Veranstaltung: | 48. Bundesdelegiertenkonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | Verschiedenes (nicht gerankt) |
Antragsteller*in: | BAG Tierschutzpolitik (dort beschlossen am: 02.09.2022) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 02.09.2022, 20:35 |
V-28: Pandemien vorbeugen, Zoonosen verhindern - Lehren aus Corona ziehen
Antragstext
Pandemien vorbeugen,Zoonosen verhindern - Lehren aus Corona ziehen
Epidemien und Pandemien, wie durch die Verbreitung des Corona-Virus und der zoonotischen
Erkrankung COVID-19 ausgelöst, sind erwartbar und vermeidbar. Die Mehrheit der neu beim
Menschen aufgetretenen Krankheitserreger stammt aus sogenannten zoonotischen Quellen. Sie
werden von Tieren auf Menschen übertragen. Neben COVID-19 gab und gibt es eine Reihe anderer
zoonotischer Erkrankungen. Darunter beispielsweise die Affenpocken, SARS, MERS, Ebola, HIV,
Nipah-Virus, Influenza und Zika.
Es gilt Lehren aus der Corona-Krise und den Fakten für eine evidenzbasierte Politik zu
ziehen, um das Risiko zukünftiger Zoonosen durch einen Präventiv-Ansatz zu reduzieren. Ein
vorbeugender Ansatz für mehr Gesundheitsschutz und gegen die Entstehung von Zoonosen ist
weitaus kostengünstiger als ein reaktiver. Wir wissen nun, dass ein einziger zoonotischer
Ausbruch weltweit viele Millionen Todesopfer forderte und viele Billionen Euro an Kosten
verursachte. Die Kosten für Präventivmaßnahmen würden Berechnungen zufolge lediglich zwei
Prozent des finanziellen Schadens durch COVID-19 ausmachen. Zoonosen-Vermeidung und
Gesundheitsschutz bedeuten dabei unter anderem eine Agrarwende, eine Ernährungswende, ein
Ende der Ausbeutung von Tieren und damit ein Ende der industriellen Massentierhaltung. Wir
brauchen ein nachhaltiges, landwirtschaftliches Ernährungssystem, das auskömmlich für
Landwirt*innen ist und schmackhafte, gesunde und nachhaltige Ernährung, ohne Tierleidoder
Gesundheitsgefährdung ermöglicht.
Ausschlaggebend für die Entstehung, Mutation und teilweise auch grenzüberschreitende
Verbreitung von Zoonosen ist, wie Menschen andere Tiere behandeln, halten, töten und
konsumieren. Das ungebremste Vordringen in die natürlichen Lebensräume von Wildtieren, die
vorherrschende industrielle Tierhaltung und –schlachtung, der internationale Handel von
tierischen Produkten, die Nutzung und der Missbrauch von Wildtieren, u. a. auf
Wildtiermärkten, Pelztierfarmen oder in der privaten Exotenhaltung, spielen dabei eine
entscheidende Rolle.
Eine Reduzierung der Kontakte und „physicaldistancing“ als eines der effektivsten Mittel zur
Unterbrechung von Übertragungsketten von Infektionen ist in Ställen und Schlachthäusern
schlichtweg nicht möglich. Im Gegenteil herrscht dort „supercrowding“ - also ein enges
Beieinanderstehen und -liegen tausender Individuen. Mit diesen hohen Besatzdichten erhöhen
sich die Reproduktionsraten von Viren und Bakterien und damit das Risiko für Mutationen.
Normalerweise sterben gefährliche Mutationen von Viren gemeinsam mit ihrem Wirt relativ
schnell aus. In der Stalltierhaltung herrschen demgegenüber ideale Ausbreitungsbedingungen.
