Der Reformprozess des PsychThG mit all seinen Vorteilen, die wir begrüßen, hat mehrere Haken:
1. Er unterschlägt, dass das Zweiklassendenken bezüglich HAWen und Universitäten in der Hochschullandschaft überkommen ist.
Konsekutive Bachelor-/Master- Studiengänge haben den gleichen Arbeitsaufwand, sind ebenfalls nach den gleichen Kriterien wissenschaftlich anerkannt und schließen mit dem gleichen Qualifikationsniveau (Bachelor EQR=6; Master EQR=7) ab wie universitäre Studiengänge. Über Lehre und Studium muss paritätisch entschieden werden. Die Landeshochschulgesetzte sehen zudem keine Unterscheidung der Abschlüsse nach Hochschulart mehr vor.
2. Das Angebot des neuen Studiengangs auch an Hochschulen für angewandte Wissenschaft wäre zudem im Sinne einer flächendeckenden psychotherapeutischen Versorgung. HAWen befinden sich im Gegensatz zu Universitäten vermehrt im ländlichen Raum, wo die psychotherapeutische Versorgung häufig desolat ist (https://www.bptk.de/wp-content/uploads/2019/01/20110622_BPtK-Studie_Langfassung_Wartezeiten-in-der-Psychotherapie.pdf). Die Bindung von jungen Absolvent*innen an den ländlichen Raum kann über das Studium im ländlichen Raum gelingen, ebenfalls kann mit den Institutsambulanzen ein Teil der Versorgung geleistet werden.
3. Auch zur Abbildung aller wissenschaftlich fundierten psychotherapeutischen Verfahren, die mit der bisherigen Reform gefährdet ist (psychoanalytische Psychotherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Verhaltenstherapie und systemische Psychotherapie), kann durch die Berücksichtigung von HAWen gewährleistet werden. Der einzige psychoanalytische Lehrstuhl an Universitäten in Frankfurt am Main wird höchstwahrschenilich nicht neu besetzt, da verfahrensoffen ausgeschrieben wird (https://psychodynamik-hessen.de/allgemein/online-petition-psychoanalytischer-lehrstuhl-goethe-universitaet/).
Deshalb ist es unverständlich, warum Hochschulen für angewandte Wissenschaften beim Angebot des neuen Studiengangs ausgeschlossen werden sollten. Dieser Auffassung sind ebenfalls der Kulturausschuss des Bundesrats (Bundesrats-Drucksache 98/1/19; Punkt 10), die
Landesregierung Sachsen-Anhalt (Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4291), die Grüne Bundestagsfraktion (Bundestag Drucksache 19/9272) und Campusgrün – Bundesverband grün-alternativer Hochschulgruppen (http://www.campusgruen.de/themen/beschluesse/10758157.html) sowie der Kreisverband Altmark (https://gruene-altmark.de/hawen-fhen-beim-angebot-des-neuen-studiengangs-psychotherapie-einbeziehen/).
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