Die Sicherstellung und Steigerung der sozialen Gerechtigkeit ist ein Teil der DNA von Bündnis 90/Die Grünen. Steuergerechtigkeit ist wiederum eine wesentlicher Bestandteil von sozialer Gerechtigkeit. Die Schere der Vermögensverteilung, die in den letzten Jahren in Deutschland aufgegangen ist, muss wieder verkleinert werden. Neben der Steigerung der Vermögen in den unteren Einkommens- und Vermögensklassen ist v.a. die höhere Besteuerung von großen Vermögen ein Weg zu diesem Ziel. Letzteres lässt sich durch eine höhere Erbschaftssteuer oder durch eine Vermögensteuer erreichen. VR-01 schlägt beides vor. Aus Sicht der Antragsteller ist ein Kombination von beidem kontraproduktiv. Wir sollten uns auf den Ansatz fokussieren, der a) technisch und rechtlich besser und sicherer umsetzbar ist, b) effektiver ist, und c) kommunikativ besser im Wahlkampf nutzbar ist.
VR-09 schlägt eine Anpassung der Erbschaftsteuer vor. Das Konzept ist durchdacht, transparent, einfach und umsetzbar. Grundsätzlich ist eine höhere Erbschaftsteuer auch bei Vermögenden und Unternehmens-Eigentümern sowie bei Ökonomen und Wirtschaftsinstituten wesentlich stärker akzeptiert als eine Vermögensteuer. Um dieses zum Ziel zu bringen sollten wir uns darauf fokussieren, die Erbschaftsteuer anzupassen und nicht in eine breite, technisch schwierige, Steuererhöhungsdiskussion zu kommen. Die Forderung zur Wieder-Erhebung der Vermögenssteuer in VR-01 sollte daher gestrichen werden.
Folgende Gründe sprechen aus Sicht der Antragsteller gegen eine Vermögensteuer generell und im Speziellen gegen eine Vermögensteuer bei gleichzeitiger Anpassung der Erbschaftssteuer-Regelungen.
- Zu hoher Erfassungsaufwand und indirekte Folgen
Der jährliche Aufwand der Bewertung aller Vermögensgegenstände potentiell Vermögensteuerpflichtiger steht nicht im Verhältnis zu den potentiellen Steuereinnahmen.
Während einige Vermögensgegenstände regelmäßig mit objektiven und transparenten Marktpreisen versehen werden, z.B. Bargeld, Geldkonten, Edelmetalle, Aktien, Festverzinsliche Wertpapiere, müssten bei anderen Vermögensgegenständen eine jährliche individuelle Bewertung vorgenommen werden. Letzteres betrifft u.a. Immobilien, Kunstgegenstände und Anteile an nicht börsennotierten Firmen. Aufgrund externer Faktoren, z.B. Zinsentwicklung, Regulatorischen Veränderungen etc. können diese Bewertungen erheblich schwanken. Ohne jährliche individuelle, evtl. unter notwendiger Hinzuziehung von Gutachtern, Bewertung ist eine sichere und faire Bewertung nicht möglich (siehe dazu auch 2.). Der Aufwand für diese jährlichen Bewertungen würde eine erhebliche Belastung der Steuerbehörden mit sich bringen. Auch unser grüner Finanzminister aus Baden-Württemberg, Danyal Bayaz, lehnt dies ab.
Selbst eine relativ hohe Freibetragsgrenze würde den Aufwand nicht wesentlich verringern, da eben aufgrund der ober erwähnten Schwankungen nicht absehbar ist wer in welchem Jahr tatsächlich die Freibetragsgrenze übersteigt. In Folge müssten auch die Vermögen zahlreicher im Endeffekt nicht vermögensteuerpflichtiger Personen bewertet werden.
Problematischer als der Aufwand der Erhebung sind aber die indirekten Folgen. Gem. einer Untersuchung von Ernst & Young für das BMWK 2017 würden in Folge einer Vermögensteuer insbesondere auf Betriebsvermögen andere Steuereinnahmen (Lohnsteuer, Umsatzsteuer etc.) um bis zu 50 Mrd. EUR geringer ausfallen.
- Keine Garantie der Steuergerechtigkeit/Verfassungsmäßigkeit
Die sehr unterschiedlichen Charakteristika von Vermögensgegenständen machen eine vergleichbare und gerechte Bewertung sehr schwierig, wenn nicht unmöglich. Aufgrund der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes bei der Bewertung von Immobilienvermögen hat das Bundesverfassungsgericht die vorherrschende Bewertungsgrundlagen ja bemängelt, so dass die Erhebung der Vermögensteuer seit 1997 ausgesetzt wurde. Es ist davon auszugehen, dass bei einer erneuten Erhebung, auch bei angepassten Bewertungsgrundlagen, Verfassungsklagen eingereicht werden.
Eine Vermögensteuer hat gem. Ernst & Young auf eine Verringerung der Vermögensungleichheit auch nur geringe Auswirkungen. Wesentlich wirkungsvoller wären dagegen Förderung von Vermögensbildung, insbesondere bei jungen Menschen.
