Veranstaltung: | 49. Bundesdelegiertenkonferenz Karlsruhe |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | EP-FR Was Frieden schützt |
Antragsteller*in: | Karl-Wilhelm Koch (KV Vulkaneifel) und 51 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 37%) |
Status: | Eingereicht |
Verfahrensvorschlag: | Abstimmung (Abgelehnt) |
Eingereicht: | 10.10.2023, 01:29 |
EP-FR-01/01: Was Frieden sichert
Antragstext
**Geänderte Überschrift*** Was Frieden sichert
Der russische Angriffskrieg auf unseren europäischen Nachbarstaat Ukraine und die massive
Gegenreaktion der westlichen Staaten mit Aufrüstung und massivsten Waffenlieferungen – aber
ohne ernsthaften Versuch einer diplomatischen Lösung – haben gezeigt: Frieden und Freiheit,
Sicherheit und Menschenrechte sind keine Selbstverständlichkeit. Sie müssen immer wieder
aufs Neue gesichert und gestärkt werden.
Allerdings müssen wir jetzt uns und unseren Verbündeten sowie unseren ukrainischen
Freund*innen die Frage stellen und mit ihnen gemeinsam beantworten, was das Ziel der
Unterstützung sein soll. Die immer wieder geforderte militärische Niederlage Russlands, der
stärksten Atomwaffenmacht, oder gar eine Zerstörung des russischen Staates? Das kann in
Anbetracht der wahrscheinlichen Folgen kein realistisches Ziel sein. Und auch ein
langjähriger Stellungskrieg ist für die Menschen auf beiden Seiten (auch russische Soldaten,
die meistens nicht freiwillig im Krieg sind, sind Menschen) keine Lösung.
Daher führt kein Weg an der Aufnahme diplomatischer Initiativen für eine Lösung des Krieges
vorbei. Das wird die Grüne Fraktion im EP initiieren.
Um den Frieden in Europa wieder herzustellen und dann dauerhaft zu erhalten, muss das Denken
in Einflusssphären überwunden werden. Das gilt nicht nur für Russland und die NATO, sondern
auch für die EU, deren Nachbarschafts- und Erweiterungspolitik immer wieder auf Widerstand
stößt. In dieser Gemengelage muss an die Stelle von Machtpolitik der faire Ausgleich von
Interessen treten.
Im Zuge der Globalisierung haben sich große Schwellenländer zu wirtschaftlichen
Schwergewichten herausgebildet. Die Länder des Südens entwickeln ein neues Selbstbewusstsein
und wollen sich nicht länger bevormunden und ausbeuten lassen. Und die USA sind bereit, ihre
globale Vormachtstellung mit allen Mitteln zu verteidigen.
Während sich eine multipolare Weltordnung herausbildet, nehmen die Spannungen weltweit zu.
Deutschland und die Europäische Union müssen eine eigenständigere Position gegenüber den USA
finden, die schon länger einen konfrontativen Kurs gegenüber Russland und China fahren.
Wir lassen uns nicht von einer resignativen Haltung anstecken, die meint, dass in der
gegenwärtigen Lage alleine militärische Gewalt weiterhilft. Vielmehr suchen wir aktiv
Chancen für Deeskalation, Gewaltminimierung und Entspannung. Dieser Einsatz für eine Kultur
der Gewaltfreiheit umfasst als wichtige Querschnittsaufgabe weit mehr als den Bereich der
Außenpolitik. Unser Ziel bleibt, durch eine Politik für Gewaltfreiheit mittel- und
langfristig die politische Institution des Krieges zu überwinden.
Friedliche Entwicklung und Kooperation auf globaler Ebene sind unerlässlich. Denn nur
gemeinsam haben wir als Menschheit die Chance, den Klimawandel noch so weit auszubremsen,
dass auch künftige Generationen ein lebenswertes Umfeld vorfinden. Die Europäische Union
muss sich also um Vertrauensbildung, um Zusammenarbeit über die Blockgrenzen hinweg und
damit eine Verhandlungslösung für den Ukraine-Krieg bemühen.
Die EU ist ein Friedensprojekt, kein militärisches Verteidigungsbündnis. Dauerhafter Friede
beruht auf Verständigung, Austausch und Zusammenarbeit, nicht auf Aufrüstung. Die
Europäische Union hat in ihrem Innern bewiesen, dass sie in der Lage ist, für Frieden,
Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit zu wirken. Sie hat gezeigt: Man kann Frieden lernen,
stabilisieren und zum Wohle aller gestalten. Das gibt Hoffnung in schwierigen Zeiten.
Die GRÜNE haben immer davor gewarnt, dass autokratische Regime wie Russland oder Saudi-
Arabien im Zweifelsfall gegen das Interesse ihrer eigenen Bürger*innen handeln, um ihre
imperialen Ziele mit Gewalt durchzusetzen.
Mit diesen Einschränkungen war der Ansatz „Wandel durch Handel“ des Architekten der
Ostpolitik (Egon Bahr) gemeinsam mit Brandt sehr erfolgreich und hat die Grundlagen
geschaffen aus zwei deutschen Staaten einen zu machen. Allerdings hat man die daraus
erwachsenen Chancen zur Neuordnung Europas nicht genutzt. Daraus lernen wir: Nur Kooperation
statt Konfrontation führt zum Erfolg und zum Frieden.
Deshalb treten wir ein für eine Europäische Union, die ihre Abhängigkeiten – auch von den
USA – verringert und global Verantwortung übernimmt. Eine handlungsfähige EU, die auf
eigenen Beinen steht, wäre der beste Schutz gegen all jene Kräfte, die Isolation und
Ausgrenzung heraufbeschwören, innerhalb und außerhalb des europäischen Bündnisses. Die EU
kann dabei ihre Interessen vor allem dann effektiv durchsetzen, wenn sie zugleich ihre Werte
tatsächlich, ernsthaft und konsequent in den Mittelpunkt und nicht wie oft bisher gegenüber
wirtschaftlichen Interessen zurückstellt.
Frieden und Freiheit erwachsen aber nicht aus Abschottung, sondern aus freundschaftlichen,
auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker
beruhenden Beziehungen zwischen den Nationen und einem wertegeleiteten und fairen Umgang mit
unseren Partnerinnen und Partnern. Das wichtigste Forum dafür sind die Vereinten Nationen
(UN) und ihre Organisationen, die wir stärken und gerechter gestalten wollen. Sie sind der
beste Weg zu einem Multilateralismus, in dem die Stärke des Rechts wirkt, nicht das Recht
des Stärkeren.
Die EU muss in diesen herausfordernden Zeiten alle Möglichkeiten internationaler
Zusammenarbeit aktiv suchen und alle Kanäle der Kooperation nutzen, um den Frieden zu
wahren, demokratische Kräfte zu stärken und Konflikten vorzubeugen. Die EU muss aktiv um
Partnerschaften mit Ländern des Globalen Südens werben und dabei den Ausgleich bisheriger
Fehler vorantreiben. Orientiert an den Nachhaltigkeitszielen wollen wir globale
Gerechtigkeit fördern.
Dazu ist es notwendig, diese Länder verstärkt zu unterstützen. Die Entwicklungshilfe darf
nicht gekürzt werden. Stattdessen fordern wir die sofortige Erhöhung der Entwicklungshilfe
auf die von den UN geforderte Höhe von 0,7 % des Bruttonationaleinkommens. Noch wichtiger
als Entwicklungshilfe wäre ein Schuldenerlass, da die Entwicklungshilfe weit unter dem
Kapitaldienst der Länder des globalen Südens an den Norden liegt. Dafür werden wir uns in
der EU einsetzen. Es kommt aber nicht nur auf die Quantität der Unterstützung an, sondern
auch darauf, Projekte partnerorientiert, schnell und unbürokratisch umzusetzen. Die
vereinbarten Ausgleichszahlungen der Industrieländer müssen vor allem den bedürftigsten
Ländern zukommen und zur Erfüllung der nachhaltigen Entwicklungsziele sowie des Pariser
Klimaabkommens beitragen. Die EU muss sich für die Einhaltung und Ausweitung dieser
Vereinbarung einsetzen. In Kooperation mit den Partnerstaaten wollen wir auch die soziale
Absicherung der Menschen stärken. Wir unterstützen den Aufbau sozialer Sicherungssysteme als
nachhaltiges Instrument gegen Armut.
