Bestimmte globale Gesundheitsherausforderungen sollten aufgrund ihrer Dimension dezidiert im Wahlprogramm Erwähnung finden.
1. Zunehmende Antibiotikaresistenzen stellen eine globale gesundheitliche und sozioökonomische Gefahr dar. Schätzungsweise 1.27 Millionen Todesfälle wurden 2019 weltweit auf arzneimittelresistente bakterielle Infektionen zurückgeführt, dies betrifft Menschen aller Altersgruppen und Weltregionen (https://apps.who.int/gb/ebwha/pdf_files/EB154/B154_13-en.pdf ), auch in Deutschland. (https://www.rki.de/DE/Content/Service/Presse/Pressemitteilungen/2022/06_2022.html ). Antibiotikaresistenzen haben erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier, die Lebensmittelproduktion und Umwelt und bedrohen die Erreichung mehrerer Ziele für nachhaltige Entwicklung. Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika auf marktüblichem Weg scheitert wegen mangelnder Lukrativität für Unternehmen (https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr/antibiotika-pharmakonzerne-101.html). Dieses Problem muss daher politisch angegangen werden: durch Intensivierung von Forschung & Entwicklung, wie auch durch Vorbeugung der Entwicklung neuer Resistenzen, insbesondere in der Tierhaltung. Es gibt genügend Gründe, um Antibiotikaresistenzen zumindest einmal in unserem Wahlprogramm zu erwähnen (der Begriff Bürokratie/(un-)bürokratisch taucht hingegen über 30 Mal auf).
2. Die Klimakrise ist eine der größten Gesundheitsbedrohungen unserer Zeit, so auch die einhellige Auffassung der Wissenschaft und Weltgesundheitsorganisation. Zwischen 2030 und 2050 wird erwartet, dass die Klimakrise allein durch Unterernährung, Malaria, Durchfallerkrankungen und Hitzestress etwa 250 000 zusätzliche Todesfälle pro Jahr verursacht. Gleichzeitig können Maßnahmen zur Mitigation und Adaptation (gesündere Luft, Ernährung, Fortbewegung, Städte) große gesundheitliche Vorteile für die Bevölkerung bringen und setzen der oftmals instrumentalisierten "Verzichtsdebatte" etwas Positives entgegen. Der Zusammenhang von Klima und Gesundheit wird an keiner Stelle im Wahlprogramm klar hervorgehoben, weswegen es sich hier anbietet.
3. Pandemien sind nicht nur eine Frage der öffentlichen Gesundheit, sondern auch eine bedeutende politische Herausforderung. Ihre globalen Auswirkungen erfordern internationale Zusammenarbeit und vorausschauende politische Planung. Ein internationales Pandemieabkommen könnte entscheidend dazu beitragen, dass die Welt besser vorbereitet ist und effektiver auf Ausbrüche reagieren kann. Die Notwendigkeit, globale Gesundheitssysteme zu stärken, die Verteilung medizinischer Ressourcen gerecht zu gestalten und die Forschung zu intensivieren, kann nicht länger nur auf nationaler Ebene angegangen werden. Ein verbindliches, internationales Abkommen ist daher ein zentraler Schritt, um zukünftigen Pandemien effektiv zu begegnen. In den letzten vier Jahren hat sich Deutschland sehr proaktiv für ein solches Abkommen eingesetzt und auf WHO-Ebene mitverhandelt. Diese Verhandlungen sind aktuell ins Stocken geraten. In unserem letzten Wahlprogramm wie auch im Grundsatzprogramm sprechen wir uns dafür aus, pandemische Ausbrüche in Zukunft besser vorzubeugen, koordinierter zu bekämpfen und Reformen auch nach der Pandemie nicht zu verschleppen. In diesem Sinne sollen wir uns auch vehement für den Abschluss eines internationalen Abkommens einsetzen und dies einmal im Programm erwähnen.
4. Nicht-übertragbare Erkrankungen (z.B. Diabetes, Herz-Kreislauf-, chronische Atemwegs- und Krebserkrankungen) sind seit Jahrzehnten im Aufwärtstrend und unter den Haupttodesursachen führend. Die Geschäftspraktiken großer Tabak- und Lebensmittelunternehmen, wie auch der fossilen Industrie (Big Tobacco, Food, Alcohol & Fossils) sind hierfür hauptverantwortlich (https://www.theguardian.com/society/article/2024/jun/12/tobacco-alcohol-ultraprocessed-foods-fossil-fuels-deaths). Politisch müssen diese verstärkt und primär verhältnispräventiv angegangen werden, so ist Deutschland bei der Tabakkontrolle im europäischen Vergleich weiterhin Schlusslicht (https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/sonstVeroeffentlichun gen/2021_Strategie-fuer-ein-tabakfreies-Deutschland-2040_dp.pdf) . Wir können Industrien nicht aus der Verantwortung übernehmen, wenn ihre Geschäftsmodelle mit hohen gesundheitlichen und gesamtgesellschaftlichen Kosten verbunden sind.
5. Desinformation kennen wir aus der COVID-19-Pandemie zu gut. Bei der Gesundheit führt dies z.B. zu niedrigeren Impfquoten, verzögerten Diagnosen, falschen Behandlungsentscheidungen und kann Leben kosten. Darüber hinaus untergräbt Desinformation das Vertrauen in medizinisches Fachpersonal und öffentliche Gesundheitssysteme, was langfristig Bekämpfung von Ausbruchsgeschehen und andere Gesundheitsmaßnahmen erschwert. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, auch Desinformation an dieser Stelle hervorzuheben.