Dies kann die Wirksamkeit von Impfungen reduzieren. Trotz verstärkter Biosicherheit sind
landwirtschaftliche Betriebe weiterhin offene Systeme, auch für den Ein- und Ausgang von
Krankheitserregern. Einerseits kommen Tiere aus anderen Zuchtbetrieben, Brütereien oder
Tiermärkten sowie Futter und Wasser von außen in die Betriebe. Andererseits verlassen sowohl
enorme Mengen Exkremente und tierische Abfälle diese Anlagen als auch lebende Tiere in
Richtung anderer Betriebe, Märkte oder Schlachthäuser. Auch Insekten und Wildtiere sind
weitere Überträger durch Austräge von infektiösen Kot-und Kadaverresten auf Feldern oder an
Gewässern. Gerade in größeren Betrieben, mit mehr als 10.000 Tieren, war eine viermal höhere
Anzahl an Ausbrüchen bspw. der Aviären Influenza (Vogelgrippe) zu verzeichnen als in
kleineren Betrieben. Damit wirkt die landwirtschaftliche Tierhaltung regelrecht als
Inkubator für die schnellere Mutation von Viren und Bakterien und ist ein möglicher Auslöser
von epidemischen und pandemischen Krankheiten. Angesichts des sogenannten „Tönnies“-Skandals
vom Sommer 2020 sowie den Ausbrüchen und Mutationen auf Pelztierfarmen, die millionenfache
Massentötungen von Nerzen in Dänemark nach sich zogen, konnten wir miterleben, wie die
vorherrschende industrielle Tierhaltung und -tötung die Verbreitung des Corona-Virus
begünstigte und unsere Gesundheit gefährdete.
DAHER FORDERN WIR:
den Umbau der Tierhaltung mit dem Ziel eines Ausstiegs aus der industriellen
Tierhaltung;
klare Ziele und Maßnahmen für die Netto-Reduktion und geographische Umverteilung
landwirtschaftlicher Tierbestände sowie Minimierung des Verbrauchs tierischer
Produkte;
strikte Flächenbindung und Obergrenzen pro Stall mit stark reduzierten Besatzdichten;
eine Verlagerung der verbleibenden Tierhaltung aus dem Stall auf die Weide;
eine Umbauförderung, die bedarfs- und verursachergerecht durch einen Aufpreis auf
tierische Produkte finanziert wird, für Landwirt*innen bei der Umstellung auf deutlich
bessere Tierschutz- und -haltungsbedingungen sowie pflanzliche und/oder bio-vegane
Landwirtschaft;
Forschungs- und Investitionsförderung innovativer Freilandhaltung mit denen eine
Seuchenprophylaxe gelingt;
eine Internalisierung der Gesundheits-, Umwelt- und Klimakosten durch eine ökologische
Mehrwertsteuerreform;
gesundheits-, umwelt- und klimaschädliche Subventionen konsequent abbauen;
baurechtliche Vorgaben und Kontrollen für bessere Hygiene und wirksamen Brandschutz in
gewerblichen Stallanlagen sowie für den Transport von Tieren, Futtermitteln und
Exkrementen verschärfen. Dazu gehört auch das regelmäßige Testen von Abwässern der
Schlachthöfe, Großbetriebe, Brütereien, Mastanlagen, Gülle und Trockenkot um die
Austragung von Viren und Bakterien zu vermeiden;
keine Keulung auf Verdacht sowie keine Aufstallpflicht. Keulung soll nur dann zulässig
sein, wenn ein bestätigtes positives Testergebnis vorliegt und die Tiere klinisch
auffällig sind. Ansonsten ist Quarantäne zu verhängen;
EU-weites Verbot von Pelztierfarmen und des Pelzhandels;
den internationalen Handel mit lebenden Tieren und den gewerblichen
Lebendtiertransport, auch von Wildtieren, beenden;
Strenge Regulierung des Handels und der Haltung von Wildtieren und Exoten, z.B. mit
Positivlisten;
multilaterale Abkommen zum Tierschutz anstreben;
Nationale und internationale Stärkung des „One Health“-Ansatzes. Der Ansatz stellt die
Zusammenhänge zwischen Menschen, Tieren (in allen Haltungsformen sowie Wildtieren)
sowie Umwelt und Natur in den Mittelpunkt.
Begründung
Alle Quellen-Verweise finden sich im ausführlicheren Positionspapier der BAG Tierschutzpolitik, auf dessen Grundlage dieser Antrag erstellt wurde:
Kommentare
Jörg Witzel:
Die Zoonosen von denen ich weiß stammen aus Gebieten in Arika oder Asien wo die letzten Naturreservate zerstört werden und alle möglichen Wildtiere gegessen werden. Der Rinderwahnsinn basiert ja wohl auf der üblen Taktik Rindern statt Heu Schafe zu verfüttern. Auch bei vielen anderen Punkten wie z.B. Antibiotika-Resistenzen: Ich stimme dem Antrag in diesem Punkt voll zu. Doch hat das überhaupt gar nix mit Zoonosen oder dem Corona-Virus zu tun.
