Veranstaltung: | 47. Bundesdelegiertenkonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | D Dringlichkeitsanträge |
Antragsteller*in: | Karl-Wilhelm Koch (KV Vulkaneifel) und 69 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 34%) |
Status: | Eingereicht |
Verfahrensvorschlag: | Abstimmung (Abgelehnt)Erklärung: Mit Beschluss vom 25.01.2022 empfiehlt die Antragskommission der BDK die Zulassung dieses Antrags. Die Dringlichkeit ist gegeben. Mit der Zulassung durch die BDK wird der Antrag als D-04 im TOP Aktuelle Debatte behandelt. |
Eingereicht: | 25.01.2022, 14:40 |
D-04: DIE NUKLEARE TEILHABE NICHT AUF JAHRZEHNTE FESTSCHREIBEN - NEU
Antragstext
Die BDK von Bündnis 90/Die Grünen fordert die grüne Fraktion auf, die Beschaffung eines für
Atomwaffen zertifizierten Tornado-Nachfolgesystems und eine Zertifizierung des Tornado-
Nachfolgesystems für Atomwaffen vorerst abzulehnen.
Einer Zustimmung zur Beschaffung und zur Zertifizierung eines neuen Atomwaffen-Trägersystems
muss eine gewissenhafte Debatte über mögliche Folgen, Nutzen und Schaden unter breitem
Einbezug der Zivilgesellschaft vorausgehen.
Der Auftrag zur Beschaffung atomar tauglicher Trägersysteme, zur nachträglichen
Zertifizierung und allgemein zur atomaren Bewaffnung muss durch einen Parlamentsbeschluss
gefällt werden.
Begründung der Dringlichkeit
Am 08. Januar 2022 wurde öffentlich, dass nach einem Gespräch zwischen Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht und Bundeskanzler Olaf Scholz der Kauf neuer Atomwaffen-Trägersysteme geprüft wird. Damit ist der bereits gestellte Antrag A-08 „überholt“ und nicht mehr aktuell. Antragsschluss für Änderungsanträge war der 7. Januar 2022, so dass selbst ein entsprechender Änderungsantrag nicht mehr gestellt werden konnte.
Begründung
Im Koalitionsvertrag ist der Kauf eines Tornadonachfolgesystems festgeschrieben. Eine Beschaffung eines Tornadonachfolgers ist in der derzeitigen Militärlogik vermeintlich unverzichtbar. Der Koalitionsvertrag sagt dazu: "Den Beschaffungs- und Zertifizierungsprozess mit Blick auf die nukleare Teilhabe Deutschlands werden wir sachlich und gewissenhaft begleiten."(https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1990812/04221173eef9a6720059-cc353d759a2b/2021-12-10-koav2021-data.pdf?download=1, Seite 149)
Diese Formulierung lässt offen, ob eine Beschaffung und Zertifizierung für Atomwaffen oder ob eine Beschaffung und Zertifizierung ausschließlich für konventionelle Einsätze erfolgen soll und bekräftigt die Notwendigkeit der gewissenhaften Auseinandersetzung.
Außenministerin Baerbock hat im Interview mit der TAZ bestätigt, dass ein Tornado-Nachfolgesystem für den Ersatz konventioneller Fähigkeiten nötig sei und dass über die Frage der nuklearen Zertifizierung weiter gesprochen werden muss. Diese Debatte muss jetzt dringend begonnen werden und sie muss öffentlich geführt werden, denn am 08. Januar wurde öffentlich, dass nach einem Gespräch zwischen Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht und Bundeskanzler Olaf Scholz der Kauf neuer Atomwaffen-Trägersysteme geprüft wird.
Bereits 2020 hatte die Ankündigung des Bundesverteidigungsministeriums des geplanten Kaufs neuer atomwaffenfähiger Flugzeuge zum Zwecke der Fortsetzung der nuklearen Teilhabe zu starken Protesten geführt, woraufhin die Entscheidung in diese Legislaturperiode vertagt wurde. Repräsentative Umfragen zeigen verlässlich, dass eine große Mehrheit die Beschaffung neuer Atomwaffenträgersysteme ablehnt und ein Ende der nuklearen Teilhabe fordert. Dies entspricht unserem Grünen Grundsatzprogramm aus dem November 2020, in dem wir ein zügiges Ende der nuklearen Teilhabe und ein Deutschland frei von Atomwaffen fordern (https://cms.gruene.de/uploads/documents/20200125_Grundsatzprogramm.pdf, S. 105, Absatz 389).
