Antrag EPW: | Kapitel 4: Garantieren, was uns alle schützt: Frieden und Sicherheit fördern |
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Antragsteller*in: | Claudia Roth (Augsburg-Stadt KV) und 19 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 55%) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Übernahme |
Eingereicht: | 02.10.2018, 18:29 |
EP-S-01-278: Kapitel 4: Garantieren, was uns alle schützt: Frieden und Sicherheit fördern
Antragstext
Von Zeile 278 bis 283:
Die Türkei ist eines der Schlüsselländer, um unsere Nachbarregionen zu stabilisieren. Aber auch Präsident Erdogan und die AKP haben sich zu einer autoritären, autokratischen Regierung entwickelt. In dieser Zeit gilt es umso mehr, diejenigen zu unterstützen, die trotz schwerer Repressalien und systematischer Verfolgung in der Türkei für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Weltoffenheit eintreten.Die Türkei ist nicht Erdogan, Erdogan ist nicht die Türkei. Alle Abstimmungen der vergangenen Jahre haben gezeigt: Rund die Hälfte der türkischen Wählerinnen und Wähler wünscht sich eine demokratische und rechtstaatliche Zukunft. Diese Kräfte – die trotz schwerster Repressalien und systematischer Verfolgung durch eine autoritäre und autokratische Regierung in der Türkei für Weltoffenheit eintreten – müssen wir unterstützen. Wir wollen deshalb alles politische Handeln auf europäischer Ebene und in den Mitgliedstaaten konsequent auf die Unterstützung der demokratischen Kräfte in der Türkei ausrichten. Wir verurteilen die von Präsident Erdogan eingeschlagene Politik hin zu einem autoritären Präsidialsystem und die massiven Angriffe auf
Die internationale Staatenordnung befindet sich im Umbruch. Russlands Präsident verletzt die
territoriale Integrität anderer Staaten und verhindert eine demokratische Entwicklung im
Inland. Chinas Führung verstärkt immer weiter die staatliche Überwachung und heizt
Territorialkonflikte im Südchinesischen Meer an. In den Staaten Nordafrikas und des Nahen
Ostens konnte sich die Hoffnung der Menschen auf eine Demokratisierung der Region nicht
erfüllen. Iran und Saudi-Arabien führen stattdessen einen Kampf um die Vorherrschaft im
Nahen Osten. In Syrien tobt nach wie vor ein brutaler Krieg, in dem sich sogar NATO-Partner
feindlich gegenüberstehen.
Und die USA, ehemaliger außenpolitischer Garant jener Regeln, die seit dem Ende des Zweiten
Weltkriegs einen großen Teil der Welt halbwegs zusammengehalten haben, haben sich als
berechenbarer Akteur der Weltpolitik verabschiedet. Die US-Regierung steigt aus dem
Klimaabkommen aus, kündigt das Iranabkommen, agiert in Handelsfragen aggressiv und verachtet
die internationalen Organisationen, die ihr Land selbst gegründet hat. Die EU sieht sie
wirtschaftlich als Gegner. Garantien, auf die sich Europa sicher verlassen konnte, gelten so
nicht mehr.
Währenddessen geht die globale Vermögensverteilung immer weiter auseinander. Zwar haben sich
Armut und Kindersterblichkeit in den letzten Jahrzehnten halbiert, in vielen Ländern kann
mittlerweile die Mehrheit der Mädchen und Jungen lesen und schreiben. Dennoch ist das eben
nur die Hälfte und weltweit leiden weiter 815 Millionen Menschen an chronischem Hunger. Das
reichste Prozent der Weltbevölkerung besitzt über 50 % des Gesamtvermögens und damit mehr
als die übrigen 99 % der Weltbevölkerung. Die Auswirkungen der Klimakrise vertreiben nicht
nur immer mehr Menschen aus ihrer Heimat, weil sie auf ausgetrockneten oder überschwemmten
Böden nicht mehr leben und keine Landwirtschaft betreiben können, sondern auch weil die
Auswirkungen der Klimakrise vielerorts bestehende Konflikte und schlechte Regierungsführung
verschärfen.
In dieser Situation muss sich die EU beweisen. Als außenpolitische Akteurin, als
Wertegemeinschaft, in der der Mensch mit seiner Würde, seiner Freiheit und seinen
unveräußerlichen Rechten im Mittelpunk steht – wissend, dass gerade in der Außenpolitik
immer Kompromisse nötig sind und vielfältige Interessen ausbalanciert werden müssen.
Die Europäische Union ist nie darauf angelegt gewesen, aber die Frage, die sich Europa
stellt, ist die nach der Weltpolitikfähigkeit. Wenn wir diese Frage nicht angehen, dann wird
Europa, dann wird die globale Zusammenarbeit bedeutungslos. Dafür die Pflöcke entlang von
Frieden, Menschenrechten und dem Völkerrecht zu setzen, ist für uns als Grüne die zentrale
Aufgabe der nächsten Jahre.
4.1 Menschenrechte verteidigen, demokratische Handlungsräume sichern
Wir treten für eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik ein, die
Menschenrechte verteidigt und Frieden sichert. Statt Aufrüstung und einer Politik, die nur
auf den nationalen Vorteil bedacht ist, brauchen wir eine EU, die friedens- und
sicherheitspolitisch mit einer Stimme spricht.
Die Handlungsmöglichkeiten zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure werden in vielen
Ländern immer weiter eingeschränkt. Die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen wird dort
von staatlicher Seite systematisch erschwert, diffamiert, behindert und kriminalisiert.
Insbesondere die Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit werden in vielen Staaten
beschränkt oder ganz abgeschafft. Dies betrifft nicht nur autoritäre Staaten, sondern auch
Demokratien mitten in Europa, wie zum Beispiel Rumänien und Österreich, in denen
Grundprinzipien wie Pluralismus, Gewaltenteilung, Unabhängigkeit der Medien und
Rechtsstaatlichkeit in Frage gestellt werden.
Wir sehen mit Sorge die weltweite Entwicklung des „shrinking space“, also der Einschränkung
des öffentlichen Raumes für die Zivilgesellschaft. Die Europäische Union, der Europarat und
die Vereinten Nationen sollten dieser entschieden entgegentreten. Das kann für die EU nur
gelingen, wenn sie ihre Mitgliedstaaten selbst konsequent in die Pflicht nimmt. Die EU
sollte die internationale Vernetzung und den Austausch von zivilgesellschaftlichen
Organisationen fördern und unterstützen. Es ist auch ein wichtiges Signal an
Menschenrechtsverteidigerinnen und ‑verteidiger, dass sie mit ihrem Engagement nicht
alleingelassen werden. Wir Grünen wollen, dass die EU-Leitlinien zum Schutz von
Menschenrechtsverteidigern vollständig umgesetzt und öffentlich stärker bekannt gemacht
werden. Dafür ist es auch notwendig, das europäische Instrument für Demokratie und
Menschenrechte zu stärken und finanziell besser auszustatten. Die EU muss weiterhin den
Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zur Situation von Menschenrechtsverteidigern
und für Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit finanziell und politisch in- und außerhalb
des VN-Menschenrechtsrates aktiv unterstützen und den Aktionsplan für Menschenrechte und
Demokratie des Europäischen Rates vorantreiben.
Menschenrechte müssen auch für die EU-Handelspolitik maßgeblich sein. Die Art und Weise, wie
wir in Europa leben, hat weltweite Folgen: von der Klimakrise bis zu ausbeuterischen
Arbeitsbedingungen, rücksichtslosem Ressourcenabbau und Stärkung autoritärer Regime. Damit
die EU zur Förderin von nachhaltiger Entwicklung und der Stärkung sozialer und ökologischer
Standards im Welthandel wird, bedarf es beherzter Schritte.
Transnationale Unternehmen mit Sitz in der EU müssen auch bei uns in Europa dafür haftbar
gemacht werden können, wenn sie innerhalb ihrer Produktions- und Ressourcenketten an
Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind. Lieferketten wollen wir transparenter machen, so
dass klar ist, unter welchen Bedingungen Produkte produziert wurden, die in die EU
eingeführt werden. Wir wollen nicht, dass Kriege, Menschenrechtsverletzungen und Ausbeutung
durch Produkte finanziert werden, die in der EU verkauft werden. Wir Grünen wollen eine
konsequente Umsetzung der Leitlinien der Vereinten Nationen zu Wirtschafts- und
Menschenrechten.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- die Einklagbarkeit von Menschenrechten auch gegenüber transnationalen Unternehmen,
- den Schutz und die Stärkung von zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und
Menschenrechtsverteidiger*innen.
4.2 Eine gemeinsame europäische Außenpolitik gestalten
Die multilaterale Ordnung und ihre Institutionen sind unter Druck. Es kommt jetzt mehr denn
je auf die EU als weltpolitikfähige Akteurin an, die global gestaltet. Das kann nur
gelingen, wenn die EU als dialogbereite und verlässliche Partnerin und gute Nachbarin
agiert. Einen Rückfall in Nationalismus und Populismus zu verhindern und die multilaterale
Ordnung zu erhalten und gerechter zu gestalten, ist Aufgabe und Interesse der EU.
Ein friedliches Zusammenleben mit unseren europäischen Nachbarregionen ist zentrale Aufgabe
europäischer Nachbarschaftspolitik. Die Kriege und Konflikte in den östlichen und südlichen
Nachbarstaaten stellen die EU vor große Herausforderungen. Es kommt jetzt mehr denn je auf
eine einheitliche und klar friedensorientierte europäische Außenpolitik an. Die EU muss ihr
politisches und diplomatisches Gewicht in die Waagschale werfen, um Schritte für Frieden und
Sicherheit in ihrer Nachbarschaft zu ermöglichen. Und sie muss ihr Engagement für die
angrenzenden Regionen deutlich ausweiten, um Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung im
gesamten Umfeld der Europäischen Union zu fördern.
Stärkung der multilateralen Ordnung und ihrer Institutionen
Eine friedliche Welt braucht eine starke internationale Organisation der Zusammenarbeit.
Gerade in einer Zeit, in der sich andere Staaten daraus zurückziehen, ist die Europäische
Union gefragt, Verantwortung zu übernehmen. Das betrifft sowohl die finanzielle
Unterstützung von internationalen Organisationen und Programmen, wie dem
Welternährungsprogramm, dem Umweltprogramm oder dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten
Nationen, als auch das Umsetzen von internationalen Verträgen, zum Beispiel des Pariser
Klimaabkommens.
In Zeiten, in denen einige Staatschefs wieder das Recht des Stärkeren an die Stelle der
Stärke des Rechts setzen wollen, braucht es eine Europäische Union, die das humanitäre
Völkerrecht verteidigt. Wir Grünen wollen, dass sich die EU für eine Stärkung und bessere
Funktionsfähigkeit des Internationalen Strafgerichtshofes einsetzt. Es ist überfällig, dass
die EU neben den Mitgliedstaaten selbst Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention
wird, damit sich auch EU-Institutionen für ihr Handeln vor dem Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte verantworten müssen.
Die schreckliche Situation in Syrien hat erneut verdeutlicht, welche negativen Auswirkungen
die Handlungsunfähigkeit der Vereinten Nationen (VN) durch die Blockadehaltung eines
Mitglieds im VN-Sicherheitsrat haben kann. Eine Blockade des Sicherheitsrats bei zentralen
Fragen schwächt das Völkerrecht und die VN insgesamt, da beispielsweise nicht einmal der
Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag mit der Verfolgung von Kriegsverbrechen
beauftragt werden kann. Die Vereinten Nationen müssen wieder handlungsfähiger werden.
Langfristig sollte der Sicherheitsrat so reformiert werden, dass alle Weltregionen
angemessen repräsentiert sind – zum Beispiel sollte Indien aufgenommen werden – und sich
zudem das Gleichgewicht zwischen den Mitgliedstaaten verbessert. Dazu würde ein Sitz für die
Europäische Union einen wichtigen Beitrag leisten. Zugleich braucht es eine internationale
Debatte über das Vetorecht. Bis dahin sollte im Falle einer anhaltenden Blockade des
Sicherheitsrats die Generalversammlung der VN das Recht beanspruchen können, mit
qualifizierter Mehrheit den Sicherheitsrat für blockiert zu erklären und an seiner Stelle
diplomatische Maßnahmen, Sanktionen und im äußersten Fall auch friedenserzwingende Maßnahmen
nach Kapitel VII der VN-Charta zu beschließen.
Neben den Vereinten Nationen wollen wir auch die Organisation für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stärken. Dabei geht es darum, die Fähigkeiten der OSZE im
Bereich ziviler Krisenprävention, Frühwarnung und Krisenbewältigung zu stärken – materiell
und finanziell. Das Konzept der menschlichen Dimension von Sicherheit war und bleibt eine
zentrale Errungenschaft der OSZE. Sie bildet den umfassenden Sicherheitsbegriff der OSZE ab
und umfasst beispielsweise Aktivitäten in den Bereichen Medienfreiheit, Minderheitenrechte,
Rechtsstaatlichkeit und Nichtdiskriminierung. Dieses Engagement für die Förderung von
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten, Toleranz und Nichtdiskriminierung wollen
wir unterstützen. Wir fordern daher eine Stärkung des Hochkommissars für Nationale
Minderheiten, des Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) und des
OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit. Wir weisen jegliche Versuche von OSZE-Mitgliedern, die
Geltung dieser menschlichen Dimension in Frage zu stellen oder ihre Instrumente zu
diskreditieren, zurück.
Konsequent für EU-Recht beim Brexit
Erstmals in der Geschichte der Europäischen Union verlässt ein Land das gemeinsame Haus der
EU. Der Brexit verdeutlicht, was passiert, wenn Regierungen sich von rechten Stimmungen
treiben lassen. Die Europäische Union muss weiter geschlossen zusammenstehen, damit ein
Drittland nicht bessergestellt ist als ein Mitgliedsland. Rosinenpickerei darf es nicht
geben, der Brexit darf keine Blaupause für andere Staaten werden. Das würde auch diejenigen
in Großbritannien unterstützen, die eine weitere Entscheidung der Bürger*innen über das
finale Austrittsdokument fordern. Bisher verhandelt die EU erfolgreich, besonders weil die
anderen 27 Mitgliedstaaten zusammenhalten. Wir unterstützen die Rolle der EU-Kommission als
Verhandlungsführerin. Nationale Alleingänge oder gar bilaterale Deals darf es nicht geben.
Die Wahrung der vier EU-Grundfreiheiten – Freiheit von Warenverkehr, Dienstleistung,
Personen- und Kapitalverkehr – müssen im Mittelpunkt stehen. Einen uneingeschränkten Zugang
zum Binnenmarkt kann es ohne Personenfreizügigkeit und Anerkennung des EU-Rechts nicht
geben. Einen Austritt mit Sonderstatus kann es nicht geben. Ebenso hat der Frieden auf der
irischen Insel absolute Priorität. Insbesondere die britische Regierung muss gewährleisten,
dass eine harte Grenze auf der irischen Insel vermieden wird. Ein Abkommen über die
zukünftigen Beziehungen kann erst nach dem rechtskräftigen Austritt Großbritanniens
finalisiert werden. Die außenpolitische Zusammenarbeit mit Großbritannien wollen wir nach
dem Austritt im Rahmen internationaler Organisationen (NATO, OSZE, Europarat) stärken.
Für eine verantwortungsvolle Erweiterungspolitik
Die Erweiterungspolitik der EU ist für uns eine Erfolgsgeschichte. Sie steht für Frieden,
Demokratie und Stabilität in Europa. Die Europäische Union hat allen Staaten des Westbalkans
– Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Kosovo, Albanien und Mazedonien – das
Versprechen gegeben, der EU beitreten zu können, wie dies Slowenien und Kroatien bereits
erfolgreich getan haben. Albanien und Mazedonien kamen dieses Jahr dem Beginn von
Beitrittsverhandlungen mit der EU näher. Das ist eine sehr positive Entwicklung, die wir
Grünen unterstützen. Es kommt jetzt darauf an, dass die EU Nägel mit Köpfen macht und beiden
Ländern 2019 einen festen Termin für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen präsentiert.
