Der Änderungsantrag zielt insgesamt darauf ab, die Beiträge in der zivilen Krisenprävention zu präzisieren. Der Antrag tut dies, ohne den Absatz zu verlängern. Begründung im Einzelnen:
Gewaltkonflikte:
Es gilt, gewaltvolle Konflikte zu verhindern, nicht Konflikte per se.
Mehr Diplomat*innen an Auslandsvertretungen & Auswärtigen Dienst fit machen
Im Wahlprogramm stehen mehrere Forderungen, die nur mit einer Stärkung und Umstrukturierung des Auswärtigen Dienstes überhaupt umsetzbar sind (und wofür ein Ausbau des EAD und der GASP nicht ausreicht). Dies betrifft etwa die Forderung nach besseren Analysen für die Krisenprävention, stärkere Unterstützung der Vereinten Nationalen, bessere politische Einbettung von Einsätzen und Menschenrechtsreferent*innen an Botschaften. Während die Mittel für das Auswärtige Amt in den letzten Jahren stark gestiegen sind, ist der Personalhaushalt nur gering angestiegen. Da seit Anfang der neunziger Jahre stetig abgebaut wurde, gibt es jetzt in etwa genauso viele Diplomat*innen im AA wie in der Bundesrepublik zur Wendezeit. Alle Forderungen von "mehr politische Lösungen", "mehr Vermittlung", "mehr Austausch mit und Unterstützung von Zivilgesellschaft", "mehr Koordinierung mit anderen Gebern" etc scheitern auch daran, dass im Auswärtigen Amt dafür nicht die Kapazitäten bestehen. Gerade an den Botschaften von Krisenländern – oder denen, die es ggf. werden könnten - sitzen oft nur eine Botschafter*in und ein einziger politischer Referent. Der Antrag fordert deshalb für die bessere Krisenprävention die Entsendung von mehr Diplomat*innen an Botschaften in fragilen Staaten.
Das Auswärtige Amt schafft es bisher noch nicht einmal, ausreichend Personal für die Personalreserve einzustellen, deswegen wird hier nicht generell die Forderung nach „mehr Diplomat*innen“ gestellt, sondern die Forderung, den Auswärtigen Dienst insgesamt fit zu machen für das 21. Jahrhundert. Dazu würden etwa dringende Reformen bei der Arbeitskultur, Gleichstellung und Familienfreundlichkeit gehören, eine größere Durchlässigkeit zwischen den Ministerien, die Möglichkeit von Quereinstiegen, Reform von IT und Knowledge Management und weitere Reformen.
Streichung des Satzes zu „1000 Fachkräften“:
Allein im Rahmen der EU Civilian Headline Goals hat Deutschland bereits versprochen, bis zu 910 Polizist*en zur Verfügung zu stellen. Zusätzlich sind heute bereits rund 300 ZFD-Friedensfachkräfte im Einsatz, rund 150 sekundierte Expert*innen über das ZIF in Friedensmissionen und 250-300 als Wahlbeobachter*innen. 1000 Fachkräfte wären damit kein ehrgeiziges Ziel.
Aufbauplan mit zivilen Planzielen
Konkrete Ziele zu setzen für den Ausbau der zivilen Kapazitäten der Krisenprävention wäre überfällig So kritisierte etwa der Beirat Zivile Krisenprävention und auch die Grünen-Fraktion in den letzten Jahren wiederholt die Bundesregierung dafür, dass sie die Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ nicht mehr entsprechenden messbaren Kapazitätszielen unterlegt. Die Bundeswehr leitet aus dem Weißbuch in der „Konzeption der Bundeswehr“ konkrete Planziele ab, für den zivilen Bereich gibt es weder ein von der Bundesregierung formuliertes „Level of Ambition“ (Anspruchsniveau) noch konkrete Planziele. Das sollte eine Bundesregierung mit grüner Beteiligung ändern. (Quelle für Kritik des Beirats, zum Beispiel hier:https://peacelab.blog/uploads/Stellungnahme_Umsetzungsbericht_Leitlinien_Be--irat_Zivile_Krisenpr%C3%A4vention_2021_03_31.pdf).