Die Entwicklungshilfe darf nicht den Interessen europäischer oder multinationaler Konzerne
dienen, sondern muss als Hilfe zur Selbsthilfe für den globalen Süden erfolgen, um die
sozialen und ökologischen Krisen der Klimaänderung vor Ort zu bekämpfen. Die Handelsverträge
der EU sind ungerecht. Der Zwang zum Abbau von Zöllen und die Öffnung für EU-Waren wirkt
sich so aus, dass in Wirklichkeit die europäischen Länder profitieren, weil die armen Länder
ihre Produkte unverarbeitet exportieren müssen und die Weiterverarbeitung bei industriellen
Rohstoffen, bei Agrarprodukten wie Kaffee oder Kakao, selbst bei Früchten i.d.R. in Europa
geschieht und der Gewinn in Europa und nicht im globalen Süden entsteht. Faire
Handelsbeziehungen bedeuten, dass die lokale Produktion vor Billigimporten geschützt wird.
Bei Handelsverträgen müssen neben den wirtschaftlichen Zielen immer auch die ökologischen,
sozialen und menschenrechtlichen Folgen berücksichtigt werden. Das EU-Mercosur-
Handelsabkommen darf nicht ohne den Schutz des Regenwaldes und der dort lebenden indigenen
Bevölkerung unterzeichnet werden. Der Regenwaldschutz muss direkt in den sanktionsbewehrten
„Streitbeilegungsmechanismus“ des Abkommens integriert und ein Anreizsystem geschaffen
werden, bei dem Waldschutz-Ziele festgelegt und erst bei einer Erfüllung alle drei Jahre
neue Handelserleichterungen freigeschaltet werden.
Oft genug fehlen bei Verhandlungen sozial und kulturell benachteiligte Gruppen ,vor allem
Frauen. Das macht es schwerer, faire und tragfähige Lösungen zu entwickeln. Gesellschaften
sind nachweislich friedlicher und wohlhabender, wenn alle Menschen am politischen, sozialen
und wirtschaftlichen Leben teilnehmen können. Frieden und Sicherheit sind nachhaltiger, wenn
Frauen beteiligt sind. Deshalb setzen wir uns aktiv dafür ein, dass gerade auch Frauen in
der Außen- und Sicherheitspolitik gleichermaßen vertreten sind.
Das gilt umso mehr, da sich die größte Herausforderung der Menschheit, die Klimakrise, nur
global bewältigen lässt. Europa und die übrigen Industriestaaten haben durch ihre
jahrzehntelangen Emissionen eine zweifache Verantwortung: Sie müssen im ganz eigenen
Interesse selbst schnell klimaneutral werden und zugleich ärmere Länder auf ihrem Weg zu
klimaneutraler Lebensqualität partnerschaftlich unterstützen. Deswegen stellen wir die
Klimadiplomatie ins Zentrum unseres Plans für eine europäische Außenpolitik und damit die
Weichen für belastbare Partnerschaften – Partnerschaften, die auch dabei helfen werden,
unsere Versorgung mit erneuerbaren Energien und Rohstoffen unter gerechten Bedingungen zu
sichern. Dabei muss die EU auch weltweit vor allem den privatwirtschaftlichen Interessen
einen Riegel vorschieben, die vorrangig Gewinnmaximierung als Ziel haben.
1. Krieg ist keine Lösung
Alle wissenschaftlichen und insbesondere psychologischen Erkenntnisse zeigen, dass Krieg im
21. Jahrhundert keine Lösung mehr sein kann und darf. Vielmehr ist die Gefahr nicht zu
übersehen, dass eine Eskalation zum Atomkrieg das Ende der Zivilisation – wie wir sie kennen
–führen wird.
Besonders im Fall des Russland-Ukraine-Krieges ist absehbar, dass eine weitere Aufrüstung
der Ukraine entweder den Krieg auf etliche Jahre hinaus verlängern oder aber mit zunehmender
Dauer des Krieges eine atomare Eskalation immer wahrscheinlicher wird. Eine ungehemmte und
ungeprüfte massive Aufrüstung der Ukraine ist nicht zu rechtfertigen. Der Export des Taurus-
Abwehrsystems vergrößert die Gefahr der Eskalation ins Unkalkulierbare und droht Deutschland
wegen der Programmierungen zur Kriegspartei werden zu lassen. Die Menschen in der EU sind
schon jetzt massiv von den Auswirkungen dieses Krieges betroffen, sei es durch
Preissteigerungen für Lebensmittel, Mieten und Energie, sei es durch die massiven Kürzungen
im sozialen und kulturellen Bereich zugunsten von militärischer Aufrüstung, Waffenhilfe und
Unterstützung des Staatshaushalts der Ukraine. Dies verschärft die soziale Spaltung.
Daher muss die Europäische Union unbedingt und schnellstens den Weg einer diplomatischen
Lösung einschlagen. Dass dies nicht zulasten der dort lebenden Bevölkerung geschehen kann,
ist dabei selbstverständlich. Allerdings sind auch die Interessen der russischstämmigen
Ukrainer*innen in ihren Minderheitsrechten angemessen zu berücksichtigen, wie das im Minsker
Abkommen vorgesehen war. Faire und überwachte Wahlen könnten diplomatische Lösungen
legitimieren.
Wir lehnen den Einsatz von Streumunition kategorisch ab. Zu den mehr als 120 Ländern, die
Streumunition geächtet haben, gehört auch Deutschland. Als völkerrechtlich gültiger Vertrag
verbietet das Übereinkommen über Streumunition (sog. „Oslo-Übereinkommen“) seit 2010 den
Einsatz, die Entwicklung, die Herstellung, den Erwerb, die Lagerung, die Weitergabe und die
Unterstützung beim Einsatz von Streumunition. Nach Artikel 21 Absatz 2 des Oslo-
Übereinkommens verpflichtet sich jeder Vertragsstaat, sich nach besten Kräften zu bemühen,
Staaten, die nicht Vertragsparteien des Übereinkommens sind, vom Einsatz von Streumunition
abzubringen. Ebenso lehnen wir den Einsatz von Krankheit, Vergiftung, massive Erbschäden und
Tod bringende DU- (Uran-) Munition ab.
Das Europa, das wir gestalten wollen, schützt und verteidigt die eigenen Werte. Wir müssen
anerkennen, dass es in anderen Regionen der Welt andere politische Systeme und andere
kulturelle Werte gibt, die wir respektieren müssen. Der Globale Süden hat ein Recht, einen
Umgang auf Augenhöhe einzufordern. Die in der Charta der Vereinten Nationen von 193
Mitgliedsstaaten vereinbarten universellen Ziele müssen dafür die Grundlage bilden. Nur
gemeinsam können wir das Erreichen der Milleniumsziele und den Kampf gegen die Klimakrise
bewältigen. An diesem Europa wollen wir arbeiten. Dieses Europa wollen wir sein. Und zu
diesem Europa muss in Zukunft auch wieder Russland gehören.
2. Eine europäische Außenpolitik
Gemeinsam außenpolitisch handeln
Wir benötigen eine eigenständige EU, die als weltpolitische Akteurin agieren kann. Bislang
braucht es in der EU-Außenpolitik jedoch immer noch die Zustimmung aller 27 Mitgliedstaaten.
Wir setzen uns für eine Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen im Rat ein, die dabei die
Interessen der großen und der kleineren Mitgliedstaaten berücksichtigt. Um das zu erreichen,
wollen wir die bestehenden Möglichkeiten innerhalb der europäischen Verträge nutzen und
setzen uns gleichzeitig für Vertragsänderungen ein.
Das Klima global schützen
Die Klimakrise ist die zentrale globale Herausforderung unserer Zeit. Sie bedroht die
Lebensgrundlagen in vielen Teilen der Welt und treibt Millionen Menschen in die Flucht. Sie
verschärft Konflikte um knapper werdende Ressourcen wie Nahrungsmittel und Wasser.
