Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz NRW |
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Tagesordnungspunkt: | AL Aktuelle Politische Lage |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 14.08.2020 |
Eingereicht: | 15.08.2020, 11:18 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Heute das Morgen in NRW gestalten
Beschlusstext
Die Corona-Pandemie beherrscht seit Monaten den Alltag in Nordrhein-Westfalen.
Hier fand einer der ersten großen Ausbrüche statt. Fast 50.000 Menschen haben
sich bisher mit dem Corona-Virus infiziert und über 1.700 Menschen sind in
diesem Zusammenhang verstorben. Monatelang konnten Kinder nicht in die Kita oder
zur Schule gehen. Viele Eltern, besonders Frauen, haben ihren Jahresurlaub als
Aushilfserzieher*innen und -lehrer*innen verbracht. Hunderttausende Menschen in
Nordrhein-Westfalen sind in Kurzarbeit oder haben ihre Arbeit verloren,
unzählige wirtschaftliche Existenzen sind gefährdet oder vernichtet. Der Betrieb
vieler Einrichtungen läuft immer noch eingeschränkt.
Deutschland und NRW sind im internationalen Vergleich relativ glimpflich durch
die erste Pandemie-Welle gekommen. Wir GRÜNE haben von Anfang an die strikten
Maßnahmen zur Eindämmung des Virus unterstützt. Was wir in vielen anderen
Politikbereichen seit Jahren fordern – Listen to Science – wurde zu Beginn der
Pandemie erfolgreich umgesetzt. Das hat viele Menschenleben gerettet und unser
Gesundheitssystem vor der Überforderung bewahrt.
Wir befinden uns immer noch mitten in der Pandemie. Bis ein Impfstoff oder
wirksames Medikament gefunden und verbreitet ist, wird uns die Eindämmung des
Virus noch viele Monate begleiten. Für uns GRÜNE steht an oberster Stelle, dass
wir das Virus so in Schach halten, dass die Infektionsketten vor Ort
nachvollziehbar bleiben und wir nicht nochmal ähnlich tiefgreifende Shutdown-
Maßnahmen wie im März und April brauchen. Das ist eine riesige Herausforderung
und stellt Politik vor schwierige Abwägungen, die Balance zwischen Gesundheits-
und Infektionsschutz auf der einen und der Einschränkung von Freiheit auf der
anderen Seite zu treffen. Richtschnur dafür muss ein wissenschaftlich fundiertes
Corona-Management sein, das dem Vorsorgeprinzip folgt, die Lebenssituation der
Schwächsten berücksichtigt und Bürger*innen sowie denen, die diese Politik
umsetzen, klar und transparent kommuniziert wird.
Auch in der Krise müssen Grundrechte gesichert werden. Das Grundrecht auf Leben
und körperliche Unversehrtheit ist unbedingt zu achten. Wir fordern eine
zwischen Bund und Ländern abgestimmte, fortentwickelte, permanent evaluierte und
transparente Maßnahmenliste mit Sachständen und Bewertungsergebnissen. Bedingung
dafür ist die Verhältnismäßigkeit der Einschränkungen. Das
Infektionsschutzgesetz erlaubt die Einschränkung von anderen Grundrechten, um
die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Einschränkungen unserer Grundrechte,
wie zum Beispiel das Kontaktverbot, müssen immer zeitlich begrenzt sein und
andauernd nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip überprüft werden. Die
Einschränkung von Grundrechten kann immer nur der letzte Weg sein. Wir
beobachten mit Sorge, wie Verschwörungstheoretiker*innen und Rechte die Sorgen
der Menschen instrumentalisieren und die Debatte um Grundrechte mit falschen
Argumenten füttern, um für ihre Zwecke Hass zu säen.
Zugleich wollen wir GRÜNE auch über das kurzfristige Krisenmanagement
hinausdenken, wollen Gelegenheiten nutzen, heute das Morgen zu gestalten. Die
Corona-Krise lässt uns vieles neu überdenken und anders machen. Wie wir
arbeiten, uns fortbewegen, lernen und miteinander leben – all das wird gerade
neu verhandelt.
Wir GRÜNE treten bei der Kommunalwahl am 13. September dafür an, Mut zu machen
und Hoffnung auf ein besseres Morgen zu geben. Denn eine Rückkehr zur „alten
Normalität“ ist für uns nicht erstrebenswert. Viele Probleme waren hier schon
angelegt: soziale Ungleichheit und ein nicht inklusives Bildungssystem, das
diese noch verschärft, der Raubbau an unseren natürlichen Ressourcen, eine
schwache soziale Infrastruktur, ungleiche Aufteilung der Care-Arbeit zwischen
den Geschlechtern und ungleiche demokratische Teilhabechancen.
Bei allem notwendigen, kurzfristigen Krisenmanagement dürfen wir nicht
vergessen: Wir haben jetzt die Chance, langfristige politische Weichen für eine
freiere und gerechtere Gesellschaft zu stellen und für eine widerstandsfähige
Wirtschaft, die mit der Natur arbeitet statt gegen sie. Diese Chance wollen wir
nutzen.
Corona bekämpfen – vorsorgend, transparent,
verhältnismäßig und wissenschaftlich fundiert
Unserem Ansatz, jetzt einen nachhaltigen Wandel zu gestalten, steht eine
Landesregierung gegenüber, die sich dem Mantra der schnellstmöglichen Rückkehr
in „Verantwortungsvolle Normalität“ verschrieben hat. Doch die Betonung liegt
bisher zu wenig auf dem Begriff der „Verantwortung“. Denn die darf weder auf die
Kommunen noch auf die einzelnen Bürger*innen abgewälzt werden. Wer öffnet, trägt
Verantwortung. Dafür, dass im Hintergrund alles getan wird, um Infektionsrisiken
klein zu halten, neue Infektionsketten früh zu erkennen und besonders gefährdete
Gruppen zu schützen. Dafür brauchen wir vor allem eine umfassende Teststrategie
mit mehr Tests in Schulen, Kitas, Pflegeheimen und Sammelunterkünften sowie in
potenziellen Hotspots wie Schlachthöfen, Betrieben der fleischverarbeitenden
Industrie und Logistikzentren. Nur so können Infektionsketten frühzeitig
unterbrochen werden und größere Infektionsausbrüche verhindert werden. Diese
Strategie bleibt die Landesregierung nach wie vor schuldig. Die Beibehaltung der
Maskenpflicht in Bus und Bahn, beim Einkaufen und immer dort, wo die notwendige
physische Distanz nicht eingehalten werden kann, halten wir für ein
verhältnismäßiges Mittel zur Eindämmung von Neuinfektionen.
Wir setzen uns dafür ein, dass diejenigen, die Öffnungen umsetzten – Schul- und
Kitaleitungen, Pflegeheime, kommunale Verwaltungen oder Unternehmer*innen –
genügend Zeit bekommen, sich auf veränderte Regeln einzustellen. Die Vorgaben
und Rahmenbedingungen müssen klar sein und die Landesregierung muss bessere
Unterstützung leisten. Von der Schulöffnung im Mai bis zum skandalösen Fall
Tönnies ist klar geworden, dass Laschets Öffnungspolitik bisher häufig übereilt
und unklar war. Wir GRÜNE stellen uns entschieden dagegen, wenn die Schuld für
die Konsequenzen eines schlechten Corona-Managements auf andere geschoben wird –
etwa auf aus Südosteuropa eingereisten Arbeitnehmer*innen in der
Fleischindustrie. Es gibt keine Menschen erster und zweiter Klasse, und deshalb
darf es auch bei Arbeits-, Gesundheits- oder Infektionsschutz keine doppelten
Standards geben, so wie es anscheinend jahrelang der Fall gewesen ist. Wer hier
arbeitet, ob mit deutschem, rumänischem oder bulgarischem Pass, hat den
Anspruch, vor Ausbeutung und Gesundheitsgefahren geschützt zu werden.
