Dieser Änderungsantrag ergänz das Kapitel und basiert auf der Aufforderung der Global Greens auf ihrem Kongress im Juni 2023 in Südkorea, dem sich alle grünen Gliederungen anschließen mögen (1).
Was? Eine international Expert*innen-Kommission der Stop Ecocide Foundation hat im Juni 2021 eine Definition von „Ökozid“ vorgelegt: „Es bedeutet rechtswidrige oder willkürliche Handlungen, mit dem Wissen begangen, dass eine erhebliche Wahrscheinlichkeit schwerer und entweder weitreichender oder langfristiger Schäden für die Umwelt besteht, die durch diese Handlungen verursacht werden.“ Diese Definition ist eine Initialdefinition (!) und kann Teil von Anpassungen durch den juristisch-politischen Diskurs sein, der nach dem Vorschlag durch einen oder eine Gruppen von Vertragsstaat(en) beginnt.
Wie auch bei den anderen vier Verbrechen des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshof (Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression) werden solche Verfahren nicht zu einer Prozess-Inflation führen, sondern es werden exklusiv schwerste Umweltverbrechen weltweit strafrechtlich relevant. Im Gegensatz zu Klagen oder Geldstrafen gegen Unternehmen (die diese Möglichkeit auch oft einkalkulieren), schafft die Verankerung von Ökozid als Verbrechen eine Straftat mit Folgen wie Freiheitsentzug. Damit können Personen, welche für Handlungen oder Entscheidungen verantwortlich sind, die zu schweren Umweltschäden führen, strafrechtlich verfolgt werden. Dabei gilt das Weltrechtsprinzip.
Warum? Heute sind die bestehenden Umweltschutzmaßnahmen oft nicht zweckmäßig, werden nicht eingehalten oder schlecht überwacht. Viele Regierungen, NGOs, Anwält*innen, Akademiker*innen, Wissenschaftler*innen, Graswurzelbewegungen und eine wachsende Zahl von Netzwerken innerhalb des Unternehmens- und Finanzsektors (2) melden sich zu Wort und schließen sich zusammen, um stärkere rechtliche Rahmenbedingungen und Rechenschaftspflicht zu fordern.
Die rechtliche Anerkennung von Ökozid als Verbrechen auf internationaler Ebene ist von entscheidender Bedeutung, um Einstellungen, geschäftliche, wirtschaftliche und politische Entscheidungen sowie kulturelle Verhaltensweisen im Hinblick auf den Schutz der lebenswichtigsten Ökosysteme der Erde und der gefährdeten Schlüsselarten zu ändern. Mit der Anerkennung von Ökozid als Verbrechen erhält die Menschheit einen moralischen, universellen Kompass im Umgang mit den natürlichen Lebensgrundlagen, der aktuell so nicht existiert. Damit wäre ein wirkungsvoller juristischer Hebel geschaffen mit einer enormen Lenkungswirkung, um Finanzströme in eine ökologische Richtung und wirtschaftliche und politische Interessen in eine nachhaltige Zukunft zu führen. Wir haben nur eine Erde und brauchen daher ein gemeinsames Verständnis davon, wie wir mit ihr umgehen.
Wie? Auf europäischer Ebene vollzieht sich aktuell die Reform der Richtlinie für Umweltstrafrecht und es ist sehr wahrscheinlich, dass „schwerste Umweltverbrechen“ wie Ökozid voraussichtlich Teil der Position der Europäischen Union werden wird. Darüber hinaus bedarf es für die Aufnahme von Ökozid in das Römische Statut eines Vorschlags eines oder einer Gruppe der 123 Vertragsstaaten. Allein der Vorschlag wird Verhaltensänderungen bei Unternehmen in Gang setzen, um zukünftige Investition so abzusichern und zu tätigen, dass sie nachhaltige Gewinne ermöglichen. Die Anerkennung von Ökozid leitet Unternehmen von schwerwiegend umweltschädigenden Praktiken weg, hin zu einem nachhaltigeren Umgang mit den natürlichen Ressourcen.
Auch im europäischen Rahmen sollte Bündnis 90/Die Grüne als führende politische Kraft im Kampf für Umweltschutz weiterhin wahrgenommen werden und die Heft des Handelns nicht anderen Parteien oder Akteuren überlassen. Daher ist eine Umsetzung der formellen Unterstützung durch die Global Greens ein wichtiges Signal nach innen und nach außen.
Bei diesem Unterfangen sind wir Grüne in Deutschland nicht allein. In der EU haben sich bis dato Parlamente und/oder hohe Mandatsträger*innen aus den folgenden Ländern für eine Unterstützung der Anerkennung von Ökozid geäußert: Schweden, Frankreich, Belgien, Portugal, Luxemburg, Niederlande, Zypern, Spanien, Finnland, Dänemark und Irland. Darüber hinaus gibt es entsprechende Stimmen aus dem Vatikan, Island und Großbritannien. Weltweit gibt es weitere hochrangige Vertreter*innen aus Vanuatu, Kanada, Bangladesch, Chile, Mexiko, West Papua, Samoa, Kenia, Australien, Panama oder Neuseeland.
In diesem Sinne bitten wir um Zustimmung für die Ergänzung unsere Europa-Wahlprogramms.
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(1) https://globalgreens.org/wp-content/uploads/2023/07/Ecocide-endorsement-GG-Congress-2023.pdf
(2) https://www.icgn.org/icgn-insights-article-icgn-statement-shared-climate-change-responsibilities-united-nations-climate