Kein Staat kann die Klimakrise alleine stoppen. Unser Ziel ist eine starke Klimaaußenpolitik
der EU, die ihr Möglichstes tut, um das Pariser Klimaabkommen zu retten. Wir stehen für eine
EU, die weltweit Partnerschaften auf Augenhöhe unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft für
die Minderung des CO2-Ausstoßes knüpft, Partnerländer beim klimaneutralen Auf- und Umbau
ihrer Wirtschaftssysteme und ihrer Energieversorgung sowie bei der Anpassung an die
unvermeidbaren Folgen der Klimakrise unterstützt. Als eine der größten Emittentinnen von
Treibhausgasen weltweit muss die EU entsprechend der Vereinbarung im Pariser
Klimaschutzabkommen dafür eintreten, dass umgehend jährlich 100 Milliarden US-Dollar aus
öffentlichen und privaten Quellen für Klimaschutz und Anpassung zielgerichtet und im
Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen der UN in Ländern des Globalen Südens eingesetzt
werden. Wir unterstützen außerdem den internationalen Prozess zur Ausgestaltung eines Loss-
and-Damage-Fonds, der die von den Auswirkungen der Klimakrise geschädigten Gemeinschaften
finanziell angemessen unterstützen soll.
Wie die Klimakrise stellt auch der globale Arten- und Biodiversitätsverlust eine enorme
Bedrohung dar. Deshalb wollen wir die Umsetzung des Biodiversitätsabkommens von Kunming-
Montreal in Europa und weltweit fördern. Wir steigern das europäische Engagement mit den am
stärksten von Biodiversitätsverlust betroffenen Ländern und unterstützen den Schutz von
Flächen unter Wahrung der Rechte indigener Völker. Unser Ziel ist es, die biologische
Vielfalt Europas und der Welt auf den Weg der Erholung zu bringen.
Internationale Organisationen stärken
Die UN bleiben mit ihren Organisationen die Grundlage des Multilateralismus. Im Fall des
russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat die internationale Staatengemeinschaft in
der UN-Vollversammlung bewiesen, dass sie – im Gegensatz zum Sicherheitsrat – handlungsfähig
ist, als eine überragende Mehrheit den russischen Einmarsch in die Ukraine auf das Schärfste
missbilligte und die sofortige friedliche Beilegung des Konflikts zwischen der Russischen
Föderation und der Ukraine durch politischen Dialog, Verhandlungen, Vermittlung und andere
friedliche Mittel forderte.
Die EU und ihre Mitgliedstaaten leisten mehr als die Hälfte aller Beiträge zu multilateralen
Organisationen wie der UN. In den anstehenden Reformdiskussionen wollen wir durch ein
koordiniertes Vorgehen der EU die UN und ihre Organisationen fit für die Zukunft machen.
Dabei setzen wir uns dafür ein, dass die Veto-Möglichkeit der bisherigen fünf Veto-
berechtigten Staaten ersatzlos gestrichen wird. Strittige Entscheidungen sollen künftig im
deutlich erweiterten Sicherheitsrat mit 2/3 Mehrheit gefällt werden. Sollte der
Sicherheitsrat zu keiner Entscheidung kommen, übernimmt die UN-Vollversammlung, damit die UN
bei Krisen handlungsfähig bleibt.
Bei der Weltbank, die mit der Evolution Roadmap ihren Reformprozess bereits begonnen hat,
muss sich die EU für eine umfassende Erneuerung und Demokratisierung einsetzen, um
angemessen auf die heutigen globalen und entwicklungspolitischen Herausforderungen reagieren
zu können. UN-Sonderorganisationen wie das Flüchtlingshilfswerk UNHCR oder die
Gesundheitsorganisation WHO leisten vitale Hilfe, um Menschen in Not zu helfen. Die EU muss
diese Organisationen deshalb weiter unterstützen und stärken.
Menschenrechte weltweit verteidigen
Weltweit werden vielerorts Oppositionelle verfolgt, der Handlungsspielraum von
Zivilgesellschaft und unabhängigen Medien eingeschränkt und Proteste niedergeschlagen. Wir
setzen uns für Demokratie und Menschenrechte ein und stärken unabhängige Medien,
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Menschenrechts-Verteidiger*innen.
Der Zusammenarbeit mit Demokratien weltweit kommt bei der Förderung von Freiheit und
Selbstbestimmung eine besondere Rolle zu. Wir unterstützen durch die UN legitimierte
Sanktionen für schwere Menschenrechtsverletzungen und -verstöße. Sanktionen und
Wirtschaftsblockaden, welche schädliche Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung haben, wie
dies z.B. bei Sanktionen gegen den Irak und Syrien bzgl. Medikamentenlieferungen der Fall
war, lehnen wir ab.
Menschenrechts-Verteidiger*innen riskieren viel. Sie bedürfen unseres Schutzes, unserer
Solidarität und unserer aktiven Unterstützung. Die EU-Leitlinien zum Schutz von
Menschenrechts-Verteidiger*innen wollen wir konsequent umsetzen. Dabei ist eine
geschlechtsspezifische Perspektive wichtig, da Frauen und marginalisierte Gruppen, etwa
Verteidiger*innen indigener Rechte, einem höheren Gewaltrisiko ausgesetzt sind. Gefährdeten
Menschenrechts-Verteidiger*innen wollen wir in der EU mit einer schnelleren und
vereinfachten Visavergabe Schutz bieten. Wir setzen uns dafür ein, dass sich die
Auslandsvertretungen der EU für Menschenrechts-Verteidiger*innen stark machen. Dazu gehört
etwa, Gerichtsverfahren von politischen Gefangenen zu beobachten, internationale
Sichtbarkeit zu schaffen, Soforthilfe bereitzustellen oder regelmäßigen
Austausch/regelmäßige Treffen durchzuführen. Auch bei unseren Bündnispartnern werden wir uns
massiv dafür einsetzen, dass derartige Rechtsbrüche– wie z.B. der Fall Assange – aus der
Welt geschafft werden. Nach Vorbild des kanadischen Resettlement- Programms setzen wir uns
für ein europäisches Schutzprogramm von Menschenrechts-Verteidiger*innen ein, das es ihnen
ermöglicht, schnell und unbürokratisch Schutz zu erhalten und ihre Arbeit in sicherer
Umgebung fortführen zu können.
Deserteur*innen und Kriegsdienstverweigerer verdienen unseren besonderen Schutz: Sie wagen
es mit dem Risiko ihrer Freiheit, Gesundheit und teilweise sogar mit ihrem Leben dem
gegenseitigen Töten im Krieg zu widersprechen. Dass Kriegsdienstverweigerer aus Belarus an
der EU-Grenze in Litauen abgewiesen und nach Belarus zurückgeschickt werden, ist ein
Skandal, den wir mithilfe des EU-Parlaments schnellstmöglich abstellen wollen. Auch in der
Ukraine werden Kriegsdienstverweigerer unter dubiosen Vorwänden zu Freiheitsstrafen
verurteilt. Die staatlichen Stellen in der Ukraine müssen aufgefordert werden, alles zu
unternehmen, damit das Urteil gegen den Pazifisten und Publizisten Yurii Sheliazhenko
schnellstmöglich wieder zurückgenommen werden kann.
Außen- und Entwicklungspolitik feministisch umsetzen
Gleichberechtigung macht Gesellschaften friedlicher, gerechter, nachhaltiger und
wirtschaftlich erfolgreicher. Sie ist fester Bestandteil der universellen Menschenrechte.
Frauen und marginalisierte Gruppen sind in besonderem Maße von Gewalt, Armut und Krieg, aber
auch von den Folgen der Klimakrise betroffen. Gleichzeitig sitzen oft nur wenige von ihnen
mit am Tisch, wenn es darum geht, Lösungen für diese Krisen zu erarbeiten. Mit der UN-
Resolution 1325 ist der Schutz von Frauen und Mädchen in Kriegsgebieten sowie ihre Teilhabe
bei Konfliktprävention und -bewältigung bereits international verankert. Wir wollen
weitergehen. Wir setzen uns für eine feministische Außen- und Entwicklungspolitik ein, die
Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen, Mädchen und marginalisierten Gruppen in
allen Bereichen weltweit stärkt. Menschenrechtsbasiert hat sie die Überwindung aller Formen
von Diskriminierung zum Ziel. Wir wollen sie als ein Leitprinzip der Außenbeziehungen der EU
verankern. Die Leitlinien für die feministische Außenpolitik der Bundesregierung sind
Vorbild für die Debatte auf EU-Ebene.
Wir fordern, dass die EU in ihren Außenbeziehungen weltweit zur Vorreiterin im Kampf gegen
sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt wird. Nach dem Beitritt der EU zur Istanbul-
Konvention verlangen wir deren konsequente Umsetzung durch die EU-Mitgliedsländer. Auch
fordern wir die weltweite Umsetzung der Yogyakarta-Prinzipien gegen die Diskriminierung und
für den Schutz der Menschenrechte von LGBTIQ*-Personen.