Streichung des Satzes zur „EU-Mediationsreserve“:
Der Bezug zu EU-Mediationsreserve wurde rausgenommen, da der EAD bereits ein Mediation Support Team sowie einen Pool von EU-Mediator*innen hat. Es könnten gezielt mehr deutsche Mediator*innen im Auswärtigen Amt sowie für die Entsendung durch das ZIF gefordert werden, allerdings werden auch andere zentrale Bereiche der Krisenprävention nicht extra ausgeführt – z.B. die Rechtsstaatsförderung, Sicherheitssektorreform, Vergangenheitsbewältigung. Diese fallen alle unter die zivilen Kapazitäten für die in dem Absatz eine Stärkung sowie eine Aufbauplan gefordert wird.
Erwähnung des Zuwendungsrecht:
Das Zuwendungsrecht sollte explizit erwähnt werden, um den Kern des Problems zu benennen. Insbesondere bei der Projektförderung durch das Auswärtige Amt sind die Bedingungen so schwierig (z.B. Mittelausgabe innerhalb von sechs Wochen, Jährlichkeit), dass viele Nichtregierungsorganisationen diese gar nicht mehr beantragen, insbesondere kleine und lokale NGOs.
Ressortgemeinsame Analysen, Projektplanung, Abstimmung mit Partnern:
Es reicht nicht einfach, einen ressortgemeinsamen Fonds für die Krisenprävention zu fördern, vor allem müsste die Bundesregierung auch gemeinsame Analysen und das gemeinsame Planen voranbringen – auch über die durch diesen einen Fond finanzierten Projekte hinaus. Die 2019 eingeführten ressortgemeinsamen Instrumente der Gemeinsamen Analyse und abgestimmten Planung (GAAP) zwischen AA und BMZ sowie den im Praxisleitfaden genannten Mechanismen für die am Ressortkreis beteiligten Ministerien haben erst zu zögerlichen Schritten einer wirklich integrierten Analyse und Planung in wenigen Fällen geführt. Es braucht mehr politischen Druck, wirklich gemeinsam zu agieren.
Die Analysefähigkeiten sollten grundsätzlich gestärkt werden, nicht nur bezogen auf die Pandemie.
Lokale Zivilgesellschaft:
In diesem Absatz des Programms fehlte die lokale Zivilgesellschaft und lokale Akteure der Krisenprävention und Friedensförderung komplett – gerade deren Förderung sollte aber zentral sein.
Bedarfsgerechte Weiterentwicklung & Ausbau Ziviler Friedensdienst
Der Zivile Friedensdienst braucht nicht einfach mehr Geld, sondern sollte auch reformiert werden. So werden ZFD-Fachkräfte immer noch über Entwicklungshelferverträge entsendet. Das Entwicklungshelfergesetz baut aber auf einem veralteten, kolonialistischen Bild der Entwicklungshilfe auf. Entwicklungshelfer sind offiziell nicht Angestellte und bekommen kein Gehalt sondern eine Aufwandsentschädigung als Freiwillige. Entwicklungshilfe wird in diesem Sinne immer noch als idealistische Helfertätigkeit verstanden anstatt als professionelle Beratungstätigkeit bzw. Dienstleistung für die Partner vor Ort (IZ auf Augenhöhe). Arbeitsgesetze greifen kaum, da der EH-Vertrag offiziell kein Arbeitsvertrag ist: kein Mutterschutz, keine Elternzeit (weder Männer noch Frauen), Entwicklungshelferverträge werden nur an EU-Staatsbürger*innen vergeben, Expert*innen aus anderen Ländern können nicht unter Vertrag genommen werden und ein Süd-Süd-Austausch wird hier unmöglich gemacht.
Zudem können zivilgesellschaftliche Partnerorganisationen keine Gehälter über die Finanzierungstöpfe erhalten. In vielen Projekten können sie nur anfallende Ausgaben für Waren und Dienstleistungen erstattet bekommen, nicht aber ihre Arbeitszeit. Das führt dazu, dass viele lokale Menschen von der Friedensarbeit nicht leben können und sich anderen Tätigkeiten zuwenden.
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