Veranstaltung: | 50. Bundesdelegiertenkonferenz Wiesbaden |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Diversitätsrat (dort beschlossen am: 13.09.2024) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 19.09.2024, 10:26 |
V-01: Wir gestalten die vielfältige Migrationsgesellschaft
Antragstext
Ob über Klimaschutz, Migration oder Diversität: In unserem Land wird derzeit
viel diskutiert. Der Rückschluss, dass wir in einer zutiefst polarisierten
Gesellschaft leben, ist aber dennoch nicht folgerichtig.Denn unsere Demokratie
ist auf ständige Aushandlung und gemeinsame Verständigung angewiesen; sie sind
Ausdruck einer lebendigen und vielfältigen Gesellschaft. Die Mehrheit der in
Deutschland lebenden Menschen befürworten eine plurale, liberale Gesellschaft
und erkennen an, dass wir eine Migrationsgesellschaft sind. Das haben nicht
zuletzt die Demonstrationen gegen rechtsextreme Kräfte, wie die AfD, und für den
Schutz unserer Demokratie gezeigt.
Unser Land ist vielfältiger denn je. Diese Vielfalt ist eine zentrale Stärke
unserer Gesellschaft. Immer mehr Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven und
Erfahrungen tragen aktiv zu den Aushandlungsprozessen bei, wie wir als
Gemeinschaft zusammenleben wollen. Migrant*innen und ihre Nachkommen haben
maßgeblich zum Aufbau und zur Weiterentwicklung unseres Landes beigetragen. Sie
sind ein integraler Bestandteil unserer Gesellschaft und spielen eine
Schlüsselrolle in der Gestaltung unserer gemeinsamen Zukunft.
Eine stetig voranschreitende und gelingende Integration und Teilhabe führt aber
auch zu der Entstehung neuer Konflikte in unserer Gesellschaft. Denn die
zunehmende Vielfalt und Teilhabe führt zu einer zunehmenden Gegenwehr derer, die
die Vielfalt unserer Gesellschaft infrage stellen. Rechtsextreme und reaktionäre
Akteur*innen versuchen, unsere Gesellschaft in scheinbar unvereinbare Lager zu
spalten und Menschen gegeneinander auszuspielen. Ihre aggressive Rhetorik findet
sowohl in Deutschland als auch in Europa zunehmend Zustimmung, was sich im
Aufstieg rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien zeigt.
Die Aufgabe aller demokratischen Parteien muss es sein, dem Rechtsruck eine
klare Absage zu erteilen und stattdessen die Aushandlungsprozesse zur Gestaltung
unseres Zusammenlebens konstruktiv zu fördern.Einer Aneignung reaktionärer
Rhetorik und einer Verschiebung des gesellschaftlichen Diskurses nach rechts
müssen wir uns gemeinsam entgegenstellen. Denn gerade in Krisenzeiten brauchen
wir Zusammenhalt und eine Gesellschaft, die allen Bürger*innen gleiche Rechte
und Möglichkeiten sichert und den Wohlstand gerecht verteilt.
Solange wie beispielsweise Menschen mit Migrationsgeschichte auf dem
Wohnungsmarkt diskriminiert, Menschen mit Behinderung der Zugang zu vielen
Lebensbereichen verwehrt wird, queere Familienformen nicht anerkannt werden und
Kinder aus armutsbetroffenen Familien nicht denselben Zugang zu Bildung haben,
ist das Versprechen der liberalen und gleichberechtigten Gesellschaft nicht
erfüllt.
Reaktionäre Kräfte bezeichnen das Eintreten für Vielfalt und Gleichberechtigung
oft als “Kulturkampf”. Gleichzeitig bemängeln einige Linke, dass es sich dabei
um Einzelinteressen handle und die grundlegende ökonomische Verteilungsfrage in
den Hintergrund rücken würde. Doch für uns bedeutet der Einsatz für
Gleichberechtigung und Vielfalt immer auch den Einsatz für soziale Gerechtigkeit
und eine Politik, die Ressourcen gerecht verteilt. Denn als feministische Partei
wissen wir, dass die Frage der Verteilung von Ressourcen eng mit der Frage der
Diskriminierungsfreiheit verknüpft ist. Dort, wo es keine gerechte Verteilung
von Ressourcen gibt, wird es keine gerechte Gesellschaft geben. Und dort, wo es
keine Diskriminierungsfreiheit gibt, wird es keine gerechte Verteilung von
Ressourcen geben. Menschen mit Migrationsgeschichte, queere Menschen, Frauen,
Menschen mit geringem sozio-ökonomischen Status und behinderte Menschen sind
häufig die Ersten, die die Folgen ungleicher Verteilung und systemischer
Diskriminierung zu spüren bekommen. Ihre Erfahrungen und Perspektiven müssen
daher zentral in den politischen Diskurs einfließen, um wirklich alle
einzubeziehen.
