Antrag Kapitel: | Kapitel 6: International zusammenarbeiten |
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Antragsteller*in: | Jian Omar (KV Berlin-Mitte) und 36 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 38%) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Erledigt durch: PB.B-01-181 |
Eingereicht: | 26.04.2021, 13:25 |
PB.I-01-588-2: Kapitel 6: International zusammenarbeiten
Verfahrensvorschlag zu PB.B-01-181: Antragstext
Von Zeile 181 bis 185 (PB.B-01: Kapitel 4: Bildung und Forschung ermöglichen ):
In Deutschland gibt es hochwertige AusbildungswegeBildungswege, sowohl an Hochschulen als auch im dualen Berufsbildungssystem. Wir wollen, dass berufliche und akademische Bildung gleichwertige Chancen auf eine selbstbestimmte Lebensplanung und ein erfolgreiches Arbeitsleben bieten und so eine echte Wahlfreiheit für junge Menschen besteht. Sowohl Ausbildung als auch Studium vermitteln wertvolle und vielfältig einsetzbare Fähigkeiten. Dafür müssen alle Berufsschulen gut ausgestattet sein und muss allen Auszubildenden ein eigenständiges Leben ermöglicht werden – durch eine
Von Zeile 190 bis 193 (PB.B-01: Kapitel 4: Bildung und Forschung ermöglichen ):
Bundesbehörden stärken. Daneben sind Talentscouting-Programme genauso wie die Begabtenförderung unabhängig vom Bildungsgang auszubauen. UndAusbildung und Studium sind Zeit Neues zu entdecken. Deshalb sollen mehr Auslandsaufenthalte für Auszubildende und Studierende ermöglicht werden. Ebenso wollen wir Studium und Ausbildung für Menschen aus dem Ausland erleichtern. Wir unterstützen die Aufstockung der europäischen Förderprogramme wie ERASMUS+ und möchten, dass mindestens 10 Prozent der Auszubildenden sollen schnellstmöglich einen Auslandsaufenthalt antreten können. So internationalisieren wir neben der akademischen auch die berufliche Bildung.
Bildung ermöglicht. Von Anfang an gibt sie Kindern, jungen Menschen und Erwachsenen bis ins
hohe Alter die Möglichkeit, sich zu entfalten und über sich hinauszuwachsen, Altes zu
hinterfragen und Neues zu entdecken. Bildung und Inklusion schaffen die Grundlagen, seinen
eigenen Weg im Leben selbstbestimmt gehen zu können. In guter Bildungspolitik, Aus- und
Weiterbildung, in visionärer Forschung und kluger Wissenschaftspolitik liegen unendlich viel
Potenzial, um dieses Land gerechter, moderner und krisenfester zu machen.
Ein gutes Bildungssystem ist ein Schlüssel für gleiche Lebenschancen und Zusammenhalt in
einer vielfältigen Gesellschaft. Aber viel zu sehr hängt der Lebenslauf in Deutschland noch
von der Familie, dem Nachnamen oder dem Wohnort ab statt von den eigenen Fähigkeiten. Und
die Pandemie verschärft die ohnehin zu große soziale Ungleichheit: Wo Kinder auf wenig
Förderung von zu Hause hoffen können, wo der Zugang zu Laptops oder Smartphones fehlt und
kein Elternteil Zeit hat, beim Lernen zu helfen, drohen sie dauerhaft abgehängt zu werden.
Die Kinder, die am stärksten von der Krise getroffen wurden, benötigen daher die meiste
Unterstützung. Doch auch insgesamt führten die Schulschließungen zu einer Bildungslücke quer
durch alle Jahrgänge, es fehlten das gemeinsame Lernen, die Gespräche, das Spielen auf dem
Pausenhof, was sich bei Kindern auch auf die kognitive und soziale Entwicklung auswirken
kann. Kinder und Jugendliche haben in der Pandemie Unglaubliches für die gesamte
Gesellschaft geleistet. Wir sind es ihnen schuldig, sie endlich in den Mittelpunkt von
Politik zu stellen. Sie sind die Staatsbürger*innen und die Demokrat*innen von morgen.
Gleiche Lebenschancen heißt, unterschiedlich zu fördern. Wo mehr benötigt wird, muss mehr
investiert werden. Wir wollen Kitas und Schulen, in die Kinder und Jugendliche, aber auch
Erzieher*innen und Lehrer*innen gleichermaßen gerne gehen. Und zwar egal ob auf dem Land
oder in der Stadt, ob in ärmeren oder reicheren Vierteln. Erzieher*innen und Lehrer*innen
sind jederzeit systemrelevant, diese Wertschätzung sollte sich in ihrer Arbeit, ihrer
Bezahlung und in der Ausstattung widerspiegeln. Schulen sollten die besten Orte im Land
sein, mit schnellem Internet und sauberen Toiletten, mit multiprofessionellen Teams, die
dank guter Aus- und Weiterbildung, sicheren Berufswegen und einem guten Lohn Kinder in ihren
unterschiedlichen Bedürfnissen bestmögliche Unterstützung geben. Da die Weichen am Anfang
gestellt werden, müssen dort auch die meisten Ressourcen reinfließen. Vor allem für Kitas
und den Primarbereich werden wir die Investitionen deutlich erhöhen.
Bildung ist ein Recht für jedes Alter und jeden Lebensweg. Ein Lebenslauf lässt sich nicht
am Reißbrett planen, darum müssen unsere Bildungswege flexibel und durchlässig sein. Abitur
auf dem zweiten Bildungsweg, die Tischler*innenlehre mit Mitte 30 oder der erste
Studienabschluss überhaupt in der Familie – das alles muss möglich sein und darf nicht davon
abhängen, ob es von zu Hause finanzielle Unterstützung gibt. Ob Ganztags- oder Abendschule,
ob duale Berufsbildung, Weiterbildung oder Studium, ganz gleich, ob als Handwerker*in am
Bau, als Angestellte*r im Büro oder selbständig im eigenen Betrieb: Wir unterstützen die
vielfältigen Lebensbahnen und die dazu passenden Bildungsverläufe.
Die Auszubildenden und Student*innen leiden unter den Auswirkungen der Pandemie. Sicher
geglaubte Ausbildungsplätze sind weggefallen, manche Studierende haben noch nie einen
Hörsaal von innen gesehen. Gerade weil dies eine entscheidende Lebensphase der
Neuorientierung ist, stehen wir in besonderer Pflicht, Sicherheit und Perspektiven zu
schaffen. Für alle, die eine Ausbildung anstreben, wollen wir einen guten Ausbildungsplatz
garantieren. Es darf keine verlorene Generation Corona geben.
Um die großen Krisen einzudämmen – die Klimakrise, Pandemien –, ist alle Kreativität und
jeder Forschungsgeist gefragt. Ein gutes Leben wird auch künftig möglich sein, weil
Wissenschaftler*innen und Forscher*innen in Betrieben, Hochschulen und außeruniversitären
Einrichtungen permanent und mit Leidenschaft an neuen Ideen arbeiten, an Antworten auf
Fragen, die wir noch gar nicht gestellt haben. Aber sie können neuartige Impf- oder
alternative Antriebsstoffe nur dann entwickeln, wenn sie eine gut ausgestattete
Forschungsumgebung haben und sie Neues mit ungewissem Ausgang erforschen und ausprobieren
können. Sie brauchen für ihre Arbeit optimale und verlässliche Bedingungen, unnötige
bürokratische Hürden sollten wir abbauen.
Wissenschaft zeigt immer wieder neue Denkhorizonte und Möglichkeiten auf und ändert so den
Lauf der Dinge. Sie gibt eine zentrale Orientierung für politisches Handeln, das zeigen
Klimakrise und Pandemie. Aber in Zeiten von Informationsfilterblasen und
Verschwörungsideologien werden wissenschaftliche Erkenntnisse öffentlich in Zweifel gezogen.
Nötig ist ein verständlicher Wissenschaftsdialog, der Wissenschaft und Gesellschaft näher
zusammenbringt – durch partizipative Formate und Förderung der Wissenschaftskommunikation.
Wir fördern gute Bildung von Anfang an
Für jedes Kind einen Kitaplatz in einer guten Kita
Egal, aus welcher Ecke Deutschlands und aus welchem Elternhaus, alle Kinder brauchen die
Chance auf ein gutes und geborgenes Aufwachsen. Kitas haben einen entscheidenden Anteil
daran. Sie schaffen Halt, wecken Neugier, vermitteln Freude am Zusammensein mit
Gleichaltrigen und begleiten beim Großwerden. Mit einem Bundesqualitätsgesetz sorgen wir
dafür, dass Spitzenqualität in die Einrichtungen kommt, denen wir unsere Kleinsten
anvertrauen. Die Zeit, die Fachkräfte für die Kinder haben, ist entscheidend dafür, dass
sich Kinder wohlfühlen und individuell gefördert werden können. Deshalb wollen wir mit
Mindeststandards sicherstellen, dass sich eine Erzieherin oder ein Erzieher um höchstens
vier unter Dreijährige und neun über Dreijährige gleichzeitig kümmern. Darüber hinaus müssen
sie genügend Zeit für Vor- und Nachbereitung, Elterngespräche und Fortbildungen haben. Den
Fachkräften in den Kitas stärken wir den Rücken mit Fachberatung und Mentoring-Programmen,
Lernortkooperationen und Unterstützung für berufliche Weiterentwicklung innerhalb des Kita-
Systems. Damit alle Kinder, auch Kinder mit Behinderungen, einen Platz in einer guten Kita
bekommen können, wollen wir das Engagement des Bundes beim Platzausbau weiterführen.
Mehr Fachkräfte in Kitas, Horten und Schulen
Die pädagogischen Fachkräfte in Kitas, Horten oder Schulen tragen eine hohe Verantwortung,
denn sie prägen den Lebensweg von Kindern bereits in sehr frühen Jahren entscheidend mit.
Doch diese Verantwortung spiegelt sich noch nicht ausreichend in der Bezahlung der
Fachkräfte wider. Für die wichtige Arbeit, die Erzieher*innen leisten, brauchen sie einen
guten Lohn. Mit einer wirkungsvollen Fachkräfteoffensive wollen wir zudem für faire
Ausbildungsvergütungen, Weiterentwicklungsmöglichkeiten und gute Arbeitsbedingungen sorgen,
dabei darf die Ausbildung zum Erzieher*innenberuf nicht am Schulgeld scheitern. Um den
Lehrkräftemangel mit gut qualifiziertem Personal nachhaltig bewältigen zu können, wollen wir
mit einem Bund-Länder-Programm hochwertige Quereinstiegsbildung fördern und gemeinsame
Qualitätsstandards sichern.
Recht auf einen Ganztagsplatz für jedes Grundschulkind
Schulen sollen starke Orte der Bildung, der Begegnung und der Inspiration sein. Dafür
brauchen sie motivierte Fachkräfte, gut ausgestattete Räume und Zeit. Zeit für gemeinsames
Lernen und Spielen, Forschen und Entdecken, gemeinsame kulturelle, soziale und demokratische
Erfahrungen, Sprach- und Bewegungsförderung, individuelle Betreuung und Hausaufgabenhilfe.
Dafür sind Ganztagsplätze in einer Grundschule oder einem Hort wichtig. Unser Ziel ist,
einen individuellen Rechtsanspruch für jedes Grundschulkind auf Ganztagsbildung und -
betreuung umzusetzen – mit genügend Fachkräften in multiprofessionellen Teams, anregenden
Räumen und Schulhöfen, einem gesunden Mittagessen und einer breit gefächerten Zusammenarbeit
mit Sportvereinen, Musikschulen und anderen Akteuren vor Ort. Dafür wollen wir einen
finanziellen Anreiz schaffen. Es gilt, Ganztag für alle Kinder zu ermöglichen, ob mit
Behinderungen oder ohne. Der Anspruch auf Integrationshelfer*innen muss überall gelten –
gleich ob in der Ganztagsschule oder bei Hortangeboten durch die Jugendhilfe. Eltern von
Kindern mit Behinderungen dürfen keine zusätzlichen Kosten entstehen. Die Umsetzung des
Rechtsanspruchs wird ein gesamtdeutscher Kraftakt. Das muss sich bei der Beteiligung des
Bundes an den Kosten widerspiegeln. Um alle Grundschulen auf ihrem Weg zu inklusiven Orten
der Ganztagsbildung zu unterstützen, werden wir ein Begleitprogramm zur Förderung von
Schulentwicklungsprozessen auf den Weg bringen und damit Koordinierungsstellen fördern.
Corona-Rettungsschirm für Kinder
Die Pandemie droht die soziale Ungleichheit in der Bildung dramatisch zu verschärfen. Gerade
Kinder mit schlechteren Startchancen wurden nur noch schwer oder gar nicht mehr von
Bildungsangeboten erreicht. Rund ein Fünftel der Kinder kehrt mit einer großen Bildungslücke
zurück in die Schule. Bund, Länder und die Spitzenverbände der Kommunen müssen an einen
Tisch, um einen umfassenden bundesweiten Bildungsrettungsschirm für zusätzliche
Lernförderung aufzulegen. Damit jedes Kind den Anschluss behält, sowohl bei den Lehrinhalten
als auch bei kognitiven und sozialen Entwicklungen, wollen wir über ein Bund-Länder-Modell-
Programm jede Schule mit Budgets ausstatten, die sie selbstverantwortet flexibel einsetzen
können, um für Kinder mit besonderem Bedarf gezielt Lernförderung anzubieten. Daneben soll
Studierenden, angehenden Absolvent*innen aus der akademischen und beruflichen Bildung sowie
pensionierten Lehrkräften ermöglicht werden, Schulen als kompetente Bildungslots*innen zu
unterstützen.
Programm für Schulen in benachteiligten Regionen und Quartieren
Bildungschancen sind Zukunftschancen. Jedes Kind hat ein Recht auf eine gute Schule, egal,
wo es lebt. Der Alltag sieht aber anders aus. Wir schlagen ein Bundesmodellprogramm für mehr
Bildungsgerechtigkeit vor, um Schulen mit besonderem Unterstützungsbedarf zu stärken. Wir
fördern multiprofessionelle Teams, in denen sich Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter*innen und
Erzieher*innen gegenseitig ergänzen und mit unterschiedlichen Perspektiven bereichern, um
die Schüler*innen ideal unterstützen zu können. Dazu gehört es, systematische Präventions-
und Interventionsarbeit zu leisten, Lernlücken zu schließen und deutsche wie auch
muttersprachliche Sprachfertigkeiten zu fördern. Alle Akteur*innen kooperieren auf
Augenhöhe. So wird auch die Elternarbeit verbessert und Schulen werden zu
Unterstützungsorten für die ganze Familie. Schüler*innen sollen sich wohlfühlen können und
keine Angst vor der Schultoilette haben. Darum wollen wir in bessere Räume und eine bessere
Lernumgebung investieren.
Digitale Bildung auf die Höhe der Zeit bringen
Digitale Bildung ist viel mehr als Wissensvermittlung, sie ist ein Schlüssel für
Zukunftskompetenzen. Das geht über das Whiteboard oder Coden hinaus: Die Digitalisierung hat
unsere Art zu leben verändert, also muss sich auch unsere Art, Schule zu denken, wandeln.
Mit Lehrer*innen, die Spaß an neuer Didaktik haben, Schüler*innen, die sich spielerisch, zum
Beispiel durch Gamification, neue Inhalte erschließen, und Schulen, die dafür technisch
optimal aufgestellt sind. Allerdings hat die Pandemie gezeigt, dass es schon an den
Grundlagen fehlt, auch im Vergleich mit anderen Ländern. Das wollen wir ändern: mit einer
zeitgemäßen digitalen Ausstattung und mit Strukturen, die die Schulen beim digitalen Lehren
und Lernen wirkungsvoll unterstützen – mit Fort- und Weiterbildungsangeboten für das
pädagogische Fachpersonal sowie einem zentralen Ort der Beratung und des Austauschs zur
Bildung in einer digitalen Welt. Wir wollen, dass Tablet oder Laptop genauso
selbstverständliches Lernmittel sind wie früher Atlas oder Englischbuch. Unser Ziel ist es,
allen Schüler*innen neue Arten des Lernens zu ermöglichen und sie auch auf eine
selbstbestimmte Teilhabe in einer digitalisierten Welt vorzubereiten. Zukunftskompetenzen
wie Kooperation, Kommunikation, Kreativität und kritisches Denken in der digitalen Welt
werden immer relevanter. Um das alles umzusetzen, wollen wir auch den DigitalPakt zu einem
echten gemeinsamen Vorhaben weiterentwickeln – mit klaren Zielen und Zeithorizonten, die
gemeinsam im Rahmen der jeweiligen Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen erreicht
werden sollen.
Bildungszusammenarbeit von Bund und Ländern
Unser Ziel ist ein Bildungssystem, das überall gute Ausgangsbedingungen sichert und
unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Aufenthaltstitel oder Behinderungen gleiche und
gerechte Chancen garantiert. Für notwendige Maßnahmen braucht es einerseits eine
ausreichende finanzielle Ausstattung der Länder, andererseits wollen wir die
Kooperationsmöglichkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen verfassungsrechtlich
abgesichert stärken. So sollen Schulen zu Orten werden, die – verankert in der Nachbarschaft
– auf die Entwicklung der jeweiligen Potenziale der Kinder ausgerichtet sind. Schulen
brauchen dafür eigene Entscheidungsspielräume. Die derzeitigen Regelungen zwischen Bund und
Ländern beschränken die Möglichkeiten, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam
auf neue Herausforderungen zu reagieren. Mit einer „Ermöglichungsklausel“ für die
Bildungszusammenarbeit im Grundgesetz wäre gemeinsames Handeln dort möglich, wo es notwendig
ist. Grundlage all dessen ist jedoch eine auskömmliche Bildungsfinanzierung, vor allem in
den Grundschulen und Kitas, da hier die Basis gelegt wird.
Wir stärken Ausbildung und Studium
Sichere Ausbildungsperspektiven
Trotz enormen Fachkräftemangels sinkt die Zahl der jungen Menschen, die eine
Berufsausbildung beginnen. Gleichzeitig landen immer mehr in den Warteschleifen des
Übergangssystems. Die duale Ausbildung muss auf sichere Beine gestellt werden. Wir wollen
mit der Ausbildungsgarantie allen jungen Menschen den Beginn einer Ausbildung ermöglichen.
Dafür fördern wir verstärkt Verbundausbildungen und nutzen, wo notwendig, auch
außerbetriebliche Ausbildungen. Unternehmen, die ausbilden wollen, unterstützen wir über
eine Umlagefinanzierung. Mit dem Ausbau der assistierten Ausbildung und
ausbildungsbegleitender Hilfen wollen wir mehr Jugendliche in ihrer Ausbildung unterstützen.
Wichtig ist, dass in der Bildung auch einzelne Ausbildungsbausteine als Teilqualifikationen
zertifiziert und anerkannt werden, damit keine Leistung auf dem Weg zum Berufsabschluss
verloren geht. Damit alle Jugendlichen am Übergang von der Schule in den Beruf gute Beratung
aus einer Hand und unter einem Dach erhalten, unterstützen wir den Ausbau flächendeckender
Jugendberufsagenturen.
Berufliche und akademische Bildung sind gleich viel wert
In Deutschland gibt es hochwertige AusbildungswegeBildungswege, sowohl an Hochschulen als auch im dualen
Berufsbildungssystem. Wir wollen, dass berufliche und akademische Bildung gleichwertige
Chancen auf eine selbstbestimmte Lebensplanung und ein erfolgreiches Arbeitsleben bieten und so eine echte Wahlfreiheit für junge
Menschen besteht. Sowohl Ausbildung als auch Studium vermitteln wertvolle und vielfältig einsetzbare Fähigkeiten. Dafür müssen alle Berufsschulen gut ausgestattet sein und muss allen
Auszubildenden ein eigenständiges Leben ermöglicht werden – durch eine
Mindestausbildungsvergütung von mindestens 80 Prozent der durchschnittlichen tariflichen
Ausbildungsvergütungen. Abschlussvoraussetzungen für die Eingruppierung in Entgeltgruppen
des öffentlichen Dienstes im gehobenen und höheren Dienst wollen wir im Bund flexibilisieren
und die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung bei Ausschreibungen der
Bundesbehörden stärken. Daneben sind Talentscouting-Programme genauso wie die
Begabtenförderung unabhängig vom Bildungsgang auszubauen. UndAusbildung und Studium sind Zeit Neues zu entdecken. Deshalb sollen mehr Auslandsaufenthalte für Auszubildende und Studierende ermöglicht werden. Ebenso wollen wir Studium und Ausbildung für Menschen aus dem Ausland erleichtern. Wir unterstützen die Aufstockung der europäischen Förderprogramme wie ERASMUS+ und möchten, dass mindestens 10 Prozent der
Auszubildenden sollen schnellstmöglich einen Auslandsaufenthalt antreten können. So
internationalisieren wir neben der akademischen auch die berufliche Bildung.
Eine Grundsicherung in Ausbildung und Studium
Wir wollen, dass sich jede*r eine schulische Ausbildung oder ein Studium leisten kann und
dafür den Kopf frei hat. Dafür wollen wir als ersten Schritt das BAföG neu aufsetzen und zu
einer Grundsicherung für Studierende und Auszubildende umbauen. Diese beinhaltet einen
Garantiebetrag für alle Student*innen und Auszubildenden und einen Bedarfszuschuss für jene
aus einkommensarmen Elternhäusern. Der Garantiebetrag ersetzt das Kindergeld und wird direkt
an die Studierenden oder Auszubildenden überwiesen. Der zweite Baustein, der
Bedarfszuschuss, wird bedarfsabhängig gezahlt. Die Höhe richtet sich nach Einkommens- und
Vermögenssituation der Eltern sowie der Studierenden und Auszubildenden und wird auch direkt
an die Empfänger*innen überwiesen. Die maximale Höhe des Bedarfszuschusses richtet sich nach
den Regelsätzen für Erwachsene, die wir im Rahmen der grünen Garantiesicherung anheben
wollen. Da nicht jeder Bildungsweg linear oder zum Teil berufsbegleitend verläuft, wollen
wir die Bildungsfinanzierung noch stärker eltern- und perspektivisch altersunabhängig
konzipieren. Ein Schritt in diese Richtung ist die Einführung eines Weiterbildungs-BAföGs.
Studiengebühren lehnen wir ab.
Wir ermöglichen lebensbegleitendes Lernen
Ein Rechtsanspruch auf Weiterbildung
Die Möglichkeit zur beruflichen Neuorientierung und der Freiraum, Neues zu lernen, sind in
einer modernen Wissensgesellschaft und Arbeitswelt im Umbruch unerlässlich. Auch durch die
Corona-Pandemie ist bei vielen die Notwendigkeit entstanden, sich neue Arbeitsfelder zu
erschließen. Wir wollen, dass jede*r, egal ob arbeitslos, selbständig oder angestellt,
künftig selbstbestimmt neue berufliche Perspektiven entwickeln kann. Wir treten daher für
einen individuellen Rechtsanspruch auf Weiterbildung ein. Zur sozialen Absicherung ist für
arbeitsmarktbedingte Weiterbildungen ein auskömmliches Weiterbildungsgeld nötig, für alle
anderen, die sich beruflich entwickeln oder neuorientieren wollen, ein Weiterbildungs-BAföG.
So profitieren auch diejenigen, die bei der beruflichen Weiterbildung bislang das Nachsehen
haben, etwa Frauen, Menschen mit Migrationsgeschichte und alle prekär Beschäftigten. Um
abhängig Beschäftigten die Zeit für eine berufliche Qualifizierung einzuräumen, wollen wir
einen Freistellungsanspruch mit Rückkehrrecht auf den vorherigen Stundenumfang einführen.
Daneben werden wir für eine verbesserte und gebündelte Beratung und Unterstützung
Bildungsagenturen aufbauen. Dort sollen sich die relevanten regionalen Träger von
Weiterbildung vernetzen. Eine zentrale Online-Plattform, die unabhängig und öffentlich
finanziert ist, soll außerdem alle Angebote bündeln. Zudem wollen wir die Volkshochschulen
bei ihren Aufgaben unterstützen.
Alphabetisierung vorantreiben
In Deutschland gelten gut sechs Millionen Menschen ab 18 Jahren als „funktionale
Analphabet*innen“. Sie haben also Schwierigkeiten, ganze Texte zu verstehen. Die große
Mehrheit von ihnen hat einen Schulabschluss. Diese Zahlen sind 100 Jahre nach Einführung der
allgemeinen Schulpflicht und in einer der reichsten Industrienationen der Welt nicht
hinnehmbar. Wir wollen Geld und Kurskapazitäten bereitstellen – für Erwachsene, aber auch
für Kinder. Denn die Ursachen liegen oft schon im Vorschulalter. Wir wollen konkrete
Reduktionsziele für Analphabetismus festlegen und evaluieren.
Wir verbessern die Bedingungen für Wissenschaft und
Forschung
Mehr Raum für große Ideen
Die großen Herausforderungen unserer Zeit wie die Klimakrise, Pandemien oder auch eine
effizientere Nutzung von Rohstoffen können wir nur mit der Hilfe von innovativen Lösungen
und Fortschritt bewältigen. Der Markt kann vieles allein, aber bei der Lösung solcher großen
Aufgaben muss der Staat ein wichtiger Innovationstreiber werden. Er soll klare Zielvorgaben
machen, Kooperationen von Unternehmen, Hochschulen und Zivilgesellschaft organisieren und
mit gezielter Forschungsförderung und strategischer Industrie- und Beschaffungspolitik
Dynamik entfachen. Große Probleme können nur umfassend gelöst werden. Wir wollen deshalb die
Förderpolitik des Bundes an den VN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs) ausrichten. Technische,
soziale und ökologische Innovationen sind deshalb gleichwertig. Die „Agentur für
Sprunginnovation“ (SprinD) sollte flexibler ausgestaltet werden, damit sie sich auf ihre
Kernaufgaben konzentrieren kann.Insgesamt wollen wir die Kompetenz für Wissenschaft und
Forschung in allen Ministerien sowie den zentralen, obersten Bundesbehörden stärken und die
ressortübergreifende Zusammenarbeit bei den großen Forschungsherausforderungen verbessern.
Unsere Behörden sollen nachhaltigen Wandel ermöglichen und nicht bremsen.
Forschungsfinanzierung aufstocken und vereinfachen
Als Wissensgesellschaft trägt Deutschland die Verantwortung, beste Bedingungen für Forschung
und Innovation zu schaffen. Wir wollen erreichen, dass bis 2025 Staat und Unternehmen
insgesamt mindestens 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung in Forschung und Entwicklung
investieren. So ermöglichen wir mehr Kreativität, Freiräume und internationale Vernetzung
und schaffen Planbarkeit in unserer Forschungslandschaft. Außerdem brauchen wir eine
auskömmliche Grundfinanzierung in der Wissenschaft, um die Abhängigkeit von den in den
letzten Jahren stark gestiegenen Drittmitteln wieder einzudämmen. Im Wettbewerb vergebene
Drittmittel können zwar durchaus zusätzliche Dynamiken freisetzen, doch häufig sind ihre
Laufzeiten zu kurz. Daher wollen wir einen größeren Teil der öffentlichen
Drittmittelförderung länger als die üblichen drei Jahre aufsetzen. Eine weitere Dynamik
wollen wir entfachen, indem wir die Mittelbereitstellung vereinfachen. Das erhöht auch in
zukünftigen Krisen die Reaktionsfähigkeit des Wissenschaftssystems. Denn die Zukunft unseres
Landes hängt auch davon ab, wie flexibel und frei unsere Forschungslandschaft ist.
Wissenschaft für alle
In Zeiten von Informationsfilterblasen und Verschwörungsideologien einerseits und epochalen
neuen Herausforderungen andererseits ist wissenschaftliche Beratung wichtiger für die
demokratische Debatte denn je. Eine stärkere Einbeziehung der Zivilgesellschaft, ein
sicherer Zugang zu Informationen für alle sowie die verständliche Vermittlung
wissenschaftlicher Erkenntnisse sind Voraussetzungen für ein konstruktives, sich gegenseitig
stimulierendes Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft. Wir wollen interdisziplinäre
wissenschaftliche Expertise frühzeitiger – etwa durch Gesetzgebungslabore – in die
Politikentwicklung einbeziehen. Die Technikfolgenabschätzung und das Monitoring der
gesellschaftlichen Folgen politischer Maßnahmen sollten ausgebaut werden, um
Entscheidungsträger*innen zu unterstützen. Außerdem wollen wir die
Wissenschaftskommunikation stärken und die Aus- und Weiterbildung von Wissenschaftler*innen
in diesem Bereich fördern. Durch mehr partizipative Formate wie Reallabore, Citizen-Science
oder Experimentierräume kann die Gesellschaft besser an Forschungsvorhaben teilhaben. Das
bringt weitere Perspektiven ein und hilft, reale Veränderungsprozesse wissenschaftlich zu
begleiten.
Hochschule fit machen
Den Hochschulen fehlt es an Investitionsmitteln für die digitale Infrastruktur und die IT-
Sicherheit. Wir werden deshalb über eine Digitalisierungspauschale die IT-Infrastruktur an
Hochschulen stärken, Aus- und Weiterbildung der Lehrenden ausbauen und digitale Beratungs-
und Betreuungsangebote für Studierende ausweiten. Der Zugang zu Forschungsdaten soll
erleichtert werden, indem wir Open Access zum Standard erklären und als wissenschaftliche
Leitidee etablieren. Die dadurch anstehende Reform der Finanzierung wissenschaftlicher
Publikationen darf nicht zu Lasten der Forscher*innen gehen. Wir wollen die nationale
Forschungsdateninfrastruktur stärken und die Chancen der europäischen Cloud für Wissenschaft
und Forschung ergreifen. Zu einer zukunftsfesten Infrastruktur an den Hochschulen gehören
auch moderne Bibliotheken und Lehr- und Lernräume sowie die klimafreundliche Sanierung von
in die Jahre gekommenen Hochschulbauten.
Bessere Arbeitsbedingungen und sichere Berufswege
Sichere Arbeitsbedingungen und gleiche Karrierechancen für alle sind die Voraussetzungen für
eine lebendige und innovative Wissenschaftslandschaft, die auch für Wissenschaftler*innen
aus dem Ausland attraktiv ist. Für Nachwuchswissenschaftler*innen gibt es vor allem an
Hochschulen jedoch kaum planbare und sichere Berufswege. Das gefährdet den Forschergeist und
verschleudert Potenziale bei Innovation, Leistung und Qualität. Und es ist für die
Betroffenen eine Zumutung. Dem begegnen wir mit dem Ausbau der Tenure-Track-Professuren und
der substanziellen Reduzierung befristeter Mitarbeiter*innen-Stellen. Zudem wollen wir
unbefristete Berufswege neben der Professur schaffen und ausweiten. Daueraufgaben sollen
auch mit Dauerstellen gesichert sein. Die Wissenschafts- und Hochschullandschaft ist immer
noch vorwiegend männlich, weiß, westdeutsch und von Menschen aus akademischen Elternhäusern
geprägt. Das wollen wir ändern und Anreize für wirkungsvolle Diversitätsstrategien in
Wissenschaft und Forschung schaffen. Gerade Frauen kehren in der Postdoc-Phase der
Wissenschaft den Rücken, sodass nur ein Viertel aller Professuren in Deutschland von ihnen
besetzt ist. Wir wollen einen Frauenanteil von 40 Prozent auf allen Ebenen durch die
Einführung konkreter Zielquoten, eine Strategie für die bessere Vereinbarkeit von Familie
und Beruf im Wissenschaftsbereich, die Einführung des Kaskadenmodells sowie den Ausbau des
Professorinnenprogramms erreichen.
Wissenschaftsfreiheit verteidigen
Politisches Handeln in der geistigen Tradition der Aufklärung sowie die Orientierung an den
Erkenntnissen der Wissenschaft stehen immer stärker unter Druck, auch in Deutschland. Doch
es braucht freie Wissenschaft, um mit Erkenntnis und Innovation gesellschaftliche
Entwicklung zu ermöglichen und Menschheitsprobleme zu lösen. Wir wollen weltweit verfolgte
Wissenschaftler*innen und Studierende besser schützen, etwa durch einen europäischen Fonds.
Es muss wirksamen Schutz gegen Anfeindungen geben, wie sie mittlerweile auch Forscher*innen
und auch ausländische Studierende häufig erleben. Die Anerkennung von ausländischen
Berufsabschlüssen und die Visavergabe sollen vereinfacht werden. Konsequent werden wir
Angriffen auf die Wissenschaftsfreiheit in anderen Staaten der EU, etwa in Ungarn,
widersprechen und uns für die Sanktionierung im Rahmen des Rechtsstaatsmechanismus
einsetzen. Die Verteidigung der Wissenschaftsfreiheit muss zentraler Aspekt der Außenpolitik
sein.
