Eltern bleibt man immer, auch nach einer Trennung. Deswegen ist der Begriff Einelternfamilie verwirrend.
Antrag: | Wir holen Kinder aus der Armut und fördern Familien |
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Antragsteller*in: | Franziska Brantner (Heidelberg KV) und 19 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 0%) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 30.04.2017, 11:26 |
Kommentare
Guido Lieder:
dein Antrag und deine Email zu GS-KA-01 Zeile 6
„schwierigen Bedingungen: In 'Einelternfamilien' [DURCHGESTRICHEN BZW. ZU STREICHEN] 'Alleinerziehendenfamilie' [GRÜN + UNTERSTRICHEN] muss eine Person die Aufgaben allein"
bzw. „Einelternfamilien“ ersetzen durch „Alleinerziehendenfamilie“
https://antraege.gruene.de/bdk41/Wir_holen_Kinder_aus_der_Armut_und_foerdern_Familien_-31607/1710
vom 30.4.17 (Siehe auch deine Email vom 2.5.17) überrascht und erstaunt.
Der von dir vorgeschlagene konservative und reaktionäre Begriff „Alleinerziehend" ist ebenfalls verwirrend oder noch verwirrender als der moderne Begriff „Ein-Elternfamilien" bzw. beide Begriffe mögen verwirrend sein.
Bereits im Jahr 2013 hat die NAK (Nationale Armutskonferenz) das Wort „Alleinerziehend" auf die Liste der sozialen Unwörter gesetzt.
Wir sprechen heutzutage nach Trennung eher von „getrennt-erziehenden" Eltern und vor einer Trennung von „gemeinsam-erziehenden" Eltern.
Die Pflicht zur Erziehung ist über das Sorgerecht definiert BGB § 1631 Abs. 1 („Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind ... zu erziehen ...").
Das Sorgerecht und somit die Pflicht zur Erziehung (bzw. zu „gemeinsam-erziehend" oder „getrennt-erziehend") ist heutzutage selbstverständlich auch nach einer Scheidung und auch ohne Heirat i.d.R. immer bei beiden Eltern (Seit 1998 nach Scheidung. Seit 2013 sowie rückwirkend für Unverheiratete).
Dies entspricht auch den Staatenpflichten aus dem Staatsvertrag der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen Art. 18 („Die Vertragsstaaten bemühen sich nach besten Kräften, die Anerkennung des Grundsatzes sicherzustellen, dass beide Elternteile gemeinsam für die Erziehung und Entwicklung des Kindes verantwortlich sind."). Laut DIMR ist Art. 18 selbstverständlich auch für Kinder getrennt-lebender bzw. unverheirateter Eltern gültig.
Die Nutzung des Wortes „getrennt-erziehend" zeigt den Anspruch der Kinder und die Pflicht beider Eltern sehr deutlich auf, die Erziehung und Betreuung von Kindern - auch bei Trennung - gemeinsam zu ermöglichen und gemeinsam zu leisten.
Dies entspricht einer moderen Sicht auf Familie und einer modernen Familienpolitik.
Insofern ist es i.d.R. irreführend heutzutage noch den Begriff „alleinerziehend" zu nutzen.
Selbst das Bundesfamilienministerium hat sich inzwischen ganz offiziell festgelegt das Begriffspaar „getrennt-erziehend" und „alleinerziehend" zu nutzen. Wobei „getrennt-erziehend" die große Anzahl getrennt-lebender Eltern und Familien beschreibt und „alleinerziehend" nur die relativ kleine Anzahl evtl. verwitweter Mütter oder Väter beschreibt.
Ich möchte auch darauf hinweisen, dass wir nicht in konservative Denkschemata hinter CDU/CSU, SPD oder FDP zurückfallen sollten.
Hierzu zählt auch das verwandte Thema der „Doppelresidenz".
Ich selber arbeite an einem Gericht an dem 9 der 10 Richter inzwischen über sehr lange Zeiträume durchgehend exzellente Erfahrungen mit der Doppelresidenz (bzw. sogenanntes Wechselmodell, alternierende Obhut, gemeinsame Obsorge, ...) erzielt haben und die Doppelresidenz durchgehend bevorzugen. Dies setzt sich auch an den anderen Gerichten immer stärker durch.
Die herausragende Expertin zu diesem Thema Frau Prof. Dr. Sünderhauf bestätigt dies fundiert und vollständig aus wissenschaftlicher Sicht.
Der BGH hat zu diesem Thema mit Aktz. XII ZB 601/15 am 1.2.2017 jetzt sehr positiv Klarheit geschaffen und einer moderneren Familienpolitik weite Räume eröffnet.
(Ergänzend: Evtl. Kommunikationsprobleme oder Meinungsdifferenzen von Familien zeigen vielmehr auf, dass sehr häufig die Jugendämter und Familienberatungsstellen ihren Verpflichtungen aus SGB VIII § 1 Abs. 3 nicht nachkommen bzw. bzgl. der in solchen Verfahren für die Familien fast immer sehr hilfreichen und erfolgreichen Kommunikationstrainings oder Sozialtrainings, erhebliche Qualitätsdefizite der jeweiligen Jugendämter und Familienberatungsstellen bestehen könnten oder solche zentral wichtigen Trainings und Kurse vor Ort sogar evtl. oftmals nicht einmal existieren.)
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&sid=a23f70561add7896bccb4a06c460e3df&nr=77517&pos=0&anz=1
Die SPD hat hierzu direkt ein sehr positives Positionspapier veröffentlicht.
www.spdfraktion.de/themen/wechselmodell-je-haelfte-mama-papa-wohnen
www.spdfraktion.de/system/files/documents/positionspapier_wechselmodell_07032017.pdf
Die FDP hat letztes Wochenende überraschend sogar noch positivere und progressivere Maßstäbe gesetzt. www.fdp.de/sites/default/files/uploads/2017/04/30/fdp-bundestagswahlprogramm-2017.pdf
(Seite 48 ganz oben)
Siehe auch die sehr positive Resolution 2079 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 2.10.2015.
Wir sollten mindestens so moderne und zukunftsweisende Positionen vertreten.
Insbesondere diejenigen die die vorrangigen Kinderrechte tatsächlich in den Mittelpunkt stellen (Vgl. Kinderrechtskonvention, Art. 3 und Art. 4).
Die Veröffentlichung in der SZ ist im Vergleich hierzu viel zu „dünn".
www.sueddeutsche.de/politik/wechselmodell-mehr-platz-mehr-kleider-zwei-paar-stiefel-1.3462582
Weitere Informationen zum Thema „Getrennt-Erziehend" und „Allein-Erziehend" findest du auf:
www.Guido-R-Lieder-Verfahrensbeistand.de/hinweise/getrennterziehende_vs_alleinerziehende/
Viele herzliche grüne Grüße
Guido