Die sogenannten Sozialkosten, festgeschrieben durch die unterschiedlichen Sozialgesetzbücher des Bundes, machen gerade in strukturschwachen Städten und Gemeinden mitunter fast die Hälfte der kommunalen Ausgaben aus - Tendenz stark wachsend. Dadurch stürzen diese Kommunen zunehmend in ein nicht mehr zu kompensierendes Defizit und bauen seit wenigen Jahren auch wieder verstärkt Liquiditätskredite ("neue Altschulden") auf.
Es ist überfällig, über die Verteilung der finanziellen Lasten für die Sozialgesetzgebung des Bundes („wer zahlt was?“) neu zu sprechen.
Drei Beispiele zum Hintergrund:
Einer der größten und am schnellsten wachsenden Ausgabeposten im Bereich der kommunalen sozialen Leistungen sind die „Hilfen zur Pflege“ nach dem siebten Kapitel SGB XII. Zwar hatte der Anfang 2022 eingeführte Leistungszuschlag der Pflegekassen für die Pflegegrade zwei bis fünf (in vollstationärer Pflege, gemäß Paragraph 43c SGB XI) die Belastung im Jahr 2022 noch um nahezu ein Drittel gesenkt. Seitdem aber steigen die kommunalen Ausgaben wieder rasant an. Im Jahr 2023 mussten damit bundesweit 4,5 Milliarden Euro von den Kommunen allein getragen werden.
Die Kosten der Eingliederung von Menschen mit Behinderung (SGB IX) stellen eine weitere überproportional wachsende Belastung für die kommunale Familie dar. Obwohl die Kosten für die verschiedenen Leistungen der Eingliederungshilfe bundesweit seit 2020 von 21,6 Milliarden auf rund 26 Milliarden Euro im Jahr 2023 gestiegen sind, verharrt der Anteil des Bundes seit Einführung des Bundesteilhabegesetzes 2018 bei fünf Milliarden Euro. Über 80 Prozent der Kosten werden also heute bereits von Ländern bzw. Kommunen geschultert, Tendenz stark steigend.
Die größten Steigerungen jedoch gab es in den vergangenen zehn Jahren im Bereich der Kosten für die Kinder- und Jugendhilfe (SGB XIII). Lagen die bundesweiten Kosten für Leistungen wie die Kindertagesbetreuung oder die Hilfen zur Erziehung 2013 noch bei rund 35 Milliarden Euro, so betrugen sie 2022 mit 65 Milliarden Euro fast das Doppelte. Dabei stemmen die Kommunen nicht nur die kommunalen Anteile im wachsenden und von Beginn an unterfinanzierten Bereich der Kindertagesbetreuung. In der öffentlichen Diskussion weit weniger beachtet, steigen die Kosten für die Hilfen zur Erziehung nach § 27 SGB XIII seit Jahren ebenfalls rapide an.
Angesichts der heute schon massiven Belastung der kommunalen Haushalte durch die Kosten der Sozialgesetzgebung und des hohen Risikos weiterer Kostensteigerungen ist es wichtig, dass der Bund einen wesentlich größeren Anteil daran übernimmt. Angemessen, um die Kommunen wieder auf solide finanzielle Füße zu stellen, wäre ein Anteil von 15 Milliarden jährlich bei entsprechender Dynamisierung übernehmen.
Drei beispielhafte Szenarien zur Lösung:
Alternative 1: Der Bund übernimmt, statt der bisherigen rund 20 Prozent, zukünftig dauerhaft 80 Prozent der Kosten für die Eingliederungshilfe und entlastet die Kommunen so um ca. 15,8 Mrd. Euro pro Jahr.
Alternative 2: Der Bund übernimmt dauerhaft jeweils 50 Prozent der Kosten der Eingliederungshilfe (Entlastung rund 7,6 Mrd. Euro) und der Hilfen zur Erziehung (Entlastung 7,5 Mrd. Euro) und entlastet die Kommunen so um mindestens 15 Mrd. Euro pro Jahr.
Alternative 3: Der Bund übernimmt dauerhaft alle Kosten, die sich aus dem SGB XII ergeben (Hilfen zur Pflege, zum Lebensunterhalt und sonstige Hilfen, Entlastung ca. 7,5 Mrd. Euro) sowie dauerhaft 50 Prozent der Kosten der Eingliederungshilfe (Entlastung 7,6 Mrd. Euro) oder der Hilfen zur Erziehung (Entlastung 7,5 Mrd. Euro) und entlastet die Kommunen so um mindestens 15 Mrd. Euro pro Jahr.