangebote der Verwaltung,
E-Health- und E-Justice-Infrastrukturen und auch digitale Beteiligungsformate ermöglichen.
Gleichzeitig wollen wir die gesetzlichen Grundlagen dafür schaffen, dass auch die Wirtschaft
branchenübergreifend dieses Verfahren nutzen kann, etwa für sichere Loginverfahren, Finanz-
und Versicherungsdienstleistungen oder durch digitale Vollmachten erlaubte Zugriffe auf
öffentliche Register, etwa zur Verifikation von Führerscheinen. Die EU und Deutschland
müssen bei hoheitlichen digitalen Identitäten Vorreiter sein und Vertrauen durch
Souveränität schaffen.
Transparenzgesetz für Open Data
Der Zugang zu staatlichen Datenbeständen ermöglicht innovative, elektronische
Dienstleistungen sowie neue demokratische Beteiligungsmöglichkeiten. Auch für neue
technologische Anwendungen ist der geregelte Zugang zu offenen Daten aus staatlichen
Beständen wichtig. Durch die Vorlage eines Bundestransparenzgesetzes werden wir staatliche
Datenbestände der Allgemeinheit nach den Prinzipien der Open Data zur Verfügung stellen. So
heben wir den Schatz von mit öffentlichen Mitteln erwirtschafteten, nicht
personenbeziehbaren Daten. Das bestehende Datenportal GovData wollen wir zu einem zentralen
und nutzerfreundlichen Open- und E-Government-Portal ausbauen. Zur Sicherung umfassender,
gleichberechtigter Teilhabe und einer souveränen Verwaltung wollen wir, wo immer dies
möglich ist, offene Standards, Schnittstellen und Software nutzen, die entstehende Software
unter freier Lizenz veröffentlichen und werden sie als Standard in die Vergabe- und
Vertragsordnungen für öffentliche Gelder aufnehmen.
Erneuerung braucht gute Daten
Auch die Corona-Krise hat wieder einmal gezeigt, dass Deutschland bei der Verfügbarkeit von
Daten weit hinter vergleichbaren Ländern zurückliegt. Während in den USA viele Daten quasi
in Echtzeit vorlagen und politische Maßnahmen zeitnah evaluiert werden konnten, fehlen bei
uns hinreichende und schnell verfügbare Daten. Wir wollen das ändern und zeitnah Daten der
Forschung, den politischen Entscheidungsträger*innen und der Zivilgesellschaft zur Verfügung
stellen. Wir richten ein öffentliches Dateninstitut mit einem gesetzlichen Forschungsauftrag
ein, um Grundsatzfragen zur besseren Verfügbarmachung oder Anonymisierung von Daten zu
behandeln und die Vernetzung, Entwicklung von Standards und Lizenzmodellen voranzutreiben.
Ziel ist es, die Forschung in dem Bereich zu verbreitern, neue Ansätze zu testen, den
Austausch zwischen verschiedenen Projekten zu befördern und beratend bei der Zusammenführung
von Daten zu unterstützen, damit soll auch Missbrauch verhindert und Schlichtungen sollen
begleitet werden. Es braucht einen Paradigmenwechsel hin zu gemeinsamen Standards statt
abgeschotteter Datensilos und zum Beispiel die Möglichkeit, über Datentreuhandmodelle
einfaches und datenschutzfreundliches Datenteilen zu ermöglichen. Das Statistische Bundesamt
stärken wir ebenfalls, um die Datenverfügbarkeit für Politik, Öffentlichkeit und die
Forschung zu verbessern und die Daten zeitnäher zur Verfügung zu stellen.
Klimaneutrale Bundesverwaltung
Klimaschutz braucht Vorreiter und Vorbilder. Wir wollen, dass die Bundesverwaltung endlich
beides wird. Die Bundesverwaltung muss klimaneutral werden. Das umfasst sowohl die
Versorgung mit Ökostrom und den Fuhrpark der Bundesbehörden als auch die Gebäude des Bundes,
die mit erneuerbaren Heiz- und Kühlsystemen ausgestattet und umfassend energetisch
modernisiert werden. Mit der Einführung eines Solarstandards über Neubauten hinaus werden
die Dächer der Bundesbehörden zu Kraftwerken. Bei Dienstreisen sind Flugreisen auf ein
Minimum zu begrenzen. Zudem sorgen wir dafür, dass der Bund seine Beschaffung und seine
Förderkriterien an der Einhaltung von ökologischen, Menschenrechts- und sozialen Standards
orientiert. Bei der Ausschreibung und Förderung von öffentlichen Vorhaben wollen wir bei der
Wirtschaftlichkeitsberechnung einen CO2-Schattenpreis zugrunde legen. So geht die Politik
mit gutem Beispiel voran.
Der lernende Staat
Corona- und Klimakrise führen uns vor Augen, mit welch großen Herausforderungen Regierung
und Verwaltung heute umgehen müssen. Wir wollen, dass die öffentliche Verwaltung in die Lage
versetzt wird, vorausschauend zu handeln und sich zugleich zügig und konsequent an ihre
jeweiligen Aufgaben anpassen zu können. Dafür braucht es eine Kultur behördlicher
Zusammenarbeit sowie der Ermöglichung innovativer Ansätze. Innovationseinheiten und agile
Projektteams in den Behörden sollen diesen Kulturwandel befördern und zugleich für
Zusammenarbeit über alle Ebenen hinweg sorgen. Flexible Arbeitszeiten und eine positive
Fehlerkultur stärken die Akzeptanz neuer Verhaltensmuster. Die Behörden sollen eng und
transparent mit Wissenschaften, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammenarbeiten, sich
untereinander vernetzen sowie neue Ideen testen. Künstler*innen und andere Kreative sollen
als Ideen- und Impulsgeber*innen in Transformationsprozesse einbezogen werden. Mitarbeitende
und Beamt*innen der öffentlichen Verwaltung sollen außerdem in ihrer Expertise und
Kreativität, etwa durch Fortbildungen, gefördert und gestärkt werden. Wir setzen uns zudem
für mehr Kooperation der Ministerien bei der Verfolgung gemeinsamer Ziele ein.
Justiz entlasten und digitalisieren
Gerichte und Strafverfolgungsbehörden haben mit einer hohen Arbeitsbelastung zu kämpfen.
Verfahren dauern zu lang. Hier braucht es dringend Entlastung durch mehr Personal, durch
außergerichtliche Streitbeilegung, durch die Entkriminalisierung von Bagatelldelikten und
durch eine flächendeckende Ausstattung der Justiz mit der nötigen Technik. Wir wollen
grundsätzlich die Justiz serviceorientierter gestalten und hierzu neue Wege suchen. Die
Digitalisierung der Justiz wie auch ihren Personalbedarf werden wir durch einen Bund-Länder-
Digitalpakt Justiz in Fortsetzung und Konkretisierung des Ende 2021 auslaufenden Pakts für
den Rechtsstaat mit ausreichender Finanzierung umsetzen. Polizei und Staatsanwaltschaft
müssen digital zusammenarbeiten können, wozu es einheitliche Programme und zureichende
Bandbreiten braucht. Wir fördern und vereinfachen die elektronische Kommunikation zwischen
Bürger*innen und Justiz. Dazu gehört der leichte Zugang zum Recht durch schnelle Online-
Verfahren für einfache Rechtssachen und zu stärkenden konsensualen Verfahren der
Streitbeilegung. Wir wollen das externe ministerielle Einzelfallweisungsrecht gegenüber der
Staatsanwaltschaft beschränken und transparent machen und den Ländern ermöglichen, Modelle
der gerichtlichen Selbstverwaltung zu erproben.
Den öffentlichen Dienst stärken und modernisieren
Der öffentliche Dienst, die Millionen Menschen, die in Verwaltungen, Ministerien und
Behörden arbeiten, sind ein Rückgrat unserer Demokratie und das Fundament unseres
Gemeinwesens. Doch in den letzten Jahrzehnten wurde zu oft am öffentlichen Dienst gespart
und gekürzt – die Konsequenzen spüren wir heute alle. Damit unser Staat mit den großen
Herausforderungen Schritt halten kann, müssen die Mitarbeiter*innen unseres Gemeinwesens
dazu in die Lage versetzt werden. Wir wollen deshalb den öffentlichen Dienst wieder stärken
und ihn zugleich modernisieren. Mehr Stellen, gerade im IT- und Planungsbereich, gute
Bezahlung, flexible Laufbahnen, mehr Durchlässigkeit machen den öffentlichen Dienst fit für
das 21. Jahrhundert. Dazu starten wir eine große Fortbildungsoffensive für die öffentliche
Verwaltung und werden die Digitalisierung zum Schwerpunkt einer jeden Verwaltungsausbildung
machen.
Vielfalt in der Verwaltung
Die Vielfalt der Gesellschaft muss sich auch in ihrer Verwaltung widerspiegeln. Das stärkt
die staatlichen Institutionen und trägt zu Vertrauen und Bürger*innennähe bei. Eine diverse
und diskriminierungskritische Verwaltung entsteht aber nicht von selbst, sondern benötigt
Mittel, Strukturen und gezielte Förderung. Im Bereich des öffentlichen Dienstes und der
Unternehmen mit Bundesbeteiligung hat der Staat die Möglichkeit, als gutes Beispiel in
Sachen Vielfalt voranzugehen und ein Diversity-Mainstreaming in der gesamten Verwaltung
einzuführen. Dazu gehört beispielsweise, Mehrsprachigkeit in der Verwaltung zu fördern und
bei der Einstellungs- und Beförderungspraxis nicht nur die Gleichstellung der Geschlechter,
sondern auch die gesellschaftliche Vielfalt zu beachten, diskriminierungskritische
Organisationsentwicklungen in öffentlichen Behörden und Unternehmen durchzuführen und in den
Unternehmensleitbildern das Ziel der Gleichberechtigung und der Repräsentanz diskriminierter
Gruppen zu verankern sowie diversitätssensible Weiterbildungen anzubieten. Ganz besonders
gilt dies für die im Bewerbungsprozess besonders relevanten Einheiten wie die
Personalabteilung oder Einstellungskommissionen, die so weit wie möglich geschlechtergerecht
und vielfältig zu besetzen sind. Wir werden verbindliche Zielvorgaben zur Erhöhung des
Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund auf allen Ebenen einführen. Das Diversity
Budgeting, also den Einsatz und die Evaluierung von Haushaltsmitteln in einer Vielfalt
besonders fördernden Weise, wollen wir voranbringen.
Wir treten ein für Vielfalt, Anerkennung und gleiche Rechte
Einheit in Vielfalt
Wir alle sind unterschiedlich, aber an Rechten und Würde gleich. Zusammenhalt in Vielfalt
setzt voraus, respektiert, anerkannt und gehört zu werden, mitgestalten und teilhaben zu
können, ohne Angst frei zu leben und sich als Gleichberechtigte zu begegnen, das Gemeinsame
neben den Unterschieden zu sehen. Deshalb werden wir das Leitbild „Einheit in Vielfalt“ zur
Gestaltung einer rassismuskritischen und chancengerechten Einwanderungsgesellschaft
gesetzlich verankern. Damit die Perspektive und Expertise derjenigen, die von
Diskriminierung und struktureller Benachteiligung betroffen sind, gehört werden, sie als
Gleichberechtigte die Möglichkeit zur vollen Teilhabe erhalten, wollen wir einen
Partizipationsrat, ähnlich dem Deutschen Ethikrat, als ein gesetzlich verankertes und
unabhängiges Gremium einführen, mit Vertreter*innen aus der (post-)migrantischen
Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Forschung, die die unterschiedlichen Dimensionen von
Vielfalt abbilden. Um Diskriminierung systematisch abzubauen und den gesellschaftlichen
Zusammenhalt zu fördern, wollen wir die Themen und Zuständigkeiten, die Gleichberechtigung
und Teilhabe an der offenen und vielfältigen Gesellschaft betreffen, bei einem Ministerium
bündeln. Dazu werden wir die Aufgaben zur Einwanderungsgesellschaft aus dem Innenministerium
herauslösen. Für mehr Repräsentanz und Teilhabe werden wir ein Bundespartizipations- und
Teilhabegesetz vorlegen und das Bundesgremienbesetzungsgesetz reformieren. Staatliches
Handeln soll auf unsere vielfältige Gesellschaft ausgerichtet sein und Gleichberechtigung
sicherstellen. Wer hier dauerhaft seinen Lebensmittelpunkt hat, muss die Möglichkeit haben,
an Wahlen, Abstimmungen und allen anderen demokratischen Prozessen gleichberechtigt
teilzunehmen, in einem ersten Schritt wollen wir das kommunale Wahlrecht für
Drittstaatsangehörige einführen.
Konsequent gegen Rassismus
Rassismus ist Realität im Alltag, auf der Straße, im Netz, in Institutionen. Er betrifft
nicht alle von uns gleichermaßen, aber er geht uns alle gleichermaßen an. Der Kampf gegen
Rassismus und seine unterschiedlichen Formen, wie zum Beispiel anti-Schwarzer und anti-
asiatischer Rassismus, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe mit dem Ziel der Stärkung
der individuellen Rechte aller Menschen. Rassismus und alle Formen von Diskriminierungen
stellen nicht nur eine große Gefahr für die betroffenen Menschen dar, sondern bedrohen auch
das gleichberechtigte und friedliche Zusammenleben sowie die Sicherheit in Deutschland. Wir
wollen den Schutz vor und die Beseitigung von Diskriminierungen, strukturellem und
institutionellem Rassismus mit einem staatlichen Gewährleistungsanspruch in der Verfassung
verankern, ergänzend zur überfälligen Ersetzung des Begriffs „Rasse“. Die
Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) soll zur obersten Bundesbehörde aufgewertet
werden – mit mehr Personal, Budget und Kompetenzen. Ihre Leitung soll als
Antidiskriminierungsbeauftragte*r vom Deutschen Bundestag gewählt werden. Das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz wollen wir zu einem echten Bundesantidiskriminierungsgesetz
weiterentwickeln, das Schutzlücken endlich schließt, Klagen gegen Diskriminierung für
Betroffene vereinfacht und ein umfassendes Verbandsklagerecht einschließt, damit gegen
Diskriminierung strukturell und nachhaltig vorgegangen werden kann. Das Netz
zivilgesellschaftlicher Beratungsstellen soll flächendeckend ausgebaut und so finanziert
werden, dass diese planungssicher und kontinuierlich ihrer Aufgabe nachkommen können. In den
staatlichen Institutionen sollen Anlauf- und Beschwerdestellen geschaffen werden. Das
Empowerment von Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind, wollen wir fördern. Die
Black-Lives-Matter-Proteste haben deutlich gemacht, dass Rassismus gegen Schwarze Menschen
auch in Deutschland umfassend bekämpft werden muss. Deshalb wollen wir die UN-Dekade für
Menschen afrikanischer Herkunft vorantreiben. Straftaten gegen Schwarze Menschen sollen in
Verfassungsschutzberichten explizit ausgewiesen werden. Außerdem setzen wir uns dafür ein,
dass anti-asiatischer Rassismus im Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus benannt wird. Wir
werden die unabhängige Forschung zu Postkolonialismus, Diskriminierung und Rassismus
ausbauen, regelmäßig Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten erheben und
wissenschaftliche Studien in Bezug auf staatliche Institutionen und Wirksamkeit von
Antidiskriminierungsmaßnahmen durchführen. Antirassismus, Antidiskriminierung und
Postkolonialismus wollen wir in der Lehrer*innenausbildung und in den Lehrplänen verankern.