Die Corona-Pandemie ist für uns alle nicht nur eine große Herausforderung, sie
deckt auch systembedingte Missstände gnadenlos auf. Die Massenunterbringung von
Geflüchteten über einen längeren Zeitraum – teilweise sogar bis zu 24 Monate –
war für uns GRÜNE schon vor der Corona-Krise inakzeptabel. Die Bewohnerinnen und
Bewohner der Flüchtlingsunterkünfte teilen sich oftmals mit mehreren Personen
ein Zimmer, sanitäre Anlagen und Gemeinschaftsküchen, die angemessene Hygiene-
und Schutzstandards insbesondere während einer Pandemie unmöglich machen.
Wir fordern deshalb, Geflüchtete möglichst schnell dezentral in den Kommunen
unterzubringen. Vulnerable Personen und Menschen, die den sogenannten Covid-19-
Risikogruppen angehören, müssen in den Flüchtlingsunterkünften systematisch und
schnell identifiziert und erfasst werden, um für sie besondere Schutzbedarfe
berücksichtigen zu können wie z. B. Unterbringung in getrennten Räumen, Schutz
vor Gewalt in Quarantäne, psychologische Betreuung, um Retraumatisierung zu
vermeiden. Alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, müssen präventiv und in
geeigneter Weise über Corona, allgemeine Schutzmaßnahmen und Verhalten im
Erkrankungsfall umfassend aufgeklärt werden. Neben mehrsprachigen
Informationsangeboten müssen für Aufklärung und Prävention auch verstärkt
Sprachmittler*innen eingesetzt werden. In allen Unterkünften für Geflüchtete
muss zudem der kostenlose Zugang zum Internet gewährleistet werden. Auch über
NRW hinaus sagen wir: Leave no one behind. Deshalb setzen wir uns dafür ein,
dass NRW ein Kontingent von Flüchtlingen aus den völlig überfüllten
Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln aufnimmt.
Wir streiten für eine veränderte Prioritätensetzung im Corona-Management. Armin
Laschets Öffnungspolitik war rhetorisch eine soziale, aber die Lockerungen waren
vor allem ökonomisch motiviert. Für Fußballspiele gab es früher Lösungen als für
Pflegeheime, Möbelhäuser hatten eine höhere Priorität als Kinderspielplätze.
Vorkehrungen, damit auch Angehörige besonders gefährdeter Gruppen ihre sozialen
Grundbedürfnisse ausleben können, müssen in Zukunft im Vordergrund stehen.
Für Schulen und Kitas braucht es einen Plan B, damit bei einer zweiten
Pandemiewelle eine Alternative zu Totalschließungen besteht. Denn die Corona-
Krise darf nicht zur Bildungskrise werden. Viel zu lang hat die Perspektive von
Kindern und Familien im öffentlichen Krisenmanagement eine untergeordnete Rolle
gespielt.
Bei der Schulöffnung haben wir uns früh dafür ausgesprochen, den Fokus nicht auf
Abschlussprüfungen, sondern auf pädagogische Bedarfe zu legen. Jetzt steht mit
der flächendeckenden Schulöffnung die nächste Bewährungsprobe an. Wir GRÜNE
haben schon im Frühjahr gefordert, dass rechtzeitig Konzepte dafür entwickelt
werden, dass möglichst alle Schüler*innen wieder regelmäßig Präsenzunterricht in
ihrer Schule erleben. Wir haben dafür auch konkrete Vorschläge vorgelegt. Anders
als die Landesregierung setzen wir dabei aber nicht darauf, dass flächendeckend
Abstandsregelungen ausgesetzt werden und Unterricht im vorgeblichen
"Regelbetrieb" stattfindet – in der Hoffnung, dass es schon gut gehen würde.
Schon jetzt wird die Landesregierung von ihren Versäumnissen eingeholt – die
Maskenpflicht an Schulen ist die Konsequenz einer Planung, die Unterricht mit 30
Kindern in schlecht zu belüftenden Räumen als alternativlos ansieht. „Das
Prinzip Hoffnung“ ersetzt keine verantwortliche Planung im Pandemiefall. Wir
halten deshalb an einem Plan B fest: Wir brauchen zusätzliches Personal in Form
von Lernbegleitteams u.a. aus Lehramtsstudierenden und Pensionär*innen, aber
auch aus studierten Quereinsteiger*innen der Geistes- und Naturwissenschaften
sowie zivilgesellschaftlichen Akteur*innen der Bildungsarbeit, z.B. Teach First.
Wir brauchen zusätzliche Räumlichkeiten außerhalb der Schulen, z.B. in
Vereinsheimen und Kirchengemeinden. So kann der Unterricht in festen
Kleingruppen organisiert werden. Gleichzeitig brauchen wir eine Regeltestung von
Schüler*innen und Lehrer*innen. Und es braucht eine Strategie für den Einsatz
digitaler Lernplattformen. Alle Schüler*innen in NRW müssen mit digitalen
Geräten und Kompetenzen ausgestattet werden, damit in Zukunft gemischte
Unterrichtskonzepte ohne Benachteiligung einkommensschwächerer Gruppen oder
Ausgrenzung von Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen möglich sind.
Auch viele Studierende wurden von der Corona-Krise hart getroffen. Klassische
studentische Beschäftigungsfelder, wie z. B. Nebenjobs in der Gastronomie, im
Einzelhandel sowie in der Event-Branche sind weggefallen. Die deutlich erhöhten
Studienabbruchquoten wie in Berlin alarmieren. Die Krise wurde zum Systemtest.
Das BAföG erreicht derzeit nur noch rund 15 % der Studierenden, die Zahlen sind
weiter rückläufig. Was Corona nur nochmal deutlicher gezeigt hat ist, dass wir
endlich die Öffnung sowie eine grundlegende Reform des BAföG brauchen, damit die
Corona-Krise die Unterschiede bei den Bildungschancen nicht vertieft.
In NRW gibt es hunderttausende Selbstständige sowie kleine und mittlere
Unternehmen. Auch unter ihnen sind tausende von der Krise hart getroffen, vor
allem aus der Veranstaltungsbrache, im Gastgewerbe, bei Schaustellern oder
Kulturschaffenden. Es ist richtig, dass das Land und der Bund mit „Soforthilfen“
und Bürgschaften einen Beitrag leisten, drohende Insolvenzen zu verhindern und
damit die Vielfalt in unserer Wirtschaft, Kultur und dem Gastgewerbe zu
erhalten. Die Soforthilfen des Bundes gehen leider komplett an der
Lebenswirklichkeit vieler Solo-Selbstständigen vorbei, da keine Kosten des
Lebensunterhaltes abgerechnet werden können. Obwohl die restriktiven Auflagen
für Großveranstaltungen verlängert wurden, ließ die Bundesregierung die davon
Betroffenen mit ihrem Konjunkturpaket im Regen stehen. Inzwischen drohen vielen,
die das Bundesprogramm in NRW in Anspruch genommen haben, Rückzahlungen, da die
Landesregierung zu Beginn andere Voraussetzungen kommuniziert hatte. Es ist gut,
dass die Landesregierung auf Druck der Betroffenen und der Opposition die
Rückzahlung ausgesetzt hat. Jetzt muss klar gemacht werden: Die
Abrechnungsregeln dürfen nicht im Nachhinein geändert werden oder zu neuen
Engpässen führen. Das landeseigene kleine Hilfsprogramm zur Existenzsicherung,
das die Landesregierung auf enormen Druck u. a. von GRÜNEN aufgelegt hat, ist
mit so vielen Hürden und Auflagen versehen, dass es nur wenige in Anspruch
nehmen können. Wir erneuern unsere Forderung nach einem wirksamen Rettungsschirm
für Betriebe und Selbstständige, die unsere Innenstädte und das
gesellschaftliche Leben tragen: Hotellerie, Gaststätten, Einzelhandel und
Kulturschaffende.
