Veranstaltung: | 49. Bundesdelegiertenkonferenz Karlsruhe |
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Tagesordnungspunkt: | W-EP Wahl der Europaliste |
Antragsteller*in: | Marco Brück (KV Oberberg) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 29.10.2023, 21:36 |
W-EP-11: Bewerbung: Marco Brück
Bewerbungstext
Wir Grüne müssen in diesen Zeiten stark sein!
In den letzten Jahren konnten wir große Teile der Bevölkerung überzeugen, dass wir die Probleme der Welt mit Kompetenz und Herzensgüte angehen. Komplexere Probleme, wie den menschengemachten Klimawandel, begegnen wir nicht mit simplen Scheinlösungen, sondern wissen, dass hier manchmal etwas mehr Arbeit als der lapidare Spruch "der Markt wird's richten" notwendig ist.
Es ist gut, dass wir Grüne insb. auch in Europa dem Marktversagen u.a. bei externen Effekten und wirtschaftlicher Machtkonzentration entgegentreten, um die volkswirtschaftliche Wohlfahrt aller zu maximieren und nicht nur den Profit derjenigen zu erhöhen, die am lautesten schreien.
Die Ökosoziale-Marktwirtschaft hat das Potential, die beste Wirtschaftsform der Welt zu werden. In welchem Land, welches eine ökosoziale Marktwirtschaft hat, wo also Transparenz, Rechenschaft der Mächtigen in Politik und Wirtschaft wichtig sind, wo Verbraucher*innen informiert und emanzipiert werden und Wahlfreiheit in der Politik und bei den Produkten herrscht, lebt es sich schlecht?
Umso erstaunlicher ist es, dass wir Grüne, die am konsequentesten für die Maximierung der Wohlfahrt aller Menschen eintreten, von Rechts und den Parteien der sog. "bürgerlichen Mitte" oftmals als "Hauptgegner" auserkoren werden (häufig noch vor offensichtlichen Verfassungsfeinden) und dies bei den Wähler*innen verfängt. In Bayern haben bei der letzten Landtagswahl gut 70% der Wähler*innen Parteien rechts der Mitte gewählt.
Warum? Es stimmt, dass wir derzeit ein neues Problem in Deutschland haben, und zwar dass der Wohnraum nicht nur in den Städten, sondern praktisch überall knapp wird. Während die Bedingungen für Arbeitende seit Jahrzehnten nicht mehr so gut waren, sind die Wohnungssuchenden derzeit die gekniffenen, es spielen sich soziale Dramen ab. Wenn wir Schutzsuchenden in Deutschland Zuflucht gewähren wollen, was ein menschliches Gebot ist, dann brauchen wir auch den Wohnraum dazu. Wenn Mieter*innen und Geflüchtete gegenseitig um immer weniger leer stehende Wohnungen konkurrieren müssen, haben wir ein massives gesellschaftliches Problem.
Wir brauchen endlich Anreize, dass Wohnungen und Häuser, die für viele insb. ältere Bewohner*innen im Laufe der Zeit zu groß und zu teuer zu unterhalten geworden sind, dem Markt frühzeitiger zur Verfügung gestellt werden können. Die EU bietet hierfür Lösungen, indem wir den rechtlichen Rahmen verbessern, den Altersruhesitz bspw. aus Deutschland ins (süd-)europäische Ausland verlegen zu können. Die kann und sollte zusammen mit unseren europäischen Partnern angedacht werden, so dass wir attraktive Modelle sowohl für die beteiligten Personen wie für die beteiligten Länder finden, um u.a. Wertschöpfung und Arbeitsplätze europaweit zu generieren.
Gleichzeitig müssen wir mehr bauen. Aber wir müssen anders bauen als bisher. Der Holzbau mit ökologischem Dämmmaterial bspw. sollte der Normalfall sein, nicht die Ausnahme. Wir sollten Planungssicherheit geben, dass wenn Fläche verbraucht wird, diese hochwertig erschlossen wird, so dass die Natur und das Klima wenig Schaden haben. Neubaugebiete mit Energie-Plus-Häusern überwiegend aus Holz können ebenso erneuerbare Energie erzeugen wie ein Maisfeld und gleichzeitig CO2-Senke sein. Mit Zisternen und Rigolen kann das Wasser besser genutzt werden, die Idee sollte das "Wohnen auf einer Streuobstwiese" sein.