So zu argumentieren ist unseriös!
Andreas Saakel:
Dass die BAG-Tierschutzpolitik selbstverständlich Argumente sucht, die zusammen mit anderen Menschen, die vielleicht eher Gesundheitsaspekte im Vordergrund sehen, als alleine Tierschutzgründe, ist weder unseriös, noch sonst irgendwie angreifbar - es ist schlicht unser Auftrag.
Wir nennen uns ja deutlich als Ross und Reiter. Wären wir die BAG Bauen und Wohnen, würde ich auch mit der Stirn runzeln, aber so ist doch klar, um was es uns vor allem geht und der Antrag beschreibt ein weiteres klares Argument für die Veränderung des Umganges von uns Menschen mit Tieren in der Ernährung.
Mit der BAG Bauen und Wohnen könnte ich mir einen Antrag zum Brandschutz in Ställen vorstellen, nachdem allein in diesem Jahr so viele Tiere in unzureichend brandgeschützten Ställen durch Feuer vernichtet wurden.
Elisabeth Petras:
In Falle von Covid 19 waren Massenhaltungen von Pelztieren betroffen.
Solche Anlagen bieten Viren ideale Bedingungen zum schnellen Wirtswechsel. Das begünstigt Gen-Drift und Gen-Shift und damit die Mutation zu höher pathogenen Formen, die im Freiland nicht lange überleben würden.
Letzteres belegen die Beobachtungen von Ornithologen wie Bernd Knoop (Reiherenten, Plöner See) und Klemens Steiof (umfangreiche Dokumentationen). Wo sich Wildvögel mit den hochpathogenen Formen der AI ansteckten, waren schon in kurzer Zeit, nachdem einige Tiere starben, nur noch gesunde Tiere zu finden.
Massentierhaltungen werden deshalb auch von weiteren Mikrobiologen als „Inkubatoren“ angesehen.
Hannah-Sophie Braun:
Katja Schrickel-Ischebeck:
Dazu kommen der globalisierte Waren-, Tier- und Menschenverkehr - die Berührungspunkte werden schlicht immer mehr. In den Jahren zwischen 1980 und 1985 fanden knapp 1.000 außergewöhnlich starke Ausbrüche von Zoonosen statt, im Zeitraum 2005 bis 2010 waren es fast dreimal so viele.
Zoonosen in unserem Kulturkreis sind z.B. Tuberkulose, Schweinegrippe, HIV, Toxoplasmose, Campylobakter, FSME, Borreliose, Vogelgrippe... - und seit Neuestem die Affenpocken. Und es wird davon immer mehr geben.
Die "Corona-Krise" ist wahrscheinlich genau dadurch entstanden - durch den (zu?) engen Kontakt von unterschiedlichen Lebensbereichen und möglicherweise auch durch den Klimawandel.
Insofern unterstütze ich den Antrag auch in seiner Begründung vollumfänglich.
Svenja Tidow:
Svenja Tidow:
Ich habe Arbeitblätter aus dem Jahre 2006,in denen die aktuelle Pandemie vorausgesagt wurde.
Es war absolut keine Überraschung. Es war nur eine Frage des Zeitpunktes.
Svenja Tidow:
Andreas Saakel:
Svenja Tidow:
Lecker Bushmeat.
Svenja Tidow:
Allerdings könnt ihr mich oder Jörg im Discourse per PN anschreiben und eine Mailadresse schicken, dann erhaltet ihr eine Einladung zu einem Forum, in dem wir als Grüne auch ökologische Themen bearbeiten können.
Svenja Tidow:
Oder irgendwer macht den Grünen klar, dass es noch andere wichtigere Themen gibt.
Svenja Tidow:
Elisabeth Petras:
Würde man die Abwässer von Schlachthöfen auf AI testen, würde man die Höfe ermitteln können, auf denen die Viren unentdeckt kursieren und die Wildvogel-Verbreitungs-These wäre widerlegt oder auf ein winziges Minimum geschrumpft. Die vielen Stall-Ausbrüche können nicht durch Wildvögel ausgelöst worden sein.