Krisenprävention – Vorsorge als Prinzip
Wir haben in Nordrhein-Westfalen einen gut aufgestellten Katastrophenschutz. Das
haben die – zumeist ehrenamtlichen – Mitglieder von Feuerwehr, Technischem
Hilfswerk und Hilfsorganisationen auch in der aktuellen Corona-Krise wieder
einmal unter Beweis gestellt. Jetzt gilt es jedoch auch, wichtige Lehren aus der
Corona-Krise zu ziehen und eine bessere Vorsorge für die Zukunft zu betreiben.
Risikoanalysen für unterschiedliche Katastrophenszenarien müssen verpflichtend
sein. Und die Ergebnisse müssen von Bund, Ländern und Kommunen dann auch
umgesetzt werden. Anhand der bereits in der Vergangenheit durchgeführten
Risikoanalysen gilt es jetzt zu bewerten, wie Nordrhein-Westfalen für etwaige
Krisen aufgestellt ist. Wir fordern die Landesregierung hierzu auf, eine
Kommission „Katastrophenvorsorge NRW“ einzusetzen und die Ergebnisse dann auch
entsprechend umzusetzen, beispielsweise, indem mehr krisenrelevante
Infrastruktur von Schutzausrüstung bis zu Krankenhauskapazitäten vorgehalten
wird. Jetzt ist auch die Zeit, die Rechtsgrundlagen zu schaffen, um im
Krisenfall Unternehmen in besonders krisenrelevanten Branchen in die Pflicht zu
nehmen. Kritische Infrastrukturen müssen verpflichtend ausreichend Vorsorge
betreiben, um im Krisenfall die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen
Gütern und Dienstleistungen aufrecht erhalten zu können.
Während landesweit 59 Krisenstäbe in den Kreisen und kreisfreien Städten sowie
der Bezirksregierungen aktiviert sind, um alle Aktivitäten rund um die Corona-
Krise zu koordinieren, ist und war während der gesamten Zeit ein Krisenstab
nicht aktiviert: Der Krisenstab der Landesregierung. Wir wollen, dass die
staatlichen Behörden im Krisenfall handlungsfähiger werden: Es muss klar sein,
wer was zu tun hat. Das darf nicht erst in der Krise geklärt werden. Die
Kompetenzen zwischen den Ressorts für den Krisenfall müssen klar geregelt
werden. Wir fordern außerdem die Einrichtung einer Zentralstelle beim Bundesamt
für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, die den Informationsaustausch über
Ländergrenzen hinweg verbessern und – wenn nötig – ein einheitliches Vorgehen
insbesondere im Hinblick auf den Einsatz begrenzter Ressourcen absichern soll.
Katastrophenschutz baut auf Selbstschutz und Selbsthilfe auf. Ein vorsorgender
Staat unterstützt die Bevölkerung darin, sich selbst zu helfen. Deshalb wollen
wir, dass das Land gemeinsam mit den Organisationen im Katastrophenschutz ein
Aufklärungsprogramm auflegt, das die Selbsthilfefähigkeit verbessert – von
Erste-Hilfe-Kursen, (Online-)Trainings für passendes Verhalten in
Gefahrensituationen bis zur Aufklärung zum Vorteil von Bevorratung von
Lebensmitteln.
Ohne die starke Büger*innengesellschaft in NRW wären wir wesentlich schlechter
durch die Krise gekommen – von der spontanen Nachbarschaftshilfe bis zu den
großen Hilfsorganisationen haben wir ein Netz, das uns trägt und Sicherheit
gibt. Dieses Netz des freiwilligen Engagements wollen wir stärken – die
Feuerwehren, das technische Hilfswerk, die Hilfsorganisationen, aber auch kleine
Vereine und Initiativen. Wir wollen eine Ehrenamtsstrategie mit breiter
Beteiligung, um die Rahmenbedingung und die Unterstützung für Ehrenamt und
Engagement zu verbessern. Wir wollen die kontinuierliche Aus- und Fortbildung
erleichtern, Barrieren abbauen und die Vielfalt unserer Gesellschaft im
Engagement noch besser repräsentiert wissen.
Corona bekämpfen – solidarisch in Europa
Die Corona-Krise überstehen wir nur in einem starken, gemeinsam agierenden
Europa. Wenn in der Not Patient*innen aus Italien, Frankreich und anderen
Nachbarländern in NRW behandelt werden, lebt die Solidarität neu auf. Wir
begrüßen eine deutlich gestärkte europäische Zusammenarbeit im
Gesundheitsbereich, um vorhandene Ressourcen gemeinsam effizient zu nutzen,
damit Europa widerstandsfähiger aus der Krise hervorgeht. Europaweit gute Regeln
ermöglichen auch uneingeschränkte Reisefreiheit und den Binnenmarkt, von dem NRW
im Herzen Europas besonders profitiert. Wer blind Grenzen schließt gefährdet
das, was in Jahrzehnten der Zusammenarbeit erreicht wurde und lässt alte
Ressentiments aufleben. Wenn auf beiden Seiten gute Regeln herrschen, machen
Grenzschließungen keinen Sinn. Wir GRÜNE setzen uns für europäische
Zusammenarbeit und offene Grenzen in Europa ein.
Mit großer Sorge haben wir die Angriffe auf die Rechte von LGBTIQ* und Frauen in
der Corona-Krise im europäischen Ausland verfolgt. In Ländern wie Polen, Ungarn
und Rumänien sind zum Teil unter dem Deckmantel von Maßnahmen gegen die Pandemie
massiv Minderheiten angegriffen worden. Wir GRÜNE verurteilen diese Angriffe auf
die Menschenrechte europäischer Bürger*innen scharf. Wir werden uns weiter für
die Rechte von Frauen und queeren Personen in ganz Europa stark machen und dafür
auch bestehende Vernetzungen, z. B. Städtepartnerschaften, nutzen.
Raus aus der Wirtschaftskrise – Green New Deal
für NRW
Bei der Bekämpfung der Corona-Krise haben Staat, Wirtschaft und Gesellschaft
Handlungsfähigkeit bewiesen. Unglaubliche Ressourcen wurden mobilisiert. Das
gleiche Engagement muss auch für die Bewahrung unserer natürlichen
Lebensgrundlagen gelten. Alle Investitionen müssen deshalb jetzt eine doppelte
Rendite haben: Für den Wiederaufschwung und für eine nachhaltigere, gerechtere
und widerstandsfähigere Gesellschaft. Der Weg aus der Krise muss vom
Leitgedanken der sozialen, demokratischen und wirtschaftlichen Teilhabe, der
Geschlechtergerechtigkeit, der Wahrung unserer planetaren Grenzen und der
Zukunftsfähigkeit getragen sein.
Wir GRÜNE wollen jetzt die Chance ergreifen, NRW zur ersten klimaneutralen
Industrieregion in Europa umzugestalten und die sozial-ökologische
Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft zum Erfolg bringen. Wir
wollen nicht weniger als ein grünes Wirtschaftswunder in NRW. Jetzt ist der
richtige Moment, den wir nutzen müssen. Wer diese einmalige Chance vertut, wie
die Bundes- und Landesregierung mit ihren Konjunkturprogrammen und dem so
genannten Kohleausstiegsgesetz, fährt in Richtung Abstellgleis. Mit Werkzeugen
der Vergangenheit lassen sich die Weichen für die Zukunft nicht stellen.