Antragstext
Von Zeile 587 bis 588 einfügen:
verfolgte Künstler*innen und Wissenschaftler*innen sowie Maßnahmen gegen Desinformationskampagnen wollen wir verstärken. Außerdem wollen wir die internationale Bildungszusammenarbeit stärken, zirkuläre Migration und globale Verflechtungen akademischer, beruflicher und praktischer Bildungsnetzwerke wollen wir durch Austauschprogramme fördern und unterstützen.
Die großen Herausforderungen unserer Zeit sind global: Pandemien, die Klimakrise, Hunger,
Migration und die sozial-ökologische Transformation als besondere Aufgabe. Wir können sie
nur gemeinsam meistern. Jahrelang hat Deutschland in Europa und der Welt aber allenfalls
moderiert, oft gezögert, ist abgetaucht. Es ist Zeit, wieder eine aktive Außenpolitik zu
betreiben und als gestaltende Kraft voranzugehen im Sinne einer multilateralen und
vorsorgenden, einer kohärenten und wertegeleiteten Politik – stets europäisch und entlang
einer verlässlichen deutsch-französischen Zusammenarbeit, transatlantisch und im Rahmen der
Vereinten Nationen.
Gestützt auf die Agenda der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, das Pariser
Klimaabkommen und die rechtebasierte internationale Ordnung setzen wir uns für eine globale
Strukturpolitik ein, die den Schutz öffentlicher Güter, eine gerechte Ressourcenverteilung
sowie Entwicklungschancen für alle als beste Vorsorge gegen Konflikte, Gewalt oder das
unermessliche Leid von Flucht und Vertreibung begreift.
Ausgangspunkt unserer Politik ist eine gestärkte und handlungsfähige Europäische Union. Die
Werte, auf denen sie gründet, wollen wir nach innen verteidigen und nach außen beherzt
vertreten: Menschenrechte, Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Die EU als
Friedensmacht ist nicht nur Antwort auf eine lange und schmerzvolle Geschichte von Kriegen
und Feindseligkeiten auf unserem Kontinent, exportiert in die ganze Welt, sondern vor allem
ein Zukunftsversprechen, das es einzulösen gilt. Sie ist unser schützenswertes und
einmaliges Zuhause. Gerade weil wir überzeugte Europäer*innen sind, streiten wir für ihre
stetige Fortentwicklung. Wir arbeiten für eine europäische Wertegemeinschaft, die ihre
Abhängigkeit von Dritten in kritischen Bereichen ab- und ihre strategische Souveränität
ausbaut – in einem Gleichgewicht von Kooperation, wo möglich, und Eigenständigkeit, wo
nötig. Nur eine handlungsfähige und krisenfeste EU ist in der Lage, kritische Infrastruktur
und öffentliche Güter zu schützen, global für das Völkerrecht und die universalen
Menschenrechte einzustehen. Mit dem größten Binnenmarkt der Welt hat die EU wirtschaftlich
erheblichen Einfluss. Diesen Hebel wollen wir nutzen, um die globale Transformation gerecht
zu gestalten und ambitionierte Standards zu setzen.
Der erheblichen Widerstände und Dilemmata, die das bedeutet, sind wir uns bewusst. Das
autoritäre Hegemonialstreben einer chinesischen Regierung, das Menschen- und
Bürger*innenrechte systematisch aushebelt, zwingt Staaten nicht nur in wirtschaftliche und
politische Abhängigkeit, sondern spaltet auch Europa. Zugleich wird eine globale sozial-
ökologische Transformation ohne China, auch ohne Russland oder Brasilien, nicht möglich
sein. Das allein zeigt: Der Systemwettbewerb mit autoritären Staaten und Diktaturen ist
real, lässt bisweilen nur die Wahl zwischen Regen oder Traufe – und stellt uns vor derart
beachtliche Aufgaben, dass jede Form des Alleingangs zum Scheitern verurteilt wäre.
Wir können die vielen Widersprüche und Grenzen außen-, entwicklungs- und
sicherheitspolitischen Handelns nicht auflösen. Die Verteidigung von Menschenrechten,
Demokratie und das klare Bekenntnis zu Freiheitsbewegungen führen an die Grenzen politischer
Handlungsfähigkeit. Wir können uns aber dieser Verantwortung nicht entziehen. Umso zentraler
ist europäische Kohärenz und sind politische Bündnisse mit allen anderen Staaten, aber
gerade auch Regionen und zivilgesellschaftlichen oder zwischenstaatlichen Akteuren, für die
der Wert von Kooperation und die Stärke des Rechts ebenfalls Grundlage internationaler
Beziehungen sind. Diese Bündnisse wollen wir selbstbewusst mitgestalten. Souverän sind wir
nur gemeinsam.
Wir setzen auf den ehrlichen Interessensausgleich, die Achtung der Rechte marginalisierter
Gruppen, auf Zusammenarbeit und Rechtsstaatlichkeit, auf Konfliktprävention und
regelbasierte Konfliktbearbeitung in einer eng vernetzten Welt. Unser Ziel ist eine
Weltordnung, in der Konflikte nicht über das Recht des Stärkeren, sondern am
Verhandlungstisch gelöst werden. Und wir reichen allen die Hand, die daran teilhaben wollen.
All das tun wir im Wissen um Deutschlands Verantwortung in der Welt und im Bewusstsein um
die Verbrechen des Nationalsozialismus.
Als hochentwickelter und exportorientierter Industriestaat gehört Deutschland zu den
Hauptverursachern globaler Erwärmung und agiert als entscheidender Player einer
Globalisierung, die eben nicht nur Wohlstand und Entwicklung bedeutet, sondern auch zu
Ausbeutung von Mensch und Umwelt führt. Diese Verantwortung verstehen wir als Antrieb für
ambitionierte Veränderung und entschiedenes Handeln mit dem Ziel globaler Gerechtigkeit und
setzen dafür bei uns selbst an.
Das bedeutet auch: Wir fordern die Einhaltung und den Schutz der Menschenrechte nicht nur
von anderen ein, sondern messen uns selbst daran. Menschenrechte sind völkerrechtliche
Pflicht und unverrückbare Grundlage einer wertegeleiteten internationalen Politik. „Alle
Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“: Artikel 1 der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte ist Leitbild unseres Engagements – auch in der europäischen
Flüchtlingspolitik. Sie ist das große Versagen Europas. In keinem anderen Bereich scheitern
die europäischen Regierungen derart an den eigenen Ansprüchen von Moral, Menschenrechten und
internationalem Recht.
Das Versagen ist zugleich global: Nirgends auf der Welt wird Flucht angemessen und nach
klaren, menschenrechtsbasierten Prinzipien begegnet. Diese Regeln aber gibt es, ebenso wie
es immer wieder Momente in unserer Geschichte gab, da nach ihnen gehandelt wurde. Hier
wollen wir anknüpfen und – wenn nicht gesamteuropäisch, dann in einer humanitären Koalition
der Willigen innerhalb und außerhalb der EU – einen Paradigmenwechsel hin zur konsequenten
Vorbeugung gegen Fluchtursachen und zu einem menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten
vorantreiben. Wir setzen auf Rationalität und Handlungswillen, auf Humanität und
Verantwortung – und auf den unerlässlichen Pragmatismus der Nothilfe.
Die Größe und Komplexität der internationalen Herausforderungen, die da vor uns liegen,
sollte Messlatte unseres außenpolitischen Handelns sein. Die globalen Aufgaben sind
erheblich. Wagen wir die entsprechenden Antworten.
Wir treiben die sozial-ökologische Transformation voran
Schubkraft für globale Transformation
Mehr denn je bedrohen Klimaveränderungen und der Verlust von Artenvielfalt menschliche
Sicherheit und Freiheit sowie die nachhaltige Entwicklung – überall auf der Welt. Die Zeit
drängt. Darum braucht es in den nächsten Jahren einen energischen Schub für eine sozial-
ökologische Transformation. Die nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 und des
Klimaabkommens von Paris waren ein Aufbruch. Alle Länder sind seitdem verpflichtet, bei sich
zu Hause anzufangen und ihren Beitrag für die gemeinsame Aufgabe zu leisten – schließlich
sind es unsere Entscheidungen in Wirtschaft und Handel, bei Agrar- oder Rüstungsexporten,
die sich weltweit stark auf Klima, Artenschutz und globale Gerechtigkeit auswirken. Wir
wollen alle Politikbereiche in Deutschland auf die Transformation ausrichten und einen
Nachhaltigkeits- und Menschenrechts-TÜV einführen. Es gilt unsere internationalen Zusagen
einzuhalten und die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen der ODA-
Quote sowie der internationalen Klimafinanzierung und Biodiversität zu erfüllen. Auch
international wollen wir neuen Schwung in die sozial-ökologische Transformation bringen,
indem wir auf eine verbindliche Transformationsquote hinwirken. Wir bündeln die Ausgaben für
Entwicklungszusammenarbeit, internationale Klimafinanzierung und Teile der humanitären
Hilfe, um eine globale Transformation entlang den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten
Nationen und den Pariser Klimazielen zu finanzieren. Deutschlands Beitrag soll die ODA-Quote
erfüllen und bis 2025 8 Milliarden Euro zur internationalen Klimafinanzierung bereitstellen.
Klimaaußenpolitik
Wir verfolgen eine ambitionierte, nachhaltige und menschenrechtskonforme Klimaaußenpolitik.
Sie ist klimapolitisch notwendig, kann nachhaltige Entwicklung fördern, Ressourcenkonflikten
vorbeugen und Frieden sichern. Klimaaußenpolitik kann zu einer Win-win-Situation für Europa,
seine Nachbarn und die Länder des globalen Sonnengürtels führen. Sie bedeutet zum einen,
dass wir Europäer*innen unseren Bedarf an grüner Energie durch Klimapartnerschaften decken
helfen: grüner Wasserstoff statt Öl- und Gasimporte. Andererseits werden wir so endlich
unserer historischen Verantwortung gerecht, indem wir Elektrifizierung und
Technologietransfers insbesondere in afrikanischen Ländern vorantreiben und den massiven
Ausbau der erneuerbaren Energien in diesen Ländern unterstützen. Nur so können wir es
schaffen, global auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen. Wir stärken die bestehenden Fonds für
Klimaanpassung und Klimaschutz („Adaptation and Mitigation“) und setzen uns dafür ein, dass
es auch einen Fonds zum Ausgleich von Schäden und Verlusten („Loss and Damage“) gibt. Daraus
können zum Beispiel Klimarisikoversicherungen finanziert werden. Entwicklungs- und
Investitionsbanken wie die Weltbank sollten zu Transformationsbanken umgebaut werden.
Klima- und Umweltschutz schützt Menschenrechte
Der Schutz der Menschenrechte verpflichtet zum Klima- und Umweltschutz, umgekehrt schützt
Klima- und Umweltschutz Menschenrechte. Wir treten für verbindliche Mechanismen zum Schutz
von Menschen ein, die aufgrund von Extremwetterereignissen oder schleichender
Umweltveränderung ihre Heimat verlassen müssen. Regionale Ansätze, die den Betroffenen eine
selbstbestimmte und würdevolle Migration ermöglichen, unterstützen wir. Zugleich wollen wir
jene Staaten in die Pflicht nehmen, die historisch am meisten zur Erderwärmung beigetragen
haben. Die „Task Force on Displacement“ wollen wir strukturell stärken und setzen uns dafür
ein, dass ihre Empfehlungen ebenso umgesetzt werden wie der Globale Pakt für eine sichere,
geordnete und reguläre Migration sowie der Globale Pakt für Flüchtlinge. Initiativen zur
Stärkung des Rechtswegs und das Instrument der Klimaklagen unterstützen wir. Die
französische Initiative, das Umweltvölkerrecht zu kodifizieren und zu konsolidieren, greifen
wir auf und machen uns dafür stark, in einem ersten Schritt das Recht auf saubere Umwelt in
einer Resolution der VN-Generalversammlung zu verbriefen.
Armut weltweit bekämpfen
Durch die Corona-Pandemie ist die Armut weltweit dramatisch angestiegen. Armutsbekämpfung
ist zentrales Ziel unseres internationalen Engagements. Darum setzen wir uns dafür ein, dass
Menschen weltweit sozial abgesichert werden und wollen – gemeinsam mit lokalen
Organisationen und Expert*innen – zum Aufbau und einer nachhaltigen Stärkung von sozialen
Sicherungssystemen beitragen. In einem ersten Schritt können Menschen in besonders von Armut
betroffenen Regionen durch finanzielle Direkthilfen („social cash transfers“) im Rahmen der
ODA-Mittel abgesichert werden. Grundsätzlich wollen wir, dass soziale Sicherungsprogramme
die vulnerabelsten Gruppen erreichen – und Geschlechtergerechtigkeit und sozialen
Zusammenhalt fördern.
Wir stärken die multilaterale Zusammenarbeit
Vereinte Nationen reformieren
Ohne die Vereinten Nationen ist die multilaterale Zusammenarbeit an der sozial-ökologischen
Transformation nicht zu meistern. Ihre Institutionen versorgen überall auf der Welt
Millionen von Geflüchteten, stellen Bildung, Nahrung und Gesundheit zur Verfügung. Sie
vermitteln in unzähligen Kriegen und Konflikten und sind der Rahmen, in dem die beiden
wichtigsten multilateralen Abkommen der vergangenen Jahre ausgehandelt worden sind: die
2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung und das Pariser Klimaschutzabkommen. Das Engagement
Deutschlands und der EU für die Vereinten Nationen werden wir finanziell, personell und
diplomatisch substanziell verstärken, besser koordinieren und internationale Vereinbarungen
konsequent in nationale und europäische Politik umsetzen. So schaffen wir die
Voraussetzungen für notwendige Reformen des VN-Systems. Der Sicherheitsrat und andere Organe
der Vereinten Nationen sollten an die Realitäten des 21. Jahrhunderts angepasst werden.
Dabei geht es um eine gerechtere Repräsentation der Regionen im Sicherheitsrat. Das Konzept
der Vetomächte ist nicht mehr zeitgemäß. Wir zielen darauf, dass das Vetorecht langfristig
abgeschafft wird. Als Zwischenschritt sollte im Falle von schwersten Verbrechen gegen die
Menschlichkeit ein Veto im Sicherheitsrat mit einer Begründung und einem Alternativvorschlag
versehen werden. Wenn der Sicherheitsrat im Falle von schwersten Menschenrechtsverletzungen
anhaltend blockiert ist, soll die Generalversammlung an seiner Stelle über
friedenserzwingende Maßnahmen mit qualifizierter Mehrheit beschließen.
Resilienz gegen Epidemien erhöhen – WHO stärken
Zum Schutz vor neuen und zur Bekämpfung der alten Krankheiten setzen wir auf verstärkte
internationale Zusammenarbeit und Solidarität unter dem Dach der zu reformierenden
Weltgesundheitsorganisation als Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Wir wollen die
WHO in ihrer Ausstattung mit deutlich höheren Beiträgen und einem klaren Mandat als
koordinierende Organisation der globalen Gesundheit stärken. In der Gruppe der G20 werden
wir uns dafür einsetzen, ihr einen formellen Sitz einzuräumen. Medikamente und Impfstoffe
müssen in allen Ländern erschwinglich und zugänglich sein, das Patentrecht muss entsprechend
flexibel sein. Monopole auf geistiges Eigentum zur Bekämpfung von Krankheiten dürfen den
Zugang zu überlebenswichtigen Schutzmaterialien, Impfstoffen und Arzneimitteln nicht
versperren.
50 Prozent Frauen in internationalen Verhandlungen
Wir wollen dem Multilateralismus neue Impulse für mehr Zusammenarbeit geben. Transformation
gelingt nur mit Kooperation, und die gelingt nur durch Einbeziehung der betroffenen
gesellschaftlichen Gruppen. Nach wie vor ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen der
stärkste Indikator dafür. Wir wollen schrittweise für Deutschland und Europa eine 50-
Prozent-Quote in allen diplomatischen und multilateralen Verhandlungen, für die Entsendung
in internationale Organisationen sowie auf den Umsetzungsebenen durchsetzen. Um das zu
ermöglichen, ist eine 50-Prozent-Quote für Frauen im Auswahlverfahren für das Personal in
internationalen Einsätzen, in den international arbeitenden Ministerien sowie im gehobenen
und höheren Europäischen Auswärtigen Dienst notwendig. Es braucht vergleichbare Kriterien,
Standards, Indikatoren und Zeitrahmen für die Gleichstellungspläne der Ministerien,
vergleichbar mit dem „Gender Equality Plan“ nach dem Vorbild der schwedischen Regierung.
Wir arbeiten an guten Beziehungen in einer multipolaren
Welt
Für eine aktive europäische Nachbarschaftspolitik
Die EU muss vor allem in ihrer direkten Nachbarschaft mehr Verantwortung übernehmen. Die EU-
Erweiterungspolitik ist dabei eine Erfolgsgeschichte, die wir fortschreiben wollen. Deshalb
treten wir für konkrete Fortschritte bei der europäischen Integration des westlichen Balkans
und eine Aufnahme der Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien auf Grundlage der
Kopenhagener Kriterien ein. In Osteuropa streiten viele mutige Menschen in Ländern wie
Armenien, Georgien, der Ukraine oder Belarus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte. Wir unterstützen die demokratische Zivilgesellschaft und unabhängige Medien
in den östlichen Nachbarländern, wollen mehr Austausch zwischen Ost und West ermöglichen und
über die Östliche Partnerschaft der EU Justizreformen vorantreiben. Den EU-assoziierten
Ländern der Östlichen Partnerschaft wollen wir den Weg zu einem EU-Beitritt offenhalten. Im
Süden braucht es eine neue Mittelmeerpolitik, die gemeinsam Entwicklungspotenziale für die
Region realisiert und sich zugleich den enormen Herausforderungen stellt: Terrorismus,
autoritäre Regime, Staatszerfall. Gemeinsam wollen wir im Rahmen ambitionierter
Energiepartnerschaften den Mittelmeerraum zu einer Plus-Energie-Region machen. Derweil hat
zu unserem großen Bedauern mit Großbritannien erstmals ein Land das gemeinsame Haus der EU
verlassen. Es ist gut, dass mit dem Handels- und Kooperationsabkommen die Grundlage für
einen Neubeginn geschaffen wurde. Es bedarf aber weiterer Anstrengungen, um zu verhindern,
dass europäische Standards ausgehöhlt werden. Der Frieden auf der irischen Insel ohne harte
Grenze hat weiter Priorität.
USA
Die transatlantische Partnerschaft bleibt ein Stützpfeiler der deutschen Außenpolitik,
jedoch muss sie erneuert, europäisch gefasst, multilateral und an klaren gemeinsamen Werten
und demokratischen Zielen ausgerichtet werden. Als Kern einer erneuerten transatlantischen
Agenda der EU schlagen wir vor, einen gemeinsamen starken Impuls für die weltweite
Klimapolitik, ausgehend von den Pariser Klimazielen, zu geben. Wir setzen auch bei
Digitalisierung, der Stärkung des Multilateralismus, in Handelsfragen sowie bei der
Gesundheit auf eine gute Kooperation mit den USA. Wir wollen uns gemeinsam für den
weltweiten Menschenrechtsschutz und eine regelbasierte Weltordnung einsetzen. Das schließt
eine Verständigung über den Umgang mit autoritären Staaten wie China und Russland mit ein.
Der sicherheitspolitische Fokus der USA wird sich auch mit der neuen US-Regierung nicht
wieder zuvorderst auf Europa richten. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen selbst mehr
außen- und sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen. Das gilt insbesondere für die
Sicherheit der östlichen Nachbarländer der EU wie auch der baltischen Staaten und Polens.
Wir wollen die transatlantische Debatte auf vielen Ebenen führen, auch auf den jeweiligen
föderalen und lokalen, und damit nachhaltige, diverse gesellschaftliche Netzwerke knüpfen.
China
China ist Europas Wettbewerber, Partner, systemischer Rivale. Wir verlangen von China ein
Ende seiner eklatanten Menschenrechtsverletzungen etwa in Xinjiang und Tibet und zunehmend
auch in Hongkong. Es braucht dennoch einen konstruktiven Klima-Dialog mit China und wir
streben gemeinsame politische, wirtschaftliche und technologische Anstrengungen zur
Bekämpfung der Klimakrise an. Die Kooperation mit China darf nicht zu Lasten von
Drittstaaten oder von Menschen- und Bürger*innenrechten gehen. Wir halten uns an Europas
„Ein-China-Politik“ und betonen, dass Chinas Vereinigung nicht gegen den Willen der
Bevölkerung Taiwans erzwungen werden darf. Unsere Handelsbeziehungen mit China wollen wir
nutzen, um fairen Marktzugang für ausländische Investitionen, Rechtssicherheit und gleiche
Wettbewerbsbedingungen einzufordern. Wir erwarten, dass China die entscheidenden Kernnormen
der Internationalen Arbeitsorganisation ILO ratifiziert und die Zwangsarbeit beendet. Das
europäische Lieferkettengesetz muss angesichts der Menschenrechtsverletzung – etwa in
Xinjiang – Waren aus Zwangsarbeit den Zugang zum Binnenmarkt ebenso verwehren, wie es
Unternehmen für ihre Produkte in Haftung nimmt. Wir werden an einer engen europäischen und
transatlantischen Koordinierung gegenüber China arbeiten, besonders auch in den Bereichen
5G-Ausbau und Schutz kritischer Infrastruktur.
Russland
Russland hat sich zunehmend in einen autoritären Staat gewandelt und untergräbt immer
offensiver Demokratie und Stabilität in der EU und in der gemeinsamen Nachbarschaft.
Gleichzeitig erstarkt die Demokratiebewegung in Russland. Die mutige Zivilgesellschaft, die
der immer härteren Repression durch den Kreml die Stirn bietet und für Menschenrechte,
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kämpft, wollen wir unterstützen und den Austausch mit ihr
intensivieren. Für eine Lockerung der Sanktionen, die wegen der völkerrechtswidrigen
Annexion der Krim und des militärischen Vorgehens gegen die Ukraine gegen Russland verhängt
wurden, hat die EU klare Bedingungen formuliert. An diesen werden wir festhalten und die
Sanktionen bei Bedarf verschärfen. Wir verlangen, dass die russische Regierung ihre Zusagen
aus dem Minsker Abkommen umsetzt. Das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 ist nicht nur klima-
und energiepolitisch, sondern auch geostrategisch schädlich – insbesondere für die Situation
der Ukraine – und muss daher gestoppt werden.
Türkei
Wir stehen an der Seite all derer, die in der Türkei für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte kämpfen. Wir verurteilen die Menschenrechts- und Rechtsstaatsverletzungen,
fordern eine Freilassung aller politischen Gefangenen und die Rückkehr zu einem politischen
Dialog- und Friedensprozess in der kurdischen Frage. Wir weisen die aggressive Außenpolitik
der türkischen Regierung entschieden zurück und fordern sie auf, zu einer multilateralen
Außen- und Sicherheitspolitik zurückzukehren – das gilt es auch in der NATO zu
thematisieren. Die Wiederaufnahme der Gespräche über einen EU-Beitritt kann es erst geben,
wenn die Türkei eine Kehrtwende zurück zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vollzieht. Der
bestehende EU-Türkei-Deal untergräbt internationales Asylrecht, ist gescheitert und muss
daher beendet werden. Dafür braucht es ein neues, völkerrechts- und rechtsstaatskonformes
Abkommen, das aus den Fehlern der Vergangenheit lernt, die notwendige finanzielle und
logistische Unterstützung vor Ort garantiert und eine verbindliche Kontingentzusage zur
Umsiedlung besonders schutzbedürftiger Geflüchteter in die EU enthält. Wir lehnen es
entschieden ab, dass Menschen in Deutschland mit familiären Bindungen in die Türkei von der
türkischen Regierung politisch und religiös instrumentalisiert werden, unter anderem durch
in Deutschland tätige Vereine und Staatsmedien.
Israel und Palästina
Deutschland hat eine historische Verantwortung gegenüber Israel. Die Existenz und die
Sicherheit Israels als nationale Heimstätte des jüdischen Volkes mit gleichen Rechten für
all seine Bürger*innen sind unverhandelbar. Die Fortsetzung der engen Beziehungen sowie
Frieden und Stabilität im Nahen Osten sind ein zentrales Anliegen deutscher Außen- und
Sicherheitspolitik. Die zunehmende Bedrohung Israels in seiner Nachbarschaft verurteilen
wir. Die Sicherheitslage in der Region ist fragil und darf nicht weiter eskaliert werden.
Einseitige Maßnahmen wie eine Annexion von besetzten Gebieten oder der fortschreitende
völkerrechtswidrige Siedlungsbau laufen dem Ziel einer friedlichen und politischen Lösung
des Konflikts entgegen. Für Frieden und Sicherheit braucht es eine Zweistaatenregelung mit
zwei souveränen, lebensfähigen und demokratischen Staaten für Israelis und
Palästinenser*innen. Die angekündigten Wahlen in den palästinensischen Gebieten sind ein
positives Zeichen. Die Chance der politischen und wirtschaftlichen Abkommen Israels mit
arabischen Staaten wollen wir nutzen, um einen multilateralen Friedensprozess wieder
aufleben zu lassen und einen langfristigen Frieden in der Region zu schaffen. Europa soll
sich hierfür eng mit der neuen US-Regierung koordinieren.
Nachbarschaft und Partnerschaft mit Afrika
Die afrikanischen Staaten und die Europäische Union sind regional wie historisch eng
verbunden und teilen gemeinsame Interessen. Die afrikanischen Gesellschaften sind divers und
vielfältig mit über 3.000 Sprachen in 54 Staaten. In den Beziehungen mit den afrikanischen
Staaten setzen wir uns – auf Basis einer gemeinsamen, globalen Verantwortung für Frieden,
nachhaltige Entwicklung und Gerechtigkeit – für eine in der Bundesregierung und der EU
abgestimmte und differenzierte Politik ein. Die Zukunft liegt in einer Afrikapolitik, die
sich von kolonialen und patriarchalen Denkmustern freimacht und gleichzeitig die europäische
Verantwortung gegenüber dem Kontinent ernst nimmt. Die Fortsetzung einer einseitigen
Politik, die in weiten Teilen auf Fluchtabwehr, unfairen Handelsbeziehungen und der
Ausbeutung von Rohstoffen fußt, lehnen wir ab. Anstatt für sich ewig konterkarierende
Ansätze machen wir uns für eine gemeinsame und kohärente EU-Afrika-Strategie stark, die
Zukunftsthemen wie Klimaschutz und Digitalisierung ebenso ins Zentrum rückt wie die globale
sozial-ökologische Transformation und zivile Krisenprävention. Der Afrikanischen Union
stehen wir bei der Umsetzung ihrer Agenda 2063 und der regionalen Entwicklungsagenden nach
Kräften zur Seite.
Wir verteidigen die Menschenrechte
Menschenrechtsverteidiger*innen schützen
Menschenrechtsverteidiger*innen sind Held*innen. Sie verteidigen überall auf der Welt oft
unter Lebensgefahr für sich und ihre Familien die Einhaltung der Menschenrechte an
vorderster Front. Sie bedürfen unseres Schutzes, unserer Solidarität und aktiven
Unterstützung – auf allen Ebenen. An den besonders betroffenen deutschen
Auslandsvertretungen sollten deshalb Menschenrechtsreferent*innen als extra Anlaufstelle
etabliert und sollte eine ressortübergreifende systematische Berichterstattung über die
Menschenrechtslage im Land eingeführt werden. Für Menschenrechtsverteidiger*innen, die nicht
in ihrem Land bleiben können, weil sie dort akut gefährdet sind, wollen wir schneller und
häufiger als bisher humanitäre Visa bereitstellen und die neu eingerichtete Elisabeth-
Selbert-Initiative zu ihrer temporären Aufnahme ausbauen. Auf internationaler Ebene setzen
wir uns für den Ausbau von Förderungsmöglichkeiten für zivilgesellschaftliche Initiativen
und die finanzielle Stärkung der entsprechenden Schutzinstrumente und Institutionen, wie
beispielsweise Sonderberichterstatter*innen, ein.
Kriegsverbrecher*innen zur Rechenschaft ziehen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Kriegsverbrechen dürfen nicht ungestraft
bleiben – als Zeichen der Gerechtigkeit an die Opfer, als Signal der Abschreckung, als
Voraussetzung für Frieden und Versöhnung. Das deutsche Völkerstrafrecht bietet die
Möglichkeit der Verurteilung auch hier in Deutschland. Dazu werden wir die Kapazitäten beim
Bundeskriminalamt und der Generalbundesanwaltschaft ausbauen. Die Ermittlungen in Fällen
sexualisierter Gewalt sollten verbessert und die Strafprozessordnung sollte dort reformiert
werden, wo sie den Besonderheiten von Völkerstrafrechtsverfahren noch nicht Rechnung trägt.
International setzen wir uns für die Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofes und des
Mechanismus der Vereinten Nationen für die Untersuchung und Verfolgung von schwersten
Kriegsverbrechen in Syrien (IIIM) ein – politisch wie finanziell. Gerade Kinder und
Jugendliche, die sexualisierte und geschlechtsbasierte Gewalt, Entführungen, Rekrutierung
als Kindersoldat*innen erlebt haben, leiden unter schweren Traumata. Wird dieses Leid nicht
aufgearbeitet, beeinträchtigt es das Leben dieser Menschen und ihrer Familien sowie den
gesellschaftlichen Zusammenhalt über Generationen. Die individuelle Traumabearbeitung wollen
wir durch mehr qualifiziertes Personal und sichere Traumazentren vor Ort auch mit unseren
internationalen Partnern und in Deutschland deutlich ausbauen.
Keine Überwachungstechnologie für Diktaturen
Verschlüsselte Kommunikation rettet tagtäglich Menschenleben. In den sozialen Medien werden
Menschenrechtsverletzungen, die ansonsten unentdeckt geblieben wären, für alle sichtbar. Und
ohne Satellitenbilder ließe sich etwa die Vertreibung ganzer Dorfgemeinschaften in
Kriegsgebieten gar nicht erst nachvollziehen. Zugleich sind es oft europäische
Überwachungstools, die es autokratischen Regierungen ermöglichen, unliebsame Aktivist*innen
zu verfolgen. Wir zielen auf ein europäisches Moratorium für die Ausfuhr, den Verkauf und
die Weitergabe von Überwachungsinstrumenten an repressive Regime. Entsprechende
Schutzklauseln wollen wir in der deutschen wie europäischen Exportkontrolle verankern. Wir
fördern die Entkriminalisierung verschlüsselter Kommunikation und stärken die Multi-
Stakeholder-Governance des Internets auf internationaler Ebene. Im Rahmen unserer
internationalen Zusammenarbeit setzen wir uns für den Zugang aller zu digitaler Technologie
ein. Den freien Zugang zu Informationen als einem globalen öffentlichen Gut gilt es zu
fördern und zu schützen. Durch die Unterstützung von Trainings stärken wir die sichere
digitale Vernetzung zivilgesellschaftlicher Organisationen weltweit.
Für Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen weltweit
Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein Menschenrecht. Ohne Geschlechtergerechtigkeit
kann auch Armut nicht wirksam bekämpft werden. In vielen der ärmsten oder
konfliktgebeutelten Länder sind Frauen und Mädchen besonders von Armut, Hunger und Gewalt
betroffen. Wir setzen uns konsequent für die Rechte von Frauen und Mädchen weltweit ein, für
ein selbstbestimmtes Leben. Bildung und Gesundheit sind dafür die Schlüssel. Wir engagieren
uns dafür, Frauen und Mädchen den uneingeschränkten Zugang zu gleichwertiger Bildung zu
sichern sowie ihre sexuellen und reproduktiven Rechte zu schützen. Es braucht innovative
Bildungsangebote wie kompakte nachholende Grundbildung für Frauen oder Berufsbildung in
Krisen- und Post-Konfliktkontexten. Unsere internationale Zusammenarbeit werden wir darum
finanziell und konzeptionell auf diese Aufgabe hin ausrichten, die Erreichung der
Geschlechtergerechtigkeit als Querschnittsaufgabe sowie reproduktive Gesundheit und das
Recht auf Bildung in allen Projekten verankern.
Menschenrechtskonventionen umsetzen, Institutionen stärken
Um Menschenrechte tatsächlich und rechtlich durchsetzen zu können, müssen internationale
Menschenrechtskonventionen ratifiziert und Menschenrechtsinstitutionen gestärkt werden. Es
gilt insbesondere die ILO-Konvention für die Rechte indigener Völker, das
Fakultativprotokoll zum Sozialpakt und die Wanderarbeiterkonvention der Vereinten Nationen
zu ratifizieren. Das ist für Deutschland seit vielen Jahren überfällig. Auf europäischer
Ebene setzen wir uns für die Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte ein. Das Instrument der gezielten EU-Sanktionen gegen
Menschenrechtsverbrecher*innen befürworten wir. Die Beauftragte der Bundesregierung für
Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter
und das Deutsche Institut für Menschenrechte wollen wir besser ausstatten, damit sie ihre
Aufgaben planbar erfüllen können. Menschenrechte und Demokratieförderung sind Grundpfeiler
unserer entwicklungspolitischen Arbeit.
