Trotz einer hohen Spendebereitschaft werden in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern noch relativ wenige Organspenden realisiert und viele Menschen wartend händeringend und oft über lange Zeiträume auf eine Organspende. Nach einer breiten gesellschaftspolitischen Diskussion stimmte eine große Mehrheit des Bundestags (und fast alle MdBs von Bündnis 90/Die Grünen) in einer Gewissensentscheidung Anfang 2020 gegen die Einführung einer Widerspruchsregelung bei der Organspende und für Maßnahmen zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft und deren Dokumentation, u. a. durch die Einführung eines Online-Organspenderegisters. Zudem beschloss der Bundestag in der letzten Wahlperiode Maßnahmen zur Stärkung der Strukturen in den Entnahmekrankenhäusern, um sicherzustellen, dass mehr Menschen, die Organe spenden wollen, als potenzielle Spender*innen identifiziert werden und Organe spenden. Diese Maßnahmen – nicht die Einführung einer Widerspruchsregelung – führen erwiesenermaßen zu höheren Organspendezahlen. Allerdings stockt die Umsetzung. Bündnis 90/Die Grünen dringt auf die umfängliche Umsetzung dieser Gesetze und deren Evaluation.
Antrag: | Widerspruchslösung in der Organspende implementieren |
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Antragsteller*in: | Kirsten Kappert-Gonther (KV Bremen-Nordost) und 50 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 67%) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Abstimmung (Modifizierte Übernahme) |
Eingereicht: | 21.09.2022, 15:30 |
Kommentare
Martin Greifenstein:
Eine Freundin von mir ist nach 8 Jahren Dialyse nur 2 Wochen nach der Nierentransplantation gestorben, ein weiterer Freund eine Woche, nachdem er ein neues Herz bekommen hatte.
Christian Zander:
ich möchte hier jetzt nicht unsensibel erscheinen.
Deine Aussage hat nichts mit der Widerspruchslösung zu tun. Mein Mitgefühl ist bei allen Hinterbliebenen.
Ich komme nicht umhin mich zu fragen, ob Deine Freundin möglicherweise überlebt hätte, wenn Ihr die Niere viel früher zur Verfügung gestanden hätte. Das wiederum wäre möglich gewesen, wenn die Widerspruchlösung auch in Deutschland gelten würde.
Denn der Sinn dieser Lösung ist ja gerade, dass jemand nicht darauf warten muss, dass ein*e Organspender*in stirbt, sondern dass vollautomatisch alle Organspender*innen sind, es sei denn, sie wiedersprechen dem.
Die Erfahrungen zeigen, dass es den meisten Leuten egal ist. Nur ist egal aktuell eben die Ablehnung der Organspende. Die Widerspruchslösung würde das einfach umdrehen und aus dem egal ein dringend notwendiges "Ja zur Organspende" werden.
Angelika Botz:
Christian Zander:
Wie oben schon in der Antwort an Martin geschrieben ist unserer Ansicht nach die Widerspruchslösung dringend notwendig, um ganz viele zusätzliche Organe zur Verfügung zu haben. In einer großen Menge anderer Länder gibt es diese Lösung bereits und die Organspenden in diesen Ländern haben sich deutlich verbessert. Das erhoffen wir uns auch für Deutschland.
Der ursprüngliche Antrag ist auf Initiative eines ehemaligen Transplantationsbeauftragten und Mediziners aus dem Uni-Klinikum Tübingen entstanden. Ich finde, dass die dazugehörige Fach-Expertise in diesem Fall gehört werden sollte. Er kennt die Verzweiflung von wartenden Patient*innen sehr gut.
Den hier gemachten Änderungsantrag unseres Antrags lehnen wir mindestens in der Streichung der "Widerspruchslösung" entschieden ab.
Barbara Reichart:
Christian Zander:
https://www.bpb.de/themen/medien-journalismus/netzdebatte/285361/organspenderegelungen-in-europa/
An den zu Grunde liegenden Zahlen hat sich seither nicht so wahnsinnig viel geändert. Die Begründung, Maßnahmen in den Entnahmekrankenhäusern würde im Gegensatz zur Widersrpuchslösung zu einer Entspannung der Lage führen, obwohl dies nachweislich falsch ist ist mir unverständlich. Deutschland ist weiterhin das Schlusslicht in der Organspendebereitschaft. Ein Personalausweis gilt 10 Jahre, so lange wird sich das also im Extremfall nicht ändern. Fraglich auch, ob die Mitarbeiter*innen auf dem Ausweisamt in der Lage sind, die Notwendigkeit der Organspende so zu erklären, dass die beschlossene Regelung funktioniert.
Ich habe gesehen, dass ganz viele prominente Bundestagsabgeordnete diesen Änderungsantrag unterschrieben haben. Ich würde gern mit Euch nochmal diskutieren. Ihr seid herzlich in den KV Tübingen eingeladen.