Das vom Bundestag beschlossene Kohleausstiegsgesetz, das vielmehr ein
Kohleabsicherungsgesetz ist, stellt nicht die richtigen Weichen. Umweltverbände
wie Greenpeace und BUND sehen in ihm eine einseitige Aufkündigung des
Kohlekompromisses durch Bundes- und Landesregierung. Für uns GRÜNE ist das
Gesetz in der jetzigen Form unzumutbar für künftige Generationen und Menschen in
Ländern des globalen Südens. Ein Kohleausstieg im Jahr 2038 ist klimapolitisch
viel zu spät sowie viel zu teuer. Schuld trägt daran auch die Regierung Laschet,
die RWE Geschenke in Milliardenhöhe gesichert hat – auf Kosten der Interessen
der Menschen in den Tagebaurandkommunen und auf Kosten des Klimaschutzes. Ohne
Begründung ließ sich der Ministerpräsident eine „energiewirtschaftliche
Notwendigkeit“ des Tagebaus Garzweiler ins Gesetz schreiben. Es ist richtig,
dass nun Verfassungsklage gegen dieses Kohleabsicherungsgesetz geführt wird.
Für einen Green New Deal in NRW fordern wir:
- Die Landesregierung muss in einem zweiten Konjunkturprogramm in eine
klimafreundliche, widerstandsfähige Wirtschaft in NRW investieren – vor
allem in den öffentlichen Nahverkehr, in den massiven Ausbau der Rad-
Infrastruktur, in die Erneuerbaren Energien, in einen Sanierungssprung bei
Gebäuden im Bestand, in die Digitalisierung, in regionale
Wirtschaftskreisläufe und in die Dekarbonisierung der Industrie.
- Ebenfalls erforderlich sind Investitionen in Sorge-Arbeit. Professionelle,
gut vergütete Pflege und Kinderbetreuung machen unsere Gesellschaft
widerstandsfähiger, sozialer und lebenswerter und schaffen langfristig
Arbeitsplätze.
- Die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels und eine inklusive, barrierefreie
Gesellschaft müssen Richtschnur von Wirtschaftsförderung und öffentlichen
Investitionen sein.
- Wir wollen den entschlossenen Einstieg in das Zeitalter der Erneuerbaren
Energien in NRW. Deshalb brauchen wir endlich einen ordnungspolitischen
Rahmen, der diese wirtschaftliche und klimafreundliche Chance unterstützt.
Die Landesregierung darf insbesondere den Ausbau der Windenergie in NRW
nicht länger ausbremsen.
- Die Zerstörung von Dörfern, Wäldern und fruchtbarem Boden – nur um mit der
Braunkohle darunter die Klimakrise weiter anzufeuern oder für die
Gewinnung von Abraum – ist nicht zu rechtfertigen. Wir wollen in der
Tagebauregion des Rheinlandes zeigen, dass eine gerechte Transformation
gelingen kann und hier eine Region der Zukunft schaffen. Dazu gehört, dass
kein Mensch, der dort bleiben möchte, mehr aus seinem Zuhause für die
Braunkohle vertrieben werden darf. Wir sagen: Alle Dörfer Bleiben.
- Damit NRW von den Chancen profitiert, die im Europäischen Green Deal
stecken, müssen Bundes- und Landesregierung dafür sorgen, dass die Mittel
auch wirklich in denjenigen Regionen ankommen, die am stärksten vom
Strukturwandel betroffenen sind. Dazu gehören zweifelsohne das Rheinische
Revier und das Ruhrgebiet, gerade hier muss die nachhaltige Transformation
vorangetrieben werden. Die Mittel müssen für Investitionen in grüne
Technologien, Um-, Nachschulung und Weiterbildung sowie die
Wiederherstellung von durch Bergbau zerstörte Landschaft genutzt werden.
Öffentliche Mittel kann es aber nicht für Leistungen geben, zu denen die
Konzerne ohnehin gesetzlich verpflichtet sind, sondern nur für
darüberhinausgehende Wiederherstellungsleistungen. Es ist ein grober
Fehler, dass die Mittel aus dem Strukturstärkungsgesetz nicht für den
Ausbau der Fahrradinfrastruktur eingesetzt werden können. Wir wollen, dass
NRW Fahrradland Nr. 1 wird – sowohl für die Alltagsmobilität als auch für
Freizeitaktivitäten.
- NRW ist Industrieland und soll es bleiben. Wir bekennen uns zum
Industriestandort NRW. Und genau deshalb fordern wir, dass die
Konjunkturprogramme auch als Transformationsprogramme angelegt sein
müssen. Sie müssen so ausgestaltet werden, dass sie den sozial-
ökologischen Umbau unserer Wirtschaft beschleunigen. Wir haben kein
Interesse an der Deindustrialisierung unseres Landes. Der
Industriestandort NRW wird auf Dauer nur eine Zukunft haben, wenn schon
heute hier die klimafreundlichen Produktionsprozesse von morgen angelegt
werden.
- Eine Schlüsselindustrie für ein Grünes Wirtschaftswunder in NRW ist die
Stahlbranche. Doch die steckt tief in der Krise, die durch den Corona-
bedingten Einbruch in der stahlverarbeitenden Industrie noch verstärkt
wird. Entschiedene Schutz-, Antidumping- und Antisubventionsmaßnahmen und
verbindliche Umweltstandards beim Stahlimport der Europäischen Kommission
sind jetzt notwendig, damit die Stahlbranche diese kritische Phase
übersteht. Das bisher geplante Ausmaß der Unterstützung reicht allerdings
bei weitem nicht aus, um der Stahlbranche in Europa eine Perspektive zu
geben. Mittel- und langfristig hat nur eine klimaneutrale Stahlbranche in
Europa eine Zukunft. Deshalb ist jetzt genau nicht der Zeitpunkt, über
Lockerungen von Klimaauflagen zu sprechen. Vielmehr braucht die
Stahlbranche Unterstützung im Transformationsprozess. Wir GRÜNE setzen uns
gegenüber Landes- und Bundesregierung weiter für eine europäische
Stahlstrategie ein, mit dem Ziel, die europäische Stahlindustrie zum
grünen Technologieführer zu machen. Kernelement dieser Stahlstrategie
sollte ein ordnungsrechtlicher Rahmen sein, der neben einem CO2-
Mindestpreis auch Klimaverträge mit der Industrie beinhaltet. Sie sorgen
dafür, dass sich eine Umstellung auf klimaneutrale Produktion lohnt und
schaffen zudem mit Quoten für klimaneutralen Stahl langfristige
Absatzmärkte.
Für NRW ist auch die Chemieindustrie von überragender Bedeutung. Bisher
beruht ihre Produktion überwiegend auf endlichen Rohstoffen, vor allem auf
Erdöl. Viele Chemikalien sind belastend für unsere Gesundheit und die
Umwelt. Wir unterstützen eine Strategie für nachhaltige Chemikalien, deren
Rohstoffbasis auf erneuerbaren Ressourcen und Kreislaufwirtschaft beruht.
Unser Ziel ist eine giftfreie Umwelt. Hohe Standards müssen für alle
Chemikalien im europäischen Markt gelten. Nachhaltige Chemikalien müssen
zur Basis eines neuen Investitionszyklus in der Chemieindustrie werden,
damit nicht auch in dieser Schlüsselbranche Zukunftstechnologien anderswo
entwickelt werden. Europa hat bei sauberer Chemie weltweit einen
Vorsprung, davon kann NRW profitieren.
Die katastrophalen Zustände in der Fleischindustrie in NRW kritisieren wir
GRÜNE nicht erst seit dem Corona-Ausbruch. NRW bezieht einen großen Teil
seiner Wertschöpfung aus einem System, das auf Dumping-Preisen, Dumping-
Löhnen und ständigen Verletzungen des Arbeitsschutzes basiert. Ein System,
das auf Massentierhaltung beruht und die Arbeit der Bäuer*innen entwertet.
Kurzfristig brauchen wir eine absolute Priorität beim Hygiene- und
Arbeitsschutz sowie das Verbot von Werkverträgen und die
Generalunternehmerhaftung. Mittel- und langfristig stehen wir GRÜNE dafür,
wieder regionale Wertschöpfung in der Lebensmittelbranche zu etablieren.