Die EU steht in der politischen Verantwortung, das Vertrauen in das Beitrittsversprechen
nicht zu enttäuschen und gleichzeitig den notwendigen Reformprozess in diesen Ländern
mitzugestalten. Wir wollen dieses Versprechen durch eine engagiertere und tiefgreifende
Zusammenarbeit mit möglichst vielen gesellschaftlichen Akteur*innen des Westbalkans
glaubwürdig machen. Denn die Beitrittsperspektive ist wichtiger Motor für den sensiblen
Friedens- und Aussöhnungsprozess, für Transformation und Modernisierung in einer weiterhin
fragilen Region. Und sie unterstützt vor allem diejenigen, die sich schon heute für mehr
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und den Schutz der Umwelt einsetzen. Klar
ist aber auch, dass ausschließlich der politische Reformwille vor Ort und die Erfüllung der
Kopenhagener Kriterien über das Tempo des weiteren Beitrittsprozesses und den EU-Beitritt
selbst entscheiden. Bei den dringend notwendigen Reformen darf es keinen Rabatt geben:
Gerade in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Grundwerte und Pressefreiheit, Bekämpfung von
Korruption und organisierter Kriminalität, Aufarbeitung von Kriegsverbrechen und Beilegung
von bilateralen Konflikten müssen noch viele Fortschritte erzielt werden. Diese
Herausforderungen bleiben für uns Ansporn für ein starkes Engagement.
Das bedeutet in jedem einzelnen Fall, dass die Beitrittsvoraussetzungen erreicht werden
müssen, die europäischen Werte und Regeln vollständig erfüllt sein müssen und die EU nach
innen funktionsfähig bleiben muss, bevor ein neues Land aufgenommen wird.
Transatlantische Partnerschaft erhalten
Die transatlantische Partnerschaft ist in einer tiefen Krise. Der amerikanische Präsident
vertieft diese mutwillig. Seine Präsidentschaft bringt massive Rückschritte beim
Klimaschutz, bei der Anerkennung des Völkerrechts und der Verrechtlichung der
internationalen Beziehungen. Er versteht Europa als wirtschaftlichen Gegner und setzt auf
eine nationalistische Strategie. Darauf braucht es eine geschlossene Antwort der EU-
Mitgliedstaaten. Die EU darf sich von Präsident Trump nicht spalten lassen. Nur so kann
Europa sich selbst behaupten.
Dennoch ist die transatlantische Partnerschaft für uns ein zentraler Bezugspunkt
europäischer Außen- und Sicherheitspolitik. Die USA sind mehr als ihr derzeitiger Präsident.
Eine enge Zusammenarbeit mit unseren amerikanischen Partnern und Netzwerke mit progressiven
Kräften im Land, die eine soziale, ökologische und menschenrechtsbasierte Politik verfolgen,
bleiben wesentlicher Pfeiler unserer Politik. Daher sollte die Europäische Union viel
stärker auf eine Zusammenarbeit mit den US-Bundesstaaten sowie zivilgesellschaftlichen
Akteur*innen, vor allem in den Bereichen Bildung, Energie, Klimaschutz sowie
Digitalisierung, setzen.
Östliche Partnerschaft und Russland: demokratische Kräfte stärken
Eine gute Partnerschaft mit den östlichen Nachbarn der EU ist im ureigenen Interesse Europas
und wichtiger Baustein für Stabilität und Frieden in der Region. Die Östliche Partnerschaft
der EU, die seit 2009 mit Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau und der Ukraine
besteht, muss weiter gestärkt und die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche
Integration dieser Staaten weiter vorangetrieben werden. Dabei dürfen europäische Grundwerte
nicht für wirtschaftliche Interessen geopfert werden. Der Kampf gegen Korruption,
demokratische und rechtsstaatliche Reformen und die Wahrung der Menschenrechte müssen in
diesen Ländern noch stärker von der EU eingefordert werden. Die wichtige Anbindung der
östlichen Nachbarn an die EU ist gleichzeitig eine Herausforderung für das Verhältnis zu
Russland, da Russland versucht, die engere Zusammenarbeit der östlichen Staaten mit der EU
zu verhindern.
Unter Präsident Putin hat Russland mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim, dem
militärischen Vorgehen in der Ostukraine und mit dem brutalen militärischen Eingreifen in
Syrien auf der Seite Assads zu einer erheblichen Verschärfung der internationalen Spannungen
beigetragen. Gerade bei unseren osteuropäischen Nachbarn hat das tiefe historische
Erinnerungen hervorgerufen. Die Verletzung der territorialen Integrität anderer Staaten
durch Russland ist inakzeptabel. Das gilt für die völkerrechtswidrige Annexion der Krim
ebenso wie für die nunmehr zehnjährige Besatzung der georgischen Gebiete Südossetien und
Abchasien durch Russland und den Versuch der illegalen Grenzziehung in diesen Gebieten. Die
EU muss hier klar für die Unversehrtheit der Grenzen in Europa eintreten und ihre
politischen und diplomatischen Anstrengungen für eine friedliche Lösung des Konflikts im
Südkaukasus verstärken.
In Bezug auf Russland gibt es keine Abstriche in unserem Eintreten für Demokratie und
Menschenrechte und die Einhaltung des Völkerrechts. Eine Lösung des Konfliktes in der
Ukraine kann nur eine politische und diplomatische sein. Daher halten wir am Minsker
Abkommen fest. Solange Russland gegen dieses verstößt, befürworten wir die gezielten
Sanktionen der EU. Wir wenden uns gegen jede Verletzung der Grund- und Menschenrechte von
Aktivist*innen, Journalist*innen, Oppositionellen und Minderheiten in Russland. Mit Sorge
sehen wir Versuche von russischer Seite, die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten zu
schwächen. Russland hat kein Interesse an einem geschlossenen und demokratischen Europa. Das
wurde durch die Hacks, die Wahlbeeinflussung über soziale Netzwerke und die erhebliche
finanzielle Unterstützung anti-demokratischer Kräfte in vielen europäischen Staaten
deutlich. Darauf muss sich die Europäische Union noch besser einstellen. Die Antwort muss in
einer Stärkung der EU liegen. Wo immer es möglich ist, suchen wir die Kooperation mit
Russland, deshalb bleiben wir auch im Gespräch. Sicherheit, Frieden und Abrüstung lassen
sich nicht erreichen, wenn man sich anschweigt.
Europäisches Engagement für Stabilität und Frieden im Nahen Osten
Der grausame Krieg in Syrien, der seit über sieben Jahren tobt, Hunderttausenden das Leben
gekostet und Millionen von Menschen in die Flucht getrieben hat, findet vor Europas Haustür
statt. Die EU sollte alle bestehenden Friedensinitiativen unterstützen. Solange der Krieg
ungehindert fortgesetzt wird, müssen Sanktionen und Einreiseverbote gegen hochrangige
syrische und russische Militärangehörige ausgeweitet und ihre Konten in der EU eingefroren
werden.
Die einseitige Aufkündigung des Atom-Abkommens mit dem Iran durch US-Präsident Trump könnte
die ohnehin instabile Region in einen weiteren blutigen Konflikt stürzen. Es droht ein
nukleares Wettrüsten in der Region, das ganz konkret auch die Sicherheit in der Europäischen
Union bedroht. Dazu kommt der Schaden für das transatlantische Verhältnis und die
multilaterale Ordnung insgesamt. Die EU muss jetzt alles daransetzen, das Iran-Abkommen am
Leben zu halten und die atomare Abrüstung des iranischen Regimes voranzubringen. Zusätzlich
muss sich die EU gegenüber allen Regionalmächten um die Durchsetzung einer Friedensordnung
bemühen.
Das deutsch-israelische Verhältnis ist durch die Verfolgung und Ermordung der europäischen
Jüdinnen und Juden durch das nationalsozialistische Deutschland geprägt. Das Existenzrecht
und die Sicherheit Israels mit gleichen Rechten für all seine Bürgerinnen und Bürger sind
daher unverhandelbar. Wir Grünen setzen uns weiterhin für eine Zwei-Staaten-Regelung ein, um
die Sicherheit des Staates Israel zum Wohle aller seiner Bewohnerinnen und Bewohner sowie
die Schaffung eines souveränen, lebensfähigen und demokratischen Staates Palästina auf der
Grundlage der Grenzen von 1967 zu gewährleisten. Es kann nur eine gewaltfreie Lösung geben.
Wir wenden uns mit aller Entschiedenheit gegen den Terror der Hamas. Die zunehmende
Diskriminierung von Minderheiten in Israel lehnen wir ab, ebenso wie den illegalen
Siedlungsbau. Während wir der palästinensischen Zivilgesellschaft nicht absprechen, selbst
über gewaltfreie Strategien zur Beendigung der Besatzung zu entscheiden, lehnen wir einen
Boykott Israels als Instrument deutscher und europäischer Außenpolitik ab. Wir wollen
weiterhin mit allen Kräften in Israel und Palästina zusammenarbeiten, die sich gegen eine
Fortdauer der Besatzung, gegen eine Spaltung der israelischen Gesellschaft und für eine
Zwei-Staaten-Lösung einsetzen.
Seit drei Jahren tobt auch im Jemen ein brutaler Krieg, in dem die Huthi-Rebellen mit
Unterstützung des Iran gegen die jemenitische Regierung und die von Saudi-Arabien angeführte
Militärallianz kämpfen. In dem unerbittlichen Krieg sind bereits mehr als 10.000 Menschen
ums Leben gekommen, 80 % der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, darunter
viele Kinder. Die EU muss ihrer humanitären Verantwortung gerecht werden und alles dafür
tun, um einen sofortigen Waffenstillstand der beteiligten Militärmächte und der Rebellen zu
erreichen. Politisch muss auf die Kriegsparteien eingewirkt werden, um die Kampfhandlungen
umgehend zu stoppen, die durch Saudi-Arabien errichtete Seeblockade aufzulösen und
Hilfsgüter ins Land zu lassen. Jegliche Lieferung von Waffen und Rüstungsgütern an Saudi-
Arabien muss ein Ende haben. Es darf nicht sein, dass Europa indirekt diesen Krieg auch noch
anheizt.
Demokratische Kräfte in der Türkei stärken
Die Türkei ist eines der Schlüsselländer, um unsere Nachbarregionen zu stabilisieren. Aber
auch Präsident Erdogan und die AKP haben sich zu einer autoritären, autokratischen Regierung
entwickelt. In dieser Zeit gilt es umso mehr, diejenigen zu unterstützen, die trotz schwerer
Repressalien und systematischer Verfolgung in der Türkei für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit
und Weltoffenheit eintreten.Die Türkei ist nicht Erdogan, Erdogan ist nicht die Türkei. Alle Abstimmungen der vergangenen Jahre haben gezeigt: Rund die Hälfte der türkischen Wählerinnen und Wähler wünscht sich eine demokratische und rechtstaatliche Zukunft. Diese Kräfte – die trotz schwerster Repressalien und systematischer Verfolgung durch eine autoritäre und autokratische Regierung in der Türkei für Weltoffenheit eintreten – müssen wir unterstützen. Wir wollen deshalb alles politische Handeln auf europäischer Ebene und in den Mitgliedstaaten konsequent auf die Unterstützung der demokratischen Kräfte in der Türkei ausrichten. Wir verurteilen die von Präsident Erdogan eingeschlagene
Politik hin zu einem autoritären Präsidialsystem und die massiven Angriffe auf
Oppositionelle, die Zivilgesellschaft, die Meinungs- und Pressefreiheit, die
völkerrechtswidrigen Angriffe des türkischen Militärs auf Syrien und den Nordirak sowie die
Abkehr von einem friedlichen und politischen Lösungsprozess in der Kurdenfrage. Es braucht
nun eine grundlegende Neuvermessung der europäisch-türkischen Beziehungen. Mehr denn je muss
die EU klare Haltung für Demokratie und Menschenrechte zeigen. Für die europäische Ebene
bedeutet das unter anderem: Über eine Ausweitung der Zollunion kann erst verhandelt werden,
wenn die Türkei eine Kehrtwende zurück zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vollzieht. Alle
Rüstungsexporte europäischer Mitgliedstaaten gehören beendet, ebenso wie die Beteiligung
europäischer Unternehmen an Rüstungskonsortien in der Türkei.
Die Türkei hat über 3 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Deren Versorgung nach
humanitären Standards muss die EU finanziell unterstützen. Auch sollten die EU-Staaten
dringend Kontingente zur Entlastung der dortigen Strukturen anbieten.
Das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei ist eine Folge der Weigerung der EU-Mitgliedstaaten,
zu einer gemeinsamen solidarischen Lösung in der Flüchtlingskrise zu kommen. Es hat zu
katastrophalen Lagern auf Lesbos und anderen griechischen Inseln geführt und untergräbt
durch Abschiebungen ohne Asylrechtsprüfung das Recht auf Asyl. Diesen EU-Türkei-Deal wollen
wir beenden.
Praktisch liegen die Beitrittsgespräche mit der Türkei bereits auf Eis. Die Wiederaufnahme
der Verhandlungen muss an strenge, messbare Bedingungen geknüpft sein. Insbesondere mit
Blick auf die Verfassungsreform und die jüngsten Wahlen in der Türkei ist eines deutlich:
Ein EU-Beitritt der Türkei ist unter Präsident Erdogan nicht vorstellbar. Zugleich gilt: Für
eine demokratische und weltoffene Türkei müssen die Türen zur EU offen bleiben. Ein formaler
Abbruch der Beitrittsgespräche wäre falsch. Die vielen proeuropäischen Kräfte in der Türkei
brauchen dieses Signal und weiterhin unsere Unterstützung. Umso bedeutender ist es deshalb,
die noch bestehenden EU-Beitrittshilfen ausschließlich an prodemokratische Organisationen
auszuzahlen und die Verwendung der Gelder deutlich strenger zu kontrollieren als bislang.
Zukunftspakt mit Afrika
Afrika hat für die EU auch wegen der finsteren Kolonialgeschichte eine besondere Bedeutung.
Statt eine Partnerschaft auf Augenhöhe anzustreben, stehen derzeit vor allem
Migrationskontrolle und militärische Zusammenarbeit im Vordergrund. Die gegenwärtige Agrar-,
Handels- und Ressourcenpolitik laufen den Zielen einer nachhaltigen Partnerschaft zuwider.
Diese Politik bekämpft keine Probleme, sondern verschärft die Situation derjenigen, die am
meisten unter Armut und globaler Ungerechtigkeit zu leiden haben. Wir wollen unsere
afrikanischen Partner dabei unterstützen, lebenswerte Perspektiven für die Menschen vor Ort
zu schaffen und damit auch langfristig Fluchtgründe zu bekämpfen. Dies wollen wir vor allem
durch eine Stärkung afrikanischer Organisationen wie der Afrikanischen Union oder der
Afrikanischen Entwicklungsbank erreichen. Deshalb schlagen wir einen Zukunftspakt zwischen
der EU und Afrika vor. Kern ist eine Partnerschaft, die auf dem offenen und transparenten
Ausgleich gegenseitiger Interessen und Forderungen basiert. Um eine nachhaltige Entwicklung
im gesamten globalen Süden einzuleiten, braucht es eine kohärente Politik, die sich an der
Agenda 2030 der Vereinten Nationen, am Klimaabkommen von Paris und an der Aktionsagenda von
Addis Abeba orientiert.
Europäische China-Politik: Kooperation auf Basis klarer Werte
Europas Verhältnis zu China ist über die letzten Jahre wichtiger, aber auch schwieriger
geworden. Deutschlands Beziehungen zur Volksrepublik sind besonders eng. Daraus erwächst
eine hohe Verantwortung dafür, dazu beizutragen, dass die EU gegenüber China vermehrt mit
einer Stimme spricht. Das gilt für die Abwehr chinesischer Dumpingexporte, für den
verantwortlichen Umgang mit Investitionen, die Belange der Sicherheit oder der öffentlichen
Ordnung beeinträchtigen könnten, oder für faire Chancen europäischer Unternehmen in China.
Es gilt nicht weniger für die gemeinsame Vertretung unserer gemeinsamen Werte, vornean der
Menschenrechte. Und es gilt auch gegenüber Chinas Außenpolitik, die zunehmend eine der
harten Hand ist und zunehmende Drohungen gegenüber der Selbstverwaltung Taiwans einschließt.
Wir unterstützen Europas „Ein-China-Politik“ und teilen die Auffassung, dass Chinas
Vereinigung nicht gegen den Willen der Bevölkerung Taiwans erzwungen werden darf.