Stärkung und Sicherheit für Jüdinnen und Juden in Deutschland
Jüdisches Leben in seiner Vielfalt in Deutschland werden wir konsequent fördern und sichtbar
machen. Wir unterstützen Projekte und Initiativen, die sowohl jüdisch-säkulares als auch
jüdisch-religiöses Leben, jüdische Kultur und jüdische Bildung stärken. Wir wollen
politische und kulturelle Bildungsangebote für alle Bürger*innen zugänglich machen, um
Wissen über das jüdische Leben allgemein sowie Kontakte und Erfahrungen mit jüdischen
Menschen und Einrichtungen in Deutschland zu vermitteln. Jüdische Menschen in Deutschland
müssen sich sicher fühlen können. Ihre Sicherheit und der Schutz jüdischer Einrichtungen und
Gemeinden muss umfassend sein. Antisemitische Anschläge in der Gegenwart, allen voran der
Anschlag von Halle im Jahr 2019, erinnern uns daran, wie stark weiterhin Judenfeindlichkeit
und Judenhass sowie Unwissenheit über die Realität jüdischen Lebens in Deutschland
verbreitet sind. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, Antisemitismus, antisemitischen
Hassreden – auch im Alltag und egal aus welchen Motiven – mit aller Entschlossenheit
entgegenzutreten. Dafür braucht es bessere Analysekapazitäten und eine entschlossene Ahndung
und Dokumentation antisemitischer Vorfälle. Antisemitische Narrative, israelbezogener
Antisemitismus und verschwörungsideologische Erzählungen – auch im Zusammenhang mit
Demonstrationen von Pandemieleugner*innen – müssen an
unterschiedlichsten Orten präventiv adressiert werden, auch und gerade im digitalen Raum.
Dafür bedarf es konkreter Sensibilisierungs- und Präventionsprojekte in Vereinen und
zivilgesellschaftlichen Organisationen, für die wir eine Regelfinanzierung wollen. Die
Prävention von und Auseinandersetzung mit Antisemitismus soll auch abseits des
Geschichtsunterrichts als Leitperspektive in den Lehrplänen verankert werden. Fortbildungen,
allen voran der Mitarbeiter*innen von Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden sowie der
Gerichte, wollen wir gezielt ausbauen. Es braucht Leitlinien für einen effektiven Schutz
jüdischer Einrichtungen, bei deren Entwicklung die jüdischen Gemeinden einbezogen werden
müssen. Wir wollen die soziale Absicherung der älteren jüdischen Generation in Deutschland
stärken, meist Holocaustüberlebende und ihre Nachkommen, viele aus der ehemaligen
Sowjetunion. Sie müssen bei der Rente mit den eingewanderten (Spät-)Aussiedler*innen aus den
Staaten der ehemaligen Sowjetunion gleichgestellt werden.
Muslim*innen schützen und stärken
Muslimisches Leben in seiner ganzen Vielfalt gehört in Deutschland zu unserer
gesellschaftlichen Realität. Gleichzeitig sind Muslim*innen besonders von struktureller
Diskriminierung sowie von gewalttätigen Übergriffen betroffen. Die fortdauernden Bedrohungen
muslimischer Einrichtungen zeigen, wie dringend nötig Präventionsprogramme sowie umfassende
Schutzkonzepte für als muslimisch gelesene Personen und Räume sind. Opfer müssen geschützt,
beraten und gestärkt, die Ursachen verstärkt in den Blick genommen werden. Der Staat darf
keine Religion diskriminieren oder ungerechtfertigt bevorzugen. Die heterogene und von
Muslim*innen als Stärke wahrgenommene Struktur des Islams, die weder eine religiös noch
strukturell verankerte Hierarchie kennt, darf ihnen von Seiten des Gesetzgebers deshalb
nicht zum Nachteil gereichen. Tatsächliche Gleichstellung setzt rechtliche Gleichstellung
voraus. Wir unterstützen daher Staatsverträge mit islamischen Religionsgemeinschaften, die
in keiner strukturellen Abhängigkeit zu einem Staat, einer Partei oder politischen Bewegung
und dessen oder deren jeweiliger Regierungspolitik stehen und sich religiös selbst
bestimmen. Wir wollen auch progressive, liberale muslimische Vertretungen einbinden, die für
Werte wie Gleichberechtigung der Geschlechter, LSBTIQ*-Rechte und Feminismus einstehen und
einen lebendigen Glauben innerhalb des islamischen Religionsspektrums praktizieren. Auch
zeigen wir uns solidarisch mit Kritiker*innen von fundamentalistisch-politischen Kräften,
wenn sie massiv bedroht werden. Für die eigenständige und selbstbewusste Religionsausübung
von Muslim*innen ist eine Imam*innen-Ausbildung in Deutschland dringend notwendig. Dafür
wollen wir islamisch-theologische und praxisorientierte Aus- und Weiterbildungsprogramme für
Imam*innen und islamische Religionsbedienstete in Kooperation mit den Instituten für
islamische Theologie bundesweit etablieren und unterstützen. Langfristig geht es darum, den
Bedarf der muslimischen Gemeinden an religiösem Personal durch in Deutschland ausgebildete
Personen zu decken.
Antiziganismus entschlossen bekämpfen
Immer noch werden Menschen mit Romani-Hintergrund in Europa und Deutschland aufgrund eines
tiefsitzenden Rassismus diskriminiert, der bis in die Mitte der Gesellschaft reicht. Immer
noch werden Angehörige der größten Minderheit in der Europäischen Union beim Zugang zu
Bildung, Gesundheit, Wohnen und Arbeit benachteiligt. Wir wollen deshalb die neue EU-Roma-
Rahmenstrategie (Post-2020) umsetzen und die ambitionierten Inklusionsziele der EU
erreichen. Dafür braucht es eine mit ausreichend finanziellen Mitteln und Befugnissen
ausgestattete „Nationale Koordinierungsstelle“, die die Umsetzung und das Monitoring der
deutschen Strategie in Abstimmung mit den Bundesländern, Verwaltungen und
Selbstorganisationen übernimmt. Minderheitenrechte wie der Erhalt von Sprache, der
Geschichte und Kulturen von Sinti*zze und Rom*nja müssen gewährleistet werden. Wir wollen
eine unabhängige, zivilgesellschaftliche Monitoring- und Informationsstelle zur
Dokumentation und Aufarbeitung rassistischer Vorfälle und zur Unterstützung der Betroffenen
einrichten sowie die Empfehlungen der unabhängigen Expertenkommission Antiziganismus prüfen
und umsetzen. Wir werden die Einrichtung eines Studierendenwerks für Sinti*zze und Rom*nja
vorantreiben und setzen uns für ein Museum der Geschichte und Kulturen der Sinti*zze und
Rom*nja in Deutschland ein. Noch immer werden Rom*nja aus Deutschland abgeschoben, selbst
wenn sie seit Jahrzehnten hier leben und in ihren Herkunftsländern Diskriminierung erleiden.
Deshalb soll die Situation von Rom*nja in ihren Herkunftsländern in Asylverfahren und bei
der Prüfung asylunabhängiger Bleiberechte stärkere Berücksichtigung finden.
Für eine inklusive und barrierefreie Gesellschaft
Wir treten für eine inklusive Gesellschaft gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention ein, in
der Menschen mit Behinderung ihre Fähigkeiten und Talente selbst einbringen können. Stufen,
zu enge Türen oder schwer lesbare Webseiten – in unserem Alltag gibt es viele
unterschiedliche Dinge, die für Menschen mit Behinderung, aber auch für ältere Menschen,
Eltern mit Kinderwagen oder Verletzte mit Gipsbein eine Barriere darstellen. Es ist mühsam,
manchmal unmöglich, Angebote zu nutzen, die für andere selbstverständlich sind. Wir wollen
Barrierefreiheit schaffen, damit Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen, auch
psychischen Erkrankungen, gleichberechtigt am öffentlichen Leben teilhaben und
selbstbestimmt, gemeinsam mit nichtbehinderten Menschen leben, lernen und arbeiten können.
Das wollen wir mit einem „Barrierefreiheits-Gesetz“ erreichen, das private wie öffentliche
Anbieter*innen öffentlich zugänglicher Angebote und Dienstleistungen zu umfassender
Barrierefreiheit und den Bund innerhalb von zehn Jahren zur Herstellung der Barrierefreiheit
seiner Gebäude verpflichtet. Kleine Unternehmen werden durch eine Überforderungsklausel
geschützt, aber zu angemessenen Vorkehrungen verpflichtet. Durch eine Erhöhung der
Bundesförderung soll der Anteil barrierefreier Wohnungen deutlich erhöht werden. Um
selbstbestimmte Mobilität und selbstbestimmtes Wohnen zu ermöglichen, wollen wir außerdem
die Städtebauförderung für inklusive Stadtquartiere stärken und die soziale
Wohnraumförderung an Barrierefreiheit binden. Im ÖPNV, den alle Menschen mit
Schwerbehinderung kostenfrei nutzen sollen können, in öffentlichen Einrichtungen,
Ladengeschäften, Gewerbe- und Bürogebäuden soll Barrierefreiheit zum Standard werden. Die
Verbrechen der deutschen Geschichte gegenüber Menschen mit Behinderung wollen wir weiter
aufarbeiten und die Opfer angemessen entschädigen.
Verhältnis Staat und Kirchen weiterentwickeln
Die christlichen Kirchen und Gemeinden sind wichtige Akteur*innen der Zivilgesellschaft. Sie
verleihen unserer Gesellschaft vielfältige Impulse und leisten einen Beitrag für den
gesellschaftlichen Zusammenhalt. Für die Arbeit mit Pflegebedürftigen, Menschen mit
Behinderungen und Kindern sind auch die kirchlichen Träger von großer Bedeutung. Ihre
tatkräftige Unterstützung, wenn es um Seenotrettung und die Integration von Geflüchteten
geht, ist ein wichtiger gesellschaftlicher Beitrag. Das Grundrecht auf Religions-,
Gewissens- und Weltanschauungsfreiheit wollen wir, auch weltweit, weiter stärken und
religiös oder weltanschaulich Verfolgte schützen. Wir wahren das Selbstbestimmungsrecht der
Religionsgemeinschaften, suchen die Kooperation und den Dialog mit allen Religions- und
Weltanschauungsgemeinschaften, die das Grundgesetz achten, und stehen dabei stets zum
säkularen Staat und seinem Neutralitätsprinzip. Auch Konfessionsfreie haben einen Anspruch
auf umfassende Berücksichtigung ihrer Belange und auf gleichberechtigte Teilhabe. Die
gewachsene Beziehung zwischen Staat und den christlichen Kirchen wollen wir erhalten und wo
nötig der gesellschaftlichen Realität anpassen. So wollen wir, dass beispielsweise das
kirchliche Arbeitsrecht reformiert und die gewerkschaftliche Mitbestimmung gefördert wird
sowie die Ausnahmeklauseln für die Kirchen im Betriebsverfassungsgesetz und im Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetz aufgehoben werden. Der religiöse Verkündigungsbereich bleibt hiervon
unberührt. Die vielen Gläubigen, die sich für eine notwendige Modernisierung der
christlichen Kirchen einsetzen und auf eine lückenlose Aufklärung der Fälle sexualisierter
Gewalt dringen, unterstützen wir. Die Vollendung des Verfassungsauftrags zur Ablösung der
Staatsleistungen werden wir umsetzen. Den § 166 des Strafgesetzbuchs („Beschimpfung von
Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen“) wollen wir
streichen sowie uns für eine unabhängige wissenschaftliche Einrichtung zur Erforschung der
religiösen und
weltanschaulichen Landschaft einsetzen.
Wir erneuern das demokratische Fundament
Für eine transparentere Politik
Demokratie lebt vom Vertrauen der Bürger*innen, jeder Anschein käuflicher Politik richtet
Schaden an. Wir wollen das Vertrauen in demokratische Institutionen und Mandatsträger*innen
stärken und das Primat der Politik gegenüber intransparenter Einflussnahme schützen. Wir
sind überzeugt: Transparente und nachvollziehbare Politik stärkt das Gemeinwohl. Deshalb
wollen wir Lobbyismus transparenter und den Einfluss organisierter Interessensgruppen und
von Lobbyist*innen sichtbar machen. Das Lobbyregister wollen wir für Bundesregierung,
Bundesministerien und Bundestag nachschärfen und die vielen Ausnahmen für maßgebliche
Akteur*innen abschaffen. Mit dem legislativen Fußabdruck schaffen wir Klarheit, wer bei der
Entstehung von Gesetzen Einfluss nimmt. Interessenskonflikte wollen wir stärker in den Blick
nehmen und den Wechsel aus Regierungsämtern in die Wirtschaft während einer Karenzzeit von
zwei Jahren prüfen lassen. Für Abgeordnete ist das freie Mandat der Mittelpunkt ihrer
Tätigkeit. In Zukunft werden Einkünfte aus Nebentätigkeiten auf Euro und Cent
veröffentlicht, für Unternehmensbeteiligungen und Aktienoptionen gibt es striktere Regeln
und Spenden an Abgeordnete und die Lobbytätigkeit für Abgeordnete werden verboten. Die
Anwendung dieser Maßnahmen soll evaluiert werden. Für Nebenverdienste von Abgeordneten
wollen wir zudem eine verpflichtende Angabe der Branche. Unabhängige Kontrolle stärkt die
Transparenz und Integrität. Zur wirkungsvollen Bekämpfung von Korruptionsfällen braucht es
eine Neufassung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung und eine Überarbeitung der
Beweisanforderungen. Spenden an Parteien müssen transparenter gemacht werden. Deshalb wollen
wir striktere Veröffentlichungsregeln. Parteispenden sollen auf natürliche Personen
beschränkt und auf einen jährlichen Höchstbetrag von 100.000 Euro je Spender*in gedeckelt
werden. Schon ab 5.000 Euro sollen Spenden im Rechenschaftsbericht genannt werden, ab 25.000
Euro soll die Pflicht zur sofortigen Veröffentlichung greifen. Solange es keine gesetzliche
Regelung gibt, wenden wir die über das Parteiengesetz hinausgehenden Regelungen unseres
Spendenkodex an. Für das Parteiensponsoring wollen wir endlich eine gesetzliche Regelung und
eine Veröffentlichung ab dem ersten Euro und eine jährliche Höchstgrenze je Sponsor*in
einführen. Das Parteiengesetz und die unabhängige Kontrolle werden wir stärken, damit
verdeckte Wahlkampffinanzierung besser bekämpft werden kann. Politische Werbung und
Kampagnen im Netz müssen transparenter werden – solange es keine verpflichtenden
Regulierungen gibt, gehen wir mit unserer Selbstverpflichtung voran.
Parlament stärken, Wahlrecht reformieren
Der Bundestag ist der zentrale Ort für öffentliche Debatten, Rede und Gegenrede und
Entscheidungen unserer Demokratie. Für gute Gesetzgebung braucht es ausreichende Beratung
und eine Stärkung der Kontrollrechte des Parlaments. Wir wollen die Rolle des Bundestages
bei der Gesetzgebung ausbauen. Seine Arbeitsfähigkeit ist zu garantieren und zu stärken.
Deshalb setzen wir uns für eine Wahlrechtsreform ein, die das Parlament deutlich
verkleinert, unter anderem durch die Reduzierung von Wahlkreisen, die außerdem fair und
verfassungsgemäß ist, und bei der jede Stimme gleich viel wert ist. Im Rahmen dieser Reform
sollten unter anderem die Verlängerung der Legislaturperiode und die Amtszeitbegrenzung für
das Amt der Bundeskanzlerin oder des Bundeskanzlers geprüft werden. Die Sitzungen der
Fachausschüsse sollen in der Regel öffentlich stattfinden und gestreamt werden. Die
Abgeordneten sollen in ihren Kontrollrechten gegenüber der Regierung mit einem
Akteneinsichtsrecht gestärkt werden. Komplexe Gesetzgebungsverfahren wollen wir
verständlicher machen, indem
Textgegenüberstellungen der Gesetzesänderungen öffentlich gemacht werden.
Macht fair teilen, auch in den Parlamenten
Es ist höchste Zeit für eine faire Verteilung von Macht. Unsere repräsentative Demokratie
muss diverser werden, unsere Parlamente brauchen die Vielfalt der Herkunft und Lebenswege,
die Debatten brauchen die Perspektiven, die daraus entstehen. Wir werden Hürden abbauen
damit auch queere Menschen, Nicht-Akademiker*innen, Menschen mit Behinderung und Menschen
mit Migrationsgeschichte gleichberechtigt und selbstverständlich vertreten sind. Macht fair
teilen heißt auch, dass es dringend mehr Frauen in den Parlamenten und Kommunalvertretungen
braucht, denn sie stellen 51 Prozent der Wahlberechtigten.