Dazu gehören auch regionale Strukturen in der Schlachtbranche. Damit
können wir sowohl Tiertransporte und Tierleid verringern als auch eine
bäuerliche Erzeugerstruktur stärken. Wir brauchen endlich
Qualitätsprodukte mit Mehrwert statt Billigfleisch zu Dumpingpreisen.
Eine neue Teilhabegesellschaft mit und nach
Corona – sozial, ökologisch und demokratisch
Die Corona-Krise betrifft uns alle, aber sie trifft manche härter als andere.
Bestehende soziale Ungleichheiten wurden durch die Krise weiter verschärft und
neue Schieflagen produziert. Gleichzeitig haben wir eine neue Wertschätzung für
gesellschaftliche Solidarität und einen vorsorgenden und versichernden
Sozialstaat erfahren. Dieser Solidargedanke muss auch die mittel- und
langfristige Bewältigung der Pandemie prägen. Das bedeutet auch,
Verteilungsfragen zu stellen – und gerecht zu beantworten, damit durch die Krise
nicht von unten nach oben umverteilt wird.
Durch die Krise müsste endlich allen klar sein: Für einen schlanken Staat zahlen
wir am Ende eine dicke Rechnung. Kostenreduktion um jeden (gesellschaftlichen)
Preis muss dem Prinzip der Vorsorge weichen. Die Welle des Kaputtsparens der
Verwaltungen etwa in den öffentlichen Gesundheitsämtern oder im Arbeitsschutz
ging zu Lasten derer, die auf gut ausgestattete staatliche Infrastruktur
besonders angewiesen sind, weil sie sich nicht aus den öffentlichen Angeboten
herauskaufen können. Wir GRÜNE wollen aus dieser Krise die richtigen Schlüsse
ziehen, um gestärkt aus ihr hervorzugehen. Wir wollen eine Gesellschaft der
Vielen, in der jede*r ungeachtet des Geschlechts, der Herkunft oder anderer
Merkmale gleiche gesellschaftliche und politische Teilhabe erfährt.
Teilhabe durch gute Gesundheitsvorsorge
Dass wir im internationalen Vergleich gut durch die Krise gekommen sind, hat
auch damit zu tun, dass unsere öffentliche Daseinsversorge in zentralen
Bereichen nicht privatisiert und die Gesundheitsversorgung nicht komplett dem
Individuum auferlegt sind. Und dort, wo Vorhaltungskapazitäten zunächst fehlten,
war dies oft auf den gestiegenen Profitdruck im Gesundheitssystem
zurückzuführen.
Wir GRÜNE wollen das Gesundheits- und Pflegewesen aufwerten – das bedeutet eine
bessere Personalausstattung, höhere Löhne, mehr Reservekapazitäten, die
Rücknahme von Leistungsausgrenzungen und nicht zuletzt die Stärkung des
öffentlichen Gesundheitsdienstes. Die Profitorientierung im Gesundheitsbereich
muss enden.
In der aktuell laufenden Diskussion um die Zukunft der Krankenhausplanung setzen
wir auf einen Ansatz vielfältig aufgestellter Gesundheitsregionen, in denen
Standorte mit Grundversorgung, solche mit fachlicher Spezialisierung, die
Möglichkeiten der Digitalisierung – Stichwort: virtuelles Krankenhaus – und ein
gutes Netz niedergelassener Ärzt*innen in einem zukunftsfähigen Gesamtkonzept
zusammengebracht werden. Oberster Maßstab ist für uns die Versorgungssicherheit
und ein an den Bedarfen der Menschen aufgestelltes Gesundheitssystem, das in
zentralen Bereichen den Kräften des Marktes und der Profitorientierung entzogen
ist.
Damit unser Gesundheitssystem für alle gleich zugänglich ist, wollen wir
Angebote und eine gesundheitliche Kommunikationsstrategie für nicht-
deutschsprachige und Menschen mit Migrationshintergrund zur Verfügung stellen.
Teilhabe durch gute Arbeit und soziale Sicherheit
Wie sehr wir alle von Erzieher*innen, Verkäufer*innen und speziell von Menschen
in den Gesundheitsberufen abhängen, wurde in der Krise deutlich. Die politische
Gunst der Stunde, diese als systemrelevant identifizierten Berufe auch
tatsächlich langfristig besser zu bezahlen und in den Schutz von Tarifverträgen
einzubeziehen, darf nicht verpasst werden. Die Stützen unserer Gesellschaft
dürfen nicht mit Applaus und Einmalzahlungen abgespeist werden. Ihre
Arbeitsbedingungen und ihre Entlohnung wollen wir durch Rahmentarifverträge und
höhere Branchenmindestlöhne strukturell verbessern, im Handel etwa über eine
Initiative zur Vereinfachung der Allgemeinverbindlichkeit der bestehenden
Tarifverträge.
In der Pflege und im Sozial- und Erziehungsbereich verschärft sich der
Fachkräftemangel in den zunehmend hochqualifizierten Tätigkeiten immer weiter.
Personalgewinnung kann in diesen Bereichen nur mit entsprechend guter Bezahlung
und besseren Arbeitsbedingungen gelingen. In vorrangig von Männern ausgeübten
Berufen mit vergleichbarer Qualifizierung sind die Löhne deutlich höher. Wir
streiten für gleiches Geld für gleiche und gleichwertige Arbeit! Dabei geht es
auch um eine generelle Neubewertung von (Care- bzw. Sorge-)Tätigkeiten.
Für Menschen, die schon vor der Corona-Pandemie in Armut lebten, sind die Folgen
der Krise besonders tiefgreifend. Längst ist der Gang zur Tafel für Menschen in
der Grundsicherung zur Normalität geworden. Denn die viel zu niedrig bemessenen
Regelsätze reichen kaum aus, um durch den Monat zu kommen. Davon ist der Frisör,
der seinen Lohn mit Hartz IV aufstocken muss, genauso betroffen wie Kinder in
Bedarfsgemeinschaften oder die Rentnerin, die mit der Grundsicherung im Alter
ihre kleine Rente ausgleichen muss.
In Nordrhein-Westfalen trifft dies besonders viele Menschen. In der Corona-Krise
sind viele der wichtigen Hilfsangebote weggebrochen und gleichzeitig die Kosten,
z. B. durch erhöhte Lebensmittelpreise, gestiegen. Deshalb fordern wir als
kurzfristige Maßnahme einen monatlichen Zuschlag in der Grundsicherung von 100
Euro für Erwachsene sowie 60 Euro für Kinder und Jugendliche.
Die Corona-Krise hat uns aber auch gezeigt, wo unser soziales Netz generell
löchrig ist und wie wir es für zukünftige Krisen enger stricken müssen. Deshalb
wollen wir Hartz IV überwinden und mit der Grünen Garantiesicherung das soziale
Sicherungsversprechen erneuern. Mit deutlich höheren Regelsätzen, die das
soziokulturelle Existenzminimum sichern und Teilhabe garantieren. Mit
passgenauer Förderung sowie Beratung auf Augenhöhe und einem Ende der
Sanktionspraxis in den Jobcentern. Mit individuellen Leistungen ohne Anrechnung
des Partner*in-Einkommens. Mit Hinzuverdienstregeln, die sicherstellen, dass
Erwerbstätigkeit immer zu einem spürbar höheren Einkommen führt. Wir wollen und
dürfen nicht zulassen, dass die Corona-Krise zu einer Gerechtigkeits- und
Armutskrise wird.
Mit dem Abflauen der ersten Pandemie-Welle ist ein guter Zeitpunkt gekommen,
Home-Office bzw. mobiles Arbeiten politisch verbindlich zu gestalten. Die
Erfahrungen aus der Krise haben das Potenzial für Umwelt, Klima, eine
Verkehrswende und mehr Zeit für die Familie aufgezeigt. Hier können wir die
Chancen des digitalen Wandels nutzen. Wir setzen uns für ein Recht auf Home-
Office in allen Tätigkeitsfeldern und Bereichen, wo dies möglich ist, ein. Dabei
muss klar sein: Home-Office ist kein Ersatz für Kinderbetreuung.