Der wichtigste Punkt ist aber, die Inflation schnell zu bekämpfen. Sinkt die Inflation, dann können die Zinsen wieder sinken, was die Konjunktur automatisch belebt und in allen europäischen Haushalten, insbesondere den hoch verschuldeten, wieder größere Spielräume eröffnet. Anstelle die Inflation durch immer weitere Fördermaßnahmen weiter zu befeuern, sollten wir die Kostentreiber im Blick haltenn den Fokus nehmen und diese nach Möglichkeit senken. Der CO2-Preis im EU-ETS ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. So kommen zum Rohstoffpreisschock zwei Schocks quasi gleichermaßen zusammen. Besser wäre es, die CO2-Zertifikatemenge im EU-ETS temporär zu erhöhen und wenn die Erneuerbaren Energien auf dem Strommarkt wie geplant in zwei bis drei Jahren signifikant preissenkend wirken, die CO2-Zertifikatemenge stärker als geplant wieder zu reduzieren.
Gleichermaßen ist es unverständlich, dass der Agrarsektor u.a. mit seinem hohen Methanausstoß praktisch außen vor bleibt. Die Lastenverteilung der Umstellung auf klimaneutrales Wirtschaften darf nicht zu einseitig auf der Industrie liegen, alle Sektoren haben - möglichst den gleichen - CO2-(Äquivalents-)Preis zu bezahlen. Die ganze Welt fokussiert sich auf die Industrie. Stottert der Motor, werden sofort ökosoziale Maßnahmen wie Regulierung und Klimaschutzmaßnahmen als Verursacher aufgeführt und Wähler*innen wenden sich rechten Parteien zu, obwohl die wenigsten Wähler*innen rechtes Gedankengut an sich befürworten.
Die Industrie ist nicht nur ein Problem, sie schafft auch die Lösungen. Ohne den massiven Preisrückgang durch immer effizientere Produktion bspw. bei Photovoltaikmodulen wäre die weltweite Dekarbonisierung nicht so greifbar wie sie jetzt ist. Ein aktueller Vergleichstest der Stiftung Warentest bei Wärmepumpen zeigt, dass mit den effizientesten Wärmepumpen auch die mäßig für Wärmepumpen geeigneten Häuser mit Jahresarbeitszahlen von ca. 4 beheizt werden können, was bis dato nur in Neubauten möglich war. Wäre diese technologische Verbesserung gegenüber älteren bzw. technologisch ineffizienteren Wärmepumpen besser kommuniziert worden, hätten wir uns vermutlich die Verwässerung des GEG und viele Prozentpunkte Wahlerfolg für rechte Parteien sparen können.
Fazit:
Als Dipl. Volkswirt trete ich für die größtmögliche Effizienz beim Klimaschutz ein, ohne ihn zu unterlassen. Meine Erfahrungen im Bereich der Lebenszyklusanalyse (LCA) werden für die europäischen Anforderungen, immer mehr Produkte und Prozesse ganzheitlich (u.a. auf den CO2-Fußabdruck / CBAM) zu betrachten, sicherlich hilfreich sein. Im Bereich der IT stehe ich für wirksamen Datenschutz, für offene Schnittstellen und offene Daten. Die Digitalisierung soll klimafreundlich und ressourcenschonend sein, gleichzeitig für mehr Wertschöpfung und Effizienzgewinne sorgen, die bei den Europäer*innen ankommen.
Das wirksamste Mittel gegen Rechts ist gute Politik. Und um ein Teil dieser guten Politik sein zu können, dafür bewerbe ich mich bei euch.
*24.11.1982 in Lindlar
2002-03: Zivildienst im Gesundheitsbereich, Schwerpunkt IT
2003-06: VWL-Studium in Bonn, Abschl. Diplom
Seit 2006 abhängig beschäftigt in der Elektroindustrie
Schwerpunkte Energieeffizienz, IT und Datenschutz
Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, diverse Programmiersprachen
verheiratet, 2 Kinder