- Zu hohe Substanzbesteuerung von nicht börsennotierten Unternehmen, insbesondere in Kombination mit der Erbschaftssteuer
Die Vermögensteuer auf Anteile nicht börsennotierter Unternehmen ist besonders kritisch zu sehen. Sie darf gemäß Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 22.06.1995) in ihrem Zusammenwirken mit den sonstigen Steuerbelastungen die (Kern-)Substanz des Vermögens nicht berühren, und muss so bemessen sein, dass sie aus den üblicherweise zu erwartenden Erträgen (Sollerträgen) bezahlt werden kann. In jedem Fall ist es eine Steuer aus den Erträgen des Unternehmens, die zusätzlich zur Körperschafts- und Gewerbesteuer anfällt. Letztere sind in Kombination („Unternehmenssteuern“) im internationalen Wettbewerb bereits sehr hoch.
Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft gehen z.B. davon aus, dass eine 1%ige Vermögensteuer bei Thesaurierung der Gewinne einer Gesamtbelastung des Unternehmensgewinnes von bis zu 10% und bei Ausschüttung von bis zu 7% mit sich bringt. Modellrechnungen vom ifo Institut gehen von noch höheren Belastungen aus. Der Wirtschaftsstandort wird damit noch unattraktiver für Unternehmen. Das wäre eine Entwicklung, die insbesondere zur aktuellen Zeit extrem kontraproduktiv wäre.
Besonders kritisch ist das in den Fällen, in denen das Unternehmen einen positiven Wert hat, aber keine Erträge ausschüttet oder sogar Verluste hat (z.B. Start-ups). In diesem Fall müsste die Vermögensteuer aus anderen Erträgen des Steuerpflichtigen geleistet werden, die er evtl. gar nicht hat (z.B. Start-up Gründer) bzw. nur durch Eingriff in die Substanz des Unternehmens zu leisten sind.
Prohibitiv hoch und eklatant in die Substanz des Unternehmens eingreifend wäre die Vermögensteuer in Kombination mit der Erbschaftssteuer gemäß Antrag VR-09. VR-09 schlägt einen Aufhebung der Verschonung von Betriebsvermögen bei der Erbschaftssteuer im Erbfall vor. Der Steuersatz gem. VR-09 beträgt 25% auf den zu versteuernden Wert. Die Leistung der Erbschaftssteuer kann in diesem Fall auf 10 oder 15 Jahre gestreckt werden. Dies wäre eine weitere jährliche Belastung von 2,5% bzw. 1,7% des Unternehmenswertes für 10-15 Jahre. Das entspräche für diesen Vermögensgegenstand in diesen Zeitraum mind. einer Verdoppelung der Vermögensteuer, die 1-2% p.a. betragen soll. In Kombination würden dann Gewinnsteuern, Vermögensteuer und Erbschaftssteuer bei weit über 50% des Vor-Steuergewinns liegen. Notwendige Investitionen und berechtigte Rendite-Ansprüche der Eigentümer sind nicht mehr vollständig und ausreichend zu bedienen.
- Zusammenfassung: Kommunikative Auswirkungen, insbesondere auf den Mittelstand
Letztendlich geht es bei Steuergesetzgebungen um (Netto-)Einnahmen für den Staat (also Einnahmen, die den Erhebungsaufwand übertreffen), Steuergerechtigkeit, Akzeptanz und finanzielle Auswirkungen für den Steuerpflichtigen sowie kommunikative Wirkung bei den Wählern.
Die Netto-Einnahmen der Länder aus der Vermögensteuer werden den Aufwand kaum rechtfertigen. Der Einnahmeeffekt ist vernachlässigbar (siehe 1.)
Eine Vermögensteuer mag zwar das Gerechtigkeitsgefühl eines großen Teil der Bevölkerung befriedigen, eine Steuergerechtigkeit im engeren Sinne ist aber nur sehr unsicher (siehe 2.)
Die finanziellen Auswirkungen für die Eigentümer nicht börsengeführter Unternehmen und damit für diese Unternehmen selbst sind im Zusammenhang mit einer angepassten Erbschaftssteuer immens und substanzverzehrend. (siehe 3.)
Die Akzeptanz in der Wirtschaft, insbesondere bei Mittelstand und Familienunternehmen wird äußerst gering sein. Das „Framing“ des „Sozialismus“ und der „Ideologie“ wird für politische Gegner sehr einfach umsetzbar sein. Jegliche sonstige positiven Ansätze in der Wirtschaftspolitik (siehe z.B. aktuelles Impulspapier des BMWK) werden damit konterkariert. Eine Gesellschaft, die zur Zeit um Ihren Wohlstand bangt, wird damit nicht zu gewinnen sein.
Die Anpassungen der Erbschaftssteuer gem. VR-09, insbesondere die Aufhebung der Verschonung von Betriebsvermögen, erhöht die Steuergerechtigkeit erheblich, ist vom Aufwand her wesentlich effektiver als eine Vermögensteuer und ist kommunikativ besser zu begleiten.
Quellen/weiterführende Informationen