Veranstaltung: | 49. Bundesdelegiertenkonferenz Karlsruhe |
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Tagesordnungspunkt: | W-PR Wahl Parteirat |
Antragsteller*in: | Detlef Wilske (KV Berlin-Lichtenberg) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 26.11.2023, 02:38 |
W-PR-18: Bewerbung: Dr. Detlef Wilske
Bewerbungstext
Liebe Freund:innen,
warum möchte jemensch im Parteirat von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mitarbeiten?
Der Parteirat hat bestimmte Aufgaben. Er soll zwischen den BDKen wichtige politische Entscheidungen treffen. Was hat der Parteirat denn 2023 beschlossen? Laut Grüner Wolke offensichtlich nichts. Und 2022? Auch nichts. Was hat er denn getan, außer keine Beschlüsse zu fassen? Laut § 18 Abs. 1 der Bundessatzung soll der Parteirat den Bundesvorstand beraten, die Arbeit zwischen den Gremien der Bundespartei, den Fraktionen, Regierungsmitgliedern und den Landesverbänden zwischen den Sitzungen des Länderrates koordinieren und gemeinsame politische Initiativen entwickeln und planen. Wie er das gemacht hat, sollte man nachvollziehen können. In der Grünen Wolke habe ich nichts gefunden, in der Bundesgeschäftsstelle konnte man mir leider auch nicht weiterhelfen. Wenn ihr mir euer Vertrauen gebt, werde ich mein Bestes tun und hier für größtmögliche Transparenz sorgen.
Weiß der Parteirat eigentlich, worüber er spricht? Ich bezweifle, dass ein Parteirat, der de jure zu einem Fünftel, de facto aber zu drei Vierteln aus Vertreter:innen der Parteispitze gebildet wurde, genau weiß, was an der Basis los ist. Aus Berlin hört man oft, dass es den Menschen egal sei, wer von den Ministern was verbockt habe, sondern was das Ganze für sie bedeute. Ich mache andere Erfahrungen. Die Shitstorms in den sozialen Medien auf die leidenschaftlichen Threads von Özden Terli, in denen er mit aufklärerischem Impetus über die Klimakatastrophe schreibt, oder die von Luisa Neubauer gegen den Schnüffelparagrafen im StGB sind meist nicht justiziabel, aber oft ekelerregend. Und nicht nur auf die Autor:innen des jeweiligen Threads, sondern gleich auf unsere Partei und alle deren Vertreter:innen. Das erlebt man nicht nur im Internet, sondern auch im analogen Leben in der täglichen Basisarbeit.
Zu meiner Person: Ich wohne im Berliner Bezirk Lichtenberg. Das ist ein heterogener Bezirk: Einerseits gibt es Gebiete mit Wohnhäusern, die 90 Jahre und älter sind, die bis zum Ende der DDR den „Charme“ der 50er Jahre bewahrt haben, mit Kriegsschäden an den grauen Fassaden, die nicht mehr repariert wurden, teilweise noch mit dem Klo auf der halben Treppe, deren Öfen mit rauchigen Braunkohlebriketts geheizt wurden und die nach dem Anschluss saniert wurden. Andererseits gibt es Stadtteile, in denen in den 80er Jahren das große Wohnungsbauprogramm der SED verwirklicht wurde: mit Plattenbauten – diese Methode ist heutzutage als „serielles Bauen“ wieder modern. Aber ich will hier keine Ostalgie aufkommen lassen, ich wohne immer noch oder auch wieder jwd in der Platte. Meine Familie wohnt in der Nähe, das Land Brandenburg ist ebenso nahe, man kann das urbane Leben schnell verlassen. Mit der Tram bin ich in 25 Minuten am Alexanderplatz, und von dort kommt man mit der BVG, dem ÖPNV-System von Berlin, zügig in alle Ecken der Stadt, u.a. nach Schöneberg, einem der geilsten schwulen Ausgehkieze in der Hauptstadt.
