Veranstaltung: | 48. Bundesdelegiertenkonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | Verschiedenes (nicht gerankt) |
Antragsteller*in: | Linda Heitmann (KV Hamburg-Altona) und 63 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 55%) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 02.09.2022, 22:12 |
V-30: Long- bzw. Post-Covid braucht jetzt auch unser politisches Handeln - Forschung, Diagnostik, Versorgungs- und Behandlungsstrukturen voranbringen
Antragstext
Long- bzw. Post-Covid ist ein Phänomen, von dem weltweit und auch in Deutschland im Zuge der
Pandemie immer mehr Menschen betroffen sind und bei dem wir dringend daran arbeiten müssen,
Forschung, Diagnostik, Versorgungs- und Behandlungsstrukturen zu verbessern sowie
Betroffenen die richtigen Wege hin zu möglicherweise notwendigen Pflege- und
Versorgungsleistungen zu ebnen.
Wieviele Menschen in Deutschland tatsächlich betroffen sind, lässt sich bislang nur schwer
einschätzen. Erste Zahlen zu Fehlzeiten im Job hat die Techniker Krankenkasse in ihrem
Gesundheitsreport 2022 erstmals veröffentlicht. Demnach waren im Jahr 2021 rund 1% der
Versicherten der TK mit der Diagnose Long- bzw. Post Covid krank geschrieben. Und dabei
betrug die durchschnittliche Dauer der Krankschreibung 105 Tage. Dies gibt einen ersten
Eindruck vom Ausmaß des Phänomens – und gleichzeitig muss davon ausgegangen werden, dass die
Zahl der Betroffenen hier vermutlich noch zu niedrig liegt, weil viele Erkrankte vermutlich
noch nicht richtig diagnostiziert werden.
Als Grüne haben wir bereits letzte Legislatur erkannt, dass hier dringende Handlungsbedarfe
bestehen und als eines von wenigen Krankheitsbildern wurde daher Long- bzw. Post-Covid auch
in den Koalitionsvertrag aufgenommen. „Zur weiteren Erforschung und Sicherstellung einer
bedarfsgerechten Versorgung rund um die Langzeitfolgen von Covid19 sowie für das chronische
Fatigue-Syndrom (ME/CFS) schaffen wir ein deutschlandweites Netzwerk von Kompetenzzentren
und interdisziplinären Ambulanzen.“, ist auf S. 83 in Zeile 2741 verankert.
Diese Sätze müssen jetzt in Regierungsverantwortung mit Leben gefüllt werden und
gleichzeitig bedarf es kluger weiterer politischer Strategien und Schritte, um Betroffenen
schnellstmöglich helfen zu können.
Dabei ist das Symptombild von Betroffenen von Long- bzw. Post-Covid insgesamt vielfältig und
unterschiedlich stark ausgeprägt: es reicht von starken Lungenproblemen bis hin zu extremen
Erschöpfungszuständen. Nach einer Erkrankung mit COVID-19 haben Menschen, teilweise auch
selbst nach einem milden Verlauf, zuweilen Symptome des sogenannten Chronischen-Fatigue-
Syndroms (ME(CFS). Es wird daher bereits intensiv daran geforscht, ob an ME/CFS-Erkrankte
mit einem gegen Long-bzw. Post-Covid wirksamen Medikament therapiert werden können und wie
auch die weitere Medikamenten-Entwicklung hier wirksam gemeinsam vorangetrieben werden kann.
Bereits für 2022 ist es im Forschungsetat des Bundeshauhalts gelungen, die Gelder speziell
für Therapien und Medikamente gegen Long- bzw. Post-Covid- und ME/CFS zu verankern und
zielgerichtet zu vergeben. Doch damit ist es in diesem Bereich nicht getan: wir wollen eine
Verstetigung der Gelder auch in den kommenden Jahren, damit hier umfangreich geforscht,
Medikamente und andere Therapieoptionen entwickelt werden können. Auch die Bundesländer
sehen wir in der Verantwortung zielgerichtet zu prüfen, wo und wie an Unikliniken oder in
anderen Einrichtungen Forschung zum Thema Long- bzw. Post-Covid und zu Behandlungsstrategien
gefördert werden kann, damit wir künftig wirklich in der Breite entscheidend vorankommen
können.
Gleichzeitig gilt es, auch Diagnostik und Prävention in den Blick zu nehmen. Unzählige
Betroffene von Long- bzw. Post-Covid – gerade jene mit starken Erschöpfungserscheinungen –
fühlen sich von Mediziner*innen erst einmal nicht ernst genommen und es kommt vielfach zu
Fehldiagnosen. Auch in Teilen der Bevölkerung wird Long- bzw. Post-Covid noch immer als
Randphänomen abgetan. Ein vollständiger Impfschutz kann dabei helfen, das Risiko von Long-
bzw. Post-Covid zu reduzieren.Menschen weiterhin zum Impfen zu motivieren, muss daher auch
aus diesem Grund eines unserer wichtigsten Ziele sein und bleiben.
Es braucht zudem in der Ärzteschaft eine breite Fortbildungsoffensive! Wir wollen, dass
sämtliche Ärzt*innen unterschiedlichster Disziplinen schnellstmöglich eine Fortbildung zu
Long-bzw. Post Covid besuchen und gehen dafür mit den Ärztekammern in den Austausch, um das
voranzubringen. Gerade den Hausärzt*innen allerdings kommt hier häufig die entscheidende
Rolle zu, da sie Betroffene je
nach Art der Symptomatik an die richtigen Fachärzt*innen auch weiterverweisen können müssen.