Chinas heutige Führung, die im Inneren zum Totalitarismus zurückkehrt, befindet sich mit
ihren Konzepten der „neuen Seidenstraße“, des „Made in China 2025“ und der „globalen
Schicksalsgemeinschaft“ auf dem Weg zur globalen Supermacht, die Multilateralismus nur
mitmacht, wo er ihr nutzt. Europa muss der chinesischen Herausforderung mit der Bereitschaft
zur Kooperation, aber auch mit Klarheit in der Vertretung der eigenen Werte und Interessen
und mit Selbstbewusstsein begegnen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- eine Initiative für die Reform und Stärkung der Vereinten Nationen,
- die materielle und finanzielle Stärkung der OSZE,
- die Stärkung des humanitären Völkerrechts und des internationalen Strafrechts zur
Verfolgung schwerster Menschenrechtsverbrechen,
- einen Zukunftspakt mit Afrika.
4.3 Krisen vermeiden, Frieden und Sicherheit garantieren
Als Friedensmacht ist es oberste Pflicht von uns Europäerinnen und Europäern, aktiv an einer
globalen, multilateralen Friedensordnung im Rahmen der Vereinten Nationen mitzuarbeiten. Im
Mittelpunkt muss eine Politik stehen, die verhindert, dass Krisen und Konflikte überhaupt
entstehen. Von einer kohärenten, vollständig koordinierten Krisenprävention der EU sind wir
noch weit entfernt. Wenn die EU ihre Rolle als zivile Macht ernst nimmt, darf sie nicht nur
auf die Verteidigung schauen. Zivile und präventive Maßnahmen sind frühzeitig zu ergreifen
und nicht erst, wenn Konflikte schon entflammt sind. Das gilt besonders auch für Post-
Konflikt-Situationen. Das Wiederaufflammen von Kriegen und gewaltsamen Konflikten lässt sich
am besten verhindern, wenn frühzeitig Strukturen vor Ort aufgebaut werden, die Sicherheit
herstellen und die Versorgung aller Menschen in einer Region ermöglichen.
Damit sich Friedenspolitik auf europäischer Ebene nicht nur am kleinsten gemeinsamen Nenner
orientiert, setzen wir uns für das Prinzip von Mehrheitsentscheidungen in der Außen- und
Sicherheitspolitik im Europäischen Rat ein. Eine zivile Säule des außenpolitischen Handelns,
die Diplomatie, ist der nachhaltigere, stärkere Pfeiler einer menschenrechtsorientierten
Friedens- und Außenpolitik. Dementsprechend wollen wir den Europäischen Auswärtigen Dienst
stärken und ausbauen. Wir plädieren dafür, die konsularischen Dienste der Mitgliedsländer
gemeinsam in europäischen Botschaften zu bündeln und dadurch Personalkapazitäten für die
eigentlichen diplomatischen Aufgaben freizusetzen.
Wir unterstützen den Europäischen Auswärtigen Dienst in seinen Bestrebungen, auch für den
zivilen Bereich feste Ausbauziele und gemeinsame Schwerpunkte festzulegen. Ähnlich wie die
Battlegroups im militärischen Bereich brauchen wir auch ein ziviles Einsatzteam, damit im
Krisenfall schnell zivile staatliche und nicht staatliche Experten wie Polizisten, Juristen,
Mediatoren oder Verfassungsexperten entsandt werden können. Wir wollen die Mittel und das
Personal für zivile Krisenprävention und die zivilen EU-Polizei- und Rechtsstaatsmissionen
deutlich erhöhen und ihre Finanzierung gerechter unter den Mitgliedstaaten verteilen.
Außerdem wollen wir das Europäische Friedensinstitut finanziell stärker in seiner
Mediationsarbeit unterstützen.
Wir stellen uns gegen den fatalen Paradigmenwechsel, zivile Gelder aus dem EU-Haushalt für
militärische Zwecke oder zur Abwehr von Geflüchteten umzuwidmen. Die Trennschärfe zwischen
entwicklungspolitischen und militärischen Maßnahmen muss bewahrt werden. Wir lehnen sowohl
die Öffnung des Instruments für Stabilität und Frieden für militärische Zwecke ab als auch
den Plan der EU-Kommission, dieses Instrument 2020 auslaufen zu lassen. Stattdessen fordern
wir eine Verdoppelung der Mittel im Bereich der zivilen Krisenprävention.
Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete stoppen
Europa exportiert Waffen und Rüstungsgüter in Kriegs- und Krisengebiete sowie in Diktaturen.
Das wollen wir stoppen. Nationale Wirtschaftsinteressen dürfen nicht Frieden gefährden. Auch
wollen wir nicht, dass Überwachungssysteme zur Unterdrückung von Menschen in Diktaturen
genutzt werden. Wir fordern daher, dass die gemeinsamen Regeln für die Ausfuhrkontrolle von
Militärtechnologie und Militärgütern (gemeinsamer Standpunkt des Rats von 2008)
rechtsverbindlich und einklagbar werden.
Wir setzen uns auf europäischer Ebene für den Erhalt und die Stärkung internationaler und
regionaler Rüstungskontrollregime ein. Die EU muss darauf hinwirken, diese Abkommen auch auf
neue Bereiche der Kriegsführung – wie den Cyberraum oder Outer Space – auszudehnen. Wir
wollen, dass die EU für die Einbeziehung bewaffneter unbemannter Luftfahrzeuge in
internationale Abrüstungs- und Rüstungskontrollregime eintritt. Weiterhin sollte sie sich
für eine präventive völkerrechtliche Ächtung autonomer Waffensysteme einsetzen. Außerdem
muss die EU zur atomaren Abrüstung beitragen, sowohl im Innern durch den Einsatz für ein
atomwaffenfreies Europa als auch international.
Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
Heutzutage werden Sicherheitsrisiken immer komplexer und reichen von der Verbreitung von
Massenvernichtungswaffen und Cyberangriffen bis hin zur Bedrohung der Energie- und
Umweltsicherheit, während zugleich militärische Annexionen direkt vor unserer Haustür
stattfinden. Europa kommt gar nicht darum herum, sich diesen Herausforderungen stärker
selbst zu stellen. Die NATO hat nach wie vor eine wichtige Bedeutung für die Sicherheit
Europas. Doch angesichts der Spannungen und Konflikte im NATO-Bündnis ist es sinnvoll, die
Sicherheit Europas stärker gemeinsam voranzutreiben. An der Vision einer gesamteuropäischen
Sicherheitsordnung, die den Raum der OSZE umfasst, halten wir fest. In diesem Sinne wollen
wir an einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsunion arbeiten und die verstärkte
Zusammenarbeit der Streitkräfte in der EU ausbauen, anstatt immer mehr Geld in nationale
Rüstungssektoren zu pumpen.
Forderungen aus der NATO, die nationalen Militärausgaben auf 2 % des Bruttoinlandsprodukts
zu steigern, lehnen wir ab. Aus Sicht der EU-Kommission würden sich schon jetzt durch eine
tiefgehende Kooperation im Verteidigungsbereich Einsparungsmöglichkeiten von 25 bis 100
Milliarden Euro pro Jahr ergeben. Statt 17 nicht funktionsfähiger Systeme sollten wir besser
ein funktionierendes System schaffen. Wir unterstützen daher grundsätzlich die ständige und
strukturierte Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich (PESCO), wobei die zivile Seite der
Sicherheitskooperation bislang deutlich hinterherhinkt. Die Zusammenarbeit im
Verteidigungsbereich darf aber nicht dazu führen, dass wir zusätzliches Geld in ein
ineffizientes System der Verteidigungsbeschaffung stecken. Was europäisch getan wird, darf
nicht noch parallel national weitergeführt und finanziert werden. Vielmehr wollen wir eine
sicherheitspolitische Integration auf europäischer Ebene im Rahmen des EU-Budgets im Sinne
einer echten Umsetzung des „pooling & sharing“. Die europäischen Verteidigungsausgaben
dürfen auch nicht zu Lasten anderer Aufgaben der EU gehen. Die Umwidmung bisher ziviler
Haushaltstitel auf EU-Ebene lehnen wir ab. Wir sind gegen eine Etablierung von
Parallelstrukturen zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP). Ein
gemeinsames außen- und sicherheitspolitisches Vorgehen Europas kann es nur innerhalb der
Strukturen der Europäischen Union geben.
Damit der Einsatz des Militärs auch wirklich das äußerste Mittel bleibt, muss der zivile
Aspekt der Sicherheit deutlich gestärkt werden, wozu vor allem die Nichtverbreitung von
Waffen, die Verhinderung von Völkermord, die wirtschaftliche Entwicklung, die
Rechtsstaatlichkeit, die Vermittlung und Versöhnung und die territoriale Integrität zählen.
Wichtig ist für uns, dass die gemeinsamen Verteidigungsprojekte auch parlamentarisch durch
das Europäische Parlament kontrolliert werden. Aus nationaler Erfahrung wissen wir, dass
Großprojekte ohne Transparenz und echte Kontrollmöglichkeiten häufig in Missmanagement und
Korruption enden.
Außerdem brauchen wir eine regelmäßige Debatte zu Einsätzen, die im Rahmen der Missionen der
Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU durchgeführt werden. Auch
die Evaluierung solcher Missionen sollte durch das Europaparlament erfolgen. Nationale
Parlamentsvorbehalte dürfen im Zuge einer stärkeren Rolle des Europäischen Parlaments aber
nicht abgeschafft oder unterwandert werden. Mitgliedstaaten sollen auch in Zukunft die
Möglichkeit haben, nicht an GSVP-Missionen teilzunehmen.
Europäischer Beitrag zur Konfliktprävention, Friedenssicherung und Schutz vor Verbrechen
gegen die Menschlichkeit
Eine an den Menschenrechten orientierte Außenpolitik, die dem Schutzprinzip des Völkerrechts
verpflichtet ist, bedeutet auch, zu handeln, wenn Menschenrechte massiv verletzt werden. Wir
setzen uns daher für den Ausbau der europäischen Polizei- und Rechtsstaatsmissionen ein wie
auch für Ausbildungs- und Unterstützungsmissionen zur Vorsorge oder zur Stabilisierung von
Friedensprozessen.
Wir stehen zu einer Kultur der militärischen Zurückhaltung und für das Primat des Zivilen.
Die Anwendung militärischer Gewalt ist immer ein Übel. Es gibt jedoch Situationen, in denen
militärische Gewalt unter eng begrenzten Bedingungen als äußerstes Mittel im Sinne der
Schutzverantwortung der VN notwendig ist, weil nationale Regierungen nicht in der Lage oder
willens sind, Menschen vor schweren Menschenrechtsverbrechen zu schützen. Dabei steht an
erster Stelle immer die Prävention, also das Verhindern gewaltsamer Entwicklungen. Wir
machen uns die Entscheidung über Militäreinsätze niemals einfach, sondern prüfen mögliche
Mandate kritisch und sorgfältig.
Für uns gelten die VN-Charta und das Völkerrecht. Wir werden Einsätzen der Bundeswehr nur
auf Grundlage der VN-Charta und mit einem Mandat der Vereinten Nationen nach Kapitel VI oder
VII der VN-Charta zustimmen. Allerdings kann ein Nichthandeln aufgrund einer Blockadehaltung
einer oder mehrerer Vetomächte das Völkerrecht und die Vereinten Nationen ebenso massiv
beschädigen wie das Handeln ohne ein Mandat. Wenn der Sicherheitsrat blockiert ist, muss
sich die Generalversammlung damit befassen. Einsätze müssen grundgesetzkonform sein und im
Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit erfolgen. Ohne eine umfassende zivile
Gesamtstrategie und eine Einbettung in klare Konzepte für die Zukunft des betroffenen
Staates dürfen militärische Interventionen nicht erfolgen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- mehr Finanzmittel und Personal für europäische Polizei- und Rechtsstaatsmissionen,
- eine europäische Sicherheitsunion, die parlamentarisch kontrolliert wird,
- keine Waffenlieferungen an Diktatoren und in Kriegs- und Krisengebiete,
- eine Verdoppelung der Mittel für zivile Krisenprävention.
4.4 Globale Gerechtigkeit und Entwicklung fördern
Für eine gerechte Globalisierung brauchen wir eine EU, die eine menschenrechtsbasierte
globale Strukturpolitik vorantreibt, aktiv wird und nicht in Nationalismen zurückfällt.
Politikkohärenz im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung ist unser Ziel, damit beispielsweise
Handelspolitik nicht Entwicklungszusammenarbeit torpediert. Die 17 globalen
Nachhaltigkeitsziele, beschlossen im Jahr 2015 von den Vereinten Nationen, müssen innerhalb
der EU und global umgesetzt werden. Entwicklung gelingt nur dann, wenn wir soziale,
ökologische und wirtschaftliche Kriterien zusammendenken. Ziele wie
„Geschlechtergerechtigkeit“, „saubere Energie“, „gute Bildung“, „Frieden, Gerechtigkeit und
starke Institutionen“ der Agenda 2030 müssen wir in der EU durch eine ambitionierte
Nachhaltigkeitsstrategie verwirklichen. Wir müssen unsere Politik ändern, wenn
Agrarsubventionen Märkte in armen Ländern zerstören, wenn europäische Rechtsräume zur
Geldwäsche oder für die Steuer- und Kapitalvermeidung missbraucht werden oder wenn unsere
Handelspolitik Entwicklungschancen zerstört. Eine sozial-ökologische, vielfältige EU ist der
richtige Weg, um dem neuen Nationalismus und den antidemokratischen Kräften
entgegenzutreten.
Dies ist auch die beste Antwort auf die Herausforderungen weltweiter Fluchtbewegungen, um
Menschen davor zu bewahren, ihre Heimat verlassen zu müssen, sei es aufgrund von Verfolgung,
Folter, Kriegen, Hunger, Dürren oder anderen Krisen. Wir müssen endlich die strukturellen
Ursachen der Zerstörung von Lebensgrundlagen konsequent angehen. Unser Lebensstil, unsere
Art zu konsumieren, unser Wirtschaftssystem zerstören die Lebensgrundlagen von Millionen von
Menschen im Süden unseres Planeten. Europäische Unternehmen exportieren Rüstungsgüter in
Krisengebiete, überfischen die Weltmeere, und unsere Gesellschaften nehmen in Kauf, dass
unsere Agrarexporte andernorts die Existenzgrundlage von Bäuerinnen und Bauern zerstören.
Menschen, die nichts mehr zu verlieren haben, lassen sich weder mit höheren Zäunen noch mit
Patrouillenbooten oder durch Pakte mit Autokraten aufhalten. Stattdessen braucht es eine
kohärente internationale Politik und strukturelle Reformen in Bereichen wie Handel,
Landwirtschaft, Energie, Fischerei, Außenpolitik und Klimaschutz, wie sie die nachhaltigen
Entwicklungsziele der UN vorgeben.
Die EU-Mitgliedstaaten haben sich schon lange zu einer Erhöhung der Entwicklungsfinanzierung
auf 0,7 % des Bruttoinlandsprodukts verpflichtet – die immer noch nicht erreicht sind. Wir
sprechen uns klar dagegen aus, dass Ausgaben für Flüchtlinge im Inland und innerhalb der
Europäischen Union als Ausgaben für die Entwicklungsfinanzierung gerechnet werden können.
Vielmehr brauchen wir überprüfbare Zwischenschritte, um das 0,7%-Ziel in der EU tatsächlich
zu erreichen. Die wirtschaftlich starken Länder der EU stehen hier besonders in der Pflicht
und müssen gemeinsam vorangehen. Dabei sind Entwicklungsgelder nicht alles. Wir setzen uns
dafür ein, dass die EU konsequent die Kapital- und Steuervermeidung aus Entwicklungs- und
Schwellenländern begrenzt. Dazu gehören Transparenzregister, das Austrocknen europäischer
Steuersümpfe und die verpflichtende, länderbasierte Berichterstattung globaler Konzerne, die
in der EU ihren Sitz haben.
Der humanitäre Bedarf der Vereinten Nationen zur Vermeidung von Hungersnöten oder
schlimmsten Katastrophen wird von der Staatengemeinschaft immer wieder nicht erfüllt,
allerhöchstens erst nach wiederholten Appellen und Sondergipfeln. Wir wollen eine Stärkung
und ausreichende Finanzierung der europäischen und internationalen Organisationen in diesem
Bereich, dazu zählt insbesondere auch eine finanziell bessere Ausstattung der europäischen
Organisation für humanitäre Hilfe, ECHO. Auch die nationalen europäischen Hilfen sollen
besser koordiniert sein.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- die Erhöhung der Entwicklungsfinanzierung,
- die Bekämpfung von Kapital- und Steuerflucht aus Entwicklungs- und Schwellenländern,
- eine Stärkung und bessere finanzielle Ausstattung der europäischen Organisation für
humanitäre Hilfe.
