Veranstaltung: | 49. Bundesdelegiertenkonferenz Karlsruhe |
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Tagesordnungspunkt: | W-EP Wahl der Europaliste |
Antragsteller*in: | Amelie Krug (KV Freiburg) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 19.11.2023, 11:12 |
W-EP-62: Bewerbung: Amelie Krug
Bewerbungstext
Klimagerechtigkeit in Europa: Postwachstum und Lebensstiländerungen als Notwendigkeit
Vor dem Hintergrund geteilter Werte, Ziele und Strategien zur nachhaltigen Entwicklung Europas bewerbe ich mich um einen Platz auf der Europaliste von Bündnis90/DieGrünen.
Ich möchte mich für eine Europapolitik einsetzen, welche den Ernst der globalen sozial-ökologischen Krise anerkennt und sich gleichzeitig zuversichtlich den Chancen einer Transformation zuwendet.
Im Sinne der globalen Gerechtigkeit, als auch im Interesse des Wohlergehens der europäischen Bevölkerung, müssen sich Europäische Industrienationen und insbesondere die hier lebenden wohlhabenden Individuen der Notwendigkeit von Veränderung stellen.
Das Paradigma des grünen Wachstums, so bekunden renommierte Wissenschafter*innen, ist empirisch nicht haltbar[1], da eine absolute Entkopplung von BIP und negativem Umwelteinfluß bisher nicht in ausreichendem Umfang realisiert werden konnte.[2] Das Festhalten am Wirtschaftswachstum als dominante politische Leitlinie ist insofern skandalös, als dass es es auf Annahmen der Skalierung technologischer Innovationen in einem bisher nie dagewesen Umfang fußt und die drohenden sozialen Missstände verheerend sind.
Daraus abgeleitet sowie in Folge der Kritik am Fortbestehen unfairer globaler Ungleichheiten und Machtverhältnisse, fordert das Internationale Degrowth Netzwerk eine demokratisch verhandelte Reduzierung der Produktion und des Konsums im globalen Norden.[3]
Umso größer nun die Erleichterung, dass nun auch der IPCC als Weltklimarat seit 2022 wachstumskritische Analysen präsentiert.[4]
In diesem Kontext steht auch dessen Feststellung, dass zwischen 40-70% der Treibhausgasemissionen durch nachfragebasierte Klimaschutzmaßnahmen eingespart werden können.[5]
Vernetzung und politische Förderung sozialer Postwachstums-Innovationen auf Europäischer Ebene
ECOLISE, European Network of community-led Initiatives on Climate Change and Sustainability
Im Rahmen meines Engagements für das europäische Netzwerk ECOLISE engagiere ich mich seit 2019 für politische Rahmenbedingungen auf EU Ebene zur Förderung suffizienz-basierter Nachhaltigkeitsstrategien, die in Reallaboren zivilgesellschaftlicher, basisdemokratischer Initiativen erprobt werden.
Die beachtlichen Reduktionen von Treibhausgasemissionen und ökologischen Fußabdrücken, die durch soziale Innovationen in verschiedenen Sektoren hervorgebracht werden, werden aktuell jedoch in großem Stil politisch ignoriert.
Mit Communities for Future hat ECOLISE ein Programm ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, europaweit ambitionierte Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen durch das Teilen von Lösungsansätzen aus bestehenden Modellprojekten zu inspirieren.
Über regelmäßige politische Diskussionsveranstaltungen bemühen wir uns, um Einfluss auf die Gestaltung und Implementierung EU politischer Maßnahmen, welche Gemeinschaftsinitiativen auf lokaler Ebene und deren Kooperation mit kommunalen Regierungen, fördern.
Politische Positionierung gegenüber dem European Green Deal
Seit 2022 befindet sich ECOLISE mit über 30 Partnerorganisationen in einem Konsultationsprozess, um eine Positionierung im Sinne eines „transformative community-led local development“ gegenüber dem European Green Deal vorzunehmen.[6] An dessen Gestaltung, wissenschaftlicher Begleitung und Kommunikation war ich in meiner Rolle als Policy Officer maßgeblich beteiligt. Erst kürzlich wurde das Time for Collective Action Manifesto[7] , als wesentliches Ergebnis dieses Prozesses, auf der Veranstaltung Making the European Green Deal Strong and Real: Harnessing the Power of community-led Initiatives and Local Governmentspubliziert. An dieser nahm auch Philippe Lamberts, der Co-Präsident der europäischen Grünen, als Sprecher teil und fand dabei Worte des Zuspruchs für das Positionspapier.[8] Die Konferenz wurde als informelle Anschlussveranstaltung der Beyond Growth Konferenz gerahmt, die im Mai 2023 im Europaparlament stattfand und stellte als überparteiliches Bündnis von Abgeordneten, Partnerorganisationen sowie Wissenschatfler*innen und Aktivist*innen, einen historischen Meilenstein auf dem Weg zu einer europäischen Postwachstumsagenda dar.[9]
Mein Wunsch und Angebot für die nächste Legislaturperiode der Grünen im Europaparlament ab 2024
Aufbauend auf den Erfahrungen der letzten Jahre, möchte ich mein Engagement für eine nachhaltige, solidarische und partizipative EU Politik mit meiner Kandidatur um einen Listenplatz der Grünen auf die nächste Stufe heben und mich insbesondere für folgende Themen engagieren:
Wege des Postwachstums in Europa beschreiten
Aus Sorge um eine drohende Rezession, sowie aus Ablehnung des Verlusts von Privilegien wird häufig Widerstand gegenüber den Forderungen aus der Postwachstumsbewegung geäußert.