Wir wissen aus gelebter Praxis, dass manches Mal Vorschläge der gegnerischen Parteien abgelehnt werden, auch wenn sie gut sind, weil sie eben vom politischen Gegner vorgestellt werden. Eine Praxis, die ich schon immer für fragwürdig gehalten habe, weil sie leider nicht konstruktiv wirkt.
Philipp Karl Witte:
Henning Brockfeld:
Philipp Karl Witte:
Peter Petersen:
Der Änderungsantrag will es bei den erfolglosen Maßnahmen der letzten Jahre belassen, muss dafür allerdings die Tatsachen auf den Kopf stellen. Zitat: "Diese Maßnahmen – nicht die Einführung einer Widerspruchsregelung – führen erwiesenermaßen zu höheren Organspendezahlen." Solche Falschmeldungen bestimmen nach wie vor die Diskussion. Sie stehen im Widerspruch zu den Erfahrungen aller Eurotransplant-Länder, die (bis auf uns) ausnahmslos Widerspruchsregelungen praktizieren und damit seit vielen Jahren zwei bis dreimal so hohe Spenderzahlen erreichen. Sie respektieren den Willen ihrer Verstorbenen und Angehörigen, weil dort alle Betroffenen gefragt werden müssen.
Sollte unsere Antragskommission einen falsch verstandenen "Kompromissvorschlag" auf Grundlage der bis dato beschlossenen Gesetzesänderungen vorlegen, könnten wir am Ende ganz die Möglichkeit verlieren, uns für eine Widerspruchsregelung auszusprechen - obwohl diese von der Mehrheit unserer Mitglieder befürwortet wird. Das sollten wir auf jeden Fall vermeiden.
Zazie Knepper:
Erstens: Spanien hat eine staatliche Insitituon, die die Organspende organisiert. Orginalaussage des Leiters einer Spanischen Transplant-Unit, Herr Dr. Diekmann: "Klar, knallhart, topdown, weisungsgebunden und berichtspflichtig. In Deutschland aus meiner Sicht ein Organisationsversagen. Man käme ja auch nicht auf die Idee, die Organisation z.B. im Epidemiefall einer privaten Stiftung zu überlassen." Hier ist die Deutsche Stiftung Organtransplantation gemeint! Organspende als Privatsache?
Zweitens: Transplantationsbeauftragte in Spanien haben wesentlich mehr Befugnisse und es gibt ungefähr 5x soviel personelle Ressourcen. Zitat: "Im Beispiel unserer Klinik (Hospital Clinic Barcelona) bedeutet das: Leiter der Transplantationskoordination: Teilzeitstelle; drei Transplantationskoordinatoren in Vollzeit; zwei oder drei Pflegekräfte für Donor Management. Hierzu die aktuellen Spenderzahlen für unsere Klinik in der Zeit Januar bis August 2022: 91 potenzielle Spender, 31 medizinische Kontraindikationen, 13 Ablehnungen durch die Familie, vier Ablehnungen durch den Richter wegen gewaltsamem Tod, 45 echte Spender mit 72 transpantierten Nieren, 18 Lebern, 2 Herzen, 18 Lungen und vier Bauchspeicheldrüsen. Wir haben 72 Intensivstationsbetten."
Zum Vergleich: UKE Hamburg: 120 Intensivbetten , 1,2 Stellen für Transplantationsbeauftragte, 13 Organspender jährlich! Weiter die Aussagen aus Spanien: "Auf Klinikebene werden alle ausgestellten Totenschein durch die Transplantationskoordinatoren analysiert (auch der 100jährige Krebspatient). Auf Ebene der comunidades autónomas und auch auf nationaler Ebene gibt es Benchmarking, ISO-Qualitätskontrollen, “flagging” für Underperformance usw. "
Drittens: Spanien hat seit langem eine Widerspruchsrgelung.
Viertens: Spanien entnimmt Organe nach dem Herztod.
Also, was habt ihr da eigentlich nicht verstanden....?
Wie kann eine Partei, die sonst jeder benachteiligten Minderheit gern öffentlichkeitswirksam beispringt, dieses unnötige Elend und Sterben weiter mit ihrem Gewissen vereinbaren? Über 800 Tote im letzten Jahr, tausende elender Krankheitsgeschichten, in denen Patient*Innen z.B. über 13 Jahre auf eine Niere warten und verzweifeln! Herz-Lungen oder Leberpatient*Innen, die einfach wegsterben und es vorher wissen! Blut an den Händen aller hier Unterzeichnenden!
Zazie Knepper:
Linda sagte mir, sie vertraue nicht darauf, dass diese Gespräche auch so stattfinden würden! Unfassbar. Ich frage mich, ob man mit so einer Haltung im Gesundheitsauschuss gut aufgehoben ist? Wir Betroffenen könnnen uns eine solches Misstrauen jedenfalls nicht leisten. Die Grünen, die Partei der gut situierten jungen und gesunden Mitmenschen? Was für eine Überheblichkeit.
Zazie Knepper:
Wir kann man derart dilettantisch Gesetze machen? Hier ist die tolle Strukturreform gemeint, von der sich die Grünen so viel Erfolg versprochen haben.