Gleichberechtigung von Frauen ist ein historischer und verfassungsrechtlicher Auftrag für
uns alle und soll sich bereits bei den Nominierungsverfahren niederschlagen. Dass Parität
per Gesetz wirksam und angemessen ist, zeigen Beispiele aus dem europäischen Ausland. Dass
verfassungsrechtlich hohe Hürden bestehen, haben Urteile von Verfassungsgerichten aus zwei
Bundesländern aufgezeigt. Diese Hürden gilt es abzubauen, um rechtlich gute Lösungen zu
finden. Wir setzen uns daher auch im Bund für ein Paritätsgesetz ein und werden
entsprechende Gesetzesänderungen auf den Weg bringen. Um Frauen das politische Engagement zu
erleichtern, braucht es auch Maßnahmen und Angebote, die Frauen den Einstieg in und die
Gestaltung von Politik erleichtern.
Jugendwahlrecht
Demokratie lebt von der Gestaltung und dem Engagement aller Bürger*innen, vom Kindes- bis
ins hohe Alter. Viele politische Entscheidungen von heute sind entscheidend für die Zukunft
junger Menschen, und viele junge Menschen übernehmen früh Verantwortung für die
Gesellschaft. Wenn Jugendliche in ihrem Lebensalltag demokratische Erfahrungen machen und
ihre Rechte wahrnehmen können, stärkt das die Demokratie und macht sie zukunftssicherer. Um
möglichst breite Bündnisse für eine verfassungsändernde Wahlalterabsenkung schmieden zu
können, wollen wir das Wahlalter für Bundestags- und Europawahlen in der kommenden
Legislaturperiode auf 16 Jahre absenken. Auf Basis einer Evaluation des Wahlalters 16 wollen
wir das Wahlalter ggf. weiter absenken.
Bürger*innenräte für mehr Beteiligung
Direkte Beteiligungsmöglichkeiten bereichern die Demokratie und stärken die Repräsentanz.
Mit Bürger*innenräten schaffen wir die Möglichkeit, bei ausgewählten Themen die
Alltagserfahrung von Bürger*innen in die Gesetzgebung einfließen zu lassen. Wir sorgen in
einem ersten Schritt dafür, dass es eine gesetzliche Grundlage für Bürger*innenräte gibt und
sich das Parlament mit den Ergebnissen beschäftigen muss. In der kommenden Wahlperiode
wollen wir weitere Optionen für eine stärkere Institutionalisierung von Bürger*innenräten
prüfen, unter anderem direktdemokratische Verfahren zu einzelnen Beratungsergebnissen. Auf
Initiative der Regierung, des Parlaments oder eines Bürger*innenbegehrens beraten zufällig
ausgewählte Menschen, die in Deutschland leben und mindestens 16 Jahre alt sein müssen, in
einem festgelegten Zeitraum über eine konkrete Fragestellung. Sie erarbeiten
Handlungsempfehlungen und geben Impulse für die öffentliche Auseinandersetzung und die
parlamentarische Entscheidung. Eine freie, gleiche und faire Beratung muss sichergestellt
werden, unter anderem durch zivilgesellschaftliche und wissenschaftliche Beratung. Außerdem
werden wir ein digitales Portal, wie es zum Beispiel in Baden-Württemberg schon erfolgreich
angewendet wird, für die aktive Beteiligung an der Gesetzgebung einführen und das
Petitionsrecht zu einem leicht zugänglichen Instrument für bessere Mitwirkung am
demokratischen Prozess ausbauen. Wir wollen Beteiligung fördern und politische Bildung als
wichtige Querschnittsaufgabe auch auf kommunaler Ebene voranbringen.
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk für alle und eine vielfältige
Medienlandschaft
Kritischer und unabhängiger Journalismus ist eine Säule unserer Demokratie. Wir stehen zu
einem pluralistischen, kritischen und staatsfernen öffentlich-rechtlichen Rundfunk für alle,
genauso wie für Qualität und Vielfalt der privaten und Non-Profit-Medienlandschaft. Damit
der öffentlich-rechtliche Rundfunk stark und zukunftsfest aufgestellt ist, arbeiten wir für
eine funktionsgerechte Finanzierung, die einem definierten Programmauftrag folgt. Weil er
von allen finanziert wird, muss er auch alle erreichen. Aus seiner besonderen Stellung und
dem Anspruch, die Vielfalt der Lebenswelten, Meinungen und Interessen der Bevölkerung
abzubilden, ergibt sich auch sein Reformbedarf. Die Digitalisierung des öffentlich-
rechtlichen Rundfunks muss vorangetrieben und seine bisherigen Angebote müssen überprüft
werden. Hierfür wollen wir gemeinsam mit den Ländern eine Initiative auf den Weg bringen und
eine
gesellschaftliche Debatte anstoßen. Wir setzen uns für Rundfunkräte ein, die die Vielfalt
unserer heutigen Gesellschaft besser abbilden, durchsetzungsstärker sowie sender- und
staatsferner werden. Die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen sollen bei angemessener
Vergütung der Urheber*innen dauerhaft zugänglich und europäisch verzahnt werden. Lokale
Medien brauchen eine mit den Ländern abgestimmte, staatsfern organisierte Förderung.
Qualitätsjournalismus braucht deutlich bessere Rahmenbedingungen, etwa durch Verbesserungen
bei Quellenschutz und Auskunftsansprüchen oder die Öffnung der Künstlersozialkasse für
Journalist*innen samt Beitragspflicht für Medienplattformen. Gemeinnütziger Journalismus
braucht Rechtssicherheit.
Hasskriminalität im Netz bekämpfen
Digitale Plattformen und Anwendungen müssen den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Uns
geht es darum, Nutzerrechte und demokratischen Diskurs zu stärken und dabei die Balance
zwischen Persönlichkeitsschutz und Meinungsfreiheit zu wahren. Wir wollen Hasskriminalität
im Netz und das bewusste Verbreiten von Falschinformationen wirksamer bekämpfen. Dafür
wollen wir einen effektiven Gesetzesrahmen entwickeln. Betroffene müssen sich schnell und
effektiv gegen Angriffe im Netz wehren können. Das wollen wir durch die ambitionierte
Ausgestaltung und dann zügige Umsetzung des Digital Services Act der EU erreichen. Wir
treten für einen effektiven Umgang mit Nutzerbeschwerden, eine
Verbesserung der Strafverfolgung und der zivilrechtlichen Durchsetzung ein. Dafür brauchen
wir personell wie technisch bestmöglich aufgestellte Strafverfolgungsbehörden. Diese müssen,
gut geschult, auf Grundlage klarer Rechtsvorgaben arbeiten können. Plattformbetreiber*innen
müssen ihrer großen Verantwortung europaweit gerecht werden. Sie dürfen bestehende Rechte
nicht aushöhlen, sind für Inhalte haftbar und müssen beim Moderieren von Inhalten die
Grundrechte wahren. Bei Entscheidungen darüber, welche Inhalte auf digitalen Plattformen
keinen Platz haben dürfen, könnte der gezielte Einsatz von repräsentativen,
zivilgesellschaftlichen Plattformräten eine Möglichkeit sein. Große Anbieter*innen sollen
sich durch eine Abgabe an den unabhängigen Beratungsangeboten für Betroffene von Hass und
Hetze beteiligen. Dies wollen wir bündeln in einem Gesetz für digitalen Gewaltschutz, das
die Möglichkeit beinhaltet, gegen Accounts vorzugehen, wenn kein*e Täter*in festgestellt
wird. Jeder Mensch hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten. Für
Porno-Plattformen, die
nutzergenerierte Inhalte hosten, müssen besondere Sorgfaltspflichten gelten, um Menschen zu
schützen, deren Bildmaterial gegen ihren Willen dort gezeigt wird. Für den Umgang mit
Desinformation, aber auch für die Rechtskontrolle der Anbieter*innen insgesamt wollen wir
die Aufsicht national wie auch europäisch besser strukturieren, unter anderem mit einer
gemeinsamen Medienanstalt der Länder. Eine Verpflichtung zum Einsatz von Uploadfiltern
lehnen wir ab.
Software für die Allgemeinheit
Unser Alltag wird immer häufiger von Teilhabe an und Zugang zu Software geprägt. Freie und
offene Software bildet dabei die Grundlage unzähliger Anwendungen, seien es digitale
Lernplattformen, sichere Anwendungen für die Heimarbeit, Stärkung der IT-Sicherheit mit
guter Verschlüsselung oder sichere und einfache Abstimmungsmöglichkeiten in der Vereins- und
Parteiarbeit. Sie spielt in immer mehr gesellschaftlich relevanten Bereichen eine
entscheidende Rolle und ist Grundlage für unsere Anforderungen in Bezug auf Offenheit,
Teilhabe und Sicherheit. Doch oftmals fehlt es den Entwickler*innen an Unterstützung, diese
dauerhaft auf dem neuesten Stand der Technik zu halten und anwendungsfreundlich,
barrierefrei und inklusiv zu gestalten. Wir treten daher dafür ein, eine eigenständige
öffentliche Förderstiftung zu schaffen, die gesellschaftlich relevante, freie und offene
Software fördert, deren Ergebnisse Gesellschaft, Wissenschaft, Schulen, Wirtschaft und
Verwaltung zur
Verfügung stehen und barrierefrei zugänglich sind. Durchgehende Ende-zu-Ende-
Verschlüsselungen schützen Grundrechte, schaffen Vertrauen in digitale Anwendungen und
müssen zum Standard bei allen staatlichen IT-Vorhaben werden.
Demokratiefördergesetz für eine starke Zivilgesellschaft
Eine lebendige Zivilgesellschaft ist elementar für die politische Auseinandersetzung in
unserer Demokratie. Engagierte Menschen in Initiativen, Verbänden, Vereinen oder NGOs
stärken den Zusammenhalt, tragen dazu bei, wichtige Anliegen, wie beispielsweise den Kampf
gegen Rassismus, auf die öffentliche Tagesordnung zu setzen, und leisten ihren Beitrag zur
Willensbildung. Wir machen uns dafür stark, dass sie ihrer Arbeit in Zukunft gut
abgesichert, ohne Einschüchterung und Kriminalisierung nachgehen können. Mit einem
Demokratiefördergesetz wollen wir ihr Engagement und das demokratiebelebender Initiativen
und Organisationen nachhaltig, projektunabhängig und unbürokratisch finanziell absichern.
Die Arbeit der politischen Stiftungen wollen wir verbindlicher regeln. Wir wollen
sicherstellen, dass sie an den Werten des Grundgesetzes orientiert sind und – auch in ihrem
Verhältnis zu den Parteien – Transparenz herstellen. Dafür schaffen wir eine eigenständige
gesetzliche Grundlage.
Gemeinnützigkeit reformieren
Alle Bürger*innen sollen gleichberechtigt an der Willensbildung unserer Gesellschaft
teilhaben können. Die Gemeinnützigkeit ist dafür ein wichtiger Status, der an vielen Stellen
überhaupt erst Zugänge öffnet. Damit Initiativen und Verbände eigenständig bleiben, sorgen
wir deshalb für Klarheit und Rechtssicherheit im Gemeinnützigkeitsrecht. Ihre gemeinnützigen
Ziele sollen sie auch durch politische Meinungsäußerungen und Aktivitäten wie Studien und
Demonstrationen verwirklichen dürfen. Nicht nur die Förderung des demokratischen
Staatswesens, sondern auch die Förderung tragender Grundsätze sollte klar gemeinnützig sein.
Die Gemeinnützigkeit zusätzlicher Zwecke wie des Friedens, der Durchsetzung der nationalen
und internationalen Grund- und Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit, der Durchsetzung des
Sozialstaatsgebotes und allgemein der gleichberechtigten Teilhabe und der Bekämpfung von
Diskriminierung wollen wir anerkennen und stärken. Mit der Einführung einer
Demokratieklausel stellen wir sicher, dass sich Vereine aktiv an gesellschaftlichen Debatten
beteiligen können. Die Beweislastumkehr in § 51 Absatz 3 Abgabenordnung wollen wir
abschaffen. Für mehr Transparenz sorgen wir mit einem Gemeinnützigkeitsregister und einfach
handhabbaren Transparenzpflichten sowie mit Regeln zur Offenlegung der Spendenstruktur.
Engagement und Ehrenamt als Säule der Gesellschaft
Engagement und Ehrenamt stützen unsere Gesellschaft auf vielfältige Weise. Die Aufgabe des
Staates ist es, Engagement und Ehrenamt zu ermöglichen, zu fördern und zu stärken. Dazu
gehören zunehmend auch digitale Formen des Ehrenamtes, denn sie ermöglichen Vernetzung bei
weiten Entfernungen oder wenn dem physischen Engagement anderes im Wege steht. Dafür wollen
wir die bürokratischen Hürden für Engagement ab- und Bildungsangebote für Engagierte
ausbauen sowie die Förderpolitik neu aufstellen. Die Deutsche Stiftung für Engagement und
Ehrenamt wollen wir zu einer echten Förderstiftung weiterentwickeln, die lokal und dezentral
Organisationen unterstützt. Zusammen mit Ländern und Kommunen wollen wir eine
Engagementkarte einführen, um den Besuch von Schwimmbädern und Kultureinrichtungen oder die
Nutzung von ÖPNV zu vergünstigen. Die Übungsleiter- und Ehrenamtspauschale wollen wir
sukzessive angleichen.
Freiwilligendienste ausbauen und für alle ermöglichen
Freiwilligendienste stärken den Zusammenhalt und fördern die aktive Teilhabe an unserer
Gesellschaft. Jeder Mensch, der das möchte, soll garantiert einen Freiwilligendienst in
Deutschland oder Europa machen können. Wir wollen die Jugendfreiwilligendienste (wie das
Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Ökologische Jahr) und den
Bundesfreiwilligendienst auf 200.000 Plätze jährlich verdoppeln. Die Freiwilligendienste
sollen besser ausfinanziert werden, damit sich junge Menschen unabhängig vom Einkommen ihrer
Eltern engagieren können. Dafür wollen wir die Taschengeldsätze auf ein einheitliches Niveau
anheben und kostenlose ÖPNV-Tickets ermöglichen. Die Rahmenbedingungen sollen inklusiver
werden, damit jede*r, egal ob jung oder alt, ob zu Beginn, in einer Orientierungsphase oder
nach Beendigung des Berufslebens, einen passenden Freiwilligendienstplatz für sich findet.
Wir gestalten die vielfältige Einwanderungsgesellschaft
Einbürgerung erleichtern
Die Staatsangehörigkeit stellt ein dauerhaftes Band rechtlicher Gleichheit, Teilhabe und
Zugehörigkeit sicher. Wer in Deutschland geboren wird, soll die deutsche Staatsbürgerschaft
erhalten, wenn ein Elternteil rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat.
Die Staatsangehörigkeit darf, auch als Lehre aus dem nationalsozialistischen Unrecht, nicht
entzogen werden. Für Menschen, die hier jahrelang leben und Teil dieser Gesellschaft
geworden sind, sollen Einbürgerungen früher möglich werden. Nach fünf Jahren Aufenthalt in
Deutschland sollen alle einen Antrag auf Einbürgerung stellen können, auch für anerkannte
Geflüchtete gilt ein beschleunigtes und vereinfachtes Einbürgerungsverfahren. Den
Optionszwang im Staatsangehörigkeitsrecht wollen wir abschaffen und Mehrstaatigkeit
anerkennen. Die vorgenommenen Aushöhlungen des Staatsangehörigkeitsrechts wollen wir
zurücknehmen und die Einbürgerungsverfahren entbürokratisieren. Hindernisse bei der
Identitätsklärung, die nicht in der Hand der Einzubürgernden liegen, dürfen ihnen nicht
angelastet werden. Für binationale Familien und Paare, egal ob mit oder ohne Trauschein,
wollen wir die Einreise unbürokratisch und fair gestalten. Um sich in Deutschland ein Leben
aufzubauen, braucht es langfristige Perspektiven.
Ein modernes Einwanderungsgesetz für eine vielfältige
Einwanderungsgesellschaft
Deutschland ist ein Einwanderungsland, doch bis heute fehlen eine aktive
Einwanderungspolitik und ein Einwanderungsrecht, das Einwanderung tatsächlich fördert und
nicht komplizierter macht. Wir wollen ein modernes Einwanderungsgesetz beschließen, das neue
Zugangswege für Bildungs- und Arbeitsmigration schafft – auch für Menschen, die ihre Talente
und Fähigkeiten nicht durch formale oder anerkannte Bildungsabschlüsse nachweisen können –,
das transparente, unbürokratische und faire Verfahren bietet, das globale und regionale
Notwendigkeiten berücksichtigt . Dafür soll auf Basis des jährlichen Arbeitskräftebedarfs
eine punktebasierte Talentkarte eingeführt werden. Wir erleichtern die Bildungsmigration
über Stipendien und Ausbildungsvisa, genauso wie die Voraussetzungen für eine unbefristete
Aufenthaltserlaubnis und die Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen.
Außerdem beenden wir den automatischen Verlust der Aufenthaltserlaubnis nach einem
sechsmonatigen Aufenthalt im Ausland. Für Menschen, die sich ohne sicheren Aufenthaltstitel
in Deutschland befinden, jedoch in den Arbeitsmarkt integriert sind oder deren
Qualifizierung in den Arbeitskräftebedarf passt, soll es die Möglichkeit zum echten
Spurwechsel geben. Gut funktionierende Konzepte der Arbeitsmigration, wie die
Westbalkanregelung, bauen wir aus und verstetigen sie.
Integration gelingt nur mittendrin – Sprache, Zugang, Teilhabe von
Anfang an
Ankommen ist in einer vielfältigen Einwanderungsgesellschaft ein wechselseitiger Prozess mit
dem Ziel, gleiche Zugänge und Teilhabechancen in allen Bereichen des Lebens zu schaffen. Er
stellt sowohl Anforderungen an die, die zu uns kommen, als auch an alle, die schon länger
hier leben, und gelingt nur, wenn alle zusammenkommen und einen gemeinsamen Weg einschlagen.
Für das Zusammenleben sind die Werte des Grundgesetzes die Grundlage. Der Zugang zu und die
Teilnahme an Sprachkursen ist essentiell, deshalb treten wir dafür ein, dass alle neu
ankommenden Migrant*innen und Geflüchteten von Anfang an ein Recht auf einen kostenfreien
Zugang zu passgenauen, gut erreichbaren und bundesfinanzierten Sprach- und
Integrationskursen haben. Besonders wollen wir die Zugänglichkeit der Kurse für Frauen
sicherstellen und auch Angebote für Menschen mit Lernschwierigkeiten aufbauen. Denn derzeit
ist das für viele Personen, etwa Familiennachzügler oder EU-Bürger*innen, nur schwer und
kostenpflichtig möglich. Zudem wollen wir die nach 2015 ausgebauten Angebote an
weiterführenden Sprachkursen aufrechterhalten. Genauso wichtig für eine gelingende
Integration sind eine dezentrale Unterbringung und ein selbstbestimmtes Leben in eigenen
Wohnungen, ein breites Beratungsangebot gerade auch für Familien sowie der unterschiedslose
Zugang zu Gesundheits- und Sozialleistungen sowie zu Kitas, Bildungseinrichtungen,
Ausbildung und Arbeit, also die Teilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben. So
stärkt gezielte Unterstützung den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt. Wir wollen auf
europäischer Ebene einen kommunalen Integrationsfonds auflegen, um EU-weit das Ankommen in
den Kommunen direkt zu unterstützen. Damit sollen unter anderem Migrationsberatungsstellen
gestärkt und aufgebaut, Dolmetschleistungen im Gemeinwesen finanziert,
zivilgesellschaftliche Unterstützungsstrukturen gefördert und strukturelle Entlastungen der
Kommunen, die sich zur Aufnahme von Geflüchteten bereit erklären, in der EU gesichert
werden. Betriebe, die Geflüchteten eine Chance auf Ausbildung oder Beschäftigung geben,
brauchen entsprechende Unterstützung und Förderung. Für anerkannte Flüchtlinge wollen wir
die Hürden für die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union absenken.
Asylverfahren fair und transparent
Wir wollen, dass Asylverfahren in Deutschland rechtssicher, fair und transparent gestaltet
sind und eine Entscheidung in angemessener Zeit erfolgt. Dafür muss die Identifizierung
besonderer Schutzbedarfe vor der Anhörung erfolgen. Insbesondere die Berücksichtigung
erlittener geschlechtsspezifischer Verfolgung und die dazugehörige Beratung im Asylverfahren
sind zu gewährleisten. Wir wollen dafür sorgen, dass es zügig zu einer Entscheidung über den
Aufenthaltstitel kommt, damit Menschen früh verbindliche Gewissheit haben. Dazu gehören eine
ausreichende personelle Ausstattung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
sowie ein funktionierendes Qualitätsmanagement. Eine nichtstaatliche unabhängige
Asylverfahrensberatung für alle Asylsuchenden, von der Ankunft bis zum Abschluss des
Asylverfahrens, wollen wir sicherstellen und die auf mögliche 18 Monate verlängerte
Verweildauer von Geflüchteten in den Erstaufnahmeeinrichtungen rückgängig machen auf maximal
drei
Monate. AnkER-Zentren in ihrer jetzigen Form lehnen wir ab. Danach sollte das dezentrale
Wohnen immer Vorrang haben. Wir wollen das Recht von Kindern, unabhängig von der
Bleibeperspektive, auf Zugang zu Kitas, Schulen und anderen Bildungsangeboten garantieren.
Wir beenden die flächendeckenden und anlasslosen Widerrufsprüfungen durch das BAMF und
optimieren das Asylprozessrecht. Anträgen auf Familienzusammenführung im Rahmen der Dublin-
Verordnung ist schnell zuzustimmen. Wir wollen das Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen –
und damit eine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von
Geflüchteten, die ein echtes Ankommen und Teilhabe erschwert. Integrationsfeindliche
gesetzliche Regelungen wie Arbeitsverbot und pauschale Wohnsitzauflage sowie
Leistungskürzungen wollen wir abschaffen. Die in den vergangenen Jahren vorgenommenen
Aushöhlungen des Aufenthalts- und Asylrechts wollen wir zurücknehmen. Wir wollen
insbesondere den Schutz von Geflüchteten, die Menschenrechtsverletzungen erlebt haben oder
schwer erkrankt sind, garantieren. Die Ausrufung „sicherer“ Herkunfts- oder Drittstaaten
lehnen wir ab – auch auf europäischer Ebene. Flughafenverfahren sowie sofortige
Zurückweisung an den deutschen Binnengrenzen wollen wir abschaffen. Ein pandemiebedingter
Verlust von Arbeits-, Ausbildungs- oder Studienplätzen darf nicht zu aufenthaltsrechtlichen
Nachteilen führen.
Raus aus der Duldung
Mehr als 200.000 Menschen – darunter viele Kinder und Jugendliche – leben über viele Jahre
in einem Zustand der Perspektivlosigkeit und Rechtsunsicherheit in Deutschland, weil sie nur
geduldet sind. Das ist weder für die Betroffenen noch für das gesellschaftliche
Zusammenleben gut. Rechtliche Unsicherheit und fehlende Teilhabechancen erschweren es
massiv, anzukommen und in Deutschland ein Zuhause zu finden. Wir wollen die Anzahl der
Menschen, die sich von Duldung zu Duldung hangeln müssen, deshalb möglichst auf null
reduzieren. Für diese Menschen braucht es nach fünf Jahren Aufenthalt ein sicheres
Bleiberecht. Heranwachsende, Jugendliche und Familien mit minderjährigen Kindern sollen nach
drei Jahren einen Aufenthaltstitel bekommen. In Fällen, in denen Menschen trotz
nachgewiesener ernsthafter Bemühungen keinen Nationalpass erhalten können, wollen wir einen
Passersatzausweis ausstellen, wenn die Betroffenen in Deutschland geboren sind und ihre
Identität geklärt ist. Durch die Umwandlung der Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung in
Aufenthaltsrechte verschaffen wir den Menschen einen verlässlichen Zugang zu Ausbildung und
Arbeitsmarkt und sorgen für Planungssicherheit in den Betrieben. Opfer von Menschenhandel
sollen ein sicheres Bleiberecht bekommen. Menschen, die nach sorgfältiger Prüfung der asyl-
und aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen sowie nach Ausschöpfung aller
Rechtsschutzmöglichkeiten kein Aufenthaltsrecht erhalten und bei denen keine
Abschiebehindernisse entgegenstehen, müssen zügig wieder ausreisen. Wir wollen dies durch
umfassende und unabhängige Beratung und Unterstützung begleiten. Jede Abschiebung ist mit
großen menschlichen Härten verbunden. Abschiebungen, zum Beispiel über
Rückübernahmeabkommen, sind das letzte Mittel, wenn die Rückkehr verweigert wird,
freiwillige Ausreisen haben immer Vorrang. Haft ohne Verbrechen zur Durchsetzung der
Ausreise ist ein massiver Eingriff in das verfassungsrechtlich garantierte Freiheitsrecht.
Die Berücksichtigung des Trennungsgebots und die Gewährung von Rechtsbeistand ist daher
sicherzustellen. Abschiebungen in Kriegs- und Krisenländer werden wir beenden, den
Abschiebestopp nach Syrien und Afghanistan bundesweit wieder einsetzen. Wir treten dafür
ein, dass es keine Zusammenarbeit mit syrischen Behörden für Abschiebungen geben und die
Abschiebepartnerschaft mit Afghanistan beendet wird. Die Ausweisung sicherer Gebiete darf
keine Grundlage für Rückführungen in unsichere Länder begründen. In Länder, für die das
Auswärtige Amt aufgrund von Covid-19 eine Reisewarnung ausgesprochen hat, darf nicht
abgeschoben werden.
Wir rücken Feminismus, Queerpolitik und Geschlechtergerechtigkeit in
den Fokus
Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen
Feminismus nimmt alle in den Blick und schafft Selbstbestimmung, Teilhabe und Gerechtigkeit.
Ziel ist eine Gesellschaft, in der alle unabhängig vom Geschlecht selbstbestimmt leben und
auch Frauen überall gleichberechtigt mitgestalten können – von der Arbeitswelt bis in die
Parlamente. Das ist eine Aufgabe für alle Geschlechter. Dafür braucht es auch Männer, die
für eine Gesellschaft einstehen, in der Macht, Möglichkeiten und Verantwortung gerecht
geteilt werden und Sexismus entschieden bekämpft wird. Geschlechtergerechtigkeit ist eine
Querschnittsaufgabe, die wir intersektional denken. Mit einem Gender-Check wollen wir
prüfen, ob eine Maßnahme oder ein Gesetz die Gleichberechtigung der Geschlechter
voranbringt, und dort, wo es ihr entgegensteht, dementsprechend eingreifen. Die Vergabe
öffentlicher Aufträge soll auch Kriterien der Geschlechtergerechtigkeit berücksichtigen. Die
neu geschaffene Bundesstiftung Gleichstellung werden wir zu einer effektiven, verlässlich
finanzierten und unabhängigen Institution ausbauen, die gesichertes Wissen zu den
Lebenslagen aller Geschlechter bereitstellt und wirksame Maßnahmen für Gleichberechtigung
entwickelt, bündelt und für Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit zugänglich macht. Hierfür
leisten die Sozialwissenschaften und die Genderstudies einen unverzichtbaren Beitrag. Wir
brauchen eine verbindliche Gleichberechtigungsstrategie, die alle Lebens- und
Politikbereiche umfasst, ressortübergreifend arbeitet und die Erkenntnisse in umsetzbare
Ziele übersetzt. Es wird Zeit für eine feministische Regierung, in der Menschen aller
Geschlechter gleichermaßen für Geschlechtergerechtigkeit eintreten.
Geschlechtsspezifische Gewalt bekämpfen
Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt, die vor allem Frauen betrifft, ist eine
gesellschaftliche Gemeinschaftsaufgabe. Gewalt im häuslichen und persönlichen Nahbereich ist
ein strukturelles Problem, das sowohl in der medialen Darstellung als auch in der
Rechtsprechung oft verharmlost wird. Wir brauchen daher mehr Aufklärungsarbeit und
spezifische Gewaltpräventionsprogramme. Mit der Istanbul-Konvention haben wir ein Instrument
an der Hand, das die notwendigen Maßnahmen beschreibt. Dazu gehört auch eine Erweiterung der
Kriminalstatistik, damit das Ausmaß von in Deutschland verübten Femiziden und anderen
Straftaten, die aus Frauenhass begangen werden, differenziert erfasst wird und diese Taten
systematisch als Hasskriminalität eingestuft werden. Zur Verbesserung des Schutzes vor
geschlechterspezifischer Gewalt muss das Gewaltschutzgesetz evaluiert und novelliert werden.
Gewaltbetroffene Frauen, deren Aufenthaltsstatus von dem Aufenthaltsstatus ihres Ehemanns
oder Partners abhängt, sollen einen eigenständigen Aufenthaltstitel erhalten können. Polizei
und Justiz müssen im Umgang mit Betroffenen sexualisierter Gewalt umfassend geschult und
sensibilisiert sein. Verbale sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum wollen wir nicht
hinnehmen und werden auch geeignete Ordnungsmaßnahmen dagegen prüfen. Opfer von
Vergewaltigungen brauchen eine flächendeckende qualifizierte Notfallversorgung
einschließlich anonymer Spurensicherung und der Pille danach. Angebote für psychosoziale
Prozessbegleitung sollen gestärkt werden. Wir werden Monitoringstelle einrichten und die
getroffenen Maßnahmen regelmäßig auf ihre Wirksamkeit prüfen. Unser Ziel ist eine
Gesellschaft, in der alle Menschen ohne Angst verschieden sein können.
Frauenhäuser absichern
Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Es ist die Pflicht des Staates,
Frauen vor geschlechtsspezifischer Gewalt zu schützen. Frauenhäusern kommt hierbei eine
Schlüsselrolle zu. Deshalb müssen deutlich mehr Frauenhausplätze geschaffen werden, auch im
ländlichen Raum. Denn jede von Gewalt betroffene Frau, ob mit oder ohne Kinder, braucht eine
Anlaufstelle und Schutz – unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status, ihrer
Wohnsituation oder davon, ob sie eine Beeinträchtigung hat. Mit einem gesetzlichen
Rechtsanspruch auf Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt sichern wir über eine
Geldleistung des Bundes Betroffene unabhängig von ihrem Einkommen ab und verbessern den
Zugang zu Schutzeinrichtungen und deren Angeboten für alle Frauen. Länder und Kommunen
müssen weiterhin ihrerseits ihrer Finanzierungsverantwortung nachkommen. Für die
Aufenthaltszeit in einem Frauenhaus sollen Betroffene, die Sozialleistungen erhalten, nicht
schlechtergestellt werden. Wir brauchen Frauenhäuser, in denen Kinder, auch wenn sie älter
sind, mit aufgenommen werden können. Auch Männer, die Opfer von Partnerschaftsgewalt
geworden sind, brauchen Unterstützung und Zufluchtsräume. Dieses Angebot wollen wir
ausbauen. Zudem müssen intersektionale Schutzkonzepte und Zufluchtsräume, insbesondere auch
für queere, nichtbinäre Menschen, entwickelt und bereitgestellt werden. Wir fördern die
Barrierefreiheit von Frauenhäusern und Beratungseinrichtungen, damit auch für von Gewalt
betroffene Frauen mit Behinderungen Schutzmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Vor Zwang und Ausbeutung schützen, Selbstbestimmung ermöglichen
Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung ist ein abscheuliches Verbrechen, das wir
mit den Mitteln des Strafrechts, aber auch präventiv durch ein gemeinsames europäisches
Vorgehen, Information sowie Schutz und Hilfe für die Opfer konsequent bekämpfen werden. Dazu
wollen wir auch einen nationalen Aktionsplan gegen Menschenhandel auflegen. Opfer von
Menschenhandel einfach abzuschieben, ist falsch. Stattdessen würden ihre Anzeige- und
Aussagebereitschaft durch ein dauerhaftes Bleiberecht erhöht und die Strafverfolgung der
Täter*innen würde erleichtert. Zwangsverheiratungen sind Menschenrechtsverletzungen. Alle
Menschen, die davon bedroht sind, brauchen Hilfe und Schutz und gute Beratung durch
verlässlich finanzierte Beratungsstellen. Weibliche Genitalverstümmelung ist eine massive
Verletzung der körperlichen Integrität. Es ist entscheidend, dass wir den Betroffenen helfen
und sie schützen, auch durch internationale Aufklärungs- und Hilfekampagnen. Doch auch in
Deutschland brauchen wir eine Strategie dagegen. Zivilgesellschaftliche Organisationen, die
sich in diesem Bereich engagieren, wollen wir besser unterstützen, die Kontaktpersonen der
Mädchen sowie pädagogisches Personal und Jugendämter sollen geschult und sensibilisiert
werden. Menschen, die in der Prostitution arbeiten, brauchen Rechte und Schutz – auch vor
Stigmatisierung und Kriminalisierung. Das Prostituiertenschutzgesetz werden wir
dementsprechend evaluieren und überarbeiten mit dem Ziel, die Arbeitsbedingungen in der
legalen Prostitution zu verbessern. Damit sie ihrer Arbeit sicher nachgehen können, müssen
auch die Prostitutionsstätten strenger kontrolliert werden. Freiwillige, niedrigschwellige
und mehrsprachige Beratungsangebote werden wir ausbauen und finanziell unterstützen.
Menschen, die aus der Prostitution aussteigen wollen, unterstützen wir durch individuelle
Hilfen und Beratung bei der Umorientierung. Dies kann gelingen durch Weiterbildung,
finanzielle Unterstützung und Hilfe bei der Vermittlung in Erwerbsarbeit außerhalb der
Prostitution.
Selbstbestimmung durch Gesundheitsversorgung
Alle Menschen müssen selbst über ihren Körper und ihr Leben entscheiden können. Eine gute
Gesundheitsversorgung inklusive eines gesicherten Zugangs und umfassender Informationen zum
Schwangerschaftsabbruch ist dafür notwendig. Die Entscheidung, ob eine Frau eine
Schwangerschaft abbricht oder nicht, ist allein ihre. In dieser Zeit sind gute Beratungs-
und Versorgungsstrukturen notwendig. Wir streiten für eine ausreichende und wohnortnahe
Versorgung mit Ärzt*innen, Praxen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Das
Thema muss in die Ausbildung von Ärzt*innen nach international anerkannten Standards
integriert werden. Neben der professionellen medizinischen Versorgung sind gute
Beratungsangebote wichtig. Deshalb werden wir das breite Angebot an Familienplanungs- und
Beratungsstellen absichern und die freiwilligen Beratungsangebote ausbauen. Um die
Versorgung dauerhaft zu gewährleisten, braucht es eine Entstigmatisierung und
Entkriminalisierung von selbstbestimmten Abbrüchen sowie eine generelle Kostenübernahme. Das
ist nur möglich, wenn der selbstbestimmte Schwangerschaftsabbruch nicht mehr im
Strafgesetzbuch (§ 218 und § 219), sondern außerhalb geregelt wird. Schwangere, die eine
Beratung aufsuchen, sowie die Beratungsstellen und Ärzt*innen müssen mit einem
bundeseinheitlich verankerten Schutz vor Anfeindungen und Gehsteigbelästigungen geschützt
werden. Bei einer ungewollten Schwangerschaft muss der bestmögliche Zugang zu Informationen
gewährleistet werden. Um Ärzt*innen vor drohenden Anzeigen zu schützen, gilt es insbesondere
den § 219 a schnellstmöglich aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. In einem ersten Schritt
müssen die Kosten für ärztlich verordnete Mittel zur Empfängnisverhütung für Empfänger*innen
von staatlichen Transferleistungen und Geringverdiener*innen unbürokratisch übernommen
werden. Perspektivisch soll der kostenfreie und leichte Zugang zu Verhütungsmitteln für alle
gelten. Am einfachsten wäre es, diesen Zugang über die Krankenkassen zu regeln.
Queerfeindlichkeit bekämpfen
Lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, inter* und queere Menschen sollen selbstbestimmt und
diskriminierungsfrei ihr Leben leben können. Dafür und gegen gesetzliche Diskriminierungen
sowie Benachteiligungen und Anfeindungen im Alltag werden wir ein starkes Signal setzen und
den Schutz von Menschen aufgrund ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität durch die
Ergänzung des Artikels 3 Absatz 3 des Grundgesetzes sicherstellen. Wir werden gemeinsam mit
den Organisationen der Community einen bundesweiten ressortübergreifenden Aktionsplan
„Vielfalt leben!“ für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt vorlegen – mit
dem Ziel, LSBTIQ* gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu garantieren, um
die Akzeptanz von Vielfalt zu fördern. Dazu gehören auch Maßnahmen zur LSBTIQ*-inklusiven
Gesellschaftspolitik sowie die institutionelle Förderung und Projektförderung der LSBTIQ*-
Verbände, -Organisationen und -Stiftungen. Das diskriminierende Blutspendeverbot für
schwuleund bisexuelle Männer sowie transgeschlechtliche Personen wollen wir aufheben.
LSBTIQ* sind besonders oft von sexualisierter Gewalt betroffen. Gegen LSBTIQ* gerichtete
Hasskriminalität werden wir entschieden bekämpfen. Um queere Jugendliche insbesondere auch
im ländlichen Raum zu schützen und zu stärken, wollen wir mit einer bundesweiten
Aufklärungskampagne für junge Menschen über die Vielfalt sexueller Orientierungen und
geschlechtlicher Identitäten informieren und bezüglich Homo-, Bi-, Trans*- und
Queerfeindlichkeit sensibilisieren. Wir werden uns gemeinsam mit den Ländern dafür
einsetzen, dass sich geschlechtliche und sexuelle Vielfalt und Diversität in den Lehr- und
Bildungsplänen wiederfinden und diese konsequent umgesetzt werden. Queerfeindliche
Straftaten sollen statistisch gesondert erfasst werden.
Selbstbestimmung garantieren, Transsexuellengesetz aufheben
Mit einem Selbstbestimmungsgesetz werden wir dafür sorgen, dass das überholte
Transsexuellengesetz endlich aufgehoben wird. Eine Änderung des Geschlechtseintrags und des
Namens auf Antrag der betroffenen Person werden wir ermöglichen, ohne dass dafür
psychologische Zwangsgutachten notwendig sind. Das Offenbarungsverbot werden wir
konkretisieren und vorsätzliche Verstöße dagegen sanktionieren. Wir schreiben fest, dass
alle nicht notwendigen Operationen und Behandlungen an intergeschlechtlichen Kindern
verboten werden und Lücken in den entsprechenden Gesetzen geschlossen werden. Operationen,
die als medizinisch notwendig durchgeführt wurden, sollen, unter Berücksichtigung eines
strengen Datenschutzes, zentral erfasst werden, um eine bessere Nachvollziehbarkeit für
Betroffene und eine bessere Datengrundlage zu erreichen. Bei Gesundheitsleistungen sowie
körperangleichenden Operationen und Hormontherapien muss das Selbstbestimmungsrecht
gesichert sein. Den Anspruch auf medizinische körperangleichende Maßnahmen wollen wir
gesetzlich verankern und dafür sorgen, dass die Kostenübernahme durch das Gesundheitssystem
gewährleistet wird. Wir werden einen Entschädigungsfonds für die Opfer aus dem Kreis der
trans*- und inter*geschlechtlichen Personen, deren körperliche Unversehrtheit verletzt wurde
oder deren Ehen zwangsgeschieden wurden, einrichten.
Wir stärken Sicherheit und Bürger*innenrechte
Sicherheit für alle und eine gut ausgestattete und bürger*innennahe
Polizei
Deutschland ist grundsätzlich ein sicheres Land. Das liegt auch an der guten Arbeit der
Polizei. Wir wollen, dass das so bleibt. Diebstahl, Einbrüche, Gewalttaten, Hassverbrechen
oder organisierte Kriminalität belasten Opfer und ihre Angehörigen dennoch schwer. Für ihre
Aufgaben wie Prävention, Aufklärung und Strafverfolgung und den Schutz der Grundrechte
wollen wir die Polizei stärken, in der Stadt und auf dem Land, analog und digital. Den
früheren Personalabbau bei Bundespolizei und Bundeskriminalamt wollen wir durch eine
Offensive bei der Besetzung offener Stellen beheben und gleichzeitig spezialisierte
Ausbildungen und Studiengänge ermöglichen. Wir wollen, dass die Polizei die Diversität der
Bevölkerung widerspiegelt. Die Polizist*innen verdienen unsere Wertschätzung, genauso wie
gute Arbeitsverhältnisse und leistungsfähige Strukturen innerhalb der Behörden. Sichere und
leistungsfähige Datenverarbeitung, kombiniert mit mobiler IT und klar geregelten
Kompetenzen, ist dabei eine Grundvoraussetzung moderner Polizeiarbeit. Gutes polizeiliches
Handeln kann jedoch kein Ersatz für gesellschaftliche Problemlösung sein. Deswegen werden
wir die Zusammenarbeit mit zivilen Trägern und externen Expert*innen unterstützen und weiter
ausbauen.
Die besondere Verantwortung der Polizei
Wir wollen eine Gesellschaft, in der alle frei und sicher leben können. Sicherheit muss
überall gleichermaßen garantiert sein. Freiheits- und Bürger*innenrechte behandeln wir nicht
als Streichposten der Innenpolitik, sondern als ihre zentralen Schutzgüter. Sicherheit darf
keine Frage der sozialen Schicht, der Herkunft, des Geschlechts, der sexuellen Identität,
des Aussehens oder des Wohnorts sein. Damit die Polizei ihren komplexen Aufgaben nachkommen
kann, muss sie auf das Vertrauen der gesamten Bevölkerung bauen können. Als ausführendes
Organ des staatlichen Gewaltmonopols hat die Polizei zudem eine besondere Verantwortung. Dem
entspricht die Einführung einer individuellen, aber anonymisierten Kennzeichnung für die
Bundespolizei sowie der Stelle einer/eines unabhängigen Bundespolizeibeauftragten mit
umfassenden Kompetenzen, an die/den sich im Falle von auftretenden Problemen oder erkannten
Missständen sowohl Polizist*innen wie auch Bürger*innen wenden können. Straftaten im Amt und
Todesfälle in Polizeigewahrsam müssen ohne Wenn und Aber aufgeklärt werden. Wir werden die
Kontrollbefugnisse der Bundespolizei so ausgestalten, dass sie nicht mehr zu Racial
Profiling führen, und die Einführung sogenannter Ticketsysteme erproben, um Gründe für
polizeiliche Kontrollen für die Betroffenen transparent zu machen. Polizist*innen sollten
sich auch nach der Ausbildung verpflichtend fortbilden können und müssen. Wichtige
Fortbildungsbereiche sind beispielsweise der Umgang mit Menschen mit psychischen
Erkrankungen sowie Antidiskriminierung und die Gefahr von Racial Profiling. Besondere
Belastungen im Dienst sollen regelmäßig, beispielsweise im Rahmen von Supervision,
nachbereitet werden. Eine bundesweite, externe Fachstelle zur Seelsorge und ethischer
Bildung ist einzurichten. Das bereits bestehende ZeBuS (Zentrum für ethische Bildung und
Seelsorge in der Polizei NRW) kann hierbei als Vorbild dienen. Längst überfällig sind
unabhängige wissenschaftliche Studien zu Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus in
den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden. Wir wollen Polizeiforschung besser
ermöglichen und die Polizei dafür stärker öffnen. Rationale Sicherheitspolitik setzt eine
solide Faktenlage und klare Zuständigkeiten voraus. Deshalb werden wir unter anderem den
Periodischen Sicherheitsbericht wieder einführen, dessen Aussagekraft sich in der
Vergangenheit bewährt hat.
Europäisches Kriminalamt schaffen, organisierte Kriminalität
verfolgen
Zahlreiche Straftaten finden grenzüberschreitend statt, insbesondere die organisierte
Kriminalität und islamistische oder rechtsextreme Terrornetzwerke machen nicht an
Landesgrenzen halt. Zum Schutz der Bürger*innen und zur Verteidigung unserer Freiheit
brauchen wir eine stärkere grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Polizei und Justiz: durch
gemeinsame europäische Polizeiteams, durch die Aufwertung von Europol zu einem Europäischen
Kriminalamt sowie durch eine engere justizielle Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten, auch mit
Hilfe von Eurojust und bei der Bekämpfung von Betrug zu Lasten der EU-Finanzen mit dem EU-
Betrugsbekämpfungsamt OLAF und der Europäischen Staatsanwaltschaft unter Nutzung modernster
Analysemethoden. Wegen der zunehmenden Vernetzung von europäischen Datenbanken sind hohe
Datenschutzstandards und eine Verbesserung des grenzüberschreitenden Rechtsschutzes
unabdingbar. Diese Zusammenarbeit braucht eine unabhängige Justiz und faire Strafverfahren
in allen EU-Mitgliedstaaten.
Verfassungsschutz neu ordnen
Der Verfassungsschutz hat in der Vergangenheit viel Vertrauen verspielt, vor allem im
Hinblick auf den NSU-Komplex. Hier sind Veränderungen, insbesondere durch einen personellen
Neuanfang, zu beobachten, dennoch muss ein struktureller Neustart folgen, mit dem die
Analysefähigkeit des Verfassungsschutzes verbessert wird. Der in Wissenschaft und
Zivilgesellschaft schon heute vorhandene Sachverstand über verfassungsfeindliche
Bestrebungen muss systematischer genutzt werden. Diese Expertise soll einbezogen und durch
ein Demokratiefördergesetz flächendeckend gestärkt und dauerhaft gefördert werden. Wir
wollen den Verfassungsschutz strukturell neu aufstellen: zum einen mit einem unabhängigen,
wissenschaftlich aus öffentlichen Quellen arbeitenden Institut zum Schutz der Verfassung.
Zum anderen mit einem verkleinerten Bundesamt für Gefahrenerkennung und Spionageabwehr, das
mit rechtsstaatskonformen nachrichtendienstlichen Mitteln klar abgegrenzt von polizeilichen
Aufgaben arbeitet. Hier braucht es auch eine engere und effektivere parlamentarische
Kontrolle. Um Vertrauen zurückzugewinnen, werden wir die Kontrolle der Arbeit der
Nachrichtendienste stärken und den Einsatz von menschlichen Quellen gesetzlich regeln.