Aber ich bin ziemlich rumgekommen. Als ich Ende der Nullerjahre wieder nach Berlin gezogen bin, hat mein Schwager immer noch alle Preise in D-Mark umgerechnet. Ich konnte nach dem Anschluss der DDR fast nahtlos die Preise in Finnmark lernen, ein knappes Jahrzehnt später habe ich dann im jecken Kölle gelebt. Um meine Reise vollständig zu machen: In den 80er Jahren habe ich im zweiten „Tal der Ahnungslosen“ der DDR studiert, in Greifswald. So habe ich ca. 30 Jahre lang, etwa die Hälfte meines Lebens, anderswo als in Berlin gelebt: Ich wurde in Greifswald zum Sprachmittler für Finnisch und Englisch diplomiert und promovierte dort zur finnischen Sprachwissenschaft, im finnischen Vaasa arbeitete ich an der Uni als Dozent für Deutsch, und in Köln war ich im Verlagswesen tätig, baute einen eigenen kleinen Verlag auf. In diesem Jahrtausend war ich immer mal wieder vom Jobcenter abhängig, konnte mich immer wieder aufrappeln und helfe derzeit in einer Berliner Volkshochschule als Honorardozent vor allem ukrainischen Müttern, die Schwierigkeiten der deutschen Sprache zu meistern. Meine Lebenserfahrung kann ich gut im Parteirat nutzen.
Ihr sollt mich natürlich nicht nur wegen meiner Kritik an der bisherigen Tätigkeit des Parteirats oder meiner persönlichen Lebensmomente wählen. Es gibt natürlich etliche Themen, zu denen ich eine Meinung habe.
Okay, unsere Regierungsbeteiligung. Ich habe mich im Wahlkampf im Kreisverband stark engagiert, und mir gefiel, dass sich die Grünen Minister:innen vorgenommen hatten, die Arbeit zwischen den Koalitionsparteien smoother zu machen. Aber dann begann das Versteckspielen. Immer wieder wurde begrifflich mit Kompromissen vertuscht, dass die Porschepartei die Themen besetzte und die Grünen Minister:innen über den Tisch gezogen hat. Kompromissfähigkeit ist eine gute Sache, für die es sich lohnt zu kämpfen. Dieses Rumgemauschele in der Ampel ist zwar kein Markenzeichen dieser Koalition, aber auch kein Indiz von Demokratie. Für ein Mehr an Demokratie möchte ich mich im Parteirat einsetzen.
Okay, Asylpolitik. Ein Mitglied des Europäischen Parlaments war auf unserer September-Mitgliederversammlung zu Gast. Die in der Opposition so genannte „illegale“ Migration bekam hier wie bei anderen Spitzenpolitiker:innen einen neuen Namen: „irreguläre“ Migration, aber für mich ist das wie alter Wein in neuen Schläuchen: Die Menschen aus dem Globalen Süden sollen bleiben, wo der Pfeffer wächst, und nicht hierher kommen, wo Milch und Honig fließen. Dabei sind es doch wir Europäer, die die Länder des Globalen Südens am langen Arm verhungern lassen. Und mit Europäern meine ich die Länder und Unternehmen, die in den vergangenen Jahrhunderten auf dem afrikanischen Kontinent begonnen haben, die dort lebenden Völker zu unterdrücken und zu versklaven, mit willkürlichen Grenzziehungen den Kontinent unter sich aufzuteilen. Später kamen dann die USA hinzu, auch ursprünglich Europäer, die die amerikanischen Ureinwohner:innen auf dem Kontinent vertrieben und in Reservate wegsperrten. Wertegeleitete Politik, die ich vertrete, und die ich auch im Parteirat stärker zum Ausdruck bringen möchte, sieht anders aus.
Ich hoffe, dass ihr mir eine Chance gebt, im Parteirat wertegeleitete, transparente, demokratische Basispolitik mit Lebenserfahrung zu gestalten.
Euer Detlef
Kontakt:
dwilske@web.de
@dwlbg.bsky.social
X: d_wilske
Jg. 1961, Single, schwul, Mitgl. NABU, wandere, lese gute Bücher, ehrenamtl. Mitgl. des Vorstands, Das finnische Buch e.V.
seit 1,5 J. Honorardoz. f. Deutsch als Fremdsprache (DaF), VHS Kreuzhain, vorher: Diplom-Sprachmittler Finn./Engl. (1986), Dr. (1989), Doz. f. DaF, Uni Vaasa/FIN (10 J.), Lektoratsass., Köln (2 J.), Inhaber. Lektoratsbüro & Verlag (12/10 J.), Doz. f. DaF, priv. Sprachschule, Berlin (1 J.), Honorardoz., priv. Sprachschule, Berlin (3 J.), Auszeiten zuhause auf der Couch