Laut Mikrozensus gehen Experten und NGOs von mindestens 80.000 unversicherten Menschen in Deutschland aus, die Dunkelziffer wird weitaus höher geschätzt, obwohl am 01.08.2013 das Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in Kraft trat. Da teilweise der Stichtag vielen Menschen nicht bekannt war und/oder neue Beitragsschulden entstanden sind, ist die Zahl unversicherter Menschen weiterhin hoch und trifft vor allem wohnungslose Menschen oder EU-Bürger:innen, aber auch ehemals selbständige Menschen, deren Gründung gescheitert ist.
Rückkehrer:innen in private wie gesetzliche Krankenversicherungen müssen einen Teil der Beiträge nachzahlen, die eigentlich seit Versicherungspflicht entstanden wären. Es gibt Möglichkeiten der Reduzierung, es bleiben trotzdem Schulden und bürokratisch extrem hohe Hürden. Der Paritätische hält fest:
„Wie hoch die Dunkelziffer ist, weiß jedoch keiner. Sicher ist allerdings, dass Betroffene – würden sie sich heute anmelden – alle Beiträge rückwirkend bis zum Beginn der Versicherungspflicht im Jahre 2007 nachzahlen müssten. Zwar gibt es für bedürftige Beitragszahler und Beitragsschuldner Ansprüche aus staatlichen Sicherungssystemen, aber die meisten scheuen aus unterschiedlichsten Gründen den Gang zum Sozialamt oder eine Bedürftigkeitsprüfung. Ob Beitragsschuldner oder Nichtversicherter – für sie gibt es nur einen sehr eingeschränkten Zugang zur medizinischen Versorgung.“ (https://www.der-paritaetische.de/schwerpunkt/mensch-du-hast-recht/menschenrechtsblog/und-raus-bist-du-das-leben-ohne-gesetzliche-krankenversicherung/)
Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW)zum Gesetzentwurf der Bundesregierung GKV-Versichertenentlastungsgesetz (GKV-VEG) /Auszug:
„Überschuldete Menschen: Ergänzender Handlungsbedarf einer Amnestieregelung. Es gibt eine große Gruppe von Menschen, die trotz des am 1. August 2013 in Kraft getretenen Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden weiterhin hohe Beitragsschulden hat. Das liegt daran, dass sie sich entweder nicht rechtzeitig zum Stichtag des Beitragserlasses für Versicherungspflichtige gemeldet oder zwar einen Beitragserlass für Schulden aus dem vor 2014 liegenden Zeitraum erwirkt haben, aber wieder neue Beitragsschulden aufgelaufen sind, weil sie die laufenden Beiträge nicht zahlen konnten. Während dieser Zeit ruht ihr Leistungsanspruch gegenüber der Krankenversicherung (§ 16 SGB V) und sie haben nur einen eingeschränkten Anspruch auf Versorgung und in Notfällen. (…)
Lösungsvorschlag: „Erfolgt die Anzeige nach Absatz 1 bis zum 31. Dezember 2022, soll die Krankenkasse den für die Zeit seit dem Eintritt der Versicherungspflicht nachzuzahlenden Beitrag und die darauf entfallenden Säumniszuschläge nach § 24 des Vierten Buches erlassen. Satz 1 gilt für bis zum 31. Juli 2022 erfolgte Anzeigen der Versicherungspflicht nach § 5 Absatz 1 Nummer 13 für noch ausstehende Beiträge und Säumniszuschläge entsprechend.“
Die BAGFW fordert zusätzlich, den Zugang zum vollen Leistungsangebot der Kranken-versicherung auch dann zu gewährleisten, wenn eine Überschuldung gegeben ist. Hierfür müssen dringend praktikable Regelungen geschaffen werden. Des Weiteren ist die Gesetzgebung in Bezug auch auf Lücken und Versorgungsprobleme für sozial benachteiligte Pflichtversicherte mit Beitragsschulden und Privatversicherte im Notlagentarif auszuweiten und nachzujustieren.“
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