Die Anschaffung neuer Atomwaffenträgersysteme würde nicht nur die Fortsetzung der nuklearen Teilhabe ermöglichen, sondern sie könnte auch die erste Aufrüstung in Deutschland seit der Stationierung der Pershing Raketen in den 1980er Jahren einleiten: In Kürze sollen technisch weiterentwickelte B61-12 Bomben in Büchel stationiert werden. Die neuen Fähigkeiten der B61-12 könnten jedoch nur von modernen Atomwaffen-Trägersystemen genutzt werden.
Im Koalitionsvertrag steht, dass Deutschland ein Interesse daran hat, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben, solange Kernwaffen im strategischen Konzept der NATO eine Rolle spielen. Das steht dem Ende der nuklearen Teilhabe - also dem Abzug der Atomwaffen aus Deutschland - jedoch nicht entgegen.
Andere NATO-Länder wie Kanada oder Griechenland haben die technische nukleare Teilhabe beendet und sind weiterhin Mitglied in der nuklearen Planungsgruppe der NATO.
Auch NATO-Staaten wie Norwegen, Dänemark oder Spanien sind Mitglied in der nuklearen Planungsgruppe und haben die Stationierung von Atomwaffen auf ihrem Staatsgebiet explizit untersagt (https://d3n8a8pro7vhmx.cloudfront.net/ican/pages/2165/attachments/original/1623235224/ICAN-NATO-report-final.pdf?1623235224).
Die Entscheidung über ein neues Atomwaffen-Trägersystem ist richtungsweisend für die Zukunft der nuklearen Teilhabe in Deutschland und darf nur durch einen Parlamentsbeschluss getroffen werden.
Obwohl Atomwaffen die zerstörerischsten aller Waffen sind –eine einzelne der in Büchel stationierten Waffen könnte mehrere 100.000 Menschen töten- unterliegen sie bisher keiner parlamentarischen Kontrolle. Das wollen wir ändern.
Dazu muss eine breite öffentliche Debatte geführt werden die NGOS, humanitäre Organisationen und Expert*innen verschiedener politischer Ausrichtungen einbezieht.
Wir Grüne haben in unserem Wahlprogramm eine breite öffentliche Debatte über veraltete Abschreckungsdoktrinen des kalten Krieges versprochen.
Dazu stehen wir und wir werden jetzt damit beginnen.
Kommentare
Karl-Wilhelm Koch:
Quelle zum Beleg der Begründung der Dringlichkeit: "Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat Schritte für eine Entscheidung über die milliardenschwere Nachfolge des Kampfflugzeugs Tornado eingeleitet. Die SPD-Politikerin sprach am Donnerstag mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über das Rüstungsprojekt, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen in Berlin erfuhr. " https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/militaerflugzeug-scholz-und-lambrecht-planen-tornado-nachfolge/27957506.html?ticket=ST-2631741-GeQalw4OlbVeGGzGOqa1-ap1
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Das TAZ-Zitat wurde nachgefragt, hier ist es: "Wir müssen das Nachfolgesystem für den Tornado beschaffen, weil die konventionellen Fähigkeiten ersetzt werden müssen. Es handelt sich also nicht allein um sogenannte Atombomber. Über die Frage der nuklearen Zertifizierung werden wir dann weiter sprechen müssen." https://taz.de/Annalena-Baerbock-ueber-Aussenpolitik/!5819421&s=Baerbock+Tornado/ (1. 12. 2021)
Stephan Fegers:
Politische, technische und sogar militärische Argumente sprechen für den abzug der Atomwaffen aus Deutschland (atombomber-nein-danke.de).
Seit vielen Jahren spricht sich die überwältigende Mehrheit der Bundesbürger für den Abzug der Atomwaffen und für deren völkerrechtliches Verbot aus.
Der vor genau einem Jahr in Kraft getreteneAtomwaffenverbotsvertrag AVV ächtet Atomwaffen aufgrund ihrer katastrophalen humanitären Folgen.
Karl-Wilhelm Koch: