Das Bundesurlaubsgesetz gibt 24 Werktage Urlaub vor. Werktage sind dabei alle Tage von Montag bis Samstag, also 6 Tage in einer Woche. Das ergibt einen Jahresurlaub von 4 Wochen. Bei einer 5 Tage Woche hat man also 20 Tage Urlaub. Durch die Gestaltung des Bundesurlaubsgesetz ergibt eine Erhöhung der bezahlten Urlaubstage von mindestens 6 Tagen, bei einer 5 Tage-Woche exakt eine Woche mehr bezahlten Urlaub, bei einer Erhöhung um 12 respektive zwei Wochen mehr bezahlten Urlaub, usw.
Zur Begründung
Die Anzahl der Krankheitstage und Arbeitsunfälle aufgrund psychischer Erkrankungen hat in den letzten Jahren stark zugenommen, pro Jahr sind davon 17.8 Millionen Menschen in Deutschland betroffen. Vor allem Arbeitnehmer*innen im sozialen, hauswirtschaftlichen oder medizinischen Bereich stechen hier überproportional heraus. Psychische Erkrankungen sind die zweithäufigste Ursache für Krankheitstage im Beruf, häufigster Grund für Frühverrentungen und an 50% -90% aller Suizide beteiligt. Laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) reduzierte sich der Anteil der Personen, die ihre psychische Gesundheit als sehr gut oder ausgezeichnet bezeichneten von 46 % im Frühjahr 2021 auf 36 % Ende 2022. Der Anteil der Personen, deren depressive Symptome als auffällig zu bewerten sind, hat sich seit 2019 annähernd verdoppelt. Neben einer guten Behandlungs- und Vorsorgeinfrastruktur im Gesundheitswesen müssen wir eine der häufigsten Ursachen für psychische Erkrankungen in Angriff nehmen: arbeitsbedingter Stress, Druck und Überlastung
Als arbeitsplatzbezogene Risikofaktoren für psychische Erkrankungen gelten Überstunden, fehlende soziale Unterstützung und geringer Handlungsspielraum in der Mitbestimmung um dagegen anzugehen empfiehlt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin u.a. die Arbeitszeit zu begrenzen und die Bestimmung darüber partizipativ zu gestalten sowie Arbeit und Erholung ausbalancieren. Eine Maßnahme die am schnellsten wirksam wäre, ist die Anhebung des gesetzlichen Mindesturlaub. Seit 30 Jahren, genau genommen seit 1995, wurde der gesetzliche Mindesturlaub - geregelt im Bundesurlaubsgesetz - nicht mehr angehoben. Seit 1995 ist die Zahl der genommenen Urlaubstage auch nicht merklich gestiegen, parallel dazu ist aber die jährlich erbrachte Arbeitszeit von 52,2 in 1991 auf 54,7 Milliarden Wochenstunden angestiegen.
In Deutschland hat eine Arbeitnehmer*in im reinen Durchschnitt Anspruch auf 28,3 Urlaubstage – ohne die gesetzlichen Feiertage gerechnet. Im Schnitt genommen, werden 31 Urlaubstage im Jahr. Allerdings ist die Zahl der Urlaubstage pro Arbeitnehmer*in ungleich verteilt - dabei finden sich dafür mehrere Faktoren: Neben Alter und Region spielen vor allem die Bezahlung, Geschlecht, Tarifbindung und Unternehmensgröße eine Rolle:
Organisationsgrad/ Tarifbindung: Innerhalb der Branchen gibt es Unterschiede von bis zu 4 Tagen. Maßgeblich hierfür ist der Organisationsgrad der Arbeitnehmer*innen, sprich gewerkschaftlich geschaffene Tarifbindung, den nicht alle Arbeitnehmer*innen profitieren von der höheren Anzahl an Urlaubstagen die eben nur durch Tarifverträge und darauf basierende betriebliche Vereinbarungen geschaffen wurden. Vor allem Beschäftigten in schlecht abgesicherten Arbeitsverhältnissen und geringverdienende Arbeitnehmer*innen würden hiervon profitieren. Zwischen großen und kleinen Unternehmen besteht ein Unterschied im Schnitt von 2 Urlaubstagen im Jahr. Zwischen einzelnen Berufen von übermäßig gut zu schlecht/ gering entlohnten gibt es Unterschiede von sieben Urlaubstagen im Jahr.
Gewerkschaften haben nach langen Kämpfen 6 Wochen Tarifurlaub errungen. Der gesetzliche Mindesturlaub hingt diesem hinterher. Gerade bei abnehmender Tarifbindung und schlechter werdenden Organisationsgrad der Arbeitnehmer*innen müssen wir hier eingreifen und errungene Standards gesetzlich absichern.
Gender: Ein wesentlicher Grund auf die die steigende Anzahl der geleisteten Wochenarbeitsstunden zurückzuführen ist, ist die gestiegene Erwerbsbeteiligung von Frauen. Allerdings wurde mit dieser, die Verteilung in der Care-Arbeit nicht verändert. Menschen die hauptsächlich die Care-Arbeit auf sich nehmen, und das überwiegend Frauen werden doppelt belastet. Zudem haben Männer im Schnitt 1,1 Tage mehr Urlaub pro Jahr als Frauen. Sie kommen auf durchschnittliche 28,8 Urlaubstage, während die weiblichen Beschäftigten sich mit 27,6 Tagen begnügen müssen. Es besteht somit nicht nur bei der Verteilung der Care-Arbeit, dem Gender-Pay-Gap Ungerechtigkeit sondern auch zwischen den Geschlechtern beim Urlaub.
Verglichen mit der internationalen Lage, besonders der EU befindet sich Deutschland an vorletzter Stelle, vor Griechenland. Unser Nachbarland Österreich hat im Schnitt 38 Urlaubstage, davon sind 30 Tage das gesetzliche Minimum, ab 25 Dienstjahre hat man Anspruch auf 36 Tage – ganze 12 Tage mehr als hierzulande.
Zwar gibt es eine gestaffelte Anzahl an Urlaubstage nach Arbeitszeit, diese gilt aber nur nach Arbeitstage, nicht nach der exakt geleisteten Arbeitszeit – es gibt also kein Unterschied beim Urlaubsanspruch zwischen einer 40 Stunden Woche und einer 50 oder 60 Stunden Woche – oder höher.
Fazit:
Eine Anhebung des gesetzlichen Urlaubsanspruch schafft einen höheren Mindesstandard und entlasten damit vor allen gezielt geringverdienende Arbeitnehmer*innen, Arbeitnehmer*innen in schlecht abgesicherten Arbeitsverhältnissen sowie genderkonstruierte strukturelle Diskriminierung von FLINTA* (Frauen, Lesben, Intergeschlechtliche , Nonbinäre und agender Personen) in der Arbeitswelt. Gerade bei einer abnehmenden Tarifbindung – minus 25 Prozentpunkte in westdeutschen Bundesländern (2023: 51%) und minus 19 Prozentpunkte in ostdeutschen Bundesländern (2023: 45%) – auf die eben gute Arbeit und faire Behandlung beruht, ist es wichtig errungene Standards gesetzlich abzusichern.
Damit sichern wir gute Arbeit für morgen ab.
Quellen:
Endlich Urlaub | ver.di - Der Kampf um guten bezahlten Urlaub
DGPPN_Factsheet_Kennzahlen.pdf
PSYCHISCHE GESUNDHEIT IN DEUTSCHLAND · Bericht Teil 1 – Erwachsene (RKI)
Arbeitsausfälle: Massive Zunahme wegen psychischer Erkrankungen (Ärtzeblatt)
DAK-Psychreport 2024 (DAK-Gesundheitskasse)
Statistiken zu psychischen Erkrankungen | Statista
Arbeitszeit: Trends, Wunsch und Wirklichkeit Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
Tarifbindung von Arbeitnehmern - Statistisches Bundesamt
Urlaubsanspruch - WKO Urlaubsanspruch in Österreich
EU-Vergleich für Urlaubstage: Deutschland auf vorletztem Platz - Business Insider
Durchschnittliche Anzahl der genommenen Urlaubstage - Statistisches Bundesamt
Durchschnittliche Urlaubstage in Deutschland
Studie zeigt große Unterschiede beim Urlaubsanspruch - Personalwirtschaft