3. Eine europäische Sicherheitspolitik
Europa abrüsten und deeskalieren
Wir fordern, dass die Europäische Union ihre Stärken als Vermittlerin in Konflikten und als
Bündnis für Frieden durch Kooperation und Zusammenarbeit in der Welt ausbaut. Den
Europäischen Verteidigungsfonds als EU-Globalstrategie lehnen wir ab.
Der Verlauf des russischen völkerrechtswidrigen Angriffskriegs auf die Ukraine hat uns
deutlich vor Augen geführt, dass militärische Aufrüstung Probleme nicht löst. Nötig sind
vielmehr Diplomatie, Abrüstung, Entspannung und der Aufbau von gegenseitigem Vertrauen sowie
einer umfassenden Zusammenarbeit, welche vor allem mit der Bekämpfung des Klimawandels
beginnen müsste.
Die Geldmittel, die aktuell wieder in die Rüstungsindustrie fließen, fehlen bei den dringend
notwendigen Gegenmaßnahmen zur Erreichung der Pariser Klimaziele sowie beim notwendigen
Aufbau und Finanzierung von fairen und sozial korrekten Produktions- und Handelsbedingungen
zur Ursachenbewältigung von Kriegen, Flucht, Vertreibung. Da das Geld nur einmal ausgegeben
werden kann, führt der falsche Einsatz dieser Geldmittel vielmehr zu weiteren Kriegen,
Bürgerkriegen, einer Verstärkung der Fluchtbewegungen und sozialen Verwerfungen in der EU.
Durch das dann bedingte schnellere Fortschreiten des Klimawandels werden sich diese
Konflikte weiter verstärken.
Eine engere Zusammenarbeit in der EU in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bei
gleichzeitig deutlicher Abrüstung und vor allem das „auf Null“-Zurückführen von
Angriffsmöglichkeiten auf Dritte wird schnell zu deutlich sinkenden Kosten führen. Das Geld
benötigt die EU zum einen für den Klimaschutz innerhalb der EU und vor allem in den
betroffenen Ländern und zum anderen für Investitionen in die soziale Infrastruktur der EU,
um den Zusammenhalt der Gesellschaft zu stärken
Wir wollen daher weiter an einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsunion mit einer starken
parlamentarischen Kontrolle arbeiten. Die verstärkte Zusammenarbeit der verbleibenden
Verteidigungs-Streitkräfte wollen wir ausbauen. Dabei sind gemeinsame Rahmenstandards und
Arbeitsbedingungen für Soldat*innen notwendig.
Zivile und militärische Missionen dürfen sich künftig nur an der menschlichen Sicherheit
orientieren. Insbesondere sollten Projekte für vorausschauende, konfliktvermeidende,
pazifistische Strategieentwicklungen in gleicher Weise gefördert und finanziert werden.
Frieden darf nicht erst ein Thema sein, wenn die Gewalt ausgebrochen ist. Gerade die lange
Zeit der Friedensdividende hat uns gelehrt, dass in den Frieden dauerhaft investiert werden
muss. Friede ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. „Frieden schaffen ohne Waffen“ ist die
Hauptaufgabe der EU-Gesellschafts- und -Außenpolitik.
Beteiligungen wie an den gescheiterten Einsätzen wie in Afghanistan oder Mali werden wir
künftig nicht mehr mittragen. Sie verursachen immense Kosten und Schäden vor Ort, kosten
Menschenleben auf Seiten der EU-Einsatzkräfte und erst recht auf der Seite der Einheimischen
und verschlimmern gleichzeitig die Situation vor Ort. Eine Evaluierung des Afghanistan- und
des Mali-Einsatzes ist überfällig.
Rüstungsexporte beenden
Die gemeinsame Entwicklung, Anschaffung und Nutzung von EU-Waffensystemen schaffen mehr
Sicherheit und Wirtschaftlichkeit. Damit wird es möglich, künftig keine Waffensysteme mehr
an Drittstaaten zu exportieren, ein Beitrag für eine gemeinsame Sicherheitspolitik. Waffen
aus der EU dürfen nicht weiter, wie bisher teilweise geschehen, in die Hände von Regimen
gelangen, die Menschenrechte systematisch verletzen. Das muss eine scharfe Überwachung der
Lieferungen auch an einzelne EU-Länder sicherstellen. Wer sich dem nicht unterwirft, wird
nicht mehr beliefert. Wir setzen uns für ein Exportverbot für Überwachungstechnologien an
repressive Regime und für ein Exportverbot für Kleinwaffen an Drittstaaten ein.
Abrüstung und Rüstungskontrolle bedeuten global mehr Sicherheit für alle. Gerade in
unsicheren Zeiten wollen wir die Rüstungskontrolle stärken und Abrüstungsinitiativen
fördern. Die EU muss sich endlich deutlich für eine Umsetzung des Vertrags zur
Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV) und die darin vorgeschriebene Abrüstung einsetzen und
ihre Mitgliedstaaten zum Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag sowie zum Bekenntnis zu
Vision Global Zero ermutigen. Da das Ziel unserer Bemühungen eine atomwaffenfreie Welt
bleibt, wird unsere Fraktion von der EU-Ebene aus unterstützen, dass Deutschland hier
vorangeht und als Erstes die gegen den NVV verstoßende „Nukleare Teilhabe“ beendet.
Daher werden wir auch einer EU-Atommacht keine Zustimmung geben. Vielmehr wollen wir in der
EU darauf hinwirken, dass auch Frankreich sein Atomwaffenarsenal reduziert. Mittelfristig
möglich wäre eine Unterstellung eines verbliebenen Restarsenals unter den Befehl der UN, um
so eine Abwehr gegenüber atomaren Bedrohungen aufrecht zu erhalten. Das könnte Beispiel für
andere Atomwaffenstaaten werden.
Die völkerrechtlichen Bemühungen um ein Verbot von autonomen Waffensystemen unterstützen
wir. Es darf keinen Einsatz von Waffensystemen geben, bei denen eine Maschine die letzte
Entscheidung über Leben und Tod trifft.
Konflikten vorbeugen
Wir setzen uns für eine vorausschauende Außen- und Sicherheitspolitik ein, die Konflikte
frühzeitig erkennt und ihnen begegnet. Wir wollen daher die EU-Mittel für friedensfördernde
zivile Akteure umfassend aufstocken. Dabei muss die EU lokale zivilgesellschaftliche
Konzepte und Akteure in der Friedensförderung stärker unterstützen und Förderrichtlinien in
diesem Zusammenhang flexibilisieren. Die Fähigkeiten zur Friedenssicherung der UN und der
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sowie von
Regionalorganisationen wie der Afrikanischen Union wollen wir unterstützen.
Wir wollen zivile Missionen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) als
Instrument der EU-Außenpolitik durch mehr finanzielle Ressourcen und Personal stärken, um
zum Beispiel die Polizei oder das Justizwesen in fragilen Staaten zu unterstützen. Mit
rechtsstaatlichen und bürgernahen Institutionen können sie Vertrauen aufbauen und Konflikten
vorbeugen. Eine Neuausrichtung der zivilen GSVP-Missionen auf Migrationsmanagement lehnen
wir ab.
Durch eine - anders als bisher – glaubwürdige und aktive Politik der Prävention leisten wir
auch einen wichtigen Beitrag zur Fluchtursachenbekämpfung. Gefestigte lokale Strukturen und
funktionierende staatliche Institutionen mindern die Wahrscheinlichkeit von Konflikten, die
menschliches Leid erzeugen und Menschen zum Verlassen ihrer Heimat zwingen.
Die europäischen und internationalen Organisationen im Bereich der humanitären Hilfe wollen
wir stärken. Dazu zählen insbesondere eine bessere finanzielle Ausstattung sowie
effizientere Strukturen und Vergaberichtlinien der EU-Organisation für humanitäre Hilfe
ECHO. Auch die nationalen europäischen Hilfen wollen wir besser koordinieren. Schließlich
wollen wir die europäischen Organisationen in der Nothilfe verpflichten, stärker auf
geschlechterspezifische Bedürfnisse und die Bedürfnisse von marginalisierten Gruppen zu
achten.
4. Globale Gerechtigkeit
Verlässliche Partnerin sein
Im Mittelpunkt unseres entwicklungspolitischen Engagements stehen für uns die Menschen, die
wir bei ihrem Streben nach besseren Lebensverhältnissen vor Ort unterstützen wollen. Damit
stehen wir für eine gerechtere Zusammenarbeit mit Entwicklungs- und Schwellenländern als
Autokratien. Wir wissen, dass dies faktisch teilweise eine Umkehrung der bisherigen Politik
mancher EU-Länder gleichkommt, aber wir wollen, dass die EU aktiv den Wettbewerb um die
Partnerschaft mit dem Globalen Süden aufnimmt und den begonnenen Weg eines koordinierten
Vorgehens mit den Mitgliedstaaten beim Aufbau von fairen Partnerschaften intensiviert. Dafür
stehen wir auf EU-Ebene ein. Wir setzen uns für ein wirksames EU-Lieferkettengesetz ein, das
zu einem sozial und ökologisch gerechteren Handel beitragen kann.
Wir wollen lokales Wissen und lokale Initiativen fördern, um den Aufbau von
Wirtschaftskreisläufen und sozialen Sicherungssystemen zu unterstützen. Dafür wollen wir die
bestehenden Instrumente der EU-Entwicklungszusammenarbeit im Dialog mit unseren Partnern
weiterentwickeln. Dafür muss die EU lokale und zivilgesellschaftliche Akteure in
Hochschulen, NGOs oder Start-ups stärken und Förderrichtlinien flexibilisieren. Auch die
Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft gehört dazu. Wir setzen uns dafür ein, dass
zivilgesellschaftliche und insbesondere Frauenrechtsorganisationen aus Ländern des Globalen
Südens nach dem Vorbild des kanadischen Equality Fund direkt durch die EU gefördert werden.
Globale Verantwortung annehmen
Noch immer belastet das Erbe der Kolonialzeit die Beziehungen zwischen Europa und ehemaligen
Kolonien. Es zeigt sich etwa in der ungleichen globalen Vermögensverteilung, in
wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnissen oder fehlender Repräsentanz. Die Mitgliedstaaten
der EU müssen sich ihrer historischen Verantwortung stellen, die sich aus den Verbrechen der
Kolonialgeschichte ergibt, und Machtungleichgewichte in den Blick nehmen.
Damit wir auch dem Erbe unserer kolonialen Vergangenheit gerecht werden, müssen die von EU-
Ländern verursachten wirtschaftlichen Schäden, Naturzerstörungen z.B. durch den Uranabbau,
aber auch menschliches Leid anerkannt und so weit wie möglich finanziell ausgeglichen
werden.
Wir wollen benachteiligende Klauseln in Handelsabkommen korrigieren und Reformen bei den
Entwicklungsbanken vorantreiben. In internationalen Natur- und Umweltschutzabkommen wollen
wir die Menschen- und Landrechte indigener und lokaler Gemeinschaften besser achten. Die EU-
Entwicklungszusammenarbeit wollen wir in Kooperation mit Partnerländern und
Zivilgesellschaft im Sinne einer kritischen Reflexion von Machtverhältnissen kontinuierlich
evaluieren und weiterentwickeln. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer befinden sich in
einer Schuldenkrise, die ihre Handlungsmöglichkeiten für sozialökologische
Modernisierungsprozesse massiv einschränkt. Oft ist der Hintergrund das Verhalten der durch
europäische Ex-Kolonialmächte gestärkten Diktatoren, bedingt durch die koloniale Geschichte
oder durch die Ausbeutung ihrer Bodenschätze und ihrer Natur. Die Schuldenkrise der
Entwicklungsländer ist ein Relikt neokolonialer Ausbeutung durch die Industrieländer und
wird aktuell verursacht von westlichen Finanzinstitutionen, Staaten und Unternehmen. Wir
fordern einen umfassenden Schuldenerlass für die Entwicklungsländer! Wir wollen verhindern,
dass Rechtsräume der EU zur Geldwäsche oder für die Steuervermeidung missbraucht werden, was
die finanziellen Handlungsspielräume von Ländern des Globalen Südens weiter einschränkt.
5. Fairer Handel
Mit Handel Lebensqualität erhalten und verbessern
Handel fördert den Austausch zwischen Menschen und Gesellschaften und kann Frieden
stabilisieren. Es ist daher eine politische Aufgabe der EU, ihren wirtschaftlichen und
politischen Einfluss so zu nutzen, dass sie durch Handelspolitik Wertschöpfung fördert und
zusätzlich weltweit Standards für soziale Gerechtigkeit, Klima- und Naturschutz sowie
Menschenrechte beeinflusst. Auf diese Weise schützen wir auch unsere eigenen Standards vor
einem Unterbietungswettbewerb und wirken damit im Sinne unserer Werte und Interessen.
Die Krisen der letzten Jahre, Pandemie, Extremwetter und Krieg, haben gezeigt, dass wir
Risiken bei Lieferketten und dem Zugang zu Rohstoffen reduzieren müssen. Eine
vorausschauende, offene Handelspolitik, die zuverlässige Partnerschaften knüpft, liefert
dazu einen wichtigen Beitrag. Dazu müssen wir Unternehmen in der EU dabei unterstützen, ihre
Investitionstätigkeiten und Wertschöpfungsketten breiter zu streuen.
6. Mehr EU in Europa
Erweiterungsperspektiven
Die Erweiterung der EU ist eine Erfolgsgeschichte, verhindert Kriege und stabilisiert so den
Frieden in Europa. Sie stärkt unsere Sicherheit, unsere Stabilität und unsere
Lebensqualität. Deswegen ist es unsere Verantwortung, die Kandidatenländer aktiv zu
unterstützen. Klare Kriterien für den Beitritt wollen wir in einem fairen Beitrittsprozess
mit verbindlichen Angeboten der Zusammenarbeit verknüpfen. Damit eine erweiterte EU
handlungsfähig bleibt, muss sie ihre Strukturen reformieren: Erweiterung und Reformen müssen
Hand in Hand gehen.
Alle Kandidatenstaaten müssen die Kopenhagener Kriterien, die Beitrittskriterien der EU,
ohne Abstriche erfüllen und das gemeinsame Recht der EU, den acquis communautaire,
vollumfänglich übernehmen.
Zentral ist für uns auch die Stärkung der Zivilgesellschaften in den Beitrittsstaaten, ihre
Vernetzung untereinander und mit den Mitgliedstaaten der EU. Auf dem Weg in die EU ist uns
eine enge Zusammenarbeit mit allen demokratischen Kräften der Beitrittsländer auch jenseits
der Regierungen wichtig. Regierungsvertreter*innen der Beitrittsländer sollen an
ausgewählten Sitzungen des Rats der EU teilnehmen können.
Westbalkanstaaten
Die Zukunft der sechs Westbalkanstaaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo,
Montenegro, Nordmazedonien und Serbien liegt in der EU. Aber der Weg dahin ist teilweise
noch weit, wie z.B. aktuell die Aggressivität Serbiens gegenüber dem Kosovo zeigt.
Das Versprechen eines EU-Beitritts ist weiterhin ein wichtiger Motor für den sensiblen
Friedens- und Aussöhnungsprozess in den Ländern des Westbalkans. Dieses Beitrittsversprechen
darf die EU nicht aufs Spiel setzen. Der Beginn der Beitrittsgespräche mit Albanien und
Nordmazedonien, der Kandidatenstatus für Bosnien und Herzegowina sowie die
Visaliberalisierung für Kosovo sind wichtige Fortschritte auf dem Weg in die EU.
Gleichzeitig bleiben die Herausforderungen angesichts von Korruption, Organisierter
Kriminalität, schwacher rechtsstaatlicher Strukturen und teils unzureichender Aufarbeitung
der Kriegsverbrechen groß. Bei deren Bewältigung wollen wir die Staaten im Beitrittsprozess
intensiv unterstützen. Die Zivilgesellschaften der Region wollen wir noch besser fördern,
besonders auch die grenzüberschreitende Jugendarbeit in der Region stärken und eine
inklusive Erinnerungskultur unterstützen. Im Rahmen der Grünen Agenda für den Westbalkan
wollen wir die Region beim Ausbau guter Arbeitsplätze, erneuerbarer Energien und
nachhaltiger Investitionen schnell und effektiv unterstützen.
Ukraine
Wir setzen uns dafür ein, dass die EU in ihrer humanitären, politischen und finanziellen
Unterstützung der Ukraine nicht nachlässt. Wir werden die Ukraine weiterhin entschlossen
unterstützen, damit sie ihre Souveränität und Integrität wiedererlangen und verteidigen
kann. Wir stehen fest an der Seite der Ukraine, aller ihrer Menschen – auch der Minderheiten
– und ihres Rechts auf Freiheit, Selbstbestimmung und Selbstverteidigung und unterstützen
den Wunsch zu einem nachhaltigen Frieden und zu robusten, zuverlässigen
Sicherheitsgarantien.