4.5 Fairen und offenen Welthandel voranbringen
Die globale Arbeitsteilung hat unzähligen Ländern mehr Wohlstand gebracht. Millionen
Menschen in sich entwickelnden Ländern haben auch dadurch den Sprung aus extremer Armut
geschafft. Der Austausch von Waren und Dienstleistungen fördert die Verbreitung von
Innovationen und trägt zu friedlichen Beziehungen zwischen den Nationen bei. Doch
gleichzeitig führt eine unregulierte Globalisierung viel zu oft zur Ausbeutung von Menschen
und Umwelt und beschleunigt die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Der aktuelle globale
Wettbewerb setzt soziale und ökologische Standards in den Staaten unter Druck. Die
Wohlstandsgewinne aus dem globalen Handel sind teilweise extrem ungleich verteilt.
Der offene Welthandel soll fair, ökologisch und gerecht gestaltet sein und Mensch und Umwelt
in den Mittelpunkt stellen. In diesem Sinne setzen wir uns dafür ein, dass die Europäische
Union eine führende Rolle bei der sozial-ökologischen Regulierung des Welthandels einnimmt.
Global und demokratisch
Die Welthandelsordnung steht unter Druck. Verhandlungen in der Welthandelsorganisation (WTO)
stecken in der Sackgasse. Immer mehr Staaten setzen darauf, nur mit einzelnen anderen
Staaten Handelsabkommen abzuschließen. Die „America-first-Politik“ von Donald Trump oder
Chinas aggressive Industriepolitik verstärken den Sog zu immer mehr bilateralen Abkommen.
Wir sehen das skeptisch, denn dabei geraten die Interessen von Ländern, die keinen Platz am
Verhandlungstisch haben, immer unter die Räder und die Verhandlungsposition ärmerer Länder
wird geschwächt.
In einer echten globalen Partnerschaft dürfen nicht nur die wirtschaftlich Stärksten
entscheiden. Deswegen fordern wir die Wiederbelebung der Verhandlungen im Rahmen der WTO.
Dazu sollte die EU einen Vorschlag vorlegen, der die WTO und das Welthandelssystem
reformiert und neu belebt und langfristig unter das Dach der Vereinten Nationen stellt.
Die Errichtung einer neuen globalen Welthandelsordnung wird Zeit brauchen. Daher können für
den Übergang auch Abkommen zwischen einzelnen Staaten und Wirtschaftsräumen sinnvoll sein.
An diese Abkommen legen wir aber harte Kriterien an. Sie dürfen nicht zu Lasten Dritter
gehen. Sie müssen demokratisch und transparent zustande kommen. Und sie müssen Umwelt- und
Klimaschutz, Menschenrechte, Entwicklung und soziale Gerechtigkeit voranbringen. Getrieben
von einer konservativ-neoliberalen Mehrheit wurde in Europa eine Handelspolitik
vorangebracht, die diesen Grundsätzen widerspricht oder sie sogar in ihr Gegenteil verkehrt.
Im Mittelpunkt stehen die Interessen von großen Konzernen, während Verstöße gegen
Umweltschutz, Arbeitnehmer*innen- und Menschenrechte weiterhin nicht bestraft werden.
Wir sind zusammen mit einer breiten europäischen Zivilgesellschaft erfolgreich dagegen auf
die Straße gegangen und haben dazu beigetragen, dass TTIP nicht gekommen ist und bei CETA
und JEFTA einseitige Gerichte für private Investoren erstmal verhindert werden konnten. Das
macht deutlich, dass es sich lohnt, für faire, ökologische, gerechte und demokratische
Handelsabkommen zu streiten, auch wenn wir noch nicht am Ziel sind.
Wir Grünen lehnen das Abkommen mit Japan (JEFTA) deshalb in dieser Form ab, zum Beispiel
wegen der mangelnden Verankerung und Durchsetzung des Vorsorgeprinzips und des Pariser
Klimaschutzabkommens im Vertragstext. Gerade mit Ländern wie Japan bestünde die Chance, es
endlich besser zu machen.
Ein Großteil von CETA ist bereits in Kraft, die problematischen Teile, die auch national
ratifiziert werden müssen, noch nicht. Diese wollen wir in der aktuellen Form nicht
ratifizieren.
Beim Abkommen mit den südamerikanischen Staaten (Mercosur) setzt die EU auf die
Liberalisierung bei Dienstleistungen, obwohl öffentliche Wasser- und Stromversorgung gerade
in den Ländern des Mercosur ein wichtiges Mittel zur Armutsbekämpfung sind. Gleichzeitig ist
auf Bestreben Brasiliens der Schutz des Amazonas-Regenwaldes aus dem Vertragstext geflogen.
Wir wollen auch mit unseren Handelspartnern in Südamerika Umwelt, Verbraucher und
Menschenrechte in den Mittelpunkt von Handelsverträgen rücken.
Unsere grüne Alternative zur bisherigen EU-Handelspolitik ist eine Handelspolitik, die die
Globalisierung gerecht gestaltet. Es ist nicht hinnehmbar, dass es Sonderschiedsgerichte für
Investoren zwischen Rechtsstaaten gibt, während Klimaschutz, Menschenrechte oder das
Vorsorgeprinzip nur schmückende Prosa bleiben. Wir lehnen einseitige Gerichte für private
Investoren ab.
Wir setzen uns stattdessen für einen ständigen internationalen Handelsgerichtshof ein, vor
dem nicht nur Unternehmen klagen können, sondern auch Betroffene gegen die Verletzung
menschenrechtlicher, sozialer und umweltrelevanter Verpflichtungen durch transnationale
Unternehmen. Der Vorschlag der EU-Kommission für einen multilateralen
Investitionsgerichtshof (MIC) erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Parlamente dürfen durch
Regeln zur regulatorischen Zusammenarbeit in Handelsabkommen nicht umgangen oder geschwächt
werden.
Das Vorsorgeprinzip, nach dem die Unbedenklichkeit von Produkten vor der Zulassung
nachgewiesen werden muss, ist die tragende Säule des europäischen Schutzes von Umwelt und
Verbraucher*innen. Die bestehende Verankerung des Vorsorgeprinzips im Primärrecht der EU
reicht hierzu nicht aus. Deshalb wollen wir, dass es für alle Bereiche der EU-
Handelsabkommen gilt. Auch Produkte, deren Verkauf in Europa verboten ist, wie bestimmte
Giftstoffe und Waffen, sollten hier auch nicht produziert und dann exportiert werden dürfen.
Wir wollen im Handel auch die Interessen von kleinen und mittleren Unternehmen stärken und
damit der Konzentration von wirtschaftlicher Macht entgegenwirken. Sie profitieren von
Zollreduktion und einheitlichen technischen Standards.
Für faire Arbeitsbedingungen, Klimaschutz und Menschenrechte
Handel sollte soziale Gerechtigkeit, faire Arbeitsbedingungen und Menschenrechte
unterstützen. Menschenrechte und die Arbeitnehmerschutzrechte der internationalen
Arbeitsorganisation, also die ILO-Kernarbeitsnormen, müssen im Handel fest verankert werden,
und ihre Verletzung muss einklagbar sein. Bei Verstößen muss die EU Handelsvergünstigungen
auch entziehen. Die EU-Kommission setzt in erster Linie auf freiwillige
Selbstverpflichtungen. Die Erfahrung zeigt: Das reicht nicht. Notwendig sind gesetzliche
Sorgfaltspflichten, neue Haftungsregeln und bessere Klagemöglichkeiten innerhalb der EU –
auch für Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen, die von europäischen Unternehmen
verursacht werden. Wir wollen Unternehmen gesetzlich zu mehr Verantwortung und Transparenz
in Bezug auf ihre Lieferketten verpflichten sowie dazu, Menschen- und Arbeiter*innenrechte
einzuhalten und fairer und ökologischer Beschaffung den Vorrang zu geben.
Die Klimaziele von Paris müssen fester Bestandteil des Welthandels werden. Wir unterstützen
den Vorschlag des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, die Klimaziele von Paris als
wesentlichen Bestandteil in Handelsabkommen zu verankern und damit verbindlich umzusetzen.
Wir müssen Handel und Klima in Einklang bringen. Eine Vorreiterrolle im Klimaschutz darf
nicht zu Nachteilen im internationalen Wettbewerb führen. Im Gegenteil wollen wir erreichen,
dass sich ein ambitionierter Klimaschutz auch ökonomisch rechnet. Dies kann zum Beispiel
über eine zu entwickelnde Klimaabgabe auf schmutzige Importe erfolgen, die aber WTO-konform
ausgestaltet sein muss.
Unfairen Wettbewerb durch Preis- oder Standard-Dumping wollen wir verhindern. Die letzte
Reform der europäischen Anti-Dumping-Instrumente war ein wichtiger Schritt. Es ist ein
Erfolg grüner Politik im Europaparlament, dass Marktverzerrung nun auch bei Verstößen gegen
internationale Arbeitnehmer- und Umweltstandards festgestellt werden kann. Wir wollen in
kritischen Bereichen strategische Infrastruktur schützen.
Handelsabkommen dürfen keine Treiber von Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung
werden. Wo sich Privatisierungen als Holzweg erwiesen haben, wollen wir diese rückgängig
machen können. Die öffentliche Daseinsvorsorge muss umfassend geschützt werden. Kommunen
dürfen in ihrer Handlungsfreiheit nicht beschränkt werden.
Faire Rohstoffpolitik
Durch viele Produkte des Alltags sind wir mit der ganzen Welt verbunden, die Produktion
findet in Asien statt, die Rohstoffe kommen vom afrikanischen Kontinent und konsumiert wird
bei uns. Wir wollen die Lieferketten besser kontrollieren. Deshalb wollen wir transparente
Lieferketten mit sozialen und ökologischen Mindeststandards durch entsprechende
Offenlegungs- und Sorgfaltspflichten erreichen. Was in der Europäischen Union konsumiert
wird, darf nicht zu Krieg und Ausbeutung beitragen.
Wir stehen für eine andere Rohstoffpolitik. Die Rohstoffe, die wir für unsere Handys oder
Tablets benötigen, werden oft unter miserablen Bedingungen abgebaut und gehen mit
Menschenrechtsverletzungen, Konflikten und Umweltzerstörungen einher. Ausbeutung darf aber
nicht Grundlage der Digitalisierung und unseres Konsums sein. Wir treten ein für faire
Rohstoffpartnerschaften, die die Bedürfnisse der Abbauländer berücksichtigen, für Einsparung
des Rohstoffverbrauchs und eine nachhaltige Nutzung in Europa. Wir wollen verbindliche
Standards bei Abbau, Weiterverarbeitung und Handel von Rohstoffen im Rahmen eines
transparenten Verfahrens, das auch gegen Korruption und Steuervermeidung wirkt. Besonders
Konfliktmineralien müssen besser kontrolliert werden.
Entwicklungspartnerschaft auf Augenhöhe
Die gegenwärtige Handelspolitik der EU mit Entwicklungsländern ist einseitig von den
wirtschaftlichen Interessen europäischer Unternehmen dominiert. Durch den Abbau von Zöllen
werden heimische Industrie, Handwerk und Landwirtschaft in Entwicklungsländern durch
Billigimporte aus der EU bedroht. Die EU ist durch ihre starke Verhandlungsposition in der
Lage, den Entwicklungsländern Bedingungen zu diktieren. Die derzeitigen
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) mit Afrika verhindern den Aufbau einer eigenen
Wirtschaft in diesen Ländern, statt ihn zu fördern. Wir wollen diese Abkommen stoppen und zu
einer echten Entwicklungspartnerschaft auf Augenhöhe übergehen. Die Entwicklungsländer
müssen ihren Weg einer nachhaltigen Entwicklung selbst bestimmen können. Gleiche Rechte sind
nur zwischen gleich starken Partnern gerecht. Wer die Schwächeren fördern will, muss ihnen
mehr Rechte als den Starken gewähren. Wir wollen Entwicklungsländern ausreichend Raum für
handelspolitische Schutzmaßnahmen lassen, um ihre heimische Wirtschaft aufzubauen und junge
Industrien zu schützen. Zolleinnahmen sind eine wichtige Einnahmequelle für
Entwicklungsländer. Ohne diese werden die mageren Staatseinnahmen stark belastet und es
fehlen Mittel für Investitionen in öffentliche Güter wie Bildung, Basis-Gesundheitsdienste
und andere Aspekte der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die EU hingegen sollte ihre Zölle auf
verarbeitete Produkte aus Entwicklungsländern abschaffen, um eine diversifizierte Industrie
und Wertschöpfung vor Ort zu ermöglichen.
Fairer Handel auch in der Landwirtschaft
Europäische Agrarsubventionen zerstören kleinbäuerliche Strukturen im globalen Süden und
schaffen so Abhängigkeiten, vernichten Existenzen und zementieren Armut. Deshalb lehnen wir
sie ab. Wir brauchen einen Neustart des europäischen Agrarhandels, der nicht länger mit
Dumpingpreisen Märkte im globalen Süden zerstört. Die Patentierung von Saatgut sowie
Landgrabbing wollen wir bekämpfen. Die EU muss Investoren und staatliche Institutionen dazu
drängen, die Leitlinien der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN zu
Landrechten, Fischgründen und Wäldern einzuhalten. Agrochemiekonzerne wie Bayer, der durch
die Übernahme von Monsanto zum Marktbeherrscher geworden ist, kontrollieren bereits jetzt
große Teile des weltweiten Saatgut-, Düngemittel- und Pestizidmarkts. Mit ihren Patenten
werden Kleinbäuerinnen und -bauern in teure Abhängigkeiten gezwungen und die Artenvielfalt
wird zerstört. Wir wollen die Rechte der Kleinbäuerinnen und -bauern in Entwicklungsländern
auf freien Austausch und kostenlose Wiederaussaat von Saatgut sichern. Darüber hinaus wollen
wir den Auf- und Ausbau lokaler Saatgutbanken fördern, damit traditionelles Wissen und die
biologische Vielfalt erhalten und zugänglich bleiben. Sortenvielfalt ist ein wichtiger
Baustein, um das Recht auf Nahrung zu verwirklichen und die Landwirtschaft
widerstandsfähiger gegen die Folgen des Klimawandels zu machen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- die Verankerung des Pariser Klimaschutzabkommens und des Vorsorgeprinzips in allen
Handelsverträgen der EU,
- WTO-konforme Klimaabgaben auf schmutzige Importe,
- die Abschaffung von Zöllen auf verarbeitete Produkte aus Entwicklungsländern.
4.6 Drogenkriege beenden
Der globale Krieg gegen Drogen ist gescheitert. Er fördert organisierte Kriminalität,
unterminiert die Gesundheit der Drogenkonsument*innen, verletzt Menschenrechte und trägt zur
Destabilisierung von Staaten bei. Damit verhindert er die politische und wirtschaftliche
Entwicklung der betroffenen Länder. Europa trägt als Konsumentenregion Verantwortung für die
Auswirkungen der Nachfrage nach Drogen. Wir wollen deshalb, dass die Europäische Union sich
auf der Ebene der Vereinten Nationen dafür einsetzt, dass der Drogenkrieg beendet wird.