Rechtsextremismus bekämpfen, Netzwerke zerschlagen
Es gibt mehr als 32.000 Rechtsextremist*innen in Deutschland, die sich trotz des ausgrenzend
völkischen Ansatzes auch transnational immer stärker vernetzen. Die Bekämpfung
rechtsextremistischer Strukturen – auch innerhalb der Sicherheitsbehörden – muss Priorität
für alle Sicherheitsorgane haben. Dazu braucht es ein Bündel aus Prävention, Schutz- und
Sanktionsmaßnahmen. Durch eine bundesweit vernetzte Präventionsstrategie wollen wir die
Präventionsarbeit massiv ausbauen und dabei auch die antifeministische und nationalistisch-
völkische Dimension des Rechtsextremismus in den Blick nehmen. Zu Letzterer gehört zum
Beispiel die rechtsextreme und gewaltbereite „Ülkücü-Bewegung“, umgangssprachlich „Graue
Wölfe“ genannt, die wir mit allen politisch und rechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln
zurückdrängen wollen. Zivilgesellschaftliche Gruppen leisten eine wichtige Arbeit zur
Aufklärung und Zurückdrängung rechtsextremer Strukturen. Sie sollen strukturell und
langfristig durch ein Demokratiefördergesetz gefördert werden. Wir werden unabhängige
wissenschaftliche Studien zu
Rassismus und Rechtsextremismus in den verschiedenen Sicherheitsbehörden initiieren,
Hassgewalt erfassen und konsequent verfolgen. Rechtsextreme müssen konsequenter und zügiger
als bisher aus Sicherheitsbehörden entfernt werden. Hierfür wollen wir die rechtlichen
Voraussetzungen schaffen. Die Mordserie des rechtsterroristischen NSU sowie andere
rassistische und rechtsextremistische Terrorakte in Deutschland – zum Beispiel die Morde in
Hanau – sind nach wie vor nicht vollständig aufgearbeitet. Deshalb richten wir nach dem
Vorbild der Stasi-Unterlagen-Behörde ein Archiv über rechten Terror ein, in dem auch die
Dokumente und Ergebnisse der 13 parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zum NSU
ausgewertet werden und die langfristig Wissenschaftler*innen, Journalist*innen und der
Zivilgesellschaft zugänglich sind. Unsere Solidarität gilt allen Opfern und Betroffenen von
rechtsterroristischen, extrem rechten und rassistischen Angriffen. Wir wollen daher auf
Bundesebene einen Fonds für Opfer und Betroffene, insbesondere rechtsextremer, rassistischer
oder islamistischer Gewalt, einrichten.
Vor Terrorismus schützen
Jede Form politisch motivierter Gewalt gefährdet unseren Rechtsstaat. Insbesondere durch
Terrorismus von gewaltbereiten Rechtsextremist*innen und Islamist*innen ist die öffentliche
Sicherheit in Deutschland bedroht. Um die offene Gesellschaft, unsere Demokratie und die
Menschen zu schützen, müssen wir Terror entschieden bekämpfen – durch effektive
intersektional ausgerichtete Präventionsarbeit, bessere Vernetzung der Sicherheitsbehörden
und eine konsequente Überwachung von sogenannten Gefährder*innen. Dazu braucht es eine
europäisch abgestimmte Definition des Gefährderbegriffs mit rechtlich überprüfbaren Ein- und
Ausstufungskriterien. Gefährder*innen müssen engmaschig überwacht werden. Ziel ist, dass
gegenüber Gefährder*innen offene Haftbefehle konsequent vollstreckt und laufende Verfahren
über Ländergrenzen hinweg zusammengezogen werden. Die Kooperation und Kommunikation zwischen
den Sicherheitsbehörden, auch über Ländergrenzen, muss reformiert werden, wozu die Schaffung
rechtlicher Grundlagen für die Terrorabwehrzentren GTAZ und GETZ gehört. Jenseits der
Terrorabwehr lehnen wir Grundrechtseingriffe aufgrund einer Einstufung als sogenannte*r
Gefährder*in ab. Aussteigerprogramme für Menschen aus der rechtsextremistischen und
islamistischen Szene werden wir ebenso ausbauen wie Hilfs- und Beratungsangebote für Opfer
und deren Angehörige. Es braucht ein bundeseinheitliches, professionalisiertes Präventions-
und Deradikalisierungsnetzwerk – analog zu den zivilgesellschaftlichen Trägern, die sich
bereits besser als die politischen Ebenen in Bund und Ländern vernetzt haben. Prävention und
Deradikalisierung in Haftanstalten wollen wir stärken. Um Attentate zu erschweren, werden
wir illegalen Waffenhandel, auch und gerade auf Online-Marktplätzen, verstärkt verfolgen.
Mehr Sicherheit durch weniger Waffen
In Deutschland gibt es über fünf Millionen legale Waffen. Jedes Jahr sterben Menschen auch
durch legale Waffen, beim Hantieren mit ihnen oder durch Straftaten. Diese reichen von
häuslicher Gewalt über Amokläufe bis hin zu extremistischen Attentaten. Solche Straftaten
werden nicht unbedingt durch die berechtigten Legalwaffenbesitzer*innen begangen, sondern
auch durch Menschen, die sich rechtswidrig Zugang zu diesen Waffen verschaffen, weil sie
über entsprechende Zugänge, zum Beispiel im gemeinsamen Haushalt, verfügen. Um ein valides
Bild über die Dimensionen und Ursachen solcher Straftaten zu erhalten, braucht es eine
verbesserte kriminalstatistische Erfassung. Es muss dokumentiert werden, ob eine Straftat
mit einer legalen oder illegalen Schusswaffe begangen wurde, ob es bei der Tat auch zu einer
Schussabgabe kam und ob die oder der Tatverdächtige berechtigt war, die Waffe zu besitzen
oder nicht. Jeder Mensch, der durch eine Waffe stirbt, ist einer zu viel. Deshalb wollen wir
die Verfügbarkeit von tödlichen Schusswaffen – außer für Jäger*innen, die ohne diese Waffen
ihre Aufgaben nicht erfüllen können – schrittweise beenden. Auch im Bereich des Schießsports
setzen wir uns im Dialog mit Sportschütz*innen für die Umstellung auf nichttödliche
Schusswaffen ein.
Bevölkerungsschutz krisenfest machen
Deutschland verfügt über ein herausragendes Netz von Akteur*innen, die im Katastrophenfall
handlungsfähig sind. Das Rückgrat hierfür bilden die überwiegend freiwilligen Mitglieder der
Hilfsorganisationen, Feuerwehren und des Technischen Hilfswerks. Die Klimakrise und die
Herausforderungen unserer modernen Gesellschaft setzen dieses System unter Druck. Gerade
länderübergreifende Katastrophen, wie Pandemien, Hochwasserereignisse, Waldbrände oder
flächendeckende Stromausfälle, haben ein enormes Schadenspotenzial und erfordern
koordiniertes Handeln, wenn einzelne Länder an ihre Grenzen stoßen. Wir wollen, dass sich
der Bund hier stärker engagiert und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und
Katastrophenhilfe mehr Kompetenzen bekommt. Das freiwillige und Spontanhelfer*innen-
Engagement wollen wir weiter stärken und für digitale Bereiche, zum Beispiel über ein Cyber-
Hilfswerk, fit machen. Außerdem setzen wir uns für eine Stärkung des gesundheitlichen
Bevölkerungsschutzes ein, um die interdisziplinäre Bekämpfung von zukünftigen Pandemien
sicherzustellen.
Schutz für Whistleblower*innen
Abgasmanipulationen, Missstände in Pflegeeinrichtungen, der Verkauf von Facebook-Nutzerdaten
– kaum einer der großen Wirtschaftsskandale der vergangenen Jahre wäre ohne die Hinweise aus
den Unternehmen überhaupt an die Öffentlichkeit gelangt. Missstände in Unternehmen, Behörden
und anderen Bereichen wie Doping im Sport bis hin zu kriminellen Aktivitäten in Unternehmen
und Behörden brauchen mutige Menschen, die sie ans Licht bringen. Diese
„Whistleblower*innen“ müssen im Interesse von uns allen besser vor Repressalien aus dem Aus-
und Inland, gesundheitlichen, finanziellen und sozialen Folgen ihrer Meldung geschützt
werden. Das werden wir mit einem Hinweisgeberschutzgesetz, das die EU-Whistleblower-
Richtlinie ambitioniert und umfassend auch für das gesamte nationale Recht umsetzt,
erreichen. Darin festgeschrieben sind ein zweistufiges Meldeverfahren sowie ein
Entschädigungsfonds, mit dem das persönliche Risiko minimiert wird. Die Furcht vor einem
ökonomischen und persönlichen Schaden als Hemmnis für eine Hinweisgabe soll so abgebaut und
potenzielle Hinweisgeber*innen sollen ermutigt werden. Wir wollen, dass Whistleblower*innen
wie Edward Snowden, dem wir die Aufdeckung der weltweiten Ausspähung und Massenüberwachung
durch zahlreiche Nachrichtendienste zu verdanken haben, frei und sicher in einem
demokratischen Land leben können, und ihnen dies auch in Deutschland anbieten.
Zielgerichtete Abwehr konkreter Gefahren
Ein funktionierender, demokratischer Rechtsstaat muss Sicherheit gewährleisten und die ihn
konstituierenden Freiheitsrechte wahren. Wir stehen für eine rationale Sicherheits- und
Kriminalpolitik, die Rechtsgüter vor realen Beeinträchtigungen schützt, konkrete Gefahren
anlassbezogen und zielgerichtet abwehrt sowie eine verhältnismäßige Strafverfolgung
gewährleistet, statt die Bevölkerung mit pauschaler Massenüberwachung unter Generalverdacht
zu stellen. Sicherheitsgesetze müssen auf den Prüfstand, zukünftig auf valider Empirie
beruhen und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit regelmäßig unabhängig evaluiert werden. Wir
stellen dazu eine Überwachungsgesamtrechnung auf, die laufend fortgeführt wird. Den Einsatz
biometrischer Identifizierung im öffentlichen Raum, wie beispielsweise Gesichtserkennung,
lehnen wir ebenso wie die undifferenzierte Ausweitung der Videoüberwachung, die anlasslose
Vorratsdatenspeicherung, generelle Hintertüren in digitalen Geräten und Anwendungen oder das
Infiltrieren von technischen Geräten (Online-Durchsuchung bzw. Quellen-TKÜ) ab. Zudem soll
eine Verpflichtung eingeführt werden, Sicherheitslücken zu melden und aktiv auf ihre
Behebung hinzuwirken. Unternehmen dürfen nicht dazu verpflichtet werden, die IT-Sicherheit
und Netzintegrität auf Kosten der Allgemeinheit zu gefährden. Wir streiten für eine
technisch und personell gut ausgestattete und zielgerichtete Polizeiarbeit auf klaren
Rechtsgrundlagen. Damit stärken wir auch die Rechtssicherheit für die Arbeit der Behörden
und schaffen Vertrauen. Die digitale Kompetenz in den Sicherheitsbehörden wollen wir
stärken, damit bestehende Möglichkeiten zur Verbrechensverhütung und -aufklärung
effektiv angewendet werden.
Wir garantieren den Rechtsstaat und stärken den Verbraucherschutz
Konsequent gegen Korruption
Korruption, Steuerhinterziehung, Geldwäsche oder Manipulationen im Finanzmarkt sind
Rechtsverstöße, die verheerende Auswirkungen auf den Wettbewerb und den freien Markt, für
Umwelt und Menschen(rechte) haben können. Wirtschaftsstraftaten machen einen Großteil der
polizeilich erfassten finanziellen Schädigungen aus. Bei Rechtsverstößen werden wir
Unternehmen deshalb künftig wirksamer zur Rechenschaft ziehen. Ziel ist, die bereits
verstreut bestehenden Regelungen in einem eigenständigen Gesetz gegen
Wirtschaftskriminalität zusammenzufassen und zu ergänzen. Um zu verhindern, dass
Rechtsverstöße von Unternehmen wegen organisierter Unverantwortlichkeit nicht geahndet
werden können, soll künftig auch an das Organisationsverschulden angeknüpft werden können.
Die Pflicht zum Nachweis der legalen Herkunft großer Zahlungen wollen wir verstärken.
Sanktionen müssen gemäß den EU-Vorgaben wirksam, angemessen und abschreckend sein, zum
Beispiel indem unrechtmäßiger Gewinn bei der Abschöpfung geschätzt werden darf und die
nötigen Ressourcen dafür bereitgestellt werden. Den Sanktionskatalog wollen wir um weitere
Maßnahmen, wie den Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge, die
Schadenswiedergutmachung sowie verpflichtende Vorkehrungen für Unternehmen zur Verhinderung
von Straftaten, erweitern und ein öffentliches Sanktionsregister einführen.
Rechtsschutz für jede*n, Gruppenklagen einführen
Menschen müssen ihr Recht auch gegenüber wirtschaftlich Stärkeren wirksam durchsetzen
können, zum Beispiel in Fällen wie dem Diesel-Abgas-Betrug. Dazu führen wir die Gruppenklage
ein, damit Menschen auch bei kleineren, aber massenhaft auftretenden Schäden effektiv zu
ihrem Recht kommen und zum Beispiel Schadensersatz bekommen. Die bisher eingeführten
kollektiven Klageverfahren, wie die Musterfeststellungsklage, die nur Verbraucher*innen
zusteht, und das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, sind unzureichend. Die immer
beliebtere und oft wirkungsvolle Rechtsdurchsetzung durch Legal-Tech-Unternehmen kann
andererseits vielen Menschen schnell und unkompliziert zu ihrem Recht verhelfen. Den
kollektiven Rechtsschutz wollen wir deshalb verallgemeinert und vereinheitlicht in die
Zivilprozessordnung integrieren und die Bündelung individueller Ansprüche im Rahmen einer
Gruppenklage ermöglichen. Für eine bessere Durchsetzung des Rechts sollen die
Zugangsschranken gesenkt, die Verfahren vereinfacht sowie die Beratungs- und
Prozesskostenhilfe gestärkt werden. Die Verbandsklage-Richtlinie der EU setzen wir
verbraucherfreundlich und zügig in nationales Recht um. Die Auswirkungen unterschiedlicher
Finanzkraft der Parteien, Möglichkeiten der Prozessverzögerung und der Einfluss von
tatsächlich betroffenen Dritten (zum Beispiel Versicherungen) auf Gerichtsverfahren müssen
minimiert werden.
Strafrechtliche Sanktionen mit Vernunft und Augenmaß
Wir überprüfen die Wirkungen der Straf- und Strafverfahrensrechts-Änderungen der letzten
Jahre anhand des Maßstabs rationaler, faktenbasierter Kriminalpolitik und reformieren das
Sanktionensystem mit dem
Ziel von Prävention und Resozialisierung. Dazu gehören Verzicht auf nutzlose
Ersatzfreiheitsstrafen, größere Wirksamkeit von Bewährungsauflagen und Stärkung von
ambulanten Sanktionsmöglichkeiten.
Kinderschutz vor Gericht verbessern
In familienrechtlichen Verfahren werden Entscheidungen getroffen, die erhebliche
Auswirkungen auf das weitere Leben von Kindern und ihren Familien haben können. Häusliche
Gewalt muss in Entscheidungen über Besuchs- und Sorgerecht berücksichtigt werden. Es gilt
den Kinderschutz vor Gericht zu stärken und die Meinung von Kindern zu berücksichtigen.
Anhörungen müssen kindgerecht ausgestaltet sein und mehrfache Befragungen nach Möglichkeit
vermieden werden. Im familiengerichtlichen Verfahren braucht es entsprechende
interdisziplinäre Angebote, wie zum Beispiel Childhood-Häuser. Wir machen einerseits die
Fortbildungen für Familienrichter*innen verbindlich und werden diese andererseits beim
Arbeitspensum der Richter*innen berücksichtigen. Auch in Kindschaftssachen wollen wir die
Rechtsbeschwerdemöglichkeit zum Bundesgerichtshof herstellen. In Strafverfahren wollen wir
die Opferrechte von Kindern weiter stärken. Sexualisierte Gewalt gegen Kinder muss
konsequent aufgeklärt und verfolgt werden, vor allem durch mehr – insbesondere auch auf
Internetkriminalität spezialisiertes – Personal bei Polizei und Staatsanwaltschaften.
Vor Kostenfallen schützen, Online-Kündigung mit nur einem Klick
Online-Verträge kann man mit einem Klick abschließen, die Kündigung bedarf aber der
Textform. Auch lange Mindestlaufzeiten und automatische Vertragsverlängerungen um ein Jahr
sind alles andere als verbraucherfreundlich. Immer noch werden Verbraucher*innen an Telefon
oder Haustür überrumpelt und ihnen ungewollte Verträge untergeschoben. Wir wollen
Verbraucher*innen vor Vertragsfallen schützen und durchsetzen, dass die Online-Kündigung so
einfach ist wie die Online-Bestellung. So wie es einen Bestellbutton gibt, muss es auch
einen Kündigungsbutton geben sowie eine verpflichtende Eingangsbestätigung für Online-/E-
Mail-Kündigungen. Vertragslaufzeiten und automatische Verlängerungen müssen verkürzt werden
– zugunsten des Verbraucherschutzes und des Wettbewerbs. Wir wollen die maximale
Mindestlaufzeit von Verträgen von zwei Jahren halbieren und die stillschweigende
Vertragsverlängerung von einem Jahr auf einen Monat verkürzen. Telefonisch abgeschlossene
Verträge sollen erst gelten, wenn sie nachträglich bestätigt werden. Auch vor unseriösen
Haustürgeschäften wollen wir Verbraucher*innen besser schützen.