Um das zu erreichen, unterstützen wir diplomatische Initiativen, um Wege aus dem Krieg
aufzuzeigen. Verhandlungen mit dem Ziel eines Waffenstillstands müssen vorbereitet werden;
eine Vermittlung durch die Vereinten Nationen ist unbedingt erstrebenswert. Unter der Ägide
des UN-Generalsekretärs António Guterres sollte eine internationale Verhandlungskommission
gebildet werden, die die Bedingungen des Waffenstillstands aushandelt.
Auch auf dem Weg in die EU werden wir die Ukraine umfassend unterstützen. Beide Seiten
profitieren von einem geordneten und zügigen Beitrittsprozess. Wir setzen dabei auf
Transparenz, Rechtsstaatlichkeit, konsequente Korruptionsbekämpfung, eine aktive Rolle der
Zivilgesellschaft und der regionalen und kommunalen Ebene sowie einen sorgsamen Umgang mit
den Minderheiten und ihren Rechten.
Wir setzen uns dafür ein, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten den Wiederaufbau der Ukraine
finanziell, technisch und mit Investitionen engagiert unterstützen. Dazu bedarf es auch
großer finanzieller Anstrengungen und erheblich beschleunigter Verfahren, um schnelle
Ergebnisse zu erzielen.
Wir setzen auf vielfältige internationale Ermittlungs- und Justizorgane, die Verbrechen
gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen einschließlich des Verbrechens des Kriegs
aufklären und bestrafen.
Die grassierende Korruption in der Ukraine kann nicht nur durch Entlassungen bekämpft
werden, sondern die Täter müssen sich vor einem unabhängigen Gericht verantworten, um die
immensen Gelder zu rechtfertigen, mit denen die EU den Haushalt der Ukraine stützt.
Die Wirtschaft der Ukraine ist durch den Krieg massiv geschwächt. Wir möchten, dass die EU
die Wirtschaft der Ukraine durch Makrofinanzhilfen weiter stabilisiert und diese als Zeichen
der Solidarität und als Beitrag zur europäischen Sicherheit fortsetzt. Dazu gehört auch, den
Ausbau alternativer Exportwege für ukrainische Agrarprodukte jenseits des Schwarzen Meeres
(solidarity lanes) weiter voranzutreiben. Das hilft der Ukraine wirtschaftlich und trägt zur
globalen Ernährungssicherung bei.
Georgien und Moldau
Die Zukunft Moldaus und Georgiens liegt in der EU. Beide Länder sind seit Langem Ziel von
militärischer Aggression und Destabilisierungsversuchen Russlands. Wir stehen entschlossen
zur Souveränität und territorialen Integrität der beiden Länder. Wir werden Moldau und
Georgien auf ihrem Weg in die EU tatkräftig unterstützen, gleichzeitig aber auch die dafür
nötigen Reformen einfordern. Insbesondere Moldau hat als EU-Beitrittskandidat seit 2020
einen mutigen und ambitionierten Reformkurs eingeschlagen, den wir konsequent unterstützen.
Europäische Nachbarschaft
Auch wenn es im Augenblick es herausfordernd klingt: Es muss jedoch eine mittelfristige
Zielsetzung sein, Russland einzubeziehen und keine Strategie der Isolation zu forcieren. Ein
friedliches, starkes Europa kann es nur mit Russland geben.
Die europäische Familie ist größer als die EU. Wir möchten eine EU, die konstruktiv mit
ihren europäischen Nachbarn zusammenarbeitet.
Die Zusammenarbeit der EU mit dem Europarat bei der Förderung und Verteidigung von
Demokratie und Menschenrechten auf dem europäischen Kontinent möchten wir intensivieren.
Wir begrüßen die Europäische Politische Gemeinschaft als eine Plattform zur engeren
Zusammenarbeit mit europäischen Staaten, unabhängig davon, ob diese eine EU-Mitgliedschaft
anstreben oder nicht. Insbesondere im Bereich Energie ist diese Zusammenarbeit im
ausgeprägten EU-Interesse.
Die OSZE wollen wir angesichts der Herausforderungen durch den russischen Angriffskrieg
gegen die Ukraine als wichtiges Forum für Dialog und Krisenprävention stärken. Sie kann in
der Gestaltung der Nachkriegsordnung in Osteuropa eine zentrale Rolle spielen.
Türkei
Die Türkei und die EU – und dabei ganz besonders Deutschland – verbindet eine langjährige
Freundschaft und Partnerschaft, die sich in engen gesellschaftlichen, kulturellen und
wirtschaftlichen Beziehungen niederschlägt. Wir glauben, dass eine demokratische Türkei, in
der die Rechte aller ihrer Bürger*innen geachtet werden, einen festen Platz in der
europäischen Familie hat.
Derzeit sieht die politische Realität leider anders aus: Die türkische Regierung hat sich in
den vergangenen Jahren immer weiter von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten entfernt.
Mit einer aggressiven Außen- und Regionalpolitik richtet sich Ankara zum Teil offensiv gegen
EU-Interessen. Die anfängliche Blockade des schwedischen NATO-Beitritts, die Beteiligung im
libyschen Bürgerkrieg oder die völkerrechtswidrige Militäroffensive in Nordsyrien und im
Irak zeigen zugleich, was für eine schwierige Partnerin die Türkei für die EU und die NATO
in der aktuellen Sicherheitslage ist. Gleichzeitig hat sie sich als Vermittlerin im Krieg
gegen die Ukraine und darüber hinaus engagiert.
Wir unterstützen die Zusammenarbeit in den Bereichen, in denen sie notwendig und möglich
ist, etwa zur Sicherheit im Schwarzen Meer oder bei der Bekämpfung des Klimawandels. Der
autoritären Politik und nationalistischen Rhetorik aber, die sich offen gegen die EU, gegen
die Sicherheit von türkischen Oppositionellen in der EU, gegen Kurd*innen und andere
Minderheiten oder gegen Menschenrechts-Verteidiger*innen im eigenen Land wenden, treten wir
entschieden entgegen. Die türkische Regierung muss aufgefordert werden, alles zu
unternehmen, damit die unzähligen politischen Gefangenen aus der Haft entlassen werden und
den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Folge geleistet wird.
Wir stehen weiterhin fest an der Seite der vielen Türk*innen, die sich für Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit engagieren. Die EU muss die türkische Zivilgesellschaft, die sich für
einen demokratischen Wandel einsetzt, besonders unterstützen.
7. Ein starkes Europa in der Welt
Die östliche Nachbarschaft der EU
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist eine Zäsur für die EU und unseren Kontinent.
Die EU ist aufgefordert, neue Antworten auf ihre Nachbarschaft zu einem feindseligen
Russland zu finden. Für unsere osteuropäischen Partner der EU braucht es zielgerichtete
Politiken einer neuen EU-Politik für Osteuropa und Zentralasien, die besonders die
veränderten Sicherheitsinteressen unserer Partner in den Blick nehmen. Gleichzeitig müssen
wir die demokratischen Reformkräfte und Zivilgesellschaften in den durch russische
Einmischung bedrohten europäischen Nachbarstaaten Russlands besonders unterstützen.
Wir stehen fest an der Seite der mutigen Menschen, die sich in Belarus seit den Protesten
rund um die gefälschten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020 unermüdlich für Demokratie und
Menschenrechte in ihrem Land einsetzen. Wir werden uns weiterhin solidarisch und mit
Nachdruck für die Unterstützung der belarussischen Zivilgesellschaft und Opposition, die
Freilassung aller politischen Gefangenen, die Unterstützung belarussischer Deserteur*innen
und Kriegsdienstverweigerer, die Sanktionierung des belarussischen Regimes und für freie und
faire Wahlen im Land einsetzen.
Diktator Lukaschenka und sein Regime haben sich in Belarus und durch die Unterstützung des
russischen Angriffskriegs in der Ukraine schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig
gemacht. Dafür müssen sie zur Rechenschaft gezogen werden. Wir setzen uns insbesondere dafür
ein, dass die EU die Sammlung und Sicherung von Beweismaterial unterstützt.