Nationale Schritte für eine Reform der Drogenpolitik wie in verschiedenen Ländern
Lateinamerikas sollten unterstützt und nicht behindert werden. Die Europäische Union sollte
deshalb global eine Reform der Drogenpolitik in den betroffenen Staaten unterstützen, die
auf Prävention, Hilfe, Schadensminderung, Entkriminalisierung und Regulierung setzt. Wir
fordern eine an den tatsächlichen gesundheitlichen Risiken orientierte Regulierung von
Drogen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- eine globale Reform der Drogenpolitik,
- eine an den gesundheitlichen Risiken orientierte Regulierung von Drogen.
weitere Antragsteller*innen
- Konstantin von Notz (Herzogtum Lauenburg KV)
- Terry Reintke (Gelsenkirchen KV)
- Ska Keller (Spree-Neiße KV)
- Filiz Polat (Osnabrück-Land KV)
- Agnieszka Brugger (Ravensburg KV)
- Ulle Schauws (Krefeld KV)
- Reinhard Bütikofer (Berlin-Mitte KV)
- Frithjof Schmidt (Bochum KV)
- Uwe Kekeritz (Neustadt/Aisch-Bad Windsheim KV)
- Matthias Lorentzen (Augsburg-Stadt KV)
- Henrike Hahn (München KV)
- Melanie Hippke (Augsburg-Stadt KV)
- Wolfgang Urban (Augsburg-Stadt KV)
- Luise Amtsberg (Kiel KV)
- Gudrun Lux (München KV)
- Helga Mandl (Traunstein KV)
- Erich Grundl (Bogen-Straubing KV)
- Assadullah Wardak (Unterallgäu KV)
- Stephanie Schuhknecht (Augsburg-Stadt KV)
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Von Zeile 278 bis 283:
Die Türkei ist eines der Schlüsselländer, um unsere Nachbarregionen zu stabilisieren. Aber auch Präsident Erdogan und die AKP haben sich zu einer autoritären, autokratischen Regierung entwickelt. In dieser Zeit gilt es umso mehr, diejenigen zu unterstützen, die trotz schwerer Repressalien und systematischer Verfolgung in der Türkei für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Weltoffenheit eintreten.Die Türkei ist nicht Erdogan, Erdogan ist nicht die Türkei. Alle Abstimmungen der vergangenen Jahre haben gezeigt: Rund die Hälfte der türkischen Wählerinnen und Wähler wünscht sich eine demokratische und rechtstaatliche Zukunft. Diese Kräfte – die trotz schwerster Repressalien und systematischer Verfolgung durch eine autoritäre und autokratische Regierung in der Türkei für Weltoffenheit eintreten – müssen wir unterstützen. Wir wollen deshalb alles politische Handeln auf europäischer Ebene und in den Mitgliedstaaten konsequent auf die Unterstützung der demokratischen Kräfte in der Türkei ausrichten. Wir verurteilen die von Präsident Erdogan eingeschlagene Politik hin zu einem autoritären Präsidialsystem und die massiven Angriffe auf
Die internationale Staatenordnung befindet sich im Umbruch. Russlands Präsident verletzt die
territoriale Integrität anderer Staaten und verhindert eine demokratische Entwicklung im
Inland. Chinas Führung verstärkt immer weiter die staatliche Überwachung und heizt
Territorialkonflikte im Südchinesischen Meer an. In den Staaten Nordafrikas und des Nahen
Ostens konnte sich die Hoffnung der Menschen auf eine Demokratisierung der Region nicht
erfüllen. Iran und Saudi-Arabien führen stattdessen einen Kampf um die Vorherrschaft im
Nahen Osten. In Syrien tobt nach wie vor ein brutaler Krieg, in dem sich sogar NATO-Partner
feindlich gegenüberstehen.
Und die USA, ehemaliger außenpolitischer Garant jener Regeln, die seit dem Ende des Zweiten
Weltkriegs einen großen Teil der Welt halbwegs zusammengehalten haben, haben sich als
berechenbarer Akteur der Weltpolitik verabschiedet. Die US-Regierung steigt aus dem
Klimaabkommen aus, kündigt das Iranabkommen, agiert in Handelsfragen aggressiv und verachtet
die internationalen Organisationen, die ihr Land selbst gegründet hat. Die EU sieht sie
wirtschaftlich als Gegner. Garantien, auf die sich Europa sicher verlassen konnte, gelten so
nicht mehr.
Währenddessen geht die globale Vermögensverteilung immer weiter auseinander. Zwar haben sich
Armut und Kindersterblichkeit in den letzten Jahrzehnten halbiert, in vielen Ländern kann
mittlerweile die Mehrheit der Mädchen und Jungen lesen und schreiben. Dennoch ist das eben
nur die Hälfte und weltweit leiden weiter 815 Millionen Menschen an chronischem Hunger. Das
reichste Prozent der Weltbevölkerung besitzt über 50 % des Gesamtvermögens und damit mehr
als die übrigen 99 % der Weltbevölkerung. Die Auswirkungen der Klimakrise vertreiben nicht
nur immer mehr Menschen aus ihrer Heimat, weil sie auf ausgetrockneten oder überschwemmten
Böden nicht mehr leben und keine Landwirtschaft betreiben können, sondern auch weil die
Auswirkungen der Klimakrise vielerorts bestehende Konflikte und schlechte Regierungsführung
verschärfen.
In dieser Situation muss sich die EU beweisen. Als außenpolitische Akteurin, als
Wertegemeinschaft, in der der Mensch mit seiner Würde, seiner Freiheit und seinen
unveräußerlichen Rechten im Mittelpunk steht – wissend, dass gerade in der Außenpolitik
immer Kompromisse nötig sind und vielfältige Interessen ausbalanciert werden müssen.
Die Europäische Union ist nie darauf angelegt gewesen, aber die Frage, die sich Europa
stellt, ist die nach der Weltpolitikfähigkeit. Wenn wir diese Frage nicht angehen, dann wird
Europa, dann wird die globale Zusammenarbeit bedeutungslos. Dafür die Pflöcke entlang von
Frieden, Menschenrechten und dem Völkerrecht zu setzen, ist für uns als Grüne die zentrale
Aufgabe der nächsten Jahre.
4.1 Menschenrechte verteidigen, demokratische Handlungsräume sichern
Wir treten für eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik ein, die
Menschenrechte verteidigt und Frieden sichert. Statt Aufrüstung und einer Politik, die nur
auf den nationalen Vorteil bedacht ist, brauchen wir eine EU, die friedens- und
sicherheitspolitisch mit einer Stimme spricht.
Die Handlungsmöglichkeiten zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure werden in vielen
Ländern immer weiter eingeschränkt. Die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen wird dort
von staatlicher Seite systematisch erschwert, diffamiert, behindert und kriminalisiert.
Insbesondere die Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit werden in vielen Staaten
beschränkt oder ganz abgeschafft. Dies betrifft nicht nur autoritäre Staaten, sondern auch
Demokratien mitten in Europa, wie zum Beispiel Rumänien und Österreich, in denen
Grundprinzipien wie Pluralismus, Gewaltenteilung, Unabhängigkeit der Medien und
Rechtsstaatlichkeit in Frage gestellt werden.
Wir sehen mit Sorge die weltweite Entwicklung des „shrinking space“, also der Einschränkung
des öffentlichen Raumes für die Zivilgesellschaft. Die Europäische Union, der Europarat und
die Vereinten Nationen sollten dieser entschieden entgegentreten. Das kann für die EU nur
gelingen, wenn sie ihre Mitgliedstaaten selbst konsequent in die Pflicht nimmt. Die EU
sollte die internationale Vernetzung und den Austausch von zivilgesellschaftlichen
Organisationen fördern und unterstützen. Es ist auch ein wichtiges Signal an
Menschenrechtsverteidigerinnen und ‑verteidiger, dass sie mit ihrem Engagement nicht
alleingelassen werden. Wir Grünen wollen, dass die EU-Leitlinien zum Schutz von
Menschenrechtsverteidigern vollständig umgesetzt und öffentlich stärker bekannt gemacht
werden. Dafür ist es auch notwendig, das europäische Instrument für Demokratie und
Menschenrechte zu stärken und finanziell besser auszustatten. Die EU muss weiterhin den
Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zur Situation von Menschenrechtsverteidigern
und für Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit finanziell und politisch in- und außerhalb
des VN-Menschenrechtsrates aktiv unterstützen und den Aktionsplan für Menschenrechte und
Demokratie des Europäischen Rates vorantreiben.
Menschenrechte müssen auch für die EU-Handelspolitik maßgeblich sein. Die Art und Weise, wie
wir in Europa leben, hat weltweite Folgen: von der Klimakrise bis zu ausbeuterischen
Arbeitsbedingungen, rücksichtslosem Ressourcenabbau und Stärkung autoritärer Regime. Damit
die EU zur Förderin von nachhaltiger Entwicklung und der Stärkung sozialer und ökologischer
Standards im Welthandel wird, bedarf es beherzter Schritte.
Transnationale Unternehmen mit Sitz in der EU müssen auch bei uns in Europa dafür haftbar
gemacht werden können, wenn sie innerhalb ihrer Produktions- und Ressourcenketten an
Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind. Lieferketten wollen wir transparenter machen, so
dass klar ist, unter welchen Bedingungen Produkte produziert wurden, die in die EU
eingeführt werden. Wir wollen nicht, dass Kriege, Menschenrechtsverletzungen und Ausbeutung
durch Produkte finanziert werden, die in der EU verkauft werden. Wir Grünen wollen eine
konsequente Umsetzung der Leitlinien der Vereinten Nationen zu Wirtschafts- und
Menschenrechten.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- die Einklagbarkeit von Menschenrechten auch gegenüber transnationalen Unternehmen,
- den Schutz und die Stärkung von zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und
Menschenrechtsverteidiger*innen.
4.2 Eine gemeinsame europäische Außenpolitik gestalten
Die multilaterale Ordnung und ihre Institutionen sind unter Druck. Es kommt jetzt mehr denn
je auf die EU als weltpolitikfähige Akteurin an, die global gestaltet. Das kann nur
gelingen, wenn die EU als dialogbereite und verlässliche Partnerin und gute Nachbarin
agiert. Einen Rückfall in Nationalismus und Populismus zu verhindern und die multilaterale
Ordnung zu erhalten und gerechter zu gestalten, ist Aufgabe und Interesse der EU.
Ein friedliches Zusammenleben mit unseren europäischen Nachbarregionen ist zentrale Aufgabe
europäischer Nachbarschaftspolitik. Die Kriege und Konflikte in den östlichen und südlichen
Nachbarstaaten stellen die EU vor große Herausforderungen. Es kommt jetzt mehr denn je auf
eine einheitliche und klar friedensorientierte europäische Außenpolitik an. Die EU muss ihr
politisches und diplomatisches Gewicht in die Waagschale werfen, um Schritte für Frieden und
Sicherheit in ihrer Nachbarschaft zu ermöglichen. Und sie muss ihr Engagement für die
angrenzenden Regionen deutlich ausweiten, um Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung im
gesamten Umfeld der Europäischen Union zu fördern.
Stärkung der multilateralen Ordnung und ihrer Institutionen
Eine friedliche Welt braucht eine starke internationale Organisation der Zusammenarbeit.
Gerade in einer Zeit, in der sich andere Staaten daraus zurückziehen, ist die Europäische
Union gefragt, Verantwortung zu übernehmen. Das betrifft sowohl die finanzielle
Unterstützung von internationalen Organisationen und Programmen, wie dem
Welternährungsprogramm, dem Umweltprogramm oder dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten
Nationen, als auch das Umsetzen von internationalen Verträgen, zum Beispiel des Pariser
Klimaabkommens.
In Zeiten, in denen einige Staatschefs wieder das Recht des Stärkeren an die Stelle der
Stärke des Rechts setzen wollen, braucht es eine Europäische Union, die das humanitäre
Völkerrecht verteidigt. Wir Grünen wollen, dass sich die EU für eine Stärkung und bessere
Funktionsfähigkeit des Internationalen Strafgerichtshofes einsetzt. Es ist überfällig, dass
die EU neben den Mitgliedstaaten selbst Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention
wird, damit sich auch EU-Institutionen für ihr Handeln vor dem Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte verantworten müssen.
Die schreckliche Situation in Syrien hat erneut verdeutlicht, welche negativen Auswirkungen
die Handlungsunfähigkeit der Vereinten Nationen (VN) durch die Blockadehaltung eines
Mitglieds im VN-Sicherheitsrat haben kann. Eine Blockade des Sicherheitsrats bei zentralen
Fragen schwächt das Völkerrecht und die VN insgesamt, da beispielsweise nicht einmal der
Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag mit der Verfolgung von Kriegsverbrechen
beauftragt werden kann. Die Vereinten Nationen müssen wieder handlungsfähiger werden.
Langfristig sollte der Sicherheitsrat so reformiert werden, dass alle Weltregionen
angemessen repräsentiert sind – zum Beispiel sollte Indien aufgenommen werden – und sich
zudem das Gleichgewicht zwischen den Mitgliedstaaten verbessert. Dazu würde ein Sitz für die
Europäische Union einen wichtigen Beitrag leisten. Zugleich braucht es eine internationale
Debatte über das Vetorecht. Bis dahin sollte im Falle einer anhaltenden Blockade des
Sicherheitsrats die Generalversammlung der VN das Recht beanspruchen können, mit
qualifizierter Mehrheit den Sicherheitsrat für blockiert zu erklären und an seiner Stelle
diplomatische Maßnahmen, Sanktionen und im äußersten Fall auch friedenserzwingende Maßnahmen
nach Kapitel VII der VN-Charta zu beschließen.
Neben den Vereinten Nationen wollen wir auch die Organisation für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stärken. Dabei geht es darum, die Fähigkeiten der OSZE im
Bereich ziviler Krisenprävention, Frühwarnung und Krisenbewältigung zu stärken – materiell
und finanziell. Das Konzept der menschlichen Dimension von Sicherheit war und bleibt eine
zentrale Errungenschaft der OSZE. Sie bildet den umfassenden Sicherheitsbegriff der OSZE ab
und umfasst beispielsweise Aktivitäten in den Bereichen Medienfreiheit, Minderheitenrechte,
Rechtsstaatlichkeit und Nichtdiskriminierung. Dieses Engagement für die Förderung von
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten, Toleranz und Nichtdiskriminierung wollen
wir unterstützen. Wir fordern daher eine Stärkung des Hochkommissars für Nationale
Minderheiten, des Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) und des
OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit. Wir weisen jegliche Versuche von OSZE-Mitgliedern, die
Geltung dieser menschlichen Dimension in Frage zu stellen oder ihre Instrumente zu
diskreditieren, zurück.
Konsequent für EU-Recht beim Brexit
Erstmals in der Geschichte der Europäischen Union verlässt ein Land das gemeinsame Haus der
EU. Der Brexit verdeutlicht, was passiert, wenn Regierungen sich von rechten Stimmungen
treiben lassen. Die Europäische Union muss weiter geschlossen zusammenstehen, damit ein
Drittland nicht bessergestellt ist als ein Mitgliedsland. Rosinenpickerei darf es nicht
geben, der Brexit darf keine Blaupause für andere Staaten werden. Das würde auch diejenigen
in Großbritannien unterstützen, die eine weitere Entscheidung der Bürger*innen über das
finale Austrittsdokument fordern. Bisher verhandelt die EU erfolgreich, besonders weil die
anderen 27 Mitgliedstaaten zusammenhalten. Wir unterstützen die Rolle der EU-Kommission als
Verhandlungsführerin. Nationale Alleingänge oder gar bilaterale Deals darf es nicht geben.
Die Wahrung der vier EU-Grundfreiheiten – Freiheit von Warenverkehr, Dienstleistung,
Personen- und Kapitalverkehr – müssen im Mittelpunkt stehen. Einen uneingeschränkten Zugang
zum Binnenmarkt kann es ohne Personenfreizügigkeit und Anerkennung des EU-Rechts nicht
geben. Einen Austritt mit Sonderstatus kann es nicht geben. Ebenso hat der Frieden auf der
irischen Insel absolute Priorität. Insbesondere die britische Regierung muss gewährleisten,
dass eine harte Grenze auf der irischen Insel vermieden wird. Ein Abkommen über die
zukünftigen Beziehungen kann erst nach dem rechtskräftigen Austritt Großbritanniens
finalisiert werden. Die außenpolitische Zusammenarbeit mit Großbritannien wollen wir nach
dem Austritt im Rahmen internationaler Organisationen (NATO, OSZE, Europarat) stärken.
Für eine verantwortungsvolle Erweiterungspolitik
Die Erweiterungspolitik der EU ist für uns eine Erfolgsgeschichte. Sie steht für Frieden,
Demokratie und Stabilität in Europa. Die Europäische Union hat allen Staaten des Westbalkans
– Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Kosovo, Albanien und Mazedonien – das
Versprechen gegeben, der EU beitreten zu können, wie dies Slowenien und Kroatien bereits
erfolgreich getan haben. Albanien und Mazedonien kamen dieses Jahr dem Beginn von
Beitrittsverhandlungen mit der EU näher. Das ist eine sehr positive Entwicklung, die wir
Grünen unterstützen. Es kommt jetzt darauf an, dass die EU Nägel mit Köpfen macht und beiden
Ländern 2019 einen festen Termin für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen präsentiert.