Rechte von Minderheiten schützen
Der Umgang mit Minderheiten ist der Gradmesser für den Menschenrechtsschutz in einer
Gesellschaft. Wir setzen uns dafür ein, die Rechte von Minderheiten auf internationaler
Ebene zu stärken – auch innerhalb der EU. Nach wie vor setzen die einzelnen Staaten den
durch die Vereinten Nationen vorgegebenen Minderheitenschutz in nationales Recht um, ohne
dass einheitlich kontrolliert wird, ob das umfassend genug ist. Damit ist der Schutz
lückenhaft. Wir werden außenpolitisch für die weltweite Umsetzung der Yogyakarta-Prinzipien
zum Schutz von LSBTIQ* eintreten. In der Entwicklungspolitik wollen wir hier einen neuen
Fokus setzen und unser Engagement deutlich steigern. Selbst innerhalb der EU gibt es große
Unterschiede: Es existieren keine gemeinsamen EU-Mindeststandards, kein einheitlicher
Rechtsrahmen, der den Schutz und die Förderung von Minderheiten gewährt. Das wollen wir
ändern. In der EU werden wir uns für die Verabschiedung der 5.
Antidiskriminierungsrichtlinie einsetzen, damit international anerkannte Menschenrechte in
der EU eine Rechtsgrundlage erhalten und die VN-Konvention über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen auf europäischer Ebene rechtlich umgesetzt wird. Den EU-Aktionsplan gegen
Rassismus treiben wir national und international voran.
Wir schützen Geflüchtete
Eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik in Europa umsetzen
Wir treten für eine Europäische Union ein, die ihre humanitäre Verantwortung, das Grundrecht
auf Asyl und die Notwendigkeit, Verfahren nach völkerrechtlichen Standards fair und zügig
durchzuführen, zusammenbringt. So schwer das derzeit in der EU der 27 auch ist. Zustände wie
in den Lagern auf den griechischen Inseln oder an der Grenze zu Kroatien bedeuten einen
Bruch mit europäischen Werten und Menschenrechten. Der Blockade einer gemeinsamen und
humanen Flüchtlingspolitik zwischen den Mitgliedstaaten begegnen wir mit folgendem Plan: In
gemeinschaftlichen von den europäischen Partnern geführten Einrichtungen innerhalb der EU an
den rechtsstaatlich und europäisch kontrollierten EU-Außengrenzen sollen die Geflüchteten
registriert werden und einen ersten Sicherheitscheck durchlaufen. So wissen wir, wer zu uns
kommt, und werden zugleich unserer humanitären Verantwortung gerecht. Die Menschen, die nach
Europa kommen, müssen medizinisch und psychologisch erstversorgt und menschenwürdig
untergebracht werden. Unter Berücksichtigung persönlicher Umstände wie familiärer Bindungen
oder der Sprachkenntnisse bestimmt die EU-Agentur für Asylfragen den Aufnahme-Mitgliedstaat.
Der zugrunde liegende Verteilmechanismus stützt sich zunächst auf die Bereitschaft von
Regionen und Städten, Geflüchtete freiwillig aufzunehmen. Wer das tut, erhält Hilfe aus
einem EU-Integrationsfonds. Reichen die Aufnahmeplätze nicht aus, weiten alle
Mitgliedstaaten im Verhältnis von Bruttoinlandsprodukt und Bevölkerungsgröße verpflichtend
ihr Angebot aus oder leisten einen mindestens gleichwertigen Beitrag zu den Gesamtkosten.
Das Asylverfahren findet im aufnehmenden Mitgliedstaat statt. Die Kommission stellt sicher,
dass die gemeinsamen Regeln und Mindeststandards eingehalten werden. Wir werden mit
handlungswilligen Ländern und Regionen vorangehen, um die derzeitige katastrophale Situation
an den Außengrenzen zu beenden. Geschlossene Lager, Transitzonen oder europäische Außenlager
in Drittstaaten lehnen wir ab.
Familien zusammenführen
Niemand sollte für das völkerrechtlich verbriefte Recht, um Asyl zu ersuchen, das eigene
Leben oder das der Familie riskieren müssen. Genau das ist aber bittere Realität: Immer noch
reichen die Möglichkeiten für sichere Zugangswege bei weitem nicht aus und Geflüchtete sind
deshalb gezwungen, auf lebensgefährliche Routen durch die Wüste oder über das Meer
auszuweichen. Wir wollen sichere und geordnete Zugangswege schaffen – und so verhindern,
dass Schlepper aus der Not und dem Leid der Geflüchteten Profit schlagen können. Dabei sind
wir dem besonderen Schutz der Familie gemäß Grundgesetz, VN-Kinderrechtskonvention und
Europäischer Menschenrechtskonvention verpflichtet und treten dafür ein, die Einschränkungen
beim Familiennachzug wieder aufzuheben. Familien gehören zusammen und das Kindeswohl hat
oberste Priorität. Auch Menschen mit subsidiärem Schutzstatus müssen deshalb ihre
Kernfamilien ohne die bisherigen Einschränkungen nachholen können und mit Geflüchteten
gleichgestellt werden. Wir wollen den Geschwisternachzug wieder ermöglichen. An deutschen
und europäischen Botschaften braucht es mehr Personal und die Möglichkeit, digital Anträge
zu stellen, um die Wartezeiten für Visa von Familienangehörigen zu verkürzen. Auch mit
humanitären Visa möchten wir Schutzbedürftigen die Möglichkeit geben, sicher nach Europa zu
kommen und hier um Asyl zu ersuchen.
Sichere Zugangswege durch humanitäre Aufnahmepartnerschaft
Im Rahmen des Resettlement-Programms des UNHCR werden durch die Vereinten Nationen
anerkannte, besonders schutzbedürftige Geflüchtete solidarisch und geordnet auf die
Aufnahmeländer verteilt, statt sie ihrem Schicksal auf gefährlichen Fluchtrouten zu
überlassen. Das rettet Leben, nimmt Schleppern die Geschäftsgrundlage und folgt einem
bewährten, planbaren Verfahren. Im Globalen Pakt für Flüchtlinge ist die Weltgemeinschaft
übereingekommen, das Resettlement zu verstärken. Doch faktisch sinkt die Zahl der
Aufnahmeplätze seit Jahren. Wir schlagen vor, zusammen mit der neuen US-Administration und
Kanada sowie anderen in einer globalen humanitären Partnerschaft die Aufnahme besonders
schutzbedürftiger Geflüchteter aus dem Resettlement-Programm deutlich auszubauen. So stärken
wir die Vereinten Nationen, schaffen Planbarkeit auf allen Seiten, gehen mit gutem Beispiel
voran und regen andere Staaten an, dem internationalen Bündnis beizutreten. Das individuelle
Asylrecht bleibt durch das Resettlement unangetastet.
Landesaufnahmeprogramme ermöglichen
Mehrere Bundesländer und über 200 Kommunen in Deutschland sind bereit, mehr Geflüchtete als
von der Bundesregierung zugesagt bei sich aufzunehmen. Dass diese weiteren Aufnahmeplätze
dringend gebraucht werden, ist angesichts der elenden Zustände in den Lagern an den EU-
Außengrenzen, etwa auf den griechischen Inseln oder an der bosnisch-kroatischen Grenze,
offensichtlich. Wir wollen eine humanitäre Aufnahmepolitik, bei der der Bund und die Länder
kooperativ zusammenarbeiten und die die Aufnahmebereitschaft von Kommunen und Ländern nicht
mehr ignoriert. Länder und Kommunen sollen mehr Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten
erhalten, wenn es um die humanitäre Aufnahme Geflüchteter geht. Mit einer Änderung der
Zustimmungsregel zwischen dem Bundesinnenministerium und den Ländern von Einvernehmen in
Benehmen wollen wir klarstellen, dass sich Bundesländer künftig über den Königsteiner
Schlüssel hinaus selbständig und frei für die Aufnahme von Geflüchteten entscheiden können.
Der Bund soll weiter die finanziellen und infrastrukturellen Aufgaben erfüllen.
Menschenrechte einhalten, Außengrenzen sichern
Ein gemeinsamer Raum der Freizügigkeit und ohne Binnengrenzen braucht kontrollierte
Außengrenzen. Eine Außengrenze muss aber auch legale Zugangswege haben. Dass tausende
Menschen jährlich im Mittelmeer ertrinken, weil europäische Regierungen ihnen nicht
ausreichend sichere Zugangswege ermöglichen und auch die Rettung aus Seenot verweigern, ist
eine Schande. Wir streiten weiter für eine zivile und flächendeckende, europäisch
koordinierte und finanzierte Seenotrettung. Da ein gemeinsames Vorgehen aller europäischen
Mitgliedstaaten derzeit nicht möglich erscheint, wollen wir mit jenen vorangehen, die die
Seenotrettung als völkerrechtliche Pflicht ernst nehmen: Gerettete müssen zum nächsten
sicheren Hafen gebracht werden. Wir stehen fest an der Seite zivilgesellschaftlicher
Rettungsinitiativen und treten dafür ein, dass die Kriminalisierung und behördliche
Behinderung ihrer Arbeit beendet wird. Wir wollen, dass die Seenotrettung explizit ins
Aufgabenprofil von Frontex aufgenommen wird, und setzen auf eine europäische Grenzkontrolle,
die den gemeinsamen Schutz der Menschenrechte zur Grundlage hat und wichtige
grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnimmt, ohne sie zur Fluchtabwehr zu missbrauchen. Das moderne
Asylrecht beruht auf der Einzelfallprüfung, das völker- und europarechtlich verbriefte
Nichtzurückweisungsgebot gilt immer und überall. Die Genfer Flüchtlingskonvention gilt
uneingeschränkt. Ihre Aushöhlung führt weder zu mehr Sicherheit noch zu mehr europäischer
Handlungsfähigkeit in der Flüchtlingspolitik. Völkerrechtswidrige Pushbacks, von nationalen
Grenzpolizeien oder Frontex begangen, müssen geahndet werden. Das entsprechende Monitoring
durch die EU-Grundrechteagentur wollen wir ausbauen. Es bedarf einer engen parlamentarischen
Kontrolle von Frontex-Einsätzen sowie einer systematischen Menschenrechtsbeobachtung vor
Ort.
Aufnahme- und Transitländer unterstützen
Die humanitäre Versorgung von Geflüchteten außerhalb der Europäischen Union ist Bestandteil
unserer globalen Verantwortung. Wir wollen die finanzielle und logistische Unterstützung von
Erstaufnahme- und Transitländern wie der Türkei, dem Libanon, dem Sudan, Pakistan oder
Uganda sowie der dort tätigen Hilfsorganisationen ausbauen. Die deutsche und europäische
Zusammenarbeit mit Drittstaaten muss stets so erfolgen, dass Menschen- und Grundrechte sowie
internationale Asylstandards eingehalten werden. „Migrationspartnerschaften“ mit repressiven
Regimen lehnen wir ab, genauso wie die Kooperation mit der libyschen Küstenwache. Statt
„sichere Herkunftsländer“ zu definieren, brauchen wir für Rückführungen
menschenrechtskonforme Rückübernahmeabkommen. Wir wollen denjenigen Ländern, die ihren
Staatsbürger*innen nach einer Rückkehr Sicherheit garantieren, im Gegenzug über
Visaerleichterungen oder Ausbildungspartnerschaften verlässliche Aussicht auf eine geordnete
Migration eröffnen. Rückübernahmeabkommen dürfen aber nicht zur Bedingung in anderen
Politikbereichen, etwa entwicklungspolitischer oder rechtsstaatlicher Unterstützung, gemacht
werden und nicht für Drittstaatsangehörige gelten.
Fluchtursachen strukturell angehen
Wir wollen verhindern, dass Menschen überhaupt fliehen und ihre bisherige Heimat
unfreiwillig verlassen müssen. Deshalb rücken wir die strukturellen Ursachen von Vertreibung
und unsere dahingehende Verantwortung ins Zentrum unserer Politik. Denn viele politische
Entscheidungen, die wir in Deutschland und Europa treffen, haben direkte Auswirkungen auf
die Lebensbedingungen in anderen Weltregionen. Wir machen uns stark für zivile
Krisenprävention und wollen mit einer restriktiven Ausfuhrkontrolle europäische
Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete sowie an Autokraten beenden. Wir setzen uns für
ein gerechtes Handelssystem ein, das auch den Interessen des globalen Südens dient. Wir
treiben die sozial-ökologische Transformation unserer Wirtschaft voran. Uns ist bewusst:
Nicht alle Ursachen von Vertreibung können wir beeinflussen. Viele Menschen fliehen, weil
sie verfolgt oder ihnen grundlegende Rechte vorenthalten werden. Umso entscheidender ist
konsequentes Handeln überall dort, wo auch unser Wirtschaften und Konsumieren andernorts zu
Ausbeutung oder Perspektivlosigkeit führen.
Wir streiten für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung
Globale Krisenprävention
Die Corona-Krise führt in vielen Entwicklungsländern zu Kapitalflucht und Währungskrisen und
offenbart so die Schwächen der Währungsordnung. Unser Ziel bleibt langfristig der Aufbau
eines kooperativen Weltwährungssystems. Der IWF muss in Krisensituationen sehr viel mehr
Liquidität unkonditioniert bereitstellen können. Dafür werden wir uns für eine deutliche
Aufstockung der Sonderziehungsrechte einsetzen. Deutschland und Europa könnten vorangehen
und nicht genutzte Sonderziehungsrechte Entwicklungsländern zur Verfügung stellen, wie
Kanada es bereits getan hat. Der IWF sollte Entwicklungsländern auch bei der Einführung und
Durchführung von Kapitalverkehrskontrollen helfen und dafür mit den Staaten mit globalen
Finanzzentren zusammenarbeiten. Das Stimmengewicht muss sich zugunsten von
Entwicklungsländern verschieben. Die EU-Staaten sollten ihre Stimmrechte zusammenlegen.
Entwicklung ermöglichen, Schulden streichen
Viele Entwicklungsländer sind überschuldet. Beispielsweise gibt Pakistan 40 Prozent seines
Etats für den Schuldendienst, aber nur 2 Prozent für Gesundheit aus. Das derzeitige
Schuldenmoratorium ist richtig, verschiebt das Problem aber in die Zukunft. Wir brauchen
einen echten Schuldenerlass. Dafür muss ein international transparentes und unabhängiges
Staateninsolvenzverfahren für die Länder geschaffen werden, die nicht in ihrer eigenen
Währung verschuldet sind. Private Gläubiger müssen rechtlich dazu verpflichtet werden, an
einem Insolvenzverfahren teilzunehmen. So können wir den Zustand beenden, dass einzelne
Gläubiger eine Entschuldung blockieren, und verhindern, dass einzelne private Gläubiger wie
Geierfonds auf Kosten anderer profitieren. Damit wollen wir den zu hoch verschuldeten
Staaten im globalen Süden auch ermöglichen, ihre Gesundheitssysteme zu verbessen, sie für
alle zugänglich zu machen sowie Ansätze zum Schutz von Wasser-, Sanitärversorgung und
Hygiene voranzutreiben. Schuldenerlasse und -umwandlungen soll es für Maßnahmen im
Gesundheitsbereich sowie im Kampf gegen die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-
Krise geben. Zudem werden wir uns für ein langfristiges globales Corona-Hilfspaket für
strukturschwache Länder, Krisenregionen sowie Flüchtlingslager engagieren.
Spekulation mit Nahrungsmitteln verbieten
Nahrungsmittelpreise sind oft starken Schwankungen unterworfen. Verantwortlich dafür sind
nicht nur Wetter und Ernten, sondern auch skrupellose Spekulant*innen, die fette Profite
machen, wenn Menschen hungern. Wir werden uns in der EU für striktere Regulierungen
einsetzen, um Nahrungsmittelspekulation zu unterbinden. Dafür braucht es strenge
Berichtspflichten für Händler*innen. Konsequente Preis- und Positionslimits müssen an allen
europäischen Börsen eingeführt werden. Ziel ist es, dass Derivate nur noch zur Absicherung
bestehender Risiken und nicht mehr spekulativ eingesetzt werden können.
Wir treten ein für Frieden und Sicherheit
Vorausschauend für den Frieden
Unsere Außen- und Sicherheitspolitik zielt darauf, Konflikte zu verhindern, und setzt
deshalb auf Vorausschau gemäß der VN-Agenda für nachhaltige Entwicklung. Wir ergänzen den
traditionellen Sicherheitsbegriff um die menschliche Sicherheit und rücken damit die
Bedürfnisse von Menschen in den Fokus. Den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und die
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) gilt es zu stärken. Die personellen und
finanziellen Mittel für zivile Krisenprävention sollten gezielt erhöht und langfristig
planbarer werden. Wir wollen eine permanente und schnell einsatzbereite Reserve an EU-
Mediator*innen und Expert*innen für Konfliktverhütung, Friedenskonsolidierung und Mediation
aufbauen. Die Bereiche Polizei, Justiz und Friedensförderung wollen wir mit 1.000
Fachkräften ausstatten. Wir setzen uns dafür ein, die Deutsche Stiftung Friedensforschung,
den neu eingerichteten Fachbereich an der Deutschen Hochschule der Polizei und andere
wissenschaftliche Einrichtungen zu stärken und die Bedeutung von Friedensarbeit
gesamtgesellschaftlich noch sichtbarer zu machen. Die finanzielle Förderung des Zivilen
Friedensdienstes (ZFD) wollen wir deutlich erhöhen und den kontinuierlichen Ausbau
bedarfsgerecht fördern. Darüber hinaus ist ein ressortgemeinsamer Fonds „Krisenprävention,
Konfliktbewältigung und Friedensförderung“ nötig, der angemessen ausgestattet sein muss. Es
gilt Instrumente der Krisenfrüherkennung und Analysekapazitäten zu stärken, um auch die
langfristigen Folgen der Pandemie abwenden zu können.
Internationale Politik feministisch gestalten
Wir gestalten unsere Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik feministisch. Frauen,
Mädchen und marginalisierte Gruppen sind in besonderem Maße von Kriegen, Konflikten und
Armut betroffen. Die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Rolle als Gestalter*innen in der
internationalen Politik fördert Frieden, Entwicklung, Stabilität und Sicherheit. Es geht
darum, die Perspektiven von Frauen, Mädchen und marginalisierten Gruppen zu stärken, zu
schützen und bei allen bi- oder multilateralen Verhandlungen immer mindestens
gleichberechtigt einzubeziehen. Dazu braucht es auch Genderanalysen für einzelne
Länderkontexte in regelmäßigen Abständen und bedarfsgerechte Strategien und Genderbudgeting.
Es gilt die Umsetzung der VN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden, Sicherheit“ voranzutreiben,
sexualisierte und genderbasierte Gewalt entschieden einzudämmen, die reproduktiven Rechte
von Frauen zu schützen und die Sicherheit und Partizipation von Frauen und Mädchen in der
Prävention, bei der Transformation von Konflikten und in Stabilisierungsprozessen in den
Fokus zu nehmen.
Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik stärken
Gerade vor dem Hintergrund des zunehmenden Autoritarismus und der weltweiten Angriffe auf
Kunst- und Wissenschaftsfreiheit wollen wir die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik
stärken. Sie sichert Zugänge zur Zivilgesellschaft vor allem in Krisenzeiten, stärkt
demokratischen Austausch und baut neue Partnerschaften auf. Auch die Aufarbeitung der
Verbrechen des Nationalsozialismus werden wir durch internationale Kultur- und
Jugendbegegnungen und durch zivilgesellschaftlichen Austausch stärken. Die Verantwortung für
die koloniale Vergangenheit Deutschlands wollen wir zum Beispiel in gemeinsamen
Geschichtsbuchkommissionen mit ehemaligen kolonialisierten Staaten aufarbeiten.
Kulturmittlerorganisationen, wie etwa Goethe-Institute, und die deutschen Schulen im Ausland
sollen finanziell besser ausgestattet und digital fit gemacht werden, die Programme für
verfolgte Künstler*innen und Wissenschaftler*innen sowie Maßnahmen gegen
Desinformationskampagnen wollen wir verstärken. Außerdem wollen wir die internationale Bildungszusammenarbeit stärken, zirkuläre Migration und globale Verflechtungen akademischer, beruflicher und praktischer Bildungsnetzwerke wollen wir durch Austauschprogramme fördern und unterstützen.
Europarat und OSZE stärken
Frieden in Europa bedeutet mehr als Frieden, Sicherheit und Stabilität in der EU. Damit die
Vision einer friedlichen Zukunft für alle Europäer*innen Wirklichkeit werden kann, wollen
wir die gemeinsamen, über die EU hinausreichenden europäischen Institutionen wie den
Europarat und die OSZE stärken und weiterentwickeln, um alle europäischen Staaten
einzubinden. Nur so können wir tatsächlich ein effektives und starkes System kollektiver
Sicherheit in ganz Europa schaffen. Es bleibt unser Ziel, die östlichen Nachbarn Europas auf
der Basis gemeinsamer Werte für eine solche Perspektive zu gewinnen, was gerade angesichts
der nationalistischen und rückwärtsgewandten Politik Russlands, die Europas Sicherheit und
die Selbstbestimmung der Nachbarn Russlands untergräbt, nötig ist.
Neuer Schub für Abrüstung
Abrüstung und Rüstungskontrolle bedeuten global mehr Sicherheit für alle. Unser Anspruch ist
noch immer nichts Geringeres als eine atomwaffenfreie Welt. Nach der Aufkündigung des
Vertrags über nukleare Mittelstreckensysteme (INF-Vertrag) zwischen den USA und Russland ist
eine neue Vertragsinitiative nötig. Wir wollen den transatlantischen Neustart nach der US-
Präsidentschaftswahl und das Wiederbeleben des New-START-Vertrags nutzen, um mit den USA
über Barack Obamas „Global Zero“ ins Gespräch zu kommen. Eine Welt ohne Atomwaffen gibt es
nur über Zwischenschritte: internationale Initiativen zur Reduzierung der Zahl von
Atomwaffen, einen Verzicht der NATO auf jeden Erstschlag und eine breite öffentliche Debatte
über veraltete Abschreckungsdoktrinen des Kalten Krieges. Dazu gehören ein Deutschland frei
von Atomwaffen und ein Beitritt Deutschlands zum VN-Atomwaffenverbotsvertrag. Wir wissen,
dass dafür zahlreiche Gespräche im Bündnis notwendig sind, auch mit unseren europäischen
Partnerstaaten, und vor allem die Stärkung der Sicherheit und Rückversicherung unserer
polnischen und baltischen Bündnispartner.
Keine deutschen Waffen in Kriegsgebiete und Diktaturen
Exporte von Waffen und Rüstungsgütern an Diktatoren, menschenrechtsverachtende Regime und in
Kriegsgebiete verbieten sich. Für die Reduktion von Rüstungsexporten wollen wir eine
gemeinsame restriktive Rüstungsexportkontrolle der EU mit einklagbaren strengen Regeln und
Sanktionsmöglichkeiten. Kooperationen mit dem Sicherheitssektor anderer Staaten müssen an
die Einhaltung demokratischer, rechtsstaatlicher und menschenrechtlicher Kriterien geknüpft
werden. Für Deutschland werden wir ein Rüstungsexportkontrollgesetz vorlegen und ein
Verbandsklagerecht bei Verstößen gegen das neue Gesetz einführen und für eine wirksame
Endverbleibskontrolle sorgen. Hermesbürgschaften für Rüstungsexporte darf es nicht geben.
Den Einsatz von Sicherheitsfirmen in internationalen Konflikten wollen wir streng regulieren
und private Militärfirmen verbieten.
Autonome tödliche Waffensysteme international ächten
Autonome tödliche Waffensysteme, die keiner wirksamen Steuerung mehr durch den Menschen bei
Auswahl und Bekämpfung von Zielen unterliegen, stellen eine unberechenbare Bedrohung dar. Im
Sinne von Frieden und Stabilität wollen wir Autonomie in Waffensystemen international
verbindlich regulieren und Anwendungen, die gegen ethische und völkerrechtliche Grundsätze
verstoßen, ächten und verbieten. Das gilt auch für digitale Waffen wie Angriffs- und
Spionagesoftware. Hierbei müssen Deutschland und die EU eine globale Führungsrolle
einnehmen. Um eine Militarisierung des Weltraumes zu verhindern, wollen wir
weiterentwickelte, international verbindliche Regeln auf den Weg bringen.
Sicherheit im Cyber-Raum schaffen
Digitalisierung und neue Technologien verändern die moderne Kriegsführung. Wir wollen den
Einsatz von militärischen Cyberfähigkeiten durch die Bundeswehr ausnahmslos der
parlamentarischen Kontrolle des Deutschen Bundestages unterstellen. Es braucht Leitlinien
für das Vorgehen der Bundeswehr im Cyberraum. Gleichzeitig muss die Bundeswehr
kontinuierlich an der Stärkung ihres Eigenschutzes arbeiten, ohne ihr defensives
Selbstverständnis aufzugeben. Es braucht dringend eine internationale Initiative, um
Rüstungskontrolle zu regulieren, und vertrauensbildende Maßnahmen für den Cyberraum. Wir
setzen uns für weltweit anerkannte Regeln im Cyberraum sowie eine Selbstverpflichtung ein,
zivile Infrastruktur nicht militärisch anzugreifen. Auch sollte die europäische
Zusammenarbeit im Bereich Cyberabwehr ausgebaut werden, wozu Deutschland einen Beitrag
leisten sollte.
Internationale Schutzverantwortung wahrnehmen
Es ist wichtig, frühzeitig auf Konflikte einzuwirken und zu verhindern, dass sie zu
bewaffneten Auseinandersetzungen eskalieren. Uns leitet das Konzept der Responsibility to
Prepare, Protect and Rebuild der Vereinten Nationen, das die Staatengemeinschaft
verpflichtet, Menschen vor schwersten Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und Völkermord zu schützen. Die Staaten sind gleichermaßen verpflichtet, ihre
Instrumente für Prävention, Krisenreaktion und Nachsorge bzw. Wiederaufbau kriegszerstörter
Gesellschaften auszubauen. Wir bekennen uns zu internationalen Friedenseinsätzen im Rahmen
der Vereinten Nationen, die zu Stabilität, Sicherheit und Frieden beitragen. Die Anwendung
militärischer Gewalt als Ultima Ratio kann in manchen Situationen nötig sein, um Völkermord
zu verhindern und die Möglichkeit für eine politische Lösung eines Konflikts zu schaffen.
Ein Militäreinsatz braucht einen klaren und erfüllbaren Auftrag, ausgewogene zivile und
militärische Fähigkeiten und unabhängige (Zwischen‑)Evaluierungen. Bewaffnete Einsätze der
Bundeswehr im Ausland sind in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit – das heißt
nicht in verfassungswidrige Koalitionen der Willigen – und in ein politisches Gesamtkonzept
einzubetten, basierend auf dem Grundgesetz und dem Völkerrecht. Bei Eingriffen in die
Souveränität eines Staates oder dort, wo staatliche Souveränität fehlt, braucht es ein
Mandat der Vereinten Nationen. Wenn das Vetorecht im Sicherheitsrat missbraucht wird, um
schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu decken, steht die Weltgemeinschaft vor
einem Dilemma, weil Nichthandeln genauso Menschenrechte und Völkerrecht schädigt wie
Handeln.
Moderne Bundeswehr
Der Auftrag und die Aufgaben der Bundeswehr müssen sich an den realen und strategisch
bedeutsamen Herausforderungen für Sicherheit und Friedenssicherung orientieren. Wir wollen
die Bundeswehr entsprechend ihrem Auftrag und ihren Aufgaben personell und materiell sicher
ausstatten. Dass Soldat*innen mit nicht ausreichender Schutzausrüstung in Einsätze gehen,
ist nicht hinnehmbar. Deutschland soll sich auf seine Bündnispartner verlassen können und
genauso sollen sich die Bündnispartner auf Deutschland verlassen können. Die
Gesamtverantwortung für den Einsatz muss begründet, Informationen über alle Operationen im
Einsatz der Verbündeten müssen vollständig zugänglich sein. Die Bundeswehr soll die Vielfalt
unserer Gesellschaft abbilden. Menschenfeindliche Ideologien und rechtsextremistische
Strukturen in der Bundeswehr werden wir konsequent verfolgen und zerschlagen. Neben der
umfassenden Aufklärung ist die Prävention entscheidend. Präventive Maßnahmen wie
verantwortungsbewusste Personalgewinnung und zeitgemäße politische Bildung sind überfällig.
Den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Inneren lehnen wir ab.
NATO strategisch neu ausrichten
Die NATO leidet unter divergierenden sicherheitspolitischen Interessen innerhalb der Allianz
bis hin zur gegenseitigen militärischen Bedrohung. Ihr fehlt in dieser tiefen Krise eine
klare strategische Perspektive. Trotzdem bleibt sie aus europäischer Sicht neben der EU
unverzichtbarer Akteur, der die gemeinsame Sicherheit Europas garantieren kann und der als
Staatenbündnis einer Renationalisierung der Sicherheitspolitik entgegenwirkt. Wir brauchen
eine strategische Neuaufstellung der NATO, eine gemeinsame Bedrohungsanalyse und darauf
aufbauend eine Debatte über eine faire Lastenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten. Das
willkürliche NATO-2-Prozent-Ziel, das vor fast 20 Jahren verabschiedet wurde, gibt darauf
keine Antwort und wir lehnen es deshalb ab. Wir setzen uns für eine neue Zielbestimmung ein,
die nicht abstrakt und statisch ist, sondern von den Aufgaben ausgeht, und werden mit den
NATO-Partnern darüber das Gespräch suchen. Durch eine stärkere militärische Zusammenarbeit
und Koordinierung innerhalb der EU und mit den europäischen NATO-Partnern wie Großbritannien
und Norwegen wollen wir erreichen, dass strategische Interessen auf Grundlage von
europäischen Werten wie Multilateralismus, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gemeinsam
entwickelt und geschlossen und überzeugender vertreten werden.
Die EU-Sicherheitsunion vorantreiben
Gemeinsam mit den internationalen Partnern muss die Europäische Union ihrer Verantwortung
für die eigene Sicherheit und Verteidigung gerecht werden. Die gemeinsame Sicherheits- und
Verteidigungspolitik (GSVP) setzt eine gemeinsame EU-Außenpolitik voraus. Wir wollen eine
EU-Sicherheitsunion etablieren mit einer starken parlamentarischen Kontrolle und einer
gemeinsamen restriktiven Rüstungsexportpolitik. Anstatt immer mehr Geld in nationale,
militärische Parallelstrukturen zu leiten, sollte die verstärkte Zusammenarbeit der
Streitkräfte in der EU ausgebaut, sollten militärische Fähigkeiten gebündelt und allgemein
anerkannte Fähigkeitslücken geschlossen werden. Dafür ist eine geeignete Ausstattung, der
Ausbau von EU-Einheiten sowie eine Stärkung und Konsolidierung der gemeinsamen EU-
Kommandostruktur nötig. Die Umwidmung ziviler Gelder aus dem EU-Haushalt für militärische
Zwecke lehnen wir ab.
weitere Antragsteller*innen
- Svenja Borgschulte (KV Berlin-Pankow)
- Markus Schopp (KV Berlin-Mitte)
- Gülsah Bayar (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Volkmar Nickol (KV Berlin-Kreisfrei)
- Martha Goldammer (KV Berlin-Mitte)
- Thore Hagemann (KV Berlin-Neukölln)
- Martin Holubek (KV Berlin-Pankow)
- Mathias Kissling (KV Berlin-Mitte)
- Christof Rambke (KV Berlin-Kreisfrei)
- Heidrun Bäumker (KV Berlin-Pankow)
- Lela Sisauri (KV Berlin-Mitte)
- Johannes Mihram (KV Berlin-Mitte)
- Ingrid Bertermann (KV Berlin-Mitte)
- Shiva Saber Fattahy (KV Berlin-Mitte)
- Bettina Schoeley (KV Berlin-Mitte)
- Maha Abdulkarim (KV Berlin-Mitte)
- Tarhan Omar (KV Berlin-Mitte)
- Jonathan Philip Aus (KV Berlin-Mitte)
- Nujan Omar (KV Berlin-Mitte)
- Sadullah M. Abdullah (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Filiz Keküllüoglu (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Hiro Hajo (KV Berlin-Mitte)
- Tobias Balke (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf)
- Cornelia Hagemann (KV Berlin-Mitte)
- Qosay Amer (KV Berlin-Neukölln)
- Fiona Macdonald (KV Berlin-Mitte)
- Walter Otte (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Hans Joachim Lehnert (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf)
- Jörn Jaath (KV Berlin-Mitte)
- Arturo Buchholz-Berger (KV Berlin-Pankow)
- Till Ratzeburg (KV Havelland)
- Wolfgang Schmidt (KV Berlin-Kreisfrei)
- Simon Heß (KV Frankfurt)
- Markus Silberschmidt (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Jonas Krone (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Manfred Herrmann (KV Berlin-Neukölln)
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Von Zeile 181 bis 185 (PB.B-01: Kapitel 4: Bildung und Forschung ermöglichen ):
In Deutschland gibt es hochwertige AusbildungswegeBildungswege, sowohl an Hochschulen als auch im dualen Berufsbildungssystem. Wir wollen, dass berufliche und akademische Bildung gleichwertige Chancen auf eine selbstbestimmte Lebensplanung und ein erfolgreiches Arbeitsleben bieten und so eine echte Wahlfreiheit für junge Menschen besteht. Sowohl Ausbildung als auch Studium vermitteln wertvolle und vielfältig einsetzbare Fähigkeiten. Dafür müssen alle Berufsschulen gut ausgestattet sein und muss allen Auszubildenden ein eigenständiges Leben ermöglicht werden – durch eine
Von Zeile 190 bis 193 (PB.B-01: Kapitel 4: Bildung und Forschung ermöglichen ):
Bundesbehörden stärken. Daneben sind Talentscouting-Programme genauso wie die Begabtenförderung unabhängig vom Bildungsgang auszubauen. UndAusbildung und Studium sind Zeit Neues zu entdecken. Deshalb sollen mehr Auslandsaufenthalte für Auszubildende und Studierende ermöglicht werden. Ebenso wollen wir Studium und Ausbildung für Menschen aus dem Ausland erleichtern. Wir unterstützen die Aufstockung der europäischen Förderprogramme wie ERASMUS+ und möchten, dass mindestens 10 Prozent der Auszubildenden sollen schnellstmöglich einen Auslandsaufenthalt antreten können. So internationalisieren wir neben der akademischen auch die berufliche Bildung.
Bildung ermöglicht. Von Anfang an gibt sie Kindern, jungen Menschen und Erwachsenen bis ins
hohe Alter die Möglichkeit, sich zu entfalten und über sich hinauszuwachsen, Altes zu
hinterfragen und Neues zu entdecken. Bildung und Inklusion schaffen die Grundlagen, seinen
eigenen Weg im Leben selbstbestimmt gehen zu können. In guter Bildungspolitik, Aus- und
Weiterbildung, in visionärer Forschung und kluger Wissenschaftspolitik liegen unendlich viel
Potenzial, um dieses Land gerechter, moderner und krisenfester zu machen.
Ein gutes Bildungssystem ist ein Schlüssel für gleiche Lebenschancen und Zusammenhalt in
einer vielfältigen Gesellschaft. Aber viel zu sehr hängt der Lebenslauf in Deutschland noch
von der Familie, dem Nachnamen oder dem Wohnort ab statt von den eigenen Fähigkeiten. Und
die Pandemie verschärft die ohnehin zu große soziale Ungleichheit: Wo Kinder auf wenig
Förderung von zu Hause hoffen können, wo der Zugang zu Laptops oder Smartphones fehlt und
kein Elternteil Zeit hat, beim Lernen zu helfen, drohen sie dauerhaft abgehängt zu werden.
Die Kinder, die am stärksten von der Krise getroffen wurden, benötigen daher die meiste
Unterstützung. Doch auch insgesamt führten die Schulschließungen zu einer Bildungslücke quer
durch alle Jahrgänge, es fehlten das gemeinsame Lernen, die Gespräche, das Spielen auf dem
Pausenhof, was sich bei Kindern auch auf die kognitive und soziale Entwicklung auswirken
kann. Kinder und Jugendliche haben in der Pandemie Unglaubliches für die gesamte
Gesellschaft geleistet. Wir sind es ihnen schuldig, sie endlich in den Mittelpunkt von
Politik zu stellen. Sie sind die Staatsbürger*innen und die Demokrat*innen von morgen.
Gleiche Lebenschancen heißt, unterschiedlich zu fördern. Wo mehr benötigt wird, muss mehr
investiert werden. Wir wollen Kitas und Schulen, in die Kinder und Jugendliche, aber auch
Erzieher*innen und Lehrer*innen gleichermaßen gerne gehen. Und zwar egal ob auf dem Land
oder in der Stadt, ob in ärmeren oder reicheren Vierteln. Erzieher*innen und Lehrer*innen
sind jederzeit systemrelevant, diese Wertschätzung sollte sich in ihrer Arbeit, ihrer
Bezahlung und in der Ausstattung widerspiegeln. Schulen sollten die besten Orte im Land
sein, mit schnellem Internet und sauberen Toiletten, mit multiprofessionellen Teams, die
dank guter Aus- und Weiterbildung, sicheren Berufswegen und einem guten Lohn Kinder in ihren
unterschiedlichen Bedürfnissen bestmögliche Unterstützung geben. Da die Weichen am Anfang
gestellt werden, müssen dort auch die meisten Ressourcen reinfließen. Vor allem für Kitas
und den Primarbereich werden wir die Investitionen deutlich erhöhen.
Bildung ist ein Recht für jedes Alter und jeden Lebensweg. Ein Lebenslauf lässt sich nicht
am Reißbrett planen, darum müssen unsere Bildungswege flexibel und durchlässig sein. Abitur
auf dem zweiten Bildungsweg, die Tischler*innenlehre mit Mitte 30 oder der erste
Studienabschluss überhaupt in der Familie – das alles muss möglich sein und darf nicht davon
abhängen, ob es von zu Hause finanzielle Unterstützung gibt. Ob Ganztags- oder Abendschule,
ob duale Berufsbildung, Weiterbildung oder Studium, ganz gleich, ob als Handwerker*in am
Bau, als Angestellte*r im Büro oder selbständig im eigenen Betrieb: Wir unterstützen die
vielfältigen Lebensbahnen und die dazu passenden Bildungsverläufe.
Die Auszubildenden und Student*innen leiden unter den Auswirkungen der Pandemie. Sicher
geglaubte Ausbildungsplätze sind weggefallen, manche Studierende haben noch nie einen
Hörsaal von innen gesehen. Gerade weil dies eine entscheidende Lebensphase der
Neuorientierung ist, stehen wir in besonderer Pflicht, Sicherheit und Perspektiven zu
schaffen. Für alle, die eine Ausbildung anstreben, wollen wir einen guten Ausbildungsplatz
garantieren. Es darf keine verlorene Generation Corona geben.
Um die großen Krisen einzudämmen – die Klimakrise, Pandemien –, ist alle Kreativität und
jeder Forschungsgeist gefragt. Ein gutes Leben wird auch künftig möglich sein, weil
Wissenschaftler*innen und Forscher*innen in Betrieben, Hochschulen und außeruniversitären
Einrichtungen permanent und mit Leidenschaft an neuen Ideen arbeiten, an Antworten auf
Fragen, die wir noch gar nicht gestellt haben. Aber sie können neuartige Impf- oder
alternative Antriebsstoffe nur dann entwickeln, wenn sie eine gut ausgestattete
Forschungsumgebung haben und sie Neues mit ungewissem Ausgang erforschen und ausprobieren
können. Sie brauchen für ihre Arbeit optimale und verlässliche Bedingungen, unnötige
bürokratische Hürden sollten wir abbauen.
Wissenschaft zeigt immer wieder neue Denkhorizonte und Möglichkeiten auf und ändert so den
Lauf der Dinge. Sie gibt eine zentrale Orientierung für politisches Handeln, das zeigen
Klimakrise und Pandemie. Aber in Zeiten von Informationsfilterblasen und
Verschwörungsideologien werden wissenschaftliche Erkenntnisse öffentlich in Zweifel gezogen.
Nötig ist ein verständlicher Wissenschaftsdialog, der Wissenschaft und Gesellschaft näher
zusammenbringt – durch partizipative Formate und Förderung der Wissenschaftskommunikation.
Wir fördern gute Bildung von Anfang an
Für jedes Kind einen Kitaplatz in einer guten Kita
Egal, aus welcher Ecke Deutschlands und aus welchem Elternhaus, alle Kinder brauchen die
Chance auf ein gutes und geborgenes Aufwachsen. Kitas haben einen entscheidenden Anteil
daran. Sie schaffen Halt, wecken Neugier, vermitteln Freude am Zusammensein mit
Gleichaltrigen und begleiten beim Großwerden. Mit einem Bundesqualitätsgesetz sorgen wir
dafür, dass Spitzenqualität in die Einrichtungen kommt, denen wir unsere Kleinsten
anvertrauen. Die Zeit, die Fachkräfte für die Kinder haben, ist entscheidend dafür, dass
sich Kinder wohlfühlen und individuell gefördert werden können. Deshalb wollen wir mit
Mindeststandards sicherstellen, dass sich eine Erzieherin oder ein Erzieher um höchstens
vier unter Dreijährige und neun über Dreijährige gleichzeitig kümmern. Darüber hinaus müssen
sie genügend Zeit für Vor- und Nachbereitung, Elterngespräche und Fortbildungen haben. Den
Fachkräften in den Kitas stärken wir den Rücken mit Fachberatung und Mentoring-Programmen,
Lernortkooperationen und Unterstützung für berufliche Weiterentwicklung innerhalb des Kita-
Systems. Damit alle Kinder, auch Kinder mit Behinderungen, einen Platz in einer guten Kita
bekommen können, wollen wir das Engagement des Bundes beim Platzausbau weiterführen.
Mehr Fachkräfte in Kitas, Horten und Schulen
Die pädagogischen Fachkräfte in Kitas, Horten oder Schulen tragen eine hohe Verantwortung,
denn sie prägen den Lebensweg von Kindern bereits in sehr frühen Jahren entscheidend mit.
Doch diese Verantwortung spiegelt sich noch nicht ausreichend in der Bezahlung der
Fachkräfte wider. Für die wichtige Arbeit, die Erzieher*innen leisten, brauchen sie einen
guten Lohn. Mit einer wirkungsvollen Fachkräfteoffensive wollen wir zudem für faire
Ausbildungsvergütungen, Weiterentwicklungsmöglichkeiten und gute Arbeitsbedingungen sorgen,
dabei darf die Ausbildung zum Erzieher*innenberuf nicht am Schulgeld scheitern. Um den
Lehrkräftemangel mit gut qualifiziertem Personal nachhaltig bewältigen zu können, wollen wir
mit einem Bund-Länder-Programm hochwertige Quereinstiegsbildung fördern und gemeinsame
Qualitätsstandards sichern.
Recht auf einen Ganztagsplatz für jedes Grundschulkind
Schulen sollen starke Orte der Bildung, der Begegnung und der Inspiration sein. Dafür
brauchen sie motivierte Fachkräfte, gut ausgestattete Räume und Zeit. Zeit für gemeinsames
Lernen und Spielen, Forschen und Entdecken, gemeinsame kulturelle, soziale und demokratische
Erfahrungen, Sprach- und Bewegungsförderung, individuelle Betreuung und Hausaufgabenhilfe.
Dafür sind Ganztagsplätze in einer Grundschule oder einem Hort wichtig. Unser Ziel ist,
einen individuellen Rechtsanspruch für jedes Grundschulkind auf Ganztagsbildung und -
betreuung umzusetzen – mit genügend Fachkräften in multiprofessionellen Teams, anregenden
Räumen und Schulhöfen, einem gesunden Mittagessen und einer breit gefächerten Zusammenarbeit
mit Sportvereinen, Musikschulen und anderen Akteuren vor Ort. Dafür wollen wir einen
finanziellen Anreiz schaffen. Es gilt, Ganztag für alle Kinder zu ermöglichen, ob mit
Behinderungen oder ohne. Der Anspruch auf Integrationshelfer*innen muss überall gelten –
gleich ob in der Ganztagsschule oder bei Hortangeboten durch die Jugendhilfe. Eltern von
Kindern mit Behinderungen dürfen keine zusätzlichen Kosten entstehen. Die Umsetzung des
Rechtsanspruchs wird ein gesamtdeutscher Kraftakt. Das muss sich bei der Beteiligung des
Bundes an den Kosten widerspiegeln. Um alle Grundschulen auf ihrem Weg zu inklusiven Orten
der Ganztagsbildung zu unterstützen, werden wir ein Begleitprogramm zur Förderung von
Schulentwicklungsprozessen auf den Weg bringen und damit Koordinierungsstellen fördern.
Corona-Rettungsschirm für Kinder
Die Pandemie droht die soziale Ungleichheit in der Bildung dramatisch zu verschärfen. Gerade
Kinder mit schlechteren Startchancen wurden nur noch schwer oder gar nicht mehr von
Bildungsangeboten erreicht. Rund ein Fünftel der Kinder kehrt mit einer großen Bildungslücke
zurück in die Schule. Bund, Länder und die Spitzenverbände der Kommunen müssen an einen
Tisch, um einen umfassenden bundesweiten Bildungsrettungsschirm für zusätzliche
Lernförderung aufzulegen. Damit jedes Kind den Anschluss behält, sowohl bei den Lehrinhalten
als auch bei kognitiven und sozialen Entwicklungen, wollen wir über ein Bund-Länder-Modell-
Programm jede Schule mit Budgets ausstatten, die sie selbstverantwortet flexibel einsetzen
können, um für Kinder mit besonderem Bedarf gezielt Lernförderung anzubieten. Daneben soll
Studierenden, angehenden Absolvent*innen aus der akademischen und beruflichen Bildung sowie
pensionierten Lehrkräften ermöglicht werden, Schulen als kompetente Bildungslots*innen zu
unterstützen.
Programm für Schulen in benachteiligten Regionen und Quartieren
Bildungschancen sind Zukunftschancen. Jedes Kind hat ein Recht auf eine gute Schule, egal,
wo es lebt. Der Alltag sieht aber anders aus. Wir schlagen ein Bundesmodellprogramm für mehr
Bildungsgerechtigkeit vor, um Schulen mit besonderem Unterstützungsbedarf zu stärken. Wir
fördern multiprofessionelle Teams, in denen sich Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter*innen und
Erzieher*innen gegenseitig ergänzen und mit unterschiedlichen Perspektiven bereichern, um
die Schüler*innen ideal unterstützen zu können. Dazu gehört es, systematische Präventions-
und Interventionsarbeit zu leisten, Lernlücken zu schließen und deutsche wie auch
muttersprachliche Sprachfertigkeiten zu fördern. Alle Akteur*innen kooperieren auf
Augenhöhe. So wird auch die Elternarbeit verbessert und Schulen werden zu
Unterstützungsorten für die ganze Familie. Schüler*innen sollen sich wohlfühlen können und
keine Angst vor der Schultoilette haben. Darum wollen wir in bessere Räume und eine bessere
Lernumgebung investieren.
Digitale Bildung auf die Höhe der Zeit bringen
Digitale Bildung ist viel mehr als Wissensvermittlung, sie ist ein Schlüssel für
Zukunftskompetenzen. Das geht über das Whiteboard oder Coden hinaus: Die Digitalisierung hat
unsere Art zu leben verändert, also muss sich auch unsere Art, Schule zu denken, wandeln.
Mit Lehrer*innen, die Spaß an neuer Didaktik haben, Schüler*innen, die sich spielerisch, zum
Beispiel durch Gamification, neue Inhalte erschließen, und Schulen, die dafür technisch
optimal aufgestellt sind. Allerdings hat die Pandemie gezeigt, dass es schon an den
Grundlagen fehlt, auch im Vergleich mit anderen Ländern. Das wollen wir ändern: mit einer
zeitgemäßen digitalen Ausstattung und mit Strukturen, die die Schulen beim digitalen Lehren
und Lernen wirkungsvoll unterstützen – mit Fort- und Weiterbildungsangeboten für das
pädagogische Fachpersonal sowie einem zentralen Ort der Beratung und des Austauschs zur
Bildung in einer digitalen Welt. Wir wollen, dass Tablet oder Laptop genauso
selbstverständliches Lernmittel sind wie früher Atlas oder Englischbuch. Unser Ziel ist es,
allen Schüler*innen neue Arten des Lernens zu ermöglichen und sie auch auf eine
selbstbestimmte Teilhabe in einer digitalisierten Welt vorzubereiten. Zukunftskompetenzen
wie Kooperation, Kommunikation, Kreativität und kritisches Denken in der digitalen Welt
werden immer relevanter. Um das alles umzusetzen, wollen wir auch den DigitalPakt zu einem
echten gemeinsamen Vorhaben weiterentwickeln – mit klaren Zielen und Zeithorizonten, die
gemeinsam im Rahmen der jeweiligen Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen erreicht
werden sollen.
Bildungszusammenarbeit von Bund und Ländern
Unser Ziel ist ein Bildungssystem, das überall gute Ausgangsbedingungen sichert und
unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Aufenthaltstitel oder Behinderungen gleiche und
gerechte Chancen garantiert. Für notwendige Maßnahmen braucht es einerseits eine
ausreichende finanzielle Ausstattung der Länder, andererseits wollen wir die
Kooperationsmöglichkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen verfassungsrechtlich
abgesichert stärken. So sollen Schulen zu Orten werden, die – verankert in der Nachbarschaft
– auf die Entwicklung der jeweiligen Potenziale der Kinder ausgerichtet sind. Schulen
brauchen dafür eigene Entscheidungsspielräume. Die derzeitigen Regelungen zwischen Bund und
Ländern beschränken die Möglichkeiten, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam
auf neue Herausforderungen zu reagieren. Mit einer „Ermöglichungsklausel“ für die
Bildungszusammenarbeit im Grundgesetz wäre gemeinsames Handeln dort möglich, wo es notwendig
ist. Grundlage all dessen ist jedoch eine auskömmliche Bildungsfinanzierung, vor allem in
den Grundschulen und Kitas, da hier die Basis gelegt wird.
Wir stärken Ausbildung und Studium
Sichere Ausbildungsperspektiven
Trotz enormen Fachkräftemangels sinkt die Zahl der jungen Menschen, die eine
Berufsausbildung beginnen. Gleichzeitig landen immer mehr in den Warteschleifen des
Übergangssystems. Die duale Ausbildung muss auf sichere Beine gestellt werden. Wir wollen
mit der Ausbildungsgarantie allen jungen Menschen den Beginn einer Ausbildung ermöglichen.
Dafür fördern wir verstärkt Verbundausbildungen und nutzen, wo notwendig, auch
außerbetriebliche Ausbildungen. Unternehmen, die ausbilden wollen, unterstützen wir über
eine Umlagefinanzierung. Mit dem Ausbau der assistierten Ausbildung und
ausbildungsbegleitender Hilfen wollen wir mehr Jugendliche in ihrer Ausbildung unterstützen.
Wichtig ist, dass in der Bildung auch einzelne Ausbildungsbausteine als Teilqualifikationen
zertifiziert und anerkannt werden, damit keine Leistung auf dem Weg zum Berufsabschluss
verloren geht. Damit alle Jugendlichen am Übergang von der Schule in den Beruf gute Beratung
aus einer Hand und unter einem Dach erhalten, unterstützen wir den Ausbau flächendeckender
Jugendberufsagenturen.
Berufliche und akademische Bildung sind gleich viel wert
In Deutschland gibt es hochwertige AusbildungswegeBildungswege, sowohl an Hochschulen als auch im dualen
Berufsbildungssystem. Wir wollen, dass berufliche und akademische Bildung gleichwertige
Chancen auf eine selbstbestimmte Lebensplanung und ein erfolgreiches Arbeitsleben bieten und so eine echte Wahlfreiheit für junge
Menschen besteht. Sowohl Ausbildung als auch Studium vermitteln wertvolle und vielfältig einsetzbare Fähigkeiten. Dafür müssen alle Berufsschulen gut ausgestattet sein und muss allen
Auszubildenden ein eigenständiges Leben ermöglicht werden – durch eine
Mindestausbildungsvergütung von mindestens 80 Prozent der durchschnittlichen tariflichen
Ausbildungsvergütungen. Abschlussvoraussetzungen für die Eingruppierung in Entgeltgruppen
des öffentlichen Dienstes im gehobenen und höheren Dienst wollen wir im Bund flexibilisieren
und die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung bei Ausschreibungen der
Bundesbehörden stärken. Daneben sind Talentscouting-Programme genauso wie die
Begabtenförderung unabhängig vom Bildungsgang auszubauen. UndAusbildung und Studium sind Zeit Neues zu entdecken. Deshalb sollen mehr Auslandsaufenthalte für Auszubildende und Studierende ermöglicht werden. Ebenso wollen wir Studium und Ausbildung für Menschen aus dem Ausland erleichtern. Wir unterstützen die Aufstockung der europäischen Förderprogramme wie ERASMUS+ und möchten, dass mindestens 10 Prozent der
Auszubildenden sollen schnellstmöglich einen Auslandsaufenthalt antreten können. So
internationalisieren wir neben der akademischen auch die berufliche Bildung.
Eine Grundsicherung in Ausbildung und Studium
Wir wollen, dass sich jede*r eine schulische Ausbildung oder ein Studium leisten kann und
dafür den Kopf frei hat. Dafür wollen wir als ersten Schritt das BAföG neu aufsetzen und zu
einer Grundsicherung für Studierende und Auszubildende umbauen. Diese beinhaltet einen
Garantiebetrag für alle Student*innen und Auszubildenden und einen Bedarfszuschuss für jene
aus einkommensarmen Elternhäusern. Der Garantiebetrag ersetzt das Kindergeld und wird direkt
an die Studierenden oder Auszubildenden überwiesen. Der zweite Baustein, der
Bedarfszuschuss, wird bedarfsabhängig gezahlt. Die Höhe richtet sich nach Einkommens- und
Vermögenssituation der Eltern sowie der Studierenden und Auszubildenden und wird auch direkt
an die Empfänger*innen überwiesen. Die maximale Höhe des Bedarfszuschusses richtet sich nach
den Regelsätzen für Erwachsene, die wir im Rahmen der grünen Garantiesicherung anheben
wollen. Da nicht jeder Bildungsweg linear oder zum Teil berufsbegleitend verläuft, wollen
wir die Bildungsfinanzierung noch stärker eltern- und perspektivisch altersunabhängig
konzipieren. Ein Schritt in diese Richtung ist die Einführung eines Weiterbildungs-BAföGs.
Studiengebühren lehnen wir ab.
Wir ermöglichen lebensbegleitendes Lernen
Ein Rechtsanspruch auf Weiterbildung
Die Möglichkeit zur beruflichen Neuorientierung und der Freiraum, Neues zu lernen, sind in
einer modernen Wissensgesellschaft und Arbeitswelt im Umbruch unerlässlich. Auch durch die
Corona-Pandemie ist bei vielen die Notwendigkeit entstanden, sich neue Arbeitsfelder zu
erschließen. Wir wollen, dass jede*r, egal ob arbeitslos, selbständig oder angestellt,
künftig selbstbestimmt neue berufliche Perspektiven entwickeln kann. Wir treten daher für
einen individuellen Rechtsanspruch auf Weiterbildung ein. Zur sozialen Absicherung ist für
arbeitsmarktbedingte Weiterbildungen ein auskömmliches Weiterbildungsgeld nötig, für alle
anderen, die sich beruflich entwickeln oder neuorientieren wollen, ein Weiterbildungs-BAföG.
So profitieren auch diejenigen, die bei der beruflichen Weiterbildung bislang das Nachsehen
haben, etwa Frauen, Menschen mit Migrationsgeschichte und alle prekär Beschäftigten. Um
abhängig Beschäftigten die Zeit für eine berufliche Qualifizierung einzuräumen, wollen wir
einen Freistellungsanspruch mit Rückkehrrecht auf den vorherigen Stundenumfang einführen.
Daneben werden wir für eine verbesserte und gebündelte Beratung und Unterstützung
Bildungsagenturen aufbauen. Dort sollen sich die relevanten regionalen Träger von
Weiterbildung vernetzen. Eine zentrale Online-Plattform, die unabhängig und öffentlich
finanziert ist, soll außerdem alle Angebote bündeln. Zudem wollen wir die Volkshochschulen
bei ihren Aufgaben unterstützen.
Alphabetisierung vorantreiben
In Deutschland gelten gut sechs Millionen Menschen ab 18 Jahren als „funktionale
Analphabet*innen“. Sie haben also Schwierigkeiten, ganze Texte zu verstehen. Die große
Mehrheit von ihnen hat einen Schulabschluss. Diese Zahlen sind 100 Jahre nach Einführung der
allgemeinen Schulpflicht und in einer der reichsten Industrienationen der Welt nicht
hinnehmbar. Wir wollen Geld und Kurskapazitäten bereitstellen – für Erwachsene, aber auch
für Kinder. Denn die Ursachen liegen oft schon im Vorschulalter. Wir wollen konkrete
Reduktionsziele für Analphabetismus festlegen und evaluieren.
Wir verbessern die Bedingungen für Wissenschaft und
Forschung
Mehr Raum für große Ideen
Die großen Herausforderungen unserer Zeit wie die Klimakrise, Pandemien oder auch eine
effizientere Nutzung von Rohstoffen können wir nur mit der Hilfe von innovativen Lösungen
und Fortschritt bewältigen. Der Markt kann vieles allein, aber bei der Lösung solcher großen
Aufgaben muss der Staat ein wichtiger Innovationstreiber werden. Er soll klare Zielvorgaben
machen, Kooperationen von Unternehmen, Hochschulen und Zivilgesellschaft organisieren und
mit gezielter Forschungsförderung und strategischer Industrie- und Beschaffungspolitik
Dynamik entfachen. Große Probleme können nur umfassend gelöst werden. Wir wollen deshalb die
Förderpolitik des Bundes an den VN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs) ausrichten. Technische,
soziale und ökologische Innovationen sind deshalb gleichwertig. Die „Agentur für
Sprunginnovation“ (SprinD) sollte flexibler ausgestaltet werden, damit sie sich auf ihre
Kernaufgaben konzentrieren kann.Insgesamt wollen wir die Kompetenz für Wissenschaft und
Forschung in allen Ministerien sowie den zentralen, obersten Bundesbehörden stärken und die
ressortübergreifende Zusammenarbeit bei den großen Forschungsherausforderungen verbessern.
Unsere Behörden sollen nachhaltigen Wandel ermöglichen und nicht bremsen.
Forschungsfinanzierung aufstocken und vereinfachen
Als Wissensgesellschaft trägt Deutschland die Verantwortung, beste Bedingungen für Forschung
und Innovation zu schaffen. Wir wollen erreichen, dass bis 2025 Staat und Unternehmen
insgesamt mindestens 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung in Forschung und Entwicklung
investieren. So ermöglichen wir mehr Kreativität, Freiräume und internationale Vernetzung
und schaffen Planbarkeit in unserer Forschungslandschaft. Außerdem brauchen wir eine
auskömmliche Grundfinanzierung in der Wissenschaft, um die Abhängigkeit von den in den
letzten Jahren stark gestiegenen Drittmitteln wieder einzudämmen. Im Wettbewerb vergebene
Drittmittel können zwar durchaus zusätzliche Dynamiken freisetzen, doch häufig sind ihre
Laufzeiten zu kurz. Daher wollen wir einen größeren Teil der öffentlichen
Drittmittelförderung länger als die üblichen drei Jahre aufsetzen. Eine weitere Dynamik
wollen wir entfachen, indem wir die Mittelbereitstellung vereinfachen. Das erhöht auch in
zukünftigen Krisen die Reaktionsfähigkeit des Wissenschaftssystems. Denn die Zukunft unseres
Landes hängt auch davon ab, wie flexibel und frei unsere Forschungslandschaft ist.
Wissenschaft für alle
In Zeiten von Informationsfilterblasen und Verschwörungsideologien einerseits und epochalen
neuen Herausforderungen andererseits ist wissenschaftliche Beratung wichtiger für die
demokratische Debatte denn je. Eine stärkere Einbeziehung der Zivilgesellschaft, ein
sicherer Zugang zu Informationen für alle sowie die verständliche Vermittlung
wissenschaftlicher Erkenntnisse sind Voraussetzungen für ein konstruktives, sich gegenseitig
stimulierendes Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft. Wir wollen interdisziplinäre
wissenschaftliche Expertise frühzeitiger – etwa durch Gesetzgebungslabore – in die
Politikentwicklung einbeziehen. Die Technikfolgenabschätzung und das Monitoring der
gesellschaftlichen Folgen politischer Maßnahmen sollten ausgebaut werden, um
Entscheidungsträger*innen zu unterstützen. Außerdem wollen wir die
Wissenschaftskommunikation stärken und die Aus- und Weiterbildung von Wissenschaftler*innen
in diesem Bereich fördern. Durch mehr partizipative Formate wie Reallabore, Citizen-Science
oder Experimentierräume kann die Gesellschaft besser an Forschungsvorhaben teilhaben. Das
bringt weitere Perspektiven ein und hilft, reale Veränderungsprozesse wissenschaftlich zu
begleiten.
Hochschule fit machen
Den Hochschulen fehlt es an Investitionsmitteln für die digitale Infrastruktur und die IT-
Sicherheit. Wir werden deshalb über eine Digitalisierungspauschale die IT-Infrastruktur an
Hochschulen stärken, Aus- und Weiterbildung der Lehrenden ausbauen und digitale Beratungs-
und Betreuungsangebote für Studierende ausweiten. Der Zugang zu Forschungsdaten soll
erleichtert werden, indem wir Open Access zum Standard erklären und als wissenschaftliche
Leitidee etablieren. Die dadurch anstehende Reform der Finanzierung wissenschaftlicher
Publikationen darf nicht zu Lasten der Forscher*innen gehen. Wir wollen die nationale
Forschungsdateninfrastruktur stärken und die Chancen der europäischen Cloud für Wissenschaft
und Forschung ergreifen. Zu einer zukunftsfesten Infrastruktur an den Hochschulen gehören
auch moderne Bibliotheken und Lehr- und Lernräume sowie die klimafreundliche Sanierung von
in die Jahre gekommenen Hochschulbauten.
Bessere Arbeitsbedingungen und sichere Berufswege
Sichere Arbeitsbedingungen und gleiche Karrierechancen für alle sind die Voraussetzungen für
eine lebendige und innovative Wissenschaftslandschaft, die auch für Wissenschaftler*innen
aus dem Ausland attraktiv ist. Für Nachwuchswissenschaftler*innen gibt es vor allem an
Hochschulen jedoch kaum planbare und sichere Berufswege. Das gefährdet den Forschergeist und
verschleudert Potenziale bei Innovation, Leistung und Qualität. Und es ist für die
Betroffenen eine Zumutung. Dem begegnen wir mit dem Ausbau der Tenure-Track-Professuren und
der substanziellen Reduzierung befristeter Mitarbeiter*innen-Stellen. Zudem wollen wir
unbefristete Berufswege neben der Professur schaffen und ausweiten. Daueraufgaben sollen
auch mit Dauerstellen gesichert sein. Die Wissenschafts- und Hochschullandschaft ist immer
noch vorwiegend männlich, weiß, westdeutsch und von Menschen aus akademischen Elternhäusern
geprägt. Das wollen wir ändern und Anreize für wirkungsvolle Diversitätsstrategien in
Wissenschaft und Forschung schaffen. Gerade Frauen kehren in der Postdoc-Phase der
Wissenschaft den Rücken, sodass nur ein Viertel aller Professuren in Deutschland von ihnen
besetzt ist. Wir wollen einen Frauenanteil von 40 Prozent auf allen Ebenen durch die
Einführung konkreter Zielquoten, eine Strategie für die bessere Vereinbarkeit von Familie
und Beruf im Wissenschaftsbereich, die Einführung des Kaskadenmodells sowie den Ausbau des
Professorinnenprogramms erreichen.
Wissenschaftsfreiheit verteidigen
Politisches Handeln in der geistigen Tradition der Aufklärung sowie die Orientierung an den
Erkenntnissen der Wissenschaft stehen immer stärker unter Druck, auch in Deutschland. Doch
es braucht freie Wissenschaft, um mit Erkenntnis und Innovation gesellschaftliche
Entwicklung zu ermöglichen und Menschheitsprobleme zu lösen. Wir wollen weltweit verfolgte
Wissenschaftler*innen und Studierende besser schützen, etwa durch einen europäischen Fonds.
Es muss wirksamen Schutz gegen Anfeindungen geben, wie sie mittlerweile auch Forscher*innen
und auch ausländische Studierende häufig erleben. Die Anerkennung von ausländischen
Berufsabschlüssen und die Visavergabe sollen vereinfacht werden. Konsequent werden wir
Angriffen auf die Wissenschaftsfreiheit in anderen Staaten der EU, etwa in Ungarn,
widersprechen und uns für die Sanktionierung im Rahmen des Rechtsstaatsmechanismus
einsetzen. Die Verteidigung der Wissenschaftsfreiheit muss zentraler Aspekt der Außenpolitik
sein.
Antragstext
Von Zeile 587 bis 588 einfügen:
verfolgte Künstler*innen und Wissenschaftler*innen sowie Maßnahmen gegen Desinformationskampagnen wollen wir verstärken. Außerdem wollen wir die internationale Bildungszusammenarbeit stärken, zirkuläre Migration und globale Verflechtungen akademischer, beruflicher und praktischer Bildungsnetzwerke wollen wir durch Austauschprogramme fördern und unterstützen.
Die großen Herausforderungen unserer Zeit sind global: Pandemien, die Klimakrise, Hunger,
Migration und die sozial-ökologische Transformation als besondere Aufgabe. Wir können sie
nur gemeinsam meistern. Jahrelang hat Deutschland in Europa und der Welt aber allenfalls
moderiert, oft gezögert, ist abgetaucht. Es ist Zeit, wieder eine aktive Außenpolitik zu
betreiben und als gestaltende Kraft voranzugehen im Sinne einer multilateralen und
vorsorgenden, einer kohärenten und wertegeleiteten Politik – stets europäisch und entlang
einer verlässlichen deutsch-französischen Zusammenarbeit, transatlantisch und im Rahmen der
Vereinten Nationen.
Gestützt auf die Agenda der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, das Pariser
Klimaabkommen und die rechtebasierte internationale Ordnung setzen wir uns für eine globale
Strukturpolitik ein, die den Schutz öffentlicher Güter, eine gerechte Ressourcenverteilung
sowie Entwicklungschancen für alle als beste Vorsorge gegen Konflikte, Gewalt oder das
unermessliche Leid von Flucht und Vertreibung begreift.
Ausgangspunkt unserer Politik ist eine gestärkte und handlungsfähige Europäische Union. Die
Werte, auf denen sie gründet, wollen wir nach innen verteidigen und nach außen beherzt
vertreten: Menschenrechte, Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Die EU als
Friedensmacht ist nicht nur Antwort auf eine lange und schmerzvolle Geschichte von Kriegen
und Feindseligkeiten auf unserem Kontinent, exportiert in die ganze Welt, sondern vor allem
ein Zukunftsversprechen, das es einzulösen gilt. Sie ist unser schützenswertes und
einmaliges Zuhause. Gerade weil wir überzeugte Europäer*innen sind, streiten wir für ihre
stetige Fortentwicklung. Wir arbeiten für eine europäische Wertegemeinschaft, die ihre
Abhängigkeit von Dritten in kritischen Bereichen ab- und ihre strategische Souveränität
ausbaut – in einem Gleichgewicht von Kooperation, wo möglich, und Eigenständigkeit, wo
nötig. Nur eine handlungsfähige und krisenfeste EU ist in der Lage, kritische Infrastruktur
und öffentliche Güter zu schützen, global für das Völkerrecht und die universalen
Menschenrechte einzustehen. Mit dem größten Binnenmarkt der Welt hat die EU wirtschaftlich
erheblichen Einfluss. Diesen Hebel wollen wir nutzen, um die globale Transformation gerecht
zu gestalten und ambitionierte Standards zu setzen.
Der erheblichen Widerstände und Dilemmata, die das bedeutet, sind wir uns bewusst. Das
autoritäre Hegemonialstreben einer chinesischen Regierung, das Menschen- und
Bürger*innenrechte systematisch aushebelt, zwingt Staaten nicht nur in wirtschaftliche und
politische Abhängigkeit, sondern spaltet auch Europa. Zugleich wird eine globale sozial-
ökologische Transformation ohne China, auch ohne Russland oder Brasilien, nicht möglich
sein. Das allein zeigt: Der Systemwettbewerb mit autoritären Staaten und Diktaturen ist
real, lässt bisweilen nur die Wahl zwischen Regen oder Traufe – und stellt uns vor derart
beachtliche Aufgaben, dass jede Form des Alleingangs zum Scheitern verurteilt wäre.
Wir können die vielen Widersprüche und Grenzen außen-, entwicklungs- und
sicherheitspolitischen Handelns nicht auflösen. Die Verteidigung von Menschenrechten,
Demokratie und das klare Bekenntnis zu Freiheitsbewegungen führen an die Grenzen politischer
Handlungsfähigkeit. Wir können uns aber dieser Verantwortung nicht entziehen. Umso zentraler
ist europäische Kohärenz und sind politische Bündnisse mit allen anderen Staaten, aber
gerade auch Regionen und zivilgesellschaftlichen oder zwischenstaatlichen Akteuren, für die
der Wert von Kooperation und die Stärke des Rechts ebenfalls Grundlage internationaler
Beziehungen sind. Diese Bündnisse wollen wir selbstbewusst mitgestalten. Souverän sind wir
nur gemeinsam.
Wir setzen auf den ehrlichen Interessensausgleich, die Achtung der Rechte marginalisierter
Gruppen, auf Zusammenarbeit und Rechtsstaatlichkeit, auf Konfliktprävention und
regelbasierte Konfliktbearbeitung in einer eng vernetzten Welt. Unser Ziel ist eine
Weltordnung, in der Konflikte nicht über das Recht des Stärkeren, sondern am
Verhandlungstisch gelöst werden. Und wir reichen allen die Hand, die daran teilhaben wollen.
All das tun wir im Wissen um Deutschlands Verantwortung in der Welt und im Bewusstsein um
die Verbrechen des Nationalsozialismus.
Als hochentwickelter und exportorientierter Industriestaat gehört Deutschland zu den
Hauptverursachern globaler Erwärmung und agiert als entscheidender Player einer
Globalisierung, die eben nicht nur Wohlstand und Entwicklung bedeutet, sondern auch zu
Ausbeutung von Mensch und Umwelt führt. Diese Verantwortung verstehen wir als Antrieb für
ambitionierte Veränderung und entschiedenes Handeln mit dem Ziel globaler Gerechtigkeit und
setzen dafür bei uns selbst an.
Das bedeutet auch: Wir fordern die Einhaltung und den Schutz der Menschenrechte nicht nur
von anderen ein, sondern messen uns selbst daran. Menschenrechte sind völkerrechtliche
Pflicht und unverrückbare Grundlage einer wertegeleiteten internationalen Politik. „Alle
Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“: Artikel 1 der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte ist Leitbild unseres Engagements – auch in der europäischen
Flüchtlingspolitik. Sie ist das große Versagen Europas. In keinem anderen Bereich scheitern
die europäischen Regierungen derart an den eigenen Ansprüchen von Moral, Menschenrechten und
internationalem Recht.
Das Versagen ist zugleich global: Nirgends auf der Welt wird Flucht angemessen und nach
klaren, menschenrechtsbasierten Prinzipien begegnet. Diese Regeln aber gibt es, ebenso wie
es immer wieder Momente in unserer Geschichte gab, da nach ihnen gehandelt wurde. Hier
wollen wir anknüpfen und – wenn nicht gesamteuropäisch, dann in einer humanitären Koalition
der Willigen innerhalb und außerhalb der EU – einen Paradigmenwechsel hin zur konsequenten
Vorbeugung gegen Fluchtursachen und zu einem menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten
vorantreiben. Wir setzen auf Rationalität und Handlungswillen, auf Humanität und
Verantwortung – und auf den unerlässlichen Pragmatismus der Nothilfe.
Die Größe und Komplexität der internationalen Herausforderungen, die da vor uns liegen,
sollte Messlatte unseres außenpolitischen Handelns sein. Die globalen Aufgaben sind
erheblich. Wagen wir die entsprechenden Antworten.
Wir treiben die sozial-ökologische Transformation voran
Schubkraft für globale Transformation
Mehr denn je bedrohen Klimaveränderungen und der Verlust von Artenvielfalt menschliche
Sicherheit und Freiheit sowie die nachhaltige Entwicklung – überall auf der Welt. Die Zeit
drängt. Darum braucht es in den nächsten Jahren einen energischen Schub für eine sozial-
ökologische Transformation. Die nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 und des
Klimaabkommens von Paris waren ein Aufbruch. Alle Länder sind seitdem verpflichtet, bei sich
zu Hause anzufangen und ihren Beitrag für die gemeinsame Aufgabe zu leisten – schließlich
sind es unsere Entscheidungen in Wirtschaft und Handel, bei Agrar- oder Rüstungsexporten,
die sich weltweit stark auf Klima, Artenschutz und globale Gerechtigkeit auswirken. Wir
wollen alle Politikbereiche in Deutschland auf die Transformation ausrichten und einen
Nachhaltigkeits- und Menschenrechts-TÜV einführen. Es gilt unsere internationalen Zusagen
einzuhalten und die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen der ODA-
Quote sowie der internationalen Klimafinanzierung und Biodiversität zu erfüllen. Auch
international wollen wir neuen Schwung in die sozial-ökologische Transformation bringen,
indem wir auf eine verbindliche Transformationsquote hinwirken. Wir bündeln die Ausgaben für
Entwicklungszusammenarbeit, internationale Klimafinanzierung und Teile der humanitären
Hilfe, um eine globale Transformation entlang den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten
Nationen und den Pariser Klimazielen zu finanzieren. Deutschlands Beitrag soll die ODA-Quote
erfüllen und bis 2025 8 Milliarden Euro zur internationalen Klimafinanzierung bereitstellen.
Klimaaußenpolitik
Wir verfolgen eine ambitionierte, nachhaltige und menschenrechtskonforme Klimaaußenpolitik.
Sie ist klimapolitisch notwendig, kann nachhaltige Entwicklung fördern, Ressourcenkonflikten
vorbeugen und Frieden sichern. Klimaaußenpolitik kann zu einer Win-win-Situation für Europa,
seine Nachbarn und die Länder des globalen Sonnengürtels führen. Sie bedeutet zum einen,
dass wir Europäer*innen unseren Bedarf an grüner Energie durch Klimapartnerschaften decken
helfen: grüner Wasserstoff statt Öl- und Gasimporte. Andererseits werden wir so endlich
unserer historischen Verantwortung gerecht, indem wir Elektrifizierung und
Technologietransfers insbesondere in afrikanischen Ländern vorantreiben und den massiven
Ausbau der erneuerbaren Energien in diesen Ländern unterstützen. Nur so können wir es
schaffen, global auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen. Wir stärken die bestehenden Fonds für
Klimaanpassung und Klimaschutz („Adaptation and Mitigation“) und setzen uns dafür ein, dass
es auch einen Fonds zum Ausgleich von Schäden und Verlusten („Loss and Damage“) gibt. Daraus
können zum Beispiel Klimarisikoversicherungen finanziert werden. Entwicklungs- und
Investitionsbanken wie die Weltbank sollten zu Transformationsbanken umgebaut werden.
Klima- und Umweltschutz schützt Menschenrechte
Der Schutz der Menschenrechte verpflichtet zum Klima- und Umweltschutz, umgekehrt schützt
Klima- und Umweltschutz Menschenrechte. Wir treten für verbindliche Mechanismen zum Schutz
von Menschen ein, die aufgrund von Extremwetterereignissen oder schleichender
Umweltveränderung ihre Heimat verlassen müssen. Regionale Ansätze, die den Betroffenen eine
selbstbestimmte und würdevolle Migration ermöglichen, unterstützen wir. Zugleich wollen wir
jene Staaten in die Pflicht nehmen, die historisch am meisten zur Erderwärmung beigetragen
haben. Die „Task Force on Displacement“ wollen wir strukturell stärken und setzen uns dafür
ein, dass ihre Empfehlungen ebenso umgesetzt werden wie der Globale Pakt für eine sichere,
geordnete und reguläre Migration sowie der Globale Pakt für Flüchtlinge. Initiativen zur
Stärkung des Rechtswegs und das Instrument der Klimaklagen unterstützen wir. Die
französische Initiative, das Umweltvölkerrecht zu kodifizieren und zu konsolidieren, greifen
wir auf und machen uns dafür stark, in einem ersten Schritt das Recht auf saubere Umwelt in
einer Resolution der VN-Generalversammlung zu verbriefen.
Armut weltweit bekämpfen
Durch die Corona-Pandemie ist die Armut weltweit dramatisch angestiegen. Armutsbekämpfung
ist zentrales Ziel unseres internationalen Engagements. Darum setzen wir uns dafür ein, dass
Menschen weltweit sozial abgesichert werden und wollen – gemeinsam mit lokalen
Organisationen und Expert*innen – zum Aufbau und einer nachhaltigen Stärkung von sozialen
Sicherungssystemen beitragen. In einem ersten Schritt können Menschen in besonders von Armut
betroffenen Regionen durch finanzielle Direkthilfen („social cash transfers“) im Rahmen der
ODA-Mittel abgesichert werden. Grundsätzlich wollen wir, dass soziale Sicherungsprogramme
die vulnerabelsten Gruppen erreichen – und Geschlechtergerechtigkeit und sozialen
Zusammenhalt fördern.
Wir stärken die multilaterale Zusammenarbeit
Vereinte Nationen reformieren
Ohne die Vereinten Nationen ist die multilaterale Zusammenarbeit an der sozial-ökologischen
Transformation nicht zu meistern. Ihre Institutionen versorgen überall auf der Welt
Millionen von Geflüchteten, stellen Bildung, Nahrung und Gesundheit zur Verfügung. Sie
vermitteln in unzähligen Kriegen und Konflikten und sind der Rahmen, in dem die beiden
wichtigsten multilateralen Abkommen der vergangenen Jahre ausgehandelt worden sind: die
2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung und das Pariser Klimaschutzabkommen. Das Engagement
Deutschlands und der EU für die Vereinten Nationen werden wir finanziell, personell und
diplomatisch substanziell verstärken, besser koordinieren und internationale Vereinbarungen
konsequent in nationale und europäische Politik umsetzen. So schaffen wir die
Voraussetzungen für notwendige Reformen des VN-Systems. Der Sicherheitsrat und andere Organe
der Vereinten Nationen sollten an die Realitäten des 21. Jahrhunderts angepasst werden.
Dabei geht es um eine gerechtere Repräsentation der Regionen im Sicherheitsrat. Das Konzept
der Vetomächte ist nicht mehr zeitgemäß. Wir zielen darauf, dass das Vetorecht langfristig
abgeschafft wird. Als Zwischenschritt sollte im Falle von schwersten Verbrechen gegen die
Menschlichkeit ein Veto im Sicherheitsrat mit einer Begründung und einem Alternativvorschlag
versehen werden. Wenn der Sicherheitsrat im Falle von schwersten Menschenrechtsverletzungen
anhaltend blockiert ist, soll die Generalversammlung an seiner Stelle über
friedenserzwingende Maßnahmen mit qualifizierter Mehrheit beschließen.
Resilienz gegen Epidemien erhöhen – WHO stärken
Zum Schutz vor neuen und zur Bekämpfung der alten Krankheiten setzen wir auf verstärkte
internationale Zusammenarbeit und Solidarität unter dem Dach der zu reformierenden
Weltgesundheitsorganisation als Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Wir wollen die
WHO in ihrer Ausstattung mit deutlich höheren Beiträgen und einem klaren Mandat als
koordinierende Organisation der globalen Gesundheit stärken. In der Gruppe der G20 werden
wir uns dafür einsetzen, ihr einen formellen Sitz einzuräumen. Medikamente und Impfstoffe
müssen in allen Ländern erschwinglich und zugänglich sein, das Patentrecht muss entsprechend
flexibel sein. Monopole auf geistiges Eigentum zur Bekämpfung von Krankheiten dürfen den
Zugang zu überlebenswichtigen Schutzmaterialien, Impfstoffen und Arzneimitteln nicht
versperren.
50 Prozent Frauen in internationalen Verhandlungen
Wir wollen dem Multilateralismus neue Impulse für mehr Zusammenarbeit geben. Transformation
gelingt nur mit Kooperation, und die gelingt nur durch Einbeziehung der betroffenen
gesellschaftlichen Gruppen. Nach wie vor ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen der
stärkste Indikator dafür. Wir wollen schrittweise für Deutschland und Europa eine 50-
Prozent-Quote in allen diplomatischen und multilateralen Verhandlungen, für die Entsendung
in internationale Organisationen sowie auf den Umsetzungsebenen durchsetzen. Um das zu
ermöglichen, ist eine 50-Prozent-Quote für Frauen im Auswahlverfahren für das Personal in
internationalen Einsätzen, in den international arbeitenden Ministerien sowie im gehobenen
und höheren Europäischen Auswärtigen Dienst notwendig. Es braucht vergleichbare Kriterien,
Standards, Indikatoren und Zeitrahmen für die Gleichstellungspläne der Ministerien,
vergleichbar mit dem „Gender Equality Plan“ nach dem Vorbild der schwedischen Regierung.
Wir arbeiten an guten Beziehungen in einer multipolaren
Welt
Für eine aktive europäische Nachbarschaftspolitik
Die EU muss vor allem in ihrer direkten Nachbarschaft mehr Verantwortung übernehmen. Die EU-
Erweiterungspolitik ist dabei eine Erfolgsgeschichte, die wir fortschreiben wollen. Deshalb
treten wir für konkrete Fortschritte bei der europäischen Integration des westlichen Balkans
und eine Aufnahme der Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien auf Grundlage der
Kopenhagener Kriterien ein. In Osteuropa streiten viele mutige Menschen in Ländern wie
Armenien, Georgien, der Ukraine oder Belarus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte. Wir unterstützen die demokratische Zivilgesellschaft und unabhängige Medien
in den östlichen Nachbarländern, wollen mehr Austausch zwischen Ost und West ermöglichen und
über die Östliche Partnerschaft der EU Justizreformen vorantreiben. Den EU-assoziierten
Ländern der Östlichen Partnerschaft wollen wir den Weg zu einem EU-Beitritt offenhalten. Im
Süden braucht es eine neue Mittelmeerpolitik, die gemeinsam Entwicklungspotenziale für die
Region realisiert und sich zugleich den enormen Herausforderungen stellt: Terrorismus,
autoritäre Regime, Staatszerfall. Gemeinsam wollen wir im Rahmen ambitionierter
Energiepartnerschaften den Mittelmeerraum zu einer Plus-Energie-Region machen. Derweil hat
zu unserem großen Bedauern mit Großbritannien erstmals ein Land das gemeinsame Haus der EU
verlassen. Es ist gut, dass mit dem Handels- und Kooperationsabkommen die Grundlage für
einen Neubeginn geschaffen wurde. Es bedarf aber weiterer Anstrengungen, um zu verhindern,
dass europäische Standards ausgehöhlt werden. Der Frieden auf der irischen Insel ohne harte
Grenze hat weiter Priorität.
USA
Die transatlantische Partnerschaft bleibt ein Stützpfeiler der deutschen Außenpolitik,
jedoch muss sie erneuert, europäisch gefasst, multilateral und an klaren gemeinsamen Werten
und demokratischen Zielen ausgerichtet werden. Als Kern einer erneuerten transatlantischen
Agenda der EU schlagen wir vor, einen gemeinsamen starken Impuls für die weltweite
Klimapolitik, ausgehend von den Pariser Klimazielen, zu geben. Wir setzen auch bei
Digitalisierung, der Stärkung des Multilateralismus, in Handelsfragen sowie bei der
Gesundheit auf eine gute Kooperation mit den USA. Wir wollen uns gemeinsam für den
weltweiten Menschenrechtsschutz und eine regelbasierte Weltordnung einsetzen. Das schließt
eine Verständigung über den Umgang mit autoritären Staaten wie China und Russland mit ein.
Der sicherheitspolitische Fokus der USA wird sich auch mit der neuen US-Regierung nicht
wieder zuvorderst auf Europa richten. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen selbst mehr
außen- und sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen. Das gilt insbesondere für die
Sicherheit der östlichen Nachbarländer der EU wie auch der baltischen Staaten und Polens.
Wir wollen die transatlantische Debatte auf vielen Ebenen führen, auch auf den jeweiligen
föderalen und lokalen, und damit nachhaltige, diverse gesellschaftliche Netzwerke knüpfen.
China
China ist Europas Wettbewerber, Partner, systemischer Rivale. Wir verlangen von China ein
Ende seiner eklatanten Menschenrechtsverletzungen etwa in Xinjiang und Tibet und zunehmend
auch in Hongkong. Es braucht dennoch einen konstruktiven Klima-Dialog mit China und wir
streben gemeinsame politische, wirtschaftliche und technologische Anstrengungen zur
Bekämpfung der Klimakrise an. Die Kooperation mit China darf nicht zu Lasten von
Drittstaaten oder von Menschen- und Bürger*innenrechten gehen. Wir halten uns an Europas
„Ein-China-Politik“ und betonen, dass Chinas Vereinigung nicht gegen den Willen der
Bevölkerung Taiwans erzwungen werden darf. Unsere Handelsbeziehungen mit China wollen wir
nutzen, um fairen Marktzugang für ausländische Investitionen, Rechtssicherheit und gleiche
Wettbewerbsbedingungen einzufordern. Wir erwarten, dass China die entscheidenden Kernnormen
der Internationalen Arbeitsorganisation ILO ratifiziert und die Zwangsarbeit beendet. Das
europäische Lieferkettengesetz muss angesichts der Menschenrechtsverletzung – etwa in
Xinjiang – Waren aus Zwangsarbeit den Zugang zum Binnenmarkt ebenso verwehren, wie es
Unternehmen für ihre Produkte in Haftung nimmt. Wir werden an einer engen europäischen und
transatlantischen Koordinierung gegenüber China arbeiten, besonders auch in den Bereichen
5G-Ausbau und Schutz kritischer Infrastruktur.
Russland
Russland hat sich zunehmend in einen autoritären Staat gewandelt und untergräbt immer
offensiver Demokratie und Stabilität in der EU und in der gemeinsamen Nachbarschaft.
Gleichzeitig erstarkt die Demokratiebewegung in Russland. Die mutige Zivilgesellschaft, die
der immer härteren Repression durch den Kreml die Stirn bietet und für Menschenrechte,
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kämpft, wollen wir unterstützen und den Austausch mit ihr
intensivieren. Für eine Lockerung der Sanktionen, die wegen der völkerrechtswidrigen
Annexion der Krim und des militärischen Vorgehens gegen die Ukraine gegen Russland verhängt
wurden, hat die EU klare Bedingungen formuliert. An diesen werden wir festhalten und die
Sanktionen bei Bedarf verschärfen. Wir verlangen, dass die russische Regierung ihre Zusagen
aus dem Minsker Abkommen umsetzt. Das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 ist nicht nur klima-
und energiepolitisch, sondern auch geostrategisch schädlich – insbesondere für die Situation
der Ukraine – und muss daher gestoppt werden.
Türkei
Wir stehen an der Seite all derer, die in der Türkei für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte kämpfen. Wir verurteilen die Menschenrechts- und Rechtsstaatsverletzungen,
fordern eine Freilassung aller politischen Gefangenen und die Rückkehr zu einem politischen
Dialog- und Friedensprozess in der kurdischen Frage. Wir weisen die aggressive Außenpolitik
der türkischen Regierung entschieden zurück und fordern sie auf, zu einer multilateralen
Außen- und Sicherheitspolitik zurückzukehren – das gilt es auch in der NATO zu
thematisieren. Die Wiederaufnahme der Gespräche über einen EU-Beitritt kann es erst geben,
wenn die Türkei eine Kehrtwende zurück zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vollzieht. Der
bestehende EU-Türkei-Deal untergräbt internationales Asylrecht, ist gescheitert und muss
daher beendet werden. Dafür braucht es ein neues, völkerrechts- und rechtsstaatskonformes
Abkommen, das aus den Fehlern der Vergangenheit lernt, die notwendige finanzielle und
logistische Unterstützung vor Ort garantiert und eine verbindliche Kontingentzusage zur
Umsiedlung besonders schutzbedürftiger Geflüchteter in die EU enthält. Wir lehnen es
entschieden ab, dass Menschen in Deutschland mit familiären Bindungen in die Türkei von der
türkischen Regierung politisch und religiös instrumentalisiert werden, unter anderem durch
in Deutschland tätige Vereine und Staatsmedien.
Israel und Palästina
Deutschland hat eine historische Verantwortung gegenüber Israel. Die Existenz und die
Sicherheit Israels als nationale Heimstätte des jüdischen Volkes mit gleichen Rechten für
all seine Bürger*innen sind unverhandelbar. Die Fortsetzung der engen Beziehungen sowie
Frieden und Stabilität im Nahen Osten sind ein zentrales Anliegen deutscher Außen- und
Sicherheitspolitik. Die zunehmende Bedrohung Israels in seiner Nachbarschaft verurteilen
wir. Die Sicherheitslage in der Region ist fragil und darf nicht weiter eskaliert werden.
Einseitige Maßnahmen wie eine Annexion von besetzten Gebieten oder der fortschreitende
völkerrechtswidrige Siedlungsbau laufen dem Ziel einer friedlichen und politischen Lösung
des Konflikts entgegen. Für Frieden und Sicherheit braucht es eine Zweistaatenregelung mit
zwei souveränen, lebensfähigen und demokratischen Staaten für Israelis und
Palästinenser*innen. Die angekündigten Wahlen in den palästinensischen Gebieten sind ein
positives Zeichen. Die Chance der politischen und wirtschaftlichen Abkommen Israels mit
arabischen Staaten wollen wir nutzen, um einen multilateralen Friedensprozess wieder
aufleben zu lassen und einen langfristigen Frieden in der Region zu schaffen. Europa soll
sich hierfür eng mit der neuen US-Regierung koordinieren.
Nachbarschaft und Partnerschaft mit Afrika
Die afrikanischen Staaten und die Europäische Union sind regional wie historisch eng
verbunden und teilen gemeinsame Interessen. Die afrikanischen Gesellschaften sind divers und
vielfältig mit über 3.000 Sprachen in 54 Staaten. In den Beziehungen mit den afrikanischen
Staaten setzen wir uns – auf Basis einer gemeinsamen, globalen Verantwortung für Frieden,
nachhaltige Entwicklung und Gerechtigkeit – für eine in der Bundesregierung und der EU
abgestimmte und differenzierte Politik ein. Die Zukunft liegt in einer Afrikapolitik, die
sich von kolonialen und patriarchalen Denkmustern freimacht und gleichzeitig die europäische
Verantwortung gegenüber dem Kontinent ernst nimmt. Die Fortsetzung einer einseitigen
Politik, die in weiten Teilen auf Fluchtabwehr, unfairen Handelsbeziehungen und der
Ausbeutung von Rohstoffen fußt, lehnen wir ab. Anstatt für sich ewig konterkarierende
Ansätze machen wir uns für eine gemeinsame und kohärente EU-Afrika-Strategie stark, die
Zukunftsthemen wie Klimaschutz und Digitalisierung ebenso ins Zentrum rückt wie die globale
sozial-ökologische Transformation und zivile Krisenprävention. Der Afrikanischen Union
stehen wir bei der Umsetzung ihrer Agenda 2063 und der regionalen Entwicklungsagenden nach
Kräften zur Seite.
Wir verteidigen die Menschenrechte
Menschenrechtsverteidiger*innen schützen
Menschenrechtsverteidiger*innen sind Held*innen. Sie verteidigen überall auf der Welt oft
unter Lebensgefahr für sich und ihre Familien die Einhaltung der Menschenrechte an
vorderster Front. Sie bedürfen unseres Schutzes, unserer Solidarität und aktiven
Unterstützung – auf allen Ebenen. An den besonders betroffenen deutschen
Auslandsvertretungen sollten deshalb Menschenrechtsreferent*innen als extra Anlaufstelle
etabliert und sollte eine ressortübergreifende systematische Berichterstattung über die
Menschenrechtslage im Land eingeführt werden. Für Menschenrechtsverteidiger*innen, die nicht
in ihrem Land bleiben können, weil sie dort akut gefährdet sind, wollen wir schneller und
häufiger als bisher humanitäre Visa bereitstellen und die neu eingerichtete Elisabeth-
Selbert-Initiative zu ihrer temporären Aufnahme ausbauen. Auf internationaler Ebene setzen
wir uns für den Ausbau von Förderungsmöglichkeiten für zivilgesellschaftliche Initiativen
und die finanzielle Stärkung der entsprechenden Schutzinstrumente und Institutionen, wie
beispielsweise Sonderberichterstatter*innen, ein.
Kriegsverbrecher*innen zur Rechenschaft ziehen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Kriegsverbrechen dürfen nicht ungestraft
bleiben – als Zeichen der Gerechtigkeit an die Opfer, als Signal der Abschreckung, als
Voraussetzung für Frieden und Versöhnung. Das deutsche Völkerstrafrecht bietet die
Möglichkeit der Verurteilung auch hier in Deutschland. Dazu werden wir die Kapazitäten beim
Bundeskriminalamt und der Generalbundesanwaltschaft ausbauen. Die Ermittlungen in Fällen
sexualisierter Gewalt sollten verbessert und die Strafprozessordnung sollte dort reformiert
werden, wo sie den Besonderheiten von Völkerstrafrechtsverfahren noch nicht Rechnung trägt.
International setzen wir uns für die Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofes und des
Mechanismus der Vereinten Nationen für die Untersuchung und Verfolgung von schwersten
Kriegsverbrechen in Syrien (IIIM) ein – politisch wie finanziell. Gerade Kinder und
Jugendliche, die sexualisierte und geschlechtsbasierte Gewalt, Entführungen, Rekrutierung
als Kindersoldat*innen erlebt haben, leiden unter schweren Traumata. Wird dieses Leid nicht
aufgearbeitet, beeinträchtigt es das Leben dieser Menschen und ihrer Familien sowie den
gesellschaftlichen Zusammenhalt über Generationen. Die individuelle Traumabearbeitung wollen
wir durch mehr qualifiziertes Personal und sichere Traumazentren vor Ort auch mit unseren
internationalen Partnern und in Deutschland deutlich ausbauen.
Keine Überwachungstechnologie für Diktaturen
Verschlüsselte Kommunikation rettet tagtäglich Menschenleben. In den sozialen Medien werden
Menschenrechtsverletzungen, die ansonsten unentdeckt geblieben wären, für alle sichtbar. Und
ohne Satellitenbilder ließe sich etwa die Vertreibung ganzer Dorfgemeinschaften in
Kriegsgebieten gar nicht erst nachvollziehen. Zugleich sind es oft europäische
Überwachungstools, die es autokratischen Regierungen ermöglichen, unliebsame Aktivist*innen
zu verfolgen. Wir zielen auf ein europäisches Moratorium für die Ausfuhr, den Verkauf und
die Weitergabe von Überwachungsinstrumenten an repressive Regime. Entsprechende
Schutzklauseln wollen wir in der deutschen wie europäischen Exportkontrolle verankern. Wir
fördern die Entkriminalisierung verschlüsselter Kommunikation und stärken die Multi-
Stakeholder-Governance des Internets auf internationaler Ebene. Im Rahmen unserer
internationalen Zusammenarbeit setzen wir uns für den Zugang aller zu digitaler Technologie
ein. Den freien Zugang zu Informationen als einem globalen öffentlichen Gut gilt es zu
fördern und zu schützen. Durch die Unterstützung von Trainings stärken wir die sichere
digitale Vernetzung zivilgesellschaftlicher Organisationen weltweit.
Für Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen weltweit
Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein Menschenrecht. Ohne Geschlechtergerechtigkeit
kann auch Armut nicht wirksam bekämpft werden. In vielen der ärmsten oder
konfliktgebeutelten Länder sind Frauen und Mädchen besonders von Armut, Hunger und Gewalt
betroffen. Wir setzen uns konsequent für die Rechte von Frauen und Mädchen weltweit ein, für
ein selbstbestimmtes Leben. Bildung und Gesundheit sind dafür die Schlüssel. Wir engagieren
uns dafür, Frauen und Mädchen den uneingeschränkten Zugang zu gleichwertiger Bildung zu
sichern sowie ihre sexuellen und reproduktiven Rechte zu schützen. Es braucht innovative
Bildungsangebote wie kompakte nachholende Grundbildung für Frauen oder Berufsbildung in
Krisen- und Post-Konfliktkontexten. Unsere internationale Zusammenarbeit werden wir darum
finanziell und konzeptionell auf diese Aufgabe hin ausrichten, die Erreichung der
Geschlechtergerechtigkeit als Querschnittsaufgabe sowie reproduktive Gesundheit und das
Recht auf Bildung in allen Projekten verankern.
Menschenrechtskonventionen umsetzen, Institutionen stärken
Um Menschenrechte tatsächlich und rechtlich durchsetzen zu können, müssen internationale
Menschenrechtskonventionen ratifiziert und Menschenrechtsinstitutionen gestärkt werden. Es
gilt insbesondere die ILO-Konvention für die Rechte indigener Völker, das
Fakultativprotokoll zum Sozialpakt und die Wanderarbeiterkonvention der Vereinten Nationen
zu ratifizieren. Das ist für Deutschland seit vielen Jahren überfällig. Auf europäischer
Ebene setzen wir uns für die Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte ein. Das Instrument der gezielten EU-Sanktionen gegen
Menschenrechtsverbrecher*innen befürworten wir. Die Beauftragte der Bundesregierung für
Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter
und das Deutsche Institut für Menschenrechte wollen wir besser ausstatten, damit sie ihre
Aufgaben planbar erfüllen können. Menschenrechte und Demokratieförderung sind Grundpfeiler
unserer entwicklungspolitischen Arbeit.
Rechte von Minderheiten schützen
Der Umgang mit Minderheiten ist der Gradmesser für den Menschenrechtsschutz in einer
Gesellschaft. Wir setzen uns dafür ein, die Rechte von Minderheiten auf internationaler
Ebene zu stärken – auch innerhalb der EU. Nach wie vor setzen die einzelnen Staaten den
durch die Vereinten Nationen vorgegebenen Minderheitenschutz in nationales Recht um, ohne
dass einheitlich kontrolliert wird, ob das umfassend genug ist. Damit ist der Schutz
lückenhaft. Wir werden außenpolitisch für die weltweite Umsetzung der Yogyakarta-Prinzipien
zum Schutz von LSBTIQ* eintreten. In der Entwicklungspolitik wollen wir hier einen neuen
Fokus setzen und unser Engagement deutlich steigern. Selbst innerhalb der EU gibt es große
Unterschiede: Es existieren keine gemeinsamen EU-Mindeststandards, kein einheitlicher
Rechtsrahmen, der den Schutz und die Förderung von Minderheiten gewährt. Das wollen wir
ändern. In der EU werden wir uns für die Verabschiedung der 5.
Antidiskriminierungsrichtlinie einsetzen, damit international anerkannte Menschenrechte in
der EU eine Rechtsgrundlage erhalten und die VN-Konvention über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen auf europäischer Ebene rechtlich umgesetzt wird. Den EU-Aktionsplan gegen
Rassismus treiben wir national und international voran.
Wir schützen Geflüchtete
Eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik in Europa umsetzen
Wir treten für eine Europäische Union ein, die ihre humanitäre Verantwortung, das Grundrecht
auf Asyl und die Notwendigkeit, Verfahren nach völkerrechtlichen Standards fair und zügig
durchzuführen, zusammenbringt. So schwer das derzeit in der EU der 27 auch ist. Zustände wie
in den Lagern auf den griechischen Inseln oder an der Grenze zu Kroatien bedeuten einen
Bruch mit europäischen Werten und Menschenrechten. Der Blockade einer gemeinsamen und
humanen Flüchtlingspolitik zwischen den Mitgliedstaaten begegnen wir mit folgendem Plan: In
gemeinschaftlichen von den europäischen Partnern geführten Einrichtungen innerhalb der EU an
den rechtsstaatlich und europäisch kontrollierten EU-Außengrenzen sollen die Geflüchteten
registriert werden und einen ersten Sicherheitscheck durchlaufen. So wissen wir, wer zu uns
kommt, und werden zugleich unserer humanitären Verantwortung gerecht. Die Menschen, die nach
Europa kommen, müssen medizinisch und psychologisch erstversorgt und menschenwürdig
untergebracht werden. Unter Berücksichtigung persönlicher Umstände wie familiärer Bindungen
oder der Sprachkenntnisse bestimmt die EU-Agentur für Asylfragen den Aufnahme-Mitgliedstaat.
Der zugrunde liegende Verteilmechanismus stützt sich zunächst auf die Bereitschaft von
Regionen und Städten, Geflüchtete freiwillig aufzunehmen. Wer das tut, erhält Hilfe aus
einem EU-Integrationsfonds. Reichen die Aufnahmeplätze nicht aus, weiten alle
Mitgliedstaaten im Verhältnis von Bruttoinlandsprodukt und Bevölkerungsgröße verpflichtend
ihr Angebot aus oder leisten einen mindestens gleichwertigen Beitrag zu den Gesamtkosten.
Das Asylverfahren findet im aufnehmenden Mitgliedstaat statt. Die Kommission stellt sicher,
dass die gemeinsamen Regeln und Mindeststandards eingehalten werden. Wir werden mit
handlungswilligen Ländern und Regionen vorangehen, um die derzeitige katastrophale Situation
an den Außengrenzen zu beenden. Geschlossene Lager, Transitzonen oder europäische Außenlager
in Drittstaaten lehnen wir ab.
Familien zusammenführen
Niemand sollte für das völkerrechtlich verbriefte Recht, um Asyl zu ersuchen, das eigene
Leben oder das der Familie riskieren müssen. Genau das ist aber bittere Realität: Immer noch
reichen die Möglichkeiten für sichere Zugangswege bei weitem nicht aus und Geflüchtete sind
deshalb gezwungen, auf lebensgefährliche Routen durch die Wüste oder über das Meer
auszuweichen. Wir wollen sichere und geordnete Zugangswege schaffen – und so verhindern,
dass Schlepper aus der Not und dem Leid der Geflüchteten Profit schlagen können. Dabei sind
wir dem besonderen Schutz der Familie gemäß Grundgesetz, VN-Kinderrechtskonvention und
Europäischer Menschenrechtskonvention verpflichtet und treten dafür ein, die Einschränkungen
beim Familiennachzug wieder aufzuheben. Familien gehören zusammen und das Kindeswohl hat
oberste Priorität. Auch Menschen mit subsidiärem Schutzstatus müssen deshalb ihre
Kernfamilien ohne die bisherigen Einschränkungen nachholen können und mit Geflüchteten
gleichgestellt werden. Wir wollen den Geschwisternachzug wieder ermöglichen. An deutschen
und europäischen Botschaften braucht es mehr Personal und die Möglichkeit, digital Anträge
zu stellen, um die Wartezeiten für Visa von Familienangehörigen zu verkürzen. Auch mit
humanitären Visa möchten wir Schutzbedürftigen die Möglichkeit geben, sicher nach Europa zu
kommen und hier um Asyl zu ersuchen.
Sichere Zugangswege durch humanitäre Aufnahmepartnerschaft
Im Rahmen des Resettlement-Programms des UNHCR werden durch die Vereinten Nationen
anerkannte, besonders schutzbedürftige Geflüchtete solidarisch und geordnet auf die
Aufnahmeländer verteilt, statt sie ihrem Schicksal auf gefährlichen Fluchtrouten zu
überlassen. Das rettet Leben, nimmt Schleppern die Geschäftsgrundlage und folgt einem
bewährten, planbaren Verfahren. Im Globalen Pakt für Flüchtlinge ist die Weltgemeinschaft
übereingekommen, das Resettlement zu verstärken. Doch faktisch sinkt die Zahl der
Aufnahmeplätze seit Jahren. Wir schlagen vor, zusammen mit der neuen US-Administration und
Kanada sowie anderen in einer globalen humanitären Partnerschaft die Aufnahme besonders
schutzbedürftiger Geflüchteter aus dem Resettlement-Programm deutlich auszubauen. So stärken
wir die Vereinten Nationen, schaffen Planbarkeit auf allen Seiten, gehen mit gutem Beispiel
voran und regen andere Staaten an, dem internationalen Bündnis beizutreten. Das individuelle
Asylrecht bleibt durch das Resettlement unangetastet.
Landesaufnahmeprogramme ermöglichen
Mehrere Bundesländer und über 200 Kommunen in Deutschland sind bereit, mehr Geflüchtete als
von der Bundesregierung zugesagt bei sich aufzunehmen. Dass diese weiteren Aufnahmeplätze
dringend gebraucht werden, ist angesichts der elenden Zustände in den Lagern an den EU-
Außengrenzen, etwa auf den griechischen Inseln oder an der bosnisch-kroatischen Grenze,
offensichtlich. Wir wollen eine humanitäre Aufnahmepolitik, bei der der Bund und die Länder
kooperativ zusammenarbeiten und die die Aufnahmebereitschaft von Kommunen und Ländern nicht
mehr ignoriert. Länder und Kommunen sollen mehr Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten
erhalten, wenn es um die humanitäre Aufnahme Geflüchteter geht. Mit einer Änderung der
Zustimmungsregel zwischen dem Bundesinnenministerium und den Ländern von Einvernehmen in
Benehmen wollen wir klarstellen, dass sich Bundesländer künftig über den Königsteiner
Schlüssel hinaus selbständig und frei für die Aufnahme von Geflüchteten entscheiden können.
Der Bund soll weiter die finanziellen und infrastrukturellen Aufgaben erfüllen.
Menschenrechte einhalten, Außengrenzen sichern
Ein gemeinsamer Raum der Freizügigkeit und ohne Binnengrenzen braucht kontrollierte
Außengrenzen. Eine Außengrenze muss aber auch legale Zugangswege haben. Dass tausende
Menschen jährlich im Mittelmeer ertrinken, weil europäische Regierungen ihnen nicht
ausreichend sichere Zugangswege ermöglichen und auch die Rettung aus Seenot verweigern, ist
eine Schande. Wir streiten weiter für eine zivile und flächendeckende, europäisch
koordinierte und finanzierte Seenotrettung. Da ein gemeinsames Vorgehen aller europäischen
Mitgliedstaaten derzeit nicht möglich erscheint, wollen wir mit jenen vorangehen, die die
Seenotrettung als völkerrechtliche Pflicht ernst nehmen: Gerettete müssen zum nächsten
sicheren Hafen gebracht werden. Wir stehen fest an der Seite zivilgesellschaftlicher
Rettungsinitiativen und treten dafür ein, dass die Kriminalisierung und behördliche
Behinderung ihrer Arbeit beendet wird. Wir wollen, dass die Seenotrettung explizit ins
Aufgabenprofil von Frontex aufgenommen wird, und setzen auf eine europäische Grenzkontrolle,
die den gemeinsamen Schutz der Menschenrechte zur Grundlage hat und wichtige
grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnimmt, ohne sie zur Fluchtabwehr zu missbrauchen. Das moderne
Asylrecht beruht auf der Einzelfallprüfung, das völker- und europarechtlich verbriefte
Nichtzurückweisungsgebot gilt immer und überall. Die Genfer Flüchtlingskonvention gilt
uneingeschränkt. Ihre Aushöhlung führt weder zu mehr Sicherheit noch zu mehr europäischer
Handlungsfähigkeit in der Flüchtlingspolitik. Völkerrechtswidrige Pushbacks, von nationalen
Grenzpolizeien oder Frontex begangen, müssen geahndet werden. Das entsprechende Monitoring
durch die EU-Grundrechteagentur wollen wir ausbauen. Es bedarf einer engen parlamentarischen
Kontrolle von Frontex-Einsätzen sowie einer systematischen Menschenrechtsbeobachtung vor
Ort.
Aufnahme- und Transitländer unterstützen
Die humanitäre Versorgung von Geflüchteten außerhalb der Europäischen Union ist Bestandteil
unserer globalen Verantwortung. Wir wollen die finanzielle und logistische Unterstützung von
Erstaufnahme- und Transitländern wie der Türkei, dem Libanon, dem Sudan, Pakistan oder
Uganda sowie der dort tätigen Hilfsorganisationen ausbauen. Die deutsche und europäische
Zusammenarbeit mit Drittstaaten muss stets so erfolgen, dass Menschen- und Grundrechte sowie
internationale Asylstandards eingehalten werden. „Migrationspartnerschaften“ mit repressiven
Regimen lehnen wir ab, genauso wie die Kooperation mit der libyschen Küstenwache. Statt
„sichere Herkunftsländer“ zu definieren, brauchen wir für Rückführungen
menschenrechtskonforme Rückübernahmeabkommen. Wir wollen denjenigen Ländern, die ihren
Staatsbürger*innen nach einer Rückkehr Sicherheit garantieren, im Gegenzug über
Visaerleichterungen oder Ausbildungspartnerschaften verlässliche Aussicht auf eine geordnete
Migration eröffnen. Rückübernahmeabkommen dürfen aber nicht zur Bedingung in anderen
Politikbereichen, etwa entwicklungspolitischer oder rechtsstaatlicher Unterstützung, gemacht
werden und nicht für Drittstaatsangehörige gelten.
Fluchtursachen strukturell angehen
Wir wollen verhindern, dass Menschen überhaupt fliehen und ihre bisherige Heimat
unfreiwillig verlassen müssen. Deshalb rücken wir die strukturellen Ursachen von Vertreibung
und unsere dahingehende Verantwortung ins Zentrum unserer Politik. Denn viele politische
Entscheidungen, die wir in Deutschland und Europa treffen, haben direkte Auswirkungen auf
die Lebensbedingungen in anderen Weltregionen. Wir machen uns stark für zivile
Krisenprävention und wollen mit einer restriktiven Ausfuhrkontrolle europäische
Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete sowie an Autokraten beenden. Wir setzen uns für
ein gerechtes Handelssystem ein, das auch den Interessen des globalen Südens dient. Wir
treiben die sozial-ökologische Transformation unserer Wirtschaft voran. Uns ist bewusst:
Nicht alle Ursachen von Vertreibung können wir beeinflussen. Viele Menschen fliehen, weil
sie verfolgt oder ihnen grundlegende Rechte vorenthalten werden. Umso entscheidender ist
konsequentes Handeln überall dort, wo auch unser Wirtschaften und Konsumieren andernorts zu
Ausbeutung oder Perspektivlosigkeit führen.
Wir streiten für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung
Globale Krisenprävention
Die Corona-Krise führt in vielen Entwicklungsländern zu Kapitalflucht und Währungskrisen und
offenbart so die Schwächen der Währungsordnung. Unser Ziel bleibt langfristig der Aufbau
eines kooperativen Weltwährungssystems. Der IWF muss in Krisensituationen sehr viel mehr
Liquidität unkonditioniert bereitstellen können. Dafür werden wir uns für eine deutliche
Aufstockung der Sonderziehungsrechte einsetzen. Deutschland und Europa könnten vorangehen
und nicht genutzte Sonderziehungsrechte Entwicklungsländern zur Verfügung stellen, wie
Kanada es bereits getan hat. Der IWF sollte Entwicklungsländern auch bei der Einführung und
Durchführung von Kapitalverkehrskontrollen helfen und dafür mit den Staaten mit globalen
Finanzzentren zusammenarbeiten. Das Stimmengewicht muss sich zugunsten von
Entwicklungsländern verschieben. Die EU-Staaten sollten ihre Stimmrechte zusammenlegen.
Entwicklung ermöglichen, Schulden streichen
Viele Entwicklungsländer sind überschuldet. Beispielsweise gibt Pakistan 40 Prozent seines
Etats für den Schuldendienst, aber nur 2 Prozent für Gesundheit aus. Das derzeitige
Schuldenmoratorium ist richtig, verschiebt das Problem aber in die Zukunft. Wir brauchen
einen echten Schuldenerlass. Dafür muss ein international transparentes und unabhängiges
Staateninsolvenzverfahren für die Länder geschaffen werden, die nicht in ihrer eigenen
Währung verschuldet sind. Private Gläubiger müssen rechtlich dazu verpflichtet werden, an
einem Insolvenzverfahren teilzunehmen. So können wir den Zustand beenden, dass einzelne
Gläubiger eine Entschuldung blockieren, und verhindern, dass einzelne private Gläubiger wie
Geierfonds auf Kosten anderer profitieren. Damit wollen wir den zu hoch verschuldeten
Staaten im globalen Süden auch ermöglichen, ihre Gesundheitssysteme zu verbessen, sie für
alle zugänglich zu machen sowie Ansätze zum Schutz von Wasser-, Sanitärversorgung und
Hygiene voranzutreiben. Schuldenerlasse und -umwandlungen soll es für Maßnahmen im
Gesundheitsbereich sowie im Kampf gegen die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-
Krise geben. Zudem werden wir uns für ein langfristiges globales Corona-Hilfspaket für
strukturschwache Länder, Krisenregionen sowie Flüchtlingslager engagieren.
Spekulation mit Nahrungsmitteln verbieten
Nahrungsmittelpreise sind oft starken Schwankungen unterworfen. Verantwortlich dafür sind
nicht nur Wetter und Ernten, sondern auch skrupellose Spekulant*innen, die fette Profite
machen, wenn Menschen hungern. Wir werden uns in der EU für striktere Regulierungen
einsetzen, um Nahrungsmittelspekulation zu unterbinden. Dafür braucht es strenge
Berichtspflichten für Händler*innen. Konsequente Preis- und Positionslimits müssen an allen
europäischen Börsen eingeführt werden. Ziel ist es, dass Derivate nur noch zur Absicherung
bestehender Risiken und nicht mehr spekulativ eingesetzt werden können.
Wir treten ein für Frieden und Sicherheit
Vorausschauend für den Frieden
Unsere Außen- und Sicherheitspolitik zielt darauf, Konflikte zu verhindern, und setzt
deshalb auf Vorausschau gemäß der VN-Agenda für nachhaltige Entwicklung. Wir ergänzen den
traditionellen Sicherheitsbegriff um die menschliche Sicherheit und rücken damit die
Bedürfnisse von Menschen in den Fokus. Den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und die
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) gilt es zu stärken. Die personellen und
finanziellen Mittel für zivile Krisenprävention sollten gezielt erhöht und langfristig
planbarer werden. Wir wollen eine permanente und schnell einsatzbereite Reserve an EU-
Mediator*innen und Expert*innen für Konfliktverhütung, Friedenskonsolidierung und Mediation
aufbauen. Die Bereiche Polizei, Justiz und Friedensförderung wollen wir mit 1.000
Fachkräften ausstatten. Wir setzen uns dafür ein, die Deutsche Stiftung Friedensforschung,
den neu eingerichteten Fachbereich an der Deutschen Hochschule der Polizei und andere
wissenschaftliche Einrichtungen zu stärken und die Bedeutung von Friedensarbeit
gesamtgesellschaftlich noch sichtbarer zu machen. Die finanzielle Förderung des Zivilen
Friedensdienstes (ZFD) wollen wir deutlich erhöhen und den kontinuierlichen Ausbau
bedarfsgerecht fördern. Darüber hinaus ist ein ressortgemeinsamer Fonds „Krisenprävention,
Konfliktbewältigung und Friedensförderung“ nötig, der angemessen ausgestattet sein muss. Es
gilt Instrumente der Krisenfrüherkennung und Analysekapazitäten zu stärken, um auch die
langfristigen Folgen der Pandemie abwenden zu können.
Internationale Politik feministisch gestalten
Wir gestalten unsere Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik feministisch. Frauen,
Mädchen und marginalisierte Gruppen sind in besonderem Maße von Kriegen, Konflikten und
Armut betroffen. Die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Rolle als Gestalter*innen in der
internationalen Politik fördert Frieden, Entwicklung, Stabilität und Sicherheit. Es geht
darum, die Perspektiven von Frauen, Mädchen und marginalisierten Gruppen zu stärken, zu
schützen und bei allen bi- oder multilateralen Verhandlungen immer mindestens
gleichberechtigt einzubeziehen. Dazu braucht es auch Genderanalysen für einzelne
Länderkontexte in regelmäßigen Abständen und bedarfsgerechte Strategien und Genderbudgeting.
Es gilt die Umsetzung der VN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden, Sicherheit“ voranzutreiben,
sexualisierte und genderbasierte Gewalt entschieden einzudämmen, die reproduktiven Rechte
von Frauen zu schützen und die Sicherheit und Partizipation von Frauen und Mädchen in der
Prävention, bei der Transformation von Konflikten und in Stabilisierungsprozessen in den
Fokus zu nehmen.
Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik stärken
Gerade vor dem Hintergrund des zunehmenden Autoritarismus und der weltweiten Angriffe auf
Kunst- und Wissenschaftsfreiheit wollen wir die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik
stärken. Sie sichert Zugänge zur Zivilgesellschaft vor allem in Krisenzeiten, stärkt
demokratischen Austausch und baut neue Partnerschaften auf. Auch die Aufarbeitung der
Verbrechen des Nationalsozialismus werden wir durch internationale Kultur- und
Jugendbegegnungen und durch zivilgesellschaftlichen Austausch stärken. Die Verantwortung für
die koloniale Vergangenheit Deutschlands wollen wir zum Beispiel in gemeinsamen
Geschichtsbuchkommissionen mit ehemaligen kolonialisierten Staaten aufarbeiten.
Kulturmittlerorganisationen, wie etwa Goethe-Institute, und die deutschen Schulen im Ausland
sollen finanziell besser ausgestattet und digital fit gemacht werden, die Programme für
verfolgte Künstler*innen und Wissenschaftler*innen sowie Maßnahmen gegen
Desinformationskampagnen wollen wir verstärken. Außerdem wollen wir die internationale Bildungszusammenarbeit stärken, zirkuläre Migration und globale Verflechtungen akademischer, beruflicher und praktischer Bildungsnetzwerke wollen wir durch Austauschprogramme fördern und unterstützen.
Europarat und OSZE stärken
Frieden in Europa bedeutet mehr als Frieden, Sicherheit und Stabilität in der EU. Damit die
Vision einer friedlichen Zukunft für alle Europäer*innen Wirklichkeit werden kann, wollen
wir die gemeinsamen, über die EU hinausreichenden europäischen Institutionen wie den
Europarat und die OSZE stärken und weiterentwickeln, um alle europäischen Staaten
einzubinden. Nur so können wir tatsächlich ein effektives und starkes System kollektiver
Sicherheit in ganz Europa schaffen. Es bleibt unser Ziel, die östlichen Nachbarn Europas auf
der Basis gemeinsamer Werte für eine solche Perspektive zu gewinnen, was gerade angesichts
der nationalistischen und rückwärtsgewandten Politik Russlands, die Europas Sicherheit und
die Selbstbestimmung der Nachbarn Russlands untergräbt, nötig ist.
Neuer Schub für Abrüstung
Abrüstung und Rüstungskontrolle bedeuten global mehr Sicherheit für alle. Unser Anspruch ist
noch immer nichts Geringeres als eine atomwaffenfreie Welt. Nach der Aufkündigung des
Vertrags über nukleare Mittelstreckensysteme (INF-Vertrag) zwischen den USA und Russland ist
eine neue Vertragsinitiative nötig. Wir wollen den transatlantischen Neustart nach der US-
Präsidentschaftswahl und das Wiederbeleben des New-START-Vertrags nutzen, um mit den USA
über Barack Obamas „Global Zero“ ins Gespräch zu kommen. Eine Welt ohne Atomwaffen gibt es
nur über Zwischenschritte: internationale Initiativen zur Reduzierung der Zahl von
Atomwaffen, einen Verzicht der NATO auf jeden Erstschlag und eine breite öffentliche Debatte
über veraltete Abschreckungsdoktrinen des Kalten Krieges. Dazu gehören ein Deutschland frei
von Atomwaffen und ein Beitritt Deutschlands zum VN-Atomwaffenverbotsvertrag. Wir wissen,
dass dafür zahlreiche Gespräche im Bündnis notwendig sind, auch mit unseren europäischen
Partnerstaaten, und vor allem die Stärkung der Sicherheit und Rückversicherung unserer
polnischen und baltischen Bündnispartner.
Keine deutschen Waffen in Kriegsgebiete und Diktaturen
Exporte von Waffen und Rüstungsgütern an Diktatoren, menschenrechtsverachtende Regime und in
Kriegsgebiete verbieten sich. Für die Reduktion von Rüstungsexporten wollen wir eine
gemeinsame restriktive Rüstungsexportkontrolle der EU mit einklagbaren strengen Regeln und
Sanktionsmöglichkeiten. Kooperationen mit dem Sicherheitssektor anderer Staaten müssen an
die Einhaltung demokratischer, rechtsstaatlicher und menschenrechtlicher Kriterien geknüpft
werden. Für Deutschland werden wir ein Rüstungsexportkontrollgesetz vorlegen und ein
Verbandsklagerecht bei Verstößen gegen das neue Gesetz einführen und für eine wirksame
Endverbleibskontrolle sorgen. Hermesbürgschaften für Rüstungsexporte darf es nicht geben.
Den Einsatz von Sicherheitsfirmen in internationalen Konflikten wollen wir streng regulieren
und private Militärfirmen verbieten.
Autonome tödliche Waffensysteme international ächten
Autonome tödliche Waffensysteme, die keiner wirksamen Steuerung mehr durch den Menschen bei
Auswahl und Bekämpfung von Zielen unterliegen, stellen eine unberechenbare Bedrohung dar. Im
Sinne von Frieden und Stabilität wollen wir Autonomie in Waffensystemen international
verbindlich regulieren und Anwendungen, die gegen ethische und völkerrechtliche Grundsätze
verstoßen, ächten und verbieten. Das gilt auch für digitale Waffen wie Angriffs- und
Spionagesoftware. Hierbei müssen Deutschland und die EU eine globale Führungsrolle
einnehmen. Um eine Militarisierung des Weltraumes zu verhindern, wollen wir
weiterentwickelte, international verbindliche Regeln auf den Weg bringen.
Sicherheit im Cyber-Raum schaffen
Digitalisierung und neue Technologien verändern die moderne Kriegsführung. Wir wollen den
Einsatz von militärischen Cyberfähigkeiten durch die Bundeswehr ausnahmslos der
parlamentarischen Kontrolle des Deutschen Bundestages unterstellen. Es braucht Leitlinien
für das Vorgehen der Bundeswehr im Cyberraum. Gleichzeitig muss die Bundeswehr
kontinuierlich an der Stärkung ihres Eigenschutzes arbeiten, ohne ihr defensives
Selbstverständnis aufzugeben. Es braucht dringend eine internationale Initiative, um
Rüstungskontrolle zu regulieren, und vertrauensbildende Maßnahmen für den Cyberraum. Wir
setzen uns für weltweit anerkannte Regeln im Cyberraum sowie eine Selbstverpflichtung ein,
zivile Infrastruktur nicht militärisch anzugreifen. Auch sollte die europäische
Zusammenarbeit im Bereich Cyberabwehr ausgebaut werden, wozu Deutschland einen Beitrag
leisten sollte.
Internationale Schutzverantwortung wahrnehmen
Es ist wichtig, frühzeitig auf Konflikte einzuwirken und zu verhindern, dass sie zu
bewaffneten Auseinandersetzungen eskalieren. Uns leitet das Konzept der Responsibility to
Prepare, Protect and Rebuild der Vereinten Nationen, das die Staatengemeinschaft
verpflichtet, Menschen vor schwersten Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und Völkermord zu schützen. Die Staaten sind gleichermaßen verpflichtet, ihre
Instrumente für Prävention, Krisenreaktion und Nachsorge bzw. Wiederaufbau kriegszerstörter
Gesellschaften auszubauen. Wir bekennen uns zu internationalen Friedenseinsätzen im Rahmen
der Vereinten Nationen, die zu Stabilität, Sicherheit und Frieden beitragen. Die Anwendung
militärischer Gewalt als Ultima Ratio kann in manchen Situationen nötig sein, um Völkermord
zu verhindern und die Möglichkeit für eine politische Lösung eines Konflikts zu schaffen.
Ein Militäreinsatz braucht einen klaren und erfüllbaren Auftrag, ausgewogene zivile und
militärische Fähigkeiten und unabhängige (Zwischen‑)Evaluierungen. Bewaffnete Einsätze der
Bundeswehr im Ausland sind in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit – das heißt
nicht in verfassungswidrige Koalitionen der Willigen – und in ein politisches Gesamtkonzept
einzubetten, basierend auf dem Grundgesetz und dem Völkerrecht. Bei Eingriffen in die
Souveränität eines Staates oder dort, wo staatliche Souveränität fehlt, braucht es ein
Mandat der Vereinten Nationen. Wenn das Vetorecht im Sicherheitsrat missbraucht wird, um
schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu decken, steht die Weltgemeinschaft vor
einem Dilemma, weil Nichthandeln genauso Menschenrechte und Völkerrecht schädigt wie
Handeln.
Moderne Bundeswehr
Der Auftrag und die Aufgaben der Bundeswehr müssen sich an den realen und strategisch
bedeutsamen Herausforderungen für Sicherheit und Friedenssicherung orientieren. Wir wollen
die Bundeswehr entsprechend ihrem Auftrag und ihren Aufgaben personell und materiell sicher
ausstatten. Dass Soldat*innen mit nicht ausreichender Schutzausrüstung in Einsätze gehen,
ist nicht hinnehmbar. Deutschland soll sich auf seine Bündnispartner verlassen können und
genauso sollen sich die Bündnispartner auf Deutschland verlassen können. Die
Gesamtverantwortung für den Einsatz muss begründet, Informationen über alle Operationen im
Einsatz der Verbündeten müssen vollständig zugänglich sein. Die Bundeswehr soll die Vielfalt
unserer Gesellschaft abbilden. Menschenfeindliche Ideologien und rechtsextremistische
Strukturen in der Bundeswehr werden wir konsequent verfolgen und zerschlagen. Neben der
umfassenden Aufklärung ist die Prävention entscheidend. Präventive Maßnahmen wie
verantwortungsbewusste Personalgewinnung und zeitgemäße politische Bildung sind überfällig.
Den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Inneren lehnen wir ab.
NATO strategisch neu ausrichten
Die NATO leidet unter divergierenden sicherheitspolitischen Interessen innerhalb der Allianz
bis hin zur gegenseitigen militärischen Bedrohung. Ihr fehlt in dieser tiefen Krise eine
klare strategische Perspektive. Trotzdem bleibt sie aus europäischer Sicht neben der EU
unverzichtbarer Akteur, der die gemeinsame Sicherheit Europas garantieren kann und der als
Staatenbündnis einer Renationalisierung der Sicherheitspolitik entgegenwirkt. Wir brauchen
eine strategische Neuaufstellung der NATO, eine gemeinsame Bedrohungsanalyse und darauf
aufbauend eine Debatte über eine faire Lastenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten. Das
willkürliche NATO-2-Prozent-Ziel, das vor fast 20 Jahren verabschiedet wurde, gibt darauf
keine Antwort und wir lehnen es deshalb ab. Wir setzen uns für eine neue Zielbestimmung ein,
die nicht abstrakt und statisch ist, sondern von den Aufgaben ausgeht, und werden mit den
NATO-Partnern darüber das Gespräch suchen. Durch eine stärkere militärische Zusammenarbeit
und Koordinierung innerhalb der EU und mit den europäischen NATO-Partnern wie Großbritannien
und Norwegen wollen wir erreichen, dass strategische Interessen auf Grundlage von
europäischen Werten wie Multilateralismus, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gemeinsam
entwickelt und geschlossen und überzeugender vertreten werden.
Die EU-Sicherheitsunion vorantreiben
Gemeinsam mit den internationalen Partnern muss die Europäische Union ihrer Verantwortung
für die eigene Sicherheit und Verteidigung gerecht werden. Die gemeinsame Sicherheits- und
Verteidigungspolitik (GSVP) setzt eine gemeinsame EU-Außenpolitik voraus. Wir wollen eine
EU-Sicherheitsunion etablieren mit einer starken parlamentarischen Kontrolle und einer
gemeinsamen restriktiven Rüstungsexportpolitik. Anstatt immer mehr Geld in nationale,
militärische Parallelstrukturen zu leiten, sollte die verstärkte Zusammenarbeit der
Streitkräfte in der EU ausgebaut, sollten militärische Fähigkeiten gebündelt und allgemein
anerkannte Fähigkeitslücken geschlossen werden. Dafür ist eine geeignete Ausstattung, der
Ausbau von EU-Einheiten sowie eine Stärkung und Konsolidierung der gemeinsamen EU-
Kommandostruktur nötig. Die Umwidmung ziviler Gelder aus dem EU-Haushalt für militärische
Zwecke lehnen wir ab.
weitere Antragsteller*innen
- Svenja Borgschulte (KV Berlin-Pankow)
- Markus Schopp (KV Berlin-Mitte)
- Gülsah Bayar (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Volkmar Nickol (KV Berlin-Kreisfrei)
- Martha Goldammer (KV Berlin-Mitte)
- Thore Hagemann (KV Berlin-Neukölln)
- Martin Holubek (KV Berlin-Pankow)
- Mathias Kissling (KV Berlin-Mitte)
- Christof Rambke (KV Berlin-Kreisfrei)
- Heidrun Bäumker (KV Berlin-Pankow)
- Lela Sisauri (KV Berlin-Mitte)
- Johannes Mihram (KV Berlin-Mitte)
- Ingrid Bertermann (KV Berlin-Mitte)
- Shiva Saber Fattahy (KV Berlin-Mitte)
- Bettina Schoeley (KV Berlin-Mitte)
- Maha Abdulkarim (KV Berlin-Mitte)
- Tarhan Omar (KV Berlin-Mitte)
- Jonathan Philip Aus (KV Berlin-Mitte)
- Nujan Omar (KV Berlin-Mitte)
- Sadullah M. Abdullah (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Filiz Keküllüoglu (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Hiro Hajo (KV Berlin-Mitte)
- Tobias Balke (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf)
- Cornelia Hagemann (KV Berlin-Mitte)
- Qosay Amer (KV Berlin-Neukölln)
- Fiona Macdonald (KV Berlin-Mitte)
- Walter Otte (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Hans Joachim Lehnert (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf)
- Jörn Jaath (KV Berlin-Mitte)
- Arturo Buchholz-Berger (KV Berlin-Pankow)
- Till Ratzeburg (KV Havelland)
- Wolfgang Schmidt (KV Berlin-Kreisfrei)
- Simon Heß (KV Frankfurt)
- Markus Silberschmidt (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Jonas Krone (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Manfred Herrmann (KV Berlin-Neukölln)
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verfolgte Künstler*innen und Wissenschaftler*innen sowie Maßnahmen gegen Desinformationskampagnen wollen wir verstärken. Außerdem wollen wir die internationale Bildungszusammenarbeit stärken, zirkuläre Migration und globale Verflechtungen akademischer, beruflicher und praktischer Bildungsnetzwerke wollen wir durch Austauschprogramme fördern und unterstützen.