Putin und sein Machtregime haben Russland in eine totalitäre Diktatur gewandelt. Gewalt,
Lüge, Korruption und Willkür prägen die politische Realität. Die Zivilgesellschaft wurde
mundtot gemacht, die Opposition befindet sich entweder im Exil oder in politischer
Gefangenschaft. Wir werden uns weiterhin für die Freilassung aller politischen Häftlinge
einsetzen. Wir sehen uns als Freund*innen und Partner*innen derer, die ein freies,
friedliches und demokratisches Russland wünschen. Wir verstehen uns als harte
Widersacher*innen all jener, die das verbrecherische Regime um Putin stützen. Wir
unterstützen daher die EU-Sanktionspolitik gegen die maßgeblichen Vertreter*innen des
Regimes. Normalität kann es mit diesem Russland nicht geben. Ändert sich diese Lage, muss
jedoch umgehend umgedacht und entsprechend gehandelt werden. Die Pläne für diese Zeit müssen
bereits jetzt erarbeitet und offengelegt werden, damit die russische Zivilgesellschaft die
Alternative sieht und erkennt.
Wir begrüßen den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen den russischen
Präsidenten. Er hat sich schlimmster Menschenrechtsverbrechen schuldig gemacht und muss
dafür mit voller Härte des Rechts zur Rechenschaft gezogen werden. Dies muss allerdings für
ähnlich gelagerte Fälle – auch in Bereich unserer Verbündeter – ebenso gelten, sonst wird
diese Forderung unglaubwürdig.
Transatlantische Beziehungen
Mit keinem Land außerhalb Europas verbindet uns Europäer*innen zugleich eine so tiefe
gemeinsame Geschichte und eine so starke Partnerschaft wie mit den USA. Die USA haben nach
dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende des Kalten Kriegs maßgeblich zur politischen Einigung auf
dem europäischen Kontinent und zur Wiedervereinigung Deutschlands beigetragen.
Die transatlantischen Beziehungen sind aber auch von zentraler Bedeutung für unsere
europäische Gegenwart und Zukunft. Allerdings haben die USA auch mit ihren illegalen Kriegen
z.B. gegen den Irak und Afghanistan zuvor auch Schuld auf sich geladen und Teile der
heutigen Probleme der Weltlage im arabischen Raum mitverschuldet. Die Entstehung der
Terrororganisation ISIS war eine direkte Folge des Irakkrieges und des folgenden
unverantwortlichen Rückzugs. Bei allem Willen zur Zusammenarbeit muss auch dies
berücksichtigt und thematisiert werden, um künftig derartige Fehlentwicklungen
auszuschließen. Denn nur dann ist die US-Administration ein strategischer Partner: für
unsere Sicherheit, für die klimagerechte Erneuerung unserer Lebensqualität und für die
Selbstbehauptung der liberalen Demokratie.
Nur dann können wir gemeinsam den klimaneutralen Umbau unserer Länder voranbringen.
Das bedeutet auch, dass wir die strategische Partnerschaft mit den USA gleichzeitig
intensivieren und kritisch hinterfragen müssen. Das heißt zum einen, die transatlantischen
Beziehungen auf ein breiteres Fundament zu stellen – durch den Ausbau von Partnerschaften
mit Bundesstaaten, Städten, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft. Und zum anderen,
einseitige Abhängigkeiten zu reduzieren – durch eine Stärkung der eigenständigen
Handlungsfähigkeit der EU und eine deutliche Kritik an falschen Handlungen der US-
Regierungen.
China
Für uns ist China Partner, wirtschaftlicher Wettbewerber und systemischer Rivale. Durch
Chinas teilweise aggressives Auftreten auf der globalen Bühne erschwert diese Partnerschaft.
Deswegen setzen wir uns für eine engere Koordination der Mitgliedstaaten und der EU als
Institution sowie für einen strukturierten Informationsaustausch und eine engere
Koordinierung des Verhältnisses zu China ein.
Mit seiner enormen Wirtschaftsentwicklung hat Chinas einen großen Anteil an der
Globalisierung. Ihr verdankt besonders der Westen einen großen Teil seines materiellen
Wohlstands. Von Chinas Wirtschaftskraft und wachsendem globalen Einfluss sehen sich aber
inzwischen besonders die USA in ihrem hegemonialen Anspruch herausgefordert. Wir wollen uns
nicht in den US-Handelsstreit mit China hineinziehen lassen. Zum Beispiel lehnen wir einen
Generalverdacht oder gezielte Sanktionen gegen Firmen mit Xinjiang-Verbindung ab.
Wir kritisieren die Entsendung deutscher Marineeinheiten in die Indopazifische Region und
setzen stattdessen auf Dialog, denn Konfrontation ist nicht das „was Frieden schützt“.
Naher Osten und Nordafrika
Der Nahe Osten und Nordafrika ist eine Region im Umbruch und ein wichtiger Nachbar für die
EU. Die Hoffnung der Revolutionsbewegungen in der Region blieb weitestgehend unerfüllt und
in den vergangenen Jahren haben sich wieder autoritäre Akteure in der Region verfestigt. Wir
wollen aber trotz der schwierigen Lage eine Zusammenarbeit anstreben, die die
wirtschaftliche Entwicklung zugunsten der Menschen unterstützen soll. Ihr Wunsch nach einem
Leben in Würde und Sicherheit und mehr politischer Teilhabe soll im Zentrum der EU-
Nahostpolitik stehen. Eine Zusammenarbeit mit Diktatoren, Rechtsbrechern und Mördern in
allen Ländern der Region werden wir jedoch auf das allernötigste beschränken und bei neuen
Exzessen gegebenenfalls auch aussetzen.
In der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft muss die EU verlässliche Partnerin sein für
all diejenigen, die frauen- und menschenrechtliche Perspektiven schaffen und Freiheit und
Selbstbestimmung voranbringen wollen. Durch die Geschichte von Kolonialismus und
jahrzehntelanger Unterstützung autoritärer Regierungen tragen einige Staaten der EU hier
eine besondere Verantwortung.
Wir wollen eine Migrationspolitik gestalten, die uns nicht von autoritären Regimen in der
Region erpressbar macht. Eine einseitige Fokussierung auf Flüchtlingsabwehr im Verhältnis zu
den südlichen Mittelmeeranrainern stützt autoritäre und dysfunktionale Regime, die selbst
Fluchtgründe schaffen. Dies lehnen wir ab.
Sowohl die Existenz und die Sicherheit Israels als nationale Heimstätte des jüdischen Volkes
als auch die gleichen Rechten für all seine Bürger*innen sind unverhandelbar. Für Frieden
und Sicherheit braucht es eine Zweistaatenregelung mit der Schaffung eines souveränen,
lebensfähigen und demokratischen Staates Palästina.
Im Iran stehen wir an der Seite der Protestbewegung, die sich für feministische Prinzipien
und einen freiheitlichen und demokratischen Staat einsetzt. Wir treten dafür ein, dass die
EU die Sanktionen gegen die Verantwortlichen des Regimes aufrechterhält und erweitert. Die
iranische Revolutionsgarde muss rechtssicher als Terrororganisation gelistet werden. Zudem
muss die EU die demokratische Opposition im Iran und in der Diaspora unterstützen und
politisch verfolgte Iraner*innen schnell aufnehmen. Das Islamische Zentrum Hamburg als
Koordinationspunkt der Überwachung der Diaspora in Deutschland muss endlich geschlossen
werden. Der Iran muss sich an internationale nukleare Nicht-Verbreitungsabkommen halten, der
Westen allerdings auch an die zugesagten wirtschaftlichen Zugeständnisse, die unter Trump
einseitig gekündigt wurden.
Der Rüstungsspirale in der Region wollen wir mit einer gemeinsam und geschlossen
auftretenden EU entgegenwirken. Wir begrüßen diplomatische Bemühungen um Deeskalation in der
Region. Normalisierung von Beziehungen darf nicht zu Straflosigkeit führen, zum Beispiel
angesichts der Menschheitsverbrechen des Assad-Regimes in Syrien.
Durch das jahrelange Engagement und den anschließenden überstürzten, panikartigen Abzug
westlicher Truppen tragen wir eine besondere Verantwortung gegenüber den Menschen in
Afghanistan. Wir verurteilen vor allem die Verdrängung von Frauen aus fast allen Bereichen
des öffentlichen Lebens. Wir setzen uns dafür ein, dass die EU angesichts der dramatischen
Lage im Land weiterhin humanitäre Hilfe leistet und dabei explizit Frauen einbindet.