Die EU steht in der politischen Verantwortung, das Vertrauen in das Beitrittsversprechen
nicht zu enttäuschen und gleichzeitig den notwendigen Reformprozess in diesen Ländern
mitzugestalten. Wir wollen dieses Versprechen durch eine engagiertere und tiefgreifende
Zusammenarbeit mit möglichst vielen gesellschaftlichen Akteur*innen des Westbalkans
glaubwürdig machen. Denn die Beitrittsperspektive ist wichtiger Motor für den sensiblen
Friedens- und Aussöhnungsprozess, für Transformation und Modernisierung in einer weiterhin
fragilen Region. Und sie unterstützt vor allem diejenigen, die sich schon heute für mehr
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und den Schutz der Umwelt einsetzen. Klar
ist aber auch, dass ausschließlich der politische Reformwille vor Ort und die Erfüllung der
Kopenhagener Kriterien über das Tempo des weiteren Beitrittsprozesses und den EU-Beitritt
selbst entscheiden. Bei den dringend notwendigen Reformen darf es keinen Rabatt geben:
Gerade in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Grundwerte und Pressefreiheit, Bekämpfung von
Korruption und organisierter Kriminalität, Aufarbeitung von Kriegsverbrechen und Beilegung
von bilateralen Konflikten müssen noch viele Fortschritte erzielt werden. Diese
Herausforderungen bleiben für uns Ansporn für ein starkes Engagement.
Das bedeutet in jedem einzelnen Fall, dass die Beitrittsvoraussetzungen erreicht werden
müssen, die europäischen Werte und Regeln vollständig erfüllt sein müssen und die EU nach
innen funktionsfähig bleiben muss, bevor ein neues Land aufgenommen wird.
Transatlantische Partnerschaft erhalten
Die transatlantische Partnerschaft ist in einer tiefen Krise. Der amerikanische Präsident
vertieft diese mutwillig. Seine Präsidentschaft bringt massive Rückschritte beim
Klimaschutz, bei der Anerkennung des Völkerrechts und der Verrechtlichung der
internationalen Beziehungen. Er versteht Europa als wirtschaftlichen Gegner und setzt auf
eine nationalistische Strategie. Darauf braucht es eine geschlossene Antwort der EU-
Mitgliedstaaten. Die EU darf sich von Präsident Trump nicht spalten lassen. Nur so kann
Europa sich selbst behaupten.
Dennoch ist die transatlantische Partnerschaft für uns ein zentraler Bezugspunkt
europäischer Außen- und Sicherheitspolitik. Die USA sind mehr als ihr derzeitiger Präsident.
Eine enge Zusammenarbeit mit unseren amerikanischen Partnern und Netzwerke mit progressiven
Kräften im Land, die eine soziale, ökologische und menschenrechtsbasierte Politik verfolgen,
bleiben wesentlicher Pfeiler unserer Politik. Daher sollte die Europäische Union viel
stärker auf eine Zusammenarbeit mit den US-Bundesstaaten sowie zivilgesellschaftlichen
Akteur*innen, vor allem in den Bereichen Bildung, Energie, Klimaschutz sowie
Digitalisierung, setzen.
Östliche Partnerschaft und Russland: demokratische Kräfte stärken
Eine gute Partnerschaft mit den östlichen Nachbarn der EU ist im ureigenen Interesse Europas
und wichtiger Baustein für Stabilität und Frieden in der Region. Die Östliche Partnerschaft
der EU, die seit 2009 mit Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau und der Ukraine
besteht, muss weiter gestärkt und die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche
Integration dieser Staaten weiter vorangetrieben werden. Dabei dürfen europäische Grundwerte
nicht für wirtschaftliche Interessen geopfert werden. Der Kampf gegen Korruption,
demokratische und rechtsstaatliche Reformen und die Wahrung der Menschenrechte müssen in
diesen Ländern noch stärker von der EU eingefordert werden. Die wichtige Anbindung der
östlichen Nachbarn an die EU ist gleichzeitig eine Herausforderung für das Verhältnis zu
Russland, da Russland versucht, die engere Zusammenarbeit der östlichen Staaten mit der EU
zu verhindern.
Unter Präsident Putin hat Russland mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim, dem
militärischen Vorgehen in der Ostukraine und mit dem brutalen militärischen Eingreifen in
Syrien auf der Seite Assads zu einer erheblichen Verschärfung der internationalen Spannungen
beigetragen. Gerade bei unseren osteuropäischen Nachbarn hat das tiefe historische
Erinnerungen hervorgerufen. Die Verletzung der territorialen Integrität anderer Staaten
durch Russland ist inakzeptabel. Das gilt für die völkerrechtswidrige Annexion der Krim
ebenso wie für die nunmehr zehnjährige Besatzung der georgischen Gebiete Südossetien und
Abchasien durch Russland und den Versuch der illegalen Grenzziehung in diesen Gebieten. Die
EU muss hier klar für die Unversehrtheit der Grenzen in Europa eintreten und ihre
politischen und diplomatischen Anstrengungen für eine friedliche Lösung des Konflikts im
Südkaukasus verstärken.
In Bezug auf Russland gibt es keine Abstriche in unserem Eintreten für Demokratie und
Menschenrechte und die Einhaltung des Völkerrechts. Eine Lösung des Konfliktes in der
Ukraine kann nur eine politische und diplomatische sein. Daher halten wir am Minsker
Abkommen fest. Solange Russland gegen dieses verstößt, befürworten wir die gezielten
Sanktionen der EU. Wir wenden uns gegen jede Verletzung der Grund- und Menschenrechte von
Aktivist*innen, Journalist*innen, Oppositionellen und Minderheiten in Russland. Mit Sorge
sehen wir Versuche von russischer Seite, die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten zu
schwächen. Russland hat kein Interesse an einem geschlossenen und demokratischen Europa. Das
wurde durch die Hacks, die Wahlbeeinflussung über soziale Netzwerke und die erhebliche
finanzielle Unterstützung anti-demokratischer Kräfte in vielen europäischen Staaten
deutlich. Darauf muss sich die Europäische Union noch besser einstellen. Die Antwort muss in
einer Stärkung der EU liegen. Wo immer es möglich ist, suchen wir die Kooperation mit
Russland, deshalb bleiben wir auch im Gespräch. Sicherheit, Frieden und Abrüstung lassen
sich nicht erreichen, wenn man sich anschweigt.
Europäisches Engagement für Stabilität und Frieden im Nahen Osten
Der grausame Krieg in Syrien, der seit über sieben Jahren tobt, Hunderttausenden das Leben
gekostet und Millionen von Menschen in die Flucht getrieben hat, findet vor Europas Haustür
statt. Die EU sollte alle bestehenden Friedensinitiativen unterstützen. Solange der Krieg
ungehindert fortgesetzt wird, müssen Sanktionen und Einreiseverbote gegen hochrangige
syrische und russische Militärangehörige ausgeweitet und ihre Konten in der EU eingefroren
werden.
Die einseitige Aufkündigung des Atom-Abkommens mit dem Iran durch US-Präsident Trump könnte
die ohnehin instabile Region in einen weiteren blutigen Konflikt stürzen. Es droht ein
nukleares Wettrüsten in der Region, das ganz konkret auch die Sicherheit in der Europäischen
Union bedroht. Dazu kommt der Schaden für das transatlantische Verhältnis und die
multilaterale Ordnung insgesamt. Die EU muss jetzt alles daransetzen, das Iran-Abkommen am
Leben zu halten und die atomare Abrüstung des iranischen Regimes voranzubringen. Zusätzlich
muss sich die EU gegenüber allen Regionalmächten um die Durchsetzung einer Friedensordnung
bemühen.
Das deutsch-israelische Verhältnis ist durch die Verfolgung und Ermordung der europäischen
Jüdinnen und Juden durch das nationalsozialistische Deutschland geprägt. Das Existenzrecht
und die Sicherheit Israels mit gleichen Rechten für all seine Bürgerinnen und Bürger sind
daher unverhandelbar. Wir Grünen setzen uns weiterhin für eine Zwei-Staaten-Regelung ein, um
die Sicherheit des Staates Israel zum Wohle aller seiner Bewohnerinnen und Bewohner sowie
die Schaffung eines souveränen, lebensfähigen und demokratischen Staates Palästina auf der
Grundlage der Grenzen von 1967 zu gewährleisten. Es kann nur eine gewaltfreie Lösung geben.
Wir wenden uns mit aller Entschiedenheit gegen den Terror der Hamas. Die zunehmende
Diskriminierung von Minderheiten in Israel lehnen wir ab, ebenso wie den illegalen
Siedlungsbau. Während wir der palästinensischen Zivilgesellschaft nicht absprechen, selbst
über gewaltfreie Strategien zur Beendigung der Besatzung zu entscheiden, lehnen wir einen
Boykott Israels als Instrument deutscher und europäischer Außenpolitik ab. Wir wollen
weiterhin mit allen Kräften in Israel und Palästina zusammenarbeiten, die sich gegen eine
Fortdauer der Besatzung, gegen eine Spaltung der israelischen Gesellschaft und für eine
Zwei-Staaten-Lösung einsetzen.
Seit drei Jahren tobt auch im Jemen ein brutaler Krieg, in dem die Huthi-Rebellen mit
Unterstützung des Iran gegen die jemenitische Regierung und die von Saudi-Arabien angeführte
Militärallianz kämpfen. In dem unerbittlichen Krieg sind bereits mehr als 10.000 Menschen
ums Leben gekommen, 80 % der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, darunter
viele Kinder. Die EU muss ihrer humanitären Verantwortung gerecht werden und alles dafür
tun, um einen sofortigen Waffenstillstand der beteiligten Militärmächte und der Rebellen zu
erreichen. Politisch muss auf die Kriegsparteien eingewirkt werden, um die Kampfhandlungen
umgehend zu stoppen, die durch Saudi-Arabien errichtete Seeblockade aufzulösen und
Hilfsgüter ins Land zu lassen. Jegliche Lieferung von Waffen und Rüstungsgütern an Saudi-
Arabien muss ein Ende haben. Es darf nicht sein, dass Europa indirekt diesen Krieg auch noch
anheizt.
Demokratische Kräfte in der Türkei stärken
Die Türkei ist nicht Erdogan, Erdogan ist nicht die Türkei. Alle Abstimmungen der vergangenen Jahre haben gezeigt: Rund die Hälfte der türkischen Wählerinnen und Wähler wünscht sich eine demokratische und rechtstaatliche Zukunft. Diese Kräfte – die trotz schwerster Repressalien und systematischer Verfolgung durch eine autoritäre und autokratische Regierung in der Türkei für Weltoffenheit eintreten – müssen wir unterstützen. Wir wollen deshalb alles politische Handeln auf europäischer Ebene und in den Mitgliedstaaten konsequent auf die Unterstützung der demokratischen Kräfte in der Türkei ausrichten. Wir verurteilen die von Präsident Erdogan eingeschlagene
Die Türkei ist eines der Schlüsselländer, um unsere Nachbarregionen zu stabilisieren. Aber
auch Präsident Erdogan und die AKP haben sich zu einer autoritären, autokratischen Regierung
entwickelt. In dieser Zeit gilt es umso mehr, diejenigen zu unterstützen, die trotz schwerer
Repressalien und systematischer Verfolgung in der Türkei für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit
und Weltoffenheit eintreten.
Politik hin zu einem autoritären Präsidialsystem und die massiven Angriffe auf
Oppositionelle, die Zivilgesellschaft, die Meinungs- und Pressefreiheit, die
völkerrechtswidrigen Angriffe des türkischen Militärs auf Syrien und den Nordirak sowie die
Abkehr von einem friedlichen und politischen Lösungsprozess in der Kurdenfrage. Es braucht
nun eine grundlegende Neuvermessung der europäisch-türkischen Beziehungen. Mehr denn je muss
die EU klare Haltung für Demokratie und Menschenrechte zeigen. Für die europäische Ebene
bedeutet das unter anderem: Über eine Ausweitung der Zollunion kann erst verhandelt werden,
wenn die Türkei eine Kehrtwende zurück zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vollzieht. Alle
Rüstungsexporte europäischer Mitgliedstaaten gehören beendet, ebenso wie die Beteiligung
europäischer Unternehmen an Rüstungskonsortien in der Türkei.
Die Türkei hat über 3 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Deren Versorgung nach
humanitären Standards muss die EU finanziell unterstützen. Auch sollten die EU-Staaten
dringend Kontingente zur Entlastung der dortigen Strukturen anbieten.
Das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei ist eine Folge der Weigerung der EU-Mitgliedstaaten,
zu einer gemeinsamen solidarischen Lösung in der Flüchtlingskrise zu kommen. Es hat zu
katastrophalen Lagern auf Lesbos und anderen griechischen Inseln geführt und untergräbt
durch Abschiebungen ohne Asylrechtsprüfung das Recht auf Asyl. Diesen EU-Türkei-Deal wollen
wir beenden.
Praktisch liegen die Beitrittsgespräche mit der Türkei bereits auf Eis. Die Wiederaufnahme
der Verhandlungen muss an strenge, messbare Bedingungen geknüpft sein. Insbesondere mit
Blick auf die Verfassungsreform und die jüngsten Wahlen in der Türkei ist eines deutlich:
Ein EU-Beitritt der Türkei ist unter Präsident Erdogan nicht vorstellbar. Zugleich gilt: Für
eine demokratische und weltoffene Türkei müssen die Türen zur EU offen bleiben. Ein formaler
Abbruch der Beitrittsgespräche wäre falsch. Die vielen proeuropäischen Kräfte in der Türkei
brauchen dieses Signal und weiterhin unsere Unterstützung. Umso bedeutender ist es deshalb,
die noch bestehenden EU-Beitrittshilfen ausschließlich an prodemokratische Organisationen
auszuzahlen und die Verwendung der Gelder deutlich strenger zu kontrollieren als bislang.
Zukunftspakt mit Afrika
Afrika hat für die EU auch wegen der finsteren Kolonialgeschichte eine besondere Bedeutung.
Statt eine Partnerschaft auf Augenhöhe anzustreben, stehen derzeit vor allem
Migrationskontrolle und militärische Zusammenarbeit im Vordergrund. Die gegenwärtige Agrar-,
Handels- und Ressourcenpolitik laufen den Zielen einer nachhaltigen Partnerschaft zuwider.
Diese Politik bekämpft keine Probleme, sondern verschärft die Situation derjenigen, die am
meisten unter Armut und globaler Ungerechtigkeit zu leiden haben. Wir wollen unsere
afrikanischen Partner dabei unterstützen, lebenswerte Perspektiven für die Menschen vor Ort
zu schaffen und damit auch langfristig Fluchtgründe zu bekämpfen. Dies wollen wir vor allem
durch eine Stärkung afrikanischer Organisationen wie der Afrikanischen Union oder der
Afrikanischen Entwicklungsbank erreichen. Deshalb schlagen wir einen Zukunftspakt zwischen
der EU und Afrika vor. Kern ist eine Partnerschaft, die auf dem offenen und transparenten
Ausgleich gegenseitiger Interessen und Forderungen basiert. Um eine nachhaltige Entwicklung
im gesamten globalen Süden einzuleiten, braucht es eine kohärente Politik, die sich an der
Agenda 2030 der Vereinten Nationen, am Klimaabkommen von Paris und an der Aktionsagenda von
Addis Abeba orientiert.
Europäische China-Politik: Kooperation auf Basis klarer Werte
Europas Verhältnis zu China ist über die letzten Jahre wichtiger, aber auch schwieriger
geworden. Deutschlands Beziehungen zur Volksrepublik sind besonders eng. Daraus erwächst
eine hohe Verantwortung dafür, dazu beizutragen, dass die EU gegenüber China vermehrt mit
einer Stimme spricht. Das gilt für die Abwehr chinesischer Dumpingexporte, für den
verantwortlichen Umgang mit Investitionen, die Belange der Sicherheit oder der öffentlichen
Ordnung beeinträchtigen könnten, oder für faire Chancen europäischer Unternehmen in China.
Es gilt nicht weniger für die gemeinsame Vertretung unserer gemeinsamen Werte, vornean der
Menschenrechte. Und es gilt auch gegenüber Chinas Außenpolitik, die zunehmend eine der
harten Hand ist und zunehmende Drohungen gegenüber der Selbstverwaltung Taiwans einschließt.
Wir unterstützen Europas „Ein-China-Politik“ und teilen die Auffassung, dass Chinas
Vereinigung nicht gegen den Willen der Bevölkerung Taiwans erzwungen werden darf.
Chinas heutige Führung, die im Inneren zum Totalitarismus zurückkehrt, befindet sich mit
ihren Konzepten der „neuen Seidenstraße“, des „Made in China 2025“ und der „globalen
Schicksalsgemeinschaft“ auf dem Weg zur globalen Supermacht, die Multilateralismus nur
mitmacht, wo er ihr nutzt. Europa muss der chinesischen Herausforderung mit der Bereitschaft
zur Kooperation, aber auch mit Klarheit in der Vertretung der eigenen Werte und Interessen
und mit Selbstbewusstsein begegnen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- eine Initiative für die Reform und Stärkung der Vereinten Nationen,
- die materielle und finanzielle Stärkung der OSZE,
- die Stärkung des humanitären Völkerrechts und des internationalen Strafrechts zur
Verfolgung schwerster Menschenrechtsverbrechen,
- einen Zukunftspakt mit Afrika.
