Veranstaltung: | 48. Bundesdelegiertenkonferenz |
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Antragsteller*in: | Bundesvorstand (dort beschlossen am: 02.09.2022) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 14.10.2022, 14:23 |
-FS-12-: Darstellung Abstimmung in FS-12
Antragstext
Der russische Angriff auf die Ukraine ab dem 24. Februar 2022 markiert einen historischen
Einschnitt für unsere Friedensordnung in Europa. Vladimir Putin zeigt uns mit diesem
völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in aller Deutlichkeit, welche Ziele er verfolgt: Er führt
sein imperialistisches Machtstreben fort und will den Integrationsprozess in Europa
zurückdrehen. Die freie, demokratische Lebensweise in unseren offenen Gesellschaften sieht
er als Bedrohung der eigenen Machtbasis. Die auf dem Selbstbestimmungsrecht beruhende
regelbasierte internationale Ordnung hat er aufgekündigt. Als Demokrat*innen verteidigen die
Ukrainer*innen in diesem Krieg daher nicht nur ihr eigenes Territorium, sondern die Freiheit
aller, die in Frieden und Freiheit, in Würde und einer multilateralen, auf
Gleichberechtigung und dem Völkerrecht fußenden internationalen Ordnung leben wollen. Wir
stehen in voller Solidarität an der Seite dieser mutigen Menschen und der Ukraine. Wir
unterstützen sie entschlossen gegen die Aggression Russlands, die sich auch gegen uns selbst
und unsere Art zu leben richtet. Ein Erfolg Putins wäre eine globale Ermutigung für das
Recht des Stärkeren und ein Zurückdrängen der Stärke des Rechts.
Die Herausforderung, die Russland für uns bedeutet, nimmt das geeinte Europa an und leitet
dringend notwendige Kurskorrekturen in der eigenen Politik ein. Die Europäische Union und
ihre Mitgliedstaaten haben schnell, geschlossen und mit Klarheit auf die Aggression des
Kremls reagiert. Wir haben Sanktionen erlassen und den Ausstieg aus russischen Fossilen
beschleunigt. Wir leisten humanitäre Hilfe und stellen die unbürokratische Aufnahme von
Geflüchteten sicher. Wir liefern Waffen und bilden ukrainische Soldat*innen aus. Wir haben
die eigenen militärischen Kapazitäten gestärkt und den Schutz der Mitgliedsstaaten an den
östlichen Grenzen gesteigert. Wir haben einstimmig für einen EU-Kandidatenstatus der Ukraine
und Moldau gestimmt – und unterstützen die Aufnahme Finnlands und Schwedens in die NATO.
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine führt uns vor Augen, wie fatal es ist, wenn wir
uns von Autokraten und außenpolitisch aggressiven Akteuren abhängig machen. Und wir stellen
fest, wie existentiell eine ausreichende zivile und militärische Wehrhaftigkeit ist. Deshalb
liefern wir Waffen an die Ukraine und wollen das auch weiterhin verstärkt tun, wo nötig auch
aus den Beständen der Bundeswehr und der Industrie. Zur Wehrhaftigkeit gehört auch unsere
Mitgliedschaft in der NATO. Mit ihrer Beistandsverpflichtung garantiert sie als
multilaterales Verteidigungsbündnis unverzichtbaren Schutz für die gemeinsame Sicherheit
Europas und unserer Verbündeten.
Gleichzeitig werden wir von unseren tiefsten Überzeugungen als Friedenspartei nicht
abrücken. Auch wenn militärische Mittel aktuell zur Verteidigung des Friedens und zur
Solidarität mit den Menschen in der Ukraine unausweichlich sind, stehen wir im Sinne einer
feministischen Außenpolitik langfristig für die Prinzipien von Abrüstung und
Demilitarisierung sowie den Vorrang des Zivilen ein. Feministischer Außenpolitik liegt die
Überzeugung zugrunde, dass Geschlechtergerechtigkeit und gleichberechtigte Teilhabe
Voraussetzungen für nachhaltigen Frieden und Sicherheit in der Welt sind. Unsere Bemühungen
zur Stärkung von Initiativen zur atomaren Abrüstung und zur Rüstungskontrolle müssen wir
gerade in diesen stürmischen Zeiten erhöhen. In unserem Streben nach einer Welt ohne
Atomwaffen werden wir nicht nachlassen.
Die Erschütterungen durch den russischen Angriff sind global und vergrößern vielerorts das
Leid von Millionen unschuldiger Menschen. Putins Aggression hat über einen drastischen
Anstieg der Lebensmittel- und Energiepreise zu einer beispiellosen Ernährungs- und
Versorgungskrise weltweit, insbesondere jedoch in den Staaten des Globalen Südens geführt.
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen schätzt die Zahl der Menschen, die wegen
fehlender Nahrungsmittel in Lebensgefahr oder Existenznot geraten, in diesem Jahr auf 323
Millionen. Davon sind 47 Millionen Menschen allein durch Russlands Krieg in der Ukraine
hinzugekommen.
Diese Entwicklung verschlimmert die soziale und wirtschaftliche Situation gerade in den
Staaten, die bereits durch die Klimakrise mit großen Versorgungskrisen zu kämpfen haben, und
erhöht das Risiko interner Konflikte. Diesem perfiden Versuch Putins, die Weltgemeinschaft
zu spalten, müssen wir mit verstärkter Kooperation zwischen den Demokratien und mehr
multilateralem Engagement bei der Bewältigung der globalen Krisen entschieden entgegentreten
– insbesondere in den Bereichen Klimaschutz und Energie, Ernährung und Konfliktbearbeitung.
Denn die weltweite Sicherheit hängt nicht vom simplen „für oder gegen“ Russland und China
ab, sondern von der Frage, wer das Völkerrecht und damit die Gleichberechtigung aller
Staaten als Grundlage für die internationale Friedensordnung akzeptiert, respektiert und
verteidigt; und welche Staaten stattdessen auf eine Politik des Großmachtstrebens setzen.
Als Grüne treten wir entschlossen für die in der Charta der Vereinten Nationen verankerten
Prinzipien des internationalen Rechts ein. Wir werden es nicht zulassen, dass Freiheit durch
Unterdrückung, Demokratie durch Diktatur und Würde durch Erniedrigung ersetzt werden.
Der Erhalt der internationalen Friedensordnung kann nach dem Angriff Russlands auf die
Ukraine nur dann gelingen, wenn wir uns klar auf die Prinzipien einer wertegeleiteten
Außenpolitik sowie eines breiten, modernen Sicherheitsbegriffs verständigen – und auch
danach handeln. Dieser Sicherheitsbegriff muss das Digitale zum Schutz unserer Demokratie
vor Destabilisierungsversuchen von Staaten wie Russland umfassen. Und er muss die
menschliche Sicherheit im Mittelpunkt haben. Grüne Friedenspolitik heißt, sich genau dieser
Prinzipien immer wieder zu vergewissern, sie im Angesicht der Bedrohung der globalen
Friedensordnung zu schärfen und sich in der Regierung für ihre Umsetzung einzusetzen.
weitere Antragsteller*innen
Änderungsanträge
- _FS-12-033-2 (Ursula Hertel-Lenz (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf), Eingereicht)
- _FS-12-070 (Tobias Balke (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf), Eingereicht)
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