Ortskräfte und Menschenrechts-Verteidiger*innen sind aufgrund ihrer Arbeit – etwa für die
Bundeswehr und internationale Organisationen – oder ihres Einsatzes für Menschenrechte in
Gefahr. Wir stehen daher zu unserer Verantwortung für sie und die unverzügliche Evakuierung
und Aufnahme von Ortskräften und Menschenrechts-Verteidiger*innen innerhalb der EU.
Afrika
Die afrikanischen Staaten und Europa sind geografisch wie historisch eng verbunden. Wir
wollen die vielfältigen Länder und Gesellschaften auf dem afrikanischen Kontinent in ihren
Bemühungen unterstützen, nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und gute Jobs vor Ort zu
schaffen. Wir sehen eine wachsende Zusammenarbeit der EU mit dem afrikanischen Kontinent in
Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft als Chance für beide Seiten. Dabei
begreifen wir die Stärkung einer echten Demokratie als wichtige Aufgabe. Scheinwahlen von
Diktatoren oder deren Dynastien werden wir dagegen offenlegen und die so Gewählten nicht
unterstützen.
Europas Verflechtung mit Afrika ist bis heute von einem Machtungleichgewicht gekennzeichnet.
Zudem leidet der afrikanische Kontinent bereits heute besonders stark unter den Folgen der
Klimakrise, die in bedeutendem Maß durch europäische Emissionen verursacht wurde. Ein
Rückfall in koloniales Verhalten ist jedoch auch nicht mit ökologischen Zielen zu
rechtfertigen. Es muss eine Beziehung auf Augenhöhe sein – wirtschaftlich durch intensivere
Wertschöpfung in den Ländern und moralisch durch Fairness und Offenheit. Im Bewusstsein auch
unseres kolonialen Erbes werden wir – vor allem die betroffenen ehemaligen Kolonialmächte,
also auch Deutschland – (auch finanzielle) Verantwortung übernehmen, um Respekt und
Gleichberechtigung zu zeigen und auszuüben.
Indopazifik
Das ökonomische Gravitationszentrum hat sich in den indopazifischen Raum verschoben. Hier
findet ein Großteil des globalen Wachstums, der Innovation und Entwicklung statt.
Wir wollen die enge Kooperation mit zentralen Partnern der EU wie Japan, Südkorea,
Australien und Neuseeland ausbauen und den Austausch mit den ASEAN-Staaten intensivieren.
Dabei wollen wir unseren Fokus auch auf mehr Zusammenarbeit bei Klimaschutz und
wirtschaftliche Modernisierung legen und gleichzeitig die Zivilgesellschaft und die
Menschenrechte stärken.
In der Pazifikregion liegen viele Staaten, die durch die Klimakrise in ihrer Existenz
bedroht sind, obwohl sie selbst wenig zu den globalen Emissionen beigetragen haben. Wir
wollen sie im Umgang mit den Folgen der Erderwärmung und des steigenden Meeresspiegels
konkret und finanziell unterstützen. Wir wollen den Klimaschutz stärker in
Handelsbeziehungen mit den Staaten der gesamten Region verankern.
Indien
Wir streben eine Vertiefung und Erweiterung der Beziehungen der EU mit Indien an. Wir
begrüßen den Start des EU-India Trade and Technology Council im Jahr 2023 ebenso wie die
2021 begonnene Konnektivitätspartnerschaft. Wir erkennen Indiens neue Bedeutung für die
Bereitstellung globaler digitaler Güter an und wollen eine verstärkte Zusammenarbeit bei
digitalen Zahlungssystemen ausloten. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit muss sich an klaren
Sozial-, Minderheits- und Klimaschutzstandards orientieren. Mit zunehmender Sorge betrachten
wir in dieser Hinsicht die aktuellen innenpolitischen Entwicklungen, insbesondere die
Diskriminierung und Verfolgung der muslimischen Minderheit. Wir unterstützen die indische
Zivilgesellschaft und setzen uns für eine friedliche Lösung territorialer Konflikte in
Grenzregionen ein. Waffenlieferungen, vor allem die Lieferung von U-Booten in diese Region,
welche eine Zweitschlagfähigkeit im Fall eines Atomkrieges schaffen könnten, lehnen wir
grundsätzlich ab. Wir werden die aktuelle Rückentwicklung der Demokratie und die zunehmende
Entrechtung von Minderheiten genau beobachten und bei weiterer Zunahme sanktionieren.
Lateinamerika
Wir wollen Aktivist*innen für Menschenrechte, Umweltschutz und für die Rechte von LGBTIQ*,
Frauen und Indigenen schützen und ihre Arbeit aktiv unterstützen. Auch eine effektive
Bekämpfung von Korruption und Drogenkriminalität ist wichtig.
Über 55 Prozent der weltweiten Fläche an Regenwald befinden sich in Lateinamerika. Die
Region ist zentral zum Schutz unseres Weltklimas. Deswegen wollen wir eine Intensivierung
von Klima- und nachhaltigen Rohstoffpartnerschaften sowie eine Ausweitung der Kooperation
für nachhaltige Landwirtschaft und für effektiven Naturschutz. Die Klimapartnerschaft bedarf
deutlich höherer finanzieller Anstrengungen. Klimaschutz muss sich in diesen Ländern auch
für die Menschen wirtschaftlich lohnen. Der Schutz der Rechte der indigenen Bevölkerung muss
bei allen Vorhaben mitgedacht und priorisiert werden.
Die Handelsbeziehungen zwischen EU und Lateinamerika müssen auf das Wohl der Bevölkerungen
beider Regionen gerichtet sein. Das erfordert unter anderem, dass ein substanzieller Teil
der Wertschöpfung in Lateinamerika verbleibt. Das Mercosur-EU-Abkommen lehnen wir in seiner
derzeitigen Form ab, weil es dem entgegensteht. Es soll an erster Stelle großen Unternehmen
der deutschen Auto-Industrie und dem brasilianischen Agro-Business nützen, während es die
Rechte von Arbeitnehmer*innen in beiden Erdteilen und den für den Schutz des Weltklimas
zentralen Amazonas-Regenwald bedroht.
Begründung
Die Hintergründe, die die Antragsteller leiten, finden sich in: Ökumenische Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung (Link: https://www.ekmd.de/attachment/aa234c91bdabf36adbf227d333e5305b/1e01a4aaf49f4e41a4a11e0bcbc6--1b47dbfc6d3c6d3/Texte_Oekumenische_Versammlung_1989.pdf)
Der vorgelegte Originaltext beinhaltet an vielen Stellen Abweichungen und teilweise Umkehrungen alter grüner Beschlusslagen zum Thema Frieden wie Wahlprogramme oder Grundkonsens, ohne dass die Partei dies so beschlossen hätte.
Daher legen wir einen Gegenentwurf vor, der sich weitgehend auf die bisherige, älteren Beschlüsse bezieht und diese im EU-Wahlprogramm fortschreibt.
Vor allem wird Diplomatie und Verhandlung in den Vordergrund gestellt und dies auch begründet und mögliches Vorgehen dargestellt. Wir sind der Meinung, dass weitere Eskalierung des Krieges, weitere Aufrüstung und Lieferung immer stärkerer Waffen nur weitere Menschenleben kostet und keines der Probleme löst, weder kurz-, noch mittel-, noch langfristig löst. Im Gegenteil wächst damit täglich die Gefahr einer Ausweitung des Krieges.
Die Grüne Partei stand seit ihrer Gründung immer und uneingeschränkt für friedliche Konfliktlösung und gegen Gewalt. DAS soll von heute auf morgen - schon immer? - falsch gewesen sein? Wenn es noch richtig ist - wovon wir ausgehen - dann muss sich das auch in unserer Politik, auch als Teil der Regierung, wiederfinden.
-----------
Technischer Hinweis an den BuVo als Antragssteller des Gegenantrages:
Im Originaltext standen etliche Absätze, die mit dem Thema "Frieden" nur wenig oder sehr eingeschränkt zu tun hatten. Natürlicherweise konnten wir dies nicht alles aufgreifen oder übernehmen. WIR haben uns daher NUR auf das eigentlich Thema - s. Überschrift - "Frieden" konzentriert. Will der BuVo verhindern, dass diese genannten "Fremdanteile" im Falle der Annahme unserer Globalalternative vollständig herausfallen, müsste er einen ergänzenden Änderungsantrag an unseren Antrag stellen (oder eine andere Möglichkeit finden), um diese Textteile zu erhalten.