Die großen Herausforderungen unserer Zeit sind global: Pandemien, die Klimakrise, Hunger,
Migration und die sozial-ökologische Transformation als besondere Aufgabe. Wir können sie
nur gemeinsam meistern. Jahrelang hat Deutschland in Europa und der Welt aber allenfalls
moderiert, oft gezögert, ist abgetaucht. Es ist Zeit, wieder eine aktive Außenpolitik zu
betreiben und als gestaltende Kraft voranzugehen im Sinne einer multilateralen und
vorsorgenden, einer kohärenten und wertegeleiteten Politik – stets europäisch und entlang
einer verlässlichen deutsch-französischen Zusammenarbeit, transatlantisch und im Rahmen der
Vereinten Nationen.
Gestützt auf die Agenda der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, das Pariser
Klimaabkommen und die rechtebasierte internationale Ordnung setzen wir uns für eine globale
Strukturpolitik ein, die den Schutz öffentlicher Güter, eine gerechte Ressourcenverteilung
sowie Entwicklungschancen für alle als beste Vorsorge gegen Konflikte, Gewalt oder das
unermessliche Leid von Flucht und Vertreibung begreift.
Ausgangspunkt unserer Politik ist eine gestärkte und handlungsfähige Europäische Union. Die
Werte, auf denen sie gründet, wollen wir nach innen verteidigen und nach außen beherzt
vertreten: Menschenrechte, Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Die EU als
Friedensmacht ist nicht nur Antwort auf eine lange und schmerzvolle Geschichte von Kriegen
und Feindseligkeiten auf unserem Kontinent, exportiert in die ganze Welt, sondern vor allem
ein Zukunftsversprechen, das es einzulösen gilt. Sie ist unser schützenswertes und
einmaliges Zuhause. Gerade weil wir überzeugte Europäer*innen sind, streiten wir für ihre
stetige Fortentwicklung. Wir arbeiten für eine europäische Wertegemeinschaft, die ihre
Abhängigkeit von Dritten in kritischen Bereichen ab- und ihre strategische Souveränität
ausbaut – in einem Gleichgewicht von Kooperation, wo möglich, und Eigenständigkeit, wo
nötig. Nur eine handlungsfähige und krisenfeste EU ist in der Lage, kritische Infrastruktur
und öffentliche Güter zu schützen, global für das Völkerrecht und die universalen
Menschenrechte einzustehen. Mit dem größten Binnenmarkt der Welt hat die EU wirtschaftlich
erheblichen Einfluss. Diesen Hebel wollen wir nutzen, um die globale Transformation gerecht
zu gestalten und ambitionierte Standards zu setzen.
Der erheblichen Widerstände und Dilemmata, die das bedeutet, sind wir uns bewusst. Das
autoritäre Hegemonialstreben einer chinesischen Regierung, das Menschen- und
Bürger*innenrechte systematisch aushebelt, zwingt Staaten nicht nur in wirtschaftliche und
politische Abhängigkeit, sondern spaltet auch Europa. Zugleich wird eine globale sozial-
ökologische Transformation ohne China, auch ohne Russland oder Brasilien, nicht möglich
sein. Das allein zeigt: Der Systemwettbewerb mit autoritären Staaten und Diktaturen ist
real, lässt bisweilen nur die Wahl zwischen Regen oder Traufe – und stellt uns vor derart
beachtliche Aufgaben, dass jede Form des Alleingangs zum Scheitern verurteilt wäre.
Wir können die vielen Widersprüche und Grenzen außen-, entwicklungs- und
sicherheitspolitischen Handelns nicht auflösen. Die Verteidigung von Menschenrechten,
Demokratie und das klare Bekenntnis zu Freiheitsbewegungen führen an die Grenzen politischer
Handlungsfähigkeit. Wir können uns aber dieser Verantwortung nicht entziehen. Umso zentraler
ist europäische Kohärenz und sind politische Bündnisse mit allen anderen Staaten, aber
gerade auch Regionen und zivilgesellschaftlichen oder zwischenstaatlichen Akteuren, für die
der Wert von Kooperation und die Stärke des Rechts ebenfalls Grundlage internationaler
Beziehungen sind. Diese Bündnisse wollen wir selbstbewusst mitgestalten. Souverän sind wir
nur gemeinsam.
Wir setzen auf den ehrlichen Interessensausgleich, die Achtung der Rechte marginalisierter
Gruppen, auf Zusammenarbeit und Rechtsstaatlichkeit, auf Konfliktprävention und
regelbasierte Konfliktbearbeitung in einer eng vernetzten Welt. Unser Ziel ist eine
Weltordnung, in der Konflikte nicht über das Recht des Stärkeren, sondern am
Verhandlungstisch gelöst werden. Und wir reichen allen die Hand, die daran teilhaben wollen.
All das tun wir im Wissen um Deutschlands Verantwortung in der Welt und im Bewusstsein um
die Verbrechen des Nationalsozialismus.
Als hochentwickelter und exportorientierter Industriestaat gehört Deutschland zu den
Hauptverursachern globaler Erwärmung und agiert als entscheidender Player einer
Globalisierung, die eben nicht nur Wohlstand und Entwicklung bedeutet, sondern auch zu
Ausbeutung von Mensch und Umwelt führt. Diese Verantwortung verstehen wir als Antrieb für
ambitionierte Veränderung und entschiedenes Handeln mit dem Ziel globaler Gerechtigkeit und
setzen dafür bei uns selbst an.
Das bedeutet auch: Wir fordern die Einhaltung und den Schutz der Menschenrechte nicht nur
von anderen ein, sondern messen uns selbst daran. Menschenrechte sind völkerrechtliche
Pflicht und unverrückbare Grundlage einer wertegeleiteten internationalen Politik. „Alle
Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“: Artikel 1 der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte ist Leitbild unseres Engagements – auch in der europäischen
Flüchtlingspolitik. Sie ist das große Versagen Europas. In keinem anderen Bereich scheitern
die europäischen Regierungen derart an den eigenen Ansprüchen von Moral, Menschenrechten und
internationalem Recht.
Das Versagen ist zugleich global: Nirgends auf der Welt wird Flucht angemessen und nach
klaren, menschenrechtsbasierten Prinzipien begegnet. Diese Regeln aber gibt es, ebenso wie
es immer wieder Momente in unserer Geschichte gab, da nach ihnen gehandelt wurde. Hier
wollen wir anknüpfen und – wenn nicht gesamteuropäisch, dann in einer humanitären Koalition
der Willigen innerhalb und außerhalb der EU – einen Paradigmenwechsel hin zur konsequenten
Vorbeugung gegen Fluchtursachen und zu einem menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten
vorantreiben. Wir setzen auf Rationalität und Handlungswillen, auf Humanität und
Verantwortung – und auf den unerlässlichen Pragmatismus der Nothilfe.
Die Größe und Komplexität der internationalen Herausforderungen, die da vor uns liegen,
sollte Messlatte unseres außenpolitischen Handelns sein. Die globalen Aufgaben sind
erheblich. Wagen wir die entsprechenden Antworten.
Wir treiben die sozial-ökologische Transformation voran
Schubkraft für globale Transformation
Mehr denn je bedrohen Klimaveränderungen und der Verlust von Artenvielfalt menschliche
Sicherheit und Freiheit sowie die nachhaltige Entwicklung – überall auf der Welt. Die Zeit
drängt. Darum braucht es in den nächsten Jahren einen energischen Schub für eine sozial-
ökologische Transformation. Die nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 und des
Klimaabkommens von Paris waren ein Aufbruch. Alle Länder sind seitdem verpflichtet, bei sich
zu Hause anzufangen und ihren Beitrag für die gemeinsame Aufgabe zu leisten – schließlich
sind es unsere Entscheidungen in Wirtschaft und Handel, bei Agrar- oder Rüstungsexporten,
die sich weltweit stark auf Klima, Artenschutz und globale Gerechtigkeit auswirken. Wir
wollen alle Politikbereiche in Deutschland auf die Transformation ausrichten und einen
Nachhaltigkeits- und Menschenrechts-TÜV einführen. Es gilt unsere internationalen Zusagen
einzuhalten und die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen der ODA-
Quote sowie der internationalen Klimafinanzierung und Biodiversität zu erfüllen. Auch
international wollen wir neuen Schwung in die sozial-ökologische Transformation bringen,
indem wir auf eine verbindliche Transformationsquote hinwirken. Wir bündeln die Ausgaben für
Entwicklungszusammenarbeit, internationale Klimafinanzierung und Teile der humanitären
Hilfe, um eine globale Transformation entlang den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten
Nationen und den Pariser Klimazielen zu finanzieren. Deutschlands Beitrag soll die ODA-Quote
erfüllen und bis 2025 8 Milliarden Euro zur internationalen Klimafinanzierung bereitstellen.
Klimaaußenpolitik
Wir verfolgen eine ambitionierte, nachhaltige und menschenrechtskonforme Klimaaußenpolitik.
Sie ist klimapolitisch notwendig, kann nachhaltige Entwicklung fördern, Ressourcenkonflikten
vorbeugen und Frieden sichern. Klimaaußenpolitik kann zu einer Win-win-Situation für Europa,
seine Nachbarn und die Länder des globalen Sonnengürtels führen. Sie bedeutet zum einen,
dass wir Europäer*innen unseren Bedarf an grüner Energie durch Klimapartnerschaften decken
helfen: grüner Wasserstoff statt Öl- und Gasimporte. Andererseits werden wir so endlich
unserer historischen Verantwortung gerecht, indem wir Elektrifizierung und
Technologietransfers insbesondere in afrikanischen Ländern vorantreiben und den massiven
Ausbau der erneuerbaren Energien in diesen Ländern unterstützen. Nur so können wir es
schaffen, global auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen. Wir stärken die bestehenden Fonds für
Klimaanpassung und Klimaschutz („Adaptation and Mitigation“) und setzen uns dafür ein, dass
es auch einen Fonds zum Ausgleich von Schäden und Verlusten („Loss and Damage“) gibt. Daraus
können zum Beispiel Klimarisikoversicherungen finanziert werden. Entwicklungs- und
Investitionsbanken wie die Weltbank sollten zu Transformationsbanken umgebaut werden.
Klima- und Umweltschutz schützt Menschenrechte
Der Schutz der Menschenrechte verpflichtet zum Klima- und Umweltschutz, umgekehrt schützt
Klima- und Umweltschutz Menschenrechte. Wir treten für verbindliche Mechanismen zum Schutz
von Menschen ein, die aufgrund von Extremwetterereignissen oder schleichender
Umweltveränderung ihre Heimat verlassen müssen. Regionale Ansätze, die den Betroffenen eine
selbstbestimmte und würdevolle Migration ermöglichen, unterstützen wir. Zugleich wollen wir
jene Staaten in die Pflicht nehmen, die historisch am meisten zur Erderwärmung beigetragen
haben. Die „Task Force on Displacement“ wollen wir strukturell stärken und setzen uns dafür
ein, dass ihre Empfehlungen ebenso umgesetzt werden wie der Globale Pakt für eine sichere,
geordnete und reguläre Migration sowie der Globale Pakt für Flüchtlinge. Initiativen zur
Stärkung des Rechtswegs und das Instrument der Klimaklagen unterstützen wir. Die
französische Initiative, das Umweltvölkerrecht zu kodifizieren und zu konsolidieren, greifen
wir auf und machen uns dafür stark, in einem ersten Schritt das Recht auf saubere Umwelt in
einer Resolution der VN-Generalversammlung zu verbriefen.
Armut weltweit bekämpfen
Durch die Corona-Pandemie ist die Armut weltweit dramatisch angestiegen. Armutsbekämpfung
ist zentrales Ziel unseres internationalen Engagements. Darum setzen wir uns dafür ein, dass
Menschen weltweit sozial abgesichert werden und wollen – gemeinsam mit lokalen
Organisationen und Expert*innen – zum Aufbau und einer nachhaltigen Stärkung von sozialen
Sicherungssystemen beitragen. In einem ersten Schritt können Menschen in besonders von Armut
betroffenen Regionen durch finanzielle Direkthilfen („social cash transfers“) im Rahmen der
ODA-Mittel abgesichert werden. Grundsätzlich wollen wir, dass soziale Sicherungsprogramme
die vulnerabelsten Gruppen erreichen – und Geschlechtergerechtigkeit und sozialen
Zusammenhalt fördern.
Wir stärken die multilaterale Zusammenarbeit
Vereinte Nationen reformieren
Ohne die Vereinten Nationen ist die multilaterale Zusammenarbeit an der sozial-ökologischen
Transformation nicht zu meistern. Ihre Institutionen versorgen überall auf der Welt
Millionen von Geflüchteten, stellen Bildung, Nahrung und Gesundheit zur Verfügung. Sie
vermitteln in unzähligen Kriegen und Konflikten und sind der Rahmen, in dem die beiden
wichtigsten multilateralen Abkommen der vergangenen Jahre ausgehandelt worden sind: die
2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung und das Pariser Klimaschutzabkommen. Das Engagement
Deutschlands und der EU für die Vereinten Nationen werden wir finanziell, personell und
diplomatisch substanziell verstärken, besser koordinieren und internationale Vereinbarungen
konsequent in nationale und europäische Politik umsetzen. So schaffen wir die
Voraussetzungen für notwendige Reformen des VN-Systems. Der Sicherheitsrat und andere Organe
der Vereinten Nationen sollten an die Realitäten des 21. Jahrhunderts angepasst werden.
Dabei geht es um eine gerechtere Repräsentation der Regionen im Sicherheitsrat. Das Konzept
der Vetomächte ist nicht mehr zeitgemäß. Wir zielen darauf, dass das Vetorecht langfristig
abgeschafft wird. Als Zwischenschritt sollte im Falle von schwersten Verbrechen gegen die
Menschlichkeit ein Veto im Sicherheitsrat mit einer Begründung und einem Alternativvorschlag
versehen werden. Wenn der Sicherheitsrat im Falle von schwersten Menschenrechtsverletzungen
anhaltend blockiert ist, soll die Generalversammlung an seiner Stelle über
friedenserzwingende Maßnahmen mit qualifizierter Mehrheit beschließen.
Resilienz gegen Epidemien erhöhen – WHO stärken
Zum Schutz vor neuen und zur Bekämpfung der alten Krankheiten setzen wir auf verstärkte
internationale Zusammenarbeit und Solidarität unter dem Dach der zu reformierenden
Weltgesundheitsorganisation als Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Wir wollen die
WHO in ihrer Ausstattung mit deutlich höheren Beiträgen und einem klaren Mandat als
koordinierende Organisation der globalen Gesundheit stärken. In der Gruppe der G20 werden
wir uns dafür einsetzen, ihr einen formellen Sitz einzuräumen. Medikamente und Impfstoffe
müssen in allen Ländern erschwinglich und zugänglich sein, das Patentrecht muss entsprechend
flexibel sein. Monopole auf geistiges Eigentum zur Bekämpfung von Krankheiten dürfen den
Zugang zu überlebenswichtigen Schutzmaterialien, Impfstoffen und Arzneimitteln nicht
versperren.
50 Prozent Frauen in internationalen Verhandlungen
Wir wollen dem Multilateralismus neue Impulse für mehr Zusammenarbeit geben. Transformation
gelingt nur mit Kooperation, und die gelingt nur durch Einbeziehung der betroffenen
gesellschaftlichen Gruppen. Nach wie vor ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen der
stärkste Indikator dafür. Wir wollen schrittweise für Deutschland und Europa eine 50-
Prozent-Quote in allen diplomatischen und multilateralen Verhandlungen, für die Entsendung
in internationale Organisationen sowie auf den Umsetzungsebenen durchsetzen. Um das zu
ermöglichen, ist eine 50-Prozent-Quote für Frauen im Auswahlverfahren für das Personal in
internationalen Einsätzen, in den international arbeitenden Ministerien sowie im gehobenen
und höheren Europäischen Auswärtigen Dienst notwendig. Es braucht vergleichbare Kriterien,
Standards, Indikatoren und Zeitrahmen für die Gleichstellungspläne der Ministerien,
vergleichbar mit dem „Gender Equality Plan“ nach dem Vorbild der schwedischen Regierung.
Wir arbeiten an guten Beziehungen in einer multipolaren
Welt
Für eine aktive europäische Nachbarschaftspolitik
Die EU muss vor allem in ihrer direkten Nachbarschaft mehr Verantwortung übernehmen. Die EU-
Erweiterungspolitik ist dabei eine Erfolgsgeschichte, die wir fortschreiben wollen. Deshalb
treten wir für konkrete Fortschritte bei der europäischen Integration des westlichen Balkans
und eine Aufnahme der Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien auf Grundlage der
Kopenhagener Kriterien ein. In Osteuropa streiten viele mutige Menschen in Ländern wie
Armenien, Georgien, der Ukraine oder Belarus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte. Wir unterstützen die demokratische Zivilgesellschaft und unabhängige Medien
in den östlichen Nachbarländern, wollen mehr Austausch zwischen Ost und West ermöglichen und
über die Östliche Partnerschaft der EU Justizreformen vorantreiben. Den EU-assoziierten
Ländern der Östlichen Partnerschaft wollen wir den Weg zu einem EU-Beitritt offenhalten. Im
Süden braucht es eine neue Mittelmeerpolitik, die gemeinsam Entwicklungspotenziale für die
Region realisiert und sich zugleich den enormen Herausforderungen stellt: Terrorismus,
autoritäre Regime, Staatszerfall. Gemeinsam wollen wir im Rahmen ambitionierter
Energiepartnerschaften den Mittelmeerraum zu einer Plus-Energie-Region machen. Derweil hat
zu unserem großen Bedauern mit Großbritannien erstmals ein Land das gemeinsame Haus der EU
verlassen. Es ist gut, dass mit dem Handels- und Kooperationsabkommen die Grundlage für
einen Neubeginn geschaffen wurde. Es bedarf aber weiterer Anstrengungen, um zu verhindern,
dass europäische Standards ausgehöhlt werden. Der Frieden auf der irischen Insel ohne harte
Grenze hat weiter Priorität.
USA
Die transatlantische Partnerschaft bleibt ein Stützpfeiler der deutschen Außenpolitik,
jedoch muss sie erneuert, europäisch gefasst, multilateral und an klaren gemeinsamen Werten
und demokratischen Zielen ausgerichtet werden. Als Kern einer erneuerten transatlantischen
Agenda der EU schlagen wir vor, einen gemeinsamen starken Impuls für die weltweite
Klimapolitik, ausgehend von den Pariser Klimazielen, zu geben. Wir setzen auch bei
Digitalisierung, der Stärkung des Multilateralismus, in Handelsfragen sowie bei der
Gesundheit auf eine gute Kooperation mit den USA. Wir wollen uns gemeinsam für den
weltweiten Menschenrechtsschutz und eine regelbasierte Weltordnung einsetzen. Das schließt
eine Verständigung über den Umgang mit autoritären Staaten wie China und Russland mit ein.
Der sicherheitspolitische Fokus der USA wird sich auch mit der neuen US-Regierung nicht
wieder zuvorderst auf Europa richten. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen selbst mehr
außen- und sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen. Das gilt insbesondere für die
Sicherheit der östlichen Nachbarländer der EU wie auch der baltischen Staaten und Polens.
Wir wollen die transatlantische Debatte auf vielen Ebenen führen, auch auf den jeweiligen
föderalen und lokalen, und damit nachhaltige, diverse gesellschaftliche Netzwerke knüpfen.
China
China ist Europas Wettbewerber, Partner, systemischer Rivale. Wir verlangen von China ein
Ende seiner eklatanten Menschenrechtsverletzungen etwa in Xinjiang und Tibet und zunehmend
auch in Hongkong. Es braucht dennoch einen konstruktiven Klima-Dialog mit China und wir
streben gemeinsame politische, wirtschaftliche und technologische Anstrengungen zur
Bekämpfung der Klimakrise an. Die Kooperation mit China darf nicht zu Lasten von
Drittstaaten oder von Menschen- und Bürger*innenrechten gehen. Wir halten uns an Europas
„Ein-China-Politik“ und betonen, dass Chinas Vereinigung nicht gegen den Willen der
Bevölkerung Taiwans erzwungen werden darf. Unsere Handelsbeziehungen mit China wollen wir
nutzen, um fairen Marktzugang für ausländische Investitionen, Rechtssicherheit und gleiche
Wettbewerbsbedingungen einzufordern. Wir erwarten, dass China die entscheidenden Kernnormen
der Internationalen Arbeitsorganisation ILO ratifiziert und die Zwangsarbeit beendet. Das
europäische Lieferkettengesetz muss angesichts der Menschenrechtsverletzung – etwa in
Xinjiang – Waren aus Zwangsarbeit den Zugang zum Binnenmarkt ebenso verwehren, wie es
Unternehmen für ihre Produkte in Haftung nimmt. Wir werden an einer engen europäischen und
transatlantischen Koordinierung gegenüber China arbeiten, besonders auch in den Bereichen
5G-Ausbau und Schutz kritischer Infrastruktur.
Russland
Russland hat sich zunehmend in einen autoritären Staat gewandelt und untergräbt immer
offensiver Demokratie und Stabilität in der EU und in der gemeinsamen Nachbarschaft.
Gleichzeitig erstarkt die Demokratiebewegung in Russland. Die mutige Zivilgesellschaft, die
der immer härteren Repression durch den Kreml die Stirn bietet und für Menschenrechte,
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kämpft, wollen wir unterstützen und den Austausch mit ihr
intensivieren. Für eine Lockerung der Sanktionen, die wegen der völkerrechtswidrigen
Annexion der Krim und des militärischen Vorgehens gegen die Ukraine gegen Russland verhängt
wurden, hat die EU klare Bedingungen formuliert. An diesen werden wir festhalten und die
Sanktionen bei Bedarf verschärfen. Wir verlangen, dass die russische Regierung ihre Zusagen
aus dem Minsker Abkommen umsetzt. Das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 ist nicht nur klima-
und energiepolitisch, sondern auch geostrategisch schädlich – insbesondere für die Situation
der Ukraine – und muss daher gestoppt werden.
Türkei
Wir stehen an der Seite all derer, die in der Türkei für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte kämpfen. Wir verurteilen die Menschenrechts- und Rechtsstaatsverletzungen,
fordern eine Freilassung aller politischen Gefangenen und die Rückkehr zu einem politischen
Dialog- und Friedensprozess in der kurdischen Frage. Wir weisen die aggressive Außenpolitik
der türkischen Regierung entschieden zurück und fordern sie auf, zu einer multilateralen
Außen- und Sicherheitspolitik zurückzukehren – das gilt es auch in der NATO zu
thematisieren. Die Wiederaufnahme der Gespräche über einen EU-Beitritt kann es erst geben,
wenn die Türkei eine Kehrtwende zurück zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vollzieht. Der
bestehende EU-Türkei-Deal untergräbt internationales Asylrecht, ist gescheitert und muss
daher beendet werden. Dafür braucht es ein neues, völkerrechts- und rechtsstaatskonformes
Abkommen, das aus den Fehlern der Vergangenheit lernt, die notwendige finanzielle und
logistische Unterstützung vor Ort garantiert und eine verbindliche Kontingentzusage zur
Umsiedlung besonders schutzbedürftiger Geflüchteter in die EU enthält. Wir lehnen es
entschieden ab, dass Menschen in Deutschland mit familiären Bindungen in die Türkei von der
türkischen Regierung politisch und religiös instrumentalisiert werden, unter anderem durch
in Deutschland tätige Vereine und Staatsmedien.
Israel und Palästina
Deutschland hat eine historische Verantwortung gegenüber Israel. Die Existenz und die
Sicherheit Israels als nationale Heimstätte des jüdischen Volkes mit gleichen Rechten für
all seine Bürger*innen sind unverhandelbar. Die Fortsetzung der engen Beziehungen sowie
Frieden und Stabilität im Nahen Osten sind ein zentrales Anliegen deutscher Außen- und
Sicherheitspolitik. Die zunehmende Bedrohung Israels in seiner Nachbarschaft verurteilen
wir. Die Sicherheitslage in der Region ist fragil und darf nicht weiter eskaliert werden.
Einseitige Maßnahmen wie eine Annexion von besetzten Gebieten oder der fortschreitende
völkerrechtswidrige Siedlungsbau laufen dem Ziel einer friedlichen und politischen Lösung
des Konflikts entgegen. Für Frieden und Sicherheit braucht es eine Zweistaatenregelung mit
zwei souveränen, lebensfähigen und demokratischen Staaten für Israelis und
Palästinenser*innen. Die angekündigten Wahlen in den palästinensischen Gebieten sind ein
positives Zeichen. Die Chance der politischen und wirtschaftlichen Abkommen Israels mit
arabischen Staaten wollen wir nutzen, um einen multilateralen Friedensprozess wieder
aufleben zu lassen und einen langfristigen Frieden in der Region zu schaffen. Europa soll
sich hierfür eng mit der neuen US-Regierung koordinieren.
Nachbarschaft und Partnerschaft mit Afrika
Die afrikanischen Staaten und die Europäische Union sind regional wie historisch eng
verbunden und teilen gemeinsame Interessen. Die afrikanischen Gesellschaften sind divers und
vielfältig mit über 3.000 Sprachen in 54 Staaten. In den Beziehungen mit den afrikanischen
Staaten setzen wir uns – auf Basis einer gemeinsamen, globalen Verantwortung für Frieden,
nachhaltige Entwicklung und Gerechtigkeit – für eine in der Bundesregierung und der EU
abgestimmte und differenzierte Politik ein. Die Zukunft liegt in einer Afrikapolitik, die
sich von kolonialen und patriarchalen Denkmustern freimacht und gleichzeitig die europäische
Verantwortung gegenüber dem Kontinent ernst nimmt. Die Fortsetzung einer einseitigen
Politik, die in weiten Teilen auf Fluchtabwehr, unfairen Handelsbeziehungen und der
Ausbeutung von Rohstoffen fußt, lehnen wir ab. Anstatt für sich ewig konterkarierende
Ansätze machen wir uns für eine gemeinsame und kohärente EU-Afrika-Strategie stark, die
Zukunftsthemen wie Klimaschutz und Digitalisierung ebenso ins Zentrum rückt wie die globale
sozial-ökologische Transformation und zivile Krisenprävention. Der Afrikanischen Union
stehen wir bei der Umsetzung ihrer Agenda 2063 und der regionalen Entwicklungsagenden nach
Kräften zur Seite.
Wir verteidigen die Menschenrechte
Menschenrechtsverteidiger*innen schützen
Menschenrechtsverteidiger*innen sind Held*innen. Sie verteidigen überall auf der Welt oft
unter Lebensgefahr für sich und ihre Familien die Einhaltung der Menschenrechte an
vorderster Front. Sie bedürfen unseres Schutzes, unserer Solidarität und aktiven
Unterstützung – auf allen Ebenen. An den besonders betroffenen deutschen
Auslandsvertretungen sollten deshalb Menschenrechtsreferent*innen als extra Anlaufstelle
etabliert und sollte eine ressortübergreifende systematische Berichterstattung über die
Menschenrechtslage im Land eingeführt werden. Für Menschenrechtsverteidiger*innen, die nicht
in ihrem Land bleiben können, weil sie dort akut gefährdet sind, wollen wir schneller und
häufiger als bisher humanitäre Visa bereitstellen und die neu eingerichtete Elisabeth-
Selbert-Initiative zu ihrer temporären Aufnahme ausbauen. Auf internationaler Ebene setzen
wir uns für den Ausbau von Förderungsmöglichkeiten für zivilgesellschaftliche Initiativen
und die finanzielle Stärkung der entsprechenden Schutzinstrumente und Institutionen, wie
beispielsweise Sonderberichterstatter*innen, ein.
Kriegsverbrecher*innen zur Rechenschaft ziehen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Kriegsverbrechen dürfen nicht ungestraft
bleiben – als Zeichen der Gerechtigkeit an die Opfer, als Signal der Abschreckung, als
Voraussetzung für Frieden und Versöhnung. Das deutsche Völkerstrafrecht bietet die
Möglichkeit der Verurteilung auch hier in Deutschland. Dazu werden wir die Kapazitäten beim
Bundeskriminalamt und der Generalbundesanwaltschaft ausbauen. Die Ermittlungen in Fällen
sexualisierter Gewalt sollten verbessert und die Strafprozessordnung sollte dort reformiert
werden, wo sie den Besonderheiten von Völkerstrafrechtsverfahren noch nicht Rechnung trägt.
International setzen wir uns für die Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofes und des
Mechanismus der Vereinten Nationen für die Untersuchung und Verfolgung von schwersten
Kriegsverbrechen in Syrien (IIIM) ein – politisch wie finanziell. Gerade Kinder und
Jugendliche, die sexualisierte und geschlechtsbasierte Gewalt, Entführungen, Rekrutierung
als Kindersoldat*innen erlebt haben, leiden unter schweren Traumata. Wird dieses Leid nicht
aufgearbeitet, beeinträchtigt es das Leben dieser Menschen und ihrer Familien sowie den
gesellschaftlichen Zusammenhalt über Generationen. Die individuelle Traumabearbeitung wollen
wir durch mehr qualifiziertes Personal und sichere Traumazentren vor Ort auch mit unseren
internationalen Partnern und in Deutschland deutlich ausbauen.
Keine Überwachungstechnologie für Diktaturen
Verschlüsselte Kommunikation rettet tagtäglich Menschenleben. In den sozialen Medien werden
Menschenrechtsverletzungen, die ansonsten unentdeckt geblieben wären, für alle sichtbar. Und
ohne Satellitenbilder ließe sich etwa die Vertreibung ganzer Dorfgemeinschaften in
Kriegsgebieten gar nicht erst nachvollziehen. Zugleich sind es oft europäische
Überwachungstools, die es autokratischen Regierungen ermöglichen, unliebsame Aktivist*innen
zu verfolgen. Wir zielen auf ein europäisches Moratorium für die Ausfuhr, den Verkauf und
die Weitergabe von Überwachungsinstrumenten an repressive Regime. Entsprechende
Schutzklauseln wollen wir in der deutschen wie europäischen Exportkontrolle verankern. Wir
fördern die Entkriminalisierung verschlüsselter Kommunikation und stärken die Multi-
Stakeholder-Governance des Internets auf internationaler Ebene. Im Rahmen unserer
internationalen Zusammenarbeit setzen wir uns für den Zugang aller zu digitaler Technologie
ein. Den freien Zugang zu Informationen als einem globalen öffentlichen Gut gilt es zu
fördern und zu schützen. Durch die Unterstützung von Trainings stärken wir die sichere
digitale Vernetzung zivilgesellschaftlicher Organisationen weltweit.
Für Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen weltweit
Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein Menschenrecht. Ohne Geschlechtergerechtigkeit
kann auch Armut nicht wirksam bekämpft werden. In vielen der ärmsten oder
konfliktgebeutelten Länder sind Frauen und Mädchen besonders von Armut, Hunger und Gewalt
betroffen. Wir setzen uns konsequent für die Rechte von Frauen und Mädchen weltweit ein, für
ein selbstbestimmtes Leben. Bildung und Gesundheit sind dafür die Schlüssel. Wir engagieren
uns dafür, Frauen und Mädchen den uneingeschränkten Zugang zu gleichwertiger Bildung zu
sichern sowie ihre sexuellen und reproduktiven Rechte zu schützen. Es braucht innovative
Bildungsangebote wie kompakte nachholende Grundbildung für Frauen oder Berufsbildung in
Krisen- und Post-Konfliktkontexten. Unsere internationale Zusammenarbeit werden wir darum
finanziell und konzeptionell auf diese Aufgabe hin ausrichten, die Erreichung der
Geschlechtergerechtigkeit als Querschnittsaufgabe sowie reproduktive Gesundheit und das
Recht auf Bildung in allen Projekten verankern.
Menschenrechtskonventionen umsetzen, Institutionen stärken
Um Menschenrechte tatsächlich und rechtlich durchsetzen zu können, müssen internationale
Menschenrechtskonventionen ratifiziert und Menschenrechtsinstitutionen gestärkt werden. Es
gilt insbesondere die ILO-Konvention für die Rechte indigener Völker, das
Fakultativprotokoll zum Sozialpakt und die Wanderarbeiterkonvention der Vereinten Nationen
zu ratifizieren. Das ist für Deutschland seit vielen Jahren überfällig. Auf europäischer
Ebene setzen wir uns für die Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte ein. Das Instrument der gezielten EU-Sanktionen gegen
Menschenrechtsverbrecher*innen befürworten wir. Die Beauftragte der Bundesregierung für
Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter
und das Deutsche Institut für Menschenrechte wollen wir besser ausstatten, damit sie ihre
Aufgaben planbar erfüllen können. Menschenrechte und Demokratieförderung sind Grundpfeiler
unserer entwicklungspolitischen Arbeit.
Rechte von Minderheiten schützen
Der Umgang mit Minderheiten ist der Gradmesser für den Menschenrechtsschutz in einer
Gesellschaft. Wir setzen uns dafür ein, die Rechte von Minderheiten auf internationaler
Ebene zu stärken – auch innerhalb der EU. Nach wie vor setzen die einzelnen Staaten den
durch die Vereinten Nationen vorgegebenen Minderheitenschutz in nationales Recht um, ohne
dass einheitlich kontrolliert wird, ob das umfassend genug ist. Damit ist der Schutz
lückenhaft. Wir werden außenpolitisch für die weltweite Umsetzung der Yogyakarta-Prinzipien
zum Schutz von LSBTIQ* eintreten. In der Entwicklungspolitik wollen wir hier einen neuen
Fokus setzen und unser Engagement deutlich steigern. Selbst innerhalb der EU gibt es große
Unterschiede: Es existieren keine gemeinsamen EU-Mindeststandards, kein einheitlicher
Rechtsrahmen, der den Schutz und die Förderung von Minderheiten gewährt. Das wollen wir
ändern. In der EU werden wir uns für die Verabschiedung der 5.
Antidiskriminierungsrichtlinie einsetzen, damit international anerkannte Menschenrechte in
der EU eine Rechtsgrundlage erhalten und die VN-Konvention über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen auf europäischer Ebene rechtlich umgesetzt wird. Den EU-Aktionsplan gegen
Rassismus treiben wir national und international voran.
Wir schützen Geflüchtete
Eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik in Europa umsetzen
Wir treten für eine Europäische Union ein, die ihre humanitäre Verantwortung, das Grundrecht
auf Asyl und die Notwendigkeit, Verfahren nach völkerrechtlichen Standards fair und zügig
durchzuführen, zusammenbringt. So schwer das derzeit in der EU der 27 auch ist. Zustände wie
in den Lagern auf den griechischen Inseln oder an der Grenze zu Kroatien bedeuten einen
Bruch mit europäischen Werten und Menschenrechten. Der Blockade einer gemeinsamen und
humanen Flüchtlingspolitik zwischen den Mitgliedstaaten begegnen wir mit folgendem Plan: In
gemeinschaftlichen von den europäischen Partnern geführten Einrichtungen innerhalb der EU an
den rechtsstaatlich und europäisch kontrollierten EU-Außengrenzen sollen die Geflüchteten
registriert werden und einen ersten Sicherheitscheck durchlaufen. So wissen wir, wer zu uns
kommt, und werden zugleich unserer humanitären Verantwortung gerecht. Die Menschen, die nach
Europa kommen, müssen medizinisch und psychologisch erstversorgt und menschenwürdig
untergebracht werden. Unter Berücksichtigung persönlicher Umstände wie familiärer Bindungen
oder der Sprachkenntnisse bestimmt die EU-Agentur für Asylfragen den Aufnahme-Mitgliedstaat.
Der zugrunde liegende Verteilmechanismus stützt sich zunächst auf die Bereitschaft von
Regionen und Städten, Geflüchtete freiwillig aufzunehmen. Wer das tut, erhält Hilfe aus
einem EU-Integrationsfonds. Reichen die Aufnahmeplätze nicht aus, weiten alle
Mitgliedstaaten im Verhältnis von Bruttoinlandsprodukt und Bevölkerungsgröße verpflichtend
ihr Angebot aus oder leisten einen mindestens gleichwertigen Beitrag zu den Gesamtkosten.
Das Asylverfahren findet im aufnehmenden Mitgliedstaat statt. Die Kommission stellt sicher,
dass die gemeinsamen Regeln und Mindeststandards eingehalten werden. Wir werden mit
handlungswilligen Ländern und Regionen vorangehen, um die derzeitige katastrophale Situation
an den Außengrenzen zu beenden. Geschlossene Lager, Transitzonen oder europäische Außenlager
in Drittstaaten lehnen wir ab.
Familien zusammenführen
Niemand sollte für das völkerrechtlich verbriefte Recht, um Asyl zu ersuchen, das eigene
Leben oder das der Familie riskieren müssen. Genau das ist aber bittere Realität: Immer noch
reichen die Möglichkeiten für sichere Zugangswege bei weitem nicht aus und Geflüchtete sind
deshalb gezwungen, auf lebensgefährliche Routen durch die Wüste oder über das Meer
auszuweichen. Wir wollen sichere und geordnete Zugangswege schaffen – und so verhindern,
dass Schlepper aus der Not und dem Leid der Geflüchteten Profit schlagen können. Dabei sind
wir dem besonderen Schutz der Familie gemäß Grundgesetz, VN-Kinderrechtskonvention und
Europäischer Menschenrechtskonvention verpflichtet und treten dafür ein, die Einschränkungen
beim Familiennachzug wieder aufzuheben. Familien gehören zusammen und das Kindeswohl hat
oberste Priorität. Auch Menschen mit subsidiärem Schutzstatus müssen deshalb ihre
Kernfamilien ohne die bisherigen Einschränkungen nachholen können und mit Geflüchteten
gleichgestellt werden. Wir wollen den Geschwisternachzug wieder ermöglichen. An deutschen
und europäischen Botschaften braucht es mehr Personal und die Möglichkeit, digital Anträge
zu stellen, um die Wartezeiten für Visa von Familienangehörigen zu verkürzen. Auch mit
humanitären Visa möchten wir Schutzbedürftigen die Möglichkeit geben, sicher nach Europa zu
kommen und hier um Asyl zu ersuchen.
Sichere Zugangswege durch humanitäre Aufnahmepartnerschaft
Im Rahmen des Resettlement-Programms des UNHCR werden durch die Vereinten Nationen
anerkannte, besonders schutzbedürftige Geflüchtete solidarisch und geordnet auf die
Aufnahmeländer verteilt, statt sie ihrem Schicksal auf gefährlichen Fluchtrouten zu
überlassen. Das rettet Leben, nimmt Schleppern die Geschäftsgrundlage und folgt einem
bewährten, planbaren Verfahren. Im Globalen Pakt für Flüchtlinge ist die Weltgemeinschaft
übereingekommen, das Resettlement zu verstärken. Doch faktisch sinkt die Zahl der
Aufnahmeplätze seit Jahren. Wir schlagen vor, zusammen mit der neuen US-Administration und
Kanada sowie anderen in einer globalen humanitären Partnerschaft die Aufnahme besonders
schutzbedürftiger Geflüchteter aus dem Resettlement-Programm deutlich auszubauen. So stärken
wir die Vereinten Nationen, schaffen Planbarkeit auf allen Seiten, gehen mit gutem Beispiel
voran und regen andere Staaten an, dem internationalen Bündnis beizutreten. Das individuelle
Asylrecht bleibt durch das Resettlement unangetastet.
Landesaufnahmeprogramme ermöglichen
Mehrere Bundesländer und über 200 Kommunen in Deutschland sind bereit, mehr Geflüchtete als
von der Bundesregierung zugesagt bei sich aufzunehmen. Dass diese weiteren Aufnahmeplätze
dringend gebraucht werden, ist angesichts der elenden Zustände in den Lagern an den EU-
Außengrenzen, etwa auf den griechischen Inseln oder an der bosnisch-kroatischen Grenze,
offensichtlich. Wir wollen eine humanitäre Aufnahmepolitik, bei der der Bund und die Länder
kooperativ zusammenarbeiten und die die Aufnahmebereitschaft von Kommunen und Ländern nicht
mehr ignoriert. Länder und Kommunen sollen mehr Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten
erhalten, wenn es um die humanitäre Aufnahme Geflüchteter geht. Mit einer Änderung der
Zustimmungsregel zwischen dem Bundesinnenministerium und den Ländern von Einvernehmen in
Benehmen wollen wir klarstellen, dass sich Bundesländer künftig über den Königsteiner
Schlüssel hinaus selbständig und frei für die Aufnahme von Geflüchteten entscheiden können.
Der Bund soll weiter die finanziellen und infrastrukturellen Aufgaben erfüllen.
Menschenrechte einhalten, Außengrenzen sichern
Ein gemeinsamer Raum der Freizügigkeit und ohne Binnengrenzen braucht kontrollierte
Außengrenzen. Eine Außengrenze muss aber auch legale Zugangswege haben. Dass tausende
Menschen jährlich im Mittelmeer ertrinken, weil europäische Regierungen ihnen nicht
ausreichend sichere Zugangswege ermöglichen und auch die Rettung aus Seenot verweigern, ist
eine Schande. Wir streiten weiter für eine zivile und flächendeckende, europäisch
koordinierte und finanzierte Seenotrettung. Da ein gemeinsames Vorgehen aller europäischen
Mitgliedstaaten derzeit nicht möglich erscheint, wollen wir mit jenen vorangehen, die die
Seenotrettung als völkerrechtliche Pflicht ernst nehmen: Gerettete müssen zum nächsten
sicheren Hafen gebracht werden. Wir stehen fest an der Seite zivilgesellschaftlicher
Rettungsinitiativen und treten dafür ein, dass die Kriminalisierung und behördliche
Behinderung ihrer Arbeit beendet wird. Wir wollen, dass die Seenotrettung explizit ins
Aufgabenprofil von Frontex aufgenommen wird, und setzen auf eine europäische Grenzkontrolle,
die den gemeinsamen Schutz der Menschenrechte zur Grundlage hat und wichtige
grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnimmt, ohne sie zur Fluchtabwehr zu missbrauchen. Das moderne
Asylrecht beruht auf der Einzelfallprüfung, das völker- und europarechtlich verbriefte
Nichtzurückweisungsgebot gilt immer und überall. Die Genfer Flüchtlingskonvention gilt
uneingeschränkt. Ihre Aushöhlung führt weder zu mehr Sicherheit noch zu mehr europäischer
Handlungsfähigkeit in der Flüchtlingspolitik. Völkerrechtswidrige Pushbacks, von nationalen
Grenzpolizeien oder Frontex begangen, müssen geahndet werden. Das entsprechende Monitoring
durch die EU-Grundrechteagentur wollen wir ausbauen. Es bedarf einer engen parlamentarischen
Kontrolle von Frontex-Einsätzen sowie einer systematischen Menschenrechtsbeobachtung vor
Ort.
Aufnahme- und Transitländer unterstützen
Die humanitäre Versorgung von Geflüchteten außerhalb der Europäischen Union ist Bestandteil
unserer globalen Verantwortung. Wir wollen die finanzielle und logistische Unterstützung von
Erstaufnahme- und Transitländern wie der Türkei, dem Libanon, dem Sudan, Pakistan oder
Uganda sowie der dort tätigen Hilfsorganisationen ausbauen. Die deutsche und europäische
Zusammenarbeit mit Drittstaaten muss stets so erfolgen, dass Menschen- und Grundrechte sowie
internationale Asylstandards eingehalten werden. „Migrationspartnerschaften“ mit repressiven
Regimen lehnen wir ab, genauso wie die Kooperation mit der libyschen Küstenwache. Statt
„sichere Herkunftsländer“ zu definieren, brauchen wir für Rückführungen
menschenrechtskonforme Rückübernahmeabkommen. Wir wollen denjenigen Ländern, die ihren
Staatsbürger*innen nach einer Rückkehr Sicherheit garantieren, im Gegenzug über
Visaerleichterungen oder Ausbildungspartnerschaften verlässliche Aussicht auf eine geordnete
Migration eröffnen. Rückübernahmeabkommen dürfen aber nicht zur Bedingung in anderen
Politikbereichen, etwa entwicklungspolitischer oder rechtsstaatlicher Unterstützung, gemacht
werden und nicht für Drittstaatsangehörige gelten.
Fluchtursachen strukturell angehen
Wir wollen verhindern, dass Menschen überhaupt fliehen und ihre bisherige Heimat
unfreiwillig verlassen müssen. Deshalb rücken wir die strukturellen Ursachen von Vertreibung
und unsere dahingehende Verantwortung ins Zentrum unserer Politik. Denn viele politische
Entscheidungen, die wir in Deutschland und Europa treffen, haben direkte Auswirkungen auf
die Lebensbedingungen in anderen Weltregionen. Wir machen uns stark für zivile
Krisenprävention und wollen mit einer restriktiven Ausfuhrkontrolle europäische
Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete sowie an Autokraten beenden. Wir setzen uns für
ein gerechtes Handelssystem ein, das auch den Interessen des globalen Südens dient. Wir
treiben die sozial-ökologische Transformation unserer Wirtschaft voran. Uns ist bewusst:
Nicht alle Ursachen von Vertreibung können wir beeinflussen. Viele Menschen fliehen, weil
sie verfolgt oder ihnen grundlegende Rechte vorenthalten werden. Umso entscheidender ist
konsequentes Handeln überall dort, wo auch unser Wirtschaften und Konsumieren andernorts zu
Ausbeutung oder Perspektivlosigkeit führen.
Wir streiten für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung
Globale Krisenprävention
Die Corona-Krise führt in vielen Entwicklungsländern zu Kapitalflucht und Währungskrisen und
offenbart so die Schwächen der Währungsordnung. Unser Ziel bleibt langfristig der Aufbau
eines kooperativen Weltwährungssystems. Der IWF muss in Krisensituationen sehr viel mehr
Liquidität unkonditioniert bereitstellen können. Dafür werden wir uns für eine deutliche
Aufstockung der Sonderziehungsrechte einsetzen. Deutschland und Europa könnten vorangehen
und nicht genutzte Sonderziehungsrechte Entwicklungsländern zur Verfügung stellen, wie
Kanada es bereits getan hat. Der IWF sollte Entwicklungsländern auch bei der Einführung und
Durchführung von Kapitalverkehrskontrollen helfen und dafür mit den Staaten mit globalen
Finanzzentren zusammenarbeiten. Das Stimmengewicht muss sich zugunsten von
Entwicklungsländern verschieben. Die EU-Staaten sollten ihre Stimmrechte zusammenlegen.
Entwicklung ermöglichen, Schulden streichen
Viele Entwicklungsländer sind überschuldet. Beispielsweise gibt Pakistan 40 Prozent seines
Etats für den Schuldendienst, aber nur 2 Prozent für Gesundheit aus. Das derzeitige
Schuldenmoratorium ist richtig, verschiebt das Problem aber in die Zukunft. Wir brauchen
einen echten Schuldenerlass. Dafür muss ein international transparentes und unabhängiges
Staateninsolvenzverfahren für die Länder geschaffen werden, die nicht in ihrer eigenen
Währung verschuldet sind. Private Gläubiger müssen rechtlich dazu verpflichtet werden, an
einem Insolvenzverfahren teilzunehmen. So können wir den Zustand beenden, dass einzelne
Gläubiger eine Entschuldung blockieren, und verhindern, dass einzelne private Gläubiger wie
Geierfonds auf Kosten anderer profitieren. Damit wollen wir den zu hoch verschuldeten
Staaten im globalen Süden auch ermöglichen, ihre Gesundheitssysteme zu verbessen, sie für
alle zugänglich zu machen sowie Ansätze zum Schutz von Wasser-, Sanitärversorgung und
Hygiene voranzutreiben. Schuldenerlasse und -umwandlungen soll es für Maßnahmen im
Gesundheitsbereich sowie im Kampf gegen die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-
Krise geben. Zudem werden wir uns für ein langfristiges globales Corona-Hilfspaket für
strukturschwache Länder, Krisenregionen sowie Flüchtlingslager engagieren.
Spekulation mit Nahrungsmitteln verbieten
Nahrungsmittelpreise sind oft starken Schwankungen unterworfen. Verantwortlich dafür sind
nicht nur Wetter und Ernten, sondern auch skrupellose Spekulant*innen, die fette Profite
machen, wenn Menschen hungern. Wir werden uns in der EU für striktere Regulierungen
einsetzen, um Nahrungsmittelspekulation zu unterbinden. Dafür braucht es strenge
Berichtspflichten für Händler*innen. Konsequente Preis- und Positionslimits müssen an allen
europäischen Börsen eingeführt werden. Ziel ist es, dass Derivate nur noch zur Absicherung
bestehender Risiken und nicht mehr spekulativ eingesetzt werden können.
Wir treten ein für Frieden und Sicherheit
Vorausschauend für den Frieden
Unsere Außen- und Sicherheitspolitik zielt darauf, Konflikte zu verhindern, und setzt
deshalb auf Vorausschau gemäß der VN-Agenda für nachhaltige Entwicklung. Wir ergänzen den
traditionellen Sicherheitsbegriff um die menschliche Sicherheit und rücken damit die
Bedürfnisse von Menschen in den Fokus. Den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und die
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) gilt es zu stärken. Die personellen und
finanziellen Mittel für zivile Krisenprävention sollten gezielt erhöht und langfristig
planbarer werden. Wir wollen eine permanente und schnell einsatzbereite Reserve an EU-
Mediator*innen und Expert*innen für Konfliktverhütung, Friedenskonsolidierung und Mediation
aufbauen. Die Bereiche Polizei, Justiz und Friedensförderung wollen wir mit 1.000
Fachkräften ausstatten. Wir setzen uns dafür ein, die Deutsche Stiftung Friedensforschung,
den neu eingerichteten Fachbereich an der Deutschen Hochschule der Polizei und andere
wissenschaftliche Einrichtungen zu stärken und die Bedeutung von Friedensarbeit
gesamtgesellschaftlich noch sichtbarer zu machen. Die finanzielle Förderung des Zivilen
Friedensdienstes (ZFD) wollen wir deutlich erhöhen und den kontinuierlichen Ausbau
bedarfsgerecht fördern. Darüber hinaus ist ein ressortgemeinsamer Fonds „Krisenprävention,
Konfliktbewältigung und Friedensförderung“ nötig, der angemessen ausgestattet sein muss. Es
gilt Instrumente der Krisenfrüherkennung und Analysekapazitäten zu stärken, um auch die
langfristigen Folgen der Pandemie abwenden zu können.
Internationale Politik feministisch gestalten
Wir gestalten unsere Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik feministisch. Frauen,
Mädchen und marginalisierte Gruppen sind in besonderem Maße von Kriegen, Konflikten und
Armut betroffen. Die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Rolle als Gestalter*innen in der
internationalen Politik fördert Frieden, Entwicklung, Stabilität und Sicherheit. Es geht
darum, die Perspektiven von Frauen, Mädchen und marginalisierten Gruppen zu stärken, zu
schützen und bei allen bi- oder multilateralen Verhandlungen immer mindestens
gleichberechtigt einzubeziehen. Dazu braucht es auch Genderanalysen für einzelne
Länderkontexte in regelmäßigen Abständen und bedarfsgerechte Strategien und Genderbudgeting.
Es gilt die Umsetzung der VN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden, Sicherheit“ voranzutreiben,
sexualisierte und genderbasierte Gewalt entschieden einzudämmen, die reproduktiven Rechte
von Frauen zu schützen und die Sicherheit und Partizipation von Frauen und Mädchen in der
Prävention, bei der Transformation von Konflikten und in Stabilisierungsprozessen in den
Fokus zu nehmen.
Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik stärken
Gerade vor dem Hintergrund des zunehmenden Autoritarismus und der weltweiten Angriffe auf
Kunst- und Wissenschaftsfreiheit wollen wir die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik
stärken. Sie sichert Zugänge zur Zivilgesellschaft vor allem in Krisenzeiten, stärkt
demokratischen Austausch und baut neue Partnerschaften auf. Auch die Aufarbeitung der
Verbrechen des Nationalsozialismus werden wir durch internationale Kultur- und
Jugendbegegnungen und durch zivilgesellschaftlichen Austausch stärken. Die Verantwortung für
die koloniale Vergangenheit Deutschlands wollen wir zum Beispiel in gemeinsamen
Geschichtsbuchkommissionen mit ehemaligen kolonialisierten Staaten aufarbeiten.
Kulturmittlerorganisationen, wie etwa Goethe-Institute, und die deutschen Schulen im Ausland
sollen finanziell besser ausgestattet und digital fit gemacht werden, die Programme für
verfolgte Künstler*innen und Wissenschaftler*innen sowie Maßnahmen gegen
Desinformationskampagnen wollen wir verstärken. Außerdem wollen wir die internationale Bildungszusammenarbeit stärken, zirkuläre Migration und globale Verflechtungen akademischer, beruflicher und praktischer Bildungsnetzwerke wollen wir durch Austauschprogramme fördern und unterstützen.
Europarat und OSZE stärken
Frieden in Europa bedeutet mehr als Frieden, Sicherheit und Stabilität in der EU. Damit die
Vision einer friedlichen Zukunft für alle Europäer*innen Wirklichkeit werden kann, wollen
wir die gemeinsamen, über die EU hinausreichenden europäischen Institutionen wie den
Europarat und die OSZE stärken und weiterentwickeln, um alle europäischen Staaten
einzubinden. Nur so können wir tatsächlich ein effektives und starkes System kollektiver
Sicherheit in ganz Europa schaffen. Es bleibt unser Ziel, die östlichen Nachbarn Europas auf
der Basis gemeinsamer Werte für eine solche Perspektive zu gewinnen, was gerade angesichts
der nationalistischen und rückwärtsgewandten Politik Russlands, die Europas Sicherheit und
die Selbstbestimmung der Nachbarn Russlands untergräbt, nötig ist.
Neuer Schub für Abrüstung
Abrüstung und Rüstungskontrolle bedeuten global mehr Sicherheit für alle. Unser Anspruch ist
noch immer nichts Geringeres als eine atomwaffenfreie Welt. Nach der Aufkündigung des
Vertrags über nukleare Mittelstreckensysteme (INF-Vertrag) zwischen den USA und Russland ist
eine neue Vertragsinitiative nötig. Wir wollen den transatlantischen Neustart nach der US-
Präsidentschaftswahl und das Wiederbeleben des New-START-Vertrags nutzen, um mit den USA
über Barack Obamas „Global Zero“ ins Gespräch zu kommen. Eine Welt ohne Atomwaffen gibt es
nur über Zwischenschritte: internationale Initiativen zur Reduzierung der Zahl von
Atomwaffen, einen Verzicht der NATO auf jeden Erstschlag und eine breite öffentliche Debatte
über veraltete Abschreckungsdoktrinen des Kalten Krieges. Dazu gehören ein Deutschland frei
von Atomwaffen und ein Beitritt Deutschlands zum VN-Atomwaffenverbotsvertrag. Wir wissen,
dass dafür zahlreiche Gespräche im Bündnis notwendig sind, auch mit unseren europäischen
Partnerstaaten, und vor allem die Stärkung der Sicherheit und Rückversicherung unserer
polnischen und baltischen Bündnispartner.
Keine deutschen Waffen in Kriegsgebiete und Diktaturen
Exporte von Waffen und Rüstungsgütern an Diktatoren, menschenrechtsverachtende Regime und in
Kriegsgebiete verbieten sich. Für die Reduktion von Rüstungsexporten wollen wir eine
gemeinsame restriktive Rüstungsexportkontrolle der EU mit einklagbaren strengen Regeln und
Sanktionsmöglichkeiten. Kooperationen mit dem Sicherheitssektor anderer Staaten müssen an
die Einhaltung demokratischer, rechtsstaatlicher und menschenrechtlicher Kriterien geknüpft
werden. Für Deutschland werden wir ein Rüstungsexportkontrollgesetz vorlegen und ein
Verbandsklagerecht bei Verstößen gegen das neue Gesetz einführen und für eine wirksame
Endverbleibskontrolle sorgen. Hermesbürgschaften für Rüstungsexporte darf es nicht geben.
Den Einsatz von Sicherheitsfirmen in internationalen Konflikten wollen wir streng regulieren
und private Militärfirmen verbieten.
Autonome tödliche Waffensysteme international ächten
Autonome tödliche Waffensysteme, die keiner wirksamen Steuerung mehr durch den Menschen bei
Auswahl und Bekämpfung von Zielen unterliegen, stellen eine unberechenbare Bedrohung dar. Im
Sinne von Frieden und Stabilität wollen wir Autonomie in Waffensystemen international
verbindlich regulieren und Anwendungen, die gegen ethische und völkerrechtliche Grundsätze
verstoßen, ächten und verbieten. Das gilt auch für digitale Waffen wie Angriffs- und
Spionagesoftware. Hierbei müssen Deutschland und die EU eine globale Führungsrolle
einnehmen. Um eine Militarisierung des Weltraumes zu verhindern, wollen wir
weiterentwickelte, international verbindliche Regeln auf den Weg bringen.
Sicherheit im Cyber-Raum schaffen
Digitalisierung und neue Technologien verändern die moderne Kriegsführung. Wir wollen den
Einsatz von militärischen Cyberfähigkeiten durch die Bundeswehr ausnahmslos der
parlamentarischen Kontrolle des Deutschen Bundestages unterstellen. Es braucht Leitlinien
für das Vorgehen der Bundeswehr im Cyberraum. Gleichzeitig muss die Bundeswehr
kontinuierlich an der Stärkung ihres Eigenschutzes arbeiten, ohne ihr defensives
Selbstverständnis aufzugeben. Es braucht dringend eine internationale Initiative, um
Rüstungskontrolle zu regulieren, und vertrauensbildende Maßnahmen für den Cyberraum. Wir
setzen uns für weltweit anerkannte Regeln im Cyberraum sowie eine Selbstverpflichtung ein,
zivile Infrastruktur nicht militärisch anzugreifen. Auch sollte die europäische
Zusammenarbeit im Bereich Cyberabwehr ausgebaut werden, wozu Deutschland einen Beitrag
leisten sollte.
Internationale Schutzverantwortung wahrnehmen
Es ist wichtig, frühzeitig auf Konflikte einzuwirken und zu verhindern, dass sie zu
bewaffneten Auseinandersetzungen eskalieren. Uns leitet das Konzept der Responsibility to
Prepare, Protect and Rebuild der Vereinten Nationen, das die Staatengemeinschaft
verpflichtet, Menschen vor schwersten Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und Völkermord zu schützen. Die Staaten sind gleichermaßen verpflichtet, ihre
Instrumente für Prävention, Krisenreaktion und Nachsorge bzw. Wiederaufbau kriegszerstörter
Gesellschaften auszubauen. Wir bekennen uns zu internationalen Friedenseinsätzen im Rahmen
der Vereinten Nationen, die zu Stabilität, Sicherheit und Frieden beitragen. Die Anwendung
militärischer Gewalt als Ultima Ratio kann in manchen Situationen nötig sein, um Völkermord
zu verhindern und die Möglichkeit für eine politische Lösung eines Konflikts zu schaffen.
Ein Militäreinsatz braucht einen klaren und erfüllbaren Auftrag, ausgewogene zivile und
militärische Fähigkeiten und unabhängige (Zwischen‑)Evaluierungen. Bewaffnete Einsätze der
Bundeswehr im Ausland sind in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit – das heißt
nicht in verfassungswidrige Koalitionen der Willigen – und in ein politisches Gesamtkonzept
einzubetten, basierend auf dem Grundgesetz und dem Völkerrecht. Bei Eingriffen in die
Souveränität eines Staates oder dort, wo staatliche Souveränität fehlt, braucht es ein
Mandat der Vereinten Nationen. Wenn das Vetorecht im Sicherheitsrat missbraucht wird, um
schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu decken, steht die Weltgemeinschaft vor
einem Dilemma, weil Nichthandeln genauso Menschenrechte und Völkerrecht schädigt wie
Handeln.
Moderne Bundeswehr
Der Auftrag und die Aufgaben der Bundeswehr müssen sich an den realen und strategisch
bedeutsamen Herausforderungen für Sicherheit und Friedenssicherung orientieren. Wir wollen
die Bundeswehr entsprechend ihrem Auftrag und ihren Aufgaben personell und materiell sicher
ausstatten. Dass Soldat*innen mit nicht ausreichender Schutzausrüstung in Einsätze gehen,
ist nicht hinnehmbar. Deutschland soll sich auf seine Bündnispartner verlassen können und
genauso sollen sich die Bündnispartner auf Deutschland verlassen können. Die
Gesamtverantwortung für den Einsatz muss begründet, Informationen über alle Operationen im
Einsatz der Verbündeten müssen vollständig zugänglich sein. Die Bundeswehr soll die Vielfalt
unserer Gesellschaft abbilden. Menschenfeindliche Ideologien und rechtsextremistische
Strukturen in der Bundeswehr werden wir konsequent verfolgen und zerschlagen. Neben der
umfassenden Aufklärung ist die Prävention entscheidend. Präventive Maßnahmen wie
verantwortungsbewusste Personalgewinnung und zeitgemäße politische Bildung sind überfällig.
Den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Inneren lehnen wir ab.
NATO strategisch neu ausrichten
Die NATO leidet unter divergierenden sicherheitspolitischen Interessen innerhalb der Allianz
bis hin zur gegenseitigen militärischen Bedrohung. Ihr fehlt in dieser tiefen Krise eine
klare strategische Perspektive. Trotzdem bleibt sie aus europäischer Sicht neben der EU
unverzichtbarer Akteur, der die gemeinsame Sicherheit Europas garantieren kann und der als
Staatenbündnis einer Renationalisierung der Sicherheitspolitik entgegenwirkt. Wir brauchen
eine strategische Neuaufstellung der NATO, eine gemeinsame Bedrohungsanalyse und darauf
aufbauend eine Debatte über eine faire Lastenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten. Das
willkürliche NATO-2-Prozent-Ziel, das vor fast 20 Jahren verabschiedet wurde, gibt darauf
keine Antwort und wir lehnen es deshalb ab. Wir setzen uns für eine neue Zielbestimmung ein,
die nicht abstrakt und statisch ist, sondern von den Aufgaben ausgeht, und werden mit den
NATO-Partnern darüber das Gespräch suchen. Durch eine stärkere militärische Zusammenarbeit
und Koordinierung innerhalb der EU und mit den europäischen NATO-Partnern wie Großbritannien
und Norwegen wollen wir erreichen, dass strategische Interessen auf Grundlage von
europäischen Werten wie Multilateralismus, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gemeinsam
entwickelt und geschlossen und überzeugender vertreten werden.
Die EU-Sicherheitsunion vorantreiben
Gemeinsam mit den internationalen Partnern muss die Europäische Union ihrer Verantwortung
für die eigene Sicherheit und Verteidigung gerecht werden. Die gemeinsame Sicherheits- und
Verteidigungspolitik (GSVP) setzt eine gemeinsame EU-Außenpolitik voraus. Wir wollen eine
EU-Sicherheitsunion etablieren mit einer starken parlamentarischen Kontrolle und einer
gemeinsamen restriktiven Rüstungsexportpolitik. Anstatt immer mehr Geld in nationale,
militärische Parallelstrukturen zu leiten, sollte die verstärkte Zusammenarbeit der
Streitkräfte in der EU ausgebaut, sollten militärische Fähigkeiten gebündelt und allgemein
anerkannte Fähigkeitslücken geschlossen werden. Dafür ist eine geeignete Ausstattung, der
Ausbau von EU-Einheiten sowie eine Stärkung und Konsolidierung der gemeinsamen EU-
Kommandostruktur nötig. Die Umwidmung ziviler Gelder aus dem EU-Haushalt für militärische
Zwecke lehnen wir ab.
weitere Antragsteller*innen
- Svenja Borgschulte (KV Berlin-Pankow)
- Markus Schopp (KV Berlin-Mitte)
- Gülsah Bayar (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Volkmar Nickol (KV Berlin-Kreisfrei)
- Martha Goldammer (KV Berlin-Mitte)
- Thore Hagemann (KV Berlin-Neukölln)
- Martin Holubek (KV Berlin-Pankow)
- Mathias Kissling (KV Berlin-Mitte)
- Christof Rambke (KV Berlin-Kreisfrei)
- Heidrun Bäumker (KV Berlin-Pankow)
- Lela Sisauri (KV Berlin-Mitte)
- Johannes Mihram (KV Berlin-Mitte)
- Ingrid Bertermann (KV Berlin-Mitte)
- Shiva Saber Fattahy (KV Berlin-Mitte)
- Bettina Schoeley (KV Berlin-Mitte)
- Maha Abdulkarim (KV Berlin-Mitte)
- Tarhan Omar (KV Berlin-Mitte)
- Jonathan Philip Aus (KV Berlin-Mitte)
- Nujan Omar (KV Berlin-Mitte)
- Sadullah M. Abdullah (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Filiz Keküllüoglu (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Hiro Hajo (KV Berlin-Mitte)
- Tobias Balke (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf)
- Cornelia Hagemann (KV Berlin-Mitte)
- Qosay Amer (KV Berlin-Neukölln)
- Fiona Macdonald (KV Berlin-Mitte)
- Walter Otte (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Hans Joachim Lehnert (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf)
- Jörn Jaath (KV Berlin-Mitte)
- Arturo Buchholz-Berger (KV Berlin-Pankow)
- Till Ratzeburg (KV Havelland)
- Wolfgang Schmidt (KV Berlin-Kreisfrei)
- Simon Heß (KV Frankfurt)
- Markus Silberschmidt (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Jonas Krone (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Manfred Herrmann (KV Berlin-Neukölln)
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