Arbeitnehmer*innen müssen mit klaren, an neue Arbeitsmodelle angepasste, aber
nicht weniger restriktiven arbeitsrechtlichen Regelungen vor einer Entgrenzung
von Privatem und Beruflichen geschützt werden. Zudem muss es verlässliche
Regelungen im Rahmen der Arbeitsstättenverordnung geben, damit der
Gesundheitsschutz auch im Home-Office gewährleistet ist. Weiterhin müssen wir
Arbeitnehmer*innen wirksam vor Überwachung und Verletzung ihrer Privatsphäre
über digitale Geräte im Home-Office schützen.
Teilhabe durch demokratische Mitsprache
Wir brauchen einen neuen Gesellschaftsvertrag, der demokratische,
gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe für alle ermöglicht. Es geht um nichts
weniger als die Demokratisierung aller Lebensbereiche. Dafür treten wir GRÜNE
seit langem ein. Beteiligungsmöglichkeiten müssen gestärkt werden, etwa durch
zufallsgeloste Bürger*innenräte auf allen politischen Ebenen von der Kommune bis
zur EU. Wir werden die Möglichkeit der Digitalisierung für wirkmächtige,
demokratische und partizipative Prozesse nutzen, demokratische Mitbestimmung in
Schulen und Betrieben ausweiten und dafür sorgen, dass sich die Vielfalt unserer
Gesellschaft, insbesondere unserer Einwanderungsgesellschaft, besser in unseren
Parlamenten abbildet. Wir GRÜNE NRW wollen als Partei einlösen, was wir für die
ganze Gesellschaft fordern: strukturelle Diskriminierung mit strukturellen
Änderungen zu beantworten.
Ausgehend von den USA ist die Black Lives Matter-Bewegung nach dem Mord an
George Floyd durch Polizisten erstarkt und um die Welt gegangen. Auch in
Deutschland haben im Frühjahr hunderttausende Menschen gegen Rassismus
demonstriert und eine wichtige Debatte über rassistische Diskriminierung und
Gewalt vorangetrieben. Wir solidarisieren uns mit der Bewegung und bekräftigen
unsere bestehenden antirassistischen Positionen. Gerade vor dem Hintergrund der
schrecklichen rechtsterroristischen Anschläge der letzten Jahre wie dem Mord an
Walter Lübcke, Halle und Hanau, müssen wir uns in unseren Kommunen mit aller
Kraft als Demokrat*innen gemeinsam gegen Hass und Hetze stellen.
Deshalb fordern wir einen Aktionsplan gegen Rassismus und Rechtsextremismus in
der Polizei, unseren öffentlichen Institutionen sowie eine Aufklärung und
Aufarbeitung deutscher kolonial-rassistischer Geschichte. Wir bekennen uns zu
der von der AG Vielfalt des Bundesverbandes von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
entwickelten Instrumenten: Repräsentation gesellschaftlicher Vielfalt als
verpflichtendes Satzungsziel, das regelmäßig evaluiert wird; Empowerment über
Mentoring und andere Programme sowie Institutionalisierung der Ziele über
entsprechende Strukturen in unserer Partei.
Teilhabe von Kindern und Jugendlichen
Kinder und Jugendliche sind von der Corona-Krise am stärksten betroffen und
müssen am längsten mit den politischen Entscheidungen von heute leben. Sie haben
aber kaum politisches Mitspracherecht. Wir GRÜNE unterstützen junge Menschen
dabei, echte Mitspracherechte und Beteiligung zu erstreiten. Es ist höchste
Zeit, dass Bund und Länder das Wahlalter für alle Wahlen auf 16 absenken. Dies
muss der erste Schritt sein, um politische Mitbestimmung für alle Menschen
unabhängig ihres Alters zu ermöglichen. Wir setzen uns dafür ein, dass Kinder
und Jugendliche in Kitas, Schulen und in den Städten und Gemeinden dauerhaft
mehr Mitspracherechte erhalten.
Junge Menschen haben in den letzten Monaten auf vieles verzichten müssen. Viele
haben sich darüber hinaus solidarisch gezeigt und beispielsweise Einkäufe für
Risikogruppen organisiert. Über Monate hatten Jugendliche und junge Erwachsene
so gut wie keine Räume der Zusammenkunft. Wir setzen uns dafür ein, dass
gemeinsam mit den Kommunen neue Konzepte erarbeitet werden, wie unter freiem
Himmel unter Einhaltung klarer Hygienevorschriften Freiräume geschaffen werden –
zum Zusammensein, Tanzen und Feiern. Denn Kinder und Jugendliche brauchen auch
mehr Platz und (Frei-)Räume in unseren Städten und Gemeinden – auf öffentlichen
Plätzen, im Straßenverkehr, in Jugendzentren und durch mobile Angebote. Und
Kinder und Jugendliche brauchen eine bessere finanzielle Absicherung. Deshalb
streiten wir für eine Kindergrundsicherung. Mit den erhöhten Hygienebedingungen,
die den Besuch der Kita oder Schule schon mit einem leichten Schnupfen
ausschließen, werden viele Kinder absehbar häufiger zu Hause betreut werden
müssen – deshalb streiten wir weiter für ein Corona-Elterngeld.
Teilhabe durch Gleichberechtigung
Die Corona Krise ist zu einer Krise der Frauen geworden. Deutlich mehr Frauen
als Männer verlieren durch die Krise und aufgrund der Ausrichtung der
Konjunkturpakete auf traditionell männerdominierte Branchen ihre Jobs.
Gleichzeitig leisten sie noch mehr Care-Arbeit von Pflege über Haushalt und
Erziehung, die durch den Wegfall staatlicher Leistungen anfällt. Weibliche
Stimmen fehlen dadurch im öffentlichen Diskurs. Frauen dürfen nicht zu den
Verliererinnen der Krise werden. Wir brauchen mehr Frauen in verantwortlichen
Positionen im Krisenmanagement und auf allen Entscheidungsebenen.
Frauen gehört die Hälfte der Macht. Die im Artikel 3 des Grundgesetzes
garantierte Gleichberechtigung der Geschlechter muss auch in unseren Parlamenten
endlich Realität werden. Deshalb setzen wir uns für ein verfassungsfestes
Paritätsgesetz in NRW und auf Bundesebene ein, welches ein gleichberechtigtes
Verhältnis von Männern und Frauen festschreibt, aber auch die sog. "dritte
Option", also Menschen mit dem Personenstand "divers" berücksichtigt.
Konjunkturmittel müssen mindestens hälftig explizit bei weiblichen Beschäftigten
und von Frauen geführten Unternehmen ankommen und das Leben von Frauen
verbessern. Dafür braucht es vorausschauende Planung durch Gender-
Folgeabschätzung vor Einsatz der Mittel aus den Konjunkturpaketen sowie wirksame
Kontrolle mittels Gender Budgeting-Programmen, die der strukturellen
Benachteiligung von Frauen entgegenwirken – von Quotierung in der Wirtschaft und
auf dem Arbeitsmarkt über den Ausbau von Betreuungsinfrastruktur bis hin zu
Programmen, die im Bildungsbereich ansetzen –, müssen in der Krise ausgebaut und
verstärkt werden. Alleinerziehende und von Mehrfachdiskriminierung Betroffene,
etwa aufgrund ihrer ethnischen Herkunft oder einer Behinderung, sind von der
Krise häufig besonders stark betroffen und müssen deshalb auch besonders in den
Fokus dieser Maßnahmen rücken.
