Pflege ist die unterschätzte Ressource im Gesundheitswesen. Gerade in der Primärversorgung ist die Pflege bisher garnicht autonom handlungsfähig. Dabei zeigt sich aus der aktuellen Studienlage, dass die Versorgung durch Pflegeexpert*innen mindestens genauso qualitativ hochwertig und effizient wie bei Hausärzt*innen erfolgen kann (https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD001271.pub3/full ).
Die Verordnung von Hilfsmitteln und pflegenahen Produkten ist hierbei nur der logische Schritt aus der aktuellen pflegerischen Arbeit. Pflegekräfte wenden die Produkte, (zB. Wundmaterial, Inkontinenzmaterial) an und haben die praktische Erfahrung, sowie das professionsspezifische Wissen zum Umgang mit diesen. Sie sind es, die mit den Menschen selbst die Beratung und Anleitung zum Umgang hierzu durchführen und somit auch die Entscheidung über die Auswahl der Produkte treffen müssen. Das Verschreiben Hausärzt*innen zu überlassen ist oft ein ausschließlich bürokratischer Akt, der mehr Aufwand für alle Beteiligten aber besonders für die zu Pflegenden und deren Angehörige bedeutet. Zudem kommt es aufgrund fehlender praktischer Erfahrung und Wissen der Ärzt*innen viel zu häufig vor, dass ungeeignetes Material verordnet wird. Das muss für eine qualitativ hochwertige Versorgung vermieden werden. Der Grund dafür, dass diese Aufgabe von Ärzt*innen übernommen wird, darf nicht sein, dass sie dies eben grundsätzlich bei anderen Produkten bereits tun.
Wenn wir die Pflege wirklich bei ihrer Emanzipation unterstützen möchten, ist dies mitunter einer der wichtigsten Schritte. Das Problem fehlender Perspektiven im Pflegeberuf ist essentiell. Es wird bereits seit Jahrzehnten von einer Stärkung des Berufes gesprochen und versucht die Pflege attraktiver zu gestalten. Eigenverantwortliches Arbeiten ist dafür besonders wichtig. Es schafft neue Arbeitsfelder, in denen die Kompetenzen der Pflegenden auch wirklich genutzt werden können. Dass dies bisher so begrenzt möglich ist, ist einer der Gründe für die hohe Ausstiegsquote in diesem Beruf. Des Weiteren wäre das Einsetzen von Pflegeexpert*innen in der Primärversorgung eine Entlastung für Hausärzt*innen und eine Möglichkeit Versorgungslücken zu schließen. Diese Kompetenzerweiterung wäre somit der erste notwendige Schritt, um die Pflege perspektivisch als eigenständig therapierende Profession im Gesundheitswesen zu integrieren.
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