Wegen des vielfältigen Erscheinungsbildes von Post-Covid ist darüber hinaus die gute
Kooperation verschiedener Gesundheitsberufe von großer Bedeutung, um eine bedarfsgerechte
Versorgung sicherzustellen. Hier hat unser Gesundheitswesen noch erheblichen
Nachhilfebedarf.
In Deutschland haben wir gerade auch im Reha-Bereich umfangreiche Angebote und Erfahrungen,
die uns im weltweiten Vergleich herausheben. Wir wollen, dass speziell dieser Bereich daher
in der Forschung gut mit einbezogen wird, um erfolgreiche Reha-Maßnahmen schnell zu
identifizieren und dann in der Folge auch bedarfsgerecht auszubauen.
Das In-den-Blick-Nehmen von Menschen, die passgenaue Reha-Maßnahmen zur beruflichen
Wiedereingliederung brauchen, ist hier ein wichtiges Feld. Wir wollen, dass sich auch die
Deutsche Rentenversicherung daran beteiligt, Reha-Angebote für Long- bzw. Post-Covid-
Betroffene auszubauen und zu finanzieren. Denn letztlich ist es gerade auch im Interesse der
Rentenversicherung, dass Menschen wieder stabil ins Arbeitsleben zurückfinden.
Leider viel zu häufig benötigen von Long- bzw. Post-Covid Betroffene aber auch
Pflegeleistungen, um überhaupt ihren Alltag noch bewältigen zu können. Auch hierfür braucht
es schnell die richtigen Diagnosen und ärztlichen Einschätzungen, um dann entsprechend
Pflegeleistungen beantragen zu können.
Vernetzung und struktureller Austausch sowie die Interessensvertretung von Betroffenen sind
für Long- bzw. Post-Covid-Patient*innen ein wichtiger Anker im Alltag. Hier findet nicht nur
gegenseitige mentale Stärkung statt, sondern es werden auch Erfahrungen über wirksame
Therapieansätze oder Medikationen ausgetauscht. Die gezielte Unterstützung von
Selbsthilfegruppen ist uns Grünen daher ein besonderes Anliegen. Hier sehen wir insbesondere
auch die Krankenkassen und Länder in der Verantwortung, das Engagement Betroffener in der
Selbsthilfe zu unterstützen. Auch Online-Selbsthilfe muss gefördert werden, damit sich
Menschen überregional und ohne sich zwingend zu weit bewegen zu müssen, vernetzen können.
Die Interessensvertretung von Long- bzw. Post-Covid-Betroffenen braucht Mitsprache in den
Gremien des G-BA, wenn es hier um zentrale Fragen von Zulassung und Versorgung geht. Auch
dafür machen wir Grüne uns stark.
Mittlerweile wissen wir, dass nicht nur die Spätfolgen einer Covid-19-Erkrankung zu
gesundheitlichen Einschränkungen führen können. In seltenen Fällen können auch die Impfungen
zu Symptomen führen, die Long- bzw. Post-Covid sehr ähnlich sind (Post-Vac). Auch den
Betroffenen dieses Symptombildes muss geholfen und ihr Leiden muss ernst genommen werden.
Nur mit diesem umfangreichen Katalog an Maßnahmen und Zielen kann es uns gelingen,
Betroffenen von Long- bzw. Post-Covid wirksam Hilfe zukommen zu lassen oder in Aussicht
stellen zu können. Außerdem muss es unser aller Ziel sein, neue Erkrankungen möglichst
gering zu halten. Ein engagiertes Werben für die Impfung bleibt hier oberste Prämisse für
uns!
Kommentare
Jörg Witzel:
https://www.merkur.de/welt/long-covid-studie-corona-infektion-langzeitfolgen-ursachen-demenz-91362686.html
Leider habe ich noch keine Studie gefunden, die das Quantifiziert. Wenn das aber stimmt, warum solle es für die Menschen, die auf eine Impfung verzichtet haben, Forschungsgelder oder Unterstützung auf kosten der Allgemeinheit geben?
Katja Schrickel-Ischebeck:
???
Da steht ja: "Mittlerweile wissen wir, dass nicht nur die Spätfolgen einer Covid-19-Erkrankung zu gesundheitlichen Einschränkungen führen können. In seltenen Fällen können auch die Impfungen zu Symptomen führen, die Long- bzw. Post-Covid sehr ähnlich sind (Post-Vac). Auch den Betroffenen dieses Symptombildes muss geholfen und ihr Leiden muss ernst genommen werden."
Dem kann man ja entnehmen, dass das Menschen sind, die auf die Impfung NICHT verzichtet haben? Ich verstehe den Einwand also gar nicht.
Sava Stomporowski:
Ich würde mir wünschen, dass hier auch Kinder und Jugendliche in den Blick genommen werden sowie Rentne*innen. Prävention muss in dem Kontext stärker beachtet werden, wie durch bekannte Maßnahmen wie Masken, PCR-basierte Tests und Luftfilter in Einrichtungen.
Angela Bösselmann: