Die jährlichen Al-Kuds-Märsche in Berlin, missbräuchliche Verwendung mancher Hanau-Gedenkveranstaltungen durch linke Gruppen, um Israel zu dämonisieren, israelhassende Demonstrationen rund um die Debatte um israelische Annexionspläne im letzten Jahr etc.
Diese genannten Vorfälle „auf der Straße“ machen das offenbar, was viele Studien der vergangenen Jahre schon befürchten haben lassen: Israelbezogener Antisemitismus ist in Deutschland eine der verbreitesten Formen des Antisemitismus und ist ein Phänomen, das in allen Teilen der Gesellschaft auftritt.
Laut der Mitte-Studie der Friedrich Ebert Stiftung von 2016 zeigten 40% der Deutschen Zustimmung für Isrealbezogenen Antisemitismus
Zum Beispiel stimmten 24% der Befragten folgender Aussage zu: »Was der Staat Israel heute mit den Palästinensern macht, ist im Prinzip auch nichts anderes als das, was die Nazis im Dritten Reich mit den Juden gemacht haben.«
Diese schockierenden Zahlen zeigen, wie tief diese Gedanken in der Gesellschaft verankert sind und es deswegen kein Zufall ist, wenn es zu offen antisemitischen Ereignissen wie den genannten kommt.
Natürlich müssen weiterhin kontroverse Diskussionen über israelische Politik und den Nahostkonflikt geführt werden, sie sind sogar sehr wichtig und wertvoll.
Aber für solche Diskussionen ist wichtig, sich im Vorhinein zu überlegen, ab welchen Positionen man etwas entschieden ablehnen muss.
Diese zwei Sätze tun genau das ein: Sie beschreiben, wo für den Kreisverband Münster und hoffentlich auch für die GRÜNEN insgesamt israelbezogener Antisemitismus beginnt.
Dieser liegt vor, wenn Israel dämonisiert wird, also als Kolonialstaat bezeichnet oder für die Widrigkeiten in der Region allein verantwortlich gemacht wird, wenn also die Rolle zB der Hamas komplett ignoriert wird. Antisemitisch ist es auch, dass Existenzrecht Israel zu leugnen, denn nach allem was man so beobachtet, in der Nahostregion und der Welt, ist Israel einer der wenigen Orte, wo jüdische Menschen ohne Bedrohung leben können.
Es ist wichtig, antisemitische Ressentiments über Israel als das zu erkennen, was sie sind: Antisemitismus, der potenziell für alle jüdischen Menschen bedrohlich ist. Sie dürfen nicht als bloße Israelkritik verharmlost werden.
Der BDS (die „Boycott, Divestment, Sanctions – Bewegung“) ist hier als Beispiel genannt, weil er genau das tut, was durch die Passage verurteilt werden soll.
Warum diese zwei Sätze im Kapitel über jüdische Menschen in Deutschland, wenn es doch anscheinend um Israel/Palästina geht?
Die benannten antisemitischen Gedanken sind in der hiesigen Gesellschaft verbreitet und viele jüdische Menschen, wenn selbstverständlich auch nicht alle, fühlen sich mit Israel verbunden. Israel bietet für sie die Möglichkeit des Schutzes, falls sie vor Antisemitismus in Deutschland fliehen müssen. Es ist ein unzumutbare Zukunftsvorstellung, dass sich jüdische Menschen in Deutschland erst von Israel distanzieren müssen oder BDS gutheißen müssen, um hier sich hier etwas sicherer fühlen zu dürfen.
Deswegen sollten wir für uns klar formulieren, was es für uns heißt, sich gegen jede Form des Antisemitismus, also auch gegen den israelbezogenen zu stellen.
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