Was kann diesen Einwänden entgegnet werden, sodass wir uns gemeinsam für ein den Ursachen sozialer und ökologischer Missstände effektiv begegnendes, humanitäres Europa engagieren können?
Mit meinem politischen Engagement möchte ich dazu beitragen, dass der Streit zwischen den Befürwortern des Grünen Wachstums und dem Post-Wachstumsgedanken beiseite gelegt wird und Einigung hinsichtlich der Wege zu einer sozial gerechten Klimaneutralität gefunden werden kann.
Begeisterung und Befähigung für effektiven Klimaschutz auf lokaler Ebene stärken
Ich bin überzeugt, dass gemeinschaftsgetragene Initiativen solidarischer, dezentraler, lokaler Wirtschaftsweisen hier einen wesentlichen Beitrag leisten können [10] Für eine erfolgreiche und faire Europapolitik der Grünen sehe ich es als essentiell an, dass sie Graswurzelbewegungen, als Vorreiter*innen suffizienz-basierter Lebensstile und gemeinwohlorientierter Wirtschaftsweisen tatkräftig unterstützt.
Deshalb möchte ich dafür sorgen, dass diesen Initiativen im Europaparlament eine Stimme gegeben wird.
Anstatt dem Vorwurf, eine „Verbotspartei“ zu sein mit niedrigeren Ambitionen im Klimaschutz zu begegnen, sollten sich die Grünen für starken Klimaschutz engagieren, und sich dabei um Lösungen suffizienz-orientierer Politik bemühen, denen große Teile der Bevölkerung zustimmen können.[11]
In den EU Programmen LEADER/CLLD sowie dem europäischen Klimapakt, sehe ich insbesondere großes Potential zur Förderung von partizipativer, nachhaltiger Regionalentwicklung, weshalb ich insbesondere auch für deren Unterstützung einstehen möchte.
Einen Beitrag möchte ich vor allem mit folgenden Kompetenzen leisten:
* einer große Leidenschaft für transformative politische Lösungen
* Fähigkeit zur kritischen Analyse von gesellschaftlichen und politischen Zusammenhängen, insbesondere im Kontext der nachhaltigen Entwicklung
* Verständnis der politischen Landschaft auf EU Ebene
* Erfahrung im Verfassen und Halten von politischen Reden und Diskussionen
* Kontakte zu diversen NGOs, inklusive eines europäischen Netzwerkes von nachhaltigkeitsorientierten, zivilgesellschaftlichen Initiativen
* eine Vision, die über die üblichen Ansätze der Realpolitik hinausgeht – und den Glaube daran, dass diese realisierbar ist
Es fehlt nicht an Lösungsansätzen und Inspiration für eine gerechte Welt. Es fehlt einzig und allein ein kollektiver, politischer Wille, diese herbeizuführen. Die EU kann und sollte einen wichtigen Beitrag dazu leisten - und die europäische Grüne besitzt die nötige Haltung und Kompetenz, dass der Traum Wirklichkeit wird.
[1] Keyßer, Lorenz T., and Manfred Lenzen. “1.5 °C Degrowth Scenarios Suggest the Need for New Mitigation Pathways.” Nature Communications 12, no. 1 (May 11, 2021): 2676. https://doi.org/10.1038/s41467-021-22884-9.
[2] Haberl, Helmut, Dominik Wiedenhofer, Doris Virág, Gerald Kalt, Barbara Plank, Paul Brockway, Tomer Fishman, et al. “A Systematic Review of the Evidence on Decoupling of GDP, Resource Use and GHG Emissions, Part II: Synthesizing the Insights.” Environmental Research Letters 15, no. 6 (June 1, 2020): 065003. https://doi.org/10.1088/1748-9326/ab842a.
[5] Intergovernmental Panel On Climate Change (Ipcc), ed. “Demand, Services and Social Aspects of Mitigation.” In Climate Change 2022 - Mitigation of Climate Change, 1st ed., 503–612. Cambridge University Press, 2023. https://doi.org/10.1017/9781009157926.007.
[10] Fitzpatrick, Nick, Timothée Parrique, and Inês Cosme. “Exploring Degrowth Policy Proposals: A Systematic Mapping with Thematic Synthesis.” Journal of Cleaner Production 365 (September 2022): 132764. https://doi.org/10.1016/j.jclepro.2022.132764.
[11] Lage, Jonas, Johannes Thema, Carina Zell-Ziegler, Benjamin Best, Luisa Cordroch, and Frauke Wiese. “Citizens Call for Sufficiency and Regulation — A Comparison of European Citizen Assemblies and National Energy and Climate Plans.” Energy Research & Social Science 104 (October 2023): 103254. https://doi.org/10.1016/j.erss.2023.103254.
Schule/Studium:
2014: Abitur, Gymnasium Grafing
2020: Bachelor of Arts: Europäische Ethnologie & Sozialwissenschaften, Berlin
seit 2021: Master in Environmental Governance, Freiburg im Breisgau
Berufliche Erfahrung:
2014: Mitgliederwerbung und Spendenaquise für NGOs bei Talk to Move
2019: Studentische Mitarbeiterin bei Camino GmbH zur Unterstützung qualitativer Sozialforschung
seit 2019: Netzwerk- und Lobbyarbeit bei ECOLISE in unterschiedlichen Funktionen