Ein Recht auf Reparatur
Von der Waschmaschine bis zum Handy – viele Geräte landen schon nach kurzer Zeit auf dem
Müll, weil sie schnell kaputtgehen, nicht reparierbar sind oder keine Softwareupdates mehr
angeboten werden. Das ärgert die Verbraucher*innen, es verschwendet wertvolle Ressourcen und
verursacht Berge von Elektroschrott. Wir setzen stattdessen auf Qualität und Langlebigkeit.
Durch ein Recht auf Reparatur wollen wir Elektroschrott von vornherein vermeiden. Die
Grundlage dafür sind verbindliche Designvorgaben, damit elektronische Geräte so gestaltet
sind, dass sie möglichst langlebig, reparierbar und recyclingfähig sind. Dabei darf es nicht
nur um die Hardware eines Geräts gehen. Mindestens für die erwartbare Lebensdauer müssen
Ersatzteile und Softwareupdates kostengünstig erhältlich sein. Ein Label soll erkennbar und
vergleichbar machen, wie lange Ersatzteile und Softwareupdates zur Verfügung gestellt
werden. Durch die Verdopplung der Gewährleistungsfristen auf vier Jahre, die Erweiterung der
Beweislastumkehr auf zwei Jahre und eine Angabe der vom Hersteller vorgesehenen Lebensdauer
wollen wir erreichen, dass Geräte für eine längere Lebensdauer gebaut werden. So werden wir
die Spielräume der EU-Vorgaben voll ausschöpfen und uns gleichzeitig für mehr
Verbraucherschutz in der EU engagieren. Außerdem werden wir den reduzierten
Mehrwertsteuersatz für Reparaturdienstleistungen einführen und uns auf EU-Ebene für die
Ausweitung auf die Reparatur von Elektrogeräten einsetzen.
Finanzberatung im Interesse der Kund*innen
Häufig werden Kund*innen Finanz- und Versicherungsprodukte vermittelt, die am persönlichen
Bedarf vorbeigehen. Diese Produkte sind häufig gut für die Gewinne der Banken und
Versicherungen, aber schlecht für die Kund*innen. Wir wollen die Finanzberatung vom Kopf auf
die Füße stellen. Dafür schaffen wir ein einheitliches und transparentes Berufsbild für
Finanzberater*innen. Alle Vermittler*innen und Berater*innen sollen künftig von der BaFin
beaufsichtigt werden. Wir wollen weg von der Provisionsberatung und schrittweise zu einer
unabhängigen Honorarberatung übergehen. Dafür
schaffen wir eine gesetzliche Honorarordnung, die Finanzberater*innen stärkt und
unabhängiger macht. Zusammen mit den Verbraucherzentralen und der Branche entwickeln wir
Honorarmodelle (Ratenzahlungen, Flatrates), die zu Lebenssituation und Präferenzen der
Menschen passen, und senken mit Standardprodukten in der Altersvorsorge die Kosten
insbesondere für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen. Die Finanzaufsicht soll von
der Möglichkeit, den Vertrieb von schädlichen irreführenden Finanzprodukten zu untersagen,
häufiger Gebrauch machen und für mehr Finanzbildung sorgen. Zusätzlich wollen wir die
Kompetenzen der BaFin im Verbraucherschutz stärken und die Beteiligungsrechte des
Verbraucherbeirats ausweiten. Überhöhte Dispozinsen und Gebühren, insbesondere für das
Basiskonto, werden wir begrenzen.
Wir fördern die Kultur, die Künste und den Sport
Krisenfeste Strukturen für die Kultur
Die Künste sind frei und müssen keinen Zweck erfüllen. Sie sind gleichzeitig von zentraler
Bedeutung für die Selbstreflexion der Gesellschaft, den Zusammenhalt und die
Persönlichkeitsbildung der/des Einzelnen. Wir wollen, dass die Kulturlandschaft nach der
Pandemie mit ihren monatelangen Schließungen zu neuer Lebendigkeit, Vielfalt und
Reichhaltigkeit findet und Kultur und kulturelle Bildung endlich selbstverständlicher Teil
der Daseinsvorsorge werden. Deswegen wollen wir Kultur als Staatsziel im Grundgesetz
verankern. Eine nachhaltige (Wiederaufbau-)Strategie muss die Kommunalfinanzen als eine
wichtige Grundlage für das Kulturleben stärken, das Zuwendungsrecht reformieren, mehr
Kooperationen zwischen Bund, Ländern und Kommunen bei der Finanzierung von
Kultureinrichtungen und -projekten ermöglichen sowie einen Fonds zum Schutz von
Kultureinrichtungen vor Verdrängung und Abriss einrichten, der Kulturorte wie beispielsweise
Clubs langfristig absichert. Die öffentliche Kulturförderung soll künftig partizipativ,
inklusiv und geschlechtergerecht abgestimmt sowie nach transparenten Kriterien angelegt
sein. Ebenso braucht es eine gleiche Wertschätzung bei der Finanzierung und den
Rahmenbedingungen für alle Kulturformen und -sparten, für die freie Szene und institutionell
geförderte Kultureinrichtungen.
Kulturschaffende und Kreative besser absichern
Die Corona-Krise zeigt, unter welch prekären Bedingungen viele Kultur- und Medienschaffende
arbeiten. Für eine vielfältige Kulturlandschaft braucht es eine Absicherung, die Freiräume
bietet und künstlerisches und kreatives Schaffen ermöglicht. Wir setzen uns für gute
Arbeits- und Ausbildungsbedingungen und faire Bezahlung ein, damit an privaten und
insbesondere öffentlichen Kulturinstitutionen prekäre Arbeitsverhältnisse überwunden werden.
Solo-Selbständige und Kulturschaffende sollen für die Zeit der Corona-Krise mit einem
Existenzgeld von 1.200 Euro im Monat abgesichert werden. Eine Absicherung braucht es aber
auch darüber hinaus. Die Künstlersozialkasse (KSK) muss finanziell gestärkt,
Rechtssicherheit für die Mitgliedschaft in der KSK, auch für Künstler*innen, die nur
zeitweise für Produktionen versicherungspflichtig angestellt sind, geschaffen und die
freiwillige Weiterversicherung für Selbständige in der Arbeitslosenversicherung vereinfacht
werden. Es muss sichergestellt werden, dass Urheber*innen für ihre Werke eine angemessene
Vergütung erhalten. Eine angemessene Beteiligung, insbesondere an den Gewinnen der
Vertriebsplattformen, sorgt dafür, dass Kultur- und Medienschaffende weiter an ihren Werken
verdienen können. Nutzer*innen sollen bei digitalen Inhalten bei der Ausleihe und
Weiterveräußerung nicht schlechtergestellt werden als bei analogen Gütern. Aus diesem Grund
sollen Bibliotheken unter denselben Bedingungen E-Books verleihen dürfen, die sich für
physische Bücher bewährt haben, ohne dafür Lizenzverträge abschließen zu müssen.
Kultur in der Gesellschaft
Aktives Kulturleben ist die Basis von demokratischen Gesellschaften. Hier findet die
Auseinandersetzung darüber statt, wie wir leben wollen. Deshalb muss die Gesellschaft in
ihrer ganzen Vielfalt im Kulturschaffen sichtbar sein. Wir wollen Kultureinrichtungen öffnen
und stärken, damit jede*r einfachen Zugang zu ihnen hat und ihre Angebote nutzen und
gestalten kann. Bestehende soziale, finanzielle oder bauliche Hürden müssen dafür abgebaut
werden, etwa durch den kostenlosen Eintritt für Schüler*innen in staatlichen Museen, durch
die Sonntagsöffnung von öffentlichen Bibliotheken oder durch einen Kulturpass für Menschen
mit geringem Einkommen. Wir wollen gerade solche Kulturangebote kontinuierlich und
flächendeckend fördern, die die Situation und die Bedürfnisse in ihrer Stadt oder ihrer
Gemeinde mitdenken und das als ihre zentrale Zukunftsaufgabe verstehen. In ländlichen
Regionen, aber auch in urbanen Zentren sollen Kultureinrichtungen Knotenpunkte von
Begegnungen und zu sogenannten „Dritten Orten“ werden, die auch Menschen einen Zugang zu
Kultur ermöglichen, die davon bislang wenig profitieren. Bei der Besetzung von Intendanzen,
bei der Zusammensetzung von staatlich geförderten Kulturbetrieben, bei der Vergabe von
Stipendien und Werksaufträgen und bei staatlichen Jurys wollen wir eine Quotenregelung
einführen, um Geschlechtergerechtigkeit zu gewährleisten, sowie flache Hierarchien und
partizipative Strukturen fördern. Zudem muss auf angemessene Repräsentanz der vielfältigen
Gesellschaft geachtet werden. Themen wie Nachhaltigkeit, Diversität und inklusive Teilhabe
müssen fester Bestandteil der Ausbildung zu Kulturberufen sein. Auch kulturelle Vielfalt
sowie Transkulturalität, also die gegenseitige Durchdringung von Kulturen, wollen wir
fördern.
Den Kulturbetrieb ökologischer machen
Der Kulturbetrieb und die Künste können eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der
Klimakrise spielen. Es gibt viele Initiativen und Akteur*innen, die mit großem Einsatz
versuchen, ressourcenschonender zu arbeiten und den Kulturbetrieb ökologisch auszurichten.
Dieses Engagement werden wir durch eine zentrale Beratungsstelle, den Green Culture Desk,
unterstützen und einen Green-Culture-Fonds als Förderinstrument einrichten. Künstler*innen
geben außerdem wichtige Impulse für die nachhaltige Transformation. Wir wollen im Sinne
eines Fonds für Ästhetik und Nachhaltigkeit ein Instrument zur ressortübergreifenden,
transdisziplinären Förderung schaffen, das den Aufbau von langfristigen Strukturen
ermöglicht sowie freie Experimentier- und Handlungsräume schafft. Damit sind auch hybride
Modelle der Kooperation zwischen Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und Akteur*innen der
Zivilgesellschaft gemeint.
Film- und Kinokultur stärken und ins digitale Zeitalter führen
Den Film als prägendes Medium des Bewegtbildes und Kinos als öffentliche Kulturorte wollen
wir angesichts des schnellen Wandels der Produktions- und Vertriebsformen stärken. Um die
künstlerische Qualität und Anziehungskraft des deutschen und europäischen Films zu steigern,
vereinfachen wir Entscheidungsprozesse: Wir entflechten die Struktur aus Fernsehsendern und
einer Vielzahl an Gremien zugunsten kriterienbasierter, automatischer Förderungen und
richten unser Augenmerk verstärkt auf die Förderung von Stoffen und Drehbüchern sowie des
Nachwuchses. Verbindliche Quoten sorgen dafür, dass Frauen im Film gleiche Chancen haben.
Soziale Mindeststandards und faire Verwertungswege verbessern die ökonomische Lage der
Filmschaffenden. Ökologische Produktion wird mit finanziellen Anreizen belohnt. Kinos und
Festivals unterstützen wir durch verlässliche Förderinstrumente.
Erinnerungskultur stärken und öffnen
Erinnerungskultur trägt entscheidend zur Selbstverständigung und zum Zusammenhalt bei und
ist eine grundlegende Voraussetzung für den Schutz unserer Demokratie. Doch noch immer gibt
es Leerstellen in der Aufarbeitung der deutschen Verbrechensgeschichte. Der
Nationalsozialismus muss weiter konsequent aufgearbeitet werden. Bisher wenig beachtete
Opfergruppen wie die sogenannten „Asozialen“, „Berufsverbrecher“ und „Euthanasie“-Opfer
wollen wir würdigen und durch eine angemessene Entschädigung anerkennen. Ihre
Lebensgeschichten sowie die Tatorte der Morde sollen erforscht und gekennzeichnet werden.
Die finanzielle Förderung der Forschungsarbeiten, die Weiterentwicklung der pädagogischen
und wissenschaftlichen Arbeit der Gedenkstätten sowie die weitere Aufarbeitung und Rückgabe
von NS-Raubkunst stehen im Mittelpunkt. Dazu gehört auch, den weiteren Verpflichtungen
gegenüber Ländern, die unter der deutschen Besatzung gelitten haben, nachzukommen. Auch die
SED-Diktatur soll durch die Fortsetzung der Forschung und der politischen Bildungsarbeit an
den Außenstellen des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen weiter aufgearbeitet
werden. Erinnerungsorte an die friedliche Revolution von 1989, die deutsche
Wiedervereinigung und die folgenden tiefgreifenden Transformationsprozesse in Ostdeutschland
werden wir in Bundesträgerschaft fördern. Auch die regionalen Aufarbeitungsinitiativen
wollen wir stärker in ihrer Arbeit unterstützen und setzen uns für unbürokratische und
höhere Entschädigungsleistungen für die Opfer und Verfolgten der SED-Diktatur ein. Wir
wollen außerdem rechtliche Regelungen für die Rückgabe von Raubkunst der NS- und der DDR-
Zeit schaffen. Durch eine zentrale Erinnerungs- und Lernstätte werden wir die Kontinuitäten
des Kolonialismus ins Bewusstsein rücken und so eine gesellschaftliche Debatte über unser
koloniales Erbe fördern, die eine antirassistische Perspektive auf Geschichte und
Gesellschaft ermöglicht. Dazu sind die kritische Aufarbeitung der kolonialen Verbrechen und
die Dekolonisierung öffentlicher Räume zentral und es bedarf einer umfänglichen
Provenienzforschung, Digitalisierung und transparenten Veröffentlichung sowie verbindlicher
Regelungen zur Restitution von Kulturerbe aus kolonialen Kontexten. Das gelingt nur in enger
Zusammenarbeit mit den Nachkommen und zivilgesellschaftlichen Initiativen der ehemals
Kolonisierten und Geschädigten weltweit. Gleichzeitig muss sich die deutsche
Erinnerungskultur für die vielfältigen Erfahrungen und Geschichten der Menschen öffnen, die
nach Deutschland eingewandert sind oder deren Geschichte mit der deutschen verwoben ist, und
das Gedenkstättenkonzept muss entsprechend weiterentwickelt werden. Wir werden uns auch für
eine aktive Erinnerungskultur in allen öffentlichen Institutionen einsetzen.