4.3 Krisen vermeiden, Frieden und Sicherheit garantieren
Als Friedensmacht ist es oberste Pflicht von uns Europäerinnen und Europäern, aktiv an einer
globalen, multilateralen Friedensordnung im Rahmen der Vereinten Nationen mitzuarbeiten. Im
Mittelpunkt muss eine Politik stehen, die verhindert, dass Krisen und Konflikte überhaupt
entstehen. Von einer kohärenten, vollständig koordinierten Krisenprävention der EU sind wir
noch weit entfernt. Wenn die EU ihre Rolle als zivile Macht ernst nimmt, darf sie nicht nur
auf die Verteidigung schauen. Zivile und präventive Maßnahmen sind frühzeitig zu ergreifen
und nicht erst, wenn Konflikte schon entflammt sind. Das gilt besonders auch für Post-
Konflikt-Situationen. Das Wiederaufflammen von Kriegen und gewaltsamen Konflikten lässt sich
am besten verhindern, wenn frühzeitig Strukturen vor Ort aufgebaut werden, die Sicherheit
herstellen und die Versorgung aller Menschen in einer Region ermöglichen.
Damit sich Friedenspolitik auf europäischer Ebene nicht nur am kleinsten gemeinsamen Nenner
orientiert, setzen wir uns für das Prinzip von Mehrheitsentscheidungen in der Außen- und
Sicherheitspolitik im Europäischen Rat ein. Eine zivile Säule des außenpolitischen Handelns,
die Diplomatie, ist der nachhaltigere, stärkere Pfeiler einer menschenrechtsorientierten
Friedens- und Außenpolitik. Dementsprechend wollen wir den Europäischen Auswärtigen Dienst
stärken und ausbauen. Wir plädieren dafür, die konsularischen Dienste der Mitgliedsländer
gemeinsam in europäischen Botschaften zu bündeln und dadurch Personalkapazitäten für die
eigentlichen diplomatischen Aufgaben freizusetzen.
Wir unterstützen den Europäischen Auswärtigen Dienst in seinen Bestrebungen, auch für den
zivilen Bereich feste Ausbauziele und gemeinsame Schwerpunkte festzulegen. Ähnlich wie die
Battlegroups im militärischen Bereich brauchen wir auch ein ziviles Einsatzteam, damit im
Krisenfall schnell zivile staatliche und nicht staatliche Experten wie Polizisten, Juristen,
Mediatoren oder Verfassungsexperten entsandt werden können. Wir wollen die Mittel und das
Personal für zivile Krisenprävention und die zivilen EU-Polizei- und Rechtsstaatsmissionen
deutlich erhöhen und ihre Finanzierung gerechter unter den Mitgliedstaaten verteilen.
Außerdem wollen wir das Europäische Friedensinstitut finanziell stärker in seiner
Mediationsarbeit unterstützen.
Wir stellen uns gegen den fatalen Paradigmenwechsel, zivile Gelder aus dem EU-Haushalt für
militärische Zwecke oder zur Abwehr von Geflüchteten umzuwidmen. Die Trennschärfe zwischen
entwicklungspolitischen und militärischen Maßnahmen muss bewahrt werden. Wir lehnen sowohl
die Öffnung des Instruments für Stabilität und Frieden für militärische Zwecke ab als auch
den Plan der EU-Kommission, dieses Instrument 2020 auslaufen zu lassen. Stattdessen fordern
wir eine Verdoppelung der Mittel im Bereich der zivilen Krisenprävention.
Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete stoppen
Europa exportiert Waffen und Rüstungsgüter in Kriegs- und Krisengebiete sowie in Diktaturen.
Das wollen wir stoppen. Nationale Wirtschaftsinteressen dürfen nicht Frieden gefährden. Auch
wollen wir nicht, dass Überwachungssysteme zur Unterdrückung von Menschen in Diktaturen
genutzt werden. Wir fordern daher, dass die gemeinsamen Regeln für die Ausfuhrkontrolle von
Militärtechnologie und Militärgütern (gemeinsamer Standpunkt des Rats von 2008)
rechtsverbindlich und einklagbar werden.
Wir setzen uns auf europäischer Ebene für den Erhalt und die Stärkung internationaler und
regionaler Rüstungskontrollregime ein. Die EU muss darauf hinwirken, diese Abkommen auch auf
neue Bereiche der Kriegsführung – wie den Cyberraum oder Outer Space – auszudehnen. Wir
wollen, dass die EU für die Einbeziehung bewaffneter unbemannter Luftfahrzeuge in
internationale Abrüstungs- und Rüstungskontrollregime eintritt. Weiterhin sollte sie sich
für eine präventive völkerrechtliche Ächtung autonomer Waffensysteme einsetzen. Außerdem
muss die EU zur atomaren Abrüstung beitragen, sowohl im Innern durch den Einsatz für ein
atomwaffenfreies Europa als auch international.
Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
Heutzutage werden Sicherheitsrisiken immer komplexer und reichen von der Verbreitung von
Massenvernichtungswaffen und Cyberangriffen bis hin zur Bedrohung der Energie- und
Umweltsicherheit, während zugleich militärische Annexionen direkt vor unserer Haustür
stattfinden. Europa kommt gar nicht darum herum, sich diesen Herausforderungen stärker
selbst zu stellen. Die NATO hat nach wie vor eine wichtige Bedeutung für die Sicherheit
Europas. Doch angesichts der Spannungen und Konflikte im NATO-Bündnis ist es sinnvoll, die
Sicherheit Europas stärker gemeinsam voranzutreiben. An der Vision einer gesamteuropäischen
Sicherheitsordnung, die den Raum der OSZE umfasst, halten wir fest. In diesem Sinne wollen
wir an einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsunion arbeiten und die verstärkte
Zusammenarbeit der Streitkräfte in der EU ausbauen, anstatt immer mehr Geld in nationale
Rüstungssektoren zu pumpen.
Forderungen aus der NATO, die nationalen Militärausgaben auf 2 % des Bruttoinlandsprodukts
zu steigern, lehnen wir ab. Aus Sicht der EU-Kommission würden sich schon jetzt durch eine
tiefgehende Kooperation im Verteidigungsbereich Einsparungsmöglichkeiten von 25 bis 100
Milliarden Euro pro Jahr ergeben. Statt 17 nicht funktionsfähiger Systeme sollten wir besser
ein funktionierendes System schaffen. Wir unterstützen daher grundsätzlich die ständige und
strukturierte Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich (PESCO), wobei die zivile Seite der
Sicherheitskooperation bislang deutlich hinterherhinkt. Die Zusammenarbeit im
Verteidigungsbereich darf aber nicht dazu führen, dass wir zusätzliches Geld in ein
ineffizientes System der Verteidigungsbeschaffung stecken. Was europäisch getan wird, darf
nicht noch parallel national weitergeführt und finanziert werden. Vielmehr wollen wir eine
sicherheitspolitische Integration auf europäischer Ebene im Rahmen des EU-Budgets im Sinne
einer echten Umsetzung des „pooling & sharing“. Die europäischen Verteidigungsausgaben
dürfen auch nicht zu Lasten anderer Aufgaben der EU gehen. Die Umwidmung bisher ziviler
Haushaltstitel auf EU-Ebene lehnen wir ab. Wir sind gegen eine Etablierung von
Parallelstrukturen zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP). Ein
gemeinsames außen- und sicherheitspolitisches Vorgehen Europas kann es nur innerhalb der
Strukturen der Europäischen Union geben.
Damit der Einsatz des Militärs auch wirklich das äußerste Mittel bleibt, muss der zivile
Aspekt der Sicherheit deutlich gestärkt werden, wozu vor allem die Nichtverbreitung von
Waffen, die Verhinderung von Völkermord, die wirtschaftliche Entwicklung, die
Rechtsstaatlichkeit, die Vermittlung und Versöhnung und die territoriale Integrität zählen.
Wichtig ist für uns, dass die gemeinsamen Verteidigungsprojekte auch parlamentarisch durch
das Europäische Parlament kontrolliert werden. Aus nationaler Erfahrung wissen wir, dass
Großprojekte ohne Transparenz und echte Kontrollmöglichkeiten häufig in Missmanagement und
Korruption enden.
Außerdem brauchen wir eine regelmäßige Debatte zu Einsätzen, die im Rahmen der Missionen der
Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU durchgeführt werden. Auch
die Evaluierung solcher Missionen sollte durch das Europaparlament erfolgen. Nationale
Parlamentsvorbehalte dürfen im Zuge einer stärkeren Rolle des Europäischen Parlaments aber
nicht abgeschafft oder unterwandert werden. Mitgliedstaaten sollen auch in Zukunft die
Möglichkeit haben, nicht an GSVP-Missionen teilzunehmen.
Europäischer Beitrag zur Konfliktprävention, Friedenssicherung und Schutz vor Verbrechen
gegen die Menschlichkeit
Eine an den Menschenrechten orientierte Außenpolitik, die dem Schutzprinzip des Völkerrechts
verpflichtet ist, bedeutet auch, zu handeln, wenn Menschenrechte massiv verletzt werden. Wir
setzen uns daher für den Ausbau der europäischen Polizei- und Rechtsstaatsmissionen ein wie
auch für Ausbildungs- und Unterstützungsmissionen zur Vorsorge oder zur Stabilisierung von
Friedensprozessen.
Wir stehen zu einer Kultur der militärischen Zurückhaltung und für das Primat des Zivilen.
Die Anwendung militärischer Gewalt ist immer ein Übel. Es gibt jedoch Situationen, in denen
militärische Gewalt unter eng begrenzten Bedingungen als äußerstes Mittel im Sinne der
Schutzverantwortung der VN notwendig ist, weil nationale Regierungen nicht in der Lage oder
willens sind, Menschen vor schweren Menschenrechtsverbrechen zu schützen. Dabei steht an
erster Stelle immer die Prävention, also das Verhindern gewaltsamer Entwicklungen. Wir
machen uns die Entscheidung über Militäreinsätze niemals einfach, sondern prüfen mögliche
Mandate kritisch und sorgfältig.
Für uns gelten die VN-Charta und das Völkerrecht. Wir werden Einsätzen der Bundeswehr nur
auf Grundlage der VN-Charta und mit einem Mandat der Vereinten Nationen nach Kapitel VI oder
VII der VN-Charta zustimmen. Allerdings kann ein Nichthandeln aufgrund einer Blockadehaltung
einer oder mehrerer Vetomächte das Völkerrecht und die Vereinten Nationen ebenso massiv
beschädigen wie das Handeln ohne ein Mandat. Wenn der Sicherheitsrat blockiert ist, muss
sich die Generalversammlung damit befassen. Einsätze müssen grundgesetzkonform sein und im
Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit erfolgen. Ohne eine umfassende zivile
Gesamtstrategie und eine Einbettung in klare Konzepte für die Zukunft des betroffenen
Staates dürfen militärische Interventionen nicht erfolgen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- mehr Finanzmittel und Personal für europäische Polizei- und Rechtsstaatsmissionen,
- eine europäische Sicherheitsunion, die parlamentarisch kontrolliert wird,
- keine Waffenlieferungen an Diktatoren und in Kriegs- und Krisengebiete,
- eine Verdoppelung der Mittel für zivile Krisenprävention.
4.4 Globale Gerechtigkeit und Entwicklung fördern
Für eine gerechte Globalisierung brauchen wir eine EU, die eine menschenrechtsbasierte
globale Strukturpolitik vorantreibt, aktiv wird und nicht in Nationalismen zurückfällt.
Politikkohärenz im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung ist unser Ziel, damit beispielsweise
Handelspolitik nicht Entwicklungszusammenarbeit torpediert. Die 17 globalen
Nachhaltigkeitsziele, beschlossen im Jahr 2015 von den Vereinten Nationen, müssen innerhalb
der EU und global umgesetzt werden. Entwicklung gelingt nur dann, wenn wir soziale,
ökologische und wirtschaftliche Kriterien zusammendenken. Ziele wie
„Geschlechtergerechtigkeit“, „saubere Energie“, „gute Bildung“, „Frieden, Gerechtigkeit und
starke Institutionen“ der Agenda 2030 müssen wir in der EU durch eine ambitionierte
Nachhaltigkeitsstrategie verwirklichen. Wir müssen unsere Politik ändern, wenn
Agrarsubventionen Märkte in armen Ländern zerstören, wenn europäische Rechtsräume zur
Geldwäsche oder für die Steuer- und Kapitalvermeidung missbraucht werden oder wenn unsere
Handelspolitik Entwicklungschancen zerstört. Eine sozial-ökologische, vielfältige EU ist der
richtige Weg, um dem neuen Nationalismus und den antidemokratischen Kräften
entgegenzutreten.
Dies ist auch die beste Antwort auf die Herausforderungen weltweiter Fluchtbewegungen, um
Menschen davor zu bewahren, ihre Heimat verlassen zu müssen, sei es aufgrund von Verfolgung,
Folter, Kriegen, Hunger, Dürren oder anderen Krisen. Wir müssen endlich die strukturellen
Ursachen der Zerstörung von Lebensgrundlagen konsequent angehen. Unser Lebensstil, unsere
Art zu konsumieren, unser Wirtschaftssystem zerstören die Lebensgrundlagen von Millionen von
Menschen im Süden unseres Planeten. Europäische Unternehmen exportieren Rüstungsgüter in
Krisengebiete, überfischen die Weltmeere, und unsere Gesellschaften nehmen in Kauf, dass
unsere Agrarexporte andernorts die Existenzgrundlage von Bäuerinnen und Bauern zerstören.
Menschen, die nichts mehr zu verlieren haben, lassen sich weder mit höheren Zäunen noch mit
Patrouillenbooten oder durch Pakte mit Autokraten aufhalten. Stattdessen braucht es eine
kohärente internationale Politik und strukturelle Reformen in Bereichen wie Handel,
Landwirtschaft, Energie, Fischerei, Außenpolitik und Klimaschutz, wie sie die nachhaltigen
Entwicklungsziele der UN vorgeben.
Die EU-Mitgliedstaaten haben sich schon lange zu einer Erhöhung der Entwicklungsfinanzierung
auf 0,7 % des Bruttoinlandsprodukts verpflichtet – die immer noch nicht erreicht sind. Wir
sprechen uns klar dagegen aus, dass Ausgaben für Flüchtlinge im Inland und innerhalb der
Europäischen Union als Ausgaben für die Entwicklungsfinanzierung gerechnet werden können.
Vielmehr brauchen wir überprüfbare Zwischenschritte, um das 0,7%-Ziel in der EU tatsächlich
zu erreichen. Die wirtschaftlich starken Länder der EU stehen hier besonders in der Pflicht
und müssen gemeinsam vorangehen. Dabei sind Entwicklungsgelder nicht alles. Wir setzen uns
dafür ein, dass die EU konsequent die Kapital- und Steuervermeidung aus Entwicklungs- und
Schwellenländern begrenzt. Dazu gehören Transparenzregister, das Austrocknen europäischer
Steuersümpfe und die verpflichtende, länderbasierte Berichterstattung globaler Konzerne, die
in der EU ihren Sitz haben.
Der humanitäre Bedarf der Vereinten Nationen zur Vermeidung von Hungersnöten oder
schlimmsten Katastrophen wird von der Staatengemeinschaft immer wieder nicht erfüllt,
allerhöchstens erst nach wiederholten Appellen und Sondergipfeln. Wir wollen eine Stärkung
und ausreichende Finanzierung der europäischen und internationalen Organisationen in diesem
Bereich, dazu zählt insbesondere auch eine finanziell bessere Ausstattung der europäischen
Organisation für humanitäre Hilfe, ECHO. Auch die nationalen europäischen Hilfen sollen
besser koordiniert sein.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- die Erhöhung der Entwicklungsfinanzierung,
- die Bekämpfung von Kapital- und Steuerflucht aus Entwicklungs- und Schwellenländern,
- eine Stärkung und bessere finanzielle Ausstattung der europäischen Organisation für
humanitäre Hilfe.