Stay-at-home bedeutete insbesondere für einige Frauen und ihre Kinder eine
Potenzierung der Gewalt, die sie auch sonst schon zu Hause durch ihren Partner
erleben müssen. Das Ausmaß wird erst langsam sichtbarer. Schon vor Corona waren
Frauenhäuser überlastet. Aber jetzt brauchen sie ebenso wie die
Frauenberatungsstellen zusätzliche Mittel, Betroffenen zu helfen. Deshalb
fordern wir ein Maßnahmenpaket gegen häusliche Gewalt in der Corona-Krise und
eine Stärkung der Hilfsangebote für betroffene Frauen sowie ein lautstarkes
außenpolitisches Bekenntnis zur Einhaltung der Istanbul-Konvention.
Auch mussten queere Projekte im Zuge des Lockdowns heruntergefahren oder
pausiert werden. Viele Prides mussten abgesagt werden. Gerade in dieser
schwierigen Zeit für die queere Community sagen wir klar: Wir werden jetzt erst
recht gegen jede Queerfeindlichkeit und für eine diverse, freie und offene
Gesellschaft kämpfen. Deshalb fordern wir einen Rettungsschirm für queere
Projekte.
Auch Jugendliche sowie ältere, ärmere oder obdachlose Menschen und Menschen mit
Behinderung, psychischen und/oder chronischen Erkrankungen, gehören zu den
besonders Gefährdeten in der Krise, die unsere Aufmerksamkeit und Solidarität
verdienen.
Teilhabe durch Vorsorge
Deutschland lebt seit Jahrzehnten von seiner Substanz, was die Infrastruktur
betrifft. Das sehen wir jetzt überdeutlich bei Gesundheitsämtern,
Arbeitsschutzbehörden, der hygienischen Ausstattung von Schulen oder dem
öffentlichen Nahverkehr. Insbesondere Kommunen brauchen einen Rettungsschirm,
müssen mit der Hilfe von Bund und Land von ihren Altschulden befreit und in die
Lage versetzt werden, Vorsorge durch eine funktionierende Infrastruktur zu
leisten.
Vorsorge und Krisenfestigkeit müssen auch leitende Prinzipien der
Wirtschaftspolitik werden. Viele Unternehmen in Europa sind zu stark auf globale
Lieferketten und einzelne Zuliefer(länder) angewiesen, selbst bei essenziellen
Gütern wie Medikamenten und Gesundheitstechnik. Das macht unsere Wirtschaft und
unsere Versorgung verletzlich. Europa und Deutschland brauchen eine
Pandemiewirtschaft für lebensnotwendige Güter und müssen mehr auf regionale
Wirtschaftskreisläufe setzen.
Teilhabe durch Digitalisierung
Mit der Pandemie haben wir einen Schub der Digitalisierung in unseren Alltag
erlebt. Was sich durch Corona ungeplant entwickelt hat, muss jetzt politisch
gestaltet werden und mit Datensouveränität und zeitgemäßem, modernen
Arbeitsrecht in Einklang gebracht werden. Spätestens seit Corona ist ohne Zugang
zur digitalen Welt Teilhabe an unserer Gesellschaft unmöglich geworden. Das
bedeutet zum einen: Schnelles Internet an jeder Milchkanne ist Teil der
Daseinsvorsorge. Und ohne digitales Know-How, Internetanschluss und Endgeräte
werden nicht nur Schüler*innen abgehängt, sondern auch gerade ältere Menschen
und Menschen in schwierigen Lebenssituationen. Sie brauchen Unterstützung, damit
Digitalisierung soziale Ungleichheiten nicht weiter verschärft. Wir brauchen
deshalb auch einen Digitalpakt für die Sozialwirtschaft, um Angebote durch die
Krise hindurch und auch danach aufrecht zu erhalten.
Die Corona-App hat gezeigt, dass Datensicherheit und -sparsamkeit mit digitalem
Fortschritt Hand in Hand gehen können. Das führt zu einer hohen Akzeptanz der
App, auch im internationalen Vergleich. Hier liegt für uns die Zukunft der
Digitalisierung Made in NRW. Allerdings zeigt sich auch bei der Corona-App, dass
wir die digitale Teilhabe barriereärmer gestalten müssen. Viele Menschen in
unserem Land können die App nicht nutzen, da ihre Smartphones nicht den neuesten
Standards entsprechen.
Dem Einzelhandel droht durch die Corona-Krise eine Pleitewelle und gleichzeitig
eine noch größere Konzentration auf einige wenige Online-Händler. Weder Bundes-
noch Landesregierung haben eine Antwort auf diese Prozesse, die durch Corona
lediglich beschleunigt werden. Wir brauchen dringend mehr Förderung für die
Digitalisierung des Einzelhandels und Maßnahmen, um Leerstand und Verödung von
Innenstädten und Dörfern zu verhindern. Die Bundesregierung muss die EU-
Ratspräsidentschaft für eine faire europäische Besteuerung der Internetriesen
nutzen.
Die Digitalisierung kann die Energiewende voranbringen, sie kann uns neue Wege
aufzeigen, Energie und Ressourcen zu sparen, unsere Umwelt und Arten zu schützen
und kann den Beschäftigten mehr Freiheitsgrade – und nicht mehr Druck – in der
Arbeitswelt verschaffen, der Selbstbestimmtheit der Einzelnen dienen. Nichts
davon geschieht aber von allein. Digitalisierung ist das Werkzeug, eine
Nachhaltigkeitsgesellschaft das Ziel.
Zukunft entscheidet sich hier – mit
Gestaltungsfreude und Zuversicht in die
Kommunalwahl
Wir GRÜNE treten bei der Kommunalwahl am 13. September dafür an, Mut zu machen
und Hoffnung auf ein besseres Morgen zu geben. Damit fangen wir dort an, wo der
Alltag stattfindet: in den Städten, Gemeinden und Kreisen. Denn Zukunft
entscheidet sich hier.
In den Kommunen gestalten wir heute das Morgen:
- Mit einer Neuaufteilung des öffentlichen Raums – für Fußgänger*innen,
Radfahrer*innen und spielende Kinder, für genügend Raum zum Abstandhalten
und für zusätzlichem Platz für Gastronomie und Kultur. Andere europäische
Städte und auch Berlin machen es vor. Mit autofreien Innenstädten wie in
Brüssel, den zahlreichen Pop Up-Bikelanes in Berlin und den Gastro-Meilen
wie in Wien wurde städtischer Raum in der Corona-Krise neu verteilt.
Städte in NRW waren nicht so mutig und erhielten für ihre Überlegungen
auch keinerlei Unterstützung durch die Landesregierung.
- Mit einer sozialen und ökologischen Stadt- und Gemeindeentwicklung stärken
wir den Zusammenhalt. Wir wollen Stadtviertel und Gemeinden so gestalten,
dass Jung und Alt gut und selbstbestimmt zusammenleben: in lebendigen
Quartieren, auf belebten Plätzen und in Ortschaften der „kurzen Wege“ –
ohne Barrieren. Wir sorgen dafür, dass Orte ihre Identität bewahren,
verhindern Wildwuchs und Flächenfraß und schaffen Raum für
zukunftsweisende Ideen.
- Wir wollen bezahlbares Wohnen für Alle. Besonders in den Regionen NRWs mit
wachsender Bevölkerung brauchen wir mehr bezahlbaren Wohnraum. Wir sorgen
dafür, dass die Menschen dort wohnen können, wo sie leben möchten.
Kommunen müssen beim Wohnungsbau einen relevanten Anteil
mietpreisgebundener Wohnungen vorgeben und selbst in den sozialen
Mietwohnungsbau investieren. Statt Mieterrechte in der Pandemiezeit zu
stärken, hat die Landesregierung seit dem 1.7. mit Inkrafttreten der
sogenannten „Mieterschutzverordnung“ den Mieterschutz in NRW massiv
runtergefahren. In nur noch 18 statt bislang 59 Städte greift die
Verordnung, Städte mit einem hohen Mietendruck wie Bielefeld oder Aachen
sind herausgefallen. Diese Fehlentscheidung werden wir Grüne in
Regierungsverantwortung rückgängig machen. Wir wollen kommunale
Wohnungsbaugesellschaften stärken, eine sozial gerechte Bodennutzung
vorantreiben und in Bebauungsplänen eine verbindliche Quote für sozialen
Wohnungsbau festschreiben. Wir GRÜNE unterstützen Baugruppen,
Genossenschaften und alternative, gemeinschaftliche Wohnformen, die
preiswert Wohnraum schaffen.
- Wir wollen in unseren Städten, Gemeinden und Kreisen ein
klimafreundliches, attraktives, bezahlbares und bedarfsgerechtes
Mobilitätsangebot schaffen, mit dem alle bequem und stressfrei zum Ziel
kommen. Eines, das die Umwelt schützt und für mehr Lebensqualität in
unseren Orten sorgt. In mittleren und großen Städten NRWs wollen wir,
sofern vor Ort möglich und sinnvoll, mittelfristig autofreie Innenstädte.
Dafür brauchen wir vor allem ein besseres und attraktiveres Angebot der
öffentlichen Verkehrsmittel, sichere und komfortable Infrastruktur für
Fahrräder und Pedelecs, CarSharing-Angebote und eine gute Vernetzung aller
Verkehrsmittel. Wir führen einen NRW-weiten Mindesttakt von Bus und Bahn
ein. Die Kommunen sind dabei durch entsprechende Förderprogramme
finanziell zu unterstützen. Wir GRÜNE machen NRW zum Fahrradland Nr. 1.
Dafür wollen wir in den Städten, Gemeinden und Kreisen mehr in Sicherheit,
Qualität und Attraktivität des Radverkehrs investieren. Mit
Radwegekonzepten und Radverkehrsbeauftragten in den Kommunen werden wir
dem Thema einen höheren, angemessenen Stellenwert geben.
- Wir GRÜNE stehen für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen, für
den Schutz der Natur und unserer Artenvielfalt. Wir treiben ökologisches
Wirtschaften voran. Wir fördern Klimaschutz im Kleinen, der Großes
bewirkt. Dazu zählen zum Beispiel der beschleunigte Ausbau Erneuerbarer
Energien wie Solarenergie auf öffentlichen Gebäuden und die Förderung von
privaten Solaranlagen, ebenso wie moderne effiziente Konzepte zur
Energieversorgung in Wohn- und Gewerbegebieten, oder auch verbesserte
Bedingungen für lokal emissionsfreie Antriebe. Wir fördern einen neuen
Umgang mit Flächen: Die Potentiale von Flächenrecycling wollen wir
ausschöpfen, um den Verbrauch neuer Flächen zu reduzieren und ökologische
und wirtschaftliche Interessen in Einklang zu bringen, die Lebensräume
lokaler Tier- und Pflanzenarten zu schützen und dazu Natur- und
Landschaftsschutzgebiete weiterentwickeln und Biotope besser vernetzen.
Kommunale Flächen, Wälder und Gewässer sollen umweltverträglich und
nachhaltig bewirtschaftet werden. Wir setzen uns für eine Landwirtschaft
im Einklang mit der Natur ein und arbeiten dazu partnerschaftlich mit
allen Landwirt*innen zusammen. Wir wollen mehr Dach- und Fassadenbegrünung
ermöglichen, um auch hier Lebensräume zu öffnen. Mit kommunalen
Biodiversitätsstrategien und Freiflächenkonzepten zum Schutz der Arten
werden wir vor Ort neue Lebensräume schaffen.
- Wir stehen für soziale Städte und Gemeinden mit einer starken
Infrastruktur. Die Pandemie macht den Wert der Daseinsvorsorge deutlich
und zeigt, wie wichtig Reservekapazitäten sind. Wir wollen ein
flächendeckendes Netz der Gesundheitsvorsorge und starke soziale
Einrichtungen. Die Kinderbetreuung und den Ganztag an Grundschulen wollen
wir weiter ausbauen und die Gebühren dafür mit dem Langfristziel der
Gebührenfreiheit zunächst so weit wie möglich senken, unter der Bedingung,
dass die Qualität darunter nicht leidet. Wir setzen uns für die
Integration von Geflüchteten ein und streiten dafür, dass Kultur und
Sozialleistungen der Krise nicht zum Opfer fallen.
- Wir nehmen ernst, wem die Zukunft gehört - Kindern und Jugendlichen. Sie
sind diejenigen, die am längsten mit den Folgen der Entscheidungen von
heute leben werden. Wir schaffen mehr Beteiligung, mehr Platz und mehr
Unterstützung für Kinder und Jugendliche in unseren Städten und Gemeinden.
- Wir machen unsere Kommunen zu starken Orten der wehrhaften Demokratie &
Vielfalt, wo Menschen verschiedenster Identitäten wie unterschiedlicher
Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht und sexueller Identität sich austauschen
und gemeinsam ihre Nachbarschaften gestalten können. Wir wollen gezielt
kommunale Projekte und Initiativen gegen Rechtsextremismus unterstützen
und demokratische Begegnungsorte schaffen gerade mit Blick auf den Bedarf
verschiedener gesellschaftlicher Gruppen, z. B. Frauen, Migrant*innen,
Jugendliche, alte Menschen und queere Personen.
- Kinderschutz ist uns ein zentrales Anliegen und muss auch in der
Pandemiezeit gewährleistet sein. Fälle von Kindeswohlgefährdung haben in
den Monaten des Lockdowns deutschlandweit zugenommen. Die Schließung von
Schulen und Kitas, ebenso wie die deutlich geringere Erreichbarkeit von
Jugendämtern und die Reduzierung von aufsuchender Familienhilfe hat es
erschwert, mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt zu bleiben und mögliche
Gefährdungsanzeichen frühestmöglich zu erkennen. Wir sehen die Gefahr,
dass sexualisierte Gewalt noch weiter ins Verborgene abrutscht. Umso
wichtiger ist es, sowohl die Jugendämter als auch die freien Träger
entsprechen finanziell und personell und mit ausreichend
Infektionsschutzmasken so auszustatten, dass ihre Arbeit bei einem
erneuten Shutdown unter Beachtung des Infektionsschutzes weitergeführt
werden kann. Wir müssen die Vielfalt der Träger der Jugendhilfe erhalten
und stärken, damit keine Versorgungslücken in der Jugendhilfelandschaft
entstehen. Nur so können wir den Schutz von Kindern und Jugendlichen
zukünftig sicherstellen.
Unsere Städte brauchen Gestaltungsspielraum. Gerade in der Corona-Krise zeigt
sich, wie wichtig handlungsfähige Kommunen sind. Gleichzeitig steigen die
krisenbedingten Ausgaben, z. B. in den Gesundheitsämtern oder kommunalen
Krankenhäusern. Die Fixkosten, etwa für den Betrieb von Kitas, Museen, Theatern,
Bibliotheken oder des ÖPNV, bleiben weitestgehend bestehen. Die Einnahmen aus
Gebühren und Eintrittsgeldern gehen dagegen stark zurück oder bleiben komplett
aus. Vor allem die steuerlichen Einnahmeausfälle werden die Kommunen hart
treffen, wie etwa bei der Gewerbesteuer als wichtigste Einnahmequelle.
Die Entlastung der kommunalen Haushalte über die stärkere Übernahme der Kosten
der Unterkunft durch den Bund ist schon lange grüne Forderung, kann aber nur ein
erster Schritt sein. Wir sehen Bund und Länder in der Verantwortung die Kommunen
bei der Bewältigung der Altschuldenproblematik zu unterstützen. Die Bundes- und
die Landesregierung kneifen bei der Altschuldenfrage weiterhin. Wir brauchen ein
zweites Landeskonjunkturpaket, in dem endlich eine Lösung zur Entschuldung der
Kommunen gefunden wird. Damit es überall in NRW genug Geld für Schwimmbäder,
Büchereien und attraktive Spielplätze gibt.