Wir wissen, dass unser Land stärker ist, wenn wir in unserer Vielfalt
zusammenhalten. Wir wissen, dass unsere Gesellschaft stärker ist, wenn wir uns
in gegenseitigem Respekt vor unseren unterschiedlichen Erfahrungen, Perspektiven
und Lebensrealitäten begegnen. Das zu leben, kann herausfordernd sein. Doch
Konflikte, die konstruktiv ausgetragen werden, sind der Motor des
gesellschaftlichen Fortschritts. Das Zusammenbringen unterschiedlicher
Perspektiven führt dazu, dass mehr produktive und kreative Energie freigesetzt
wird; es führt dazu, dass wir als Gesellschaft bessere Antworten auf die Krisen
unserer Zeit finden. Aufgabe der Politik ist es, den Rahmen für eine
konstruktive Debattenkultur zu schaffen.
Zur Bundestagswahl gilt es mehr denn je, unsere vielfältige und demokratische
Migrationsgesellschaft zu verteidigen. Dafür braucht es eine Vision, die nicht
spaltet, sondern Probleme konstruktiv und gemeinsam löst. Dabei werden wir von
folgenden Grundsätzen geleitet:
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen für eine gerechte Gesellschaft - der Kampf für die
gleichberechtigte Teilhabe, Freiheit, Feminismus, Vielfalt und Gerechtigkeit
sind Teil unserer DNA. Wir wollen, dass alle Menschen den gleichen Zugang zu
Ressourcen und Teilhabe haben. Wir stehen für eine Politik, die soziale
Gerechtigkeit in den Mittelpunkt ihres Handelns stellt.
Vielfalts- und Antidiskriminierungspolitik sind Voraussetzungen für eine
gleichberechtigte Gesellschaft. Wir stehen für eine Politik, die den Menschen in
seiner Vielfalt in den Mittelpunkt rückt, gleichberechtigte Teilhabe garantiert
und unterschiedliche Interessen und Erfahrungen einbezieht. Für uns ist das kein
„Nice-to-have“ oder das Erfüllen von Einzelinteressen, sondern eine zentrale
Frage unserer Demokratie. Denn dort, wo Menschen ausgeschlossen werden, wenden
sie sich ab; dabei kann unsere Gesellschaft nur dann stark sein, wenn Menschen
an ihrer Gestaltung mitwirken. Wir verstehen Antidiskriminierungspolitik als
Politik, die Fortschritt für alle Menschen in diesem Land bringt.
Wir gestalten eine Integrationspolitik, die Perspektiven schafft und Ankommen in
einer vielfältigen Migrationsgesellschaft als wechselseitigen Prozess mit dem
Ziel, gleiche Zugänge und Teilhabechancen in allen Bereichen des Lebens zu
schaffen, versteht. Dieser Prozess stellt sowohl eine Herausforderung für die
dar, die neu zu uns kommen, als auch für alle, die schon länger hier leben.
Diesen Herausforderungen stellen wir uns und erarbeiten Antworten auf die
drängenden Fragen unserer Zeit. Wir wollen, dass Deutschland zu einem stabilen
und gut funktionierenden Einwanderungsland wird, Menschen zusammenkommen und wir
als Gesellschaft einen gemeinsamen Weg einschlagen. Anstatt zu spalten und
Gruppen gegeneinander auszuspielen, führen wir unterschiedliche Perspektiven und
Erfahrungen zusammen, nehmen sie ernst und sehen die Chancen, die mit der
Förderung einer vielfältigen Gesellschaft einhergehen. Dabei stellen wir uns
einer Verschiebung des Sagbaren sowie pauschalisierenden und diskriminierenden
Aussagen entschieden entgegen. Denn sie verhindern den demokratischen Diskurs
und verschärfen unsere gesellschaftlichen Konflikte. So schaffen wir Vertrauen
in unsere Integrationspolitik.
Wir schaffen den Rahmen für die konstruktive Austragung gesellschaftlicher
Konflikte. Wir wollen, dass alle Menschen in unserem Land gesehen und gehört
werden. Demokratie lebt vom Dialog und dem Wettstreit um die besten Ideen. Nicht
selten sind diese Konflikte anstrengend und verlangen uns als Gesellschaft viel
ab. Doch im gemeinsamen Ringen setzen wir die Maßstäbe für unser Zusammenleben
neu und erweitern als Gesellschaft unsere Perspektive. Wir nehmen uns dieser
Konflikte an. Grundlage dafür sind immer die Prinzipien des Grundgesetzes sowie
die Rechte und Pflichten, die sich daraus ergeben.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen für eine Politik, die die Vielfalt unserer
Gesellschaft stärkt und die Freiheit aller verteidigt. Wir gestalten die Zukunft
Deutschlands als eine gerechte, offene und vielfältige Migrationsgesellschaft.
Die Debatten der letzten Monate, wie beispielsweise um das
Selbstbestimmungsgesetz, Asylrechtsverschärfungen und Abschiebungen, haben viele
Menschen aus marginalisierten Gruppen vor den Kopf gestoßen. Hier wollen wir
wieder Vertrauen zurückgewinnen. Als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist es unsere
Aufgabe, dem Rollback von Teilen unserer Gesellschaft entschieden
entgegenzutreten.