4.5 Fairen und offenen Welthandel voranbringen
Die globale Arbeitsteilung hat unzähligen Ländern mehr Wohlstand gebracht. Millionen
Menschen in sich entwickelnden Ländern haben auch dadurch den Sprung aus extremer Armut
geschafft. Der Austausch von Waren und Dienstleistungen fördert die Verbreitung von
Innovationen und trägt zu friedlichen Beziehungen zwischen den Nationen bei. Doch
gleichzeitig führt eine unregulierte Globalisierung viel zu oft zur Ausbeutung von Menschen
und Umwelt und beschleunigt die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Der aktuelle globale
Wettbewerb setzt soziale und ökologische Standards in den Staaten unter Druck. Die
Wohlstandsgewinne aus dem globalen Handel sind teilweise extrem ungleich verteilt.
Der offene Welthandel soll fair, ökologisch und gerecht gestaltet sein und Mensch und Umwelt
in den Mittelpunkt stellen. In diesem Sinne setzen wir uns dafür ein, dass die Europäische
Union eine führende Rolle bei der sozial-ökologischen Regulierung des Welthandels einnimmt.
Global und demokratisch
Die Welthandelsordnung steht unter Druck. Verhandlungen in der Welthandelsorganisation (WTO)
stecken in der Sackgasse. Immer mehr Staaten setzen darauf, nur mit einzelnen anderen
Staaten Handelsabkommen abzuschließen. Die „America-first-Politik“ von Donald Trump oder
Chinas aggressive Industriepolitik verstärken den Sog zu immer mehr bilateralen Abkommen.
Wir sehen das skeptisch, denn dabei geraten die Interessen von Ländern, die keinen Platz am
Verhandlungstisch haben, immer unter die Räder und die Verhandlungsposition ärmerer Länder
wird geschwächt.
In einer echten globalen Partnerschaft dürfen nicht nur die wirtschaftlich Stärksten
entscheiden. Deswegen fordern wir die Wiederbelebung der Verhandlungen im Rahmen der WTO.
Dazu sollte die EU einen Vorschlag vorlegen, der die WTO und das Welthandelssystem
reformiert und neu belebt und langfristig unter das Dach der Vereinten Nationen stellt.
Die Errichtung einer neuen globalen Welthandelsordnung wird Zeit brauchen. Daher können für
den Übergang auch Abkommen zwischen einzelnen Staaten und Wirtschaftsräumen sinnvoll sein.
An diese Abkommen legen wir aber harte Kriterien an. Sie dürfen nicht zu Lasten Dritter
gehen. Sie müssen demokratisch und transparent zustande kommen. Und sie müssen Umwelt- und
Klimaschutz, Menschenrechte, Entwicklung und soziale Gerechtigkeit voranbringen. Getrieben
von einer konservativ-neoliberalen Mehrheit wurde in Europa eine Handelspolitik
vorangebracht, die diesen Grundsätzen widerspricht oder sie sogar in ihr Gegenteil verkehrt.
Im Mittelpunkt stehen die Interessen von großen Konzernen, während Verstöße gegen
Umweltschutz, Arbeitnehmer*innen- und Menschenrechte weiterhin nicht bestraft werden.
Wir sind zusammen mit einer breiten europäischen Zivilgesellschaft erfolgreich dagegen auf
die Straße gegangen und haben dazu beigetragen, dass TTIP nicht gekommen ist und bei CETA
und JEFTA einseitige Gerichte für private Investoren erstmal verhindert werden konnten. Das
macht deutlich, dass es sich lohnt, für faire, ökologische, gerechte und demokratische
Handelsabkommen zu streiten, auch wenn wir noch nicht am Ziel sind.
Wir Grünen lehnen das Abkommen mit Japan (JEFTA) deshalb in dieser Form ab, zum Beispiel
wegen der mangelnden Verankerung und Durchsetzung des Vorsorgeprinzips und des Pariser
Klimaschutzabkommens im Vertragstext. Gerade mit Ländern wie Japan bestünde die Chance, es
endlich besser zu machen.
Ein Großteil von CETA ist bereits in Kraft, die problematischen Teile, die auch national
ratifiziert werden müssen, noch nicht. Diese wollen wir in der aktuellen Form nicht
ratifizieren.
Beim Abkommen mit den südamerikanischen Staaten (Mercosur) setzt die EU auf die
Liberalisierung bei Dienstleistungen, obwohl öffentliche Wasser- und Stromversorgung gerade
in den Ländern des Mercosur ein wichtiges Mittel zur Armutsbekämpfung sind. Gleichzeitig ist
auf Bestreben Brasiliens der Schutz des Amazonas-Regenwaldes aus dem Vertragstext geflogen.
Wir wollen auch mit unseren Handelspartnern in Südamerika Umwelt, Verbraucher und
Menschenrechte in den Mittelpunkt von Handelsverträgen rücken.
Unsere grüne Alternative zur bisherigen EU-Handelspolitik ist eine Handelspolitik, die die
Globalisierung gerecht gestaltet. Es ist nicht hinnehmbar, dass es Sonderschiedsgerichte für
Investoren zwischen Rechtsstaaten gibt, während Klimaschutz, Menschenrechte oder das
Vorsorgeprinzip nur schmückende Prosa bleiben. Wir lehnen einseitige Gerichte für private
Investoren ab.
Wir setzen uns stattdessen für einen ständigen internationalen Handelsgerichtshof ein, vor
dem nicht nur Unternehmen klagen können, sondern auch Betroffene gegen die Verletzung
menschenrechtlicher, sozialer und umweltrelevanter Verpflichtungen durch transnationale
Unternehmen. Der Vorschlag der EU-Kommission für einen multilateralen
Investitionsgerichtshof (MIC) erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Parlamente dürfen durch
Regeln zur regulatorischen Zusammenarbeit in Handelsabkommen nicht umgangen oder geschwächt
werden.
Das Vorsorgeprinzip, nach dem die Unbedenklichkeit von Produkten vor der Zulassung
nachgewiesen werden muss, ist die tragende Säule des europäischen Schutzes von Umwelt und
Verbraucher*innen. Die bestehende Verankerung des Vorsorgeprinzips im Primärrecht der EU
reicht hierzu nicht aus. Deshalb wollen wir, dass es für alle Bereiche der EU-
Handelsabkommen gilt. Auch Produkte, deren Verkauf in Europa verboten ist, wie bestimmte
Giftstoffe und Waffen, sollten hier auch nicht produziert und dann exportiert werden dürfen.
Wir wollen im Handel auch die Interessen von kleinen und mittleren Unternehmen stärken und
damit der Konzentration von wirtschaftlicher Macht entgegenwirken. Sie profitieren von
Zollreduktion und einheitlichen technischen Standards.
Für faire Arbeitsbedingungen, Klimaschutz und Menschenrechte
Handel sollte soziale Gerechtigkeit, faire Arbeitsbedingungen und Menschenrechte
unterstützen. Menschenrechte und die Arbeitnehmerschutzrechte der internationalen
Arbeitsorganisation, also die ILO-Kernarbeitsnormen, müssen im Handel fest verankert werden,
und ihre Verletzung muss einklagbar sein. Bei Verstößen muss die EU Handelsvergünstigungen
auch entziehen. Die EU-Kommission setzt in erster Linie auf freiwillige
Selbstverpflichtungen. Die Erfahrung zeigt: Das reicht nicht. Notwendig sind gesetzliche
Sorgfaltspflichten, neue Haftungsregeln und bessere Klagemöglichkeiten innerhalb der EU –
auch für Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen, die von europäischen Unternehmen
verursacht werden. Wir wollen Unternehmen gesetzlich zu mehr Verantwortung und Transparenz
in Bezug auf ihre Lieferketten verpflichten sowie dazu, Menschen- und Arbeiter*innenrechte
einzuhalten und fairer und ökologischer Beschaffung den Vorrang zu geben.
Die Klimaziele von Paris müssen fester Bestandteil des Welthandels werden. Wir unterstützen
den Vorschlag des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, die Klimaziele von Paris als
wesentlichen Bestandteil in Handelsabkommen zu verankern und damit verbindlich umzusetzen.
Wir müssen Handel und Klima in Einklang bringen. Eine Vorreiterrolle im Klimaschutz darf
nicht zu Nachteilen im internationalen Wettbewerb führen. Im Gegenteil wollen wir erreichen,
dass sich ein ambitionierter Klimaschutz auch ökonomisch rechnet. Dies kann zum Beispiel
über eine zu entwickelnde Klimaabgabe auf schmutzige Importe erfolgen, die aber WTO-konform
ausgestaltet sein muss.
Unfairen Wettbewerb durch Preis- oder Standard-Dumping wollen wir verhindern. Die letzte
Reform der europäischen Anti-Dumping-Instrumente war ein wichtiger Schritt. Es ist ein
Erfolg grüner Politik im Europaparlament, dass Marktverzerrung nun auch bei Verstößen gegen
internationale Arbeitnehmer- und Umweltstandards festgestellt werden kann. Wir wollen in
kritischen Bereichen strategische Infrastruktur schützen.
Handelsabkommen dürfen keine Treiber von Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung
werden. Wo sich Privatisierungen als Holzweg erwiesen haben, wollen wir diese rückgängig
machen können. Die öffentliche Daseinsvorsorge muss umfassend geschützt werden. Kommunen
dürfen in ihrer Handlungsfreiheit nicht beschränkt werden.
Faire Rohstoffpolitik
Durch viele Produkte des Alltags sind wir mit der ganzen Welt verbunden, die Produktion
findet in Asien statt, die Rohstoffe kommen vom afrikanischen Kontinent und konsumiert wird
bei uns. Wir wollen die Lieferketten besser kontrollieren. Deshalb wollen wir transparente
Lieferketten mit sozialen und ökologischen Mindeststandards durch entsprechende
Offenlegungs- und Sorgfaltspflichten erreichen. Was in der Europäischen Union konsumiert
wird, darf nicht zu Krieg und Ausbeutung beitragen.
Wir stehen für eine andere Rohstoffpolitik. Die Rohstoffe, die wir für unsere Handys oder
Tablets benötigen, werden oft unter miserablen Bedingungen abgebaut und gehen mit
Menschenrechtsverletzungen, Konflikten und Umweltzerstörungen einher. Ausbeutung darf aber
nicht Grundlage der Digitalisierung und unseres Konsums sein. Wir treten ein für faire
Rohstoffpartnerschaften, die die Bedürfnisse der Abbauländer berücksichtigen, für Einsparung
des Rohstoffverbrauchs und eine nachhaltige Nutzung in Europa. Wir wollen verbindliche
Standards bei Abbau, Weiterverarbeitung und Handel von Rohstoffen im Rahmen eines
transparenten Verfahrens, das auch gegen Korruption und Steuervermeidung wirkt. Besonders
Konfliktmineralien müssen besser kontrolliert werden.
Entwicklungspartnerschaft auf Augenhöhe
Die gegenwärtige Handelspolitik der EU mit Entwicklungsländern ist einseitig von den
wirtschaftlichen Interessen europäischer Unternehmen dominiert. Durch den Abbau von Zöllen
werden heimische Industrie, Handwerk und Landwirtschaft in Entwicklungsländern durch
Billigimporte aus der EU bedroht. Die EU ist durch ihre starke Verhandlungsposition in der
Lage, den Entwicklungsländern Bedingungen zu diktieren. Die derzeitigen
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) mit Afrika verhindern den Aufbau einer eigenen
Wirtschaft in diesen Ländern, statt ihn zu fördern. Wir wollen diese Abkommen stoppen und zu
einer echten Entwicklungspartnerschaft auf Augenhöhe übergehen. Die Entwicklungsländer
müssen ihren Weg einer nachhaltigen Entwicklung selbst bestimmen können. Gleiche Rechte sind
nur zwischen gleich starken Partnern gerecht. Wer die Schwächeren fördern will, muss ihnen
mehr Rechte als den Starken gewähren. Wir wollen Entwicklungsländern ausreichend Raum für
handelspolitische Schutzmaßnahmen lassen, um ihre heimische Wirtschaft aufzubauen und junge
Industrien zu schützen. Zolleinnahmen sind eine wichtige Einnahmequelle für
Entwicklungsländer. Ohne diese werden die mageren Staatseinnahmen stark belastet und es
fehlen Mittel für Investitionen in öffentliche Güter wie Bildung, Basis-Gesundheitsdienste
und andere Aspekte der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die EU hingegen sollte ihre Zölle auf
verarbeitete Produkte aus Entwicklungsländern abschaffen, um eine diversifizierte Industrie
und Wertschöpfung vor Ort zu ermöglichen.
Fairer Handel auch in der Landwirtschaft
Europäische Agrarsubventionen zerstören kleinbäuerliche Strukturen im globalen Süden und
schaffen so Abhängigkeiten, vernichten Existenzen und zementieren Armut. Deshalb lehnen wir
sie ab. Wir brauchen einen Neustart des europäischen Agrarhandels, der nicht länger mit
Dumpingpreisen Märkte im globalen Süden zerstört. Die Patentierung von Saatgut sowie
Landgrabbing wollen wir bekämpfen. Die EU muss Investoren und staatliche Institutionen dazu
drängen, die Leitlinien der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN zu
Landrechten, Fischgründen und Wäldern einzuhalten. Agrochemiekonzerne wie Bayer, der durch
die Übernahme von Monsanto zum Marktbeherrscher geworden ist, kontrollieren bereits jetzt
große Teile des weltweiten Saatgut-, Düngemittel- und Pestizidmarkts. Mit ihren Patenten
werden Kleinbäuerinnen und -bauern in teure Abhängigkeiten gezwungen und die Artenvielfalt
wird zerstört. Wir wollen die Rechte der Kleinbäuerinnen und -bauern in Entwicklungsländern
auf freien Austausch und kostenlose Wiederaussaat von Saatgut sichern. Darüber hinaus wollen
wir den Auf- und Ausbau lokaler Saatgutbanken fördern, damit traditionelles Wissen und die
biologische Vielfalt erhalten und zugänglich bleiben. Sortenvielfalt ist ein wichtiger
Baustein, um das Recht auf Nahrung zu verwirklichen und die Landwirtschaft
widerstandsfähiger gegen die Folgen des Klimawandels zu machen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- die Verankerung des Pariser Klimaschutzabkommens und des Vorsorgeprinzips in allen
Handelsverträgen der EU,
- WTO-konforme Klimaabgaben auf schmutzige Importe,
- die Abschaffung von Zöllen auf verarbeitete Produkte aus Entwicklungsländern.
4.6 Drogenkriege beenden
Der globale Krieg gegen Drogen ist gescheitert. Er fördert organisierte Kriminalität,
unterminiert die Gesundheit der Drogenkonsument*innen, verletzt Menschenrechte und trägt zur
Destabilisierung von Staaten bei. Damit verhindert er die politische und wirtschaftliche
Entwicklung der betroffenen Länder. Europa trägt als Konsumentenregion Verantwortung für die
Auswirkungen der Nachfrage nach Drogen. Wir wollen deshalb, dass die Europäische Union sich
auf der Ebene der Vereinten Nationen dafür einsetzt, dass der Drogenkrieg beendet wird.
Nationale Schritte für eine Reform der Drogenpolitik wie in verschiedenen Ländern
Lateinamerikas sollten unterstützt und nicht behindert werden. Die Europäische Union sollte
deshalb global eine Reform der Drogenpolitik in den betroffenen Staaten unterstützen, die
auf Prävention, Hilfe, Schadensminderung, Entkriminalisierung und Regulierung setzt. Wir
fordern eine an den tatsächlichen gesundheitlichen Risiken orientierte Regulierung von
Drogen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- eine globale Reform der Drogenpolitik,
- eine an den gesundheitlichen Risiken orientierte Regulierung von Drogen.
weitere Antragsteller*innen
- Konstantin von Notz (Herzogtum Lauenburg KV)
- Terry Reintke (Gelsenkirchen KV)
- Ska Keller (Spree-Neiße KV)
- Filiz Polat (Osnabrück-Land KV)
- Agnieszka Brugger (Ravensburg KV)
- Ulle Schauws (Krefeld KV)
- Reinhard Bütikofer (Berlin-Mitte KV)
- Frithjof Schmidt (Bochum KV)
- Uwe Kekeritz (Neustadt/Aisch-Bad Windsheim KV)
- Matthias Lorentzen (Augsburg-Stadt KV)
- Henrike Hahn (München KV)
- Melanie Hippke (Augsburg-Stadt KV)
- Wolfgang Urban (Augsburg-Stadt KV)
- Luise Amtsberg (Kiel KV)
- Gudrun Lux (München KV)
- Helga Mandl (Traunstein KV)
- Erich Grundl (Bogen-Straubing KV)
- Assadullah Wardak (Unterallgäu KV)
- Stephanie Schuhknecht (Augsburg-Stadt KV)
Kommentare
Assadullah Wardak:
Frédéric Zucco: