Wenn wir tatsächlich Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern herstellen wollen, dann müssen wir bereit sein, die Erziehung und Versorgung von Kindern in der Familie als systemrelevante Arbeit für die ganze Gesellschaft anzuerkennen, für die die Gesellschaft dann auch konkret die Verantwortung übernimmt.
Nur dieses grundsätzliche Umdenken kann die Frauen mit Kindern aus ihrem gesellschaftlichen Engpass befreien.
Die allgemein sehr viel geringere, männliche Verantwortungsbereitschaft gegenüber den Kindern spiegelt sich in der Tatsache, dass von den 1,5 Millionen Alleinerziehenden 90% Frauen sind. Aber auch jetzt in der Pandemie hat sich gezeigt, dass es die hauptsächlich die Frauen sind, die sich um die Kinder in der Familie im Spagat zu ihrer beruflichen Tätigkeit kümmern und damit an ihre Belastungsgrenze getrieben werden. Das Gleiche gilt auch für die Pflege von Angehörigen. Die Frauen ersparen dem Staat monatlich eine Menge Geld, wenn sie ihre Angehörigen selbst pflegen und enden damit in der Altersarmut.
Die Erziehung und Versorgung von Kindern in der Familie ist unter den Bedingungen einer hochtechnisierten und digitalisierten Wellt nichts, was nebenbei erledigt werden kann. Die Präsenz von vertauten Bezugspersonen, regelmäßige Gespräche und Mahlzeiten, Begleitung bei der schulischen Laufbahn, erfüllte zwischenmenschliche Begegnungen in der Freizeit, all dassind notwendige Bedingungen für die Entwicklung empathiefähiger Menschen. Auch der Übertritt der Kinder und Jugendlichen aus der Geborgenheit der Familie in die offene Gesellschaft benötigt eine gute pädagogische Begleitung. All dies bedeutet für die Bezugspersonen einen enormen Zeitaufwand.
Natürlich wird sofort die Frage aufkommen: „Und wie sollen wir das finanzieren?“
Mit der Care-Arbeit kann nicht unmittelbar Geld verdient werden, deshalb wird ihr gesellschaftlich auch nur ein geringer Rang beigemessen, obwohl sie systemrelevant ist und von allen gebraucht wird. In der allgemeinen Verteilung der Steuergelder sehen viele Unternehmen gerade im expandierenden IT- und Finanzbereich nicht, wie wichtig ihr Beitrag zum Gemeinwohl ist und üben sich in Steuervermeidungsstrategien.
Vielleicht sollten wir einmal darüber nachdenken, so etwas wie einen Care-Soli für die Industriezweige einzuführen, in denen jährlich hohe Umsätze gemacht werden sowie für Finanztransaktionen. Die Bereitschaft Steuern zu zahlen könnte in Unternehmen wachsen, wenn sie eine größere Transparenz in der Steuerverwendung erleben und vertrauen können, dass ihr Soli-Beitrag direkt diesem systemrelevanten Bereich zugute kommt.
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