Ein Entwicklungsplan für den Sport
Im Sport, dem größten Träger der organisierten Zivilgesellschaft und des freiwilligen
Engagements, werden täglich demokratische Werte wie Gemeinsamkeit, Toleranz, Integration,
Inklusion, Engagement und Gesundheitsprävention gelebt und vermittelt. Damit übernimmt der
Sport eine herausragende Rolle für das gesellschaftliche Zusammenleben. Dies werden wir
fördern und bessere Rahmenbedingungen schaffen. Wir setzen uns dafür ein, dass sich die
Teilhabe von Frauen im Sport und die Diversität von Sportler*innen und Athlet*innen auch in
der Besetzung von Entscheidungsgremien niederschlägt. Wir wollen Ideen und Energien bündeln
und zusammen mit den Sportverbänden, Ländern, Kommunen, der Wissenschaft und unter
Beteiligung der Bürger*innen einen Entwicklungsplan Sport erarbeiten und umsetzen – ähnlich
dem Goldenen Plan aus den 1960ern. Ein besonderer Fokus muss dabei vor allem auf
strukturschwachen Regionen, gerade in Ostdeutschland, liegen, denn die Diskrepanz zwischen
Ost und West ist beim Breitensport auch 30 Jahre nach der friedlichen Revolution ein
Problem. Ausreichend vorhandene und barrierefreie Sportstätten und Bewegungsräume zählen in
Städten und ländlichen Räumen zur Daseinsvorsorge, deshalb wollen wir, dass Bewegungs- und
Sportflächen in der Wohnungsbaupolitik und Quartiersplanung fest verankert und die
bestehenden Anlagen unter Beachtung der energetischen Vorschriften durch die Kommunen
saniert werden können. Dazu gehören auch insbesondere Schwimmsportstätten, denn unser
Anspruch ist, dass jedes Kind schwimmen lernen kann. Das wollen wir mit einem Bundesprogramm
zur Sanierung und Instandsetzung von Schwimmstätten erreichen. Sportgroßveranstaltungen
sollen klimaneutral, sozial, nachhaltig und menschenrechtskonform ermöglicht, ihre Kosten
transparent dargestellt werden, sodass sie auch einen bleibenden Infrastrukturgewinn für die
Bürger*innen vor Ort schaffen. Dafür braucht es eine bundesweit einheitliche und föderal
abgestimmte Gesamtstrategie, bei der von Beginn an Bürger*innenbeteiligung Teil der Planung
ist. Das Prinzip Prävention ist die beste Vorsorge, daher wollen wir für alle zugängliche
öffentliche Bewegungsräume unterstützen, die es auch Menschen mit einem geringen Einkommen
ermöglichen, Sport zu betreiben. E-Sport ist längst kein Nischenthema mehr und begeistert
immer mehr Menschen. Wir wollen neue Wege in Sport- und Jugendvereinen ermöglichen – mit der
Anerkennung der Gemeinnützigkeit für E-Sport stärken wir ehrenamtliches Engagement.
Potenziale für Nachwuchsgewinnung in IT- und Kreativwirtschaft wollen wir aktivieren. Die
Entwicklungen von E-Sport und Gaming werden wir insbesondere im Hinblick auf Diversität,
Nachhaltigkeit, Jugendschutz sowie Medienkompetenz fördern und zusammen mit Gamer*innen,
Verbänden und Wissenschaft gestalten; gemeinsam mit allen Akteur*innen stellen wir uns gegen
Diskriminierung und Hatespeech.
Spitzensport braucht Breitensport
Ein starker Breitensport braucht Vorbilder. Im Leistungssport muss es um die bestmögliche
Förderung von Talenten gehen und nicht allein um die Fixierung auf eine bestimmte
Medaillenanzahl. Deshalb wollen wir bei der Förderung des Spitzensports die Bedingungen und
Perspektiven für Leistungssportler*innen insbesondere für den Nachwuchs in den Mittelpunkt
stellen. Die bisherigen staatlichen Beschäftigungsmöglichkeiten für Leistungssportler*innen
werden durch zivile Alternativen ergänzt. Die wichtige soziale und pädagogische Arbeit von
Trainer*innen im Ehrenamt und Hauptberuf wollen wir aufwerten. Bei der Doping-Prävention und
im Anti-Doping-Kampf stärken wir die NADA und fordern auf internationaler Ebene
weitreichende Reformen der WADA, die ihre Aufgaben vollständig unabhängig ausführen und
Athlet*innen echte Mitbestimmung ermöglichen muss. Die Dopingvergangenheit gilt es lückenlos
aufzuklären, Dopingopfer unterstützen wir angemessen. Auch Korruptionsskandale auf höchster
Ebene der Sportfunktionär*innen sowie die zunehmende Kommerzialisierung bedrohen den
Spitzensport. Gerade beim Fußball als Publikumssport gilt es die Partizipationsmöglichkeiten
von Fans zu erhöhen und ihn wieder stärker gesellschaftlich zu verankern. Deswegen sollen
Transparenz und Good Governance auch im Sport vorangetrieben werden. Die Einhaltung von
Menschenrechten muss von Sportverbänden auf Grundlage der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft
und Menschenrechte umgesetzt und bei der Vergabe von Sportgroßereignissen zur Voraussetzung
gemacht werden. Wir setzen uns für eine nationale Strategie gegen psychische, physische und
sexualisierte Gewalt im Sport ein, bei der der Aufbau eines unabhängigen Zentrums für Safe
Sport ein integraler Bestandteil ist. Gegen Rechtsextremismus und andere Formen
gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Sport gehen wir mit einem langfristigen finanziell
starken Bundesprogramm vor, das von einer unabhängigen Stelle beraten wird. Für die
sozialpädagogischen Fußballfanprojekte und deren Koordinationsstelle sichern wir
verlässliche Rahmenbedingungen. Wir schützen die
Bürger*innenrechte von Fans und diese vor ausufernden Datensammlungen und Kollektivstrafen.
Noch immer vorhandene sexistische Strukturen müssen aufgebrochen und Sportstätten
gendersensibel geplant werden.
Wir bauen Europa weiter
Die Zukunft der EU demokratisch gestalten
Wir sehen Deutschland in einer zentralen und historischen Verantwortung für den Zusammenhalt
und die Fortentwicklung der EU. Zuletzt aber wurde von Berlin aus bestenfalls verwaltet,
oftmals gebremst. Wir wollen die Europapolitik aktiv und koordiniert gestalten – mit klarem
Wertekompass, entlang einer starken deutsch-französischen Zusammenarbeit und im
Zusammenspiel mit unseren europäischen Partner*innen. Unser Ziel ist eine demokratisch
gestärkte EU, die zusammenhält, voranschreitet und ihr ganzes Gewicht gegen die Klimakrise
und das Artensterben in die Waagschale wirft. Wir stehen ein für ein vereintes Europa ohne
Schlagbäume, denn die Freizügigkeit ist eine der größten Errungenschaften des europäischen
Projekts. In manchen Bereichen kommen wir nur mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten voran.
Die verstärkte Zusammenarbeit im Rahmen der Verträge bietet dafür gute Möglichkeiten und
muss stets im Bestreben, dass sich letztlich alle anschließen können, und mit vollen
Parlamentsrechten erfolgen. Die Weiterentwicklung europäischer Institutionen steht für uns
in engem Zusammenhang mit dem Ausbau des sozialen Zusammenhalts in der EU. In den kommenden
Monaten bietet die „Konferenz über die Zukunft Europas“ eine große Chance, die europäische
Öffentlichkeit zu stärken und gemeinschaftlich mit den Bürger*innen Reformen der EU zu
entwickeln. Wir wollen sie nutzen für die nächste Phase der europäischen Integration auf dem
Weg zur Föderalen Europäischen Republik und um europäische Antworten auf die großen
Herausforderungen zu formulieren. Die Ergebnisse der Konferenz sollen im Rahmen der
europäischen Gesetzgebung bis hin zu Vertragsänderungen umgesetzt werden.
Europäisches Parlament stärken
Die Geschichte der EU ist eine Geschichte zunehmender Legitimität der europäischen
Institutionen. Unser Ziel ist, die parlamentarische Demokratie der Europäischen Union zu
stärken: mit einem Parlament, das in allen Bereichen gleichberechtigt mit dem Rat
entscheidet, ein vollwertiges Initiativrecht für die Gesetzgebung und ein starkes
Haushaltsrecht erhält. Es soll die Kommission auf Vorschlag der Kommissions-Präsident*in
wählen sowie durch ein konstruktives Misstrauensvotum entlassen können. Für die Wahlen zum
Europäischen Parlament setzen wir uns dafür ein, dass die Bürger*innen mit ihrer Stimme für
einen Spitzenkandidaten bzw. eine Spitzenkandidatin der Parteien auch die/den nächste*n
Präsident*in der EU-Kommission bestimmen. Ein Teil der Abgeordneten soll zukünftig nicht
mehr über viele nationale Listen ins Europaparlament einziehen, sondern über EU-weite,
transnationale Listen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Unionsbürger*innenschaft zu einer
europäischen Staatsbürger*innenschaft fortentwickelt wird, sodass Unionsbürger*innen in den
Mitgliedstaaten, in denen sie leben, dieselben Rechte und Pflichten genießen. Wir wollen,
dass alle EU-Bürger*innen, die ihren dauerhaften Lebensmittelpunkt in Deutschland haben,
nicht nur bei Kommunal- und Europawahlen, sondern perspektivisch auch bei Landtags- und
Bundestagswahlen wählen dürfen.
Mit Mehrheitsentscheidungen Blockaden auflösen
Die Europäische Union braucht mehr Handlungsfähigkeit, um auf Augenhöhe mit den heutigen
Herausforderungen voranzukommen. Blockaden durch einzelne Staaten in Bereichen wie der
Außen- und Sicherheitspolitik und in Steuerfragen oder auch bei Energie und Sozialem können
wir uns nicht länger leisten. Solange nationale Einzelinteressen das europäische Gemeinwohl
ausbremsen können, wird die EU keine aktivere Rolle, etwa für mehr Steuergerechtigkeit oder
mehr Verantwortung für Demokratie und Menschenrechte in der Welt, übernehmen können. Darum
setzen wir uns dafür ein, für alle verbleibenden Politikbereiche, in denen heute noch im
Einstimmigkeitsprinzip entschieden wird, Mehrheitsentscheidungen in Mitentscheidung des
Europäischen Parlaments einzuführen. Das ist auch deshalb wichtig, um bei weiteren
Erweiterungsrunden der EU deren Handlungsfähigkeit zu sichern. Unser Ziel ist es, die
europäischen Institutionen zu einem Zweikammersystem weiterzuentwickeln
Ein europäisches Vereins- und Gemeinnützigkeitsrecht
Zum europäischen Gemeinwesen gehört das Zusammenwachsen der Zivilgesellschaften. Deshalb
setzen wir uns für ein EU-weites Vereins- und Gemeinnützigkeitsrecht ein. Ein europäischer
Vereinsstatus mit klaren Regeln zu Gründung, Gemeinnützigkeit und Auflösung würde Vereine
dem Schutz der EU unterstellen und nationaler Willkür entziehen. Zudem wollen wir die
Europäische Bürger*inneninitiative als zentrales Instrument der Teilhabe der Bürger*innen
und der Zivilgesellschaft stärken. So sollen Bürger*innen die Einberufung von Europäischen
Zukunftskonferenzen oder Bürger*innenräten fordern können, von denen auch eine Reform der
Verträge angeregt werden kann. Ist eine Bürger*inneninitiative erfolgreich, sollte
spätestens nach einem Jahr und einer Prüfung auf Vereinbarkeit mit den EU-Grundrechten ein
Gesetzesvorschlag folgen und im Europaparlament eine Plenumsabstimmung über das Ziel der
Initiative stattfinden.
Einflussnahme auf EU-Gesetzgebung transparent machen
Mehr Transparenz stärkt die europäische Demokratie und das Vertrauen der Bürger*innen in
Politik. Um nachvollziehbar zu machen, wofür die Regierungen der Mitgliedstaaten in Brüssel
eintreten, setzen wir uns für Fristen im Rahmen der Gesetzgebung ein, bis zu denen eine
öffentliche Debatte im Rat stattgefunden haben muss. Dabei müssen alle Regierungen ihre
aktuelle Position zum Vorschlag der Ratspräsidentschaft vorlegen. In einer deutschen
Bundesregierung gehen wir hierbei mit gutem Beispiel voran. Auch den Zugang zu EU-Dokumenten
wollen wir substanziell weiterentwickeln. Die EU arbeitet bei Interessensvertreter*innen
bereits transparenter als der Bundestag. Wir wollen weitere Schritte gehen – mit einem
verbindlichen Lobbyregister für alle EU-Institutionen, strikteren Karenzzeiten beim Wechsel
zwischen Politik und Wirtschaft und einem „legislativen Fußabdruck“, durch den die
Einflussnahme auf Gesetzgebung überprüfbarer wird, kontrolliert durch eine unabhängige
Ethikbehörde, die Sanktionen verhängen kann.
Europäische Grundrechte einklagbar machen
Die EU ist eine Gemeinschaft der Werte und des Rechts. Wir wollen die EU-Grundrechtecharta
langfristig gegenüber den Nationalstaaten einklagbar machen, um so alle EU-Bürger*innen in
ihren Rechten zu stärken. Mit dem EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Grundrechte setzen wir uns für ein stärkeres Instrument ein, um Verstöße autoritärer
Mitgliedstaaten zu sanktionieren. Aus dem jährlichen Rechtsstaatlichkeitsbericht sollen
konkrete Maßnahmen bis hin zu Vertragsverletzungsverfahren und der Nichtauszahlung von
Subventionen folgen. Der neu geschaffene Rechtsstaatsmechanismus muss sofort zum Einsatz
kommen. Kommunen und Regionen sowie Nichtregierungsorganisationen sollen dann direkt von der
EU gefördert werden können. Bei den Artikel-7-Verfahren zur Rechtsstaatlichkeit braucht es
substanzielle Fortschritte. Alle Mitgliedstaaten sollen sich der Europäischen
Staatsanwaltschaft anschließen, wenn sie neue EU-Gelder erhalten wollen und öffentlich
Rechenschaft über die Empfänger*innen von Subventionen ablegen. Jede*r siebte Europäer*in
ist Teil einer nationalen oder Sprachminderheit. Wir unterstützen die Minority SafePack
Initiative und wollen Minderheitenrechte wie den Erhalt von Sprache, Kultur und Identität
sowie Namensführung in der EU stärken.
Eine öffentlich-rechtliche Medienplattform in Europa
Ein zusammenwachsendes Europa braucht eigene, öffentliche digitale Orte, an denen seine
Bürger*innen zusammenkommen können, um sich zu informieren, zu partizipieren, sich zu
unterhalten und politisch zu diskutieren. Dafür kommen bislang nur kommerziell betriebene,
digitale Plattformen in Frage. Als zeitgemäße Antwort setzen wir uns darum für eine
europäische, digitale Plattform in öffentlicher Trägerschaft ein. Sie bündelt europaweit
qualitativ hochwertige Inhalte – werbefrei, offen und mehrsprachig. Basierend auf
technischer Offenheit, Interoperabilität und besten Datenschutzstandards kann sie darüber
hinaus gerade auch für die Zivilgesellschaft und Bildungseinrichtungen als
Kommunikationsplattform dienen, um Inhalte bereitzustellen und in Informationskampagnen die
EU den Bürger*innen näherzubringen. Die Grundlage bildet ein öffentlich-rechtlicher Auftrag.
Sie arbeitet zusammen mit den nationalen öffentlichen Rundfunkanstalten, um deren Inhalte
europaweit zugänglich zu machen, und agiert frei von jedweder politischer Einflussnahme.
Europa der Kommunen und Regionen
Eine demokratische, vielfältige und bürger*innennahe EU lebt von der Stärke der Kommunen und
Regionen. Getreu dem Subsidiaritätsprinzip soll die EU da unterstützen, wo Kommunen an ihre
Grenzen stoßen – aber nicht jeden Lebensbereich regulieren. Die Wettbewerbsregeln des
Binnenmarkts dürfen Kommunen nicht zur Privatisierung öffentlicher Güter zwingen. In EU-
Handelsabkommen braucht es Ausnahmen für die kommunale Daseinsvorsorge sowie für öffentliche
und soziale Dienstleistungen. Für mehr europaweite Kooperation wollen wir
Städtepartnerschaften stärken, INTERREG-Programme für grenzüberschreitende Zusammenarbeit
ausweiten und Euregios und Eurodistrikte durch weniger Bürokratie und mehr Flexibilität
fördern. Die europäische Zusammenarbeit im Hochschulbereich wollen wir stärken und in diesem
Sinne das Konzept der European Universities weiterentwickeln. Kommunen und Regionen brauchen
mehr Mitsprache auf europäischer Ebene, unter anderem über einen gestärkten Ausschuss der
Regionen. Zur Umsetzung des Green Deal und bei der Gestaltung und Vergabe von
Förderprogrammen setzen wir auf das Partnerschaftsprinzip und unterstützen lokale kleine und
mittelständische Unternehmen dabei, ihren Beitrag zu leisten. Bürokratie wollen wir durch
verstärkte Digitalisierung abbauen. EU-Haushaltsmittel sollen künftig auch verstärkt
kommunalen und lokalen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen direkt bereitgestellt werden.
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